10702 pc iff us 4 seiten - · pdf filerealisation und zurechnung des einkommens harmful tax...

83
Realisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions intercantonales en cas de modification de l’assujettissement en cours de période fiscale: survol critique de la circulaire n o 17 Zur Remittance Clause im DBA-UK Toni Hess, Die Besteuerung der Anlagefonds und der anlagefondsähnlichen Instrumente sowie deren Anteilsinhaber in der Schweiz Das Bandbreitenmodell der materiellen Steuerharmonisierung Gesetzgebungs-Agenda 2003/2 Dr. Markus Weidmann Dr. Peter Baumgartner Daniel de Vries Reilingh, av., LL.M. Prof. Dr. Robert Waldburger Dr. Kurt Arnold Lic. oec. Kurt Stalder/ Dr. Ulrich Cavelti Lic. iur. Rainer Zigerlig/ Lic. iur. Agostino Cozzio/ Eric Hess, Fürsprecher 2003 / 2 IFF Forum für Steuerrecht IFF Institut für Finanzwirtschaft und Finanzrecht Aus dem Inhalt

Upload: ngokiet

Post on 06-Feb-2018

216 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

Realisation und Zurechnung des Einkommens

Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz

Répartitions intercantonales en cas de modification de l’assujettissement encours de période fiscale: survol critique de la circulaire no 17

Zur Remittance Clause im DBA-UK

Toni Hess, Die Besteuerung der Anlagefonds und der anlagefondsähnlichen Instrumente sowie deren Anteilsinhaber in der Schweiz

Das Bandbreitenmodell der materiellen Steuerharmonisierung

Gesetzgebungs-Agenda 2003/2

Dr.Markus Weidmann

Dr. Peter Baumgartner

Daniel de Vries Reilingh, av., LL.M.

Prof. Dr. Robert Waldburger

Dr. Kurt Arnold

Lic. oec. Kurt Stalder/Dr. Ulrich Cavelti

Lic. iur. Rainer Zigerlig/Lic. iur. Agostino Cozzio/Eric Hess, Fürsprecher

2003/2

IFF Forum fürSteuerrecht

IFF Institut für Finanzwir tschaft und Finanzrecht

Aus dem Inhalt

Page 2: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

Impressum

IFF Forum für SteuerrechtPublikation des Instituts für Finanzwirtschaft und Finanzrecht an derUniversität St.Gallen (IFF-HSG)

Herausgeber und VerlagInstitut für Finanzwirtschaft und Finanzrecht an der Universität St.Gallen, Varnbüelstrasse 19, CH-9000 St.GallenTelefon: +41 (0)71 224 25 20Telefax: +41 (0)71 224 26 70E-Mail: [email protected]: www.iff.unisg.ch

RedaktionLeitung: Dr. rer. publ. Ruedi BaumannStellvertreter: Prof. Dr. oec. et lic. iur. Klaus A.VallenderUnternehmensteuer: Prof. Dr. oec. Peter AthanasEinkommensteuer: Dr. iur. Thomas Meister, LL. M. (Tax)Umsatzsteuer und Verkehrsteuern: Dr. oec. publ. Ivo P. BaumgartnerInternationales Steuerrecht: Prof. Dr. iur. et lic. oec. Robert Waldburgerund Dr. rer. publ. Ruedi BaumannSteuerstrafrecht: Alfred Meier, FürsprecherSteuerrechts-System: Prof. Dr. oec. et lic. iur. Klaus A.VallenderRechtsprechungs-Überblick: Prof. Dr. iur. et lic. oec. Robert WaldburgerGesetzgebungs-Agenda: Lic. iur. Rainer Zigerlig

ErscheinungsweisePro Jahr erscheinen vier Hefte; Erscheinungsdaten sind jeweils der15.2., 15.5., 15.8. und 15.11.

BezugspreisJahres-Abonnement: CHF 390.– (Studenten: 50% Rabatt für Neu-Abon-nemente), Mehrfach-Abonnemente: Auskunft beim Verlag, Einzelhefte:CHF 97.50. In diesen Preisen sind der Jahresordner sowie die Mehr-wertsteuer enthalten. Es werden die effektiven Versandkosten verrech-net. Die Rechnungsstellung erfolgt jeweils am Jahresanfang.

BestellungenBeim Verlag

AbbestellungenSchriftlich beim Verlag bis spätestens sechs Wochen vor Jahresende

Manuskripte und Rezensions-ExemplareBitte an den Verlag

Urheber- und VerlagsrechteDie Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge undAbbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede vom Urheberrechts-gesetz nicht ausdrücklich zugelassene Verwertung bedarf vorherigerschriftlicher Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Ver-vielfältigung, Bearbeitung, Übersetzung, Mikroverfilmung und Einspei-cherung, Verarbeitung bzw. Wiedergabe in Datenbanken oder anderenelektronischen Medien und Systemen. Fotokopien dürfen nur als Ein-zelkopien für den persönlichen Gebrauch hergestellt werden.

Konzept und GestaltungDesignalltag Zürich, Ruedi Rüegg, Zürich

DruckCavelti AG, Druck und Media, CH-9201 Gossau

Internet-AuftrittDie Zeitschrift verfügt über eine eigene Abteilung im Website des IFF

AbkürzungsvorschlagFStR

ISSN 1424-9855

Fortsetzung letzte Innenseite

Page 3: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

2003/2

IFF Forum fürSteuerrecht

IFF Institut für Finanzwir tschaft und Finanzrecht

Page 4: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

82

ArtikelRealisation und Zurechnung des Einkommens 83

Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz 109

Praxis-ForumRépartitions intercantonales en cas de modification de l’assujettissementen cours de période fiscale: survol critique de la circulaire no 17 123

Zur Remittance Clause im DBA-UK 136

Literatur-ForumToni Hess, Die Besteuerung der Anlagefonds und der anlagefondsähnlichen Instrumente sowie deren Anteilsinhaber in der Schweiz 144

Gesetzgebungs-ForumDas Bandbreitenmodell der materiellen Steuerharmonisierung 149

Gesetzgebungs-AgendaGesetzgebungs-Agenda 2003/2 156

Inhalt

Dr. Markus Weidmann

Dr. Peter Baumgartner

Daniel de Vries Reilingh, av., LL.M.

Prof. Dr. Robert Waldburger

Dr. Kurt Arnold

Lic. oec. Kurt Stalder/Dr. Ulrich Cavelti

Lic. iur. Rainer Zigerlig/Lic. iur. Agostino Cozzio/

Eric Hess, Fürsprecher

Page 5: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

83

Realisation und Zurechnung des EinkommensDr. iur. Markus Weidmann

Inhalt

1 Einleitung

2 Sachlicher Umfang des Einkommens

2.1 Begriff des Einkommens aus wirtschaftlicher Sicht

2.2 Der steuerrechtliche Einkommensbegriff

2.2.1 Rechtsprechung2.2.2 Markteinkommenstheorie2.2.3 Zuflusstheorie2.2.4 Folgerungen

2.3 Sondertatbestände2.3.1 Steuerliche Unbeachtlichkeit der privaten

Kapitalgewinne und -verluste2.3.2 Ausnahmen zur Unbeachtlichkeit der privaten

Kapitalgewinne und -verluste2.3.2.1 Gewinne aus der Veräusserung von Grundstücken2.3.2.2 Einkünfte aus Obligationen mit überwiegender

Einmalverzinsung2.3.3 Beteiligungsertrag2.3.3.1 Objektbezogene Betrachtungsweise als Grundsatz2.3.3.2 Bemessung des Steuerobjektes2.3.3.3 Primäre Konsequenzen der gesetzlichen Regelung2.3.3.4 Sekundäre Konsequenzen der gesetzlichen Rege-

lung: Transponierung und indirekte Teilliquidation2.3.4 Marchzinsen

2.4 Gesetzlicher Verzicht auf Realisation des Einkommens

2.4.1 Eigenmietwert der selbstbewohnten Liegenschaft2.4.2 Tatbestände steuersystematischer Realisation2.4.3 Aufwertungsgewinne2.4.4 Eigenleistungen im Geschäft

2.5 Steuerneutrale Vorgänge2.5.1 Privatvermögen2.5.2 Geschäftsvermögen

3 Zeitliche Zurechnung

3.1 Erwerb der wirtschaftlichen Verfügungsmacht

3.2 Umschreibungen in Literatur und Judikatur

3.3 Die kaufmännische Gewinnermittlung

3.4 Realisation von Einkünften im Bereich des Privatvermögens

3.4.1 Realisation einer Einkunft3.4.1.1 Erwerb einer sicheren Forderung3.4.1.2 Keine Rückgabepflicht3.4.1.3 Keine besondere Unsicherheit der Erfüllung3.4.2 Risiken von Schadenersatz- und anderen

