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1 Einführung in das liechtensteinische Privatrecht Helmut Heiss

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Page 1: 1 Einführung in das liechtensteinische Privatrecht Helmut Heiss

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Einführung in das liechtensteinische

Privatrecht

Helmut Heiss

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Vorbemerkungen

• Herkömmliche Liechtensteinische Juristenausbildung

• Kombi-Modell: ZLR (RWI/UZH) - Uni Liechtenstein

• Schwerpunkte

– RWI/UZH – schweizerisches Recht

– ZLR/UZH – liechtensteinisches Privat-, Straf- und

Verfahrensrecht (= Rechtsgebiete, die im FL dem öR folgen)

– Uni Liechtenstein: liechtensteinisches Gesellschafts-,

Finanzmarkt- und Steuerrecht (LL.M.)

• „Doppel-Master“ ZH – Liechtenstein?

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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A. Grundlagen

• 1806 Souveränität des Fürstentum Liechtenstein

• Bis 1918: Anlehnung an Österreich– Fürst residiert in Wien– 1852 Zollunion– Instanzenzug Vaduz (FL-LG) – LG Feldkirch (als FL-OLG) –

OLG Innsbruck (als FL-OGH)– Rezeption, insb. ABGB 1812 (ohne ErbR) und 1846 (ErbR)

(FV vom 18. Februar 1812 betreffend die Einführung des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches und der

allgemeinen Gerichtsordnung; FV vom 6. April 1846 betreffend die Einführung der §§ 531 bis 824 ABGB, Erbrechtspatent Nr.

3.877)

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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A. Grundlagen

• Nach 1918: Hinwendung zur Schweiz– Fürst residiert in Vaduz– eigenes, dreiinstanzliches Gerichtssystem (FL LG; FL OG; FL

OGH)– Hinwendung zur Schweiz– 1923 Zollunion mit Schweiz– Rezeption des SR aus chZGB:

Sachenrecht (SR) vom 31. Dezember 1922– aber auch autochthone Gesetzgebung: Personen- und

Gesellschaftsrecht (PGR) vom 20. Januar 1926

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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A. Grundlagen

• Integration des FL– Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der

Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) idgF– Abkommen vom 2. Mai 1992 über den Europäischen

Wirtschaftsraum (EWRA) idgF (schon seit 1991 EFTA)aber: kein LugÜ-Beitrittaber: NYÜ 2011 (Schiedsgerichtsbarkeit)

– WTO Mitglied 1995– UNO Mitglied 1990

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B. Rechtserkenntnisquellen

www.gesetze.li (systematisiert wie «SR»)

www.gerichtsentscheidungen.li

Liechtensteinische Juristenzeitung (LJZ; auch online)

Liechtensteinische Entscheidungssammlung (LES; auch online)

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C. Gesetzgebung im Privatrecht

• Bürgerliches Recht– ABGB 1812, 1846

(zahlreiche Reformen; zuletzt G v 20.6.2012, LGBl 2012 Nr. 265 betr ErbR)

– G Viehkauf 1921– SR 1922– EheG 1973– VersVG 2001– SVG

(Art 54 ff; Motorfahrzeughaftpflicht)• Handelsrecht

– AHGB 1861 (Kundmachung vom 21. Oktober 1997, LGBl 1997 Nr. 193)

– WG 1971– SchG 1971

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C. Gesetzgebung im Privatrecht

• Konsumentenschutzrecht– KSchG 2002– ECG 2003– FAG 2002– FernFinG 2004– KKG– TNG– PrHG

• Gesellschaftsrecht– PGR 1926– SEG und SEBG 2005– SCEG und SCEBG 2007– EWIVG 2001

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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C. Gesetzgebung im Privatrecht

• Internationales Privatrecht– Insb. IPRG 1996 (regelt – anders als chIPRG – nur das

anwendbare Recht)

• Rezeption im liechtensteinischen Privatrecht– Gesetzesrezeption (zT «Blankorezeption»: chVVG vor FL VVG

2001)– Rechtsprechungsrezeption (öOGH; chBGer)– Rezeption von Lehre?– «Überkreuzrezeption» (zB öIPRG vor Erlass des FL IPRG 1996)– Vor- und Nachteile der Rezeption?

• Bsp: ABGB?• Bsp: Trust?

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C. Insb. ABGBABGB ZGB/OR

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

Einleitung (= «kleiner AT»)§§ 1- 14 ABGB+ Art 1-8 SR+ Art 1-8 PGR

1. Teil PersonenrechtNatürliche Person

§§ 15-25, 28-43 ABGB+ Art 9-105b PGR 1926

Juristische Person (inkl Trust)§§ 26, 27 ABGB + Art 106ff PGR 1926

EherechtEheG

Eltern-Kindschaftsrecht§§ 135 -186a ABGB

Vormundschaft §§ 187-268 ABGB

Sachwalterschaft…§§ 269 – 284g ABGB

Einleitung (= «kleiner AT»)Art 1 – 9 ZGB+ Art 1 ff OR

Erster Teil PersonenrechtNatürliche Person

Art 11-51 ZGBJuristische Person (ohne Trust)

Art 52-89c ZGB + Art 530 – 964 OR

Zweiter Teil Familienrecht Eherecht

Art 90-251ZGBEltern-Kindschaftsrecht

Art 252-359 ZGBVormundschaft

Art 360-456 ZGB (ab 2013 NEU: BG

Erwachsenenschutz)

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C. Insb. ABGBABGB ZGB/OR

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

2. Teil Von dem SachenrechteDingliche Sachenrechte

§§ 285-530; §§ 825-858 ABGB

(Sache; Besitz; Eigentum; beschränkte dingliche

Rechte; Gemeinschaft des Eigentums)

§§ 531-824 ABGB (ErbR)

Persönliche Sachenrechte§§ 859-937 ABGB (SchR AT)§§ 938-1292 ABGB

(Vertragstypen)§§ 1293-1341 ABGB (vertraglicher und deliktischer Schadensersatz)

3. Teil Gemeinschaftliche Bestimmungen

§§ 1342-1502 ABGB(Befestigung; Umänderung ; Aufhebung; Verjährung;

Ersitzung)

ErbrechtArt 457-640 ZGB

SachenrechtArt 641-977 ZGB

ObligationenrechtArt 1-40g;68-183 OR (OR

AT)Art 41- 61 OR (Deliktsrecht)Art 62-67 OR (ung

Bereicherung)Art 184-529 OR

(Vertragstypen)

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D. «Allgemeiner Teil»

• Rezeptionsbruch– ABGB ↔ SR, PGR (folgen Art 1- 9 chZGB)– abweichende geistesgeschichtliche Grundlagen?

