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Einleitung Definition Die Osteoporose ist eine systemische Skeletterkran- kung, die durch eine Verringerung der Knochenmasse und eine Veränderung der Mikroarchitektur des Kno- chengewebes charakterisiert ist, mit der Folge einer Er- höhung der Knochenbrüchigkeit und einer Zunahme des Frakturrisikos. Sind bereits eine oder mehrere Frakturen als Folge der Osteoporose aufgetreten, spricht man von einer manifesten Osteoporose. Bei einer primären oder idiopathischen Osteoporose ist eine Ursache nicht eindeutig festzustellen. Die se- kundäre Osteoporose bezeichnet Erkrankungsprozesse, die als Begleitsymptom einer diagnostisch gesicherten Erkrankung und/oder Störung des Knochenstoffwech- sels anzusehen sind. " Knochenerkrankungen, bei denen in der Densito- metrie eine verminderte Knochenmasse durch eine gestörte Mineralisation des Knochens vorgetäuscht wird (z. B. alle Formen mit Osteoidvermehrung) oder bei denen Störungen der Knochenmatrixzusammen- setzung vorliegen (z. B. Osteogenesis imperfecta), fallen nicht unter die Definition der Osteoporose. Osteoporose A. Roth, K. Abendroth Lehrstuhl für Orthopädie der Friedrich-Schiller-Universität Jena Veränderungen von Knochenmasse, -qualität und -struktur definieren die Osteoporose. Die Ursache da- für sind endokrin-metabolische und/oder biomechani- sche Funktionsstörungen im Skelettsystem. Durch Knochenbrüche wird die Osteoporose klinisch relevant. Die Anpassung an reduzierte Knochenstrukturen führt in der Wirbelsäule oft schleichend zu Deformierungen und Frakturen. Stürze bedingen Frakturen im periphe- ren Skelett. Ein höheres Lebensalter, das weibliche Geschlecht und bereits etablierte Frakturen nach Baga- telltrauma akzentuieren das Risiko, in 10 Jahren eine (weitere) Wirbelkörper- und/oder proximale Femur- fraktur zu erleiden. Familiäre Schenkelhalsfrakturen, Untergewicht, Nikotinkonsum, multiple Stürze, Immo- bilität und akute, ursächlich nicht geklärte Rücken- schmerzen ergeben weitere Hinweise für die Diagnos- tik. Klinisch stehen neben der normalen Routine- untersuchung Analysen der Stabilität der Körperhal- tung mittels Chair-rising- und Timed-up-and-go-Tests im Vordergrund. Die Röntgendiagnostik der Wirbel- säule dient neben der Differenzialdiagnostik dem Nachweis bzw. dem Ausschluss von Frakturen. Für die Analyse der Knochendichte gilt die DXA als Methode der Wahl. Mit dem Basislabor werden sekundäre Osteoporosen ausgeschlossen. Schmerzlinderung, Sturz- und Frakturprophylaxe sind die Ziele der Osteo- porose-Therapie. Therapeutische Entscheidungen be- ginnen mit Maßnahmen zur Optimierung der Koordi- nation, der Muskelkraft, der Sturzprophylaxe sowie des Ernährungs- und Lebensstils mit der Sicherung der Vitamin D- und Calcium-Versorgung. Eine notwendige Schmerztherapie erfolgt nach dem WHO-Schema. Eine Indikation zur spezifischen Pharmakotherapie besteht bei einem 10-Jahres-Frakturrisko von > 30%, das sich ergibt aus dem Alter, dem Geschlecht, einer eventuel- len Vorfraktur und dem DXA-T-Wert (LWS oder Ge- samtfemur). Bisphosphonate, SERMs, Strontium und Parathormon sind spezifische Medikamente der ersten Wahl zur Senkung des Frakturrisikos. Physiotherapeu- tische Maßnahmen, Hilfsmittel und Orthesen dienen der Mobilitätsverbesserung, sie lindern Schmerzen und korrigieren die Körperhaltung. Operative Eingriffe (Osteosynthesen, Kyphoplastie) erfolgen nach den üblichen orthopädisch-unfallchirurgischen Kriterien. Definition WHO 1994 Ein Befund im Sinne einer Osteo- porose liegt vor, wenn der Kno- chenmineralgehalt in einer DXA- Knochendichtemessung an der Lendenwirbelsäule (Mittelwert aus LWK 1 ŷ 4) und/oder am proximalen Femur (nur Gesamtareal nach DVO-Leitlinien 2006) um mehr als ŷ 2,5 Standardabweichungen vom Mittelwert einer 30-jährigen Frau abweicht. Diese Standardabwei- chung wird international einheit- lich als T-Wert oder T-Score be- zeichnet. Die Definition in dieser Form kann auf Männer ab dem 50. Lebensjahr übertragen werden. Sie beschreibt den grundlegenden Befund der Verminderung der Kno- chenmasse, aber nicht die klinische Diagnose einer Osteoporose. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ȴ 2006 ȴ 223 ŷ 250 ȴ DOI 10.1055/s-2006-925443 223 Osteoporose Downloaded by: philipp hausser. Copyrighted material.

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Einleitung

Definition

Die Osteoporose ist eine systemische Skeletterkran−kung, die durch eine Verringerung der Knochenmasseund eine Veränderung der Mikroarchitektur des Kno−chengewebes charakterisiert ist, mit der Folge einer Er−höhung der Knochenbrüchigkeit und einer Zunahmedes Frakturrisikos.

Sind bereits eine oder mehrere Frakturen als Folgeder Osteoporose aufgetreten, spricht man von einermanifesten Osteoporose.

Bei einer primären oder idiopathischen Osteoporoseist eine Ursache nicht eindeutig festzustellen. Die se−kundäre Osteoporose bezeichnet Erkrankungsprozesse,die als Begleitsymptom einer diagnostisch gesichertenErkrankung und/oder Störung des Knochenstoffwech−sels anzusehen sind.

" Knochenerkrankungen, bei denen in der Densito−metrie eine verminderte Knochenmasse durch eine

gestörte Mineralisation des Knochens vorgetäuschtwird (z. B. alle Formen mit Osteoidvermehrung) oderbei denen Störungen der Knochenmatrixzusammen−setzung vorliegen (z. B. Osteogenesis imperfecta),fallen nicht unter die Definition der Osteoporose.

OsteoporoseA. Roth, K. AbendrothLehrstuhl für Orthopädie der Friedrich−Schiller−Universität Jena

Veränderungen von Knochenmasse, −qualität und−struktur definieren die Osteoporose. Die Ursache da−für sind endokrin−metabolische und/oder biomechani−sche Funktionsstörungen im Skelettsystem. DurchKnochenbrüche wird die Osteoporose klinisch relevant.Die Anpassung an reduzierte Knochenstrukturen führtin der Wirbelsäule oft schleichend zu Deformierungenund Frakturen. Stürze bedingen Frakturen im periphe−ren Skelett. Ein höheres Lebensalter, das weiblicheGeschlecht und bereits etablierte Frakturen nach Baga−telltrauma akzentuieren das Risiko, in 10 Jahren eine(weitere) Wirbelkörper− und/oder proximale Femur−fraktur zu erleiden. Familiäre Schenkelhalsfrakturen,Untergewicht, Nikotinkonsum, multiple Stürze, Immo−bilität und akute, ursächlich nicht geklärte Rücken−schmerzen ergeben weitere Hinweise für die Diagnos−tik. Klinisch stehen neben der normalen Routine−untersuchung Analysen der Stabilität der Körperhal−tung mittels Chair−rising− und Timed−up−and−go−Testsim Vordergrund. Die Röntgendiagnostik der Wirbel−säule dient neben der Differenzialdiagnostik demNachweis bzw. dem Ausschluss von Frakturen. Für die

Analyse der Knochendichte gilt die DXA als Methodeder Wahl. Mit dem Basislabor werden sekundäreOsteoporosen ausgeschlossen. Schmerzlinderung,Sturz− und Frakturprophylaxe sind die Ziele der Osteo−porose−Therapie. Therapeutische Entscheidungen be−ginnen mit Maßnahmen zur Optimierung der Koordi−nation, der Muskelkraft, der Sturzprophylaxe sowie desErnährungs− und Lebensstils mit der Sicherung derVitamin D− und Calcium−Versorgung. Eine notwendigeSchmerztherapie erfolgt nach dem WHO−Schema. EineIndikation zur spezifischen Pharmakotherapie bestehtbei einem 10−Jahres−Frakturrisko von > 30 %, das sichergibt aus dem Alter, dem Geschlecht, einer eventuel−len Vorfraktur und dem DXA−T−Wert (LWS oder Ge−samtfemur). Bisphosphonate, SERMs, Strontium undParathormon sind spezifische Medikamente der erstenWahl zur Senkung des Frakturrisikos. Physiotherapeu−tische Maßnahmen, Hilfsmittel und Orthesen dienender Mobilitätsverbesserung, sie lindern Schmerzen undkorrigieren die Körperhaltung. Operative Eingriffe(Osteosynthesen, Kyphoplastie) erfolgen nach denüblichen orthopädisch−unfallchirurgischen Kriterien.

Definition

WHO 1994

Ein Befund im Sinne einer Osteo−

porose liegt vor, wenn der Kno−

chenmineralgehalt in einer DXA−

Knochendichtemessung an der

Lendenwirbelsäule (Mittelwert aus

LWK 1 ± 4) und/oder am proximalen

Femur (nur Gesamtareal nach

DVO−Leitlinien 2006) um mehr als

± 2,5 Standardabweichungen vom

Mittelwert einer 30−jährigen Frau

abweicht. Diese Standardabwei−

chung wird international einheit−

lich als T−Wert oder T−Score be−

zeichnet. Die Definition in dieser

Form kann auf Männer ab dem

50. Lebensjahr übertragen werden.

Sie beschreibt den grundlegenden

Befund der Verminderung der Kno−

chenmasse, aber nicht die klinische

Diagnose einer Osteoporose.

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê2006 ê223 ± 250 êDOI 10.1055/s−2006−925443 223

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Epidemiologie

Die Osteoporose ist ein gesellschaftlich und ökono−misch wichtiges Gesundheitsproblem. Von der UNOund der WHO wurde die Osteoporose unter die 10 öko−nomisch bedeutsamsten Volkskrankheiten des 21. Jahr−hunderts eingestuft und gehört zu den häufigsten Er−krankungen des höheren Lebensalters. OsteoporotischeFrakturen führen nicht nur zu irreversiblen Einbußen anLebensqualität und Behinderungen, sondern sie verur−sachen nach konservativen Schätzungen in Deutschlandderzeit jährlich auch etwa 2,5± 3 Mrd. Euro an direktenund indirekten Kosten. Hochrechnungen zufolge wirddas Problem der Fragilitätsfrakturen in den kommen−den Jahrzehnten aufgrund der demographischen Ent−wicklung an Brisanz um ein Vielfaches zunehmen.

Die Häufigkeit einer Osteoporose in der Bevölkerungund ihre Prävalenz auf der Grundlage der WHO−Defini−tion einer erniedrigten Knochendichtemessung (T−Wert< ± 2,5) liegt bei postmenopausalen Frauen bei etwa 7 %im Alter von 55 Jahren und steigt auf 19% im Alter von80 Jahren an (OPUS−Studie). In der europäischen StudieEVOS zur Häufigkeit der vertebralen Osteoporose wurdeeine nahezu gleich hohe Prävalenz deutlicher Wirbel−körperhöhenminderungen bei Frauen und Männern imAlter von 50 ± 79 Jahren beobachtet (10 % in der deut−schen Studienpopulation; 12 % im europäischen Ge−samtdurchschnitt). In der deutschen EVOS−Studienpo−pulation berichteten insgesamt 10 % der Männer und19 % der Frauen über ¹osteoporoseverdächtige“ peri−phere Frakturereignisse (periphere Frakturen jenseitsdes 50. Lebensjahres ohne größeres Trauma). Die Prä−valenz der Hüftfrakturen ist vor allem auf das hohe undsehr hohe Alter konzentriert und durch eine relativhohe Mortalitäts− und eine verkürzte Überlebensratezahlenmäßig niedriger.