Verpflichtungen

4 Persönliche Zurechnung

4.1 Inhaber der wirtschaftlichen Verfügungsmacht

4.2 Zurechnung und Aussonderung

4.2.1 Gesetzestechnik der abweichenden Zurechnung4.2.2 Auswirkungen4.2.3 Einzelfälle4.2.3.1 Einkommen von Kindern unter elterlicher Sorge4.2.3.2 Erbengemeinschaften bei ungewisser Erbfolge4.2.3.3 Ausländische Personengesellschaften und andere

ausländische Personengesamtheiten ohne juristi-sche Persönlichkeit

4.2.3.4 Anlagefonds mit direktem Grundbesitz

4.3 Objektorientierte Besteuerung

4.4 Übertragung latenter Steuern durch steuerneutraleVorgänge

5 Bewertung

5.1 Grundsatz

5.2 Ausnahme bei Eigenmietwert

6 Schlussbetrachtung

Literatur

Dr. iur. Markus Weidmann,Rechtsanwalt und dipl. Steuerexperte, Homburger, Zürich

Page 6: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

84 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

1 Einleitung

Verschiedene Fragen aus dem Bereich der Einkommens-steuer sind erneut auf verstärktes Interesse gestossen.Auf politischer Ebene ist die Besteuerung des Eigen-mietwertes schon vor längerer Zeit in Bewegung geratenund hat auch eine Diskussion ihrer rechtlichen Naturveranlasst. Nicht nur in der Fachwelt, sondern auch inder Öffentlichkeit haben Gerichtsentscheide über dieBesteuerung der Opfer von Anlagebetrügern Beachtunggefunden. All dies sind Gründe, auf die Grundlagen derEinkommensbesteuerung zurückzukommen und sie zuüberdenken.

Das gesetzliche Konzept einer für bestimmte Zeitab-schnitte geschuldeten Steuer auf dem Einkommen eineseinzelnen Steuerpflichtigen erfordert, das Objekt derEinkommenssteuer nach folgenden Richtungen hin zuuntersuchen:1. Sachlicher Umfang: Was gilt als Einkommen für

Steuerzwecke?2. Zeitliche Zurechnung: Wann ist dieses Einkommen

steuerlich zu erfassen?3. Persönliche Zurechnung: Wer ist an diesem Einkom-

men berechtigt? Daran schliesst sich die Frage an, obder am Einkommen Berechtigte dieses auch in je-dem Fall selbst zu versteuern hat.

4. Bewertung: Welcher Wert ist diesem Einkommensteuerlich zuzumessen?

2 Sachlicher Umfang des Einkom-mens

2.1 Begriff des Einkommens aus wirtschaft-licher Sicht

Die Finanzwissenschaft hat mit einer Reihe von theore-tischen Ansätzen versucht, den Begriff des Einkommenszu definieren. Die vorliegende Betrachtung muss sichauf die Theorie des Einkommens als Reinvermögenszu-gang beschränken, welche das Steuerrecht grund legendbeeinflusst hat1. Dieser finanzwissenschaftliche Ein-kommensbegriff ist vor allem von Georg Schanz, RobertM.Haig und Henry C. Simons entwickelt worden2. Ein-

kommen im finanzwissenschaftlichen Sinne ist gemässSchanz3 «Reinvermögenszugang während eines be-stimmten Zeitabschnittes inkl. der Nutzungen und geld-werten Leistungen Dritter». Diese – sehr abstrakt gehal-tene – Definition erläutert Schanz kasuistisch wie folgt4:

«Wir nehmen also zum Einkommen alle Reinerträgeund Nutzungen, geldwerte Leistungen Dritter, alleGeschenke, Erbschaften, Legate, Lotteriegewinne,Versicherungskapitalien, Versicherungsrenten, Kon -junkturengewinne jeder Art, wir rechnen ab alleSchuldzinsen und Vermögensverluste. Was erübrigt,steht neu zur Disposition des Empfängers, gehörtnicht zu dem bereits vorhandenen Stammvermögen,tritt erst zu dem bisherigen Vermögen – das natürlichauch fast Null sein kann – hinzu.»

Haig hat festgehalten, dass nur geldwerte Güter undDienstleistungen einkommensrelevant sind (im Gegen-satz etwa zu Vergnügen, Wohlbefinden etc.)5. Auf denArbeiten von Schanz und Haig aufbauend, hat Simonsden finanzwissenschaftlichen Begriff des Einkommenswie folgt umschrieben6:

«Its calculation [des Einkommens] implies estimate(a) of the amount by which the value of a person’sstore of property rights would have increased, as be -tween the beginning and end of the period, if he hadconsumed (destroyed) nothing, or (b) of the value ofrights which he might have exercised in consump -tion without altering the value of his store of rights.(…) Personal income may be defined as the alge-braic sum of (1) the market value of rights exercisedin consumption and (2) the change in the value of thestore of property rights between the beginning andend of the period in question.»

Das Einkommen aus finanzwissenschaftlicher Sicht istdemnach die Summe der in der fraglichen Periode kon-sumierten Rechte und der Wertänderung des Vermögens-standes zwischen Anfang und Ende der Periode. Als Ein-kommen gelten zunächst sämtliche Einkünfte, die einePerson am Markt erzielt, wie namentlich Arbeitslohn,Mieteinnahmen oder Zinsen. Ob die betreffende Persondiese Einkünfte in Geld oder als Naturalleistungen ver-einnahmt, spielt keine Rolle7.

1 Die Quellentheorie wird deshalb nicht näher behandelt. DieseTheorie stellt auf die Regelmässigkeit des Zuflusses an öko-nomischen Werten aus einer bestimmten, dauernden Er-werbsquelle ab (Arbeit, Kapital, Unternehmen) und war fürdas englische und das preussische Einkommenssteuerrechtvon Bedeutung (ANDEL, Finanzwissenschaft, S. 315; BLUMEN-STEIN/LOCHER, S. 170 f.; BRÜMMERHOFF, S. 292). Die Quel len -theorie ist überholt und lässt sich mit dem geltenden Rechtnicht vereinbaren, sieht doch Art. 7 Abs. 1 StHG vor, dass ins-besondere auch die einmaligen Einkünfte steuerbar sind (s. auch OBERSON, § 7 N. 3).

2 ANDEL, S. 335; DERS. S. 315; BRÜMMERHOFF, S. 292; ROSEN, S. 339.

3 SCHANZ, S. 5.

4 SCHANZ, S. 24.

5 HAIG, S. 54 ff., insb. S. 58.

6 SIMONS, S. 49 f.; s. auch BRÜMMERHOFF, S. 292; ROSEN, S. 339.

7 ANDEL, Einkommensteuer, S. 337 ff.

Page 7: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

85Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

Die finanzwissenschaftliche Theorie trifft aber auch keine Unterscheidung danach, ob eine Einkunft durchTeilnahme am Wirtschaftsverkehr («am Markt») erzieltworden ist oder nicht. Jegliche geldwerten Zuflüsse sindeinkommenswirksam. Für das Verständnis des theoreti-schen Konzeptes des finanzwissenschaftlichen Einkom-mensbegriffes sind deshalb die so genannten hinzu -gerechneten Einkünfte (imputed income) und die Be-handlung der Wertveränderungen von Vermögenswertenvon zentraler Bedeutung. Bei den hinzugerechneten Ein-künften handelt es sich einerseits um die Werte, welchedie betreffende Person durch eigene Arbeit für sichselbst schafft, und andererseits um die wirtschaftlichenVorteile, die sie sich durch Nutzung von ihr gehörendenSachen verschafft.

Hätte eine Person die fraglichen, von ihr selbst und fürsich selbst ausgeführten Dienstleistungen einem Drittenerbracht, hätte sie hierfür ein Entgelt gefordert und er-halten. Umgekehrt hätte sie für solche Dienstleistungenbezahlen müssen, wenn sie sie von einem Dritten bezo-gen hätte. Eigenleistungen haben demnach einen Geld-wert und bilden beim betreffenden Individuum unterwirtschaftlichen Gesichtspunkten Einkommen. Als Bei-spiele für Eigenleistungen werden in der Literatur derFriseur genannt, der die Haare seiner Kinder schneidet,der Freizeitgärtner, der seinen Garten selbst besorgt, undimmer auch die Hausfrau, die sich um die Kinder undden Haushalt kümmert8.