(ABGB als Naturrechtskodifikation)– Gesetzesauslegung (§§ 6,7 ABGB – Art 1 SR/PGR)– Insb. Gewohnheitsrecht (§ 10 ABGB – Art 1 II SR/Art

1 III PGR)– Rechtsschöpfung durch Richter

• Analogie und natürliche Rechtsgrundsätze (§ 7 ABGB)• Art 1 II Alt 2 SR/Art 1 III Alt 2 PGR («Rechtsfindung»)

– Lehre und Überlieferung (Art 1 IV PGR; Art 1 III SR)– Insb.Treu und Glauben (Art 2 SR/PGR; hierzu zB LEGERER,

Der Grundsatz von Treu und Glauben im liechtensteinischen Privatrecht, 2006)

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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D. «Allgemeiner Teil»

• Treu und Glauben, OGH 1 Cg 174/1998-52

Das von Österreich rezipierte liechtensteinische ABGB anerkennt sittliche Grundsätze ("allgemeine Grundsätze der Gerechtigkeit"), die so allgemein akzeptiert werden, dass es zu ihrer Anwendung keiner besonderen Gesetzesvorschriften bedarf. Auch der Begriff "Treu und Glauben" beherrscht ganz allgemein das bürgerliche Recht; der rechtsgeschäftliche Verkehr darf nicht dazu missbraucht werden, einen anderen hineinzulegen, sondern soll sich ehrlich abspielen. Im Geschäftsverkehr darf es keinen Anreiz zur arglistiger Täuschung oder betrügerischen Machenschaften geben. Treu und Glauben durchbrechen daher selbst die geschriebene Norm. Das sinngemäss Gleiche folgt aus der zur Auslegung des Art 1 PGR (bzw SR) heranzuziehenden schweizerischen Lehre und Judikatur. Auch danach hat der Richter zwar grundsätzlich eine vorhandene gesetzliche Lösung anzuwenden. Ein Resultat kann aber derart stossend und unangemessen sein, dass der Richter korrigierend eingreifen muss. Unter Umständen sind selbst ganze Fallgruppen zu korrigieren, nämlich bei Vorliegen eines Versehens des Gesetzgebers oder wenn sich die Berücksichtigung geänderter Verhältnisse aufdrängt. In diesen Fällen hat der Richter eine generell-abstrakte Norm aufzustellen.

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D. «Allgemeiner Teil»• Gesetzesauslegung

– Allgemeine Grundsätze (Wortlaut; Systematik; subjektiv-historisch; objektiv-teleologisch)

– Wortlaut ↔ Analogie und Rechtsfindung (OGH 5 C 175/99)– Rechtsvergleichung

«Grundsätzlich ist es durchaus zulässig, dass Gerichte im Rechtsfindungsprozess unter anderem auch Rechtsvergleiche anstellen. Jedenfalls für den Kleinstaat, der zahlreiche Rechtsnormen von seinen Nachbarstaaten übernommen hat und selbst nur über eine wenig umfangreiche Rechtsprechung verfügt, ist es sicherlich gerechtfertigt, die Rechtsvergleichung als eigentliche "fünfte Auslegungsmethode" zu bezeichnen.» (StGH 2000/1)

«Das Unterhaltsrecht für mj Kinder findet seine Regelung vor allem in den §§ 140, 1418 ABGB (vormals die §§ 141, 166 ABGB aF), die

vollinhaltlich aus dem österreichischen Rechtsbereich übernommen wurden. Nach stRsp ist deshalb die einschlägige österreichische Rechtsprechung und Lehre zur Auslegung der zitierten Bestimmungen heranzuziehen.» (OGH P 76/84-62)

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D. «Allgemeiner Teil»

• Präjudizienbindung (OGH P 76/84-62)«Im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit normiert § 12 ABGB, dass die in einzelnen Fällen ergangenen Verfügungen und die "von Richterstühlen« in besonderen Rechtsstreitigkeiten gefällten U nie die Kraft eines Gesetzes haben und nicht auf andere Fälle oder andere Personen ausgedehnt werden können. Damit grenzt der Gesetzgeber Urteilssprüche klar von den Gesetzen ab und will offenkundig das im § 5 ABGB normierte Rückwirkungsverbot nicht auf U bezogen wissen.»

«Das Postulat nach einer "richtigen" Rechtsprechung im dargestellten Sinne geht jenem nach dem Schutz des Vertrauens der Rechtsanwender vor. Dies ist dem Rechtsanwender auch im Allgemeinen bewusst, weshalb er jedenfalls mit einer sachlich gerechtfertigten Judikaturänderung rechnenmuss.»

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E. Personenrecht• Art 9-105b PGR 1926 entsprechen weitgehend Art 11-51

ZGB• Insb. § 16 ABGB (Allgemeines Persönlichkeitsrecht)

– zeigt Naturrechtskonzeption («...schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte…»)

– Entspricht in etwa Art 27ff ZGB, der in Art 38ff PGR rezipiert wurde– «Einfallstor» für die Drittwirkung von Grundrechten (neben anderen

Bestimmungen)– Einzelausprägungen oft Ergebnis der Zusammenschau von § 16

ABGB, andere Bestimmungen (§ 1325 ABGB; § 1329 ABGB)– Insb Auflistung in Art 39 I PGR («…körperlichen und geistigen

Unversehrtheit, der Ehre, im Kredit, im Hausfrieden, in der Freiheit, im Namen, Wappen, Hauszeichen und ähnlichen Zeichen, im Recht am eigenen Bilde, in Brief-, Geschäfts- und ähnlichen Verhältnissen und überhaupt im Recht auf Achtung und Geltung der Persönlichkeit…“

– Reichweite ist Ergebnis einer Interessenabwägung

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E. Personenrecht

– Ansprüche» Feststellung (Art 39 I PGR)» Unterlassung (Art 39 I PGR)» Beseitigung (Art 39 I PGR)» Schadensersatz (Art 40 PGR: Verschulden;

Genugtuung nur gem gesetzlichen Spezialvorschriften; zB §§ 1325, 1329 ABGB)

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F. VertragsrechtI. Vertrag und allgemeine Rechtsgeschäftslehre

• ABGB, 17. Hauptstück«Von Verträgen und Rechtsgeschäften überhaupt«

• = Überschrift gem. LGBl 1976 Nr. 75 (Nachvollzug insb. der 3. Teilnovelle des ABGB, 1916)

• Schaffung einer allgemeinen Rechtsgeschäftslehre (nicht nur für das Schuldvertragsrecht!; vgl §§ 104ff dBGB) , aber ohne Eingriff in die Struktur des ABGB

• Vgl Art 7 ZGB!

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F. VertragsrechtII. Entstehung von Schuldverhältnissen, insb vertraglichen

• § 859 ABGBGesetz, Rechtsgeschäft oder erlittene Beschädigung

• Rechtsgeschäfteinseitig (Auslobung; §§ 860ff ABGB)zwei- oder mehrseitig (Vertrag; §§ 861ff ABGB)

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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F. Vertragsrecht• Vertrag

- Konsensprinzip (§§ 861 [Antrag] und 862 [Annahme] ABGB)

- Ausdrückliche oder stillschweigende (§ 863 I ABGB: «…keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen.») Willenserklärungen

- Bedeutung der «im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche» (§ 863 II ABGB)

- Insb: «tatsächliche» Annahme gem. § 864 I ABGB(vgl Art 6 OR)

- Insb: Übersendung nicht bestellter Ware, § 864 II ABGB(vgl Art 6a OR)

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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F. Vertragsrecht• zB OGH 2 CG. 2004.198

„Bereits die von der Klägerin [Anm: der Bank] geduldete Überziehung des Kontos durch die Beklagte war als deren konkludentes Angebot zum Abschluss eines Darlehensvertrages zu verstehen, welches von der Klägerin iS des § 864 ABGB (§ 864 öABGB) real angenommen wurde (vgl Canaris, Bankvertragsrecht2 Rz 2633; 697 [Anm: deutsche Literatur]; Iro in Avanzini-Iro-Koziol, Bankvertragsrecht I [1987] Rz 4/135 [Anm: österreichisches Literatur]).