Die Inzidenz osteoporoseverdächtiger Wirbelfraktu−ren steigt mit zunehmendem Alter exponentiell an, beiFrauen von 5,8 bei den 50± 54−jährigen bis auf 29,3 pro

1000 Patientenjahre bei den 75 ± 79−jährigen Frauenund bei den Männern von 3,3 auf 13,6 pro 1000 Patien−tenjahre (EPOS). Das entspricht einer jährlichen Inzi−denz morphometrisch nachweisbarer Wirbelkörper−brüche bei 50 ±79−jährigen Frauen von etwa 1 %, bei denMännern im gleichen Alter von etwa 0,6%. Auch die In−zidenz von peripheren Frakturen ohne Hochenergie−trauma steigt mit dem Alter exponentiell an. Bei denhäufig aus der Kombination Osteoporose und Sturz re−sultierenden peripheren Frakturen liegt die jährlicheInzidenz in Deutschland bei 50 ±79−jährigen Patientenbei 1,9% bei den Frauen und 0,7% bei den Männern.

Im zeitlichen Zusammenhang mit Frakturen infolgeeiner Osteoporose (periphere und Wirbelkörperfraktu−ren) ist eine erhöhte Sterblichkeit der betroffenen Pa−tienten bekannt. Der Mortalitätsanstieg ist im erstenJahr nach der Fraktur am höchsten. Ursachen sind u.a.die Immobilisation und die sich daraus ergebendenFolgeerkrankungen. Vor allem ältere Patienten unter−liegen dem Risiko von zusätzlichen Erkrankungen nacherlittenen peripheren Frakturen.

Pathophysiologie derOsteoporose

Metabolische Funktionen

n Mineralspeicher (Calcium) für Schwangerschaftund Laktation (östrogengesteuert)

Bei 4± 5 Stillmahlzeiten wird bis zu 1 Liter Muttermilchpro Tag aus dem Körper der Mutter entnommen. DieMutter muss dafür unter anderem bis zu 1500 mg Ca++,also 1,5 g Calcium täglich bereitstellen! Knochenstruk−tur und Knochenstabilität werden durch die Muskel−kraft geprägt, um die Existenz sichernde körperlicheFortbewegung zu ermöglichen. Dabei entwickelt sichein in der Praxis messbares Verhältnis zwischen Kno−chenmasse und Muskelmasse von etwa 1 : 20.

Mit der Pubertät, mit dem Auftreten der Östrogene,verändert sich beim weiblichen Geschlecht das Ver−hältnis von Knochenmasse zu Muskelmasse auf etwa1 :13 (Abb. 1). Der zusätzliche Mineralgewinn stellt alsFertilitätsbonus der Frau die bei einer Schwangerschaftabrufbare Calciumreserve dar.

Versiegt die Östrogenproduktion, wird diese Reserveals biologisch nutzlose Last abgetragen. Hier liegen dieersten Wurzeln für die Herausbildung der postmeno−pausalen Osteoporose (Abb. 1).

Abb. 1 n

Zunahme derKnochenmassewährend derSteigerung derÖstrogenpro−duktion zwi−schen Pubertätund Menopause.

Menopause

Pubertät

Muskelmasse [kg]

Knoc

henm

asse

[kg]

1

2

3

4

10Geburt 20 30 40 50 60 70

~1: 20

~1:13

Nach der Menopause kommt es wieder zu einem Absinken, wennnicht entsprechender Muskelkraftzuwachs besteht.

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Systemerkrankungen

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n Mineralspeicher zur Sicherung neuromuskulärerFunktionen

Eine konstante Mineral−Ionenkonzentration (auch desCalciums) ist Voraussetzung für neuromuskuläre Infor−mationsübertragungen und muskuläre Aktionen. Derintraossäre Calciumspeicher gliedert sich in ein raschverfügbares, nichtkristallines periosteozytäres Calci−umdepot und in das strukturell gebundene Apatitkris−talldepot, das nur über einen zellulären Strukturabbaunutzbar gemacht werden kann.

Parallel dazu werden enterale Calciumaufnahme undrenale Calciumausscheidung ebenfalls über die hormo−nale Regulation strukturiert.

Die Calciumabsorption erfolgt im Dünndarm undwird aktiv vom Vitamin−D−Hormon gesteuert. Die Ab−sorptionskapazität des Dünndarms ist auf kleine Men−gen zwischen 5 und ca. 200 mg für Calcium optimiert.

" Je höher die Calciumionenkonzentration im Darm−lumen ist, desto weniger kann durch die begrenzteKapazität des intrazellulären Transportproteins pro−zentual aufgenommen werden. Bei einer Bolusgabeüber 300 mg sinkt die absorbierte, also effektiv nutz−bare Calciummenge unter 5 %.

Die Ausscheidung von Calcium über die Niere wird vomParathormon kontrolliert. Fällt die Serumkonzentrationvon Calcium unter den Normbereich, werden die Aus−scheidung über die Nieren gedrosselt und die Dünn−darmabsorption über das Vitamin−D−Hormon stimu−liert.

Diese Interaktion von Parathormon und Vitamin−D−Hormon setzt aber einen ausreichenden Serumspie−gel von 25−OH−Vitamin D3 voraus. Mangelt es an Vita−min D, wird Parathormon aktiviert, die Calciumaus−scheidung sinkt und die Calciumfreisetzung aus demKnochen wird über die Osteoklastenaktivierung undden Knochenabbau (sekundärer Hyperparathyreoidis−mus) eingeleitet. Aktuell gilt ein 25−OH−Vitamin D3−Se−rumspiegel > 30 ng/ml bzw. 45 nmol/l als die optimaleKonzentration. Unter 30 ng/ml nimmt die Aktivierungdes Parathormons zu und ab 20 ng/ml ist schon mit derEntwicklung eines sekundären Hyperparathyreoidis−mus mit Knochenabbau zu rechnen.

" Ein über Jahre bestehender latenter Calcium− und/oder Vitamin−D−Mangel initiiert einen gesteigertenKnochenumbau (High Turnover) mit Überwiegen desAbbaus als eine weitere Ursache zur Osteoporose−entwicklung.

Wird die Mangelsituation manifester, kann sich über dieMechanismen eines sekundären Hyperparathyreoidis−mus eine sekundäre Form einer Osteoporose ausbilden

oder es entstehen Formen einer gemischten Osteopa−thie, wie sie bei einer Malassimilation (Z. n. Magenre−sektion, chronische Pankreasinsuffizienz, Morbus Crohnmit Kurzdarmsyndrom, Sprue oder Zöliakie) bzw. beieiner chronischer Niereninsuffizienz zu beobachtensind. Dominiert dabei ein deutlicher Vitamin−D−Man−gel, kommt es zu einer Entwicklung in Richtung Osteo−malazie. Aus diesen Zusammenhängen wird schon dieoft schwierige Differenzialdiagnostik der Osteoporosedeutlich.

Biomechanische Funktionen

Als Hebel bildet der Knochen die Basis des Halte− undBewegungssystems. Außerdem besitzt er eine Schutz−funktion für andere Organe (Gehirn, Knochenmark,Herz, Lunge, Leber).

n Mechanismen der Regelung derKnochenadaptation an die biomechanischenErfordernisse ± Utah−Paradigma

Die Knochenstruktur bedarf der täglichen kurzen Ver−formung als Information für ihre Notwendigkeit, fürihre Bestandssicherung. Diese Verformungen müssenca. 1000 m−Strain (mE) (= 0,1 %) erreichen, um der multi−zellulären Einheit des Knochens (Bone−Multicellular−Unit = BMU) die Notwendigkeit der Bestandswahrungzu signalisieren. Für diese biomechanischen Impulsesorgen die entsprechenden Druckkräfte aus kurzenmuskulären Kraftentfaltungen gegen die Schwerkraft.Für Zugkräfte ist der Knochen nicht konstruiert, dieselösen eher Umbaumechanismen zu Sehnen− oder Band−strukturen aus. Ist der tägliche muskuläre Verfor−mungsdruck geringer, < 800 mE (£ 0,08 % Verformung),wird über Remodeling−Mechanismen die entsprechen−de Knochenstruktur so lange abgebaut, bis wieder eine

Hintergrund

Utah−Paradigma

Die mechanisch bedingte Belastungmit Verformung der Knochen bestimmtderen Gestalt und Festigkeit(nach H. Frost 1999, 2000, 2001):

n Der Knochen adaptiert sich anmechanische Anforderungen(Wolff’sches Gesetz).

n Erneuerung (Remodeling) und Neu−bildung (Modeling) von Knochen sindGrundlagen dieser Adaptation.

n Eine multizelluläre Einheit aus Osteo−klasten, Osteoblasten, endostalen

Liningzellen und Osteozyten bildetdie Basis.

n Mechanosensoren (Osteozyten) imKnochengewebe reagieren auf Ver−formung.

n Bei Überschreiten einer ¹Verfor−mungsschwelle“ werden die zellulä−ren Umbaueinheiten aktiviert.

n Die ¹Verformungsschwelle“ wirdhormonell gesteuert.

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Verformung um 0,1 % (1000 mE) erreicht wird. Das ent−spricht z.B. dem Mechanismus der Immobilitätsatro−phie des Knochens. Bei höherem Verformungsdruck,etwa ab 0,12± 0,15 % Verformung (1200± 1500 mE) wirdder zellulären Umbaueinheit (BMU) die Notwendigkeit

des Knochenanbaus (Modeling) signalisiert. Bei Verfor−mungen ab etwa 0,4 % entstehen Mikrofrakturen und ab2,5% wird die Makrofrakturgrenze erreicht (Abb. 2).

n Knochenumbau zur Bestands− undFunktionssicherung ± Remodeling

Durch biomechanische Über− oder Unterschreitungender optimalen Belastungsgrenze des Knochens wird dielamelläre Knochenstruktur zu sehr oder zu wenig de−formiert. Sowohl die instabile lamelläre Knochenmatrixbzw. die mikrofrakturierte Knochenstruktur als auchdie nicht belastete, also biologisch nicht notwendige,überflüssige Struktur aktiviert zunächst die intraossä−ren Osteozyten als Mechanosensoren. Über Verbindun−gen der Osteozyten untereinander und zur endostalenOberfläche werden die endostalen Liningzellen stimu−liert. Sie ziehen sich von der endostalen Oberfläche zu−rück, produzieren eine Kollagenase, die das instabileKnochenmineral freilegt ± damit entsteht ein maxima−ler Reiz zur Formation und Andockung von Osteoklas−ten. Dieser Prozess lokalisiert den Knochenumbau(Abb. 3).

Die Osteoklasten bauen die instabile/nicht notwen−dige Knochenstruktur ab. Osteoblasten werden aktiviertund angelockt. Zunächst wird der Defekt mit einer Kol−lagenschicht abgedeckt (Kittlinie). Dann füllen dieOsteoblasten den Defekt wieder mit Kollagenmatrix(dem Osteoid) auf. Anschließend wird das Kollagenge−rüst mithilfe der Osteoblasten schrittweise minerali−siert. Dabei wird die neue Struktur den aktuellen Erfor−dernissen angepasst, entweder in altem Umfang ersetzt(Abschluss des Remodeling) oder durch zusätzlicheStruktur verstärkt (Modeling). Am Ende folgen derOberflächenabschluss mit einer endostalen Kollagen−schicht und die Bedeckung mit endostalen Liningzellen

Abb. 2 n

Beziehungzwischen Ver−formungsdruckund Knochen−struktur imHinblick aufRemodeling.