Weitere zugerechnete Einkünfte bilden, wie ausgeführt,nach dem finanzwissenschaftlichen Verständnis der Ei-gengebrauch von Sachen9. Wenn eine Person ihr gehö-rende Sachen selbst nutzt, erzielt sie Einkünfte in derHöhe des Markt-Mietpreises der betreffenden Güter.Solche Sachen sind nicht nur das Wohneigentum, son-dern grundsätzlich alle nutzbaren Gegenstände, bei-spielsweise Möbel oder gar Bücher, denn die betreffendePerson hätte ihr Bett oder ihren Diwan und ihre Bücheran andere für Geld vermieten können oder hätte dieseumgekehrt vom Möbelhändler bzw. in der Leihbiblio-thek mieten müssen10. Die offenkundigen praktischenProbleme bei der Umsetzung eines solchen Konzepts11

haben innerhalb der Finanzwissenschaft zu Vorschlägengeführt, wonach nur dauerhafte Gebrauchsgüter relevantsein sollen12 oder dass ein pauschaler Betrag an zuge-rechneten Einkünften anzusetzen sei13.

Einkommenswirksam sind sodann sämtliche Wertverän-derungen von Vermögensgegenständen aller Art. Wert-verluste, beispielsweise infolge Abnutzung von Sachgü-tern (deren Gebrauch ja einkommenswirksam ist), oderVerschlechterung der Bonität eines Schuldners, wodurchsich der Wert der Forderung verringert, mindern das Ein-kommen. Die betreffende Person verliert damit auchwirtschaftliche Leistungsfähigkeit, weil ihr Vermögens-stand abgenommen hat. Umgekehrt stellen Wertsteige-rungen Einkommen dar, weil sie den Vermögensstandder betreffenden Person erhöhen. Ohne im Einzelnen aufdie in der Finanzwissenschaft geführten Diskussioneneinzugehen, kann festgehalten werden, dass bereits nichtrealisierte Wertsteigerungen einkommenswirksam sind,weil schon der blosse Wertzuwachs die Dispositionsfä-higkeit über Güter und Dienstleistungen erhöht. Na-mentlich können auch nicht realisierte Wertsteigerungendurch Schuldaufnahme bzw. Verpfändung mindestenszum Teil verzehrt werden, ohne dass das bisherige Ver-mögen angetastet würde14. Aus praktischer Sicht wirdkonzediert, dass die Wertsteigerungen erst bei ihrer Rea-lisation steuerlich zu erfassen sind15.

Aus der Sicht des Steuerrechtes sind vor allem die fol-genden Punkte des finanzwissenschaftlichen Konzepteshervorzuheben:– Die Dienstleistungen, die eine Person sich selbst

erbringt, sind als Einkommen einzusetzen. Die prak-tischen Probleme der Durchsetzung sind offenkun-dig.

– Die Eigennutzung von Sachgütern ist einkommens-wirksam; diese Feststellung gilt nicht nur für Wohn-eigentum, sondern für sämtliche nutzbaren Güter.Für die konkrete Umsetzung bestehen finanzwissen-schaftliche Vorschläge, die Besteuerung der Eigen-nutzung einzugrenzen.

– Wertveränderungen von Vermögensgegenständensind ebenfalls einkommenswirksam. Dies gilt so-wohl für Wertsteigerungen als auch für Wertver -luste. Auf die Realisation der Gewinne oder Verlustekommt es grundsätzlich nicht an. Für die praktischeDurchführung wird die Besteuerung im Zeitpunktder Realisation vorgeschlagen.

8 ANDEL, Einkommensteuer, S. 340; ROSEN, S. 341; ZIMMERMANN/HENKE, S. 113.

9 ANDEL, Einkommensteuer, S. 340 f.; ROSEN, S. 340; ZIMMER-MANN/HENKE, S. 113.

10 KLEINWÄCHTER, S.10.

11 ROSEN, S. 341.

12 Vgl. MARSH, S. 520 f.

13 SIMONS, S. 121.

14 ANDEL, Einkommensteuer, S. 346; HAIG, S. 61 f.; ROSEN, S. 340;SCHANZ, S. 29, 42; für weitere Hinweise s. WEIDMANN, S. 22.

15 SCHANZ, S. 44; SIMONS, S. 165 ff.

Page 8: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

86 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

de Ehegatte verrichtet, «steuerlich nicht erfassbare Ei-genleistungen des Paares» darstellen23. Das Zürcher Ver-waltungsgericht hat diese Rechtsprechung unter demharmonisierten kantonalen Recht bestätigt24. Die laufendin der eigenen Vermögenssphäre des Steuerpflichtigenverbrauchten Eigenleistungen werden somit steuerlich –entgegen der finanzwissenschaftlichen Reinvermögens-zugangstheorie – nicht erfasst25. Anders ist die Rechts -lage teilweise nach kantonaler Praxis hingegen dann,wenn Eigenleistungen an einer Liegenschaft erbrachtworden sind und zu einer Wertsteigerung geführt haben.Diesfalls können die Eigenleistungen bei der Veräusse-rung der Liegenschaft auf Grund der Einkommensgene-ralklausel besteuert werden26.

Die Eigennutzung von Sachen wird grundsätzlich nichtbesteuert27. Dies mag vor dem Hintergrund der finanz -wissenschaftlichen Reinvermögenszugangstheorie über -raschen. Aber in der Tat haben die Nutzung von Automo-bilen, der Wohnungseinrichtung usw., soweit ersichtlich,noch nie Anlass zur Besteuerung entsprechender Ein-künfte gegeben28. Die einzige Ausnahme hierzu bildet diesteuerliche Erfassung der Selbstnutzung von Wohneigen-tum durch den so genannten Eigenmietwert.

Schliesslich ist die steuerliche Erfassung der Wertverän-derungen von Vermögensteilen zu nennen. Soweit hiereine Besteuerung in Betracht fällt, sei es im Rahmen derallgemeinen Einkommenssteuer oder durch die Grund-stückgewinnsteuer, erfolgt sie nicht im Zeitpunkt derWertveränderung, sondern bei der Veräusserung des ent-sprechenden Gegenstandes.

16 BGE 125 II 113 = ASA 67 (1998/99), S. 644; BGE 117 Ib 1 = ASA60 (1991/92), S. 352; BGE 114 Ia 221 = ASA 60 (1991/92), S. 71;BGE 108 Ib 229 = ASA 51 (1982/83), S. 635; BGE 73 I 135.

17 BGE 52 I 214; vgl. auch bereits BGE 45 I 7, 37 I 478 f.

18 BLUMENSTEIN/LOCHER, S. 170.

19 S. dazu die Hinweise bei WEIDMANN, S. 59 f.

20 BGE 125 II 113 = ASA 67 (1998/99), S. 644; BGE 114 Ia 221 =ASA 60 (1991/92), S. 71; s. auch die Hinweise bei BÖHI, S. 47.

21 HÖHN/WALDBURGER, § 14 N. 13; HÖHN/WALDBURGER machen zuRecht auf die gesetzliche Inkonsequenz aufmerksam, dassdas DBG keine Generalklausel für Gewinnungskosten ent-hält. Die Regelung der Gewinnungskosten in Art. 25 ff. DBGdarf deshalb nicht als abschliessend angesehen werden(REICH, Art. 25 DBG N. 12 f.; vgl. auch die Praxis zum früherenZürcher Steuergesetz, bei Vorliegen von Gewinnen aus Spielund Wette, die von der einkommenssteuerlichen General-klausel erfasst werden, die Spieleinsätze und Verluste zurVerrechnung zuzulassen; REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER undZUPPINGER/SCHÄRRER/FESSLER/REICH, § 19 Ingress N. 14).

22 BGE 125 II 113 = ASA 67 (1998/99), S. 644.

23 BGE 117 Ib 3 f. = ASA 60 (1991/92), S. 354 f.; BGE 110 Ia 23. Da-zu BÖCKLI, Schatteneinkommen, S. 105; REICH, Ehegattenbe-steuerung, S. 248; LOCHER, Art. 23 N. 29.

24 VGr ZH, 3.7.2002, StE 2002 B 26.44 Nr. 8 = StR 57 (2002), S. 855= ZStP 2002, S. 297; vgl. auch den Entscheid der Vorinstanz(RK I ZH, 23.8.2001, ZStP 2002, S. 22) und die Bemerkungenvon RUFENER (Urteil vom 3. Juli 2002, S. 859 ff. m.w.H.).

25 LOCHER, Art. 16 N. 51; REICH, Art. 16 DBG N. 28 ff.; RICH NER/FREI/KAUFMANN, Vorbemerkungen zu §§ 16–37 N. 2–4; WEID-MANN, S. 78 f.

