# 05 08 09 16 · 02 treife # 05 08 / 09 2016 editorial »und dies mit großem, messbarem erfolg,...
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# 05 08 09 16
Das Magazin der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen
Erfolgskonzept »Kurve kriegen« Jetzt an 19 Standorten in nrw> internationales polizeiseminar – neueste laserscan-technik
> hype um pokémon go – abgelenkt durch monsterjagd
02 Streife # 05 08 / 09 2016
editorial
»Und dies mit großem, messbarem Erfolg,
wie uns die Wissenschaftler der Christian-
Albrechts-Universität zu Kiel und der
Fa. Prognos ag in zwei vom mik nrw in
Auftrag gegebenen Studien bestätigen.«
Ralf Jäger mdlInnenminister des Landes Nordrhein-Westfalen
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Überall da, wo »Kurve kriegen« in den ver-
gangenen Jahren bereits gewirkt hat, sin-
ken die Fallzahlen bei der Jugendkrimina-
lität. 40 Prozent der Kinder und Jugend-
lichen, die das Projekt absolviert haben,
werden überhaupt nicht mehr straffäl-
lig, bei den übrigen Absolventen sinkt die
Deliktrate um 50 Prozent. Das hat langfris-
tig also auch eine positive Auswirkung auf
die Arbeit der übrigen Polizeibeamtinnen
und -beamten: Weniger Straftaten bedeu-
ten weniger Opfer und mehr Zeit für die
»Richtigen«.
Bisher haben acht Pilotbehörden an
»Kurve kriegen« teilgenommen. Jetzt
erfolgt der Roll-Out dieses Erfolgsmodells
auf elf weitere Behörden. Wir gehen mit
»Kurve kriegen« dorthin, wo der Bedarf
ist. Unter anderem erhalten viele Polizei-
behörden im Ruhrgebiet die Chance, ihre
Kriminalprävention weiter auszubauen
und damit die Fallzahlen im Bereich der
Jugendkriminalität zu senken. Die Initiative
wird in Nordrhein-Westfalen somit mehr
und mehr zu einem festen Bestandteil der
polizeilichen Alltagsorganiation.
Liebe Leserinnen und Leser,
»Frühe Hilfe statt späte Härte« – unter die-
sem Motto arbeitet die kriminal präventive
nrw-Initiative »Kurve kriegen« seit nun-
mehr fünf Jahren. Und dies mit großem,
messbarem Erfolg, wie uns die Wissen-
schaftler der Christian-Albrechts-Univer-
sität zu Kiel und der Fa. Prognos ag in zwei
vom mik nrw in Auftrag gegebenen Stu-
dien bestätigen. Man kann sogar konkret
eine Präventionsrendite beziffern: Jedem
in »Kurve kriegen« investierten Euro steht
ein gesamtgesellschaftlicher Nettonutzen
von bis zu zehn Euro gegenüber.
Basis dieses Erfolgs ist eine bundes-
weit einmalige Art der Zusammenarbeit:
Pädagogische Fachkräfte und erfahrene
Kriminalbeamte kümmern sich gemein-
sam um straffällig gewordene Kinder und
Jugendliche im Alter von 8 bis 15 Jahren.
Mit »Kurve kriegen« wollen wir verhin-
dern, dass diese Mädchen und Jungen
ihre Opfer weiter verprügeln, ausrauben
oder erpressen.
Eine Gelingensbedingung, die mir dabei
besonders am Herzen liegt, ist die, dass
alle Polizeibeamtinnen und -beamten
in den Behörden, in denen »Kurve krie-
gen« bis September 2016 neu eingeführt
wird, die pädagogischen Fachkräfte mit
offenen Armen empfangen und die poli-
zeilichen Ansprechpartner nach Kräften
bei ihrer Arbeit unterstützen. Etwa durch
Hinweise aus dem Wachdienst auf krimi-
nalitätsgefährdete Kinder oder besonders
prekäre familiäre Situationen, in denen
Kinder und Jugendliche zu Gewalttätern
werden können. Gemeinsam werden wir
auch in den neu dazukommenden Behör-
den beweisen: Diese Art der Präventions-
arbeit wirkt und führt nachhaltig zu weni-
ger Jugendkriminalität.
Und ich weiß, vor Ort wird eine tolle Arbeit
geleistet. Herzlichen Dank dafür!
Ihr Ralf Jäger
03Streife # 05 08 / 09 2016
inhalt
02 __ Editorial
67 __ Impressum
titel04 __ Frühe Hilfe statt späte Härte
Das nrw-Präventionsprojekt »Kurve
kriegen« wirkt und rechnet sich
08 __ 21. Deutscher Präventionstag in
Magdeburg mik nrw stellt Erfolgs projekt
»Kurve kriegen« vor
10 __ Die Macher von »Kurve kriegen«
Projekt gruppe »Prävention Jugend-
kriminalität«
12 __ Regeln machen Sinn Erfolg stellt
sich durch langfristige Betreuung ein
14 __ »Wir können sie erreichen!«
Frühzeitige, passgenaue Hilfen wirken
am besten gegen Jugendkriminalität
einsatz18 __ Die Fußballeuropameisterschaft
2016 Erfolgreicher Einsatz der deutschen
Polizeidelegation
20 __ Das psu-Team sucht Verstärkung
»Man macht diese Arbeit aus Über zeugung«
personal 24 __ 1.891 neue Polizisten und Polizis-
tinnen vereidigt »Das ist Euer Tag!«
kriminalität 34 __ 13. Internationales Polizei-
seminar »Photogrammetrie und
Laserscanning« Neueste Technik
begeistert die Teilnehmer
44 __ 70 Jahre danach: Die Suche nach
der Wahrheit Die Ermittlungsgruppe
National sozialistische Gewaltverbrechen
verkehr48 __ Motorrad-Aktion im pp
Recklinghausen Biker gehen mit
Polizisten auf »PoliTour«
sport52 __ 32. Deutsche Polizeimeister-
schaften im Judo 1 x Gold, 2 x Silber und
3 x Bronze für nrw
53 __ Polizeilandesmeisterschaft im
Fußball der Männer pp Duisburg wieder
Polizei landesmeister
54 __ 19. Polizeilandesmeisterschaften
im Radsport Christoph Schweizer holt
Gold in der offenen Klasse
56 __ 3. Europäische Polizeimeis-
terschaft im Volleyball der Frauen
Deutschland ist Vize- Europameister
56 __ 2. Europäische Polizeimeister-
schaft im Fußball der Frauen Deutsch-
land holt den Europameistertitel
57 __ 15. Europäische Polizeimeister-
schaft im Handball der Männer Deutsch-
land holt den Europameistertitel
58 __ Funktionen im Sport der Polizei
nrw neu besetzt Neuer Fachwart im
Handball nrw und neuer Hauptsportwart
nrw gewählt
58 __ Qualifikation für die Deutsche
Polizei meister schaft im Fußball der
Frauen nrw-Auswahl qualifiziert sich für
die Endrunde
59 __ Tag des Polizeisports 2016 in
Krefeld »Gemeinsam fit für Sicherheit«
01 kurve kriegen auf erfolgskurs – kurve kriegen wirkt
prisma60 __ Neuer Trend »Pokémon go«
Abgelenkt durch Monsterjagd
personalien64 __ Neuer Hauptpersonalrat der
Polizei nrw gewählt Auf Augenhöhe
verhandeln
termine65 __ Große Polizeischau auf dem nrw
Tag Polizei nrw macht »Polizei« für die
ganze Familie erlebbar
preisrätsel66 __ »Ich war noch niemals in
New York« Die »Streife« verlost
3 x 2 Freikarten
04 Streife # 05 08 / 09 2016
titel
» Jugendliche Intensivtäter begehen nicht nur Straftaten,
sie fügen vielen Opfern im Lauf ihrer Karriere großes
Leid zu. Im Durchschnitt sind es etwa 100 Menschen,
die durch sie zu Schaden kommen«, so Ralf Jäger bei der Vorstel-
lung der Studie zur Wirksamkeit des Programms. An den »Kurve
kriegen«-Standorten haben die pädagogischen Fachkräfte ihren
Arbeitsplatz in den Räumen der Kreispolizeibehörden. Jäger:
»Das ist ein bundesweit einmaliger Ansatz, mit dem Ziel, einen
unmittelbaren Austausch zu ermöglichen, die Ursachen der Straf-
fälligkeit der Kinder und Jugendlichen herauszufinden und daran
individuell und zielgerichtet zu arbeiten.« Es gibt klare Zugangs-
kriterien zu diesem Projekt: Es werden in der Regel nur Kinder auf-
genommen, die bereits drei Eigentumsdelikte oder eine Gewalttat
verübt haben und bei denen zusätzlich Risikofaktoren vorliegen.
Herauszufinden, welche Kinder besonders kriminalitätsgefährdet
sind, das ist ein Ergebnis der polizeilichen Arbeit.
Die meisten Teilnehmenden kommen aus städtischen Berei-
chen. 90 Prozent sind Jungen, nur 10 Prozent Mädchen. Die Fami-
lien sind meist mit vielen Problemen belastet. Die Kinder haben
eine schlechte Sozialprognose und die Wahrscheinlichkeit ist
hoch, dass sie als Jugendliche immer mehr und immer schwer-
wiegendere Taten begehen.
AuslösER wAR EIn sElbstmoRd In dER JVA sIEgbuRg
Die Idee zum Projekt »Kurve kriegen« geht auf eine Tat im Jahr
2006 in der Justizvollzugsanstalt (jva) Siegburg zurück, wo ein
damals 20-Jähriger von seinen Mitgefangenen bestialisch gefol-
tert wurde und sich schließlich erhängte. Damals hat ein parla-
mentarischer Untersuchungsausschuss versucht, die Hinter-
gründe aufzuklären. Dem Ausschuss hat nrw-Innenminister Ralf
Jäger selbst angehört: »Der Ausschuss kam zu dem Schluss, eine
Enquetekommission anzustoßen, um Vorschläge erarbeiten zu
lassen, wie das Land nrw die Präventionspolitik effektiver ausge-
stalten kann. Es bestand fraktionsübergreifend Einigkeit, dass es
am besten wäre, wenn Jugendliche erst gar nicht ins Gefängnis
kämen. An diesem Befund hat sich bis heute nichts geändert.«
Die Arbeit der damaligen Enquetekommission »Prävention« mün-
dete in insgesamt 35 Handlungsempfehlungen, von denen mittler-
weile viele umgesetzt werden. Im mik hat ein multiprofessionelles
In den vergangenen fünf Jahren haben rund 600 Kinder und
Jugendliche im Alter zwischen 8 und 15 Jahren an der kriminal-
präventiven Initiative »Kurve kriegen« des Ministeriums für Inne-
res und Kommunales (mik) nrw teilgenommen. Diese Initiative
soll verhindern, dass sich kriminalitätsgefährdete Kinder, die
schon früh mit ersten rechtswidrigen Taten bei der Polizei auffal-
len, zu so genannten Intensivtätern entwickeln. »Das sind Kinder,
die an einem Scheideweg stehen: Entweder rutschen sie weiter ab
in einen Strudel aus immer mehr und immer schwereren Strafta-
ten oder sie kriegen die Kurve«, erläutert nrw-Innenminister Ralf
Jäger. Das Projekt wird bislang in acht Kreispolizeibehörden (kpb)
in nrw durchgeführt. Die vom mik beauftragten wissenschaftli-
chen Untersuchungen belegen deutlich, dass die Initiative nicht
nur wirkt, sondern sich darüber hinaus auch volkswirtschaftlich
rechnet. Deshalb wird »Kurve kriegen« ab Sommer 2016 an elf
zusätzlichen Standorten umgesetzt.
Frühe Hilfe statt späte Härte Das nrw-Präventions-projekt »Kurve kriegen« wirkt und rechnet sich
05Streife # 05 08 / 09 2016
Projektteam (Projekt Prävention Jugendkriminalität) unter der
Leitung von Ministerialdirigent Martin Bornträger auf Grundlage
einiger dieser Empfehlungen die nrw Initiative »Kurve kriegen«
entwickelt.
»KuRVE KRIEgEn« lEIstEt EInEn wIcHtIgEn bEItRAg
zuR sEnKung dER JugEndKRImInAlItät
»Kurve kriegen wirkt«, sagt der Landesinnenminister. Die Zahlen
aus der Studie der »Prognos ag« sprechen für sich: »40 Prozent
der Absolventen haben nach der Teilnahme am Programm keine
einzige Straftat mehr begangen.« Insgesamt begehen die Absol-
venten von »Kurve kriegen« 50 Prozent weniger Straftaten als
vor ihrer Teilnahme. Bei den Körperverletzungsdelikten ist sogar
ein Rückgang um 75 Prozent festzustellen und gerade das sind
die Taten, die das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung empfindlich
beeinflussen. Neben der Reduktion von Straftaten ist aber auch
wichtig: Die jungen Absolventen des Programms haben persön-
lich viel gelernt. Ralf Jäger: »Die Jugendlichen zeigen weniger
Aggressionen und nehmen in ihrem Alltag mehr Rücksicht auf
ihre Mitmenschen. Sie sind für Eltern und Schulen endlich wieder
erreichbar. Sie haben eine neue Perspektive.«
»KuRVE KRIEgEn« REcHnEt sIcH
Jeder jugendliche Intensivtäter im Alter zwischen 14 und 25
Jahren kostet die Gesellschaft im Schnitt fast 1,7 Millionen Euro.
Jeder Teilnehmer von »Kurve kriegen« kostet das Land nrw im
Durchschnitt ca. 25.000 Euro. Die Prognos ag hat nun für das
Land nrw ausgerechnet, welche Folgekosten für die Gesell-
schaft durch »Kurve kriegen« eingespart werden. Für die Unter-
suchungsgruppe von 231 ehemaligen Teilnehmern heißt das: »Für
jeden Euro, den wir in »Kurve kriegen« investiert haben, bekommt
die Gesellschaft bis zu 10 Euro zurück«, erläutert Ralf Jäger das
Ergebnis der Studie. Wenn es gelingt, nur vier Absolventen, die
sich ohne die Intervention von »Kurve kriegen« zu Intensivtätern
entwickelt hätten, langfristig und nachhaltig zum Abbruch ihrer
kriminellen Karriere zu bewegen, haben sich bereits die Investiti-
onen des Landes von 5,1 Millionen Euro aus den vergangenen fünf
Jahren gelohnt. >
khk Frank Hedderich und die pädagogische Fachkraft Uwe Grohmann zeigen eine echte, anonymisierte Intensivtäterkarriere mit über 100 Opfern. Minister Jäger zeigt, was »Kurve kriegen« in einem Fall mit ähnlichem Beginn bewirken kann.
06 Streife # 05 08 / 09 2016
titel
aus 8 standorten werden 19 standorte
Bislang gibt es »Kurve kriegen« an acht Standorten in
Aachen, Bielefeld, Dortmund, Duisburg, Hagen, Köln,
Wesel und im Rhein-Erft-Kreis. Jetzt entstehen auch in
Bochum, Bonn, Düsseldorf, Essen, Gelsenkirchen, Mett-
mann, Mönchengladbach, Münster, Oberhausen, Pader-
born und im Ennepe-Ruhr-Kreis neue »Kurve kriegen«-
Standorte. Auch dort arbeiten in den Kreispolizei-
behörden künftig pädagogische Fachkräfte gemeinsam
mit den Beamten daran, dass junge Menschen nicht
weiter in die Kriminalität abrutschen.
Mehr Informationen zu »Kurve kriegen« finden Sie auch
im Internet unter www.kurvekriegen.nrw.deTeam Köln
Team Duisburg
Team Hagen
Team Dortmund
Team Aachen
Team Wesel
Team Rhein-Erft-Kreis
Team Bielefeld
07Streife # 05 08 / 09 2016
dAs ERgEbnIs dER studIE übERzEugt
Die volkswirtschaftliche Beurteilung ist ein wichtiger Aspekt der
Auswertung. Ebenso entscheidend ist auch die Gewissheit, dass
weniger Menschen unter den Folgen der Straftaten jugendlicher
Intensivtäter leiden müssen. Außerdem hat sich die enge Zusam-
menarbeit zwischen den pädagogischen Fachkräften und der ört-
lichen Polizei in der Praxis bewährt. Aus diesen Gründen wird das
Projekt in diesem Sommer deutlich ausgebaut: Weitere elf Stand-
orte in nrw kommen hinzu (siehe Kasten). Langfristig soll das Pro-
gramm möglichst flächendeckend in nrw umgesetzt werden. nrw-
Innenminister Ralf Jäger zieht ein realistisches Fazit: »Wir werden
damit die Jugendkriminalität nicht vollständig beseitigen, aber
der Rückgang um 20 Prozent in den letzten fünf Jahren zeigt: Man
kann etwas mit guter polizeilicher Präventionsarbeit erreichen.«
/// Walter Liedtke
wirksame kriminalprävention ist der beste opferschutz!
Landeskriminaldirektor Dieter Schürmann:
Die nrw-Initiative »Kurve kriegen« hat eine fantastische
Entwicklung genommen. 2011 zunächst als Projekt mit
innovativem kriminalpräventivem Ansatz zur Intensivtä-
tervermeidung gestartet, wird ihr durch Wissenschaft-
ler heute nachhaltige Wirkung und Wirtschaftlichkeit
attestiert. Für diese Initiative und für dieses Projekt gab
es keine »Blaupause«, kein Konzept, dass mal einfach
zu übernehmen war. Auch die Polizei nrw hat hier einen
neuen Weg beschritten. Einen Weg, der sich gelohnt
hat: Bis zum 25. Lebensjahr eines bis dahin durchgän-
gig aktiven Intensivtäters werden durchschnittlich 100
Menschen Opfer seiner Straftaten. Sie werden bestoh-
len, verprügelt oder beraubt. Einige der Opfer werden
dadurch auch länger traumatisiert. »Kurve kriegen« ver-
hindert nachweislich Kriminalität, dabei insbesondere
Gewalt delikte, und belegt zudem sehr deutlich: Kriminal-
prävention ist der beste Opferschutz!
Dank und Gratulation dafür an alle Beteiligten; an
das Team hier im mik und vor allen Dingen auch an alle
Kolleginnen und Kollegen sowie die pädagogischen
Fachkräfte vor Ort, die »Kurve kriegen« so engagiert
umsetzen. Machen Sie weiter und bleiben Sie erfolgreich.
Es lohnt sich!
08 Streife # 05 08 / 09 2016
titel
21. deutscher Präventionstag in magdeburg mik nrw stellt Erfolgs projekt »Kurve kriegen« vor
Der 21. Deutsche Präventionstag fand am 6. und 7. Juni 2016
in Magdeburg statt. Über 2.000 Präventionsexpertinnen und
-experten aus allen Bundesländern sowie aus über 40 weiteren
Staaten waren zusammengekommen, um sich über das Kon-
gressthema »Prävention und Freiheit. Zur Notwendigkeit eines
Ethik-Diskurses« auszutauschen. Im Rahmen des Kongresses
fand außerdem das 10. Annual International Forum (aif) mit hoch-
rangigen internationalen Referentinnen und Referenten statt.
Zahlreiche Begleitveranstaltungen rundeten das Programm ab.
09Streife # 05 08 / 09 2016
Der Deutsche Präventionstag ist europaweit die größte Ver-
anstaltung dieser Art und findet seit 1995 jährlich zwei-
tägig in Deutschland statt. Der Kongress wendet sich
an Verantwortungsträger der Prävention in Kommunen, bei der
Polizei, im Gesundheitswesen, in der Jugendhilfe, in der Justiz, in
den Religionsgemeinschaften, im Bildungsbereich, in Vereinen
und Verbänden sowie an Politiker und Wissenschaftler. Thema-
tisiert werden neben der Kriminalprävention auch die Suchtprä-
vention, Verkehrsprävention und verschiedene Präventionsbe-
reiche im Gesundheitswesen. Die beiden Tage bieten eine inter-
nationale Plattform zum interdisziplinären Informations- und
Erfahrungsaustausch.