LZ

lamellärer Knochen

Osteozyten

Osteoklast Monozyt

LymphozytenMesenchymzelle

Osteoid

Normaler Funktionszustand der Osteozyten Freilegung der mineralisierten

KnochenoberflächeOZ = Osteozyt im Knochengewebe LZ = Lining-Zelle der inneren Knochenhaut

0Z

Abb. 3 n Remodeling.

µE*= Mikrostrain

Beispiel: Wirbelkörperhöhe ~ 40 mm 0,1 % Verformung = 0,04 mm 2,5 % Verformung =1,0 mm

Verformungsschwelle bei Östrogenverlust

1 500 µE

1 200 µE

1 000 µE*

0,15 %

Fraktur

Mikrofraktur

Knochenanbau (Modeling) erhöhte Belastung

= steady state

= steady state

Remodeling-Bereich

Verformungsschwelle

Inaktivität = Knochenabbau

Verformungsdruck

4 000 µE

800 µE

600 µE*

25 000 µE*~

= 2,5 %

~ 0,4 %

=0,1 %

0,08 %0,06 %

Grad der Verformung der Knochen (%)

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Systemerkrankungen

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(ruhende Osteoblasten?). Der gesamte Umbauprozessdauert etwa 130 Tage.

Bei der Osteoporose führt eine latente Leistungs−schwäche der Osteoblasten beim Auffüllen der osteo−klastären Resorptionslakunen zu einer Verminderungdes Knochenvolumens und zu einer deutlichen Ver−langsamung des Umbauprozesses auf etwa 280 Tage.Kommt es durch metabolisch endokrine Übersteuerun−gen oder durch gravierende biomechanische Stimuli zueinem High Turnover im Knochen, kann selbst bei nochbiomechanisch ausreichender, primär nicht frakturge−fährdeter Knochenstruktur durch zu viele gleichzeitigeendostale oder intraossäre Umbaustellen ein erhöhtesBruchrisiko entstehen (Abb. 4).

Als ein Bindeglied zwischen metabolischen und bio−mechanischen Steuerungen des Knochenbestandes istdie intraossäre und intramedulläre Blutversorgung zusehen. Das Knochenmark erfordert große kapilläre Ge−fäßstrecken mit ausschließlich endothelialer Ausklei−dung zur Einschleusung der neu gebildeten hämatoge−nen Knochenmarkzellen. Der intramedulläre Blutdruckist folglich sehr gering und es bedarf eines Unterdru−ckes, um das Blut aus dem Knochen wieder in den ve−nösen Kreislauf zurückzuführen. Hierzu dient ein imPeriost liegendes Venengeflecht, das durch Kontraktion

und Erschlaffung der am Periost ansetzenden Muskelngeöffnet und geschlossen wird. Ventilmechanismenverhindern dabei den Rückstrom. Der Knochen wirdquasi durch die Muskelaktivität gemolken. Geschiehtdas nur sehr gering oder gar nicht, bildet die intrame−dulläre Stase mit konsekutiver lokaler Azidose einenAnstoß zum Mineralabbau, eine weitere Erklärung fürOsteoporoseentwicklung bei Immobilität (z. B. auch inder Schwerelosigkeit).

Frakturmechanismen

Bei osteoporoseassoziierten Frakturen sind prinzipiell2 Frakturmechanismen zu bedenken:n Die Sinterung, die Formveränderung bzw. Forman−

passung als ein oft schleichender oder in kleinenSchüben verlaufender Prozess bei Wirbelkörperfrak−turen,

n die durch einen akuten Sturz bedingten unmittelba−ren Gliedmaßenfrakturen.

Abb. 4 n

SchematischeDarstellung desnormalen Kno−chenumbausund des Kno−chenumbaus beiOsteoporose.

normaler Knochenumbau

dünne Trabekel mit zahlreichen Umbaustellen bilden ein hohes Frakturrisiko

OsteoporoseOsteoporose

Knochenumbau mit negativer Bilanz

Stadien der Mineralisation

Stadien der Mineralisation

Dauer etwa 130 Tage

Dauer etwa 280 Tage

osteoblastärer Wiederaufbau

osteoklastärer AbbauTrabekel mit normalem Turnover

Trabekel mit high Turnover

Trabekel mit low Turnover

Trabekel mit high Turnover

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Osteoporose

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¹Case finding“ ± Indikationen zurBasisdiagnostik

" Ein abschätzbares Risiko von ³ 20 % in den nächsten10 Jahren eine Wirbelkörper− und/oder proximale Fe−murfraktur zu erleiden ist eine zwingende Indikationfür eine Osteoporosediagnostik.

Dieses Risiko wird erreicht durch die voneinander un−abhängigen Faktoren:n Einer schon stattgehabten osteoporosetypischen

Wirbelfraktur,n eines hohen Lebensalters,n einer entsprechend verminderten Knochendichte.

Die in Tab. 1 aufgeführten Symptome und anamnesti−schen Angaben haben nicht in jedem Falle eine gesi−cherte Evidenz für die Indikation zur Diagnostik. Im kli−nischen Alltag haben sie sich aber etabliert und solltendeshalb auch zusätzlich bedacht werden.

Diagnostik

Frakturen als Folge einer Osteoporose bilden meist dieklinische Manifestation der Erkrankung. Dabei ist dieaus der Traumatologie bekannte und für die peripherenFrakturen auch hier unverändert gültige Frakturdefini−tion für die durch die Osteoporose induzierten Sinte−rungsfakturen der Wirbelkörper etwas zu modifizieren.Ihnen fehlt häufig das akute Ereignis.

" Das Verhindern einer Fraktur ist das primäre Zielim Rahmen der Prophylaxe und Therapie der Osteo−porose.

Eine Risikoabschätzung für Frakturen infolge Osteopo−rose erfolgt in erster Linie unter Beurteilung mehrererunabhängiger Faktoren (z.B. Lebensalter, Wirbelkörper−frakturen) und der Knochendichte.

Die 4 Hauptsäulen der Diagnostik orientieren sich anden Pathomechanismen der Osteoporose (Abb. 5).n Anamnese,n Klinik,n bildgebende Diagnostik,n Labor,

sind die Teile der Basisdiagnostik. Die Knochenbiopsiedient in ausgewählten Fällen der Differenzialdiagnose.Die Basisdiagnostik bildet die Grundlage zur Vermei−dung von Risiken und für die Empfehlungen zur medi−kamentösen Therapie. Weiterhin sollen damit sekundä−re Osteoporosen als Ursache für ein hohes Frakturrisikoausgeschlossen werden. Die im Rahmen der Anamnese

Hintergrund

Die pathophysiologische Basis osteoporotischer Frakturen

Verminderung an Knochenstruktur undKnochenqualität (Abb. 4)

n high Turnover mit Strukturumbaubei Vitamin−D−Mangel, körperlicherInaktivität

Erhöhtes Sturzrisiko bzw. verminderteSturzabwehrmechanismen

n neuromuskuläre Dysbalance bzw.Defizite, z. B. Fußheberschwäche

n verlangsamte, partiell eingeschränk−te Situationswahrnehmung unddadurch verzögerte oder fehlendemuskuläre Sturzabwehr

n verminderte, partiell gestörtePropriozeption (s. Abb. 7 u. 8)

n ungenügende Basis für Feedback−Informationen durch gestörte Fuß−sensibilität

n Mangel an Sturzenergie absorbieren−den Geweben (Fett und Muskelman−tel)

n unzureichende, gestörte Koordina−tion der Körperhaltung durch Vesti−bularisausfall

Instabilität im Halte− und Bewegungs−apparat durch bereits etablierte Frakturen

n chronische Fehlhaltung, Fehlbelas−tung, Schwerpunktverlagerung

n Degeneration bzw. Alterierung/Alterung in partiellen Strukturen desHalte− und Bewegungssystems

Checkliste

Indikationen zur Osteoporosediagnostik

Alter (Jahre) Risikoprofil, bei dem eine Basisdiagnostikempfohlen wird, sofern die Risikofaktorennicht behebbar sind

Frauen Männer

50 ± 60 60 ± 70 n Wirbelkörperfrakturn periphere Fraktur als Einzelfallentscheidung

60 ± 70 70 ± 80 n Wirbelkörperfrakturn periphere Frakturn Anamnese einer osteoporotischen Fraktur

eines Elternteilsn multiple Stürzen Rauchern deutlich verminderte körperliche Aktivitätn Untergewicht/BMI < 20

> 70 > 80 n Lebensalter als Risiko ausreichend

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Systemerkrankungen

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genannten direkten Osteoporose−Risikozeichen sindabzugrenzen von indirekten Risikozeichen, welche imWesentlichen Hinweise auf sekundäre Osteoporosengeben.

Anamnese

Bei Frauen ist eine deutliche Zunahme des Frakturrisi−kos für Wirbelkörper und Schenkelhals zwischen dem70. und dem 80. Lebensjahr bekannt. Danach sinkt dasRisiko wieder. Liegt bereits eine Wirbelkörperfrakturvor, so besteht ein hohes Risiko für zukünftige osteopo−rotische Frakturen. Dies gilt unabhängig von der Kno−chendichte und anderen klinischen Risikofaktoren so−wohl für Frauen als auch für Männer. Das Risiko ist inden ersten Jahren nach Auftreten einer Fraktur deutlichhöher als in späteren Jahren. Und es steigt mit der Zahl

der vor bestehenden Frakturen. Häufig werden solcheasymptomatischen oder im klinischen Gesamtkontextnicht identifizierte Wirbelkörperdeformitäten als Zu−fallsbefund auf Röntgenaufnahmen des Thorax diag−nostiziert. In derartigen Fällen muss ebenfalls mit wei−teren Frakturen gerechnet werden.

Wichtig neben Eigenanamnese und jetziger Anam−nese ist eine spezielle Sturzanamnese (Tab. 2).

Der größte Teil von Stürzen älterer Menschen istmultifaktoriell bedingt und nicht monokausal die Folgeeiner Krankheit oder eines Funktionsdefizits.