26 BGE 108 Ib 230 f. = ASA 51 (1982/83), S. 638 f.; RK IV ZH,23.10.1996, StE 1997 B 26.27 Nr. 4; näher dazu LOCHER (Art. 16N. 52 f.), der dafür hält, dass Eigenleistungen im Privatver-mögen generell unbesteuert bleiben.

27 BGE 125 I 68; BGE 124 I 193 = ASA 69 (2000/01), S. 373; BGE112 Ia 242; BÖCKLI, Eigenmiete, S. 17; BOSSHARDT, S. 305 f.;REICH, Art. 7 StHG N. 41 f.; WEIDMANN, S. 77 f. Im Ergebnis dergleichen Meinung sind LOCHER (Art. 16 N. 55 ff.) und GURT -NER/LOCHER (S. 603 ff.), die zwar von der grundsätzlichen Steu-erbarkeit der Eigennutzung von beweglichen Sachen ausge-hen, aber geltend machen, bei der Nutzung von Mobilien seibei der gebotenen Berücksichtigung des Wertverzehrs län-gerfristig nicht mit einem positiven Reinvermögenszugangzu rechnen. Auch sprächen Praktikabilitätsargumente fürdiese Lösung.

28 Vgl. auch BLUMENSTEIN/LOCHER, S. 171 mit Anm. 13a.

2.2 Der steuerrechtliche Einkommensbegriff

2.2.1 Rechtsprechung

Das Bundesgericht umschreibt den steuerlichen Begriffdes Einkommens als die Gesamtheit derjenigen Wirt-schaftsgüter, welche einem Individuum während einesbestimmten Zeitabschnittes zufliessen und die es ohneSchmälerung seines Vermögens zur Befriedigung seinerpersönlichen Bedürfnisse und für seine laufende Wirt-schaft verwenden kann16. Diese Rechtsprechung lässtsich weit zurückverfolgen17 und stimmt mit der von Blu-menstein geprägten Formulierung überein, wonach un-ter Einkommen die Summe an solchen Gütern zu verste-hen ist, die einem Steuersubjekt zur Befriedigung seinerBedürfnisse und für die Zwecke seiner laufenden Wirt-schaft während einer bestimmten Periode ohne Schmäle-rung seines Vermögens zur Verfügung stehen18. Die De-finition von Blumenstein geht auf Schanz zurück19. DasBundesgericht steht demnach grundsätzlich auf dem Bo-den der Reinvermögenszugangstheorie20 und erblickt inArt. 16 Abs. 1 DBG, entgegen der Auslegung dieser Be-stimmung durch Ernst Höhn und Robert Waldburger21,eine einkommenssteuerliche Generalklausel22. Indessenist zugleich klar, dass die Einkommenssteuer keines-wegs durchgängig dem theoretischen finanzwissen-schaftlichen Konzept der Reinvermögenszugangstheo-rie folgt. Dies hat das Bundesgericht in verschiedenenZusammenhängen zum Ausdruck gebracht:

Entschädigungen für die Beeinträchtigung in der Haus-arbeit sind nicht steuerbar. Das Bundesgericht hat ausge-führt, dass die Arbeiten, welche der den Haushalt führen-

Page 9: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

87Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

Wo nun genau die Trennlinie zwischen dem steuerlichenEinkommensbegriff und dem finanzwissenschaftlichenKonzept zu ziehen ist, ist anhand der Judikatur nicht ein-fach auszumachen. Es hat sich gezeigt, dass das theoreti-sche Konzept des finanzwissenschaftlichen Einkom-mensbegriffes nicht unbesehen übernommen werdenkann. Abweichungen zwischen der steuerlichen Be-trachtungsweise und dem theoretischen finanzwissen-schaftlichen Ansatz bestehen vor allem bei der Behand-lung der Eigenleistungen und Eigennutzungen sowie beider Erfassung der realisierten bzw. nicht realisiertenWertveränderungen.

In der Literatur stehen sich gegenwärtig zwei Stand-punkte gegenüber, die den steuerlichen Einkommensbe-griff genauer fassen wollen.

2.2.2 Markteinkommenstheorie

Teilweise wird versucht, die für steuerliche Zwecke not-wendige Einschränkung des finanzwissenschaftlichenEinkommenskonzeptes durch eine Anlehnung an diedeutsche Doktrin des Markteinkommens zu erreichen.Nach der Theorie des Markteinkommens bilden nur diedurch Teilnahme am Markt erzielten Einkünfte steuerba-res Einkommen. Andere, nicht am Markt erzielte Ein-künfte sind nicht steuerbar, sofern nicht das Gesetz sol-che Einkünfte ausdrücklich für steuerbar erklärt29.

Auch die Markteinkommenstheorie hat ihre Wurzeln,soweit sie zurückverfolgt werden können, in der Finanz -wissenschaft. Insbesondere Fritz Neumark hat für steuerliche Zwecke einen von der Theorie des Gesamt-reineinkommens abweichenden Einkommensbegriffentwickelt30. Gemäss Neumark sollen als Einkommens-bestandteile nur solche Einkünfte erfasst werden, dieerstens Ergebnis einer Teilnahme des Empfängers an derBildung des Sozialprodukts sind und zweitens einen ak-tuellen (effektiven) Zuwachs an wirtschaftlicher Verfü-gungsmacht des fraglichen Wirtschaftssubjektes herbei-führen31. In der deutschen steuerrechtlichen Doktrin istdie Markteinkommenstheorie aufgegriffen worden als

Versuch, einen gemeinsamen Grundgedanken für die imdeutschen Recht erfolgte Auswahl der steuerbaren Ein-künfte zu finden32.

Die schweizerischen gesetzlichen Grundlagen lassennicht erkennen, dass der Gesetzgeber auf das Marktein-kommen hätte abstellen wollen33. Im Gegenteil: Viele undgerade bedeutende steuerbare Einkünfte werden nicht amMarkt durch Leistungsaustausch erzielt. Es steht ausserFrage, dass beispielsweise die Einkünfte aus der staatli-chen Altersversicherung, der beruflichen Vorsorge oderUnterhaltsbeiträge des geschiedenen Ehegatten nicht auseinem Leistungsaustausch «am Markt» erzielt werden,jedoch sehr wohl steuerbar sind34. Auch muss angesichtsdes Umfanges der staatlichen Transferleistungen, na-mentlich über die Sozialversicherungen, in Frage gestelltwerden, ob das steuerbare Einkommen quantitativ wirk-lich «im Grossen und Ganzen» den am Markt erzieltenEinkünften entspricht, wie hin und wieder der Marktein-kommenstheorie zugute gehalten wird35.

Dem Kriterium der Teilnahme am Marktgeschehenkönnte an sich eine wichtige Abgrenzungsfunktion zu-kommen. Die so genannten zugerechneten Einkünfte imSinne des finanzwissenschaftlichen Einkommensbegrif-fes (Eigenleistungen und Eigennutzungen) fielen, weilsie nicht am Markt erzielt werden, nicht unter den steuer-lichen Einkommensbegriff. Nun müssen aber gemässden Vertretern der Markteinkommenstheorie noch wei-tere Einkünfte dem Markteinkommen steuerlich zuge-rechnet werden, nämlich der Selbstverbrauch von Gü-tern oder Dienstleistungen sowie die Eigennutzung dau-erhafter Gebrauchsgüter36. Diese Position ist wider-sprüchlich, weil sie gerade solche Einkünfte erfassenwill, die vom Kriterium der Teilhabe am Marktgesche-hen von der Bemessungsgrundlage ausgeschlossen wer-den37. Eine Begründung im Rahmen der Markteinkom-menstheorie, weshalb diese zugerechneten Einkünftesteuerbar sein sollen, ist nicht ersichtlich.

Insgesamt verfehlt die Markteinkommenstheorie ihrZiel, die Grenzlinie zwischen dem aus wirtschaftlicher

29 BLUMENSTEIN/LOCHER, S. 171 f. Zur Markteinkommenstheories. auch BÖHI, S. 43 f.; OBERSON, § 7 N. 5; REICH, Art. 16 DBG N. 11 f.; SÖHN, S. 344 ff.; STEICHEN, passim; WEIDMANN, S. 63 ff.

30 S. auch SÖHN, S. 345; STEICHEN, S. 367 ff.; ablehnend aus Sichtder Finanzwissenschaft äussert sich ANDEL, Finanzwissen-schaft, S. 315 Anm. 1. Ob ROSCHER einen eigentlichen Einkom-mensbegriff schaffen wollte, wie dies BLUMENSTEIN/LOCHER

(S. 171) annehmen, ist unklar (dazu WEIDMANN, S. 64 f.).