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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F. Vertragsrecht• Insb. AGB bzw. „vorformulierte“ Klauseln

- Konsens hinsichtlich Einbezugs- Ungewöhnliche Klauseln (§ 864a ABGB)OGH 3 CG.2001.310„Die Ungewöhnlichkeit beurteilt sich nicht nur nach der tatsächlichen, sondern auch nach der redlichen Verkehrsüblichkeit; sie ist objektiv und entsprechend der Verkehrsüblichkeit beim betreffenden Geschäftstyp zu verstehen. Ob eine Klausel für den andern Vertragsteil nachteilig sei, beurteilt sich aus der Sicht eines redlichen Vertragspartners (bei Urkunden: aus der Sicht eines durchschnittlich sorgfältigen Lesers) bei Vertragsschluss, also objektiv ex ante. Die Abtretung von Gewährleistungsansprüchen erscheint, angesichts der durchaus (auch) üblichen gänzlichen Wegbedingung von Gewährleistungsansprüchen, weder unüblich noch objektiv nachteilig aus der Sicht eines redlichen Vertragspartners.“

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F. Vertragsrecht- Allgemeine Unklarheitenregel (§ 915 ABGB)OGH 3 CG.2001.310„Nach § 914 ABGB ist bei Auslegung von Verträgen nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdruckes zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Nach § 915 ABGB (2. Satz) wird bei zweiseitigen verbindlichen Verträgen eine undeutliche Äusserung zum Nachteil desjenigen erklärt, der sich derselben bedient hat. Nach Lehre und Rechtsprechung zum gleichlautenden § 915 des österreichischen ABGB hat diese Bestimmung erst einzugreifen, wenn die Ermittlung der (erklärten) Absicht der Parteien, unter Einschluss der - auch ergänzenden - Verkehrsübung, ohne eindeutiges Ergebnis geblieben ist. Oberste Auslegungsmaxime bleibt die Ermittlung dessen, was ein redlicher Erklärungsgegner als geäusserten Willen ansehen durfte und angesehen hat ... Das OG wie auch die Parteien nehmen übereinstimmend an, dass es hier der Auslegungshilfe von § 915 ABGB nicht bedarf.“

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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F. Vertragsrecht- Transparenzgebot, Art 8 III KSchGöOGH 2Ob1/09z „Das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG [Anm: Art 8 III FL-KSchG] verlangt …, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher durchschaubar sind (9 Ob 15/05d; 4 Ob 221/06p; 2 Ob 137/08y; RIS-Justiz RS0122169). Es soll eine durchschaubare, möglichst klare und verständliche Formulierung Allgemeiner Geschäftsbedingungen sicherstellen, um zu verhindern, dass der für die jeweilige Vertragsart typische Verbraucher von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird oder ihm unberechtigt Pflichten abverlangt werden …. Die Formulierung, der Leasinggeber habe aufgrund von Gewährleistungsansprüchen eingehende Zahlungen „hinsichtlich der Leasingberechnungsbasis zu berücksichtigen“ legt - unter Einbeziehung der Bestimmung, auf die verwiesen wurde - ausreichend offen, dass die „Berücksichtigung“ der Zahlungen zu geringeren Leasingraten des Leasingnehmers führen soll.“

→ kein Verstoss gegen das TransparenzgebotVerhältnis zu § 915 ABGB?

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F. Vertragsrecht- Missbräuchliche Klauseln (insb. § 879 III ABGB)öOGH 1Ob581/83„Führt aber die Geltungskontrolle nicht zur Ausschließung der beanstandeten Bestimmung, so ist in zweiter Linie gemäß § 879 Abs. 3 ABGB zu prüfen, ob die Vertragsinhalt gewordene, im Vertragsformblatt enthaltene Klausel eine gröbliche Benachteiligung eines Vertragsteiles mit sich bringt. ... Nach den Erläuterungen der Regierungsvorlage, 744 BlgNR 14. GP 46, sollten durch diese Generalklausel unfaire, vor allem in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmungen verhindert werden. …Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage aaO 46 treffen bei in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Vertragsformblättern enthaltenen Klauseln über Nebenbestimmungen des Vertrages oft zwei Momente zusammen: Einerseits die objektive Unbilligkeit der Bestimmung durch eine einseitige Verschiebung des vom Gesetz vorgesehenen Interessenausgleichs durch den Vertragsverfasser zum Nachteil seines Partners und eine "verdünnte Willensfreiheit" bei diesem Vertragspartner, durch die er Vertragsbestandteile zum Inhalt seiner Erklärung macht, die er nicht wirklich will…“

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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F. Vertragsrecht- Missbräuchliche Klauseln (insb. § 879 III ABGB)öOGH 1Ob581/83„In einem Fall, in dem dem Verwender des Vertragsformblattes die Möglichkeit, einen die Konventionalstrafe übersteigenden Schaden auf jeden Fall geltend zu machen, eingeräumt wurde, kommt es darauf an, ob sich die Höhe der Konventionalstrafe an jenem durchschnittlichen Schaden orientiert, der bei der in Betracht kommenden Vertragsverletzung nach der Schätzung eines redlichen Beobachters normalerweise eintritt; dieser wird insbesondere darauf abzustellen haben, welche Verlustquoten bei vorzeitiger Auflösung durchschnittlich (nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge) zu erwarten sind. … Für die in zweiter Linie durchzuführende Angemessenheitskontrolle kommt es aber entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichtes nicht darauf an, wie hoch der Schaden der klagenden Partei im konkreten Fall tatsächlich war. Das Regulativ für Fälle, in denen der Leasinggeber etwa durch besonders günstige Verwertung des zurückgestellten Fahrzeuges den Schaden geringer halten kann, als es durchschnittlich zu erwarten gewesen wäre, oder dadurch einen endgültigen Schadenseintritt sogar verhindert, ist erst in der Anwendung des richterlichen Mäßigungsrechtes nach § 1336 Abs. 2 ABGB zu erblicken. “

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F. Vertragsrecht- Missbräuchliche Klauseln (insb. § 879 III ABGB)Textvergleich zu Art 8 chUWG (Fassung seit 1.7.2012)

Unlauter handelt insbesondere, wer allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, die in Treu und Glauben verletzender Weise zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und den vertraglichen Pflichten vorsehen.