Auch Nordrhein-Westfalen war in Magdeburg mit verschie-
denen Themen vertreten. Die Initiative »Kurve kriegen« des mik
nrw wurde an einem Messestand präsentiert. Vertreterinnen
und Vertreter der »Projektgruppe Prävention Jugendkriminali-
tät« stellten sich in Gesprächen der Diskussion und berichteten
über Ergebnisse und Erfolge des Projekts. Insbesondere die Eva-
luationsergebnisse der Initiative »Kurve kriegen« stießen hier auf
reges Interesse.
FAzIt: EInRIcHtung Von PRäVEntIonszEntREn
sInnVoll
Seit dem 12. Deutschen Präventionstag im Jahr 2007 veröffentli-
chen der Deutsche Präventionstag und seine Veranstaltungspart-
ner in einer Erklärung zum Schluss des Kongresses Aussagen zu
den (kriminal-) politischen Konsequenzen, die sich aus dem jährli-
chen Schwerpunktthema, die Prävention in den Kontext der Ethik
zu stellen, ergeben. Dieser Tradition folgend richtet sich auch die
»Magdeburger Erklärung« des 21. Deutschen Präventionstages
primär an die in den Kommunen, den Ländern, dem Bund und in
Europa für die Prävention politisch verantwortlichen Personen,
Instanzen und Ebenen. Aus der Erklärung: »Nach Auffassung des
Deutschen Präventionstages [sollten] ressortübergreifende Prä-
ventionszentren auf allen politischen Ebenen eingerichtet wer-
den, in den Kommunen, in den Bundesländern und auf der Ebene
des Bundes. Alle Präventionsbereiche könnten im Rahmen sol-
cher Präventionszentren effektiv zusammenarbeiten und die
Grundlage für eine systematische, gesamtgesellschaftliche und
mehr infos zum erfolgskurs
Die Evaluationsergebnisse zu »Kurve kriegen« finden
Sie unter www.kurvekriegen.nrw.de
Weitere Informationen zum Schwerpunktthema
»Präventionsethik«, zu den Vortragenden und den
einzelnen Kongressbeiträgen gibt es unter
www.praeventionstag.de
insbesondere nachhaltige Präventionsstrategie und Präventions-
politik legen.« Bereits in den Vorjahren hat der Deutsche Präventi-
onstag immer wieder auf einzelne Aspekte und Entwicklungen der
Kriminalprävention aufmerksam gemacht.
Der 22. Deutsche Präventionstag findet am 19. und 20. Juni
2017 in Hannover statt. Gastgebende Veranstaltungspartner
sind dann das Land Niedersachsen, die Landeshauptstadt Han-
nover und der Landespräventionsrat Niedersachsen (lpr).
/// Heike Pohlmann, mik nrw
10 Streife # 05 08 / 09 2016
titel
die macher von »Kurve kriegen« Projekt gruppe »Prävention Jugendkriminalität«
Im Ministerium für Inneres und Kom-
munales (mik) des Landes nrw ist das
Projekt »Kurve kriegen« in den vergange-
nen fünf Jahren durch ein multiprofessio-
nelles Team initiiert und zum Erfolg geführt
worden.
Unter der Projektleitung von Minis-
terialdirigent Martin Bornträger
arbeiten derzeit zwei Polizeibe-
amte und eine Diplom-Pädagogin gemein-
sam an dem Roll-Out des Projekts auf elf
weitere Polizeibehörden im Land. Die vier
prägen das Profil von »Kurve kriegen« in
nrw und stehen für eine innovative und
nachhaltige Kriminalpräventionsarbeit mit
Kindern und Jugendlichen.
/// Team ppj, mik nrw
mARtIn boRntRägER
Ministerialdirigent Martin Bornträger leitet
die Geschicke von »Kurve kriegen«. Er ist
Abteilungsleiter der Abteilung 2 – Personal –
im mik nrw und war zuvor Leiter des Minis-
terbüros. Hier hat er von Beginn an die
Entwicklung des Projekts begleitet.
11Streife # 05 08 / 09 2016
JöRg unKRIg
Kriminaldirektor Jörg Unkrig ist der stell-
vertretende Projektleiter und von Anfang
an mit dabei. Er hat das Konzept aus
polizeilicher Sicht mitentwickelt.
Er ist u. a. Lehrbeauftragter an der Fach-
hochschule für öffentliche Verwaltung und
trainiert mit jungen Kolleginnen und Kolle-
gen soziale Kompetenzen. In seinen Funk-
tionen als pi und ki-Leiter hat er mit vielen
Jugendsachbearbeitern zusammengear-
beitet und kennt die Herausforderungen
in der Arbeit mit schwierigen Kindern und
Jugendlichen und insbesondere mit Inten-
sivtätern. Zudem hat er die Evaluation der
Intensivtäterkonzepte begleitet.
Telefon: 0211 871-3313
E-Mail: [email protected]
HEIKE PoHlmAnn
Oberregierungsrätin Heike Pohlmann ist
Diplom-Pädagogin. Sie hat das Konzept
»Kurve kriegen« entwickelt und mit dem
Team die Umsetzung in den acht Modell-
behörden aus pädagogischer Sicht von
Anfang an begleitet.
Vor ihrer Tätigkeit bei »Kurve kriegen«
war sie Referentin im Landtag nrw und hat
sich über die Arbeit in der Enquete-Kom-
mission »Prävention« eingehend mit dem
Thema Jugendkriminalität beschäftigt.
Telefon: 0211 871-3234
E-Mail: [email protected]
wolFgAng wEndElmAnn
Kriminalhauptkommissar Wolfgang Wen-
delmann war Jugendbeauftragter des pp
Köln. Als Koordinator des Kölner Haus
des Jugendrechts war er zudem für die
Konzeption, Einrichtung und den Wirkbe-
trieb dieses richtungsweisenden Koope-
rationsmodells verantwortlich. Er war in
den ministeriellen Arbeitsgruppen zur
Erarbeitung der Initiative »Kurve kriegen«
eingebunden und übernahm in der Folge
die Funktion des polizeilichen Ansprech-
partners »Kurve kriegen« in Köln. Er
verfügt über umfangreiche Erfahrungen
in den Bereichen Jugendkriminalität sowie
konzeptionelle Arbeit und Networking.
Telefon: 0211 871-2414
E-Mail: [email protected]
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12 Streife # 05 08 / 09 2016
titel
Im Polizeipräsidium Hagen arbeiten unter anderem Diplompäda-
goge Uwe Grohmann und Kriminalhauptkommissar Peter Passehl
bei der nrw Initiative »Kurve kriegen«. Die »Streife« hat mit ihnen
über ihre Erfahrungen aus fünf Jahren gesprochen.
streife: wie hat die Arbeit von »Kurve kriegen« hier in Hagen
begonnen?
grohmann: Hier in Hagen haben wir im September 2011 mit
»Kurve kriegen« begonnen. Für mich war das zuerst eine große
Umstellung: Mein Arbeitgeber, der Verein »Die Brücke« in Dort-
mund, hatte damals nur zehn Mitarbeiter und ich kam plötzlich
in dieses große Haus! Menschlich ist mir der Start sehr leicht
gemacht worden. Viele Polizisten, die Präventionsarbeit machen,
denken da ähnlich wie wir Pädagogen, dass es immer auch um
Ursachen für Kriminalität geht und dass man genau hinschauen
muss. Aber wir mussten am Anfang hausintern für unsere Arbeit
und Maßnahmen werben, weil wir plötzlich Geld dafür ausgeben
wollten, um etwa Sportprojekte mit Jugendlichen zu machen.
Das war ja für einige Beteiligte ein neuer Ansatz. Unser Projekt-
leiter Sascha Mader hat uns in der Startphase manche Schwie-
rigkeit aus dem Weg geräumt.
Regeln machen sinn Erfolg stellt sich durch lang-fristige Betreuung ein
Passehl: Von der Seite der Polizei hatten wir schon für den Start
des Projekts einige Kinder »in den Blick genommen«, damit die
Pädagogen von Anfang an loslegen und auf die Familien zuge-
hen konnten. Derzeit haben wir immer zwischen 25 und 30 Kin-
der und Jugendliche, die wir betreuen – in der Regel über einen
Zeitraum von zwei Jahren.
streife: mit welcher Art von maßnahmen haben sie bei den
Kindern und Jugendlichen in Hagen Erfolg?
grohmann: Schon gleich am Anfang haben wir individuell pas-
sende Maßnahmen gefunden. Ich hatte einige Angebote von Trä-
gern wie vom Verein »Sport statt Gewalt« auf dem Tisch liegen.
Meine Funktion ist es, diese Angebote fachlich zu überprüfen
und dann die passenden Teilnehmer dorthin zu vermitteln. Nicht
jedes Angebot passt für jeden Teilnehmer. Da ist ein genauer
Blick gefragt. Wir haben hier in Hagen relativ viele Sportange-
bote, weil wir damit die Kinder und Jugendlichen gut erreichen.
Wir verfolgen mit diesen Sportangeboten dann Ziele, die die
Kinder erstmal gar nicht mitbekommen, wenn sie dort hingehen.
Das Verhalten in Sportmannschaften steht stellvertretend für
das Verhalten in jeder Gruppe. Wenn man etwa gerne in einer
Diplom-Pädagoge Uwe Grohmann und khk Peter Passehl – Team Hagen
13Streife # 05 08 / 09 2016
Fußballgruppe im Winter in einer Halle mitspielen möchte, muss
man sich entsprechend verhalten. Das ist ein Anreiz, aber auch
eine Herausforderung für die Teilnehmer. Die Trainer haben
alle eine pädagogische Ausbildung und können dann über das
korrekte Verhalten beim Sport auch generelle Verhaltensände-
rungen erreichen. Über unsere Angebote zeigen wir, dass die
Gesellschaft etwas zu bieten hat, für das es sich lohnt, über den
eigenen Schatten zu springen, sich anzustrengen, auch durchzu-
halten, wenn es Misserfolge gibt, sich mit anderen auseinander-
zusetzen, dass Regeln einen Sinn machen.
streife: wie suchen sie die Kandidaten aus, die in »Kurve
kriegen« aufgenommen werden sollen?
Passehl: Meine Hauptaufgabe ist es, die Kinder dafür auszusu-
chen. Das ist der erste Schritt im Screeningprozess. Anfangs
haben wir uns dabei sehr auf die Straftaten fokussiert. Das hat
sich durch die Zusammenarbeit mit den Pädagogen geändert.
Natürlich muss ein Kandidat auch weiterhin durch eine Straftat
im Gewalt- oder Eigentumsbereich aufgefallen sein. Wir schauen
aber heute viel mehr auch auf die familiären Verhältnisse, auf
die Peer-Group, auf das Verhalten in der Schule, soweit es der
Polizei bekannt ist. Ich schaue in verschiedenen Datensystemen
der Polizei, zum Beispiel in igvp, nach. Ich bekomme auch Hin-
weise aus den Schulen. Und ich gehe dann in die Familien. Ich
treffe da häufig auf schwierigste Familienverhältnisse, so zum
Beispiel Alkoholmissbrauch, Arbeits- und Perspektivlosigkeit,
Armut, oder auch Alleinerziehende, die Probleme mit ihren grö-
ßer werdenden Kindern haben und manchmal hilflos sind. Dort
hole ich dann auch die Einverständniserklärung zur Weitergabe
der Daten an die pädadgogische Fachkraft ein. Wichtig ist, dass
»Kurve kriegen« auf Freiwilligkeit basiert.Im Anschluss mache
ich dann meine Gefährdungsprognose, die ich an den Pädago-
gen weitergebe. Es sind übrigens hier in Hagen eine überdurch-
schnittlich große Zahl von Mädchen im Projekt »Kurve kriegen«,
der Behördenschnitt über alle acht »Kurve kriegen« Behörden
liegt bei ca. 90 Prozent männlichen Teilnehmern und ca. 10 Pro-
zent weiblichen Teilnehmern.
streife: wie reagieren die Familien auf das Angebot von
»Kurve kriegen«?
grohmann: Die meisten Familien sind froh, dass sich jemand um
die Kinder kümmert. Wir machen ja auch »aufsuchende Arbeit«.
Das heißt, wir sind vor Ort und sehen, wie Kinder und Eltern in
ihrem normalen Umfeld miteinander umgehen. In etwa 20 Pro-
zent unserer Fälle machen die Pädagogen konkrete Unterstüt-
zungsarbeit in den Familien. Aber wir können mit ihnen nur
einige Stunden in der Woche arbeiten. Wenn die Kinder und
Jugendlichen draußen auf der Straße sind, werden sie leicht als
Spielverderber angesehen, wenn sie bei kriminellen Aktivitäten
ihrer Gruppe nicht mehr mitmachen wollen. Deswegen brauchen
sie unterstützend andere Freizeitangebote und andere Kontakte,
die sie nicht wieder dazu verführen, Straftaten zu begehen. Die
Gruppenangebote richten sich nach den Interessen und Res-
sourcen der Kinder und Jugendlichen, aber natürlich auch
danach, was sie für ihre persönliche Entwicklung brauchen und
welche Ziele wir haben. Da gibt es Fußballangebote und Motor-
rad-Trials. Wir haben etwa auch eine Basketballgruppe, die bei
der Jugendakademie des Basketballclubs Phoenix Hagen ange-
siedelt ist. Einige unserer Teilnehmer gehen zum Ringen. Der
Trainer hat ein ganz großes Sozialarbeiterherz und er schafft es
sehr gut, den Kindern über das Ringen Regeln zu vermitteln.
Veränderungen sind aber nicht immer einfach. Bei vielen ist
der Wunsch da, aber manche schaffen es gerade am Anfang
nicht, dauerhaft keine Straftat mehr zu begehen. Bei einigen
ist es ein glatter Weg heraus aus der Kriminalität, bei anderen
ein holpriger. Es gibt ja sehr viele unterschiedliche Ursachen,
warum sich Kinder nicht an Regeln halten und später Straftaten
begehen. An diesen Ursachen setzen wir an.
streife: was macht aus Ihrer sicht »Kurve kriegen« in Hagen
so erfolgreich?
Passehl: Der polizeiliche Erfolg ist dann gegeben, wenn es
weniger oder keine Straftaten mehr gibt. Wenn die Kinder wieder
zugänglich sind, für die Eltern und die Schule. Wenn sie einse-
hen, dass es so dauerhaft nicht weitergehen kann und sie bereit
sind, für ihr Handeln einzustehen und Verantwortung zu über-
nehmen. Wichtig ist aber auch der pädagogische Erfolg. Durch
die Arbeit der Pädagogen bekommen die Kinder wieder eine
Tagesstruktur. Sie werden in der Schule besser. Ich kenne die
Kinder zum Teil schon sehr lange und ich freue mich wirklich,
wenn es mit ihnen wieder aufwärts geht. Es sind oft die kleinen
Erfolge, die mir zeigen, dass der Junge oder das Mädchen wie-
der auf dem richtigen Weg ist und im wahrsten Sinne des Wortes
die Kurve gekriegt hat. /// Das Gespräch führte Walter Liedtke
khk Peter PassehlFoto
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14 Streife # 05 08 / 09 2016
titel
Im Kreis Wesel arbeiten neben Kriminalhauptkommissar Frank
Hedderich aktuell die Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin Julia
Nehring und der Diplom-Sozialpädagoge Michael Tekolf im
Projekt »Kurve kriegen«. Beide sind bei der ambulanten Jugend-
hilfe des Caritasverbandes Dinslaken und Wesel beschäftigt. Die
»Streife« hat mit ihnen über ihre Arbeit gesprochen.
streife: Vor welcher besonderen Herausforderung standen
sie im Kreis wesel beim start von »Kurve kriegen«?
Hedderich: Uns war damals wichtig, die Jugendämter mit ein-
zubinden. Da hatten wir Vorbehalte befürchtet. Deshalb haben
wir die Leiterinnen und Leiter der Jugendämter von Anfang an
darüber informiert, was wir machen. Wir haben es da im Kreis
Wesel mit sieben verschiedenen Stellen zu tun. Entsprechend
auf wändig ist es, hier regelmäßig Gespräche zu führen und
Kontakte zu halten.
»wir können sie erreichen!« Frühzeitige, passgenaue Hilfen wirken am besten gegen Jugendkriminalität
khk Horst Groß, khk Frank Hedderich, Dipl.-Sozialpädagogin Julia Nehring, Dipl.-Sozialpädagoge Michael Tekolf und Landrat Dr. Ansgar Müller
15Streife # 05 08 / 09 2016
streife: welchen Hintergrund haben die Kinder und Jugend-
lichen, die hier im Rahmen von »Kurve kriegen« betreut
werden?
Hedderich: Bei unseren Fällen geht es überwiegend um Gewalt-
taten wie Körperverletzung oder Raub – von den Jugendlichen
auch »Abzocke« genannt. Diese Delikte kommen im schuli-
schen Bereich vor, aber auch innerfamiliär oder im Freizeit-
verhalten. Bei der Suche nach geeigneten Personen für »Kurve
kriegen« verfolgen wir nicht jede Schulhofschubserei, sondern
wir schauen, wo wirklich Grenzen überschritten wurden. Darü-
ber hinaus betrachten wir das gesamte Umfeld. Vielfach haben
wir die Erfahrung gemacht, dass eine gewisse Schulmüdigkeit
besteht – die Schule also nur noch unregelmäßig besucht wird.
Hinzu kommt oftmals eine planlose Freizeitgestaltung. So ent-
steht nach und nach ein komplettes polizeiliches Bild.
streife: Ist die Jugendkriminalität im ländlichen Kreis wesel
eine andere als in den großstädten von nrw?
Hedderich: Unsere Jugendkriminalität ist städtisch geprägt. Wir
haben vier größere Städte im Kreis: Dinslaken, Kamp- Lintfort,
Wesel und Moers. Daher kommen auch die meisten unserer Teil-
nehmer. Zudem scheint in ländlichen Bereichen die Anzeigen-
bereitschaft geringer zu sein. Vielleicht auch wegen höherer
sozialer Kontrolle.
streife: warum ist es aus pädagogischer sicht sinnvoll, schon
bei 8- bis 14-Jährigen aktiv zu werden?
tekolf: Die Hemmschwellen werden immer niedriger. Wenn ein
Grundschulkind einem anderen mit der Faust frontal ins Gesicht
schlägt, ist es ein paar Jahre später nicht mehr nur die Faust,
sondern der Fußtritt ins Gesicht. Wobei das Opfer dann auf dem
Boden liegt. Insofern ist es äußerst sinnvoll, die Hilfen möglichst
früh anzusetzen. >
khk Frank Hedderich
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16 Streife # 05 08 / 09 2016
titel
streife: wie setzen sie mit Ihrer pädagogischen Arbeit
konkret an?
nehring: Wir gehen immer als Erstes in die Familien. Wir
machen das im Team, damit ein weiblicher und ein männlicher
Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Wenn wir dann gemein-
sam mit der Familie herausfinden, dass zum Beispiel ein sozi-
aler Trainingskurs Sinn macht, dann kommt das Kind oder der
Jugendliche auch in einen passenden Kurs. Gleichzeitig sind
wir Sozialpädagogen natürlich immer als Ansprechpartner da.
Auch in anderen Konflikten in der Familie können wir weiterhel-
fen. Mit dem Jugendlichen können wir schauen, wie er seine Frei-
zeit besser gestalten kann. Hierbei spielen beispielsweise auch
Handball-, Fußball- oder Schwimmvereine eine große Rolle. Wir
nutzen aber auch die freien Träger mit ihren Jugendhilfe-Maß-
nahmen. Wir haben hier etwa das Anti-Agressivitätstraining oder
auch soziale Trainingskurse.
streife: merken sie, wenn es bei den Kindern und Jugend-
lichen »Klick« macht und sich ihr Verhalten zum Positiven
wendet?
tekolf: Es gibt zum Beispiel eine Selbsterfahrungsgruppe für
Jungen im Alter von 8 bis 14 Jahren, die über sechs Monate
läuft. Das ist eine recht intensive Zeit. Diese Jungen sind über-
haupt nicht gruppenfähig und können ihre Konflikte nur über
Gewalt und Aggression lösen. Das Gruppenangebot wird beim
Caritas-Verband von einem Kollegen durchgeführt. Da habe ich
ein Abschlussgespräch zwischen der Mutter, dem Jungen und
dem Sozialarbeiter erlebt, wo die Mutter sagte: »Ich erlebe mein
Kind heute ganz anders, viel offener.«
nehring: Die Teilnehmer stoßen immer wieder an Grenzen, sie
müssen sich selbst in der Gruppe profilieren und lernen, wie das
ohne Gewalt funktioniert. Dabei ist es nicht der eine Moment,
bei dem es »Klick« macht, der eine Verhaltensänderung bewirkt.