Klinischer Befund

Die Details zur Erhebung des klinischen Befundes sindin Tab. 3 aufgeführt. Klinische Symptome der Osteo−porose, die Frakturereignissen vorausgehen, sind nichtbekannt. Oft ist bei Osteoporose eine Hyperkyphose derBWS auffällig. Die paravertebrale Muskulatur istschwach ausgebildet. Rückenschmerzen sind nicht pa−thognomonisch für das Vorliegen einer niedrigen Kno−chendichte und nicht beweisend für eine Wirbelfraktur.Hinweise auf eine Wirbelkörperfraktur sind akute so−wie chronische Rückenschmerzen, ein unphysiologi−scher Krümmungsverlauf der Wirbelsäule (zunehmen−de Kyphosierung, Abflachung der LWS−Lordose, Hyper−lordose) und eine deutlichen Größenabnahme (> 4 cmzur Maximalgröße). Häufiger finden sich auch uncha−

Tabelle 1

Mögliche Symptome und anamnestische Angaben füreine Indikation zur Diagnostik

Hinweise auf eine mögliche Osteoporose

n Rückenschmerzen akut bis subakut, beim Laufen, längerenStehen, beim Heben und Tragen ± nicht aber in Ruhe odernachts im Liegen

n deutliche Größenabnahme (> 4 cm beim Ausschluss einerprogredienten Skoliose)

n Zeichen der biologischen Alterung (Missverhältnis zumkalendarischen Alter)

n Zufallsbefund eines vermindert erscheinenden Mineral−gehaltes in einem Röntgenbild

n frühe Menopause (vor dem 45. Lebensjahr) ohne Östrogen−substitution und bei verkürzter Östrogenexpositionszeit(<30 Jahre)

n Gang− und Haltungsinstabilitätn häufiges Stolpern (z. B. bei Fußheberschwäche)

Hinweise auf die Entwicklung einer sekundärenOsteoporose (ggf. Anlass zur Konsultation einesentsprechenden Spezialisten)

n Behandlung mit Corticosteroiden (Depotinjektionen,Tabletten, Inhalationen, Salben)

n chronische Magen−Darm−Erkrankung mit Durchfällenn operative Eingriffe am Magen und am Darm

(z. B. 2/3−Resektion des Magens)n Magersuchtn Einnahme von Schilddrüsenhormonen (Thyroxine),

Schilddrüsenüberfunktionn entzündlicher Gelenkrheumatismusn Z. n. Organtransplantationenn Epilepsie, Einnahme von Antiepileptikan Einnahme von Antidepressivan primärer Hyperparathyreoidismusn höhergradige Niereninsuffizienz (bei Ausschluss einer

renalen Osteopathie)n Hypogonadismus

Gesteigerter Knochenumbau Änderung in der MuskulaturHigh Turnover Remodelling

Nachlassen des Knochenanbaues

Reduktion der StrukturVeränderung der Architektur,

der Knochenfestigkeit

Erhöhtes Fraktur- Risiko

Erhöhtes Sturz- Risiko

Eingeschränkte Stand- und Bewegungsstabilität

Verminderung der körperlichen Aktivität

weniger Schnellkraftfasern

erste Fraktur

weitere Frakturen

Erhöhte Abbau-Marker

Verminderte Muskelkraft

Verminderte Koordination

Verminderte Knochendichte und Struktur

Abb. 5 n Pathomechanismen der Osteoporose.

Definition

Sturz

Als Sturz ist ein unfreiwilliges, plötzliches, unkontrol−

liertes Herunterfallen oder −gleiten des Körpers auf

eine tiefere Ebene aus dem Stehen, Sitzen oder Liegen

zu verstehen.

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Osteoporose

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rakteristische Befunde wie Klopf− und Stauchungs−schmerz über BWS bzw. LWS. Ein starker lokaler Druck−und Klopfschmerz findet sich bei frischer Fraktur einesWirbelkörpers. Sensible und motorische Ausfälle tretenin der Regel nicht auf. Das klassische Bild einer fortge−schrittenen Osteoporose mit Rundrücken (¹Witwen−buckel“), Kugelbauch und hängende dorsale Hautfalten(¹Tannenbaumphänomen“, Abb. 6) wird heute selten alsErstvorstellung gesehen.

Bildgebende Verfahren

n Röntgen (BWS, LWS)

Bei klinischem Verdacht auf Wirbelkörperfrakturen(s.o.) oder zur Differenzialdiagnose besteht die Indika−tion zum Röntgen. Indikation zum Röntgen sind auchein Rippenbogen−Becken−Abstand von weniger als 2 cm,eine niedrige Knochendichte und periphere Vorfraktu−ren. Es erfolgen Aufnahmen der Brust− und Lendenwir−belsäule in 2 Ebenen (Abb. 9).

Eine osteoporoseassoziierte Wirbelsinterung ist alsFraktur zu werten, wenn eine Höhenminderung ummehr als 20 % oder um mehr als 4 mm gegenüber derHöhe des darüber liegenden Wirbelkörpers vorliegt.Morphologisch wird unterschieden zwischen Keilwir−bel (Höhenminderung der Vorderkante), Fischwirbel(Minderung der Höhe zwischen Deck− und Grundplattebzw. der Höhe der Wirbelkörpermitte) und Plattwirbel(alle 3 Höhen vermindert im Vergleich zum darüberliegenden Wirbel). Differenzialdiagnostisch sind beimRöntgen der Wirbelsäule degenerative, entzündlicheund maligne Erkrankungen abzugrenzen. CT und MRTkönnen dann angefertigt werden, gehören jedoch nichtprimär zur Basisdiagnostik.

n Densitometrie

Bei allen Personen mit einem erhöhten klinischenFrakturrisiko wird die Knochendichtemessung empfoh−len, um das Gesamtfrakturrisiko und den Einsatz einerpharmakologischen Therapie zu prüfen.

Tabelle 3

Klinischer Befund bei Verdacht auf Osteoporose

Inspektion

n Körpergröße (aktuell/maximale Armspanne)n Gewicht (Gewichtsabnahme, BMI < 20)n Wirbelsäulenlotn Kyphosierung (Rundrücken)/Lordosierungn Verringerung oder Aufhebung des Rippenbogen−Becken−

Abstandesn Deformierung des Brustkorbesn Zustand der paravertebralen Muskulatur

Palpation

n lokaler Druck− und Klopfschmerzn Myogelosen, Muskelhartspann

Beweglichkeit

n Finger−Boden−Abstandn Seitneigungn Rotation

Funktionstests

n Muskelkraft (grobe Kraft obere Extremitäten)n ¹Chair−rising−Test“, ¹Timed−up−and−go−Test“ (Abb. 7)n modifizierter Romberg−Test/Tandemgang oder Einbeinstand

(Abb. 8)

Tabelle 2

Anamnese bei Verdacht auf Osteoporose

Eigenanamnese

n Vorfrakturen Wirbelkörpern periphere Vorfrakturen bei niedrigem Trauma (Radius,

Humerus und Schenkelhals)n Stürze bzw. Sturzrisiko (siehe Sturzanamnese)

jetzige Anamnese

n Schmerzen± lokale Rückenschmerzen (beim Tragen, Heben, längeren

Stehen, Sitzen und Laufen)± akut, neu oder akut verschlechtert± Knieschmerzen± Schulter−Nacken−Schmerzen

n Größenabnahmen geringe körperliche Aktivität, Immobilitätn Knochenbrüchen Stürze bzw. Sturzneigung

spezielle Sturzanamnese

n ¹Stolperfallen“ (¹Teppichkante“, rutschiger Fußboden,ungeeignetes Schuhwerk und schlechte Beleuchtung)

n Gang− und Balancestörungn visuelle Einschränkungen, Einschränkungen des Hörvermögensn Deformierungen der unteren Extremitätenn Schwindeln transitorische ischämische Attacken, Herzrhythmusstörungenn Depressionenn Einnahme psychotroper Pharmaka, Antihypertensiva,

Diuretika, Multimedikation (> 4 Medikamente)

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Systemerkrankungen

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Dual Energy X−ray Absorptiometrie (DXA)Als Methode der Wahl gilt die DXA−Messung an der LWS(L1−L4 / mindestens aber 2 LWK) und am proximalenFemur. Sie dient der Abschätzung des Gesamtfrakturri−sikos unter Berücksichtigung der anderen unabhängi−gen Risiken der Skelettfragilität sowie der Abschätzungder Wirkung der medikamentösen Therapie. Die Kno−chendichtemessung mittels DXA gestattet bei geringerStrahlenbelastung (1 ±10 �Sv) eine relativ genaue Ab−schätzung des Calcium−Hydroxylapatit−Gehaltes imKnochen pro Flächeneinheit.

QCT (Quantitative Computertomographie)Bei der quantitativen Computertomographie werdenRöntgenschnittbilder definierter Dicke eingesetzt(L1−L3). Dabei können kompakte und trabekuläre Kno−chenstrukturen differenziert werden. Das Verfahrenbietet eine hohe Messgenauigkeit, sodass exakte, auchkurzfristige (schon innerhalb von 3 ± 6 Monaten) Kon−trollen zur Erfassung der Knochenumbaudynamikmöglich sind. Nach Felsenberg gilt heute ein mittlererDichtewert unter 80 mg/ml bzw. /cm3 als Befund imSinne der Osteoporose. Moderne Geräte bieten dazu ei−nen T−Score an. Messungen im Bereich des proximalenFemur sind noch kein allgemeiner Standard. Nachteildieses Verfahrens ist die im Vergleich zur DXA−Messunghöhere Strahlenbelastung (~ 60mSV).

pQCT (periphere quantitative Computertomographie)Die periphere quantitative Computertomographie istam empfindlichsten und erlaubt es, an peripherenMessorten bei geringer Strahlenbelastung die Dichtevon Spongiosa und Kortikalis gemeinsam, aber insbe−sondere auch isoliert zu erfassen, da sich sowohl bei derEntwicklung der Osteoporose als auch bei der Kontrolleder Therapie nicht immer gleichsinnige Veränderungenergeben. Daraus lassen sich biomechanische Festig−keitswerte errechnen. Durch den routinemäßigen Ein−satz der Serienschnitttechnik sind relativ schnelle The−rapieverlaufsmessungen möglich.

Abb. 6 n

Klinisches Er−scheinungsbildeiner fort−geschrittenenOsteoporose.

Thoraxdeformierung durch die Kyphosierung der BWS † Einengung des Brustkorbes

schmerzhaft verkürzte

Nackenmuskulatur

schmerzhaft überdehnte

Thorax- Muskulatur

schmerzhaft verkürzte

Lendenmuskulatur

Arm-Zug

normal

7

Hintergrund

Beurteilung einer Knochendichtemessung nach der WHO 1994

n Normaler densitometrischer Befund:T−Score > ± 1,

n Befund im Sinne einer densitometri−schen Osteopenie: T−Score ± 1 bis± 2,5,

n densitometrischer Befund im Sinneeiner Osteoporose: T−Score < ± 2,5.

Diese Graduierung symbolisiert 3 an−steigende Stufen des relativen Fraktur−risikos, ohne etwas Definitives zur klini−

schen Diagnose bzw. zum absolutenFrakturrisiko auszusagen. Die bishergültige diagnostische Zuordnung derT−Score−Werte im Sinne ¹< ± 2,5 T−Scoreentspricht densitometrisch einer Osteo−porose“ wird heute durch eine abge−stufte, altersdifferenzierte Wertung desT−Scores unter Berücksichtigung weite−rer dichteunabhängiger Risikofaktorenverlassen.

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Quantitativer Ultraschall (QUS)Die quantitative Ultraschallmessung (QUS) erfasst kei−ne Knochendichte! Verlaufsmessungen unterliegenvielfältigen internen und externen Einflussfaktoren.Eine Ergebnisdynamik ist deshalb erst nach mindestens3 Jahren verwertbar. Die Messergebnisse können nachStudienlage einem allgemeinen Frakturrisiko zugeord−net werden. Die Ultraschallmessungen am Knochenbilden nach aktuellem Stand keine Basis für langfristigeund kostenintensive Therapiestrategien.

Basislabor

Bei primären Osteoporosen sind die Befunde desBasislabors normal (Tab. 4). Abweichungen weisen aufsekundäre Osteoporosen hin.

Die Bestimmung der Calciumausscheidung im24−Stunden−Urin dient der Erkennung einer Hyperkal−zurie und der Beurteilung der Calciumversorgung ±verminderte Ausscheidung bei einem Calciummangel,vermehrte Ausscheidung bei zu hoher Supplementa−tion.

Abb. 7 n

Chair−rising−Test und Timed−up−and−go−Test.Zeitliche Ein−schränkungenweisen auf ge−störte Proprio−zeption undMuskelfunktionund ein erhöhtesSturzrisiko hin.

Tandem-Stand für 10 Sekunden

Semi-Tandem -Stand -Gang

Einbeinstand 5 Sekunden bds.

frontal

Tandem-Gang 8 Schritte

Abb. 8 n

Einbeinstandund Tandem−Stand bzw.−gang.Einschränkungenweisen auch hierauf eine gestörteMuskelfunktionhin.

