1 vortrag: histrionische störungen berlin 4.11.2006 dr. med. dipl.-psych. r. d. trautmann praxis...
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Vortrag: Histrionische StörungenVortrag: Histrionische StörungenBerlin 4.11.2006Berlin 4.11.2006
Dr. med. Dipl.-Psych. R. D. Trautmann
Praxis für Psychotherapeutische Medizin Landsberg
Tel. 08191/6574070
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Gliederung
I. Verhaltenstheoretische Sichtweisen von Persönlichkeit1. Das transaktionale Modell von Lazarus2. Die biosoziale Lerntheorie von Millon
II. Was ist Verhaltenstherapie?
III. Verhaltenstherapeutisches Vorgehen bei histrionischen und passiv-aggressiven Persönlichkeitsstörungen
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Was antworten „Psycho“- Professoren auf die Frage:Was antworten „Psycho“- Professoren auf die Frage:
Was ist eine Persönlichkeitsstörung?
Der Paranoide: Das ist eine Fangfrage.
Der Schizoide: Damit will ich nichts zu tun haben.
Der Schizotype: Die wurden von einem UFO eingeschleppt.
Der Antisoziale: Was zahlen Sie für die Antwort?
Der Narzisstische: Haben Sie meine Veröffentlichungen darüber nicht gelesen?
Der Histrionische: Darüber könnte ich Ihnen einen langen Vortrag halten.
Der Borderliner: Die DBT sagt, das kann man so oder so sehen.
Der Ängstlich-vermeidende Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich die 100 % korrekte Definition weiß
Der Dependente: Also, DSM-IV definiert sie so...
Der Zwanghafte: DSM-IV interessiert überhaupt nicht, bei uns gilt nur ICD-10
Der Passiv-aggressive: Das ist eine gute Frage.
Der Depressive: Was soll man sich mit Definitionen aufhalten, ändern kann man sie sowieso nicht.
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Grundsätzliche Kriterien für die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung
DSM IV ICD 10
Merkliche Abweichung in Denken, Affektivität, Beziehungsgestaltung oder Impulskontrolle von der Umgebung
Deutliche Unausgeglichenheit in den Einstellungen und im Verhalten in mehreren Funktionsbereichen wie Affektivität, Antrieb, Impulskontrolle, Wahrnehmen und Denken sowie in den Beziehungen zu anderen
Dieses Muster ist in einem weiten Bereich persönlicher und sozialer Situationen unflexibel und tiefgreifend
Das abnorme Verhaltensmuster ist tiefgreifend und in vielen persönlichen und sozialen Situationen eindeutig unpassend
Es führt in klinisch bedeutsamer Weise zu Leiden oder zu Beein-trächtigungen in sozialen, beruf-lichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen
Die Störung führt zu deutlichen subjektiven Leiden, manchmal erst im späteren Verlauf. Die Störung ist meistens mit deutlichen Ein-schränkungen der beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit verbunden
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Grundsätzliche Kriterien für die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung
DSM IV ICD 10
Das Muster ist stabil und langdauernd und sein Beginn kann zumindest bis zur Adoleszenz oder bis zum frühen Erwachsenenalter zurückverfolgt werden
Die Störungen beginnen immer in der Kindheit oder Jugend und manifestieren sich auf Dauer im Erwachsenenalter
Das Muster kann nicht besser als Manifestation oder Folgeerscheinung einer anderen psychischen Störung erklärt werden
Das abnorme Verhaltensmuster ist andauernd und nicht auf Episoden psychischer Krankheiten begrenzt
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Der Weg zur Diagnose
Anamnese
Symptome
VerdachtsdiagnoseVerdachtsdiagnose
Überprüfung mit ICD-10 und/oder DSM-IV
Therapieschulenspezifische Erklärungs- (Ätiologie)modelle
Behandlungsdiagnose
Spezifische Therapie
Therapieerfolg +
Therapieerfolg -
Klinische Erfahrung
Beobachtung, Psychopathologie
Objektivität, Reliabilität
(Konstrukt-) Validität
Vorhersage- Validität
„aus dem Bauch raus“
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Taxonomie und die latent-manifest Unterscheidung
(nach Millon, 1996)
Präsentationen, die ähnlich aussehen, sind in Wirklichkeit verschieden (problematisch für empirische Taxonomien)
Präsentationen, die ähnlich aussehen, sind wirklich ähnlich
Präsentationen, die verschieden aussehen, sind tatsächlich verschieden
Präsentationen, die verschieden aussehen, sind in Wirklichkeit ähnlich (problematisch für empirische Taxonomien)
Nein
Ja
Ja
Nein
Ähnlich auf der latenten Ebene?