31 NEUMARK, S. 41 ff.

32 Insbesondere RUPPE, S. 15 f. Das deutsche Steuerrecht ent-hält, anders als die Schweizer Gesetze, keine einkommens-steuerliche Generalklausel, wonach alle Einkünfte steuerbarsind, sondern vielmehr eine enumerative Aufzählung steuer-

barer Einkünfte. Die deutsche Rechtslage ist insofern nichtmit der schweizerischen vergleichbar. Die Markteinkom-menstheorie ist im deutschen Steuerrecht keineswegs unbe-stritten. Ablehnend, insbesondere auch zum verfassungs-rechtlichen Ansatz von Kirchhof, äussern sich namentlichSÖHN (S. 346 ff.) und STEICHEN (S. 370 ff.).

33 REICH, Art. 16 DBG N. 12.

34 Art. 22 Abs. 1, Art. 23 lit. f DBG.

35 Vgl. HÖHN/WALDBURGER, § 14 N. 8; REICH, Art. 16 DBG N. 12.

36 BLUMENSTEIN/LOCHER, S. 171 f.

37 OBERSON, § 7 N. 10; REICH, Art. 7 StHG N. 15.

Page 10: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

88 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

Sicht umfassenden Einkommensbegriff und dem enge-ren steuerrechtlichen Einkommensbegriff zu ziehen, undist deshalb abzulehnen.

2.2.3 Zuflusstheorie

Das jüngere Konzept der Zuflusstheorie ergänzt den Ein-kommensbegriff für steuerliche Zwecke mit dem Krite-rium des Zuflusses. Danach sind nur diejenigen Einkünf-te im Sinne der Reinvermögenszugangstheorie steuer-bar, die der Steuerpflichtige realisiert oder – in einer an-deren Umschreibung – die ihm als so genannt exogeneEinkünfte von aussen zufliessen38. In der Vermögens-sphäre des Steuerpflichtigen entstandene oder von ihmin der eigenen Vermögenssphäre selbst erarbeitete Ein-künfte (endogene Einkünfte), die er nicht in Zuflüssevon aussen umwandelt, indem er beispielsweise seineDienste gegen Entgelt erbringt, die er mithin nicht reali-siert, sind steuerlich unbeachtlich.

Die Einschränkung des Einkommensbegriffes durch dieErgänzung des Zuflusskriteriums gründet sich auf eineAnalyse der geltenden Steuergesetze und steuerlichenPraxis39. Der so gefasste Einkommensbegriff zeitigt diefolgenden Konsequenzen:– Eigenleistungen werden nicht besteuert, weil sie

keinen Zufluss von ökonomischen Werten von aus-sen darstellen. Damit wird deutlich, dass die Hausar-beit, das Bestellen des eigenen Gartens durch denSteuerpflichtigen, die Behandlung der eigenen Kin-der durch den Arzt und alle anderen sich selbst er-brachten Leistungen steuerlich unbeachtlich sind.

– Ebenfalls nicht erfasst werden grundsätzlich die Ei-gennutzungen: Das Betrachten der Bilder in der ei-genen Wohnung ist steuerfrei (der Steuerpflichtigemuss sich nicht einen steuerlichen Museumseintrittaufrechnen lassen), die Benützung des eigenen Fahr-zeuges muss nicht als Einkunft deklariert werden(obwohl gerade für Automobile ein Markt für dieMiete besteht); beim Sitzen auf dem eigenen Sofabraucht sich der Steuerpflichtige keine Gedankendarüber zu machen, was er bei Miete des Möbelsauszulegen hätte.

– Wertsteigerungen werden, wenn überhaupt, erst beiihrer Realisation steuerlich erfasst.

Der Ansatz der Zuflusstheorie kann entscheidende Vor-teile für sich beanspruchen. Die eben angeführten Kon-

sequenzen entsprechen der geltenden und seit langemgeübten steuerrechtlichen Praxis, denn diese erfasst dieendogenen Einkünfte gerade nicht. Mit Hilfe des Zu-flusskriteriums lässt sich diese Rechtslage einheitlich er-klären. Das Zuflusskriterium engt den Einkommens -begriff so ein, wie er in der Praxis seit jeher – explizitoder stillschweigend – gehandhabt wird. Es geht nichtum eine «Ausblendung» ökonomischer Gesichtspunk-te40, sondern um die sachgerechte Eingrenzung eines fürsteuerliche Zwecke unbestrittenermassen zu weiten undnicht praktikablen Einkommensbegriffes.

Die Beschränkung des steuerbaren Einkommens auf Zu-flüsse von aussen beruht aber auch auf einer Reihe vonweiteren Gründen41. Gegen eine Erfassung der nicht rea-lisierten bzw. endogenen Einkünfte sind zunächst die of-fenkundigen praktischen Probleme anzuführen, welchedie konsequente Umsetzung der Reinvermögenszu-gangstheorie mit sich brächte. Aus der Diskussion umdie Bemessung des Eigenmietwertes des selbstgenutztenWohneigentums sind die Schwierigkeiten, endogeneEinkünfte zu bewerten, allgemein bekannt. Diese Be-wertungsprobleme in einem Massenfallrecht weckenBedenken nicht nur hinsichtlich der Praktikabilität, son-dern auch der Gleichmässigkeit und Gesetzmässigkeitder Besteuerung42. Aus erhebungstechnischer Sicht, undum eine rechtsgleiche Behandlung der Steuerpflichtigenzu erreichen, müsste grundsätzlich ihr gesamtes Lebenin den Steuerakten offengelegt werden, denn endogenesEinkommen kann jederzeit geschaffen werden. Die Er-hebung der Steuer hätte deshalb einen schwerwiegendenEingriff in das verfassungsmässige Recht auf persönli-che Freiheit zur Folge. Nicht zuletzt dürften auch sozial-politische Wertungen eine Rolle spielen. Durch die Be-steuerung endogener Einkünfte, wenn es sie gäbe, wür-den untere Einkommensschichten besonders betroffen,weil der relative Wert der eigenen Arbeit im Haushaltbzw. der Dienst an der Familie bei steigendem Einkom-men abnimmt43.

Für die Beschränkung der Besteuerung auf die Zuflüssevon aussen spricht weiter der Umstand, dass die Steuerdann anfällt, wenn der Steuerpflichtige über ein disponi-bles Gut verfügt. Ein oft beanstandeter Mangel der Be-steuerung des Eigenmietwerts des Wohneigentums be-steht ja gerade darin, dass eine Steuer zahlbar ist, obwohlder betreffende Steuerpflichtige keine Mittelzuflüsse zu

38 BÖHI, S. 44 f.; REICH, Art. 7 StHG N. 16 ff., 42 ff.; RICHNER/FREI/KAUFMANN, Vorbemerkungen zu §§ 16–37 N. 2 ff.; WEIDMANN,S. 80 ff.; ZWAHLEN, Art. 21 DBG N. 13. Auf die ZuflusstheorieBezug nehmend RK I ZH, 23.8.2001, ZStP 2002, S. 22, und die-sen Entscheid bestätigend VGr ZH, 3.7.2002, StE 2002 B 26.44Nr. 8 = StR 57 (2002), S. 855 = ZStP 2002, S. 297.

39 REICH, Art. 7 StHG N. 16 f.; WEIDMANN, S. 76 ff.

40 So der – unbegründete – Vorwurf an die Zuflusstheorie(GURT NER/LOCHER, S. 602; LOCHER, Art. 16 N. 13).

41 REICH, Art. 16 DBG N. 17.

42 WEIDMANN, S. 97 ff., auch zum Folgenden.

43 VGr ZH, 3.7.2002, StE 2002 B 26.44 Nr. 8 = StR 57 (2002), S. 858= ZStP 2002, S. 297.

Page 11: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

89Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

verzeichnen hat, woraus er die Steuer entrichten könnte,sondern allenfalls auf sein Vermögen zurückgreifenmuss. Die Nichtbesteuerung endogener Einkünfte ver-meidet diese Konsequenz. Die Steuererhebung ist tech-nisch einfacher als unter Einbezug endogener Einkünfte,für den Steuerpflichtigen schonender und nicht zuletzterhebungswirtschaftlicher als eine einigermassen konse-quent umgesetzte finanzwissenschaftliche Reinvermö-genszugangstheorie.