Vielmehr sind es die vielen neuen Erlebnisse, Erfahrungen und
Einsichten. Es ist also ein Lernprozess, Konfliktsituation anders
lösen zu können – ohne Gewalt.
Hedderich: Ich erinnere mich an den Fall eines sehr auffälligen
Mädchens, das Konflikte mit seiner Mutter und seinem erwach-
senen Bruder hatte, der noch zu Hause wohnte. Die Mutter hat
die Hilfe nötig gehabt und auch gerne angenommen. Die Tochter
hat die Hilfe aber abgelehnt. Da haben wir dann nachgefasst. Als
die Tochter sah, dass sich ihre familiäre Situation verbesserte,
als ihr Bruder eine eigene Wohnung bekam und sie mit ihrer
Mutter besser klarkam, hat sie ihre Meinung geändert und wir
konnten sie im Rahmen von »Kurve kriegen« erreichen. Das hat
mich damals sehr gefreut.
streife: Haben sich Ihre persönlichen Einstellungen durch die
Arbeit bei »Kurve kriegen« verändert?
Hedderich: Im Lauf der letzten fünf Jahre haben wir alle viel von-
einander profitiert. Wir haben gelernt, auch durch die Brille des
anderen zu schauen – also gegenseitiges Verständnis für die
Arbeit des jeweils anderen zu entwickeln.
tekolf: Mir ist besonders klar geworden, wie wichtig es ist, dass
schon ganz frühzeitig Hilfen da sind. Damit Eltern, die etwas
lethargisch sind, die Hilfen auch annehmen. Im Hinterkopf habe
ich immer den Gedanken: Die sind ja nicht verloren. Wir können
sie noch erreichen und auf einen geraden Weg bringen. Die
können noch die Kurve kriegen.
Hedderich: Die Jugendkriminalität ist im Kreis Wesel deut-
lich zurückgegangen. Wir sind davon überzeugt, dass »Kurve
kriegen« dazu beitragen konnte. Diese positive Entwicklung ist
auch der Grund dafür, dass wir derzeit nur 14 Jugendliche im
Programm haben.
tekolf: Aber diesen 14 Teilnehmern eine gute Hilfe anzubieten,
damit sie nicht zu Intensivtätern werden, das finde ich ganz ent-
scheidend und wichtig. /// Das Gespräch führte Walter Liedtke
Michael Tekolf
Julia Nehring, khk Frank Hedderich
17Streife # 05 08 / 09 2016
eine sehr erfolgreiche initiative
Dr. Ansgar Müller, Landrat des Kreises Wesel:
Wir haben hier im Kreis Wesel schon früh geahnt, wie
groß der Anteil jugendlicher Mehrfach- und Intensivtäter
an dem Kriminalitätsgeschehen insgesamt ist. Denn wir
hatten schon damals 2011 eine sehr gute Datenlage ent-
wickelt, durch die wir Verknüpfungen zwischen Personen
herstellen konnten. Dabei haben wir gesehen, wie stark
einige wenige intensiv delinquente junge Menschen
ganze Gefüge gesteuert haben und wie viele junge Leute
von diesen Intensivtätern in der Vergangenheit auch in
kriminelle Handlungen hereingezogen worden sind. Wir
hatten etwa einen jungen Mann, der gleich für mehrere
hundert Straftaten verantwortlich war. Dann kam »Kurve
kriegen«. Auf ein solches Programm hatten wir gewartet.
Dadurch konnten wir im ganzen Baukasten der Hand-
lungsansätze auch mehr den präventiven Ansatz intensiv
verfolgen. Ich bin froh, dass wir von Anfang an dabei sein
konnten. Bei aller Mühe, die darin steckt, ist »Kurve krie-
gen« ein sehr erfolgreicher kriminalpräventiver Ansatz:
19 von 31 jugendlichen Straftätern im Kreis Wesel bleiben
nach der Teilnahme gänzlich straffrei, sechs werden nur
in geringerem Umfang straffällig und nur sechs treten
wieder als Mehrfachtäter in Erscheinung. Aus meiner
Sicht ist das ein sehr großer Erfolg. Das Sich-Kümmern
um die Mehrfachtäter, um Intensivtäter zu vermeiden, ist
eine lohnende Sache und rechtfertigt auch den Aufwand
seitens des Staates. »Kurve kriegen« führt den präven-
tiven Gedanken aus polizeilicher Sicht und den präventi-
ven Gedanken aus sozialpädagogischer Sicht erfolgreich
zusammen. Das funktioniert.
Dr. Ansgar Müller, Landrat Kreis Wesel
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18 Streife # 05 08 / 09 2016
einsatz
die Fußballeuropameisterschaft 2016 Erfolg-reicher Einsatz der deutschen Polizeidelegation
Uwe Ganz, Deniz Özkan und Thomas Köhnen sind erschöpft,
aber auch erleichtert. Nach 35 Tagen im Einsatz bei der Fußball-
europameisterschaft in Frankreich kehren sie zurück nach Duis-
burg. Die drei sind Angehörige der Zentralen Informationsstelle
Sporteinsätze (zis) beim Landesamt für Zentrale Polizeiliche
Dienste (lzpd) nrw in Duisburg. Als Teil einer zwölfköpfigen
Polizeidelegation aus ganz Deutschland haben sie die Fans bei den
Spielen der deutschen Nationalmannschaft begleitet und Ausei-
nandersetzungen zwischen gewaltbereiten Störern verhindert.
»Nach einem so langen Einsatz ist man froh, wieder zu Hause
zu sein«, sagt Uwe Ganz, der Leiter der Delegation. »Vor allem
freuen wir uns aber darüber, dass unser Einsatz erfolgreich war:
Der deutschen Fußballstörer-Szene ist es nicht gelungen, diese
Europameisterschaft als Bühne für Gewalttaten zu nutzen.«
In einer äußerst angespannten Sicherheitslage, geprägt von
der Sorge um terroristische Anschläge, waren die Arbeits-
bedingungen für die deutschen Polizisten schwierig. »Die
Sorge und die Anspannung ist für jeden greifbar gewesen«,
berichtet Thomas Köhnen von der Arbeit im Lagezentrum der
französischen Polizei in Lognes. Mit Polizeibeamten aller teil-
nehmenden Nationen zusammen sorgte er für die Informations-
steuerung zwischen der zis und den anderen Teilnehmerstaaten.
Uwe Ganz selbst hatte die Terroranschläge in Paris im November
2015 miterlebt, als er mit einer kleinen Delegation das Freund-
schaftsspiel Deutschland gegen Frankreich begleitet hatte.
Der Fokus der Medien hatte sich daraufhin im Vorfeld der em
nahezu ausschließlich auf den Aspekt der Gefahr terroristischer
Anschläge gerichtet. »Das änderte sich schlagartig, nachdem sich
in Marseille russische Hooligans mit englischen Störern massive
Auseinandersetzungen geliefert hatten«, berichtet Ganz. Auch
Youtube-Videos einer Auseinandersetzung zwischen deutschen
und ukrainischen Anhängern am Spieltag in Lille rückten die deut-
sche Polizeidelegation kurze Zeit später mit einem Schlag in den
Einsatzkoordinator pok Deniz Özkan mit mit por Uwe Ganz, dem »Head of Delegation«
19Streife # 05 08 / 09 2016
die delegation aus nrw
> Polizeioberrat Uwe Ganz, Head of Delegation
> Polizeioberkommissar Deniz Özkan,
Einsatzkoordinator
> Polizeihauptkommissar Thomas Köhnen,
Verbindungsbeamter
> Polizeioberkommissar Marko Brucker,
Szenenkundiger Beamter
wie arbeitet die deutsche polizei delegation bei internati-onalen fußballturnieren?
Die Delegation besteht aus Szenenkundigen Beamten,
dem Delegationsleiter, einem Einsatzkoordinator sowie
Beamten, die im internationalen Verbindungszentrum
der eingesetzten Polizeien für die Informationssteuerung
sorgen. Delegationsleiter, Einsatzkoordinator und Sze-
nenkundige Beamte reisen mit den Fanströmen. In der
Regel nehmen sie zwei Tage vor der Fußballbegegnung
ihre Arbeit am Spielort auf und begleiten den polizeili-
chen Einsatz bis zum Ende. Sie betreiben Aufklärung in
den Innenstädten, bekannten Szene- und Kneipenvier-
teln sowie an Bahnhöfen und Flughäfen. Erkennen sie
deutsche Störer, sprechen sie sie je nach Lagebeurtei-
lung selbst an oder informieren die zuständige Polizei
über ihre Erkenntnisse. Ziel ist es, potentielle Störer aus
ihrer Anonymität zu holen und so gewalttätige Ausschrei-
tungen zu verhindern. Flankiert wird die Arbeit durch
Maßnahmen von den Polizeibehörden in Deutschland
wie Gefährderansprachen, Meldeauflagen oder Ausreise-
beschränkungen und Grenzkontrollen.
Fokus der Berichterstattung. »Es war eine einzige Szene von weni-
gen Minuten, in der eine Gruppe von rund 50 deutschen Störern
ukrainische Fans angegriffen hat«, erläutert Ganz. Für die Medien
reichte das, um auf die Berichterstattung zu den Auseinanderset-
zungen von Marseille aufzusatteln: Über 100 Medienanfragen zur
Sicherheitslage beim Spiel Deutschland gegen Ukraine erreichten
das lzpd nrw und die Delegation im Anschluss.
gezielte Ansprachen wirken
Die Auseinandersetzung von Lille blieb der einzige nennens-
werte Vorfall unter Beteiligung deutscher Störer bei dieser
Europameister schaft. »Potentielle Gewalttäter waren aber bei
jeder Begegnung an den Spielorten«, erläutert Einsatzkoordina-
tor Deniz Özkan. Bis zu 300 gewaltbereite Störer erkannten die
Szenenkundigen Beamten (skb) pro Spiel an den Austragungs-
orten. »Wir sprechen unser Klientel dann vor Ort an, machen klar,
dass wir sie im Auge haben«, sagt Özkan. »Das holt sie aus ihrer
Anonymität. Da überlegt man sich zweimal, ob man unter diesen
Voraussetzungen Straftaten begeht.« So verliefen die Spiele der
deutschen Nationalelf dann auch friedlich. »Nur das Finale blieb
uns verwehrt«, sagt Uwe Ganz und lacht. »Letztendlich zählt aber
wie im Sport auch für uns der Erfolg im Einsatz.« Der spiegelte
sich nicht nur im friedlichen Verlauf der Spiele, sondern auch im
offiziellen Dank der französischen Sicherheitsbehörden wider.
»Unterm Strich können wir sagen: Unser Gesamtkonzept ist voll
aufgegangen.« /// Jan Schabacker, lzpd nrw
20 Streife # 05 08 / 09 2016
einsatz
das psu-team sucht Verstärkung »Man macht diese Arbeit aus Überzeugung«
Seit rund 20 Jahren bietet das »psu
Team Polizei nrw« Kolleginnen und Kol-
legen psychosoziale Unterstützung (psu)
nach besonders belastenden Ereignissen
an. Polizeioberrat Thorsten Güth, Leiter
Bereitschaftspolizei/Polizeisonderdienste
beim Polizeipräsidium Dortmund, ist seit
2015 der verantwortliche Koordinator
und Sprecher des psu Teams nrw. Im
Gespräch mit der Streife berichtet er von
seiner wichtigen Arbeit – und warum sein
Team dringend Unterstützung braucht.
streife: Herr güth, warum gibt es das
psu-team?
güth: Das psu-Team gibt es seit 1994. Es
kam damals zu mehreren belastenden
Ereignissen bei der Polizei nrw, die uns
klar gemacht haben, dass man sich die-
sem Thema auf jeden Fall widmen muss.
Es geht darum, dass man Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern der Polizei nrw sowie
deren Angehörigen in belastenden Situa-
tionen beisteht und von Seiten des Teams
Unterstützung leistet.
streife: was sind denn die konkreten
Aufgaben des psu-teams?
güth: Das Team betreut in erster Linie
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte
sowie im Bedarfsfall auch deren Angehö-
rige nach besonders belastenden Situatio-
nen im beruflichen, aber auch im privaten
Bereich. Die Anlässe können dabei sehr
unterschiedlich sein: ein schwerer Verkehr-
sunfall, das Erleben von Tod oder auch ein
Schusswaffengebrauch.
Wir führen nach derartigen Ereignis-
sen mit den Betreffenden strukturierte
Gespräche, die den Stressabbau voran-
bringen sollen. Wir leisten Beistand in
schwierigen Situationen. Im letzten Jahr
hatten wir 51 Einsätze, bei denen insge-
samt über 250 Beamtinnen und Beamte
betreut wurden.
streife: geht es dabei immer nur um
sehr extreme Ereignisse?
güth: Nicht unbedingt. Was als belas-
tend empfunden wird, bestimmt schließ-
lich jeder selbst. Es gibt Situationen,
von denen vielleicht ein Außenstehen-
der sagen würde: Das ist nicht unbedingt
belastend. Für die betreffende Person
ist es das aber manchmal eben doch. Im
letzten Jahr ging es bei den Einsätzen auch
häufiger um Bedrohungsszenarien. Um
Kollegen, die plötzlich Waffe gegen Waffe
einem Täter gegenüberstanden. Kollegen,
die es eigentlich gewöhnt sind, das Zepter
in der Hand zu haben, mussten feststellen,
dass sie zwar letztlich adäquat reagieren
konnten, sich aber trotzdem der Situation
zumindest für einige Sekunden hilflos
ausgeliefert fühlten. Meistens ist zwar alles
gut ausgegangen – zum Beispiel hat nach
Abgabe eines Warnschusses der Täter die
Waffe abgelegt. Trotzdem waren die Kol-
legen im Nachhinein durch dieses Gefühl
der Hilflosigkeit belastet. Die Begegnung
mit potenziellem Tod gepaart mit Angst,
Hilflosigkeit oder Entsetzen – das sind
häufig prägende Situationen.
streife: wie wird die Arbeit des psu-
teams von den Kollegen angenommen?
güth: Zunehmend gut. Es wenden sich
viele Kolleginnen und Kollegen an uns.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie
man mit uns in Kontakt treten kann.
Polizeioberrat Thorsten Güth im Interview
21Streife # 05 08 / 09 2016
Wir sind rund um die Uhr über die Landes-
leitstelle erreichbar, außerdem stehen
unsere Kontaktdaten in einem Flyer, der
über das Intrapol abrufbar ist. Davon wird
auch rege Gebrauch gemacht. Viele Kon-
takte erfolgen auch über Mundpropa-
ganda: Wenn wir schon einmal in einer
Behörde waren, kann es sein, dass wir auf-
grund eines anderen Ereignisses wieder
angefordert werden.
streife: was bedeutet die Arbeit im
psu-team für sie persönlich? was war
für sie der beweggrund, ein teil des
teams zu werden?
güth: Jeder bei uns hat seine individuelle
Geschichte, die dazu geführt hat, dass er
oder sie jetzt bei uns mitwirkt. Bei mir per-
sönlich war es der Einsatz bei der Lovepa-
rade 2010 in Duisburg, bei dem ich einen
Einsatzabschnitt geführt habe. Ich bin
danach vielen Kolleginnen und Kollegen
begegnet, die durch das Unglück schwer
belastet waren. Deshalb habe ich mich
entschieden, beim psu-Team einzusteigen.
Um Kollegen zu helfen. Man macht diese
Arbeit aus Überzeugung, aus einer inne-
ren Motivation – nicht, um die Karriere zu
fördern. Es ist eine wichtige und auch erfül-
lende Aufgabe. Ich betrachte das Ganze
als Ehrenamt innerhalb der Polizei, das mir
persönlich sehr viel gibt. Es bringt mir etwa
eine deutliche Erweiterung des Arbeitsum-
felds: Ich habe viel Kontakt zu Kolleginnen
und Kollegen aus allen Hierarchieebenen
und ich lerne viel über Menschen – und
über mich selbst. Ich glaube, diese Arbeit
schärft auch die eigenen Fähigkeiten im
Führungsbereich. Man erfährt, was den
Kollegen wichtig ist. Was sie von Vorge-
setzten erwarten. Und ich hoffe, dass ich
das ein stückweit umsetzen kann.
streife: sie sind selbst Polizist. Hat das
einen Vorteil für diese Art der Arbeit?
güth: Ich persönlich habe den Eindruck,
dass es den Kolleginnen und Kollegen
leichter fällt, sich mit jemandem zu unter-
halten, der selbst Polizist ist. Es ist ein
Gespräch unter Kollegen – wir nennen es
ja auch Kollegenhilfe. Man kann die Proble-
me aus eigenem Erleben besser nachvoll-
ziehen, sich besser in die Situation hinein-
versetzen und mit dem einen oder anderen
Ratschlag unterstützen. Weil man das Sys-
tem »Polizei« einfach besser versteht. Die
Kollegen sind in der Situation häufig stark
belastet. Hier ist es für sie wichtig, dass
ihnen jemand beisteht, sie berät, ihnen
etwa Verwaltungsvorgänge und Abläufe
erklärt und Transparenz herstellt. Mitunter
wird jemand zum Beispiel nach einem
Schusswaffengebrauch zum Beschuldig-
ten oder Zeugen. Hier gibt es unter be-
stimmten Voraussetzungen die Möglich-
keit, einen Vorschuss zur Begleichung der
Rechtschutzkosten zu beantragen. Dann
ist es gut, wenn jemand da ist, der das Ver-
fahren erläutern kann. Wir nehmen auch
unsere Schweigepflicht sehr ernst. Nur
wenn jemand explizit möchte, dass gewis-
se Dinge zum Beispiel an Vorgesetzte wei-
tergetragen werden, geschieht dies auch.
streife: Für das psu-team sind eigent-
lich 14 nebenamtliche stellen vorgese-
hen. Im moment arbeiten sie aber nur
mit zehn team-mitgliedern. wenn man
bei Ihnen einsteigen möchte – wie kann
man sich bewerben?
güth: Wir suchen für das Team dringend
Verstärkung. Interessierte Kolleginnen
und Kollegen des höheren Dienstes, aber
auch Polizeiärztinnen- und -ärzte sind bei
uns herzlich willkommen. Man wendet
sich am besten direkt an mich oder unse-
ren medizinischen Leiter Dr. Christoph
Pahlke. Wir würden dann zunächst ein
Gespräch führen, in dem man sich gegen-
seitig kennenlernen und gemeinsam über-
legen kann, ob diese Arbeit für die Per-
son in Frage kommt. Die Betreuung nach
belastenden Ereignissen ist mit vielen
Faktoren verbunden, die über den nor-
malen polizeilichen Bereich hinausge-
hen. Das muss man einfach wissen. >
Polizeidirektorin Katja Kruse, mik nrw
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22 Streife # 05 08 / 09 2016
einsatz
Danach würden wir den Interessenten zu
einem gemeinsamen Gespräch mit dem
Team einladen. Nach positivem Votum des
Teams erfolgt in der Regel die Benennung
durch das Ministerium für Inneres und
Kommunales.
streife: was muss man denn mitbringen,
wenn man bei Ihnen einsteigen möchte?
güth: Jede Menge Energie und Einsatz-
bereitschaft. Den Interessenten muss klar
sein, dass sie rund um die Uhr angerufen
werden können. Viele Einsätze sind außer-
halb der Bürodienstzeit, die Fahrtstrecken
zum Einsatzort können auch schon einmal
etwas länger sein. Man sollte sich gut in
andere Menschen hineinversetzen können.