Ähnlich auf der manifester Ebene?
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Situationsdeterminiertes Verhalten
Gewohnheiten
Verhaltensstil (act-frequency-Perspektive von Persönlichkeit)
Persönlichkeitsstil
Persönlichkeitsstörung
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Verlustängsteandauernde Beziehungssuche
negative oder wechselnde Selbsteinschätzung
Verlustängsteandauernde Beziehungssuche
negative oder wechselnde Selbsteinschätzung
Borderline-PS
Angst vor Verlassen-werden, Befürchtung inakzeptabel zu sein.
instabile Beziehungs-gestaltung mit Wechseln zwischen Idealisierung und Entwertung
histrionische PS
Angst vor Verlust der Anerkennung, Beziehung wird eingefordert
dramatische, verführerische Attitüde, können andere Menschen für sich begeistern
dependente PS
Nähe wird bedin-gungslos gesucht, hilfeinduzierendes Suchverhalten
es wird Versorgung und Schutz gesucht, Idealisierung von Stärke und Überlegenheit
selbstunsichere PS
die ersehnte Bezie-hung wird aus Angst vor Demütigung gemieden
Minderwertigkeits-gefühle, nagende Selbstzweifel, Gefühl unattraktiv und uninteressant zu sein
Motivations-hintergrund
weitere Merkmale der Beziehungs-gestaltung
(Herpertz/Saß 2003)
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SituationPersonPersönlichkeitsstörung
Person
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Ein Modell von Persönlichkeit in Anlehnung an Lazarus & Folkman (1984)
Situations-bedingungen
primäre Einschätzung
sekundäre Einschätzung
Verhaltenemotionalmotorischphysiologisch
Bedürfnisse Motivecommitments
Selbstkonzept
self-efficacy
Bewältigungs-ressourcen
WerthaltungenGlaubenssätzeSchemataAttributionsstileKontrollerwartung
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Aus diesen drei Grunddimensionen entwickelt Millon acht grundlegende Bewältigungsmuster, aus der Kombination der Art (positiv oder Lust vs. negativ oder Schmerz), der Quelle (Selbst vs. Andere) und dem instrumentellen Verhalten (aktiv vs. passiv), die benutzt werden, um Verstärkungen zu erhalten. Aus der Frage, ob die Person Verstärkung eher aus sich selbst oder von anderen bezieht, ergibt sich die Bewältigungsdimension dependent vs. unabhängig.
Die biosoziale Lerntheorie von Theodore MillonDie biosoziale Lerntheorie von Theodore Millon
aktiv vs. passiv
aktiv vs. passiv
Wohlbefinden vs. Schmerzvermeidung
Wohlbefinden vs. Schmerzvermeidung
Selbst vs. Andere
Selbst vs. Andere
Grunddimensionen, anhand derer man Persönlichkeit charakterisieren kann:
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1. Das passiv-dependente Muster (dependente PS) 2. Das aktiv-dependente Muster (histrionische PS) 3. Das passiv-unabhängige Muster (narzißtische PS) 4. Das aktiv-unabhängige Muster (antisoziale PS) 5. Das passiv-ambivalente Muster (zwanghafte PS) 6. Das aktiv-ambivalente Muster (Passiv-aggressive PS) 7. Das passiv-zurückgezogene Muster (Schizoide PS) 8. Das aktiv-zurückgezogene Muster (Ängstlich-vermeidende PS) Aus Aus der klinischen Erfahrung fügt Millon noch drei weitere Muster
hinzu: 9. Cykloide Persönlichkeit (Borderline PS) 10. Paranoide Persönlichkeit
11. Schizoide Persönlichkeit (entspricht im DSM-IV der schizotypischen PS)
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Biosozial-evolutionäres Modell von Millon
1. Dimension: Ziele der Existenz
„Life Enhancement“ vs. „Life Preservation“1. Dimension: Ziele der Existenz
„Life Enhancement“ vs. „Life Preservation“
2. Dimension: Formen der Anpassung
Ökologische Akkomodation vs. Ökologische Modifikation2. Dimension: Formen der Anpassung
Ökologische Akkomodation vs. Ökologische Modifikation
3. Dimension: Strategien der Vermehrung
Reproductive Individuation and Reproductive Nurturance3. Dimension: Strategien der Vermehrung