5-mal freies Aufstehen und Hinsetzen in 10 Sekunden = Chair-rising-Test

Timed-up-and-go-Test-Aufstehen, 3m Gehen und zurück zum Stuhl und wieder Hinsetzen in etwa 10 Sekunden

Muskelkraft und Gehenalltägliche Muskelkraft-Anforderung

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Systemerkrankungen

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Laborchemische Marker des Knochenumbaus sind fürden Praxisalltag noch nicht ausreichend standardisiertund evaluiert. Sie erfordern zum Teil sehr strengeRegeln, um verwertbare Resultate zu erhalten. Als Rou−tineparameter kommen infrage die Knochenkollagen−Abbaumarker Ctx und Ntx, die saure Knochenphospha−tase und die Anbauparameter knochenspezifischealkalische Phosphatase (Ostase) und Osteocalcin. DieAusscheidung von Calcium über 24 Stunden kann er−gänzt werden durch die Bestimmung des Knochenkol−lagen−Abbaumarkers DPYD (Desoxypyridinolin).

Beckenkammbiopsie

Die Knochenbiopsie dient nicht zur Primärdiagnostikder Osteoporose. Anwendung findet sie lediglich beiunklaren Verläufen oder Befunden. Sie dient vor allemzur differenzialdiagnostischen Abklärung sekundärerOsteoporosen und metabolischer Osteopathien (z.B. re−nale Osteodystrophie, Morbus Paget, fibröse Dysplasie,Mastozytose, Lymphom). Es lassen sich eine High−Tur−nover− von einer Low−Turnover−Situation abgrenzen.In der Beckenkammbiopsie sind Knochenmark und ±wenn die Biopsie unentkalkt ist ± strukturelle Param−eter (Kortikalis− und Trabekeldicke, Osteoklasten, Os−teoblasten, Howship−Lakunen, Osteoidsäume) sowie,bei intermittierender Markierung mit OTC, dynamischeParameter zu erfassen. Der Stellenwert der Knochen−

biopsie zur Beurteilung des therapeutischen Regimes istbislang nicht ausreichend belegt.

Prophylaxe

Eine generelle Prophylaxe der Osteoporose und damitassoziierter Frakturen mit spezifischen Medikamentengibt es nicht. Lediglich die Hormontherapie nach derMenopause könnte hier eingeordnet werden. Sie ver−mindert das Frakturrisiko allerdings nur kurze Zeit überdie Einnahme hinaus. Eindeutige Beweise für einennachhaltigen Nutzen prophylaktischer Maßnahmenüber die Zeit ihrer Anwendung hinaus gibt es nicht. Dieallgemeinen Maßnahmen zur Osteoporose− und Frak−turprophylaxe sind daher stets kontinuierlich anzu−wenden (Tab. 5). Die Einbindung in Osteoporose−Selbsthilfegruppen ist dabei zu empfehlen.

" Prinzipiell gilt, dass alle Bewegungen, die Druck amKnochen ausüben, einen anabolen Effekt auf den Kno−chenstoffwechsel zur Folge haben. Dies kann die Kno−chenmasse erhalten oder sogar zu einem Anstieg derKnochenmasse führen. Immobilisation führt hingegenzu einem Verlust an Knochenmasse.

Tabelle 4

Basislabor

Laborparameter Wichtige damit verbundene Fragestellungen

Serum−Calcium primärer Hyperparathyreoidismus oder andereUrsachen einer Hypercalcämiez. B. sekundärer Hyperparathyreoidismus,Malabsorption (Hypocalcämie)

Serum−Phosphat sekundärer Hyperparathyreoidismus,Malabsorption

Alkalische Phosphatase(Serum)

Osteomalazie

Gamma−GT zur Differenzialdiagnose einer hepatisch bedingtenErhöhung der alkalischen Phosphatase

Serum−Kreatinin renale Osteopathie (je nach Muskelmasse abKreatininwerten > 2 ± 3 mg/dl)

BSG / C−Reaktives Protein Differenzialdiagnose entzündlicher oder tumoröserUrsachen von Wirbelkörperdeformitäten

Serum−Eiweißelektrophorese Hinweise auf Multiples Myelom

TSH < 0,3 mU/l endogen oder durch L−Thyroxin−Medikation bedingt als Risikofaktor für Frakturen

Abb. 9 n Röntgen LWS und untere BWS in 2 Ebenen. Es finden sichmultiple osteoporotische Wirbelkörperfrakturen.

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Osteoporose

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Tabelle 5

Allgemeine Maßnahmen zur Osteoporose− und Frakturprophylaxe

A Koordination, Muskelkraft, Stürze

n regelmäßige körperliche Aktivität

n Vermeidung von Immobilisation jeglicher Art

n Verhaltenstraining (¹Treppe statt Fahrstuhl“)

n Mobilitätsverbesserung (tägliches Verlassen der Wohnung für eine Stunde)

n gezieltes, individuelles Training (Balance−/Kraft−/Gehtraining, z. B. Seniorensport in Osteoporose−Selbsthilfegruppen)

n Reaktionstraining

n jährliche Sturzanamnese bei einem Alter > 70 Jahre, Ursachen− und Risikoabklärung

n Vermeidung eines sturzfördernden Vitamin−D−Mangels

n Optimierung des häuslichen Umfeldes (Schuhwerk, Beleuchtung, Sehhilfen, Stolperfallen, Mobiliar)

n Medikamentenanpassung, strenge Indikationsstellung

n Optimierung der Hilfsmittelversorgung

n Hüftprotektoren

B Ernährung und Lebensstil

n ausreichende Ernährung zur Vermeidung von Untergewicht (Body Mass Index >20), ggf. Abklärung der Ursache eines Untergewichtes

n calciumreiche Ernährung (Tagesmenge ca. 1000 ± 1500 mg Ca++): Milchprodukte (¹je härter der Käse, umso mehr Calcium“),grünes Gemüse

n medikamentöse Supplementierung in kleinen Dosen (2 ± 3 � 250 oder 500 mg Ca++), z. B. bei Laktoseintoleranz oderMilcheiweißallergie, Z. n. Magen−Darm−Operationen, strengen Veganern u. a., bei Malassimilation evtl. häufigere und höhereDosen erforderlich

n ausreichende Vitamin−D−Versorgung: Erkennbar an der Hautbräunung, an der Nahrungszufuhr (Seefisch, Fischfette, Butter) und ander neuromuskulären Stabilität. Kontrolle des 25−OH−Vitamin−D3−Spiegels im Serum im Januar/Februar bei Sonnenunverträglichkeit,bei Veganern, im höheren Alter (>70 Jahre) und bei institutionalisierten Patienten. Bei latenten Mangelzuständen

(25−OH−D3 < 30 ng/ml) Gaben von 800 ± 1200 IE/d normales Vitamin D oral zu den Mahlzeiten (nicht nüchtern!); bei Malassimilationparenterale Bolusgaben durch entsprechende Spezialisten

n von Oktober bis März enthält das Sonnenlicht in unseren Breitengraden so gut wie gar kein UV−B, welches für den Vitamin−D−Stoffwechsel benötigt wird. Moderne Solarien mit UV−B−Strahlenanteil sind geeignet, um die körpereigene Vitamin−D−Produktionauch im Winter wieder anzuregen

n kein Nikotin

C Sturz−, Fraktur− bzw. Osteoporose fördernde Medikamente

n Überprüfung der Notwendigkeit und individuelle Anpassung bzw. Reduzierung sedierend bzw. orthostatisch wirkenderMedikamente, oraler Glucocorticoide, TSH < 0,3 mU/l unter L−Thyroxin−Therapie (Ausnahme Schilddrüsenkarzinom) undMultimedikation (> 4 Medikamente)

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Es gibt einige Hinweise dafür, dass eine Verbesserungder Muskelkraft auch mit einer Verringerung der Frak−turrate verbunden ist.

Therapie

Therapieziele

Die moderne Therapiestrategie der Osteoporose dientvor allem der Erhaltung bzw. der Verbesserung der Mo−bilität als Grundvoraussetzung einer erfolgreichen Os−teoporosetherapie und ist dazu auf 3 Aspekte zentriert.

Die Schmerzlinderung als erstes Anliegen des Patien−ten betrifft einmal den akuten frakturbedingtenSchmerz und beinhaltet medikamentöse, physiothera−peutisch−orthetisch und evtl. chirurgische Maßnahmen(Kyphoplastie, Vertebroplastie), immer mit dem Zielder möglichst raschen Mobilisation. Eine weitere, meistschwierigere Aufgabe ist die medikamentöse und phy−siotherapeutische Behandlung des chronischenSchmerzsyndroms. Hier steht die Verbesserung derMobilität und damit der Lebensqualität im Zentrum.Praktisch entspricht diese Behandlung der Therapie−struktur bei degenerativen Wirbelsäulenschmerzen.

Die medikamentöse Sturz− und Frakturprophylaxedient der Senkung des Frakturrisikos. Eine erheblichverminderte Knochendichte, −masse und/oder −strukturund das Sturzereignis sind dabei die dominanten Frak−turrisiken. Den entscheidenden Therapiebaustein dazubildet die differenzierte medikamentöse Behandlung.Zur Sturzvermeidung sind dies eine ausreichende Si−cherung der Vitamin−D−Versorgung und eine optimierteEinstellung der sedierenden und orthostatisch wirken−den Präparate für Begleiterkrankungen. Die Frakturpro−phylaxe wird aber auch durch die Stabilisierung desKnochens im Rahmen der spezifischen medikamentö−sen Therapie angestrebt (Tab. 6).

Basistherapie

Die Basistherapie der Osteoporose beinhaltet Maßnah−men, welche grundsätzlich bei einer Osteoporosedurchgeführt werden sollten. Dazu gehört eine täglicheVersorgung mit 1000± 1500 mg Calcium (Ca++ überNahrungsmittel und Getränke) und 800± 1200 IE Vita−min D (alimentär und Sonnenlicht). Da im Alter meist

von einer Mangelsituation auszugehen ist, stellt dieentsprechende medikamentöse Supplementierung eherden Regelfall als die Ausnahme dar. Diese sollte danndem normalen Ernährungsalgorithmus entsprechen ±mehrere kleine Dosen zur Nahrungsaufnahme.

Für Patienten mit akuten Nierensteinen bzw. rezidi−vierender Nephrolithiasis kann nur nach einer ursächli−

Therapieziele

n Schmerzlinderungn Sturzprophylaxen Frakturprophylaxe

Tabelle 6

Strategien zur differenzialtherapeutischen Entscheidung für Evidenz−A−klassifizierte Medikamente

Therapieziele

n Frakturprävention prox. Femur*Risedronat, Strontium Ranelat, Alendronat, Teriparatid

n Frakturprävention Wirbelkörper#

Alendronat, Ibandronat, Raloxifen, Risedronat, Strontium Ranelat, Teriperatid

n schnelle Frakturprävention*Risedronat, Alendronat, Strontium Ranelat, Raloxifen, Teriparatid

n Zunahme der Knochendichte*Teriparatid, Alendronat, Ibandronat, Risedronat, Strontium Ranelat, Raloxifen

n Absenkung des Knochenabbaus*Alendronat, Ibandronat, Risedronat, Raloxifen, Strontium Ranelat

n Nachwirkung/Hafteffekt*Ibandronat, Alendronat, Risedronat, Raloxifen

Nebenwirkungen

n gastrointestinale Nebenwirkungen*Alendronat, Ibandronat, Risedronat, Strontium Ranelat

n thromboembolisches RisikoRaloxifen

Kontraindikationen

n Ösophagusstrikturalle Bisphosphonate

n GastritisBisphosphonate, Strontium Ranelat

n ThromboseRaloxifen

n schwere Niereninsuffizienzalle Bisphosphonate

n Hyperkalzämiealle Bisphosphonate, Teriparatid

(* Reihung nach der Effizienz, # alphabetisch bei Gleichwertigkeit).