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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F. Vertragsrecht

• Klauselverbote in Art 8 I und II KSchG- Leitschnur auch für allgemeine Kontrolle nach § 879

III ABGB- fehlen im schweizerischen Recht

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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F. VertragsrechtIII. Nichtigkeitsgründe

• Formnichtigkeit (vgl § 886 ABGB)- Schenkungsversprechen (§ 943 ABGB); Bürgschaft (§

1346 II ABGB; Grundstückskauf, Art 37 SR)

• Verbots- und Sittenwidrigkeit (§ 879 I ABGB)insb. Wucher (§ 879 II 4 ABGB)

• Unmöglichkeit (§ 878 S 1 ABGB)- Teilnichtigkeit (§ 878 S 2 ABGB)- Cic (§ 878 S 3 ABGB)

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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F. Vertragsrecht• laesio enormis (Verkürzung über die Hälfte; § 934 ABGB;

zB OGH 05 CG. 2009.380)

• zB Vormieter A verkauft Nachmieter B Möbel zum Anschaffungspreis, deren gemeiner Wert weniger als 50% des Anschaffungspreises beträgt→ Vertragsaufhebung durch Klage oder Einrede des Verkürzten (Gestaltungsrecht)→ Vertragsaufrechterhaltung durch Ersetzungsbefugnis (Gegengestaltungsrecht)

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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F. VertragsrechtIV. Anfechtungsgründe•Täuschung (§ 870 I ABGB)•Drohung (§ 870 I, II ABGB)•Irrtum (§ 871 ABGB)-Voraussetzungen:-Erklärungs- oder Inhaltsirrtum (↔ Motivirrtum)-veranlasster, erkennbarer oder rechtzeitig aufgeklärter („res integra“) Irrtum→ keine Haftung des Irrenden iSv Art 26 OR/§ 122 BGB-+ hL/Rsp: beiderseitiger Irrtum-Anfechtung durch Klage oder Einrede [öRsp; str.]-rei vindicatio (Art 20 II SR) bzw Bereicherungsanspruch nach § 877 ABGB-ggf. Konkurrenz mit Gewährleistung (§§ 922 ff ABGB)

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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F. VertragsrechtBeispiel

A kauft von B ein Auto.

Variante 1: A meint, es handle sich um ein Auto mit Benzinmotor, tatsächlich aber hat es

einen Dieselmotor.Rechte des A?

Variante 2: B irrt in der Person des A. A hat das Auto bereits an C weiter verkauft.Rechte des B?

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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F. VertragsrechtV. Leistungsstörungsrecht

1.Unmöglichkeit

•Zufällig (§ 1447 ABGB)

-Leistungsbefreiung des Schuldners-Befreiung des Gläubigers von der Preisleistung (es sei denn: hat Verzug zu vertreten oder Gefahrübergang)-beachte: Gefahrübergang auch beim Kauf erst mit Übergabe des Kaufgegenstandes (↔ Art 185 I OR)-Ggf. Bereicherungsanspruch (§ 1447 S 3 ABGB)

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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F. Vertragsrecht• Von S zu vertreten (§ 920 ABGB; vermutetes

Verschulden nach § 1298 ABGB)- Austauschtheorie- Rücktritt mit Differenztheorie

= Wahlrecht des G= positives InteresseVgl. CH?

• Jedenfalls Anspruch auf stellvertretendes commodum (§ 1447 letzter Satz ABGB; § 7 ABGB; § 1041

ABGB)Vgl CH?

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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F. Vertragsrecht2. Verzug• Objektiver Verzug (§ 918 ABGB)

- Erfüllungsverlangen- Nachfrist und Rücktritt- ggf. Verzugszinsen (§ 1333 ABGB; beachte II = RL

2000/35/EG (Zahlungsverzug))• Subjektiver Verzug

- Erfüllung + Verspätungsschaden (bei Zinsen § 1333 III ABGB)

- Rücktritt + Nichterfüllungsschaden (§ 921 ABGB; ggf. Bereicherungsanspruch, § 921 S 2 ABGB)

- Kein „Verzicht“ auf die Leistung + Nichterfüllungsschaden (aA ältere öRsp; vgl Art 107 II OR)

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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F. Vertragsrecht3. Schlechterfüllung/Gewährleistung

• Allgemeines Gewährleistungsrecht für entgeltliche Verträge (§ 922 ff ABGB (ggf. analog) + § 1155 ABGB ↔ CH)

• Inhaltlich von RL 99/44/EG (Verbrauchsgüterkauf) beeinflusst - liechtensteinische Umsetzung (LGBl 2002 Nr 165) folgt der österreichischen

• Sondervorschriften für Handelskauf (Art 347 ff AHGB)

• Für Konsumentengeschäfte zwingend (Art 11 KSchG)

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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F. Vertragsrecht• Mängel

- Rechtsmangel (vgl § 923 ABGB: „…fremde Sache als die seinige veräussert…“)

- Sachmangel (§§ 922, 923 ABGB)o Gewöhnliche Eigenschafteno Zugesicherte Eigenschafteno Insb. Werbung (Verkäufer, Hersteller und

Importeur; § 922 II ABGB)- Mangel im Zeitpunkt der Übergabe/Gefahrübergang

(§ 924 S 1 ABGB) + Vermutung bei Entdeckung binnen 6 Monaten (§ 924 S 2 ABGB)

- ausg. „in die Augen fallende Mängel…“ (§ 928 ABGB)

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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F. Vertragsrecht• Rechtsbehelfe (§ 932 I ABGB)- Umtausch- Behebung- Preisminderung- Wandlung (ausg. geringfügige Mängel, § 932 IV S 1

ABGB)• Übergeber hat grundsätzlich „2. Chance“ (§ 932 II

ABGB) → Rangfolge der Rechtsbehelfe; im Übrigen aber zur Wahl des Käufers

• Verjährung (§ 933 ABGB)- 2 Jahre, bei unbeweglichen Sachen 3 Jahre- nach Mangelrüge: Perpetuierung der Einrede- (keine Rügepflicht; vgl Art 201 I OR)

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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F. Vertragsrecht• Schadensersatz (§ 933a ABGB)- Haftung aus vermutetem Verschulden (§ 933a III ABGB;

§ 1298 ABGB)- umfasst auch den Mangel selbst („Mangelschaden“; §

933a II ABGB)- sowie Mangelfolgeschaden (§ 933a I ABGB)

→ Vgl CH: „Papageienfall“ (BGE 133 III 257 zu Art 208 II, III OR)) – Unterschiede?

• Händlerregress (§ 933b ABGB) auch bei Verjährung der Gewährleistungsansprüche gegen Hersteller

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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F. Vertragsrecht4. pVV

• Insb für Sanktionierung von Nebenpflichtverletzungen• = Lückenfüllungsfunktion

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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F. VertragsrechtVI. Typisierte Verträge• Schenkung (§§ 938 – 956 ABGB)

• Verwahrung (§§ 957 – 970c ABGB)

• Leihe (§§ 971 – 982 ABGB)

• Darlehen (§§ 983 – 1001 ABGB)

• Auftrag (§§ 1002 – 1044 ABGB), inkl:- Vollmacht- GoA (§§ 1035 – 1040 ABGB)- Verwendungsanspruch (§§ 1041 – 1044 ABGB)

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F. Vertragsrecht• Tausch (§§ 1045 – 1052 ABGB)

• Kauf (§§ 1053 – 1089 ABGB)

• Bestandverträge (§§ 1090 – 1121)

• Werkvertrag (§§ 1151 – 1173 ABGB)

• Arbeitsvertrag (§ 1173a, Art 1 – 113 ABGB)

• Ehepakte (§§ 1217 – 1265 ABGB)

• Glücksverträge (§§ 1267 – 1292 ABGB)

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F. Vertragsrecht1. Insb.: Schenkung

a) auf den Todesfall (§ 956 ABGB)

• Vermächtnis oder Rechtsgeschäft unter Lebenden?• Bedeutung insb. (aber nicht nur) für Formpflicht• Kriterien des § 956 ABGB, insb. Widerrufsverzicht• Vgl. Art 245 II OR

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F. Vertragsrechtb) Anrechnung beim Pflichtteil (§ 785 ABGB)

• Auf Verlangen eines Pflichtteilsberechtigten

• Schenkung wird in Nachlass eingerechnet (→ Pflichtteil erhöht sich)