Reproductive Individuation and Reproductive Nurturance
4. Dimension: Abstraktion4. Dimension: Abstraktion
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Entwicklungsphasen, in denen unterschiedliche Polaritäten jeweils im Vordergrund stehen:
Phase 1: “sensory-attachment“. Dimension Lust vs. Schmerz
Phase 2: „sensorimotor-autonomy“. Polarität „passiv vs. aktiv“
Phase 3 „pubertal-gender identity“. Polarität „Andere vs. Selbst“
Phase 4: „Intracortical-Integration“. Dimension „Intellective Reasoning vs. Affective Resonance
Jeder dieser Entwicklungsphasen werden bestimmte Entwicklungsaufgaben zugeordnet:
Aufgabe 1: Die Entwicklung von Vertrauen in andere (Schmerz-Lust-Polarität)
Aufgabe 2: Der Erwerb von adaptiver Zuversicht (aktiv-passiv-Polarität)
Aufgabe 3: Der Erwerb von sexuellem Rollenverhalten (Selbst-Andere-Polarität)
Aufgabe 4: Balancing Reason and Emotion (Denken-Fühlen-Polarität)
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SicherheitSicherheit von außenKindheit
von innenErwachsener VertrauenVertrauen
Angst
Hilflosigkeit
Panik
„Mut“
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1. Dimension: Existenz1. Dimension: Existenz
Schmerzvermeidung Schmerzvermeidung Wohlbefinden Wohlbefinden
Persönlichkeitsstörung
(Ich muss ..., sonst ist meine Existenz bedroht)
Persönlichkeitsstörung
(Ich muss ..., sonst ist meine Existenz bedroht)
Persönlichkeitsstil
(Ich möchte)
Persönlichkeitsstil
(Ich möchte)
negative Verstärkung
(ständige Angstvermeidung)
negative Verstärkung
(ständige Angstvermeidung)positive Verstärkungpositive Verstärkung
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Gliederung
I. Verhaltenstheoretische Sichtweisen von Persönlichkeit1. Das transaktionale Modell von Lazarus
2. Die biosoziale Lerntheorie von Millon
II. Was ist Verhaltenstherapie?
III. Verhaltenstherapeutisches Vorgehen bei Borderline-Störungen, narzisstischen, histrionischen und passiv-aggressiven Persönlichkeitsstörungen
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W a s i s t V T ?
„Charakteristisch für die Verhaltenstherapie ist mehr ihr prinzipieller methodischer Standpunkt als der Rückgriff auf spezielle theoretische Konzepte oder Techniken. Ihre Basis ist heute die gesamte experimentelle/ empirische Psychologie mit ihren Nachbardisziplinen.“ (DGVT, 1986)
Definition Verstärker
„Unter einem Verstärker versteht man einen verhaltenskontingenten Stimulus, der die zukünftige Auftrittswahrscheinlichkeit der ihm vorausgehenden Reaktionsklasse erhöht.“
(Reinecker, 1986)
• Transparent
• Bewältigungsorientiert
• Zielorientiert
• Zeitlich begrenzt
• Orientiert an empirischen Befunden
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Angst Depression Zwang Essstörung Sucht
CSA (PTSD)
negativistischnarzisstisch histrionisch dependent
social support
Wohnung
Arbeit
BPS
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Verbesserung der BPS-Symptomatik
1993 Therapieverlauf 2005
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Was ist empirisch gesichert in der VT der Borderline-Störung?
• Nach 1 Jahr Behandlung mit DBT im Vergleich zu TAU:
• 1. Der Prozentsatz derjenigen Patienten, die die Therapie abbrechen ist geringer
• 2. Sie müssen weniger häufig stationär zur Krisenintervention aufgenommen werden
• 3. Weniger Suizidversuche• 4. Weniger Selbstverletzungen• Aber:• Keine Verringerung der Depressivität• Keine Verbesserung im sozial-beruflichen
Funktionieren
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Die histrionische Störung
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Was ist empirisch gesichert in der Therapie der histrionischen
Störung?
• ??????????????????????