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che Abklärung (Ausschluss Hyperparathyreoidismus,Störungen des Nieren− und Phosphatstoffwechsels) einezusätzliche Supplementierung mit Calcium und/oderVitamin D erfolgen.

Diese Basistherapie stellt ferner das Behandlungs−konzept für all jene Patienten dar, deren 10−Jahres−Frakturrisiko noch unter 30% anzusetzen ist (Tab. 8).

Medikamentöse Schmerztherapie

Die Schmerztherapie ist insbesondere nach frischen os−teoporotischen Wirbelköperfrakturen die wesentlicheVoraussetzung für eine rasche Mobilisation und den Er−halt der Funktionsfähigkeit. Der chronische Schmerzbedarf ebenfalls einer gezielten Behandlung. Grundlageder Schmerzbehandlung bildet das WHO−Schema (mitSchmerztagebuch, Tab. 7).

Adjuvant in allen 3 Stufen ist Behandlung mit niedrigdosierten Antidepressiva (Amitriptylin) und Benzodia−zepinen (Tetrazepam) möglich. Calcitonin kann hilf−reich sein zur Schmerzlinderung bei akuten Wirbelkör−perfrakturen.

Für die in verschiedenen Applikationsformen ange−botene Magnetfeldtherapie gibt es keine ausreichendeEvidenz.

Spezifische Pharmakotherapie zurFrakturprophylaxe

n Wirk− und Anwendungsprinzipien

Die Senkung der Frakturrate ist das Zielkriterium jederspezifischen Pharmakotherapie. Dies kann auf 2 Wegenangestrebt werden:n Senkung der Knochenabbauaktivität mit antiresorp−

tiven Medikamenten (z.B. Alendronat, Risedronat,Ibandronat und Raloxifen, Etidronat, Calcitonin,Östrogene, Vitamin−D−Metabolite, Pamidronat,Zolendronat, Clodronat, Statine und Phytoöstrogen),

n Steigerung des Knochenanbaus mit anabolen oderteilanabolen Medikamenten (Teriparatid, StrontiumRanelat, Fluor, Anabolika).

Der Nachweis der Effizienz der Frakturratensenkungorientiert sich dabei an den international gültigen Kri−terien der Evidenz basierten Medizin.

Für einige Präparate ist die Frakturratensenkungdurch entsprechende Studien sehr gut belegt (Evidenz−A−klassifiziert). Sie bieten dadurch eine relativ hoheTherapiesicherheit und stellen damit die Mittel der ers−ten Wahl dar.

Für eine zweite Gruppe der genannten Medikamenteist der Nachweis der Frakturratensenkung weniger si−cher erbracht worden (niedrige Evidenzklasse B−D) oderer fehlt ganz. Die Therapiesicherheit ist deutlich gerin−ger oder, wie im Fall der Östrogene, mit erhöhten Risi−ken verbunden. Einige dieser Präparate sind für die Os−teoporosefrakturprophylaxe nicht zugelassen, siekönnen nur ¹Off Label“ mit besonderer Begründungeingesetzt werden.

n Indikationen

Die Indikationen zur spezifischen medikamentösenTherapie ergeben sich aus dem individuellen 10−Jahres−Frakturrisiko, das aus der Frakturanamnese, dem Alterund dem densitometrischen (nur DXA) T−Wert ermitteltwerden kann.

" Für die Praxis bildet ein 10−Jahres−Frakturrisko> 30 % die Therapieindikation.

Dieses Limit wird unter den in Tab. 8 beschriebenen Be−dingungen überschritten. Hervorzuheben ist, dassmehrere osteoporosetypische Wirbelfrakturen gleichwelchen Alters und welchen T−Wertes dieses 30%ige10−Jahres−Frakturrisiko immer überschreiten.

Liegt das individuelle 10−Jahres−Frakturrisiko nachdieser Tabelle unter 30%, so ist eine spezifische Phar−makotherapie wenig effektiv und sollte nur in gut be−gründeten Fällen eingeleitet werden. Bei einem DXA−T−Wert über −2,0 konnte bisher keine fraktursenkendeWirkung einer spezifischen Therapie nachgewiesenwerden.Bei den Zusatzrisiken:n periphere Fraktur,n Schenkelhalsfraktur eines Elternteiles,n Nikotinkonsum,n multiple Stürze,n Immobilitätkann die Therapieschwelle um maximal 1 T− Wert er−höht werden (z.B. statt ± 3,5 schon ab ± 2,5).

Tabelle 7

WHO−Schema zur Schmerzbehandlung

Stufe I(leichte Schmerzen)

NSAR (saure NSAR: ASS, Ibuprofen,Diclofenac u. a.) sowie nichtsaure NSAR(Paracetamol, Metamizol)

Stufe II(mäßige bis mittlere Schmerzen)

NSAR + schwache Opioide (Tramadol,Tilidin−Naloxon, Dihydrocodein, Codein)

Stufe III(mittlere bis starke Schmerzen)

starke Opioide (Morphin, Fentanyl u. a.)

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Das Gegenteil gilt bei einer entsprechend schwerenklinischen Gesamtsituation (Multimorbidität, kurzeLebenserwartung oder der Wunsch des Patienten fiEinzelfallentscheidung!)

n Spezifische Medikamente

Die spezifische Medikation ist in Tab. 9 aufgeführt.

n Reservepräparate

Die Reservepräparate zur Frakturprophylaxe sind inTab. 10 aufgeführt.

n Off−Label−Use

Off−Label−Use−Medikamente sind Medikamente, die fürdie Behandlung anderer Beschwerden und Krankheiteneingesetzt werden, als die, für die sie (Zulassungsbe−hörde) zugelassen sind. Dass bedeutet, dass diese Me−dikamente für diese Krankheit nicht eindeutig auf Wir−kung und Verträglichkeit erforscht wurden.n Pamidronat wird bei Skelettmetastasen, Hyperkalzä−

mie, seltenen Skeletterkrankungen und beim Mor−bus Paget i. v. verordnet. Es ist nicht zur Behandlungder Osteoporose zugelassen. Bei Osteoporose kann esdann eingesetzt werden, wenn unter oralen Bisphos−phonaten gastrointestinale Unverträglichkeiten auf−getreten sind.

n Zoledronat dient zur Behandlung des Morbus Paget,von Skelettmetastasen und Hyperkalzämien (i. v.

Applikation). Es hat noch keine Zulassung zur Be−handlung der Osteoporose.

n Clodronat ist zur Behandlung der Osteoporose nichtzugelassen.Derzeit existieren keine Belege für eine fraktursen−kende Wirkung von Statinen und Phytoöstrogenen.Für Thiazide ist eine protektive Wirkung auf dieKnochendichte nachgewiesen. Ihre effektive Anwen−dung bei idiopathischer Hyperkalzurie ist bekannt.

Physiotherapie

Bei der Prophylaxe der Osteoporose sind isometrischeÜbungen effektiver als Lockerungsübungen oder Bewe−gungsübungen im Wasser oder Fahrradfahren. Demzu−folge ist ein regelmäßiges, dosiertes, dem Alter und derKonstitution angepasstes Krafttraining zu favorisieren.Gymnastik trägt zur Schulung der Koordination und da−mit zur Minderung des Sturz− und Frakturrisikos bei.Ziel ist auch ein Muskelaufbau. Körperliche Funktions−fähigkeit, Befindlichkeit und Lebensqualität werdendurch mehrmonatige Maßnahmen positiv beeinflusst.Ob durch körperliche Trainingsprogramme Frakturenverhindert werden können, ist bisher nicht untersucht.

Das maschinelle Vibrationstraining führt zur Steige−rung der Muskelkraft und zur Stabilisierung der Pro−priozeption in den damit beübten Gebieten. Es kannunterstützend zur üblichen Physiotherapie, besondersaber bei Patienten mit Schwierigkeiten bei regelmäßi−gen aktiven Übungsprogrammen eingesetzt werden.

Tabelle 8

Indikationstabelle für eine spezifische Pharmakotherapie, strukturiert nach Alter, Vorfraktur und DXA−T−Wert aus LWSund oder Gesamtfemur (DVO−Leitlinien, endgültiger Entwurf April 2006)

ohne Wirbelfrakturbei Lebensalter (Jahre)

T− Werte

Frau Mann ± 2,0 bis ± 2,5 ± 2,5 bis ± 3,0 ± 3,0 bis ± 3,5 ± 3,5 bis ± 4,0 ± 4,0 bis ± 4,5 < ± 4,5

50 ± 54 60 ± 64 Nein Nein Nein Nein Nein Ja

55 ± 59 65 ± 69 Nein Nein Nein Nein Ja Ja

60 ± 64 70 ± 74 Nein Nein Nein Ja Ja Ja

65 ± 69 75 ± 79 Nein Nein Ja Ja Ja Ja

70 ± 74 80 ± 84 Nein Ja Ja Ja Ja Ja

³ 75 ³ 85 Ja Ja Ja Ja Ja Ja

mit Wirbelfraktur Ja, rasche Therapie wichtig, da hohes Folgefraktur−Risiko

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Osteoporose

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Tabelle 9

Präparate mit Fraktur senkender Wirkung höchster Evidenz (EbM−A−klassifiziert)

Präparat Zulassung VerfügbarePräparationen

Einnahme−bedingung

Fraktur−prävention

Wirkungsdauer Nebenwirkungen Kontraindikationen

Bisphosphonate

Alendronat postmenopausaleOsteoporose beiFrauen, Osteoporosedes Mannes und Prä−vention und Therapieder glucocorticoid−induzierten Osteo−porose bei postmeno−pausaler Frau

10 mg Tages−tablette, 70 mgWochentablette,auch alsKombinationmit Vitamin D

morgens nüchternmit 200 ml Wasser,danach Nahrungs−karenz mindestens45 min

Wirbelkörper−frakturen,periphereFrakturen

fraktursenkendeWirkung belegtfür 4 JahreTherapiedauer

Dyspepsie, Übelkeit,Erbrechen undabdominaleSchmerzen, Risikoulzeröse Ösophagitis,mögliche Langzeit−wirkung: adynamerKnochen mit atypi−schen Frakturen(Odvina−Studie)

Passagestörungenim Ösophagus!Nekrosen imKieferbereich

Risedronat postmenopausaleOsteoporose,Prävention undTherapie der gluco−corticoidinduziertenOsteoporose beipostmenopausalerFrau

5 mg Tages−tablette, 35 mgWochentablette,auch als Kit−Kombination miteiner täglichenCalciumtablette

morgens nüchternmit 200 ml Wasser,danach Nahrungs−karenz mindestens45 min

Wirbelkörper−frakturen, peri−pheren Fraktu−ren, sichersteEvidenz fürPrävention vonSchenkelhals−frakturen

fraktursenkendeWirkung belegtfür 7 JahreTherapiedauer

Dyspepsie, Übelkeit,Erbrechen undabdominale Schmer−zen, Risiko ulzeröseÖsophagitis

Passagestörungenim Ösophagus!

Ibandronat postmenopausaleOsteoporose derFrau

150 mg Monats−tablette(zukünftig auchals i.v.−Applika−tion)

morgens nüchternmit 200 ml Wasser,danach Nahrungs−karenz mindestens45 min

Wirbelkörper−frakturen

fraktursenkendeWirkung belegtfür 3 JahreTherapiedauer

Dyspepsie, Übelkeit,Erbrechen und abdo−minale Schmerzen,Risiko ulzeröse Öso−phagitis

Passagestörungenim Ösophagus!