• Gilt für Schenkungen an nicht pflichtteilsberechtigte Personen nur wenn innerhalb der letzten 2 Jahre vor dem Tod des Schenkers erfolgt

• Zeitpunkt bei Zuwendung an Stiftung?→ sobald Stiftung unwiderruflich geworden ist! (hL)

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F. Vertragsrechtc) Anfechtung durch Pflichtteilsberechtigten (§ 951 ABGB; insb. iVm Art 552, § 38 PGR; § 29 V IPRG)• Anrechnung nach § 785 ABGB (Frist!) vorausgesetzt• Nachlass reicht nicht aus, um (erhöhten) Pflichtteil zu

bedecken• Beschenkter muss Geschenk herausgeben oder

Fehlbetrag zahlen

• Gilt auch für Zuwendungen an Stiftungen (Art 552, § 38 PGR)

• gem. Art 29 V IPRG nur wenn Anfechtung sowohl nach Erb- als auch nach Zuwendungsstatut möglich ist (Kumulativanknüpfung; Reaktion zu OGH 1 Cg 145/99-74)

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F. Vertragsrecht2. Insb.: fiduziarische Treuhand (Auftrag) - Trust• Typischer Sachverhalt:

A überlässt Treuhänder Geld. Treuhänder errichtet Anstalt oder erwirbt Gründerrechte an einer Anstalt.

• Frage: Ist Treuhänder Trustee iSd Art 897ff PGR (Trust) oder fiduziarischer Treuhänder (indirekter Stellvertreter iSd Auftragsrechts, §§ 1002 ff ABGB, § 34 III SchlAPGR)?• Insbesondere: „vermutetes Treuhandverhältnis“ iSv Art

898 PGR?• Neue Rechtsprechung (OGH 5 C 303/98-53):

fiduziarische Treuhand

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F. Vertragsrecht• Rsp (alt)„Wie immer also in diesen (in § 34 Abs 3 SchlAPGR angeführten Fällen) ein Vertrag benannt oder der Parteiwille konkret gestaltet wird, so erlangen die Grundsätze des liechtensteinischen Treuhandrechts letztlich immer dann Geltung, wenn die getroffene Abmachung darauf hinausläuft, dass Vermögensbestandteile des einen Vertragspartners auf den anderen Vertragspartner zu einer Geschäftsbesorgung im Interesse des Erstgenannten übertragen werden.“

• Rsp (neu), insb:- alte Rsp widerspricht § 34 Abs 3 SchlAPGR- widerspricht auch Art 898 PGR (Vermutetes

Treuhandverhältnis)

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F. Vertragsrecht3. Kauf• Regelung im Anschluss an Tausch (§§ 1045 – 1052

ABGB) und Verweise vom Kauf- auf das Tauschrecht (insb § 1066 ABGB; Exkurs: vgl im Kontext auch Verweis in § 1088 ABGB)

• Kein CISG• Definition: § 1053 ABGB • Abnahmepflicht des Käufers: regelmässig nur

Obliegenheit (§ 1062 ABGB)• Einrede des nicht erfüllten Vertrags sowie

Unsicherheitseinrede gem. § 1066 iVm § 1052 ABGB (sowie über das KaufR hinaus reichende Analogie!; vgl Art 82, 83 OR))

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F. Vertragsrecht• Rügepflicht nur beim Handelskauf (Art 347f ADHGB)• Gefahrtragung

- Zeitpunkt der Übergabe der Kaufsache (§ 1064 iVm §§ 1048 – 1051 ABGB)

- Kaufpreis als „Geldschuld“ = qualifizierte Schickschuld (§ 905 II ABGB; für alle Geldschulden!)

• Eigentumsvorbehalt- Grundsatz: Übergabe des Eigentums hängt nicht von

Bezahlung des Kaufpreises ab (§ 1063 ABGB)- Eigentumsvorbehalt: aufschiebend, durch

Kaufpreiszahlung bedingte Übereignung (dingliches, kausales Verfügungsgeschäft)

- Kein EV-Register (aufgehoben durch LGBl 2008 Nr 139)

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F. Vertragsrecht4. Konsumenten(kauf)verträge• KSchG + Nebengesetze (zB KKG; TNG)• zB einheitlicher Konsumentenbegriff (Art 1 KSchG)

- Konsument = schliesst Geschäft als Nicht-Unternehmer (Art 1 I b KSchG)

- Unternehmer = unternehmensbezogenes Geschäft; Unternehmen = „jede auf Dauer angelegte Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein“ (Art 1 II KSchG)

• Auch Vorbereitungsgeschäfte natürlicher Personen (Art 1 III KSchG)

• auch juristische Personen des Privatrechts (ideeller Verein; Privatstiftung? → Bedeutung für Schiedsklauseln!)

• Verhältnis zum europäischen Verbraucherbegriff? (RL/EuGH)

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F. Vertragsrecht• Rücktrittsrecht bei „Haustürgeschäften“ und „Kaffeefahrten“

(Art 4 ff KSchG; vgl. Art 40a – 40f OR) und bei bestimmten Irrtümern (Art 5 KSchG)

• „Vertrauenshaftung“ (Erfüllung!) bei Gewinnzusagen (Art 7a KSchG)

• Unzulässige Vertragsbestandteile (Art 8 KSchG; zB lit e, f, n)

• Gewährleistung weitgehend zwingend (Art 11 KSchG)• Mindestregeln für Garantiezusagen (Art 13 KSchG)• Weitgehender Ausschluss von Vollmachtsbeschränkungen

und Formvorbehalten (Art 15 KSchG)• Kündigungsrechte bei Verträgen über „wiederkehrende

Leistungen“ (Art 20 KSchG)

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F. Vertragsrecht• Insb: Abzahlungsgeschäfte (Art 21 ff KSchG) und

Konsumkredite (KKG)- Beschränkung von Terminsverlustklauseln (Art 17

KSchG; gilt auch ausserhalb des Abzahlungsgeschäfts)- Begriff des Abzahlungsgeschäfts (Art 21 KSchG)- Ratenbrief (Art 29 KSchG)- Gewährleistungsfrist bis Fälligkeit der letzten Teilzahlung

(Art 28 KSchG)- Einwendungsdurchgriff (Art 23 KSchG) bzw.

Freistellungsverpflichtung (Art 24 KSchG) bei Drittfinanzierung

• Erweiterung des Schutzes durch KKG 2011 („effektiver Jahreszins“!), FAG 2002 und TNG 2012 (RL-Umsetzung!)

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F. Vertragsrecht5. Werkvertrag (§§ 1151 ff ABGB)• Begriff (§ 1151 I ABGB)• Insb. Werklieferungsvertrag im Zweifel Kauf (§ 1154 ABGB;

vgl. Art 3 CISG ↔ Art 365 OR)• Sphärentheorie nach § 1156 ABGB (Unterbleiben der

Werkherstellung aus Gründen in der Sphäre des Bestellers)

• Insb: Warnpflicht des Werkunternehmers bei Untauglichkeit des Stoffes (§ 1157 ABGB)

• Kostenvoranschlag- Grundsatz: § 1159 ABGB- Aber: Art 7 KSchG

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F. Vertragsrecht6. Auftrag (§§ 1002 ff ABGB)

• Begriff (§ 1002 ABGB) → nur Rechtshandlungen!