Das geltende Recht kennt jedoch eine Ausnahme von derSteuerfreiheit der endogenen Einkünfte, nämlich die Be-steuerung des Eigenmietwertes des selbstgenutztenWohneigentums. Diese endogenen Einkünfte werden aufausdrücklicher gesetzlicher Grundlage erfasst: Wie sichbeispielsweise aus Art. 21 Abs. 1 lit. b DBG ergibt, ist dieBesteuerung des Eigenmietwertes nicht bereits in derGeneralklausel oder im Begriff der «sonstigen Nutzung»unbeweglichen Vermögens enthalten44. Die Eigenmiet-wertbesteuerung als Regel aufzufassen, hingegen die ge-nerelle Nichtbesteuerung des Eigenmietwertes von be-weglichen Sachen mit seiner zweifelhaften fiskalischenErgiebigkeit zu begründen, wie dies Peter Locher undPeter Gurtner tun45, erscheint wenig konsequent. Wenndie Erfassung des Eigenmietwertes von beweglichen Sa-chen gefordert wird, dann müssten auch die daraus allen-falls resultierenden Verluste zur Anrechnung zugelassenwerden. Zuzustimmen ist den Hinweisen von Gurtnerund Locher auf die erhebungstechnischen Schwierigkei-ten und ihrer Forderung, dass bei einer Erfassung des Ei-genmietwertes von beweglichen Sachen auch die Ab-schreibungen darauf zuzulassen wären. Plausibilitäts-überlegungen, auch wenn sie ökonomisch untermauertsind, genügen indessen nicht, um die Steuerfreiheit desNutzungswertes von beweglichen Sachen zu begründen.

2.2.4 Folgerungen

Der steuerliche Einkommensbegriff folgt weitgehenddem finanzwissenschaftlichen Konzept des Reinvermö-genszugangs. Das Steuerrecht hat indessen jene Theorienie unbesehen umgesetzt, sondern gewichtige Einschrän-kungen vorgenommen. Die Markteinkommenstheorieund die Zuflusstheorie ziehen die Trennlinie zwischendem Einkommen im Sinne der finanzwissenschaftlichen

Reinvermögenszugangstheorie und dem Einkommen imsteuerrechtlichen Sinne auf unterschiedliche Weise:– Die Markteinkommenstheorie führt das Kriterium

ein, wonach nur am Markt erzielte Einkünfte steuer-bar sein sollen. Der hauptsächliche Nachteil derMarkteinkommenstheorie besteht darin, dass siekeine Abgrenzungsfunktion übernehmen kann oderwill, indem die nicht am Markt erzielten Einkünftedoch wieder steuerbar sein sollen. Die Marktein-kommenstheorie ist deshalb abzulehnen.

– Die Zuflusstheorie ergänzt den Einkommensbegriffmit dem Zuflusskriterium. Nur von aussen in dieVermögenssphäre des Steuerpflichtigen gelangendeEinkünfte sind steuerbar. Endogene Einkünfte sinddeshalb nur dann steuerbar, wenn sie realisiert, dasheisst in Zuflüsse von aussen umgewandelt werden.Die Zuflusstheorie gibt die geltende Rechtslage wie-der und grenzt den finanzwissenschaftlichen Ein-kommensbegriff sachgerecht ein.

2.3 Sondertatbestände

Die harmonisierten Steuergesetze enthalten eine Reihevon Bestimmungen, die von der Generalklausel abwei-chen. Nachfolgend sollen einige wichtige Sondertatbe-stände dargestellt werden, welche im System der Ein-kommenssteuer von Bedeutung sind.

2.3.1 Steuerliche Unbeachtlichkeit der priva-ten Kapitalgewinne und -verluste

Die Harmonisierungserlasse halten fest, dass die Kapital-gewinne aus der Veräusserung von Privatvermögen steuerfrei sind46. Vom Wortlaut werden nur die Kapitalge-winne, nicht jedoch die Kapitalverluste erfasst. Es ist aberallgemein anerkannt, dass spiegelbildlich auch die Kapi-talverluste «steuerfrei» sind, das heisst, nicht mit steuer-baren Einkünften verrechnet werden können. Auch einallfälliger Schadenersatz wird nicht besteuert47.

Ebenfalls steuerlich unbeachtlich bleiben die nicht rea -lisierten Wertveränderungen von Gegenständen des Privatvermögens. Weder kann ein nicht realisierter Ka-pitalgewinn steuerlich erfasst werden noch kann einSteuerpflichtiger Abschreibungen oder Wertberichti-gungen auf Privatvermögen geltend machen.

44 Vgl. dazu auch den Bericht der KOMMISSION EIGEN MIET WERT/SYSTEMWECHSEL (KES), insb. in dessen Anhang: Bundesamtfür Justiz, Gutachten zum Systemwechsel bei der Besteue-rung des selbstgenutzten Wohneigentums vom 14. Januar2000, publ. in VPB 65.36, Ziff. 4.3., 5.2.3.; REICH, Art. 7 StHGN. 41 f.; WEIDMANN, S. 82. Der immer noch vom Parlament be-handelte bundesrätliche Vorschlag zur Abschaffung der Ei-genmietwertbesteuerung auf selbstgenutztem Wohneigen-tum im Rahmen des «Steuerpaketes 2001» (Botschaft desBundesrates vom 28. Februar 2001, BBl 2001, S. 2983) ist hier

nicht zu behandeln (s. dazu REICH, Furcht vor dem System-wechsel, S. 721).

45 GURTNER/LOCHER, S. 605; s. auch oben, Anm. 27.

46 Art. 7 Abs. 4 lit. b StHG; Art. 19 Abs. 3 DBG. Auf die schwierigeund streitige Abgrenzung zwischen Privat- und Geschäfts-vermögen ist hier nicht einzutreten.

47 REICH, Art. 7 StHG N. 26.

Page 12: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

90 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

2.3.2 Ausnahmen zur Unbeachtlichkeit derprivaten Kapitalgewinne und -verluste

2.3.2.1 Gewinne aus der Veräusserung vonGrundstücken

Während bei der direkten Bundessteuer die privaten Ka-pitalgewinne und -verluste auf Grundstücken keine Son-derbehandlung erfahren und deshalb steuerlich unbe-achtlich sind48, erheben die Kantone oder GemeindenGrundstückgewinnsteuern. Sie sind hierzu auf Grundvon Art. 12 Abs. 1 StHG verpflichtet. Bei der Grund-stückgewinnsteuer handelt es sich um eine Spezialein-kommenssteuer, die auf einer besonders definierten Ein-kunft erhoben wird, nämlich dem Gewinn aus der Ver-äusserung eines Grundstückes.

Verluste aus der Veräusserung von Grundstücken kön-nen nur in sehr beschränktem Umfang und regelmässighöchstens mit Gewinnen aus der Veräusserung andererGrundstücke verrechnet werden; eine Verrechnung vonVeräusserungsverlusten mit übrigem Einkommen beider Einkommenssteuer findet nicht statt49. Es ist aber, so-weit ersichtlich, auch nicht möglich, einen Grundstück-gewinn mit einem Überhang an Abzügen, der bei derEinkommenssteuer resultiert, zu verrechnen50. Diese ausdem Blickwinkel der Einkommenssteuer inkonsistenteRegelung, die in bestimmten Situationen zu verfas-sungswidrigen Resultaten führen kann, lässt sich nur mithistorischen Argumenten erklären. Verbesserungen desSystems im Sinne der Reineinkommensbesteuerung mö-gen einen gewissen legislativen Aufwand bedingen undauch dadurch gehemmt werden, dass die Erträge aus derGrundstückgewinnsteuer oftmals alleine den Gemein-den zukommen, während das Einkommen von Kantonenund Gemeinden besteuert wird.

2.3.2.2 Einkünfte aus Obligationen mit überwie-gender Einmalverzinsung

Die gesetzlichen Regelungen erklären die Einkünfte ausder Veräusserung oder Rückzahlung von Obligationenmit überwiegender Einmalverzinsung als steuerbar51. Indiesem beschränkten Bereich werden auch die privatenKapitalgewinne von der allgemeinen Einkommens -steuer erfasst.

48 Vorbehalten bleibt die ausufernde Rechtsprechung zum «ge-werbsmässigen» Liegenschaftenhändler.

49 Beispielsweise können im Kanton Thurgau Grundstückge-winne mit Grundstückverlusten verrechnet werden, die derSteuerpflichtige im Kalenderjahr und in den dem Steuerjahrvorausgehenden vier Kalenderjahren erlitten hat (§134 StGTG).

50 Art.12 StHG würde einer entsprechenden kantonalen Rege-lung wohl nicht entgegenstehen (s. ZWAHLEN, Art.12 StHGN. 2, 8).