Wichtig ist eine hohe Empathiefähigkeit
und soziale Kompetenz. Gleich zeitig sollte
man die Fähigkeit besitzen, sich men-
tal so aufzustellen, dass man die Dinge
nicht zu sehr an sich heranlässt. Es sollte
jemand sein, der Hierarchien ausblenden
und offen auf Menschen zugehen kann.
Es muss einem gelingen, in kurzer Zeit das
Vertrauen des Gegenübers zu gewinnen.
Gleichzeitig muss man die Kompetenz aus-
strahlen, dass man weiß, was man dort tut.
streife: wie wird man auf diese wichtige
Arbeit vorbereitet?
güth: Zunächst wird eine vierwöchige
Fortbildung bestehend aus vier Baustei-
nen beim »sbe – Institut für Stressbear-
beitung nach belastenden Ereignissen« in
Witten absolviert. Dort werden etwa theo-
retische Grundlagen vermittelt und unter
anderem in Rollenspielen angewendet.
Diese Fortbildung richtet sich nicht nur an
Polizeibeamte, sondern auch an Rettungs-
sanitäter, Ärzte, Bundeswehrsoldaten und
auch an Privatpersonen. Nach Abschluss
der Fortbildung werden die neuen Team-
mitglieder zertifiziert. Sie werden dann
im Anschluss zunächst immer mit einem
erfahrenen Teammitglied eingesetzt, um
in die neue Aufgabe hineinzuwachsen.
Erst später wird es dann so sein, dass man
auch alleine zu Einsätzen fährt.
streife: wie gehen sie selbst mit den
belastungen durch Ihre Arbeit um?
güth: Wir führen regelmäßig eine Super-
vision durch und achten auch gegen seitig
auf uns. Es gibt untereinander jederzeit die
Möglichkeit, sich über besonders schwie-
rige Fälle auszutauschen und sich zu
kontakt
por Thorsten Güth, pp Dortmund,
Tel: 0231 132-8500
Dr. med. Christoph Pahlke, lafp nrw
Tel: 0251 7795-5160
beraten. Jedes Teammitglied hat außerdem
die Möglichkeit, sich bei zu hoher Belas-
tung vorübergehend für weitere Einsätze
abzumelden. Man entwickelt aber auch im
Laufe der Zeit Mechanismen, schwierige
Einsätze für sich selbst zu verarbeiten.
/// Das Interview führte Katja Kruse,
mik nrw
zu besonders belastenden ereignissen zählen vor allem:
> Schusswaffengebrauch gegen/
durch Polizeivollzugsbeamte
> potenzielle oder reale
Todesbedrohung
> Suizide von Polizeiangehörigen
> Gewalt gegen Polizeibedienstete
mit Schwerverletzten oder Toten
> Einsätze mit vielen Toten und
Schwerverletzten
> Darüber hinaus können beson-
ders belastende Ereignisse
das Erleben von Sterben
Verkehrsunfälle mit Toten oder
mit Schwerverletzten oder
vergleichbare Einsatzsituatio-
nen sein.
@ Der aktuelle Flyer mit Infos rund um die psychosoziale Betreuung sowie den Kontaktdaten des psu-Teams kann im
Intranet unter http://intrapol.polizei.nrw.de unter dem Menüpunkt »Einsatz – Einsätze aus besonderem Anlass«
heruntergeladen werden.
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ack
23Streife # 05 08 / 09 2016
»Es gibt um Sie herum ein dichtes
Netzwerk von Menschen. Menschen,
die auf Sie aufpassen. Die wollen,
dass Sie das packen –
während Ihrer Ausbildung, aber auch
darüber hinaus. Das sind nicht nur
Ihre Kollegen, Ihre Vorgesetzten, Ausbilder
oder Dozenten, sondern auch
die Sozialen Ansprechpartner:
die Polizeiseelsorger, Ihr Personalrat –
und ganz besonders das
Betreuungsteam nrw,
das seit mehr als 20 Jahren besteht.
All das sind Menschen, die Ihnen
helfen wollen. Ich kann Ihnen für
die Zukunft dringend ans Herz legen:
Nutzen Sie diese Angebote.«
nrw-Innenminister Ralf Jäger
bei der Vereidigungsfeier am 22. Juni 2016
in der Kölner Lanxess-Arena
24 Streife # 05 08 / 09 2016 Foto
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25Streife # 05 08 / 09 2016
personal
1.891 neue Polizisten und Polizistinnen vereidigt »Das ist Euer Tag!«
Polizei nrw positioniert. So auch etwa Pascal Payerle von der Flie-
gerstaffel nrw, der auch gleich seinen Hubschrauber mitgebracht
hat. »Von den zwei Standorten Düsseldorf und Dortmund können
wir innerhalb von 30 Minuten jeden Ort in nrw erreichen. Geru-
fen werden wir zum Beispiel, wenn es um die Suche nach Ver-
missten geht – etwa suizidgefährdete oder demente Personen.«
Melanie Lipp, Leiterin der Landesreiterstaffel Rheinland stellt die
Dienstpferde Rudi und Flavius vor, welche die Polizei bereits seit
zehn Jahren bei Demonstrationen, Fußballspielen oder auf Streife
unterstützen. »Meiner Erfahrung nach wirken die Pferde in brisan-
ten Situationen beruhigend – auch ihre imposante Größe trägt
sicherlich mit dazu bei«, erklärt die Polizistin. Um sich bei der
Polizei-Reiterstaffel nrw zu bewerben, braucht man neben einer
Reitausbildung auch vier Jahre Berufserfahrung bei der Polizei.
Joachim Strobel erklärt im Anschluss die schwierige Aufgabe des
Unfallaufnahmeteams der Polizei Köln. »Unsere Aufgabe ist die
Aufnahme von besonders schweren Verkehrsunfällen mit Toten
oder Verletzten. Dabei kommt etwa auch unser 3-d-Laserscanner
für die Rekonstruktion des Unfalls zum Einsatz. Auch bei Kapital-
delikten mit schwieriger Spurenlage werden wir tätig.«
Keine »Polizei light« in nrw
Zurück in der Arena ergreift Ministerpräsidentin Hannelore Kraft
das Wort: »Eine Vereidigung ist etwas ganz Besonderes. 1.891
sagen »ja« zu einem der verantwortungsvollsten Berufe. Sie reprä-
sentieren nrw. Es kommt auf Sie an. Damit das Grundgesetz von
einer geschriebenen Verfassung zur Wirklichkeit wird. Sie sind die
Garanten unserer Demokratie – dafür gebührt Ihnen unser Dank
und unser Respekt.« Die Politik wolle außerdem für mehr Res-
pekt im Umgang mit der Polizei werben. »Die Gewalt gegen Poli-
zisten hat zugenommen. Das ist nicht hinnehmbar. Das müssen
wir geraderücken. Die Fragen, die sich alle stellen müssen, sind:
Wie gehen wir miteinander in der Gesellschaft um? Wie gehen wir
mit denen um, die diese Gesellschaft schützen?« Großen Applaus
bekommt die Ministerpräsidentin für ihre eindeutige Klarstellung
zur politischen Debatte rund um den Einsatz von zivilen Wach-
polizisten: »Wir wollen in nrw keine »Polizei light« – wir wollen gut
ausgebildete Polizisten!« >
Am 22. Juni war es für den Einstellungsjahrgang 2015 der Polizei
nrw soweit: In der Kölner Lanxess-Arena leisteten 1.891 Polizei-
anwärterinnen und -anwärter feierlich ihren Diensteid. Eingela-
den waren neben zahlreichen Ehrengästen auch die Familien und
Freunde der angehenden Beamten. Das Polizeipräsidium (pp)
Köln hatte die komplette Organisation und Durchführung der
rund zweistündigen Feier übernommen, ganz nach dem Motto:
»Von Polizei, für Polizei«.
Um Punkt zehn Uhr beginnt die Veranstaltung mit dem
feierlichen Einmarsch der knapp 2.000 angehenden
Polizeibeamten. Begleitet werden sie dabei vom Landes-
polizeiorchester (lpo) nrw – und vom großen Applaus ihrer Ange-
hörigen. Nachdem alle im Innenraum der Arena Platz genommen
haben, begrüßen die beiden Moderatoren Indira Baldé vom pp
Köln und Frank Piontek vom pp Bonn ihre Gäste und überlassen
den musikalischen Einstieg auch gleich Steffen Wüst, Polizist aus
Kreuztal und Frontsänger der Coverband UnArt: Stimmgewaltig
und unter professioneller Begleitung des lpo gibt er den John
Farnham-Hit »You‘re the voice« von 1986 zum Besten. Es folgen
Grußworte des Kölner Polizeipräsidenten Jürgen Mathies. An
die jungen Anwärterinnen und Anwärter gerichtet sagt er: »Ihre
Aufgabe ist es, Sicherheit, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit zu
gewährleisten. Ihre Eltern, Großeltern, Partner und Freunde ste-
hen alle hinter Ihrer Entscheidung für den Polizeiberuf. Und auch
Ihre neuen Kollegen werden Sie mit offenen Armen aufnehmen.«
Ein beruf mit vielen Perspektiven
Einen Einblick in die spannende und anspruchsvolle Ausbildung
bei der Polizei nrw gibt ein Kurzfilm, der im Rahmen der Perso-
nalwerbekampagne »Genau mein Fall« gemeinsam mit Studie-
renden entstanden ist: Vom Sporttraining über das Fahrsicher-
heitstraining und die Unfallaufnahme bis hin zu Schießübungen
und der Spurensicherung wird deutlich, wie vielfältig der Polizei-
beruf ist. Das wird auch durch die Live-Schalte nach draußen klar.
Dort haben sich in der Zwischenzeit verschiedene Abteilungen der
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personal
der »singende Kommissar«
Für einen weiteren musikalischen Höhepunkt sorgt im Anschluss
Oliver Schmitt, Ermittler bei der Kripo in Aachen, mit seiner
Interpretation von »Feeling Good«, dem Welthit von Michael
Bublé. Auch bekannt als »der singende Kommissar« ist Oliver
Schmitt seit dem Jahr 2005 neben seinem Beruf als Polizist als
Frontsänger der Band »hso« auf nationalen und internationalen
Bühnen unterwegs.Steffen Wüst, Polizist und Frontsänger der Coverband »UnArt«
Breakdance-Truppe »The Raebels« mit pk Mustafa Gürcan, pp Köln
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um Hilfe zu bitten, ist kein zeichen von schwäche
Dass der Beruf des Polizisten zwei Seiten hat, betont nrw-Innen-
minister Ralf Jäger in seiner Rede: »Sie werden sich an viel Gutes
erinnern – an Menschen, denen Sie helfen konnten. Aber auch an
Menschen, die Sie an Ihre Grenzen gebracht haben. Es gibt dann
ein dichtes Netzwerk von Personen, die Sie auffangen, die Ihnen
helfen, mit Erlebtem umzugehen. Nehmen Sie es in Anspruch
– das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke.« Es
seien vor allem drei Dinge wichtig, um gesund aus einem Einsatz
zurückzukehren: Eine hervorragende Aus- und Fortbildung, wäh-
rend der man möglichst realitätsnah verschiedene Szenarien
trainiert, sowie eine gute Ausstattung, aber auch: sich niemals
zu überschätzen. »Die Bezeichnung »Die Polizei, dein Freund und
Helfer« mag vielleicht etwas angestaubt sein – sie ist aber immer
noch wahr. Sie sind ein Teil des Teams »Polizei nrw«. Dieses Team
ist stark. Zum Schluss bitte ich Sie: Kehren Sie jeden Tag gesund
aus dem Einsatz zurück!«
Für eine besondere Darbietung sorgt anschließend die Break-
dance-Truppe »The Raebels«, zu der auch der Kölner Polizei-
kommissar Mustafa Gürcan gehört. Zwei Monate haben sich die
sieben Breakdancer auf ihren akrobatischen Auftritt in der Lan-
xess-Arena vorbereitet, bei dem sie als Spezialeinheit, Bereit-
schaftspolizei und Verkehrspolizei uniformiert sind – unter tosen-
dem Applaus. >
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Viele menschen stehen hinter Ihnen
Auch die Polizeiseelsorge möchte es sich an diesem besonderen
Tag nicht nehmen lassen, zu den 1.891 angehenden Polizistinnen
und Polizisten zu sprechen. Polizeiseelsorger Wolfgang Bender:
»Sie haben einen einzigartigen, schönen, sinnbringenden und not-
wendigen Beruf. Er ist mehr als eine Erwerbstätigkeit. Sie können
alles werden. Lassen Sie sich dabei Ihren Beruf nicht von anderen
vermiesen. Sie haben Helfer und Unterstützer gegen Gewalt,
Kriminalität, Fanatismus und Extremismus. Sie sind nicht allein.
Viele Menschen stehen hinter Ihnen.«
29Streife # 05 08 / 09 2016
Verschiedene uniformen, eine Polizei
Um den Gästen noch einmal vor Augen zu führen, welche vielfäl-
tigen Möglichkeiten der Polizeidienst bietet, stellt sich die Polizei
nrw noch einmal ausführlich vor: Insgesamt 24 Beamtinnen und
Beamte kommen nacheinander und unter kurzer Beschreibung
ihrer Aufgaben uniformiert auf die Bühne, darunter: Beamte und
Beamtinnen des Wach- und Streifendienstes, der Bereitschafts-
polizei, des Verkehrsdienstes, des Erkennungsdienstes, der
Spezial einsatzkommandos, der Wasserschutzpolizei, des Innen-
dienstes, des Höheninterventionsteams (eingesetzt etwa bei
Demonstrationen/Umweltaktionen in luftiger Höhe), der Landes-
reiterstaffel und Diensthundführer. Michael Mattern von der Poli-
zeiwache Köln-Sülz fasst vor diesem »lebenden Bühnenbild« im
Rap-Song »Polizei ist…« alle positiven und negativen Seiten des
Polizeiberufs zusammen mit dem Fazit: »Polizei ist… der geilste
Job auf der Welt!«. Der treffende Songtext und der gelungene
Auftritt werden vom Publikum mit großem Applaus belohnt. >
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polizei ist
polizei ist mehr als nur Streife fahr‘ n,
nachts Gangster jagen, wenn nichts los ist, die Zeit
totschlagen.
polizei ist in der ersten Reihe stehen,
wenn die Steine fliegen, während deine Freunde
feiern gehen.
16 Stunden lang im Castoreinsatz Hunger schieben,
aber unser Team lässt sich davon nicht runterzieh‘n.
polizei ist die Gefahr stets voraussehn.
Angriffe abwehren, hinfallen, aufsteh‘n!
Im Nachtdienst auf der Lauer liegen, bis es Morgen ist.
Die Stadt bewachen, damit ihr euch auch nicht
sorgen müsst.
polizei ist jederzeit professionell sein.
Alle Regeln achten, langsam fahren, aber schnell sein.
Sieben Stunden auf der Straße ohne eine Pause.
Permanent bist du bei jemand anderem zu Hause.
polizei ist immer eine Antwort haben,
immer alles ganz spontan regeln mit dem Masterplan.
Immer bis zur Grenze gehen, manchmal sogar weiter.
Jeder wird gefordert, vom Bachelor bis zum Leiter.
Alles herausfinden, auch tief Verborgenes.
Müttern sagen, dass eins ihrer Kinder grad gestorben ist.
polizei ist nicht zu wissen was man morgen macht,
morgen Früh- oder Spätdienst oder sogar Nacht.
Nächster Einsatz – es besteht große Eile!
Auf der Autobahn brennen abgetrennte Menschenteile.
Erste Hilfe leisten, ganz egal ob dir schon schlecht ist.
Diese Bilder brennen sich für immer ins Gedächtnis.
Wissen was verboten ist, das tun was Recht ist.
Alle woll‘n den Rechtsstaat – wir sind sein Vermächtnis!
31Streife # 05 08 / 09 2016
polizei ist weder Henker noch Richter.
polizei ist einfach undenkbar verzichtbar.
polizei ist mehr als Arbeit für Geld.
polizei ist der geilste Job auf der Welt!
Immer wieder neu einstellen, anpassen, angleichen.
Professionell einschreiten mit taktischen Handzeichen.
polizei ist in Sekunden zu entscheiden,
muss mein Gegenüber fallen oder lässt es sich
vermeiden?
Streitigkeiten schlichten auch bei kleineren
Geschichten und bei häuslicher Gewalt im
Eigenheim mitmischen.
polizei ist aufklären und Rat geben.
Ansprechpartner sein, nicht nur wenn wir den
Bedarf sehen.
Zwischen Zeilen lesen, wenn wir mit den Leuten reden.
Vorbeugung, Opferschutz, auch für die Kollegen.
Auch wenn die Erlebnisse scheinbar längst vorbei sind,
manches kriegt man weggepackt, manche
Ängste bleiben.
polizei ist zuhören, trösten und beistehen.
Hilfestellung leisten, wenn möglich sich Zeit nehmen.
polizei ist aufspüren, festnehmen, einsperren.
Morgens früh rausfahren, spät abends heimkehr‘n.
polizei ist Licht und Schatten, Herz und Seele,
Pflichtbewusstsein, Schweiß und Tränen!
polizei ist mehr als ein nur Karnevalsverein!
So war es schon damals und so wird’s noch in
Jahren sein!
polizei ist weder Henker noch Richter.
polizei ist einfach undenkbar verzichtbar.
polizei ist mehr als Arbeit für Geld.
polizei ist der geilste Job auf der Welt!
Autor: Michael »Mitch« Mattern, pp Köln
@ Das Musikvideo zum Rap-Song »Polizei ist« finden Sie
unter https://www.youtube.com/watch?v=TB85UyZaPOQ
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wir sind mehr als nur ein Kostenfaktor
Aber auch die Studierenden selbst kommen an diesem wichti-
gen Tag zu Wort. Diese Aufgabe übernehmen Kommissaranwär-
terin Isabell Bongartz und Kommissaranwärter Timo Schlösser.
Isabell Bongartz: »Wir alle haben uns gegen sechs Bewerber
durchgesetzt. Mein Herzenswunsch ging in Erfüllung – ich gehöre
jetzt zur Polizei nrw. Polizei ist wie eine große Familie, wir haben
schon viele neue Freunde gewonnen. Aber der Beruf ist nicht frei
von Gefahren. Wir werden zur Zielscheibe, nicht weil wir Timo und
Isabell sind, sondern aufgrund unserer Uniform. Liebe Mamas,
liebe Papas: Macht euch keine Sorgen. Wir werden bestmöglich
ausgebildet.« Timo Schlösser ergänzt: »Wir freuen uns auf unsere
Ausbildung. Der Eid ist etwas Besonderes. Wir stehen damit für
die Werte ein, die unser Land einzigartig machen. Wir haben aber
die Sorge, ob wir von der Politik die erforderlichen Rahmenbedin-
gungen erhalten, die für unsere Arbeit vonnöten ist. Früher wurde
an Nachwuchs gespart. Deshalb unser Appell: Wenn wir das leis-
ten sollen, was wir im Eid versprechen, dann müssen wir auch
genügend Kollegen und die passende Ausrüstung bekommen.
Bitte setzen Sie den eingeschlagenen Weg zu mehr Einstellungen
fort. Wir sind mehr als nur ein Kostenfaktor.«
geltende gesetze wahren
Dann ist es soweit: Der Leitende Polizeidirektor Martin Lotz, Leiter
der Verkehrsdirektion im pp Köln, nimmt den Anwärterinnen und
Anwärtern den Diensteid ab: »Ich schwöre, das Grundgesetz für
die Bundesrepublik Deutschland und alle in der Bundesrepublik
geltenden Gesetze zu wahren und meine Amtspflichten gewissen-
haft zu erfüllen, so wahr mir Gott helfe.« Im Anschluss erklingt
die deutsche Nationalhymne, gesungen von Oliver Schmitt. Für
einen passenden Ausklang der Veranstaltung sorgt erneut Sänger
Steffen Wüst mit dem Madsen-Song »Du schreibst Geschichte«.