• Faktische Handlungen = Werkvertrag oder freier Dienstvertrag (vgl zur Abgrenzung § 1173a, Art 1 ff ABGB)

• Insb. „Auftrag auf den Todesfall“ (vgl § 1022 ABGB)Problem: im Verhältnis zum Begünstigten = Schenkung → Form/Heilung - § 1432 ABGB?

• Abgrenzung: fiducia – Trust (Art 897 ff PGR) [↑]

• Anspruch auf Aufwendungs- und Schadensersatz, § 1014 ABGB

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F. Vertragsrecht7. Exkurs: Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 1035 ff ABGB)• Begriff

„eigenmächtige Besorgung der Angelegenheiten eines anderen in der Absicht, dessen Interessen zu fördern“

• Einteilung- notwendige (§ 1036 ABGB) → erfolgsunabhängiger

Aufwendungsersatz + Schadensersatz (§ 1014 ABGB)- nützliche (§ 1037 ABGB) ) → erfolgsabhängiger

Aufwendungsersatz- unnütze (§ 1038 ABGB) bzw unerlaubte (§ 1040 ABGB)

→ kein Aufwendungsersatz sondern Wegnahmerecht;

evtl. Schadensersatz (§ 1311 S 2 Alt 3 ABGB)- angewandte (zB Verweis in § 1097 ABGB)- unechte (kein Fremdgeschäftsführungswille; str.)Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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F. Vertragsrecht8. Vollmacht und Stellvertretung • Vollmacht und Auftrag = „Bevollmächtigung“ iSd ABGB (§§

1002 ff ABGB• Lehre und Rsp differenzieren:

- Auftrag regelt Innenverhältnis (das „Dürfen“)- Vollmacht regelt Aussenverhältnis (das „Können“)

• Rechtsgeschäftliche Vollmacht = einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung an Gewalthaber oder Dritten→ Innen- oder Aussenvollmacht

• Umfang der Vollmacht- Privatautonomie des Vollmachtgebers- Erfordernis der Spezialvollmacht nach § 1008 ABGB

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F. Vertragsrecht- typisierte Vollmachten (insb. Prokura, Handlungs- und

Ladenvollmacht, Art 47ff ADHGB, §§ 36 ff SchlAPGR)• „vermutete“ Vollmacht des Verwalters (§ 1029 ABGB)

sowie „stillschweigende“ Bevollmächtigung des Ladendieners (§§ 1027, 1030 ABGB; vgl auch Art 50 ADHGB) etc→ Grundlage für allgemeine „Anscheins-“ und „Duldungsvollmacht“

• falsus procurator- Genehmigung durch Vertretenen möglich (vgl § 1016

ABGB)- rechtzeitige Aufklärung iSv § 871 ABGB?- Sonst: Haftung des falsus procurator aus cic

(Vertrauensschaden)

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F. Vertragsrecht• Verbot des „Insichgeschäfts“ (§ 277 I 2 und II ABGB

analog)• Vollmachtsmissbrauch (vgl Rechtsmissbrauchsverbot - §

1295 II ABGB)• Abgrenzungen

- Geschäft für den, den es angeht- indirekte Stellvertretung

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F. Vertragsrecht9. Darlehen (§§ 983 ff ABGB)• Abgrenzung zu Leihe (§§ 971 ff ABGB) und Miete (§§ §§

1090 ff ABGB)• Realvertrag; § 983 S 2 ABGB: „Er ist mit dem, obgleich

ebenfalls verbindlichen Vertrage (§ 936), ein Darlehen künftig zu geben, nicht zu verwechseln.“

• Krediteröffnungsvertrag ist aber als konsensualer Vertrag anerkannt

• Insb.: Konsumkredit gem. KKG!

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F. VertragsrechtVII. Ausgewählte Fälle der Drittbeteiligung1. Zession (§§ 1392 ff ABGB)• Gläubigerwechsel durch Abtretung eines Rechts• alle Vermögensrechte

- Forderungen- Gründerrechte an Anstalten (OGH 06 CG.1991.373;

OGH 2 C 209/96-145): (auch) Vermögensrechte- nicht: Stifterrechte, vgl OGH 1 Cg 378/99-50:

„Statutenänderungsrecht handelt es sich um ein höchstpersönliches, kein der rechtsgeschäftlichen Übertragung und/oder Vererbung zugängliches Recht des Befugnisträgers. Der Stifter kann das ihm nach den Statuten zukommende Statutenänderungsrecht nicht von seiner Person und seiner Stellung als Stifter abspalten und losgelöst von dieser Rechtsposition weiter übertragen oder vererben“. [aber: Vertretung möglich]

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F. Vertragsrecht• Verfügungsgeschäft und zwar kausal; Rechtsgrund:

- Kauf- Auftrag (indirekte Stellvertretung – Gründerrechte!)- Sicherungsabrede („Sicherungszession“)

• kein gutgläubiger Erwerb (ausg: § 916 II ABGB)• formfrei (↔ Art 165 OR)

- Ausnahme: Sicherungszession (Publizitätsakt; so FL-OGH unter Verweis auf öOGH)

- Ausnahme: formpflichtiges Grundgeschäft (Schenkung; so FL-OGH)

- Ausnahmen: Existenz einer Blankozessionsurkunde (Übergabe, nicht aber Vervollständigung der Urkunde; FL-OGH)

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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F. Vertragsrecht• Zession lässt auch Nebenrechte übergehen

(Sicherheiten!)

• Spezielles Gewährleistungsrecht (§§ 1397 ff ABGB)- Nur bei entgeltlicher Zession- Haftung für

o Richtigkeit undo Einbringlichkeit

- Haftungsbegrenzung: Entgelt• + Verschulden: Schadenersatz

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F. Vertragsrecht2. Vertrag zugunsten Dritter (vgl § 881 ABGB)• ob unmittelbares Forderungsrecht des Dritten begründet

wird (echter Vertrag zugunsten Dritter), ist eine Auslegungsfrage (§ 881 II ABGB)

• Beispiele:- Transportvertrag (Absender und Transporteur

zugunsten des Empfängers)- Unterhaltszusage des Vaters in Scheidungsvergleich

mit Mutter zugunsten eines gemeinsamen Kindes- Pensionsvertrag zwischen Dienstgeber und

Dienstnehmer (auch) zugunsten von Familienangehörigen

- Versicherung für fremde Rechnung und Lebensversicherung mit Bezugsrecht eines Dritten

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F. Vertragsrecht• Insb: Lebensversicherung zugunsten Dritter (Art 74 ff

VersVG)- Insb. seit EWR-Beitritt: grosse Bedeutung in Form der

„fondsgebundenen“ Lebensversicherung mit Einmal-prämie

- häufig grenzüberschreitender Vertrieb → gem. IVersVG kommt regelmässig ausländisches Recht (und daher nicht das VersVG) zur Anwendung

- einseitiges Bestimmungsrecht betr. Begünstigten des VN (häufig: „geteiltes Bezugsrecht“ für Erlebens- und Todesfall)

- widerruflich oder unwiderruflich → direktes Forde-rungsrecht des Begünstigten

- Unwiderruflichkeit: schriftlich in Police und deren Aushändigung! (Art 75 II VersVG)

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F. Vertragsrecht- Widerruf auch nach Tod der Gefahrsperson möglich