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IDCL-Kriterien für die histrionische Persönlichkeitsstörung
(1) Dramatische Selbstdarstellung, theatralisches Auftreten oder über-
triebener Ausdruck von Gefühlen
(2) Suggestibilität, leichte Beeinflussbarkeit durch andere oder durch
Ereignisse (Umstände)
(3) Oberflächliche und labile Affekte
(4) Sucht ständig nach aufregenden Erlebnissen und Aktivitäten, in denen
die Betroffenen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen
(5) Unangemessen verführerisch in Erscheinung oder Verhalten
(6) Ist übermäßig damit beschäftigt, äußerlich attraktiv zu erscheinen
Beachten Sie: Egozentrik, Selbstbezogenheit, dauerndes Verlangen nach
Anerkennung, fehlende Bezugnahme auf andere, leichte Verletzbarkeit der
Gefühle und andauerndes manipulatives Verhalten vervollständigen das
klinische Bild, sind aber für eine Diagnose nicht erforderlich
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IDCL-Kriterien für die emotional instabile Persönlichkeitsstörung
(1) Deutliche Toleranz zu unerwarteten Handlungen und ohne Berücksichtigung der Konsequenzen
(2) Deutliche Tendenz zu Streitereien und zu Konflikten mit anderen, vor allem dann, wenn impulsive Handlungen unterbunden oder getadelt werden.
(3) Neigung zu Ausbrüchen von Wut oder Gewalt mit Unfähigkeit zur Kontrolle explosiven Verhaltens
(4) Schwierigkeiten in der Beibehaltung von Handlungen, die nicht unmittelbar belohnt werden.
(5) Unbeständige und unberechenbare Stimmung(6) Störungen in und Unsicherheit über Selbstbild, Ziele und „innere Präferenzen“
(einschließlich sexueller)(7) Neigung, sich in intensive aber instabile Beziehungen einzulassen, oft mit der
Folge von emotionalen Krisen(8) Übertriebene Bemühungen, das Verlassenwerden zu vermeiden(9) Wiederholt Drohungen oder Handlungen mit Selbstbeschädigung(10) Anhaltende Gefühle von Leere
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Verhaltenstherapeutisches Vorgehen in der Therapie der histrionischen Störung
- Frühe begründete Verdachtsdiagnose- Aufklärung über die Diagnose und Vermittlung
eines plausiblen Erklärungsmodells- Klärung der Behandlungsbedingungen (Verträge)
Umgang mit evt. Suizidalität Umgang mit der Symptomatik (z.B. Panikattacken) Umgang mit therapiegefährdendem Verhalten Umgang mit therapiestörendem Verhalten Umgang mit Konfrontationen Vereinbarungen zur Beendigung der (stationären) Therapie und
Organisation der ambulanten Nachbehandlung
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„Wer das erste Knopfloch verfehlt,
kommt mit dem Zuknöpfen
nicht zu Rande.“
(Goethe)
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„„it“it“
PatientPatient TherapeutTherapeut
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Der Weg zur DiagnoseDer Weg zur Diagnose
Anamnese
Symptome
VerdachtsdiagnoseVerdachtsdiagnose
Überprüfung mit ICD-10 und/oder DSM-IV
Therapieschulenspezifische Erklärungs- (Ätiologie)modelle
Behandlungsdiagnose
Spezifische Therapie
Therapieerfolg +
Therapieerfolg -
Klinische Erfahrung
Beobachtung, Psychopathologie
Objektivität, Reliabilität
(Konstrukt-) Validität
Vorhersage- Validität
„aus dem Bauch raus“
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„aus dem Bauch heraus“„aus dem Bauch heraus“
Welche „Interaktionsgefühle“ löst der Patient beim Team aus?Typische interaktionelle Gefühle, die durch bestimmte Persönlichkeitsstörungen ausgelöst werden
Persönlichkeitsstörung Interaktionsgefühl
Paranoide Vorsicht
Schizoide keins
Schizotypische „komisch“
Antisoziale Aggression
Narzisstische angegriffen (z.T. Mitleid)
Histrionische gelangweilt
Borderline helfen wollen
Zwanghafte mühsam
Dependente sagen, wo´s lang geht
Vermeidende „Vertrau mir“
Passiv-aggressive hilflos
Depressive „Ich kann dir helfen“
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Argumente für eine Behandlung der Persönlichkeitsproblematik
Argumente, die eher dagegen sprechen, die Persönlichkeitsproblematik zu behandeln
Der Patient erlebt sich mit seinem bisherigen Interaktionsstil als gescheitert in verschiedenen Bereichen (v.a. Partnerschaft, Beruf).