Nach dem Ausmarsch aus der Halle folgt der obligatorische
Mützenwurf vor der Arena: Es ist geschafft – die Polizei nrw hat
1.891 neue Kolleginnen und Kollegen! /// Simone Wroblewski
33Streife # 05 08 / 09 2016
Drei Generationen Polizei nrw: Kommissaranwärterin Nina Götze mit ihrem Vater Thomas Götze (pp Münster) und ihrem Großvater Werner Götze (khk a. d., pp Münster).
2.000 neue polizistinnen und polizisten jährlich
Ab 2017 wird das Land nrw jedes Jahr 2.000 junge
Polizistinnen und Polizisten einstellen – mindestens bis
zum Jahr 2023. Das ist die höchste Zahl an jährlichen
Neueinstellungen, die es in nrw je gegeben hat. Damit
gelingt es langfristig, den Personalkörper auf 41.000
Beamtinnen und Beamte in der Polizei nrw zu erhöhen.
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34 Streife # 05 08 / 09 2016
kriminalität
13. Internationales Polizeiseminar »Photogrammetrie und laserscanning« Neueste Technik begeistert die Teilnehmer
Die holländischen Kollegen mit einem elektronischen Tachymeter zum Einmessen von Spuren Foto
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35Streife # 05 08 / 09 2016
Vom 11. bis 15. Juli hatte das Landesamt für
Ausbildung, Fortbildung und Personalan-
gelegenheiten (lafp) nrw zum 13. Interna-
tionalen Polizeiseminar »Photogrammetrie
und Laserscanning« eingeladen. Rund 120
Spezialisten für Tatort- und Verkehrsun-
falldokumentation, Forensik, Vermessung
und Rechtsmedizin kamen in Neuss für die
fünftägige Fachveranstaltung zusammen,
die alle zwei Jahre stattfindet. Die inter-
nationalen Expertinnen und Experten aus
zwölf Nationen waren aus den Niederlan-
den, Belgien, Luxemburg, Dänemark, Nor-
wegen, Großbritannien, Österreich, der
Schweiz, der Tschechischen Republik und
sogar aus Kanada und Australien ange-
reist. Ein Highlight des Workshops: Eine
aufwändige Übung im Neusser Hafenbe-
cken, bei der die Explosion eines Tanklast-
schiffes simuliert wurde. Die Aufgabe für
die Experten: Mithilfe modernster 3d-Tech-
nik sollten sie diese Szenerie vollständig
vermessen und dokumentieren.
Für Arnd Voßenkaul vom lafp nrw,
den Organisator und Seminarleiter
der Veranstaltung, macht eine sol-
che Übung Sinn: »Wir haben uns für dieses
Szenario entschieden, weil es realitäts-
nah ist und gleichzeitig genügend Möglich-
keiten bietet, die neueste Technik zu prä-
sentieren. Außerdem ist die Dokumenta-
tion eines solchen Schadensereignisses
eine große Herausforderung, wie ich aus
eigener Erfahrung weiß: Tonnenschwere
Stahlteile werden bis zu 500 Meter weit
weg geschleudert. Für die Übung haben
wir auch Spuren wie künstliche Leichen-
teile, Kleidungsstücke oder einen versenk-
ten Pkw gelegt.« An der Dokumentation
sind mehrere internationale Teams aus
Polizei, Wissenschaft und Industrie betei-
ligt, die mit unterschiedlichen Systemen
und Vorgehensweisen an Land, im Was-
ser und in der Luft arbeiten, um die Sze-
nerie möglichst genau zu erfassen. Im
Fokus der Übung im Neusser Hafenbe-
cken steht dabei das Tanklastschiff »Marie
Louise«, aber auch die nähere Umgebung
am angrenzenden Ufer und im Wasser. >
Angenommene Lage: explodiertes Tanklastschiff, sechs Tote und ein weit verstreutes Trümmerfeld. Aufgabe: Dokumentation des Schadensereignisses
Vorgehensweise bei »scar«, einem neuen niederländischen Dokumentations verfahren zur Aufnah-me von Großschadensereignissen: »Leichenteile« werden fotografiert und mit Barcodeaufkleber versehen, sodass jede Spur problemlos zuzuordnen ist
36 Streife # 05 08 / 09 2016
kriminalität
mobiler Rucksackscanner
Michael Bleier vom Zentrum für Telematik
in Würzburg hat sich einen mobilen Ruck-
sackscanner auf den Rücken geschnallt
und geht damit am Ufer auf und ab. »Die
Idee ist, dass man an einem Tatort ein-
fach mit dem Rucksack umhergehen kann
und nicht ständig das Stativ auf- und wie-
der abbauen muss. Man kann sich damit
frei bewegen, was viel Zeit spart«, erklärt
der Experte. Die Herausforderung bei die-
ser mobilen Technik: Sobald man einen
3d-Laserscan nicht vom Stativ aus erstellt,
sondern in Bewegung, erhält man in den
Scans viele Fehler. »Wir beschäftigen uns
deshalb mit Algorithmen, um Punktwolken
zu korrigieren, die sich auf einem beweg-
ten Objekt befinden, so dass man am Ende
eine konsistente Punktwolke hat, die met-
risch korrekt ist.« Die so genannte Punkt-
wolke bezeichnet dabei die Gesamtmenge
aller vom Scanner gemessenen Einzel-
punkte. Weitere Aufnahmen liefern terres-
trische Laserscanner, die auf Stativen am
Ufer positioniert sind.Mobiler Rucksackscanner
Ein terrestrischer Laserscanner mit mehreren hundert Metern Reichweite, bedient von Andreas Hofstötter
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37Streife # 05 08 / 09 2016
dokumentation im und unter wasser
Während Michael Bleier am Ufer Daten
sammelt, untersuchen weitere Teams das
Tankschiff auf und unter Deck. Die Exper-
ten sind dazu mit terrestrischen Laser-
scannern sowie mobilen Handscannern
ausgestattet. Letztere erlauben auch
Dokumentationen in kleinen und engen
Bereichen, also überall dort, wo die terres-
trischen Laserscanner bauartbedingt an
ihre Grenzen stoßen. Sie ergänzen damit
die terrestrischen Laserscanner. »Da das
Schiff ständig in Bewegung ist, ist das
Vermessen des Schiffes vom Ufer mittels
Laserscanning nicht ohne Weiteres mög-
lich. Dies ist aber vom Schiff selbst ideal,
weil man Teil des im Wasser »schwanken-
den« Systems ist. Hier sind die Daten vom
Ufer dann wiederrum nicht valide. So ein
Scan dauert im Schnitt rund drei Minuten.
In der Zeit darf sich nichts bewegen, was in
irgendeiner Form relevant ist«, erklärt Arnd
Voßenkaul. >
Terrestrischer Laserscanner mit Techniker an Bord der »Marie Louise« Knut Lehmann mit einem Handscanner bei der Dokumentation im Maschinenraum des Schiffes
Knut Lehmann zeigt erste Ergebnisse der 3D-Scannung
38 Streife # 05 08 / 09 2016
kriminalität
Für eine weitere Bestandsaufnahme sorgt
ein Boot der Wasserschutzpolizei, das
extra für die Übung mit spezieller Technik
ausgestattet wurde. »Mithilfe von Sonar
kann vom fahrenden Boot aus sowohl die
Ufersituation als auch die Topografie unter
Wasser gescannt und aufgezeichnet wer-
den«, erklärt der Seminarleiter.
Vom Steg aus machen sich zusätzlich zwei
Taucher der Technischen Einsatzeinheit
(tee) aus Bochum auf den Weg zur Schiffs-
schraube der »Marie Louise«, um dort
mögliche Spuren zu sichern. André Kün-
nemeyer, der Leiter der Tauchergruppe,
erklärt: »Die beiden Kollegen versuchen
jetzt, ob sie dort mit der Kamera video-
grafieren können. Die Sicht im Hafenbe-
cken ist allerdings extrem schlecht. Trotz-
dem sieht die Kamera mehr als das bloße
Auge.« Anschließend wird auch der im
Hafen versenkte Pkw von den Tauchern
auf mögliche Spuren untersucht, bevor er
mithilfe von Luftkissen geborgen wird. »Bei
der Bergung wirken so große Kräfte, dass
vorhandene Spuren möglichst schon unter
Wasser gesichert werden sollten«, betont
Künnemeyer.
Die Taucherstaffel der tee Bochum zeigt ihre Unterwasserdokumentationsmöglichkeiten anhand eines versenkten pkw. Hier wird das Auto gerade mittels Schwimmkissen geborgen.
Vom Rudersteg aus gehen die Taucher ins kalte Nass und bergen das vermisste Auto.
39Streife # 05 08 / 09 2016
unterstützung auf vier beinen
Hundeführer Roy van de Zilver von der
niederländischen Polizei bereitet unter-
dessen seine Hündin »Summer« auf ihren
Einsatz vor. Summer wird dazu mit einer
Kopfkamera ausgestattet, deren Daten
über wifi in hoher 4k-Auflösung direkt
auf einen Rechner übertragen werden
können. »Wir können sie so live beobach-
ten und ihre Bewegungen genau verfol-
gen und aufzeichnen. Sind mehrere Hunde
parallel im Einsatz, kann man alle Daten
zusammenspielen, um eine Gesamtüber-
sicht über das Geschehen zu erhalten. Das
ist vor allem in unübersichtlichen Wald-
oder Trümmergebieten hilfreich«, erklärt
van de Zilver. >
Hündin »Summer« von der niederländischen Polizei bei der Arbeit. Sie ist ausgestattet mit einer hochauflösenden Videokamera. Das Bildsignal wird mittels Wifi als Livebild zum Einsatzauto übertragen.
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40 Streife # 05 08 / 09 2016
kriminalität
3d-Aufnahmen aus der luft
Für die Dokumentation aus luftiger Höhe
sorgt die Mediengruppe des Nationalen
Forensik Zentrums der dänischen Polizei.
Dazu steigt eine Drohne mit einer Kamera
auf. Polizist Benny Olsen erklärt: »Wir
haben das Schiff von verschiedenen Win-
keln aus aufgenommen. Anschließend las-
sen wir die Aufnahmen über eine spezi-
elle Software laufen, die alle Bilder in ein
3d-Modell umwandelt. Dann kann man
sich die Szenerie während polizeilicher
Ermittlungen aus verschiedenen Blickwin-
keln aus ansehen. Wir können auch Bilder,
die von Kollegen vom Boden aus gemacht
wurden, in das Programm einspielen und
somit einen Gesamtüberblick erhalten.«
Benny Olsen von der dänischen Polizei navigiert seine Drohne und kontrolliert auf dem Monitor die Kameraperspektive. So entstehen wichtige Bilder zur unmittelbaren Auswertung eines photogram-metrischen dreidimensionalen Plans.
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41Streife # 05 08 / 09 2016
tatorte vollständig wiedergeben
Für die Polizeiarbeit bedeutet eine solche
Technologie konkret: Ein mittels 3d-Tech-
nologie vermessener Tatort gilt als »einge-
froren« und kann auch nach Jahren noch
vollständig rekonstruiert werden. Während
2d-Aufnahmen immer limitiert sind und
niemals vollständig die Realität widerge-
ben können, eröffnet die 3d-Technologie
völlig neue Möglichkeiten. Arnd Voßenkaul:
»Man macht solche aufwändigen Tatortdo-
kumentationen mit dem Ziel komplexe kri-
minalistische Fragen zu klären, auch dann,
wenn diese Fragen erst viel später auftau-
chen sollten.«
Die von den verschiedenen Gruppen
gesammelten Daten wurden noch am Tag
der Übung aufbereitet und den Teilneh-
menden am nächsten Tag in Kurzvorträgen
präsentiert. /// Simone Wroblewski
Drohnenbild von Benny Olsen und Leif Lindved, National Police Denmark – National Forensic Center
42 Streife # 05 08 / 09 2016
kriminalität
was sagen die teilnehmer?
Eugene Liscio, Präsident der Inter-
national Association of Forensic and
Security Metrology (iafsm), selbst-
ständiger 3d-Technologie-Gutach-
ter, weltweit anerkannter Forensik-
Experte und Dozent aus Toronto,
Kanada:
»Das ist jetzt mein drittes Mal hier.
Ich bin von der Konferenz und dem
Level der 3d-Technologie sehr beein-
druckt. Es ist außerdem eine sehr gut
organisierte Veranstaltung. Für mich
ist besonders interessant zu sehen,
was die neueste Technologie ist.
Innerhalb von zwei Jahren verändert
sich sehr viel – es gibt neue Software,
neue Herangehensweisen, neue Wege,
um Fälle zu bearbeiten. Es ist inter-
essant, wie die Technologie konkret
eingesetzt wird und wie mit Proble-
men umgegangen wird. Für mich per-
sönlich auch wichtig: Viele verschie-
dene Experten aus unterschiedlichen
Fach- und Forschungsgebieten zu
treffen und zu netzwerken. Auch die
Möglichkeiten des mobilen Scannens
sind für mich von großem Interesse,
besonders für Tatorte im Freien
oder im Straßenverkehr. Die gängi-
gen Methoden mit den statischen
Scannern sind zwar sehr gut, aber
eben langsamer. Gerade wenn es um
die Dokumentation von größeren
Unglücksfällen geht, dann ist ein
schnelles Arbeiten vor Ort besonders
wichtig. Der Bereich Handscanner
wird ebenfalls immer relevanter.
Ich würde sagen, dass Europa leicht
vorne liegt, wenn es um Laserscan-
Technologien geht. Was mir ebenfalls
aufgefallen ist: Hier gibt es Teams, die
darauf spezialisiert sind, mit dieser
Technologie umzugehen. In Amerika
wird sie von der regulären Polizei
genutzt. Für sie ist das Scannen nicht
ihre Hauptaufgabe, sondern der Scan-
ner ist einfach nur ein weiteres Werk-
zeug. Das bedeutet aber eben auch:
Wenn ich nicht die Zeit dafür inves-
tiere, dann kann ich auch nicht das
gleiche Level erreichen.«
Michael Bleier schreitet mit seinem Rucksackscanner das Deck des Schiffes ab.
Roosje de Leeuwe vom Niederländischen forensischen Institut in Den Haag bei der Auswertung
43Streife # 05 08 / 09 2016
was sagen die teilnehmer?
Domenic Raneri und Laura Brayshaw,
Forensik-Experten der Polizei in New
South Wales, Australien:
»Es ist unser erstes Mal hier und es
ist fantastisch, dass wir die Mög-
lichkeit haben teilzunehmen. Es ist
unglaublich, so viele europäische
Organisationen und Polizeikräfte zu
sehen, die auf diesem Gebiet bereits
so wichtige Arbeit geleistet haben.
In Australien wenden wir erst seit
kurzem 3d-Technologien an. Wir
haben mit vielen amerikanischen
Organisationen über ihre Nutzungs-
weise gesprochen, aber zu sehen,
welch fortschrittliche und innovative
Arbeit bei der Polizei in Europa geleis-
tet wird, ist sehr beeindruckend. Wir
interessieren uns vor allem für die
neueren Technologien und dafür, wo
die Reise in diesem Bereich noch hin-
geht. Außerdem interessieren uns die
Vorgehensweisen der verschiedenen
Polizeikräfte, um die Nutzung und
die Qualität der Daten, die sie produ-
zieren, zu kontrollieren. Es ist schön
zu sehen, wie mit gewissen Dingen
umgegangen wird, dann selbst einige
Ideen entwickeln zu können und von
der Erfahrung anderer zu lernen.
Wir sind auch beeindruckt, wie entge-
genkommend und gastfreundlich die
Menschen bei der deutschen Polizei
sind. Bisher war es toll und wir freuen
uns sehr auf die nächsten Tage!«
Arnd Voßenkaul vom lafp nrw koordinierte als Übungsleiter die Großübung. Gemeinsam mit seinem Kollegen Jürgen Weiske (nicht im Bild) hatte er das komplette Seminar geplant und organisiert.
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44 Streife # 05 08 / 09 2016
kriminalität
70 Jahre danach: die suche nach der wahrheit Die Ermittlungsgruppe National-sozialistische Gewaltverbrechen
Während des zweiten Weltkrieges sind zahllose Menschen ermor-
det worden, sei es in Konzentrationslagern oder bei Massakern.
Mit diesen Jahrzehnte zurückliegenden Morden beschäftigt sich
eine Dienststelle beim Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen.
Der 10. Juni 1944 begann in einem kleinen Dorf in Frank-
reich wie jeder andere Tag auch. Doch gegen 14 Uhr
änderte sich alles. Rund 120 Männer einer ss-Division
umstellten das Dorf. Sie trieben die Menschen auf den Markt-
platz, trennten die rund 400 Frauen und Kinder von den Männern
und brachten sie in eine kleine Kirche. Die Männer wurden in vier
Scheunen und Garagen gebracht. Die Soldaten sagten ihnen, dass
sie nur festgehalten würden, um das Dorf nach Waffen zu durch-
suchen. Sollte nichts gefunden werden, würden sie wieder freige-
lassen. Doch das war eine Lüge. Auf einen Signalschuss hin eröff-
neten die ss-Leute das Feuer auf die Männer. Dann setzten sie die
Scheunen und Garagen mit den zum Teil nur verwundeten Män-
nern in Brand. Auch die Kirche zündeten sie mitsamt der Frauen
und Kinder an. Nur eine Frau und fünf Männer konnten sich aus
den brennenden Gebäuden retten. Insgesamt starben an diesem
Sommertag in Oradour-sur-Glane 642 Menschen, darunter 207
Kinder.
Als Stefan Willms fast 70 Jahre danach in das Dorf fährt, sieht
es so aus wie an dem Tag nach dem Massaker. Die Französische
Regierung hat beschlossen, die Ruinen als nationales Denkmal
stehen zu lassen. Der Leiter der Ermittlungsgruppe Nationalso-
zialistische Gewaltverbrechen beim Landeskriminalamt nrw (lka
nrw) war allerdings nicht wie tausende Menschen jedes Jahr als
Tourist an den Ort gekommen, sondern als Ermittler. Mit durchaus
mulmigem Gefühl im Bauch, denn es war unklar, wie die Bevölke-
rung auf ihn reagieren würde. Gemeinsam mit einem Staatsanwalt
der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Nationalsozialistische
Massenverbrechen in Dortmund betraten sie als erste Angehö-
rige deutscher Ermittlungsbehörden diesen Ort. Sie versuchten,
sich in Oradour ein Bild vom Ablauf des Geschehens zu machen.
»Vieles kann man erst verstehen, wenn man da ist«, erklärt Stefan
Willms, »aus der Ferne fragt man sich zuvor oft: Warum sind sie
so vorgegangen?«
Eine Frage bei diesen Ermittlungen lautete etwa: Wie groß
waren die Scheunen und Garagen? War es überhaupt möglich,
dass dort alle Männer gleichzeitig erschossen werden konnten?
»Als wir dort standen, wurde klar, dass das nicht der Fall gewe-
sen sein konnte. Die Größe der Gebäude ließ eine gleichzeitige
Tötung der seinerzeit in mehreren Reihen hintereinander stehen-
den Männer nicht zu. Das heißt, die in den hinteren Reihen ste-
henden Männer mussten mit ansehen, wie vor ihnen ihre Freunde,
Brüder oder auch Väter erschossen wurden.« Solche Details sind
wichtig, wenn es darum geht, zu belegen, dass es sich um grausa-
men Mord und nicht etwa um Totschlag gehandelt hat. Denn ein
Mord verjährt im Gegensatz zu Totschlag nicht.
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Gedenkstätte Oradour-sur-Glane, Frankreich
45Streife # 05 08 / 09 2016
Am ort des ss-massakers
Bei seiner Ortsbegehung traf Stefan Willms auf Zeugen – Men-
schen, die ihre Brüder, ihre Eltern bei dem Massaker verloren
haben. »Die Vernehmungen waren sehr schwierig«, erinnert sich
der 57-Jährige. »Wir mussten immer wieder unterbrechen, weil
die Erinnerungen für die Menschen so emotional waren.« Auch
wenn der Erste Kriminalhauptkommissar erst 14 Jahre nach
Kriegsende geboren wurde, kann und will er sich von einer gewis-
sen Verantwortung, die er in solchen Momenten fühlt, nicht frei
machen. Und es gibt immer wieder Augenblicke, in denen er sich
fragt, was er hier eigentlich macht – warum er die Menschen in
den Vernehmungen an die schmerzhaftesten Erinnerungen ihres
Lebens zurückführt. »Viele der Opfer fühlen sich ihr Leben lang
schuldig«, berichtet er, »weil sie überlebt haben.« Es gibt Erleb-
nisse, die er als belastend empfindet. Da ist etwa die Frau, die
ihre kleinen Brüder und ihren Vater in Oradour verloren hatte.