(OGH 01 CG.2008.156)- Insolvenz: Art 77 VersVG- Insolvenzschutz (Art 77 ff VersVG)

o internationale Anwendbarkeit?o Gegenmodell: Versicherungsnahme über

liechtensteinische Verbandsperson (zB Anstalt, Stiftung) - Art 78 VersVG unanwendbar, Insolvenzschutz über Verselbständigung des VN

• Begünstigungsregelung einer Stiftung ist kein Vertrag zugunsten Dritter, sondern stiftungsrechtliche Begünstigung

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F. Vertragsrecht3. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter• Parteiwille ergibt kein Forderungsrecht des Dritten,

jedoch Schutzwirkungen zu seinen Gunsten• Funktion: Verstärkung des deliktsrechtlichen

Rechtsgüterschutzes • Voraussetzungen

- Leistungsnähe des Dritten- Dritte in der Interessensphäre des Vertragspartners- Für Schuldner der Schutzpflichten erkennbar

• Folge: Haftung aus Vertrag → u.a. Erfüllungsgehilfenhaftung (§ 44 SchlAPGR)

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F. Vertragsrecht

4. Garantie (vgl. § 880a S 2 ABGB)

• Abgrenzung zur Verwendungszusage (S 1)

• Zweipersonale oder dreipersonale Garantie

• Abstrakte (dreipersonale) Garantie möglich

• Formpflicht nach § 1346 II ABGB (Form der Bürgschaftserklärung gem. öOGH; vgl. aber Art 317 ADHGB)

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G. SchadenersatzrechtI. Grundlagen

• Grundsatz: Verschuldenshaftung (§§ 1293 ff ABGB; vgl § 1311 ABGB)

• Ausnahme: Kausalhaftung („Gefährdungshaftung“?!; Sondergesetze)

• Einheitliche Regelung von Haftung aus Delikt und Haftung aus Verletzung eines Schuldverhältnisses (insb. Vertrag) – vgl. § 1295 I

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G. SchadenersatzrechtII. Generalklausel (§ 1295 ABGB)

• Haftung für schuldhaft rechts- (deliktisches oder vertragswidriges, I) und absichtlich sittenwidriges (II) Verhalten

• hL: deliktischer Schutz erstreckt sich nicht auf das „reine“ Vermögen

→ Rechtswidrigkeit setzt Eingriff in ein absolut geschütztes Rechtsgut oder Verletzung einer Schutznorm (§ 1311 S 2 ABGB) voraus

→ ggf. Drittschadensliquidation (analog § 1358 ABGB etc; Legalzession)

• „reines Vermögen“ nur im Rahmen vertraglicher Haftung, Haftung für Schutzgesetzverletzung oder absichtlich sittenwidriger Schädigung geschützt

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G. Schadenersatzrecht• Haftungsvoraussetzungen

- Rechtswidrigkeit [↑] + Rechtswidrigkeitszusammenhang (insb: Schutzgesetz; zB Parkverbot)

- Verschulden- Kausalität- Schaden

• Insb. Verschulden- Fahrlässigkeit (leicht/grob) und Vorsatz (direkter oder

bedingter)- „Unschuldsvermutung“ - § 1296 ABGB- vermutetes Verschulden bei Vertragsverletzung (§

1298 ABGB) und Schutzgesetzverletzung (§ 1311 S 2 ABGB)

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G. Schadenersatzrecht• Exkurs: Zurechnung von Verschulden

- Erfüllungsgehilfe (§ 44 SchlAPGR) – volle Zurechnung

- Besorgungsgehilfe (§§ 1313 ff, insb § 1315 ABGB)o untüchtigo wissentlich gefährlich

• Insb. Kausalität- Natürliche (conditio sine qua non)- Adäquate (zB OGH 09 CG.2007.43: adäquate

Verursachung psychischer Unfallfolgen; dem BGer folgend!)

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G. Schadenersatzrecht• Schaden

- jeder Nachteil an „Vermögen, Rechten oder seiner Person“ (§ 1293 S 1 ABGB) = positiver Schaden

- ↔ entgangener Gewinn (§ 1293 S 2 ABGB) ↔ § 35 II SchlAPGR (!)- ↔ immaterieller SchadenPositiver Schaden + Gewinn (+ immaterieller Schaden) = volle Genugtuung

• Schadenersatz (§§ 1323, 1324 ABGB); Grundsatz:- Schadloshaltung (bei jedem Verschuldensgrad)- Volle Genugtuung (ab grober Fahrlässigkeit;

immaterieller Schaden aber nur in ausdrücklich aufgezählten Fällen; wohl h.L.?!)

Heiss Liechtensteinisches Privatrecht

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G. Schadenersatzrecht• Haftung ohne Verschulden (bzw mit Umkehr der

Beweislast hinsichtlich des Verschuldens) im ABGB- Billigkeitshaftung Deliktsunfähiger (§ 1310 ABGB;

Bestehen einer freiwilligen Haftpflichtversicherung!)- Billigkeitshaftung für Notstandsschädigung (§ 1306a

ABGB) - „Klage aus Wurf und Guss“ (§ 1318 ABGB; Wasser!)- Haftung für Bauwerke (§ 1319 ABGB; analog für

Dachlawinen!)- Haftung für Tiere (§ 1320 ABGB)

• Im Übrigen: Sondergesetze (SVG; PHG)

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H. Bereicherungsrecht• Leistungskondiktionen

- Condictio indebiti (§ 1431 ABGB)- Condictio sine causa (§ 877 ABGB)- Condictio causa finita (§ 1435 ABGB; zB Rücktritt vom

Vertrag wegen Verzugs ↔ Art 109 I OR!)- Condictio causa data causa non secuta (§ 1435

analog; Ausnahme: Gaunerlohn, § 1174 I 1 ABGB)- Condictio ob turpem vel iniustam causam (§ 1174 I 3

ABGB)• Nicht-Leistungskondiktionen

• Verwendungsanspruch (§ 1041 ABGB)- Verwendung einer (fremden) Sache zum Nutzen

eines anderen

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H. Bereicherungsrechto Bsp: fremdes Brennmaterial wird verheizt;

abgetretene Forderung wird vom Zedenten beim gutgläubigen Schuldner eingezogen

o Subsidiarität gegenüber GoA und Leistungskondiktion

- Aufwand für einen anderen (§ 1042 ABGB)o Im dreipersonalen Verhältniso Bereicherte wird durch Leistung des Entreicherten

an einen Dritten von Leistungspflicht freio zB vermeintlicher Vater zahlt Unterhalt

- Anspruch aus Aufopferung (§ 1043 ABGB)o = lex Rhodia de iactuo zB Fahrer lenkt Auto gegen Baum, um das Leben

eines auf die Strasse laufenden Kindes zu retten

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I. Erbrecht1. Grundbegriffe• Regelung der Rechtsnachfolge von Todes wegen (Erbe =

Universalsukzessor, § 547 ABGB) = Erbrecht im objektiven Sinne

• absolutes Recht, die Verlassenschaft in Besitz zu nehmen = Erbrecht im subjektiven Sinne (§ 532 ABGB)

• Grundsätze: Testierfreiheit (testamentarische Erbfolge), Familienerbfolge (gesetzliche Erbfolge) und Pflichtteile

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I. Erbrecht

• Erbanfall = Tod des Erblassers (§ 536 ABGB)↔ Erbschaftserwerb durch Erbantritt (bedingt/unbedingt gerichtliche Einantwortung (§ 797 ABGB; Verlassenschaftsverfahren gem. Art 143 ff AussStG)