51 Art. 20 Abs. 1 lit. b DBG; § 20 Abs. 1 lit. b StG ZH.

52 Kreisschreiben Nr. 4 zur Steuerperiode 1999/2000 der Eidge-nössischen Steuerverwaltung vom 12. April 1999, ASA 68(1999/2000), S. 30 f., Ziff. 3.2.

53 Gemäss dem Kreisschreiben Nr. 4 (Anm. 52), S. 31 Ziff. 3.2,soll ein Verlustvortrag auf eine spätere Steuerperiode nichtmöglich sein.

Nicht ausdrücklich geregelt wird die Behandlung derVerluste aus solchen Obligationen. Es ist indessen eineselbstverständliche Konsequenz der Erfassung der Kapi-talgewinne, dass auch die Verluste steuerlich berück-sichtigt werden müssen. Eine andere Auslegung, welcheGewinne und Verluste asymmetrisch behandeln würde,wäre widersprüchlich. Im Grundsatz ist dies denn auchunbestritten; fraglich ist, womit etwaige Verluste ver-rechnet werden können. Nachdem die Gewinne in dieallgemeine Bemessungsgrundlage eingehen, müssenauch die Verluste mit übrigem Einkommen verrechnetwerden können. Eine gegenteilige Auffassung bestehtallerdings auf Seiten der Eidgenössischen Steuerverwal-tung, wonach Verluste nur mit Gewinnen aus Obligatio-nen mit überwiegender Einmalverzinsung verrechenbarsein sollen52. Eine solche Bildung eines Einkünfte-«Kor-bes» widerspricht der gesetzlichen Systematik, welchedie Gesamtheit der Einkünfte erfasst, und damit auchdem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftli-chen Leistungsfähigkeit. Nicht zuletzt fehlt eine genü-gende gesetzliche Grundlage für eine derartige Ein-schränkung.

Eine weitere Schwachstelle der gesetzlichen Regelungbesteht darin, dass die Möglichkeit einer periodenüber-greifenden Verlustverrechnung, mithin ein steuerlicherVerlustvortrag, nicht vorgesehen ist. Angesichts der häu-fig aperiodischen Natur solcher Kapitalverluste muss einVerlustvortrag in analoger Anwendung der Bestimmun-gen zum Verlustvortrag bei Geschäftsvermögen zuge-standen werden. Andernfalls könnte es zu systemwidri-gen Überbesteuerungen kommen53.

2.3.3 Beteiligungsertrag

2.3.3.1 Objektbezogene Betrachtungsweise alsGrundsatz

Eine andere und zugleich sehr bedeutsame Sonderrege-lung erschliesst sich nicht ohne weiteres aus den Geset-zestexten. Aus der Erwähnung der Liquidationsüber-schüsse in Art. 20 Abs. 1 lit. c DBG und den entsprechen-den kantonalen Bestimmungen wird gefolgert, dass imBereich der Einkünfte aus Beteiligungen an Kapitalge-sellschaften eine objektmässige Betrachtungsweise aus

Page 13: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

91Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

der Sicht der Gesellschaft Platz greift. Jede Ausschüt-tung von Gewinnen bildet beim Empfänger, der die Titelin seinem Privatvermögen hält, eine steuerbare Ein-kunft. Zweck dieser Konzeption ist es, die wirtschaftli-che Doppelbesteuerung der Gewinne sicherzustellen, sodass alle Gewinne der Gesellschaft auch auf der Ebeneder Aktionäre erfasst werden, und zwar spätestens imFalle der Liquidation der Gesellschaft. Unter der Annah-me, dass die Beteiligungsrechte immer in Privatvermö-gen gehalten werden – aber nur in diesem Fall –, gewähr-leistet dieses Konzept, dass alle von der Kapitalgesell-schaft erwirtschafteten Gewinne trotz der Steuerfreiheitdes privaten Veräusserungsgewinnes zu irgend einemZeitpunkt auch beim Aktionär besteuert werden.

Die objektmässige Betrachtungsweise führt bei Divi-denden, die aus dem laufenden Geschäftsgewinn gezahltwerden, zu keinem anderen Ergebnis als die gesetzlicheGeneralklausel. Derartige Dividenden steigern die sub-jektive wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Empfän-gers während der laufenden Steuerperiode und bildendeshalb Einkommen. Anders präsentieren sich hingegendie Fälle, wo die Ausschüttungen zu Lasten der Substanzder Gesellschaft gehen. Aus Sicht des Anteilseigners bil-den Substanzdividenden nur Vermögensumschichtun-gen. Die zusätzlichen (Bar-) Mittel, die er erhält, min-dern den Wert seiner Beteiligung. Der Empfänger erfährtkeine Steigerung seiner wirtschaftlichen Leistungsfä-higkeit und ist nach der Substanzdividende wirtschaft-lich in der selben Position wie zuvor.

2.3.3.2 Bemessung des Steuerobjektes

Weiter ist zu definieren, was unter einer Gewinnaus-schüttung zu verstehen sei. Das Recht der direkten Bun-dessteuer hat hier eine einfache und formale, aber unbe-friedigende Lösung gewählt, indem alle geldwertenLeistungen der Gesellschaft, die nicht eine Rückzahlungvon Nennwert darstellen, steuerbares Einkommen bil-den54. Deshalb wird vom «Nennwertprinzip» gespro-chen. Die Herausgabe von Gratisaktien unterliegt, weilsteuerfrei rückzahlbares Nennkapital geschaffen wird,der direkten Bundessteuer.

Der allgemein bemängelte Bruch im System der objekt-bezogenen Betrachtungsweise55 liegt darin, dass auf die-se Weise auch Rückzahlungen von Kapitaleinlagen derAktionäre in die Reserven der Gesellschaft als steuerba-res Einkommen behandelt werden. Werden beispiels-weise bei einer Erhöhung des Aktienkapitals neue Aktiengegen einen Aufpreis («Agio») ausgegeben, weil der in-nere Wert der alten Aktien über ihrem Nennwert liegt,

geht der Aufpreis nicht in das Nennkapital ein. Eine Be-steuerung der Agio-Rückzahlungen lässt sich nicht mitder objektbezogenen Betrachtungsweise rechtfertigen,weil diese Mittel aus Sicht der Gesellschaft nicht aus er-arbeiteten Gewinnen stammen und es deshalb keine Si-cherung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung vonGewinnen der Gesellschaft auf der Ebene der Aktionärebraucht. Ein weiterer Fall, wo das Nennwertprinzipselbst innerhalb der objektmässigen Betrachtungsweisezu einer Überbesteuerung führt, ergibt sich bei Zuschüs-sen der Aktionäre. Obwohl die Aktionäre der Gesell-schaft neue Mittel zuführen, welche nicht von der Ge-sellschaft erarbeitete Gewinne darstellen, unterwirft dasNennwertprinzip diese Mittel der latenten Einkommens-steuer.

Ein anderer Weg wird im Kanton Zürich beschritten: Eswird darauf abgestellt, ob Eigenkapital zurückgezahltwird oder ob erarbeitete Gewinne ausgeschüttet werden.Die Kapitalrückzahlungen, worunter insbesondere auchdie Rückzahlungen von Agio gehören, bleiben steuerlichunbeachtlich56. Diese Praxis, die als Kapitalrückzah-lungsprinzip bezeichnet wird, ist innerhalb der objektbe-zogenen Betrachtungsweise sachgerecht.

2.3.3.3 Primäre Konsequenzen der gesetzlichenRegelung

Die objektbezogene Betrachtungsweise wählt einenganz anderen Ansatz als das subjektbezogene Konzeptder Einkommensgeneralklausel und setzt den Einkom-mensbegriff für einen Teilbereich des Einkommens -steuer rechts ausser Kraft. Aus Sicht des Empfängerskönnen nämlich die Erträge aus Beteiligungen Einkom-men darstellen, müssen aber nicht. Wie bereits erwähnt,führen die beiden Betrachtungsweisen nur in einem Teil-bereich zum selben Resultat, nämlich dann, wenn die Di-videnden aus Gewinnen ausgeschüttet werden, welchedie Gesellschaft in der Zeitspanne erarbeitet hat, in wel-cher der betreffende Steuerpflichtige die Aktien gehaltenhat.