Als sie mit ihm durch die Ruinen ging, fragte sie immer wieder:
Pourquoi? Warum? Oder der Zeuge, der sich selbst während des
Massakers verletzt aus der Scheune retten konnte, bevor diese in
Brand gesetzt wurde. Er macht sich heute noch Vorwürfe, weil er
niemand retten konnte, obwohl er wusste, dass zu dem Zeitpunkt
noch Menschen in der Scheune am Leben waren, die anschlie-
ßend qualvoll bei lebendigem Leib verbrannten. Er erinnert sich,
dass ihn eine alte Frau angesprochen hatte, sie habe gehört, dass
die Deutschen immer mal wieder Kinder mit nach Deutschland
genommen hätten. Ob es nicht sein könne, dass das bei ihrem
Kind der Fall war, dass es noch irgendwo lebe. »Wenn man dann
sagen muss, dass es darauf keine Hinweise gibt und ihr somit die
letzte Hoffnung nimmt – das ist schon schwer«, sagt er.
Doch es gibt auch so viele Dinge, an die er gerne zurückdenkt
und die ihn motivieren, an der Sache dranzubleiben. Zum Beispiel
daran, dass viele Zeugen froh und dankbar sind, dass ihr Schick-
sal nun in einer deutschen Ermittlungsakte steht. An die Zeugin
aus Oradour, die ihn nach der Vernehmung umarmte und ihm spä-
ter ausrichten ließ, dass sie nun Frieden mit der Sache gemacht
habe und die Deutschen nicht mehr hasse. An den alten Mann in
Italien, der ihm nach einer Befragung zu einem Massaker gesagt
hat: »Commissario, auf sie habe ich 60 Jahre gewartet, danke,
dass Sie gekommen sind!«
die neuen Fälle nehmen nicht ab
»Die Aussöhnung ist sicher keine primäre Aufgabe, doch wir kön-
nen mit unserer Arbeit viel für das Ansehen der Deutschen tun«,
sagt Stefan Willms. Häufig ist er der erste deutsche Ermittler, der
sich mit dem Thema vor Ort beschäftigt. Seine Ermittlungsgruppe
ist in dieser Form deutschlandweit einzigartig. Sie wurde 2005
ins Leben gerufen, als die Ermittlungen entgegen der Erwartun-
gen aus den Jahren zuvor in diesem Bereich nicht ab-, sondern
zunahmen. Dafür gibt es viele Gründe: So wurden durch den Fall
der Mauer in den 1990er Jahren neue Archive zugänglich, die wei-
tere Ermittlungen ermöglichten oder auch neue Fälle zu Tage för-
derten. >
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ekhk Stefan Willms
46 Streife # 05 08 / 09 2016
kriminalität
Als 1994 in Italien der so genannte »Schrank der Schande«
geöffnet wurde, in dem Akten über deutsche Kriegsverbrechen in
Italien provisorisch archiviert worden waren, führte das zu einer
ganzen Reihe von neuen Ermittlungen. Und schließlich fing die
Öffentlichkeit an, sich wieder mehr mit diesem Thema zu beschäf-
tigen. Durch die Dokumentationen und Filme im Fernsehen sah
der eine oder andere sich veranlasst, doch zu erzählen, was er
vom Vater gehört hatte. Häufig kommen Hinweise von Histori-
kern, die Archivmaterial auswerten und dabei auf etwas stoßen,
das ihnen verdächtig vorkommt. Einmal hat Stefan Willms auch
in einer Dokumentation im Fernsehen eine Geschichte gehört, bei
der es sich um ein bislang nicht bekanntes nationalsozialistisches
Gewaltverbrechen handelte. In einem solchen Fall zwingt ihn die
Pflicht zur Strafverfolgung dazu, Ermittlungen aufzunehmen.
Das Schwierige ist oft, dass sich die Sachverhalte gleichen.
Dann gilt es, mit der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozi-
alistischer Verbrechen in Ludwigsburg zu klären, ob die Tat bereits
bekannt ist oder ob es sich tatsächlich um einen neuen Sachver-
halt handelt. Oft sind die Hinweise sehr vage: Da war eine deut-
sche Einheit mit schwarzen Uniformen und es hat wohl Tote gege-
ben. In solchen Fällen geht er dann tatsächlich erst einmal in die
Archive. Welche Einheit war wann wo stationiert? Wer war Ange-
höriger dieser Einheit? »Zum Teil ist es tatsächlich reine Fleißar-
beit«, sagt Stefan Willms und schmunzelt. »Wenn man etwa nur
den Namen Schmitz hat, dann gilt es, tausende Karteikarten
auszuwerten, bis man hoffentlich auf die richtige stößt.« Wenn
es konkreter wird, gilt es, die Frage zu klären, wer hat wem wel-
chen Befehl erteilt? Wer hatte welche Rolle? Durch seine langjäh-
rige Erfahrung weiß der Ermittler, wo es sich lohnen könnte nach-
zuforschen. Er kennt mittlerweile die Befehlswege in der Armee
während des zweiten Weltkriegs, kennt die Dienststellen, die sei-
nerzeit unterrichtet wurden. »Ich vergleiche die Arbeit häufig mit
einem großen Puzzle«, sagt er. »Allerdings ist es eher das Puzzle
eines kleinen Kindes, die Teile liegen im ganzen Haus verteilt, man
muss sie erst mühsam zusammensuchen und manche bleiben
auch für immer verschwunden, sind in den Jahren seit Kriegsende
einfach verloren gegangen.«
Ermittlungsarbeit unter erschwerten bedingungen
In den vergangenen 70 Jahren sind viele Zeitzeugen gestorben,
Dokumente vernichtet worden. Bei den noch lebenden Zeugen
sind die Vernehmungen schwierig, denn die Verbrechen liegen
weit zurück. Die Menschen haben schon häufig über ihre Erleb-
nisse erzählt, Bücher darüber gelesen, Dokumentationen gese-
hen. »Es ist dann nicht immer einfach herauszuarbeiten, was tat-
sächliche Erinnerungen sind und welche Inhalte mit den Jahren
aus anderen Quellen hinzugekommen sind«, erklärt er. Als sein
wichtigstes Arbeitsmittel sieht Stefan Willms die Sprache. Fran-
zösisch kann er noch ein wenig aus der Schulzeit, Italienisch hat
er sich beigebracht. »Die Menschen wissen es zu schätzen, wenn
man wenigstens ein paar Sätze in ihrer Muttersprache sagen
kann«, berichtet er. »Damit ist das Eis oft leichter gebrochen.«
Immer wieder hört er die Frage: Warum wird erst so spät ermit-
telt? »Das ist ein anderes Thema«, sagt er. »Darauf habe ich kei-
nen Einfluss. Ich kann nur schauen, dass die Verfahren, die wir
jetzt haben, so schnell wie möglich bearbeitet werden, damit eine
Klärung vor Gericht überhaupt noch möglich ist.« Das gelingt
nicht immer. In einigen Fällen sind die Täter vor der Eröffnung der
Hauptverhandlung verhandlungsunfähig geworden oder gestor-
ben. Der Leiter der Ermittlungsgruppe hört auch immer wieder
die Frage, ob man nach so vielen Jahren noch ermitteln und so
arme alte Männer vor Gericht stellen müsse. »Wenn man gesehen
hat, wie präsent die Verbrechen für die Hinterbliebenen und Opfer
sind, dann weiß man, dass man so lange es möglich ist, noch ver-
suchen muss, jemanden dafür zur Verantwortung zu ziehen, die
Wahrheit an das Tageslicht zu bringen, sie zu verbreiten«, sagt er.
Wenn ein lebender Tatverdächtiger identifiziert ist, unter-
scheiden sich die Ermittlungen kaum von anderen Verfahren bei
schwerwiegenden Straftaten. Die Tatverdächtigen werden ver-
nommen, ihr Wohnsitz durchsucht, Telefone abgehört. »Es ist
manchmal überraschend, was man nach so vielen Jahren noch
an Beweismitteln findet«, erinnert er sich. »Briefe, Orden, Urkun-
den, Fotos, manchmal sogar Tagebücher.« Die Tatverdächtigen
reagieren unterschiedlich, wenn er nach sieben Jahrzenten vor
ihrer Tür steht. Die meisten machen keine Aussage oder geben
an, sich an nichts mehr zu erinnern. Einige stellen ihre Rolle auch
als sehr gering dar. Sie sagen, sie hätten bei dem Einsatz nur Fahr-
zeugwache gehalten oder wären Koch gewesen. Bisher habe er
es erst einmal erlebt, dass jemand eingestanden hat: Ja, ich habe
das getan. Ich habe geschossen. Viele Täter würden sich ihre
eigene Wahrheit zusammenreimen, um mit den Geschehnissen
leben zu können. Stefan Willms kann sich den Grund dafür vor-
stellen: »Natürlich bricht für viele Familien eine Welt zusammen,
wenn sie erfahren, dass der Vater, der Großvater als ss-Mann an
einem Massaker beteiligt war oder ss-Wachmann in Ausschwitz
war, während vor seinen Augen tausende Menschen starben.«
47Streife # 05 08 / 09 2016
nicht jeder Fall kommt zur Anklage
Der letzte große Prozess endete im Juni 2016 mit der Verurteilung
eines früheren ss-Wachmanns im Konzentrationslager Auschwitz
vor dem Landgericht Detmold. Der 94-Jährige wurde wegen Bei-
hilfe zum Mord in 170.000 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf
Jahren verurteilt. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräf-
tig, denn es wurde Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt. Im
Rahmen der Ermittlungen hat Stefan Willms mit Zeugen gespro-
chen und Dinge erfahren, die ihn nicht loslassen: »Ein Zeuge hatte
mir berichtet, dass ihm schon früh im Lager jemand gesagt hat,
dass man arbeitsfähig bleiben muss, um zu überleben. Und er hat
ihm den Tipp gegeben, sich immer hinter jemanden zu stellen, der
möglichst schwach aussehe, wenn eine Selektion anstehe, um so
stärker zu wirken. Das hat der Zeuge gemacht. 16 Mal – 16 Mal
sind die Männer vor ihm selektiert worden und er hat überlebt. Er
hat heute noch schwere Schuldgefühle.« Auch in diesem Verfah-
ren ist Stefan Willms an den Tatort gefahren. Er hat in Auschwitz
überprüft, ob man von den Wachtürmen aus die schwarze Wand
sehen konnte, wo Erschießungen stattfanden oder die Eingänge
zu den Krematorien. Ob es also möglich war, zweieinhalb Jahre
als Wachmann in Auschwitz zu arbeiten, ohne zu wissen, was dort
eigentlich geschah. Er konnte anhand von Animationen und Doku-
menten während des Prozesses darlegen, dass das nicht der Fall
war. »Wer auf den Wachtürmen stand, hat´s gesehen, hat´s gero-
chen, wusste, was dort geschah«, sagt er.
Im Fall Oradour ist es letztendlich nicht zu einer Hauptver-
handlung gekommen, weil das Landgericht Köln aufgrund der
Beweislage der Auffassung war, dass man dem 89-jährigen
Tatverdächtigen eine aktive Beteiligung an den Morden nicht
mehr nachweisen könne. In den elf Jahren, die die Ermittlungs-
gruppe Nationalsozialistische Gewaltverbrechen mittlerweile
besteht, haben die fünf bis zehn Mitarbeiter in insgesamt 77 Ver-
fahren ermittelt, wobei immer mehrere Ermittlungskommissionen
parallel arbeiten. Allein 2016 gab es bislang fünf Neueingänge.
Insgesamt ist es zu elf Anklagen gekommen, wovon drei Täter
verurteilt wurden. In den übrigen Fällen ist teils die Beweislast
als nicht ausreichend für eine Anklage angesehen worden, zum
Teil hat das Gericht entschieden, dass es sich um Totschlag han-
delt, der nach so vielen Jahren verjährt ist oder die Angeschuldig-
ten sind vor den Verhandlungen gestorben oder verhandlungsun-
fähig geworden. Aktuell arbeiten die Ermittler im Dezernat 24 an
zwölf Verfahren. Wenn es bei großen Verfahren in die heiße Phase
geht und mehr Personal benötig wird, werden auch schon einmal
Kollegen aus anderen Behörden abgeordnet. »Manche Kollegen
kommen auch häufiger«, sagt der Leiter der Ermittlungsgruppe.
»So hatten wir einen Mitarbeiter, der Geschichte studiert hatte,
mit dem Schwerpunkt Drittes Reich.« Die Ermittlungsgruppe hat
keine Nachwuchsprobleme. Im Gegenteil, es gibt viele Anfragen,
ob Stellen frei werden. Stefan Willms kann das verstehen: »Hier
erlebt man Geschichte hautnah mit und es ist ein Bereich, den es
nicht mehr ewig geben wird.«
Er geht davon aus, dass bis etwa 2022/2023 wohl noch Täter
leben könnten, Ermittlungen also somit noch zu führen sind.
Danach wird dieser Bereich endgültig ein Teil der Geschichte
werden. Willms ist der letzte, der aus der Gründungsphase der
Ermittlungsgruppe noch dort arbeitet. Er findet, die Arbeit profi-
tiert von neuen Kollegen, die unterschiedliche Vorkenntnisse mit-
bringen. »Jemand, der zuvor etwa im Bereich der Tötungsdelikte
oder der Operativen Fallanalyse oder auch Cybercrime gearbeitet
hat, bringt ganz neue Aspekte in die Arbeit ein«, erklärt er. Wer
in der Ermittlungsgruppe arbeitet, sollte bereit sein, auf Dienst-
reisen zu gehen. Vernehmungen, Archive, Auskunftstellen. Stefan
Willms ist mindestens so oft unterwegs wie vor Ort in Düsseldorf.
Und nicht jede Zeugenvernehmung ist in Deutschland. »Die wei-
teste Dienstreise war wohl nach Vancouver«, berichtet er. »Dort
habe ich einen Zeugen vernommen, der an einem Todesmarsch
von kz-Häftlingen teilgenommen hat.« /// Katerina Breuer
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Gedenkstätte Oradour-sur-Glane, Frankreich
48 Streife # 05 08 / 09 2016
verkehr
motorrad-Aktion im pp Recklinghausen Biker gehen mit Polizisten auf »PoliTour«
»Wie bekommen wir unsere Botschaften
besser in die Köpfe der Motorradfahre-
rinnen und Motorradfahrer?« Diese Frage
stand am Ende der Unfallanalyse, die das
Polizeipräsidium Recklinghausen Anfang
2016 durchgeführt hatte. Auf den ers-
ten Blick waren die Zahlen gar nicht so
schlecht: Das Verunglücktenrisiko lag im
Landesdurchschnitt, dazu gab es vier Pro-
zent weniger Motorradunfälle als im Jahr
zuvor – also alles im grünen Bereich?
Nicht wirklich. Denn der zweite Blick
machte deutlich: »Allein sechs der 13 im
Verkehr getöteten Menschen im Bereich
des Polizeipräsidiums Recklinghausen im
Jahr 2015 gehörten zum Kreis der moto-
risierten Zweiradfahrer. Eine Entwicklung,
die uns Sorgen bereitete«, so Polizeipräsi-
dentin Friederike Zurhausen.
Motorradfahrende während des Trainings
Trainingseinweisung durch die Verkehrswacht Recklinghausen
49Streife # 05 08 / 09 2016
Weiterhin kam die Frage auf, ob
die bisherigen Botschaften
und Konzepte genügten, um
die Biker wirklich zu erreichen. »Meine
Verkehrs sicherheitsexperten haben dann
darüber diskutiert, wie wir die Motorrad-
fahrer besser ansprechen, wie wir sie bes-
ser mitnehmen können. Auf diesem Wege
ist die Idee entstanden, das »Mitnehmen«
wörtlich zu nehmen und mit den Bikern
auf Tour – auf »PoliTour« zu gehen«, erläu-
tert Zurhausen. Es folgte eine mona-
telange Planungsphase innerhalb der
Behörde und darüber hinaus, denn es war
schnell klar, dass man dieses Projekt nicht
alleine würde stemmen können. »Deshalb
haben wir von Anfang an mit dem adac,
dem Institut für Zweiradsicherheit (ifz),
dem Deutschen Roten Kreuz (drk), der
Verkehrswacht und dem Kreis Reckling-
hausen externe Partner mit einbezogen.
Hinzu kamen mit dem »Drügen Pütt« und
»Mutter Vogel« zwei unserer örtlichen
Motorradtreffs«, so Dietmar Laschinski,
Leiter des Kommissariats für Verkehrs-
unfallprävention und Opferschutz im pp
Recklinghausen.
»Polizei dein Freund und guide«
Der Startschuss zur ersten »PoliTour«
fiel dann am 22. Mai um neun Uhr. Rund
120 Bikerinnen und Biker starteten von
sechs verschiedenen Standorten aus.
Angeführt wurden die Gruppen dabei von
uniformierten Guides auf ihren Polizei-
motorrädern. »Von den Anmeldezahlen
her hätten es auch mehr als doppelt so
viele Gruppen sein können«, so Organisa-
tor Udo Grimmelt aus dem Bereich Ver-
kehrsunfallprävention/Opferschutz. »Die
Touren waren innerhalb von drei Tagen
ausgebucht.« Eines der sechs Teams war
die Gruppe »Recklinghausen«. Ihr Treff-
punkt: die Polizeiunterkunft am Beisinger
Weg. Nach einer kurzen Begrüßung und
Einweisung in die Gruppenregeln ging es
los: Helmabnehmen, Training der stabilen
Seitenlage. Außerdem referierten Exper-
ten aus der Notfallmedizin und des ifz
über typische Motorradverletzungen und
moderne Schutzkleidung. Als Teilnehmerin
mit dabei: Polizeipräsidentin Friederike
Zurhausen. »Ich fahre zwar selbst kein
Motorrad, als Sozia wollte ich es mir den-
noch nicht nehmen lassen, Sie heute
hier bei der PoliTour zu begleiten«, so die
Behördenleiterin.
Praxisübungen und unfallursachen
Bei dem anschließenden Geschicklichkeits-
parcours der Verkehrswacht Reckling-
hausen waren die Teilnehmenden wieder
selbst gefragt. Dabei wurden erste Gren-
zen deutlich: Schnellfahren kann jeder,
das Fahren bei geringer Geschwindig-
keit will jedoch trainiert sein. »Der Praxis-
anteil war uns sehr wichtig. Unsere Poli-
Tour sollte keine reine Informationsver-
anstaltung werden. Von der Tatsache, >
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50 Streife # 05 08 / 09 2016
verkehr
dass die Teilnehmer immer wieder selbst
aktiv werden und Dinge selbst erleben kön-
nen, erhoffen wir uns eine größere Nach-
haltigkeit«, so Dietmar Laschinski.
Die erste Ausfahrt führte die Teilneh-
menden dann zum Bikertreff »Mutter
Vogel« nach Marl, gefolgt von einer kleinen
Schleife zum »Drügen Pütt« nach Haltern
am See. Hier standen die Themen »Haup-
tunfallursachen« und »Lasermessungen«
auf dem Programm; eine Gelegenheit zur
Stärkung gab es dort natürlich auch. Ein
weiterer wichtiger Punkt für die Bikerinnen
und Biker: das Fachsimpeln und der Mei-
nungsaustausch mit den Polizisten, getreu
dem Motto: »Motorradfahrer der Polizei
sind auch Biker!«
Nach einem Abstecher über die »Bor-
kenberge« besuchten die Teilnehmenden
einen Unfallort in Oer-Erkenschwick, an
dem ein Biker im Juni 2014 tödlich verun-
glückt war. An der Unfallstelle erläuterte
Guide Michael Imkamp den Unfallhergang.