SERM ± Selektiver Östrogen−Rezeptor−Modulator

Raloxifen postmenopausaleOsteoporose derFrau

60 mg Tages−tablette

keine Wirbelkörper−frakturen

fraktursenkendeWirkung belegtfür 4 JahreTherapiedauer

Risiko thrombembo−lischer Ereignisse

Z. n. Lungenembolie,Retinavenenthrom−bose, eingeschränkteLeberfunktion,Cholestase, schwereNierenschädigung,unklare Uterus−blutungen

Strontium

StrontiumRanelat

postmenopausaleOsteoporose derFrau

2 g Pulverbeutel/Tag

abends vor demZubettgehenmind. 2 h nachdem Essen

Wirbelkörper−frakturen,periphereFrakturen

fraktursenkendeWirkung belegtfür 3 JahreTherapiedauer

tiefe Beinvenen−thrombose, Übelkeit,Erbrechen, Durch−fälle, transienteasymptomatischeCK−Anstiege, Kopf−schmerzen, andereneurologische Symp−tome. Strontium−Bin−dung an das Hydroxyl−apatit erhöht dieKnochendichte ohneSubstanzzunahme!

chronische Nieren−insuffizienz, Phenyl−ketonurie, bei Risikovenöser Thrombo−embolien

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Systemerkrankungen

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Die physiotherapeutische Behandlung dient grundsätz−lich neben der raschen Mobilisation der Vermeidungbzw. Beseitigung von Verspannungen sowie Fehlhal−tungen, der Kräftigung abgeschwächter Muskel−gruppen und damit auch der Erhaltung und Stabilisie−rung der Knochensubstanz und der Verbesserung derKoordination sowie der Sturzprophylaxe.

Hilfsmittel und Orthesen

Hilfsmittel sind meist sehr einfache Mittel, welche derSturz− und damit der Frakturprophylaxe dienen. Hierzuzählen der Gehstock, die Unterarmgehstütze, der Rolla−tor und der Rollstuhl; im sanitären Bereich die Toilet−tensitzerhöhung, der Hocker in der Dusche oder derWannenlift. Weiterhin rutschfeste Socken, spikeähnli−che Riemen, die unter die Schuhsohlen geschnallt wer−den können, Wander− oder Walkingstöcke. Hüftprotek−toren können bei einem Sturz einen großen Teil derAufprallenergie auffangen und verteilen und so Schen−kelhalsfrakturen verhindern. Die alleinige Verordnungvon Hüftprotektoren ohne Abklärung der Akzeptanz hatallerdings keinen fraktursenkenden Effekt.

Orthesen zielen auf die Erhöhung der Knochenfestig−keit und die Vermeidung von Stürzen. Langfristig sollensie die Beweglichkeit und die Mobilität von Osteoporo−sepatienten erhalten oder nach Frakturen wiederher−stellen. Je nach Aufbau lindern sie Schmerzen, korrigie−ren die Körperhaltung, schränken das Skelettüberlastende Bewegungen ein und beugen damit neuenKnochenbrüchen vor. Mahnbandagen entlasten dieWirbelsäule, deren Fehlstatik aktiv durch Muskelarbeitkorrigiert werden kann. Sie kommen in der frühen Pha−se der Erkrankung zur Anwendung. Osteoporose−Or−thesen mit Bauchraumkompression verbinden denTrainingseffekt der Muskulatur mit einer Stabilisierungder Körperhaltung durch eine aktive Aufrichtung der

Wirbelsäule. Sie kommen zur Anwendung bei stati−schen Beeinträchtigungen der Wirbelsäule oder Hal−tungsschäden. Bei multiplen Frakturen wird mit einemelastischen Stützmieder eine Stabilisierung der Wirbel−säule erreicht. Hyperextensions−Orthesen funktionie−ren nach dem Dreipunktprinzip. Sie haben eine passiveStützfunktion und sind geeignet bei Patienten mit star−ken Schmerzen nach stabiler Wirbelkörperfraktur ohneneurologische Komplikationen im thorakolumbalenBereich. Sie schränken die (schmerzhafte) Flexion unddie Reklination der Wirbelsäule ein, lassen aber einenRest an Mobilität zu. In Rahmenbauweise wird auch dieSeitneigung eingeschränkt. Die so bewirkte Schmerz−linderung fördert ihrerseits wieder die Mobilität.

Operationen

Operative Eingriffe betreffen die für osteoporotischeFrakturen anfälligen Regionen und werden nach ortho−pädisch−unfallchirurgischen Indikationen durchge−führt.

Therapieverlauf

n Behandlungsbeginn und −dauer

Da eine Heilung der Osteoporose heute noch nichtmöglich erscheint, ist individuell mit einer vom Alterund dem Frakturrisiko abhängigen unterschiedlich lan−gen, etwa 10 ±30−jährigen ¹Osteoporosekarriere“ zurechnen. Dementsprechend sind Art, Beginn und Dauerder Therapie zu planen. So ist z.B. im 1. Jahr nach einerosteoporotischen Fraktur das Risiko eines erneutenKnochenbruches am höchsten. Hier sollte deshalb um−gehend eine schnellwirksame medikamentöse Therapieeingeleitet werden.

Tabelle 9

Fortsetzung

Präparat Zulassung VerfügbarePräparationen

Einnahme−bedingung

Fraktur−prävention

Wirkungsdauer Nebenwirkungen Kontraindikationen

Parathormon

Teriparatid[Parathor−monfrag−ment(1 ± 34)]

manifeste postmeno−pausale Osteoporoseder Frau bis 75 Jahre

20 mg Injektions−spritze, subkutan/Tag

Wirbelkörper−frakturen,periphereFrakturen

fraktursenkendeWirkung belegtfür 18 MonateTherapiedauer

Schwindel,Wadenkrämpfe,Hyperkalzämie

Osteosarkom−Risiko(Morbus Paget),chronische Nieren−insuffizienz, Hyper−kalzämie, vorausge−gangene Strahlen−therapie, ungeklärteErhöhung der alkali−schen Phosphatase

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Osteoporose

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Tabelle 10

Präparate mit Fraktur senkender Wirkung niedriger oder fehlender Evidenz

Präparat Zulassung VerfügbarePräparationen

Frakturprävention Wirkungsdauer Nebenwirkungen Kontraindikationen

Calcitonin manifeste post−menopausale Osteo−porose der Frau

Injektionsspritze,subkutan/Tag,Nasenspray

Wirbelkörper−frakturen, geringeEvidenz

fraktursenkendeWirkung belegtnach 4 JahrenTherapiedauer

Hitzegefühl, Übelkeit,Erbrechen und Durch−fall

Hypokalzämie

Etidronat manifeste postmeno−pausale Osteoporose,Prävention und Thera−pie der glucocorticoi−dinduzierten Osteo−porose bei postmeno−pausaler Frau

400 mg Tablette,Intervalltherapie für14 von 90 Tagen

Wirbelkörper−frakturen, niedrigeEvidenz

fraktursenkendeWirkung belegtnach 4 JahrenTherapiedauer

Mineralisations−hemmung,gastrointestinaleSymptomatik

Osteomalazie,schwere Nieren−insuffizienz,Diarrhoe

Östrogen/Gestagen

zur Osteoporose−Therapie nicht mehrempfohlen, ungünsti−ges Nutzen−Risiko−Verhältnis

Wirbelkörper−frakturen, periphereFrakturen

fraktursenkendeWirkung belegtfür die Therapie−dauer

kardiovaskuläreEreignisse,Thrombosen,Schlaganfälle

vorbestehende koro−nare Herzkrankheit,vorangegangenethromboembolischeEreignisse, vorange−gangener Schlaganfall,Thrombophilie,schwere Einschränkungder Leberfunktion

Testosteron zur Therapie desHypogonadismus

Einzelfälle bei Hypo−gonadismus beschrie−ben, keine Evidenz

fraktursenkendeWirkung für dieTherapiedauer

erhöhte Neoplasie−rate, kardiovaskuläreEreignisse

koronare Herzkrank−heit, Neoplasie

Anabolika:NandrolonDecanoat

zur Osteoporose−Therapie des älterenMenschen(> 70 Jahre)

25 mg Monatsspritze,Intervalltherapie max.Dosis 150 mg/Jahr,Therapie−Gesamtdosis300 mg nicht über−schreiten

Einzelfälle beschrie−ben, keine Evidenz,Verbesserung derMuskelkraft und derKoordination

fraktursenkendeWirkung für dieTherapiedauer

erhöhte Neoplasie−rate, Hepatoserisiko,Virilisierung beiFrauen

großes Prostata−Adenom, koronareHerzkrankheit,Neoplasie,Hyperkalzämie

Fluoride:Natriumfluorid,Natrium−Mono−fluorphosphat

zur Osteoporose−Therapie

20 ± 40 mg Natrium−fluorid−Tabletten und72 ± 154 mg Mono−natriumfluorphosphatTabletten als Tages−dosis

Senkung der Wirbel−frakturraten, inkon−sistente Studienlage

fraktursenkendeWirkung für dieTherapiedauer

Oberbauchbeschwer−den, Übelkeit, akuteGelenksymptomatikoft als periphereFraktur fehl gedeutetals Folge einer Über−dosierung bei HighResponder, schmalestherapeutischesFenster beachten

Hepatose, Nieren−schädigung, Osteo−malazie, physiolo−gische Altersatrophie

Aktive Vitamin−D−Metabolite:Alfacalcidol

zur Therapie derpostmenopausalenOsteoporose

2,5 und 5 mg 1−alphaHydroxy−Cholecalci−ferol−Tagestablette

Wirbelfrakturen undperiphere Frakturen,inkonsistente Studien−lage, niedrige Evidenz,keine Gabe zusammenmit Calcium und/oderVitamin D

fraktursenkendeWirkung für dieTherapiedauer

Hyperkalzämie,Serumkontrollen!

Hyperkalzämie,Alkalose (ph > 7,44),Hypermagnesämie,Vit.−D−Intoxikation

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Systemerkrankungen

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Juristischer Kommentar

Der ¹Off−Label−Use“ ± rechtlicher Hintergrund

DefinitionAls ¹Off−Label−Use“ wird die mit der Ver−

ordnung verbundene Anwendung einesArzneimittels außerhalb seiner Zulassung

bezeichnet. Von einem ¹Off−Label−Use“

spricht man gemeinhin insbesonderedann, wenn das zugelassene Arzneimittel

in einem anderen Anwendungsgebiet, ei−

ner anderen Kombination, einer anderenDarreichungsform oder einer abweichen−

den Dosierung als in der ursprünglichen

Zulassung vorgesehen eingesetzt wird.

Verordnungsfähigkeit und Kosten−erstattung

Nach der immer noch maßgeblichenGrundsatzentscheidung des BSG vom

19. 3. 2002 (¹Sandoglobulin−Entschei−

dung“, Az: B 1 KR 37/00 R) kann ein zu−gelassenes Arzneimittel grundsätzlich

nicht zulasten der Krankenversicherung

in einem Anwendungsgebiet verordnetwerden, auf das sich seine Zulassung

nicht erstreckt. Die Anforderungen an die

Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit undden allgemein anerkannten Stand der

medizinischen Erkenntnisse seien nicht

erfüllt, wenn das verabreichte Medika−ment nach den Vorschriften des Arznei−

mittelrechtes der Zulassung bedarf, aber

nicht zugelassen ist. Eine Ausnahme giltnur dann, wenn esn um die Behandlung einer schwerwie−

genden (lebensbedrohlichen oder die

Lebensqualität auf Dauer nachhaltigbeeinträchtigenden) Erkrankung geht,

n keine andere Therapie verfügbar ist,n aufgrund der Datenlage die begründe−

te Aussicht besteht, dass mit dem be−treffenden Präparat ein Behandlungs−

erfolg (kurativ oder palliativ) zu

erzielen ist.