Der Patient hat – zumindest aus seiner subjektiven Sicht – weder in partnerschaftlichen Beziehungen noch im Beruf Schwierigkeiten.
Er hat zumindest erste Einsichten, dass diese Schwierigkeiten (auch) mit seinem eigenen Verhalten zu tun haben könnten.
Wenn er Schwierigkeiten hat, attribuiert er ausschließlich auf die anderen (z.B. Mobbing).
Jüngeres bis mittleres Alter. Höheres Alter.
Eine längerfristige koordinierte Behandlung zwischen ambulantem und stationärem Setting ist möglich und der Patient hierfür motiviert.
Eine sinnvolle Behandlung ist aus verschiedenen Gründen nicht möglich.
Der Patient verfügt in verschiedenen Lebensbereichen (z.B. Finanzen, Wohnung) über eine gewisse Stabilität
Instabilität in allen (oder den meisten) Lebensbereichen.
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Leitlinien zum besseren Verständnis der histrionischen Persönlichkeit (1)Leitlinien zum besseren Verständnis der histrionischen Persönlichkeit (1)
Menschen mit einer Persönlichkeitsproblematik begeben sich üblicherweise erst dann in Therapie, wenn „alles zusammengebrochen ist“:
Der Partner hat sich (manchmal völlig überraschend) getrennt, man hat den Arbeitsplatz verloren, es bestehen finanzielle Probleme, der Freundeskreis hat sich abgewendet und Ähnliches.
Danach kommt es meistens zu Symptomen wie Angstzuständen und auch Depressionen. Diese Symptome sind zwar belastend, aber nicht das eigentliche Problem!
Das eigentliche Problem ist die zugrundeliegende Persönlichkeit des Betroffenen!
Die erste Frage in der Therapie ist häufig: „Woher kommt das, dass ich mich immer wieder so verhalte, obwohl ich es dann im nachhinein bereue?“
Langjährige Forschung hat gezeigt, dass die Frage nach dem „woher“ selten zum Erfolg führt!
Sinnvoller und erfolgversprechender ist die Frage: „Wie funktioniere ich typischerweise? Was sind meine immer wiederkehrenden Verhaltensmuster?“
Denn wenn es Ihnen gelingt, Ihre problematischen Verhaltensmuster wirklich gut kennenzulernen, dann werden Sie auch in der Lage sein, diese zu verändern.
Nachfolgend sind einige typische Muster aufgeführt, wie Menschen mit einer histrionischen Persönlichkeit denken, fühlen und mit anderen Menschen umgehen.
- Ständige Suche nach Erlebnissen und intensiven Gefühlen
- Sich mit sich selber zu beschäftigen bzw. nichts zu tun fällt schwer und macht unruhig
- Enttäuschungen der Vergangenheit werden nicht überwunden, sondern geistern immer wieder durch den Kopf
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Leitlinien zum besseren Verständnis der histrionischen Persönlichkeit (2)Leitlinien zum besseren Verständnis der histrionischen Persönlichkeit (2)
- Starke Sehnsucht nach einer harmonischen Partnerschaft, in der sich der Partner genau so verhält, wie man es sich vorstellt
- Sich immer wieder seine Wünsche kurzfristig erfüllen müssen ohne Aufschub zu ertragen
- Entscheidungen werden „aus dem Bauch heraus“ getroffen, ohne die Konsequenzen zu berücksichtigen (z.B. Schulden, Ärger mit dem Partner, Kündigung des Arbeitsplatzes etc.)
- Häufiges sich vorstellen „wie schön es doch sein könnte“, anstelle die Realität zu akzeptieren
- Schwierigkeiten, sich im Gespräch auf das Wesentliche zu beschränken. Über den Gesprächspartner „hinweg reden“.