Die Stimmung war gedrückt: »Der Motor-
radfahrer hatte hier kaum eine Chance,
der Traktorfahrer hat ihn einfach überse-
hen. Vorrang allein hilft nicht. Wir müssen
als Biker mit dem möglichen Fehlverhalten
der Anderen rechnen«, so Imkamp.
»Immer noch was dazugelernt«
Mit diesen Eindrücken fuhr die Gruppe
anschließend zum Gelände des adac
nach Recklinghausen. Hier fand das große
Abschlusstreffen statt – alle sechs Grup-
pen mit rund 120 Bikerinnen und Bikern
waren nun vor Ort. »Ich freue mich, Sie
hier am Ende unserer PoliTour begrüßen
zu dürfen. Der Blick in zufriedene Gesich-
ter zeigt mir, Sie hatten ebenso viel Spaß
wie ich«. Mit diesen Worten eröffnete Poli-
zeipräsidentin Friederike Zurhausen den
letzten Programmpunkt des Tages. Inst-
ruktoren des adac zeigten, wie Jeans nach
einem Sturz aussehen und wie Bremswege
durch Tempo und wechselnde Untergründe
länger werden. Dass genau mit Ende der
Vorführung der lange angekündigte Regen
fiel, störte nicht wirklich. Wer ein Motor-
rad fährt, ist wetterfest, und die Grillwurst
schmeckte auch unter einem schützenden
Dach. Neben einer Urkunde und einem
Erinnerungsfoto nahmen die Teilnehmen-
den offensichtlich viel Positives mit. »Ich
fahre schon so lange Motorrad und habe
heute immer noch etwas dazugelernt«,
so ein Biker zum Abschluss der Veran-
staltung. Auch Dietmar Laschinski war im
Nachhinein zufrieden: »Die vielen positi-
ven Rückmeldungen der Teilnehmer, aber
auch unserer Kooperationspartner bestär-
ken uns in dem Gedanken, dieses Projekt
weiterzuentwickeln. Die Warteliste für die
nächste »PoliTour« ist schon gut gefüllt.«
/// Michael Philipp, pp Recklinghausen
Das Deutsche Rote Kreuz leitet die Erste-Hilfe-Einheit.
Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen – selbst Bikerin – begrüßt die Teilnehmer.
51Streife # 05 08 / 09 2016
sicherheitstrainings für biker besonders wichtig
Sommerzeit ist Motorradzeit: Auf den Straßen in nrw sind im ersten Halbjahr
2016 bereits 27 Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer bei Unfällen gestor-
ben. »In vielen Situationen müssen wir auf dem Motorrad sehr schnell richtig
reagieren. Das kann über Leben und Tod entscheiden. Deshalb sollte man regel-
mäßig an Sicherheitstrainings teilnehmen«, sagte nrw-Innenminister Ralf
Jäger – selbst begeisterter Motorradfahrer – im adac-Fahrsicherheits zentrum
in Grevenbroich. Gerade nach den Wintermonaten, in denen viele ihre Zwei-
räder einmotten, sei es wichtig, sich wieder mit der eigenen Maschine vertraut
zu machen. In nrw kamen 2015 insgesamt 83 Motorradfahrer durch Unfälle
ums Leben. Besonders im Sommer steigt die Gefahr, denn Sommerzeit ist
Motorradzeit. Auch für Biker ist zu hohe Geschwindigkeit der Killer Nummer 1.
Die nrw-Polizei kontrolliert deshalb besonders stark auf beliebten Touren-
strecken in der Eifel, im Sauerland oder im Bergischen Land. »Wer rücksichts-
los rast, wird aus dem Verkehr gezogen«, sagte Jäger. Die Folgen schwerer
Verkehrsunfälle sind für die Opfer und deren Angehörige einschneidend.
Motorradfahrer erleiden bei Stürzen und Unfällen oftmals besonders schwere
Verletzungen. »So toll sich die Beschleunigung auch anfühlt, darf man das
niemals vergessen«, so Jäger. »Fahren Sie bitte vorsichtig!«
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52 Streife # 05 08 / 09 2016
sport
32. deutsche Polizeimeisterschaften im Judo 1 x Gold, 2 x Silber und 3 x Bronze für nrw
In der Zeit vom 7. bis 10. Juni 2016 startete der nrw-Kader Judo
bei den 32. Deutschen Polizeimeisterschaften im Sportforum in
Berlin. Ausgerichtet wurden die Wettkämpfe von der Polizei Ber-
lin im Auftrag des Deutschen Polizeisportkuratoriums (dpsk).
Der Berliner Innensenator Frank Henkel und der Vorsitzende des
dpsk, der Leitende Polizeidirektor Rigo Klapa, begrüßten die Teil-
nehmenden. Im Anschluss eröffnete Polizeioberrat Fred Kusserow,
der Polizeisportbeauftragte Berlin, die Meisterschaften.
Unter den 151 Teilnehmenden nahmen 17 aus nrw die
Herausforderung in den verschiedenen Gewichtsklassen
an und konnten insgesamt sechs Medaillen erkämpfen:
> Platz 1: Kommissaranwärterin Lea Reimann (pp Köln)
> Platz 2: Polizeikommissar Marc-Julian Kühlkamp (pp Gelsen-
kirchen) Kommissaranwärter Tom Gabriel Berg (pp Köln)
> Platz 3: Kommissaranwärterin Tais Canamero Martinez
(pp Duisburg) Polizeikommissar Yannick Gutsche (pp Köln)
Mannschaft nrw (18 Punkte) /// Andrea Schaub, psk nrw
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Mannschaftsfoto vor dem Reichstag
Yannik Gutsche (in Weiß) im Wurfansatz
DPM Judo 2016
53Streife # 05 08 / 09 2016
Polizeilandesmeisterschaft im Fußball der männer pp Duisburg wieder Polizei landesmeister
Das Finale der Polizeilandesmeisterschaft (plm) im Fußball der
Männer wurde am 5. Juli 2016 in Duisburg ausgetragen. Nur vier
der 25 angemeldeten Behördenmannschaften konnten sich in
den Vorrunden durchsetzen und in der Endrunde in Duisburg
um den Meistertitel kämpfen. Hierbei handelte es sich um die
Mannschaften des pp Köln, pp Bochum, pp Duisburg und des pp
Dortmund.
Am Finaltag siegte das Kölner Team im Spiel um Platz 3
gegen Bochum und konnte sich mit einem 4:2 die Bronze-
medaille sichern. Im Endspiel ging das Team des pp Duis-
burg gegen Dortmund in der ersten Halbzeit mit 1:0 in Führung.
Für die Dortmunder gab es trotz harter Zweikämpfe keine Chance,
gegen den Titelverteidiger auszugleichen. Nach Ende der zweiten
Hälfte stand es fest: Die Mannschaft des pp Duisburg bestätigt
ihren ersten Platz in nrw und ist wieder Polizeilandesmeister im
Fußball der Männer.
Anschließend wurden die Sieger von der Duisburger Polizei-
präsidentin Dr. Elke Bartels und dem Polizeisportbeauftragten
des Landes nrw, Roland Küpper, geehrt. Den Ehrenpreis des
Ministers erhielt Jörg Silberbach vom pp Bochum.
/// Andrea Schaub, psk nrw
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Team Duisburg
Zweikampf
Meisterpokal
54 Streife # 05 08 / 09 2016
sport
19. Polizeilandesmeisterschaften im Radsport Christoph Schweizer holt Gold in der offenen Klasse
Gute Bedingungen sorgten bei den diesjährigen Polizeilandes-
meisterschaften (plm) im Radsport am 5. Juli 2016 in Groß-Reken
im westlichen Münsterland für gute Ergebnisse der Polizeisport-
lerinnen und -sportler.
Die sehr gut organisierte Veranstaltung, die von der Polizei
Borken in Zusammenarbeit mit dem Polizeisportverein
(psv) Unna und den Radsportfreunden Borken e. v. aus-
gerichtet wurde, zählte insgesamt 144 Teilnehmende aller Alters-
klassen. Die Bestzeiten über die Strecke von 18,6 Kilometer erziel-
ten in der offenen Klasse Christoph Schweizer vom pp Aachen mit
25:14 Minuten, Uwe Rausch vom pp Köln mit 25:38 Minuten und
Jörn Breckwoldt vom pp Münster mit 26:18 Minuten.
mannschaften des pp Köln und pp Aachen holen
den ersten Platz
In der Mannschaftswertung konnte sich das Team der Frauen
des pp Köln mit Rike Westermann, Jana Schemmer und Stefanie
Schulz (1:38:42 Stunden) den ersten Platz sichern. Bei den
Männern siegte die Mannschaft des pp Aachen mit Christoph
Schweizer, Markus Schulte und Ralf Peters (1:21:49 Stunden).
Manuel Deitert, der Bürgermeister von Reken, ehrte nach
Abschluss aller Rennen zusammen mit Frank Burre, dem Abtei-
lungsleiter der Polizei Borken, und Günter Lange, dem Vorsitzen-
den des Polizeisportkuratoriums nrw, die erfolgreichen Teilneh-
menden. Im Rahmen der Siegerehrung überreichte Günter Lange
den Ehrenpreis des Ministers an Lisa Brömmel und Christoph
Schweizer. Sie erhielten die Auszeichnung für die beste sportli-
che Gesamtleistung der diesjährigen Meisterschaften.
/// Andrea Schaub, psk nrw
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Mannschaftswertung Männer – Platz 1 pp Aachen
55Streife # 05 08 / 09 2016
polizeilandesmeister im radsport 2016 nach alters-klassen wurden:
> Männer ak1/ak2 (bis 30 Jahre):
Christoph Schweizer (pp Aachen), 25:14 Minuten
> Frauen ak1/ak2 (bis 30 Jahre):
Lisa Brömmel (lr Wesel), 28:36 Minuten
> Männer ak3 (31-35 Jahre):
Sven Abbing (pp Essen), 27:10 Minuten
> Frauen ak3/ak4 (31-40 Jahre):
Rike Westermann (pp Köln), 29:26 Minuten
> Männer ak4 (36-40 Jahre):
Michael Hinz (pp Essen), 27:12 Minuten
> Männer ak5 (41-45 Jahre):
Marcus Kraeft (pp Duisburg), 28:06 Minuten
> Frauen ak5/ak6 (41-50 Jahre):
Bettina Stüllein (pp Münster), 33:12 Minuten
> Männer ak6 (46-50 Jahre):
Uwe Rausch (pp Köln), 25:38 Minuten
> Männer ak7 (51-55 Jahre):
Joachim Sommershof (pp Bonn), 27:37 Minuten
> Männer ak8/ak9 (56-65 Jahre):
Manfred Ricklin (lr Steinfurt), 27:26 Minuten
> Männer ak10 (Pensionäre):
Wolfgang Stein (pp Essen), 31:48 Minuten
Sven Abbing auf der Rennstrecke (18,6 km)Ehrenpreis des Ministers für Lisa Brömmel (links) und Christoph Schweizer (rechts)
56 Streife # 05 08 / 09 2016
sport
3. Europäische Polizei-meisterschaft im Volleyball der Frauen Deutschland ist Vize- Europameister
2. Europäische Polizei-meisterschaft im Fußball der Frauen Deutschland holt den Europameistertitel
Die 3. Europäische Polizeimeisterschaft (epm) im Volleyball der
Frauen wurde in der Zeit vom 18. bis 25. Mai 2016 im russischen
Kazan ausgetragen. Für die Endrunde hatten sich Russland, Frank-
reich, Tschechien, Österreich, Finnland, die Slowakei und das
Vereinigte Königreich qualifiziert.
In der Sporthalle »St. Petersburg« regnete es für die National-
auswahl Punkte. Ein Sieg folgte dem anderen bis ins Finale. Das
Endspiel gegen den sehr starken Gegner Russland konnte das
Team dann aber nicht gewinnen. Auf den zweiten Platz war das
Team aber zu Recht sehr stolz. Für das deutsche Team waren aus
nrw Polizeikommissarin (pkin) Mareen Fieblinger vom lr Borken
und pkin Denise von Pidoll vom pp Köln am Ball. Der Co-Trainer
Polizeihauptkommissar Uwe Leßmann vom pp Köln unterstützte
den Bundestrainer bei der Betreuung der deutschen Mannschaft.
/// Andrea Schaub, psk nrw
Die 2. Europäische Polizeimeisterschaft (epm) im Fußball der
Frauen fand vom 20. bis 27. Juni 2016 in Prag statt. In den Vor-
runden kämpften die Mannschaften der verschiedenen Nationen
um den Einzug ins Finale. Für die Endrunde in Prag hatten sich
im Kampf um den Meistertitel die Länder Frankreich, Großbritan-
nien, Tschechien, Dänemark, Norwegen, Niederlande, Österreich
und Deutschland qualifiziert.
Die deutsche Auswahl zog unbesiegt über das Halbfinale
ins Finale gegen Frankreich ein. Der letzte und entschei-
dende Schlag gelang dann auch im Finalspiel. Die deut-
sche Mannschaft konnte sich in spannenden Zweikämpfen erneut
gegen Frankreich durchsetzen und siegte mit 3:0. Aus nrw waren
für das deutsche Team Polizeikommissarin Katharina Rogalla vom
pp Gelsenkirchen und Polizeikommissarin Marina Hermes vom
Landrat Gütersloh dabei. /// Andrea Schaub, psk nrw
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57Streife # 05 08 / 09 2016
15. Europäische Polizeimeisterschaft im Handball der männer Deutschland holt den Europameistertitel
Die 15. Europäische Polizeimeisterschaft im Handball der Männer
fand vom 29. Mai bis 5. Juni 2016 im dänischen Silkeborg statt.
Das Deutsche Polizeisportkuratorium (dpsk) hat sich mit einer
deutschen Besten-Auswahl an der Meisterschaft beteiligt. Im
Nationalkader kämpften aus nrw Polizeikommissar (pk) Jannik
Oevermann (pp Düsseldorf), pk Tim Gentges (pp Duisburg), pk
Maximilian Krönung (pp Gelsenkirchen), pk Mathias Deppisch
(pp Köln) und als Torwart pk Timo Adeyemi (pp Köln). Kriminal-
direktor Thomas Link (pp Bielefeld) begleitete als Fachwart Hand-
ball im dpsk die Auswahl.
Vom ersten Spiel an kämpfte die Nationalauswahl um
die Titelverteidigung und blieb bis zum Ende unbesiegt.
Das Finale gegen Dänemark konnte Deutschland mit
36:20 (16:9) gewinnen und damit den Titel verteidigen.
/// Andrea Schaub, psk nrw
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Deutschland immer in Richtung Tor
Deutschland – Norwegen, Sieg mit 25:21
Nationalkader vor der Jysk-Arena in Silkeborg (dk)
58 Streife # 05 08 / 09 2016
sport
Qualifikation für die deutsche Polizei meister-schaft im Fußball der Frauen nrw-Auswahl qualifiziert sich für die Endrunde
Nach dem ersten Sieg in der Vor-
runde der Deutschen Polizei-
meisterschaft im Fußball der
Frauen gegen Sachsen-Anhalt (4:0) hatte
die nrw-Mannschaft bereits eine gute Aus-
gangsposition in der Gruppe 5. Die Quali-
fikation für die Endrunde holte sich das
Funktionen im sport der Polizei nrw neu besetzt Neuer Fachwart im Handball nrw und neuer Hauptsportwart nrw gewählt
Im Rahmen der Frühjahrstagung des Poli-
zeisportkuratoriums (psk) nrw wurden
am 20. Mai 2016 in Köln der Fachwart im
Handball nrw und der Hauptsportwart
nrw neu berufen.
Kriminalhauptkommissar Torsten
Sziesze vom Polizeipräsidium Gel-
senkirchen übernahm 2006 die
Aufgabe des Fachwartes im Handball nrw
und führte den nrw-Kader der Männer
dreimal in Folge zum Deutschen Meister-
titel. Als seinen Nachfolger hat er den aktiv
im Kader von nrw und Deutschland spie-
lenden Polizeikommissar Mathias Deppisch
vom Polizeipräsidium Köln vorgeschla-
gen, der im Rahmen der psk-Sitzung zum
neuen Fachwart berufen wurde. Als Nach-
folger möchte er gerne seine Erfahrungen
einbringen.
Im Jahr 2000 wurde Polizeiober-
rat Stefan Kronenberg vom pp Wupper-
tal zum Hauptsportwart der Polizei nrw
berufen. In der damaligen »Sportbil-
dungsstätte« (heute: Fortbildungsstelle
Polizeisport) in Wuppertal begann seine
Tätigkeit als Chef der Fachwarte nrw.
Auf Bundesebene übte er diese Tätigkeit
beim Deutschen Polizeisportkuratorium
(dpsk) von 2001 bis 2015 aus. Im Europä-
ischen Polizeisportverband (uspe) war er
als Mitglied der Technischen Kommission
von 2000 bis 2012 aktiv. Der Leitende Poli-
zeidirektor Günter Lange, Vorsitzender des
Polizeisportkuratoriums nrw, verabschie-
dete Stefan Kronenberg im Rahmen der
psk-Frühjahrstagung und bedankte sich
für die Zusammenarbeit und das persön-
liche Engagement, den Sport in der Polizei
auf regionaler, nationaler und internatio-
naler Ebene betreut und repräsentiert zu
haben.
Als Nachfolger von Stefan Kronenberg
wurde Polizeioberrat Hans-Dieter Husfeldt
vom pp Köln vorgeschlagen. Von 1993 bis
2001 war er als Fachwart im Schwimmen
und Retten für die Betreuung der Sportart
in nrw zuständig und übernahm diese Auf-
gabe auf Bundesebene beim dpsk ab dem
Jahr 2000. Die Mitglieder des psk nrw
haben Hans-Dieter Husfeldt nach Bera-
tung und im Einvernehmen mit dem Minis-
terium für Inneres und Kommunales (mik)
nrw zum Hauptsportwart nrw berufen.
/// Andrea Schaub, psk nrw
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Stefan Kronenberg
Hans-Dieter Husfeldt
Team dann Mitte Mai in Selm gegen das
Saarland. Mit einem deutlichen Sieg von
6:1 war das Ticket zur Endrunde gelöst. Zur
Unterstützung des Ausrichters sorgen die
Schiedsrichter Guido Winkmann und Mark
Borsch, beide aus nrw für den ordnungs-
gemäßen Ablauf der Spiele.
Die Endrunde wird vom 5. bis 9. September
2016 im bayerischen Eichstätt ausgetra-
gen. /// Andrea Schaub psk nrw
59Streife # 05 08 / 09 2016
tag des Polizeisports 2016 in Krefeld »Gemeinsam fit für Sicherheit«
Am 25. Mai eröffnete nrw-Innen minister
Ralf Jäger auf der Sportanlage des sc
Bayer 05 Uerdingen den »Tag des Polizei-
sports 2016«.
Bei Sonnenschein und angenehmen
Temperaturen begrüßte Minister
Jäger die rund 100 Teilnehmer-
innen und Teilnehmer – darunter Behör-
denleitungen, Führungskräfte, Sportbe-
auftragte und Personalratsvorsitzende aus
dem ganzen Land. Der Innenminister moti-
vierte die Anwesenden, ihre Vorbildfunk-
tion im Sport wahrzunehmen, auch wenn
er sich selbst an diesem Tag aus gesund-
heitlichen Gründen zurücknehmen musste.
wettkämpfe in vielen disziplinen
Der Krefelder Polizeipräsident Rainer
Furth betonte in seiner Begrüßung, dass
der Gesundheit der Beschäftigten beson-
ders vor dem Hintergrund steigender
Herausforderungen für die Polizei in
Nordrhein-Westfalen eine immer größere
Rolle zukomme und dass Sport einen
wesentlichen Beitrag zur Gesunderhaltung
leisten könne.
Nach einem Pressefoto mit allen Beteilig-
ten und dem Absolvieren eines gemein-
samen Aufwärmprogramms ging es los.