Ist ein Präparat lediglich im Ausland zu−

gelassen, nicht hingegen in Deutschland(bzw. europaweit), so besteht grundsätz−

lich auch kein Kostenerstattungsan−spruch gegenüber der Krankenkasse. In

der so genannten ¹Immucothel−Ent−

scheidung“ vom 18. 5. 2004 (Az: B 1 KR21/02 R) urteilte das BSG, dass die An−

wendung eines (bisher) gar nicht zuge−

lassenen Arzneimittels zulasten derKrankenversicherung schon deshalb aus−

geschlossen sei, weil der Einsatz des Prä−

parates auf einem strafbaren Verhalten(§§ 95 f. AMG) aufbaue und aus verbots−

widrigem Handeln grundsätzlich keine

Leistungspflicht der Krankenkasse er−wachsen könne.

Eine Einschränkung macht das BSG dann

aber selbst durch das sog. ¹Visudyne−

Urteil“ vom 19. 10. 2004 (Az: B 1 KR27/02 R). Danach ist eine bestehende

ausländische Zulassung eines Arzneimit−

teles doch als ausreichend anzusehen,wennn eine seltene, die Lebensqualität beein−

trächtigende Erkrankung vorliegt, die

dazu führt, dass eine systematische

Erforschung der Behandlungsmöglich−keiten grundsätzlich ausscheidet,

n es keine Behandlungsalternative gibt,n eine Nutzen−Risiko−Abwägung für den

Einsatz des Arzneimittels spricht.

(weiterführend Ehlers/Hoffmann, A/ZusR

(2006) Heft 1, S. 4 ff.)

Berufs− und haftungsrechtliche Konse−

quenzen: Vorgehen und ErfordernisseDer ¹Off−Label−Use“ entspricht bereits

per definitionem nicht dem medizini−schen Standard und wird deshalb z. T. den

Kriterien des Heilversuches zugeordnet

(Quaas/Zuck, MedR, S. 740). Deshalbsind seine berufs− und haftungsrechtli−

chen Konsequenzen nur schwer abseh−bar.

Dem im ¹Off−Label−Use“−Bereich verord−

nenden Arzt ist in jedem Fall zu einer

ausführlichen schriftlichen Begründungfür die Verordnung zu raten. Darüber hi−

naus sollte er bei der jeweiligen Kranken−

kasse einen Genehmigungsantrag oderzumindest einen Antrag auf Bestätigung,

dass kein ¹Antrag auf Feststellung eines

sonstigen Schadens“ gestellt werdenwird, einreichen. Fruchtet dies alles

nicht, so bleibt nur die Verordnung auf

Privatrezept.

Essenziell ist die Aufklärung des Patien−

ten. Es bestehen allgemein erhöhte An−

forderungen. Insbesondere muss übern die ¹Off−Label−Eigenschaft“ des Präpa−

rates,n das Fehlen eines in dieser Indikation

zugelassenen, geeigneten Arzneimit−tels,

n das mögliche Bestehen von unbekann−ten/unentdeckten Risiken,

n Chancen und Nutzen,n den ggf. bestehenden Versuchscharak−

ter der Behandlung sowien die wirtschaftlichen Folgen einer Ver−

ordnung

aufgeklärt werden. Eine ausdrückliche

schriftliche Einwilligung des Patienten ist

dringend anzuempfehlen.

A. P. F. Ehlers, H. Bitter

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Osteoporose

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Die spezifische Pharmakotherapie ist prinzipiell auf denZeitraum eines erhöhten Frakturrisikos begrenzt. In derRegel sollte diese spezifische Pharmakotherapie zu−nächst auf 3 Jahre angelegt werden (Ausnahmen: Teri−paratid mit Zulassung für nur 18 Monate). Danach er−folgt eine erneute Frakturrisikoanalyse mit den Ent−scheidungsvarianten Therapiepause, Weiterbehand−lung mit oder ohne Therapiewechsel. Eine längere ef−fektive Frakturratensenkung ist mit 4 Jahren für Alen−dronat und mit 7 Jahren für Risedronat belegt. ÜberFrakturen nach Beendigung einer spezifischen medika−mentösen Therapie gibt es allerdings bislang keinesicheren Daten. Die Dauer der Behandlung/Supplemen−tierung mit Vitamin D und Calcium richtet sich nebenihrem Einsatz zur Basistherapie auch nach deren Ver−wendung im Rahmen der Prophylaxe.

n Verlaufskontrollen

Kontrollen erfolgen bei Vorliegen von einem 10−Jahres−Frakturrisiko von mehr als 20% sowie bei medikamen−töser Therapie. Klinische Kontrollen werden bei allenPatienten, die ein hohes Osteoporoserisiko besitzenbzw. an Osteoporose erkrankt sind ± mit und ohne me−dikamentöse Therapie ± in Abhängigkeit vom Gesamt−befund zwischen 3 und 12 Monaten durchgeführt.Hierbei sollen die wichtigsten Daten der Erstuntersu−chung überprüft werden. Geprüft wird außerdem dieUmsetzung der verordneten therapeutischen Maßnah−men einschließlich der Schmerzmedikation. Außerdemwerden die Frakturrisiken erneut beurteilt.

Bei Einleitung einer spezifischen Therapie werdenUntersuchungen in 3± 6−monatlichen Abständendurchgeführt, ansonsten bzw. dann alle 6 ± 12 Monate(Anamnese und Befund s.o).

" Wichtig ist: Gut dokumentierte Größenabnahmenim Verlauf der Therapie von > 2 cm weisen auf eine er−neute Fraktur hin. Dann ist eine nochmalige Röntgen−untersuchung indiziert. Generelle Röntgenkontrollenohne diese Indikation sind nicht erforderlich.

Bei Auffälligkeiten im Basislabor oder bei begründetemVerdacht auf Änderungen im Basislabor werden dieseWerte erneut bestimmt. Eine Wiederholung des Basis−labors (außer Eiweißelektrophorese) sollte ansonstenregelmäßig alle 1 ± 2 Jahre erfolgen.

Eine nochmalige Osteodensitometrie dient der Beur−teilung der Indikation für eine medikamentöse Therapiebei erhöhtem Risiko. Ohne bisherige Therapie wird sienach 2 Jahren durchgeführt. Abstände unter 2 Jahrenliegen auch unter Therapie meist im Messfehlerbereichder zu erwartenden Knochendichteveränderungen undsind daher nicht erforderlich. Sie ist nur bedingt geeig−net zur Abschätzung des medikamentösen Therapieer−

folges. Bei Kontrolluntersuchungen ist zu beachten,dass ein Nichtanstieg der Knochendichte unter antire−sorptiver Medikation kein Hinweis ist für eine vermin−derte fraktursenkende Wirkung. Rapide Änderungender Knochendichte sind allerdings bei Glucocorticoid−Therapie und in der frühen Postmenopause zu erwar−ten. Hier sind Wiederholungsmessungen zwischen6 und 12 Monaten begründet. Bei T−Werten >0 ohneÄnderung der klinischen Risiken sind ansonsten Wie−derholungsmessungen wenig sinnvoll, zwischen 0 und± 1 in der Regel nur nach 10 Jahren.

n Therapieversagen

Evaluierte Kriterien für ein Therapieversagen existierenderzeit nicht. Steigt die Knochendichte unter Therapiemit Antiresorptiva nicht an (stagniert oder fällt sogarab) oder tritt unter Therapie eine Fraktur bei entspre−chendem Frakturrisiko auf, so ist das kein ausreichen−des Kriterium für eine fehlende therapeutische Effi−zienz. Zu vermuten ist ein Therapieversagen bei Abfallder Knochendichte im Verlauf über die Messfehler−grenze hinaus. Dies gilt auch, wenn unter Therapie in−nerhalb weniger Jahre mehr als eine neue Fraktur auf−tritt. Trotzdem besteht bei Abnahmen der Knochen−dichte unter spezifischer Pharmakotherapie immer dieFrage nach der Compliance, die zu klären ist. Bei fri−schen Frakturen unter Therapie müssen daher Indika−tion, Compliance, zugrunde liegende Störungen und dasGesamttherapie−Konzept geprüft werden.

n Therapiewechsel und Kombinationstherapie

Ein Therapiewechsel kann immer dann erforderlichsein, wenn Unverträglichkeiten oder andere uner−wünschte Nebenwirkungen auftreten. Ob und wiekombinierte oder sequenzielle Therapien unterschied−licher antiresorptiver oder osteoanaboler Medikamentewirken, ist nicht bekannt. Sicher ist lediglich, dass beieinem Übergang von Bisphosphonaten zu osteoanabo−ler Therapie mit Teriparatid die unterschiedlichen Haft−bzw. Nachwirkungszeiten speziell für Alendronat undIbandronat zu bedenken sind. Die sonst üblichen The−rapieeffekte in Bezug auf den Anstieg der Knochendich−te und der Umbaumarker verzögern bzw. vermindernsich z.T. erheblich.

Ausnahme bildet einzig eine niedrig dosierte Hor−montherapie wegen postmenopausaler Beschwerden.Da hier von einer unzureichenden Wirkung am Kno−chen auszugehen ist, kann eine Kombination mit einemspezifischen Osteoporosepräparat erfolgen. Auch be−züglich einer sequenziellen Therapie liegen ungenü−gende Erfahrungen zur Eignung vor. Kombinierte The−rapien von Teriparatid mit anderen Medikamenten zurSenkung der Frakturhäufigkeit müssen erst noch über−

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Systemerkrankungen

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prüft werden. Der Einsatz in Kombination mit Antire−sorptiva oder als Folgetherapie von Antiresorptiva wirdderzeit ausdrücklich nicht empfohlen.

n Therapie−Erfolgsbeurteilung und −abschluss

Ist eine Therapie einmal effizient, so sollte das begon−nene Schema für die gesamte Behandlungsdauer beibe−halten werden, da eine Besserung der Resultate durchUmstellung nicht zwangsläufig erwartet werden kann.Die Beurteilung des Therapieerfolges richtet sich nachden Therapiezielen, also Schmerzlinderung, Erhaltungund Besserung der Mobilität sowie Verminderung desFrakturrisikos und Vermeidung von Frakturen. NachBeendigung der Therapie sollte der Osteoporoseprozesszunächst in jährlichen Abständen weiter verfolgt wer−den. Wird dabei eine Dynamik mit negativer Bilanz er−kennbar, ist eine erneute Therapie zu erwägen.

Aussichten

Die aktuell vom DVO gewählte Beschreibung dessenwas heute unter der Erkrankung Osteoporose zu ver−stehen ist, entspricht dem sich international abzeich−nenden Paradigmenwechsel. In den Mittelpunkt derDefinition der Osteoporose rückt damit die Fraktur, diedurch Veränderungen von Knochenmasse, −qualität und−struktur klinisch als Knochenbruch relevant werdenkann. Ob diese Relevanz eintritt, bestimmt die Gesamt−heit der Funktionen im Halte− und Bewegungssystem.Die Frakturprävention ist somit das therapeutische In−terventionsziel bei Osteoporose. Die aktuellen Leitliniendes Dachverbandes geben für die Praxis in der Zukunftklare Aussagen hinsichtlich Diagnostik und Therapieder Osteoporose. Zusätzlich hat sich die Zahl der thera−peutischen Ansätze deutlich verfielfacht.

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Korrespondenzadresse

Dr. med. Andreas Roth

Lehrstuhl für Orthopädie der Friedrich−Schiller−Universität

Jena (Prof. Dr. med. R. A. Venbrocks)

Rudolf−Elle−Krankenhaus Eisenberg

Klosterlausnitzerstr. 81

07607 Eisenberg

Telefon: 03 66 91/8 10 10

Telefax: 03 66 91/8 10 13

E−mail: a.roth@krankenhaus−eisenberg.de

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Osteoporose

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