• Vorangehender Erbverzicht (§ 551 ABGB; auch Pflichtteil) - im Vorhinein möglich- Vertrag zwischen Erblasser und Begünstigtem- gerichtliches Protokoll

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I. Erbrecht

2. Nachlass (Verlassenschaft; § 531 ABGB)• = vermögensrechtliche Rechte und Pflichten („…nicht in

bloss persönlichen Verhältnissen…“)• Nicht: Persönlichkeitsrechte, Familienrechte, i.Zw.

persönliche Dienstbarkeiten• Nicht: Unterhaltsrecht ↔ Unterhaltspflicht gegenüber Kind

sowie gegenüber Ehegatten (§ 796 ABGB) geht auf Erben bis zum Wert der Verlassenschaft über

• Auftrag und Vollmacht (§ 1022 ABGB) erlöschen i.Zw. mit Tod des Machtgebers oder Machthabers

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I. Erbrecht

3. Erbanfall• Berufung (Delation) zum Erben durch Testament,

Erbvertrag oder Gesetz (§ 533 ABGB)• Erbe muss Tod des Erblassers (Erbanfall) erleben (keine

Transmission vor Erbanfall; danach gemäss §§ 537, 809 ABGB)

• Ausnahme: nasciturus unter der Bedingung späterer Lebendgeburt (§ 22 ABGB)

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I. Erbrecht

4. Erbantritterklärung (§§ 799, 800 ABGB)• ↔ Ausschlagung (§ 805 ABGB)• unbedingt: Erbe rückt in Aktiven und Passiven des

Erblassers ein (§ 801 ABGB)• bedingt: „Rechtswohltat des Inventars“ (§ 802 ABGB;

unverzichtbar gem. § 803 ABGB) – Erbe haftet für Schulden nur mit Verlassenschaft

• widersprechende Erbantrittserklärungen (Erbrechtsstreit)→ Nachlassgericht stellt „besten“ Erben fest→ Nachlassgericht weist andere

Erbantritterklärungen ab

→ Nachlassgericht antwortet besten Erben ein

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I. Erbrecht

5. Erbschaftsklage (§ 823 ABGB)• Klage des besseren Erben gegen den eingeantworteten

auf Abtretung der Erbschaft• Erbe tritt in die Erbschaft ein• Gutgläubiger Erwerb vom Scheinerben möglich

(entgeltlich und unentgeltlich; § 824 letzter Satz ABGB)

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I. Erbrecht6. Gesetzliche Erbfolge (§§ 727 ff ABGB)• soweit Erblasser nicht per letztwilliger Verfügung über

Vermögen verfügt hat (§ 727 ABGB)• gesetzliche Erben: Ehegatte/eingetragener Lebenspartner

und Verwandten der nächsten Linie (Parentel); § 730 ABGB• Linien

- 1. Linie: Kinder (nach Köpfen) und deren Nachkommen (Repräsentation)

- 2. Linie: Eltern (nach Köpfen) und deren Nachkommen (Repräsentation)

- 3. Linie: Grosseltern (nach Köpfen) und deren Nachkommen (Repräsentation)

- 4. Linie: Urgrosseltern (nach Köpfen) ohne Repräsentation

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I. Erbrecht7. Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten (§ 757 ABGB)• Ehe muss bei Erbanfall bestehen • Anteil hängt von Parentel ab, die erbt

- neben Erben der 1. Linie: 1/2 (Ö: 1/3 ) - neben Eltern und Geschwistern sowie Grosseltern: 2/3- übrige Fälle: 1/1

• zusätzlich (vorrangiges) Vorausvermächtnis (§ 758 ABGB)- Wohnrecht an Ehewohnung- Möbel, Teppiche, Bilder, Haushaltsgegenstände= Damnations- und nicht Vindikationslegat

• Unterhaltsanspruch (§ 796 ABGB; geht Gläubigern und Pflichtteilen nach)

• ACHTUNG: kein ehegüterrechtlicher Auseinandersetzungsanspruch!

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I. Erbrecht8. Pflichtteilsrechte• Berechtigte = Nachkommen, falls nicht vorhanden:

Vorfahren, und Ehegatte/eingetragener Partner (§ 762 ABGB)

• Kinder und Ehegatte: 1/2 des gesetzlichen Erbteils (§ 765 I ABGB; bei Ehegatten uU Verdoppelung gem § 765 II ABGB)

• Vorfahren: 1/3 des gesetzlichen Erbteils (§ 766 ABGB)• ggf. Pflichtteilsminderung auf die Hälfte nach § 773a ABGB

(nicht bei Ehegatten)• in Form eines Erbteils oder Vermächtnisses (§ 774 ABGB)• Pflichtteilsklage gegen Nachlass bzw. Erben (s §§ 775 ff

ABGB)• Schenkungsanrechung und –anfechtung [↑]

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I. Erbrecht9. Letztwillige Verfügungena. Testament• durch einseitige, nicht empfangsbedürftige

Willenserklärung• muss Erbeinsetzung enthalten• falsa demonstratio non nocet!• Bedingungen, Befristungen oder Auflagen möglich• Erweiterte Anfechtung wegen Irrtums: jeder erhebliche

Irrtum (§ 570 ABGB), auch Motivirrtum (§ 572 ABGB)→ Anfechtungsberechtigter: wer nach erfolgreicher Anfechtung Erbe ist

• widerruflich (einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung; auch bei gemeinsamem Testament der Ehegatten - § 583a ABGB)

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I. Erbrecht• Formen

- gerichtlich (§ 587ABGB)- eigenhändig ge- und unterschrieben (§ 578 ABGB)- schriftlich mit 3 Zeugen, davon 2 Zeugen zugleich

gegenwärtig (§ 579 ABGB)→ Nichtigkeit nach § 601 ABGB

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I. Erbrechtb. Vermächtnis (Legat)• durch einseitige, nicht empfangsbedürftige

Willenserklärung• Vermächtnis ist keine Erbeinsetzung• häufig: einzelner Vermögenswert (zB Sache)• Form letztwilliger Verfügungen• widerruflich (einseitige, nicht empfangsbedürftige

Willenserklärung; auch bei gemeinsamem Testament der Ehegatten - § 583a ABGB)

• Damnations-, nicht Vindikationslegat• Bei Vermächtnis an Erben: i.Zw. Hinein- und nicht

Vorausvermächtnis• Vermächtnis-/Legatsklage• Evtl. Nachlassabsonderung gem § 812 ABGB

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I. Erbrechtc. Erbvertrag (§§ 602 ff ABGB)• durch Konsens der Vertragsparteien (Vertragsbindung!)• Erbeinsetzung (§ 602 I ABGB; ansonsten:

Vermächtnisvertrag; § 602e ABGB)• einseitige, wechselbezügliche und Dritteinsetzung (§ 602 II

ABGB) möglich• Form letztwilliger Verfügungen (§ 602 III ABGB)• Bindung hindert Parteien nicht, lebzeitig über ihr Vermögen

frei zu verfügen (§ 602b ABGB)• unwiderruflich, ausg (§ 602d)

- Enterbung (§§ 768 ff ABGB)- Grober Undank (§ 948 ABGB)- Ehegatten: Scheidung, Auflösung oder Ungültigerklärung

der Ehe; bei (nur ) Aufhebung der Lebensgemeinschaft → Widerrufsrecht

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