Während die Leichtathletikdisziplinen im
Stadion starteten, machten die Radsport-
ler sich auf den Weg zu ihrer 20 Kilometer
langen Strecke am Elfrather See, stets
begleitet von einem Streifenwagen und
einem Dienstmotorrad. Nach einer kur-
zen Einführungsrunde in der Arena absol-
vierten die Nordic Walker ihre 7,5 Kilome-
ter-Distanz im Stadtpark Uerdingen. Wer
sich für die Schwimmdisziplinen angemel-
det hatte, machte sich auf den Weg in das
Schwimmbad Bockum.
mehr als sport
Ein besonderes Angebot hielten zwei
Mitarbeiter des Krefelder Fitness- und
Gesundheitscenters »Timeout« bereit:
Bei der Bioimpendanzmessung erfassten
und analysierten sie das Gewicht, den
Körperfettanteil und die Muskelmasse
der Polizeisportler per Computer. Dazu
gab es noch hilfreiche Tipps für die
richtige Ernährung.
Zur Abrundung des Programms präsen-
tierte die »Fahrradstaffel für die Innen-
stadt Krefeld« (kurz: fink), gemeinsam mit
Kolleginnen und Kollegen aus den Nieder-
landen ihr Können.
Bei einem Mittagessen mit vielen
Gesprächen fand die Veranstaltung einen
angemessenen Ausklang. Alle Athletinnen
und Athleten traten zufrieden und vor
allem unverletzt die Heimreise an.
Ein besonderer Dank gilt Polizei direktor
Michael Schemke, der mit seiner Projekt-
gruppe im Vorfeld ebenso wie die zahlrei-
chen Helferinnen und Helfern für einen
reibungslosen Ablauf gesorgt und damit
zum Erfolg der Veranstaltung beigetra-
gen hat. /// Karin Kretzer, Sandra Albertz,
pp Krefeld
@ Weitere Informationen und ausführliche Berichte zum Sport in der Polizei nrw können auf der Landessportseite im
Intrapol nrw http://intrapol.polizei.nrw.de/Seiten/Sport%20und%20Wettkampfsport.aspx abgerufen werden.
Polizeipräsident Rainer FurthFoto
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prisma
neuer trend »Pokémon go« Abgelenkt durch Monsterjagd
»The next big thing« – diesen Satz hört man in virtuellen Welten
immer häufiger, egal, ob es sich dabei um ein neues soziales Netz-
werk oder wie in diesem Fall um ein neues Spiel handelt.
Eigentlich ist »Pokémon go« schon zwei Jahre alt. Aber erst jetzt
kommt der Hype darum auf, über den sogar schon die Süddeut-
sche Zeitung in ihrer Printausgabe einen ganzseitigen Artikel
geschrieben hat. Mittlerweile hat wahrscheinlich jeder von dem
neuen Spiel gehört – ohne alle Facetten wirklich verstanden zu
haben.
Bei dem Spiel »Pokémon go« verschmilzt die virtuelle Welt
mit der realen. »Augmented reality« (erweiterte Realität)
heißt das Zauberwort. In diesem Bereich gibt es eigentlich
schon viele Anwendungsfelder: vom Navigationssystem über die
automatische Texterkennung bis hin zur virtuellen Wohnungsein-
richtung. Aber keines hat bislang eine so große Welle ausgelöst
wie Pokémon go.
Der Name setzt sich zusammen aus »Pocket« (Tasche) und
»Monster«. Mitte Juli wurde das Spiel in den deutschen App
Stores zum Download freigegeben – einen Tag später stand es
bereits in den App-Download-Charts auf Platz eins. Die Aktie des
Herstellers Nintendo steigt immer weiter, die Fangemeinde nimmt
rasant zu, die Zugriffszahlen explodieren. Selbst Riesen wie Face-
book oder Twitter schauen neidisch auf die Nutzungszeiten der
Pokémon-go-App im Vergleich zu ihren eigenen: Innerhalb von
zwei Wochen hatte Pokémon go mehr Nutzer als Twitter.
Pokéstops und Kampfarenen
Der Spielinhalt ist schnell erklärt: Man benötigt ein Smartphone
neuerer Bauart mit gps sowie einer schnellen Datenverbindung.
Jeder Spieler kreiert seinen eigenen Avatar (virtuelle Spielfigur)
und sammelt bzw. fängt als Pokémontrainer kleine Fabelfigu-
ren, sogenannte Pokémon. Diese haben Namen wie »Bisasam«,
»Taubsi« oder »Traumato«. In Kampfarenen kann man sich mit
anderen Teams messen und an sogenannten »Pokéstops« Punkte
und Gegenstände sammeln. Um diese Orte zu erreichen, die vir-
tuell in die reale Welt integriert sind, ist die Spielbasis eine echte
Landkarte der näheren Umgebung. Bewegt man sich mit seinem
Smartphone also real, verlagert sich die Spielkarte um den eige-
nen Standpunkt. Das Spielfeld ist so gesehen die ganze Welt.
Vorplatz des mik: Auf dem iPad ist die im Spiel dort angelegte Kampfarena zu sehen.
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Straßen und Wege sind gut zu erkennen, genau wie die Bebauung.
Kommt man in die Nähe von Pokéstops oder Pokémon-Figu-
ren, schaltet sich die Kartendarstellung in die augmented-reality-
Ansicht um und die Figuren sitzen, laufen oder fliegen optisch
in der echten Welt. Die Verteilung der Pokéstops stammt aus
dem Vorgängerspiel »Ingress« und lässt sich logisch nicht erklä-
ren. Oft sind es Gebäude, Kunstwerke, Gedenkstätten oder Graf-
fiti an öffentlichen Plätzen, aber auch private Grundstücke oder
Orte mitten im Wald. Es besteht die Möglichkeit, dem Hersteller
neue Pokéstops vorzuschlagen. Auch die Polizei ist mit ihren
Liegenschaften nicht von Pokéstops verschont geblieben – alleine
auf dem Gelände des Landesamts für Ausbildung, Fortbildung
und Personalangelegenheiten (lafp) in Selm befinden sich drei
Pokéstops. Genau vor der Tür des Ministeriums für Inneres und
Kommunales (mik) gibt es außerdem eine Pokémon-Kampfarena,
und zwar um das Kunstwerk »Balance der Kräfte«, das der Künst-
ler Otto Wesendonck im Jahr 1998 für die Westlb erschaffen hat.
Schriftzug lafp aus Buchsbaum auf dem Gelände des lafp in Selm – im Spiel ist das ein so genannter Pokéstop.
Abgelenkte smartphone-zombies
Die volle Konzentration auf das Spiel lenkt den Spieler von seiner
Umwelt ab. Der Hersteller selbst warnt auf seiner Homepage:
»Sicherheitshalber solltest du Pokémon go niemals spielen, wäh-
rend du Rad fährst, ein Auto steuerst, skateboardest oder irgend-
etwas anderes tust, was deine volle Aufmerksamkeit verlangt.
Selbstverständlich solltest du auch darauf achten, dass du dich
nicht aus Versehen von deinen Eltern oder Freunden entfernst,
weil du einem Pokémon nachjagst.« In der App selbst heißt es
jedoch nur kurz: »Bleibe wachsam. Behalte immer deine Umge-
bung im Auge!« Die Gefahr: Der sogenannte »Smombie« (»Smart-
phone-Zombie«), also der Mensch, der nur auf das Smartphone
schaut und seine Umwelt nicht mehr registriert, verliert sich
schnell in der augmented reality. Das typische Spielerverhalten:
Der User geht umher, während er auf ein kleines Display schaut.
Für Unwissende sieht das so aus, als würde er Aufnahmen von
Objekten oder Personen machen. Dass die betreffende Person in
ein Spiel vertieft ist, ist von außen nicht erkennbar. >
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prisma
Herausforderungen für die Polizei
Schon in den ersten Tagen nach dem Start des Spiels in den
Niederlanden wurde dieses Verhalten beispielsweise als Ausspi-
onieren von potentiellen Wohnungseinbrechern gewertet – und
die Polizei alarmiert. Erste Zwischenfälle wie Verletzungen bei
der Jagd nach Pokémon und Verkehrsunfälle durch Unachtsam-
keit oder Ablenkung sind in der kurzen Zeit ebenfalls bekannt
geworden. Die Medien berichteten etwa über verletzte Fußgän-
ger, Wendemanöver auf der Autobahn und Jagden per Motorrad
mit 200 km/h.
Im Spiel kann man über verschiedene Lockmodule auch Poké-
mon und andere Spieler anlocken. In diesem Zusammenhang
wurde in den Medien bereits über Raubdelikte und über den
Fund einer Leiche berichtet. Erste Presseanfragen zu Vorfällen
erreichten auch schon die Polizei nrw. Nintendo warnt bei der
Auswahl eines Teams: »Beachte, dass du mit deinen Teammitglie-
dern nicht unbedingt auch im wirklichen Leben befreundet bist.
Sei also dementsprechend vorsichtig und gib keine persönlichen
Informationen weiter.« Die ersten bequemeren Spieler setzen
schon Drohnen zum Spielen ein. Dass Pokémon go als polizeili-
cher Einsatzanlass auch in nrw kommen wird, hat sich innerhalb
kürzester Zeit bestätigt.
Viele Unternehmen nutzen den Hype aber auch, um das eigene
Geschäft anzukurbeln: So weisen geschickte Gastronomen über
Facebook darauf hin, dass aus ihrem Restaurant ein Pokéstop
zu erreichen ist und sie diesen zwischen 19 und 21 Uhr mit Lock-
stoffen versehen. Außerdem erhalten Pokémon-Spieler bei ihrer
Reservierung mit dem Stichwort »Pokémon« Freigetränke.
der Ausblick
Wie bei einem Hype üblich, wird auch dieser nachlassen. In der
schnelllebigen virtuellen Gesellschaft hinterlassen solche Trends
trotzdem deutliche Spuren für die Zukunft. Trendsetter wie Face-
book versuchen durch Aufkauf oder Eigenentwicklung solche
massenwirksamen Trends zu integrieren und für ihre Netzwerke
zu nutzen, wie etwa 360-Grad-Videos, 3d-Darstellungen oder
eben jetzt das Thema augmented reality. Schon bald werden
mehr Menschen mit augmented-reality-Systemen wie der »Holo
Lens«-Brille von Microsoft, der »Oculus Rift«-Brille von Facebook
oder »Google Glasses« durch deutsche Städte laufen.
Der Trend okémon go hat gezeigt, wie sich Millionen von Deut-
schen blitzschnell für etwas begeistern können und auf einmal
augenscheinlich planlos, aber virtuell zielorientiert kilometer-
weit laufen, um lustig animierte Zeichentrickfiguren mit virtuellen
Bällen zu fangen.
Pokémon go-Spieler in Düsseldorf auf der Girardet-Brücke
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63Streife # 05 08 / 09 2016
Über solche Trends, egal ob Pokémon go, Snapchat oder andere vir-
tuelle Welten kann man den Kopf schütteln und sie für Teufelszeug,
Zeitverschwendung oder eine Marotte der »Jugend von heute«
halten. Vielleicht sollte man aber auch seinen Blick erweitern und
erkennen, wie schnell sich die Welt verändert und welche Bedeu-
tung das auch für Polizei haben kann. Vielleicht könnten wir in
Zukunft an Pokéstops Nachwuchs werben, in Snapchat Anzeigen
aufnehmen und über Facebook live Vernehmungen durchführen.
/// Guido Karl, Landesredaktion Online-Dienste, mik nrw
Screenshoot der Girardet-Brücke aus dem Spiel – zu erkennen sind drei Pokéstops mit Lockmodul.
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personalien
neuer Hauptpersonalrat der Polizei nrw gewählt Auf Augenhöhe verhandeln
Rund dreiviertel der Beamten und Tarif-
beschäftigen haben Anfang Juni neue
Personalräte der Polizei in nrw gewählt.
Neben den Personalräten der 47 Kreispo-
lizeibehörden, der drei Landesoberbehör-
den Landeskriminalamt (lka), Landesamt
für Ausbildung, Fortbildung und Perso-
nalangelegenheiten (lafp) und Landesamt
für Zentrale Polizeiliche Dienste (lzpd)
sowie der Deutschen Hochschule der
Polizei (dhpoi) wurden auch die Mitglieder
des Hauptpersonalrats der Polizei (phpr)
neu gewählt.
Von den 15 zu vergebenden phpr-
Mandaten entfallen elf Sitze auf
die Gewerkschaft der Polizei (gdp)
und jeweils zwei auf den Bund Deutscher
Kriminalbeamter (bdk) und die Deutsche
Polizeigewerkschaft (dpoig). phpr-Vor-
sitzender wird auch in den kommenden
vier Jahren der Erste Polizeihauptkom-
missar Rainer Peltz sein. Jutta Jakobs
(Vertreterin der Tarifbeschäftigten), Volker
Huß und Markus Robert wurden zu stell-
vertretenden phpr-Vorsitzenden gewählt.
Auf der Agenda des neu gewählten phpr
stehen unter anderem die Umsetzung
des 15-Punkte-Programms zur Stärkung
der Inneren Sicherheit über die Durchset-
zung guter Rahmenbedingungen für die
Ausbildung der Kommissaranwärterin-
nen und -anwärter sowie die Begleitung
der laufenden it-Projekte Viva und epos.
nrw. Nicht zuletzt werden auch die zahlrei-
chen Versetzungsverfahren bei der Polizei
thematisiert.
Der Dialog mit dem Ministerium steht
im Vordergrund, doch auch bei strittigen
Themen wird der phpr mit dem Innen-
ministerium auf Augenhöhe verhandeln,
wenn dies im Interesse der Beschäftigten
notwendig sein sollte.
/// Rainer Peltz
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phpr-Vorsitzender ephk Rainer Peltz (rote Krawatte) und Jutta Jakobs (mit Blumenstraus) als Vertreterin der Tarifbeschäftigten
65Streife # 05 08 / 09 2016
termine
große Polizeischau auf dem nrw tag Polizei nrw macht »Polizei« für die ganze Familie erlebbar
Gemeinsam mit dem lafp, lka, lzpd und
weiteren Polizeibehörden hat das Polizei-
präsidium Düsseldorf eine große Polizei-
leistungsschau auf die Beine gestellt.
Kinder können an einem Detektiv-
spiel teilnehmen, Erinnerungsfotos
auf einem Polizeimotorrad mitneh-
men oder die Junghunde der Polizei auf
ihrem Trainingsparcours erleben.
Interessierte Jugendliche erhalten einen
Einblick in den Alltag der Polizei, können
bei der Uniformanprobe mehr über die
Anforderungen des Berufs erfahren oder
einfach eine Partie im Soccercage oder am
Kickertisch spielen.
Erwachsene können bei der interakti-
ven Verkehrsunfallaufnahme selbst auf
Spurensuche gehen oder sich an diver-
sen Ständen über die Gefahren aus dem
Internet und die richtige Sicherung ihres
Heims informieren.
Abgerundet werden die Tage durch
Vorführungen der Reiter- und Diensthund-
führerstaffeln sowie der Landesturnriege
und -karategruppe, bevor die Tage mit
Livemusik ausklingen.
Unter dem Motto »Polizei gestern und
heute« bietet die Polizei nrw auf der Blau-
lichtmeile mit historischen und aktuellen
Uniformen und Fahrzeugen einen Einblick
in die Geschichte der Polizei.
Das Ministerium für Inneres und Kom-
munales ist am Apolloplatz im Rahmen
der Landesmeile vertreten und präsen-
tiert Aufgabenbereiche neben der Polizei.
Mit dabei sind der Verfassungsschutz,
der Kampfmittelräumdienst die »Feuer-
wehrensache« und Geovermessung sowie
vielen weiteren Aktionen.
/// Redaktion Streife
»minister direkt« – fragen und antworten
»Minister Direkt« heißt das neue
Gesprächsformat mit dem nrw-
Innenminister Ralf Jäger den direkten
Dialog mit den Kolleginnen und Kolle-
gen vor Ort sucht. Organisiert durch
das Landesamt für Zentrale Polizeili-
che Dienste (lzpd) in Kooperation mit
den Behörden Bielefeld, Essen, Köln,
Dortmund, Düsseldorf und Münster,
findet die Veranstaltung an folgenden
Terminen statt:
Dienstag, 23.08.2016 lka Düsseldorf
Mittwoch, 24.08.2016 Bielefeld
Montag, 29.08.2016 Essen
Dienstag, 30.08.2016 Köln
Freitag, 02.09.2016 Dortmund
Mittwoch, 28.09.2016 Münster
Freitag, 30.09.2016 mik Düsseldorf
Die Streife wird am Ende der Veranstal-
tungsreihe ausführlich über »Minister
Direkt« berichten.
NRW-Tag 26.-28.08.2016
66 Streife # 05 08 / 09 2016
preisrätsel
»Ich war noch niemals in new York« Die »Streife« verlost 3 x 2 Freikarten
Vor über zehn Jahren entstand die Idee,
mit den Liedern von Udo Jürgens ein Musi-
cal zu schaffen. Er selbst war einer der
treibenden Kräfte und erfüllte sich einen
Traum. »Ich war noch niemals in New York«
wurde seit der Uraufführung 2007 in Ham-
burg zu einem internationalen Erfolg und
nach dem Tod von Udo Jürgens zu seinem
musikalischen Vermächtnis. Die Show
gastiert vom 4. November bis 11. Dezem-
ber für kurze Zeit im Colosseum Theater
Essen. Die Streife verlost 3 x 2 Tickets für
die Show am 6. November inklusive drei
Bücher »Segeln für Dummies«.
Hoch-gebirgs-weide
Maas-Zufluss
glas-artigerÜberzug
inhalts-los,lang-weilig
best.Artikel(3. Fall)austral.
Laufvogel
frech,dreistVerbin-
dungs-bolzen
Soft-drink
schott. See-ungeheuerschlecht,
unan-genehm
ältesterSohnNoahs(A. T.)
nachuntenselten
eineGrund-stoffart
Flächen-maß
unge-braucht
schwed.Bestsel-lerautor(Henning) †
hoch od.weithervor-stehen
Laub-baum
sehrfeucht,triefend
Binde-wort(je - ...)
fleisch-fressen-derSäuger
gelbesEdel-metall
Teil desBaumes
Wahl-,Leit-spruch
schrägeStütze
vorher,früherErdöl-
trans-porter
kuban.Politiker(Che)† 1967
Nacht-greif-vogel
einKörper-teil
Be-drängendesGegners
Ausrufdes Ver-stehens
Ein-spruchs-recht
unver-dünnt
Bewe-gungs-form
Haustier
Wikinger-häuptlingbei„Wickie“
Kraft-fahrzeug(Kurzw.)
54321
3
1
5
2
4
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Auflösung des letzten Rätsels
(1-7)Elektro
EHE URAL
SCHRAEGE
OUT STAB
REAL I AGENT
T METER OBEN
TAG G REKLAME
MIXER D BRAV
S SEHER K A
BASS U MEILER
MILIEU B OLA
LORA TELESKOP
H H W
Das Musical mit 20 seiner größten
Hits ehrt einen der größten
deutschsprachigen Popstars der
vergangenen Jahrzehnte. Aus bekann-
ten Songs wie »Siebzehn Jahr, blondes
Haar«, »Merci, Chérie«, »Griechischer
Wein«, »Mit 66 Jahren« und »Ich war noch
niemals in New York« entstand ein Musi-
cal, das Generationen verbindet. Eine
Komödie mit Tiefgang und viel Humor. Das
Musical feierte bereits Erfolge in Deutsch-
land, Österreich, der Schweiz und Japan.
Seit der Uraufführung von »Ich war noch
niemals in New York« haben mehr als vier
Millionen Zuschauer die Show erlebt.
Streife-Leser erhalten 8 Euro Rabatt auf
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Friedrichstraße 62-80, 40217 Düsseldorf
e-mail: [email protected]
Bitte der Redaktion: Bei e-Mails im
Betreff nur preisrätsel eintragen und
grundsätzlich die vollständige Privat-
adresse angeben. Danke!
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HerausgeberMinisterium für Inneres und Kommu nales des Landes Nord rhein-WestfalenFriedrichstraße 62–80, 40217 Düsseldorf
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