- Angst vor Kritik, auch wenn diese berechtigt ist
- Fehlen von engen Freundschaften und träumen von der idealen Partnerschaft
- Schwierigkeiten sich auf einen Beruf / einen Partner festzulegen
- Bei Ehekonflikten Flucht in Nebenbeziehungen um Trost und Verständnis zu finden
- Sich Hineinsteigern in schwierige Gefühle bis hin zu Selbstmordgedanken
- Leichte Beeinflussbarkeit durch andere, schneller Meinungswechsel
- Starkes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Zuwendung, gleichzeitig aber geringe Bereitschaft dies anderen zu geben
- Konflikthafte Partnerbeziehungen mit dem Gefühl „zu wenig“ vom Partner zu bekommen
- Vermeidung der Übernahme von Verantwortung für eigene Entscheidungen mit der Begründung „ich kann nicht“, anstelle „ich will nicht“
- Überrascht sein, wenn andere nicht ähnlich oder gleich empfinden
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Leitlinien zum besseren Verständnis der histrionischen Persönlichkeit (3)Leitlinien zum besseren Verständnis der histrionischen Persönlichkeit (3)
- Auffällig schnelle Stimmungsschwankungen, abhängig von äußeren Umständen
- Schwarz-Weiß-Denken, Graustufen gibt es nicht
- Ungeduldigkeit, wenn man sich etwas in den Kopf gesetzt hat
Wenn Sie sich bei vielen der oben beschriebenen Muster wiedererkennen, dann fällt es Ihnen wahrscheinlich schon seit Jahren schwer „erwachsen“ bzw. „verantwortungsbewusst“ zu handeln, weil Sie sich häufig „wie ein Kind“ fühlen.
Ein Kind will Liebe und Aufmerksamkeit, ist nicht bereit zu warten, ist schnell enttäuscht, will immer gelobt werden, ist „emotional und spontan“, denkt nicht über Konsequenzen nach, kennt nur Freunde oder Feinde.
Nun sind Sie aber kein Kind mehr, sondern ein Erwachsener! Deswegen erwarten Ihre Mitmenschen von Ihnen erwachsenes Verhalten!
Erwachsenes Verhalten bedeutet, dass Sie Ihre Vernunft einsetzen und dann gegen Ihr Bedürfnis handeln, wenn die Umstände es erfordern:
Z.B. - Unangenehme Gefühle wie Ärger, Langeweile, Frust, Widerwillen^aushalten
- Sich Ziele setzen und diese nicht zu schnell aufgeben
- Akzeptieren, dass andere Menschen andere Bedürfnisse haben
- Akzeptieren, dass kein Mensch immer ein „idealer Partner“ sein kann
- Nicht darauf hoffen, dass „es schon gut gehen wird“
- Sich nicht als den Nabel der Welt betrachten
- Bereit zu Kompromissen sein, da es selten ideale Lösungen gibt
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DD
Situation 1
Situation 2
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Das „Schlimmheits-Meter“
emotional real rational
0 %0 %
50 %50 %
0 %
50 %
100 % 100 %100 %
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Ich werde als Person nicht ernst (wahr-)genommen
keine Bedürfnisse spüren
Resignation lauter „schreien“
Hilflosigkeit
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Hilfe holen
Notwendigkeit von Hilfe
nicht nötig
brauche unbedingt Hilfe
Hilfe wäre gut, aber nicht unbedingt notwendig
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Aus der Stellungnahme des MDK zum stationären Aufenthalt von Frau J. vom 5.8. bis 4.11.04
Frau J. wurde am 22.3.04 von der Nervenärztin in der Klinik angemeldet. Damals lautete die Diagnose Borderline-Persönlichkeitsstörung. In einem ausführlichen Bericht bat die Nervenärztin um Aufnahme zur differentialdiagnostischen Abklärung des psychischen Krankheitsbildes und Behandlung einer erheblichen Begleitdepression. Aus den vorliegenden Unterlagen ist ersichtlich, dass Frau J. seit 1991 immer wieder in ambulanter psychiatrischer Behandlung war. Erstmalig wurde sie von 29.7.-18.11.1993 in einem psychiatrischen Krankenhaus behandelt. Damals wurde die Diagnose einer angstneurotischen Entwicklung gestellt. 1994 war sie zweimalig kurzfristig im Christoph Dornier Zentrum. Dort wurde die Diagnose einer Zwangsstörung und dysthymen Störung gestellt. 1996 anlässlich eines dreimonatigen stationären psychosomatischen Aufenthaltes in der Klinik Bad Pyrmont wurde die Diagnose einer neurotischen Depression mit Somatisierung gestellt und einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Ambulante Psychotherapie wurde von 1992 bis 1993 durchgeführt, von 1993 bis 1996 und auch wieder in den letzten Jahren. Insgesamt hat Frau J. ca. 250 Sitzungen psychoanalytische Therapie hinter sich gebracht und 105 Sitzungen ambulante Verhaltenstherapie.Es wurde jetzt die Diagnose einer histrionischen Persönlichkeitsstörung mit erheblichen passiv-aggressiven Anteilen gestellt.
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Aus einer e-mail der Pat. Vom 12.10.05
„Da waren Sie für mich im vergangenen Jahr schon sehr hilfreich, denn bisher hat kein Psychologe meine Situation und auch meine Vergangenheit so auf den Punkt gebracht und für mich so plausibel dargestellt wie Sie es getan haben. Mir hat das wirklich sehr geholfen.“ („Na ja, ich habe leider auch bereits eine Psycho-Odysee durch Kliniken und bei niedergelassenen Therapeuten hinter mir.“)
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tagträumen
Auto fahren
Musik hören
Texte tippen
einen Film anschauen
kreativer/ künstlerischer
Prozess
der "zerstreute Professor"
nachts zur Toilette
gehen, ohne es zu merken
(normale organische
Dissoziation)
normale Reaktionen
auf Traumata und
Katastrophen
exzessives Tagträumen
Amnesie nach
Hirntrauma (abnorme
organische Dissoziation)
hysterische Blindheit oder
Lähmung
Depression
Essstörung
Zwangsstörung
Panikstörung
dissoziative Störung
"nicht näher benannte DS"
MPS/ DIS
normale Dissoziation pathologische Dissoziation
Das Kontinuum der Dissoziation
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Das Differenzierungs-Dissoziations-Kontinuum
A
BC
A
BC
A
BC
A
BC
A
BC
Ich-Zustände
adaptive Differenzierung Abwehr pathologische Dissoziation
normal gut aufgepasst
neurotisch Borderline-Persönlichkeit an der Grenze zur
multiplen Persönlichkeit
multiple Persönlichkeit
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Übung
Welche ego-states nehmen Sie jetzt bei sich wahr?
Wie kommt es zur Entscheidung, dass Sie jetzt in diesem Seminar sitzen, anstatt irgendetwas anderes zu tun?
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Die passiv-aggressive (negativistische) Störung
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IDCL-Kriterien für die passiv-aggressive IDCL-Kriterien für die passiv-aggressive PersönlichkeitsstörungPersönlichkeitsstörung
(1) Verzögerung und Verschleppung bei der Beendigung grundlegender
Routineaufgaben, vor allem, wenn andere darum bitten
(2) Ungerechtfertigter Protest gegen gerechtfertigte Forderungen anderer
(3) Trotz, Reizbarkeit oder Streitlust, wenn die Betroffenen gebeten werden,
etwas zu tun, was sie nicht wollen
(4) Ungerechtfertigte Kritik an oder Verachtung für Autoritätspersonen
(5) Absichtlich langsame oder schlechte Arbeit an wirklich unliebsamen
Aufgaben
(6) Behinderung von Bemühungen anderer dadurch, dass der eigene Anteil
an der Arbeit nicht geleistet wird
(7) Vermeidung von Verpflichtungen durch die Behauptung, sie vergessen zu
haben
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Was ich brauch, das krieg ich nicht,
was ich krieg, das brauch ich nicht.
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Ich will doch nur dein Bestes.
Vermischung von Motiven
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Meine Eltern lieben mich nicht
existentielle Hilflosigkeit
Ich werde geliebt, wenn.......
Attraktivität
(histrionisches Muster)
Leistung
(narzisstisches Muster)
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kindliche Hilflosigkeit:
verstehe die Situation nicht
existentiell, zeitlich unbegrenzt (ewig),
völlig ausgeliefert
erwachsene Hilflosigkeit:
verstehe die Situation
nicht existentiell, zeitlich begrenzt,
kann Hilfe holen
Situation Hilflosigkeit
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Therapeut hilflosPatient hilflos
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ZusammenfassungZusammenfassung
1. Frühe Verdachtsdiagnose
2. Therapeutische Beziehung darauf ausrichten
3. Gemeinsames Problemverständnis entwickeln
4. Behandlungsbedingungen klären (Verträge)
5. Beiderseitige Entscheidung zur Behandlung
6. Störungsspezifische Behandlung