In anderen Fällen, insbesondere bei Ausschüttungen ausReserven, die auf Gewinne zurückgehen, welche vordem Erwerb der Aktien durch den Steuerpflichtigen ent-standen sind, führt die objektmässige Betrachtungsweisezu dessen Überbesteuerung: Er hat nämlich beim Erwerbder Titel die latente Steuerlast des Verkäufers übernom-men, die auf den einbehaltenen Gewinnen lastet. DieseÜberbesteuerung des Erwerbers von Beteiligungsrech-ten hängt mit der Steuerfreiheit der privaten Kapitalge-winne des Veräusserers zusammen. Die Steuerfreiheit

54 LOCHER, Art. 20 N 13 f., 76.

55 LOCHER, Art. 20 N. 10 ff. m.w.H.

56 REICH, Vermögensertragsbegriff und Nennwertprinzip, S. 278 ff.;RICHNER/FREI/KAUFMANN, §20 N. 78, 83 ff.

Page 14: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

92 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

des Veräusserungsgewinnes beim Verkäufer wird kom-pensiert bzw. «erkauft» durch die Überbesteuerung desErwerbers. Besonders einschneidend kann die Überbe-steuerung bei (Teil-) Liquidationen sein, wenn der Ak-tionär die Aktien nicht seit der Gründung der Gesell-schaft besessen hat. Der Liquidationsüberschuss wirdihm als Einkommen angerechnet, ohne dass es auf seineAnschaffungskosten ankäme. Der Steuerpflichtige kannmit seiner Investition einen Verlust erleiden und trotz-dem für ein «Einkommen» besteuert werden.

Eine weitere und sehr wichtige Schwachstelle des Sys-tems liegt darin, dass es nur auf Privatvermögen Anwen-dung findet. Bei einer Veräusserung aus dem Privatver-mögen in ein Geschäftsvermögen geht die latente Steu-erlast verloren, weil dort für die Ermittlung eines allfäl-ligen Veräusserungsgewinnes grundsätzlich die An-schaffungskosten massgeblich sind. Bei diesem Wechselvom Privat- ins Geschäftsvermögen und dem damit ein-hergehenden «Verlust» an latenten Steuern setzen dieTheorien der Transponierung und der indirekten Teilli-quidation an. Dabei muss aber auch erwähnt werden,dass beim Verkauf aus dem Geschäfts- ins Privatvermö-gen neue latente Steuern geschaffen werden, ohne dasses zu einem steuerlichen Ausgleich hierfür käme.

2.3.3.4 Sekundäre Konsequenzen der gesetz -lichen Regelung: Transponierung und in-direkte Teilliquidation

Gemäss der Transponierungstheorie wird Einkommens-steuer erhoben, wenn Aktien in eine vom Einleger be-herrschte Kapitalgesellschaft eingebracht werden, sei esals Sacheinlage zur Liberierung von Aktien mit höheremNennwert oder sei es gegen Gutschrift auf einem Darle-henskonto zu Gunsten des Einlegers57. Diese Steuerfolgewird mit zwei Argumenten begründet. Zum einen sollder Verkauf an eine selbstbeherrschte Gesellschaft keineeigentliche Veräusserung sein58. Damit wird aber diekonzernrechtliche Betrachtungsweise angewendet, fürdie das geltende Recht keine Grundlage bildet59. Zum an-deren wird ein steuerbarer Ertrag darin erblickt, dass dielatente Steuerlast aufgehoben wird60. Zum Zeitpunkt derEinbringung wird aber ein solcher Vorteil nicht reali-

siert, sondern bloss eine entsprechende Möglichkeit geschaffen61. Der Vorteil verwirklicht sich, wenn über-haupt, erst bei einer effektiven Entreicherung der Gesell-schaft, deren Beteiligungsrechte eingebracht wordensind. Eine solche Entreicherung erfolgt erst bei Liquida-tion oder bei Substanzdividenden. Der Einbringungsvor-gang als solcher kann deshalb alleine noch keinen steu-erbaren Ertrag darstellen. Die Transponierungstheoriewird nahezu einhellig und zu Recht abgelehnt62, und eswird gefordert, die Besteuerung auf Fälle von Steuerum-gehung zu beschränken63.

Ein steuerbarer Beteiligungsertrag soll gemäss derTheorie der indirekten Teilliquidation auch dann vorlie-gen, wenn der Verkäufer auf dem Umweg über den Käu-fer, d.h. indirekt, ausschüttbare Mittel aus der verkauftenGesellschaft zieht, indem der Käufer die Kaufpreiszah-lung aus dem Vermögen der Gesellschaft finanziert. Vo-rausgesetzt wird, dass die Beteiligungsrechte aus demPrivat- in ein Geschäftsvermögen verkauft werden, dassder Käufer den Kauf aus Mitteln der Gesellschaft finan-ziert, dass die Gesellschaft mithin im Zeitpunkt des Ver-kaufs über nicht betriebsnotwendige Mittel verfügt unddass der Verkäufer bei der Finanzierung des Kaufpreisesaus Mitteln der Gesellschaft aktiv mitwirkt64. Auch dieTheorie der indirekten Teilliquidation und die entspre-chende Praxis, die immer tiefere Anforderungen an denNachweis der einzelnen Voraussetzungen stellt, ist zuRecht heftiger Kritik ausgesetzt65. Die so genannte wirt-schaftliche Auslegung des Begriffes des Beteiligungser-trages66 geht fehl, denn der Käufer erhält einen Veräusse-rungserlös. Die Mittelentnahme ist dem Käufer zuzu-rechnen; er hat die etwaige Gewinnausschüttung verein-nahmt. Im Grunde wird der Veräusserungsbegriff «wirt-schaftlich» ausgelegt und nicht etwa der Begriff des Ver-mögensertrages. Eine solche Auslegung müsste abermittels der Kriterien der Steuerumgehung erfolgen.

2.3.4 Marchzinsen

Marchzinsen sind aufgelaufene, aber noch nicht fälligeZinsforderungen. Bei der Veräusserung eines Zins tra-genden Titels werden die Marchzinsen vom Erwerbervergütet. Die Vergütung bildet beim Verkäufer formal

57 HÖHN/WALDBURGER, § 14 N. 87; LOCHER, Art. 20 N. 112, 114 ff.

58 VGr ZH, 27.10.1987, RB 1987 Nr. 20 = StE 1988 B 24.4 Nr. 11;BGr, 10.11.1998, StE 1999 B 24.4 Nr. 52; REICH, Art. 20 DBGN. 77.

59 LOCHER, Art. 20 N. 117 m.w.H.

60 BGr, 16.6.2000, StE 2000 B 24.4 Nr. 55; BGE 115 Ib 238 = ASA58 (1989/90), S. 689.

61 Das genügt aber bereits gemäss der bundesgerichtlichenPraxis (BGr, 6.7.1998, ASA 68 [1999/2000], S. 422 = StE 1999B 24.4 Nr. 48); anders die Rechtsprechung zum Zürcher Recht,

wonach die Übertragung einer Minderheitsbeteiligunggrund sätzlich keinen Transponierungstatbestand bildet (VGrZH, 5.7.2000, RB 2000 Nr. 117 = StE 2001 B 24.4 Nr. 56).

62 LOCHER, Art. 20 N. 117.

63 HÖHN/WALDBURGER, § 14 N. 87.

64 HÖHN/WALDBURGER, § 14 N. 89 ff.; LOCHER, Art. 20 N. 107 ff.

65 Vgl. die Hinweise bei LOCHER, Art. 20 N. 110.

66 LOCHER, Art. 20 N. 110.

Page 15: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

93Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

Eigennutzung von Vermögensgegenständen steuerlichirrelevant ist. Die Besteuerung des Eigenmietwertes be-darf einer besonderen, konstitutiv wirkenden gesetzli-chen Grundlage, weil sie nicht schon in der Generalklau-sel enthalten ist.

2.4.2 Tatbestände steuersystematischer Realisation

Im Geschäftsvermögensbereich werden Überführungenins Privatvermögen und Überführungen in ausländischeBetriebe Veräusserungen gleichgestellt70. Damit soll dievollständige Erfassung der im Geschäftsvermögen ent-standenen Wertvermehrungen sichergestellt werden. ImPrivatvermögen könnte der Veräusserungsgewinn nichtmehr besteuert werden, weil private Kapitalgewinnesteuerfrei sind. Im Ausland entginge der Veräusserungs-gewinn der Schweizer Steuer, auch wenn der veräusserteVermögenswert weiterhin Geschäftsvermögen bildet.Mit einer Realisation von Einkünften haben diese Tatbe-stände nichts zu tun; vielmehr wird von Gesetzes wegeneine Realisation fingiert.

2.4.3 Aufwertungsgewinne

Die im Geschäftsvermögen verbuchten Aufwertungsge-winne werden besteuert (so genannte «buchmässigeRealisation»). Diese Steuerfolge ist eine eigentlichselbstverständliche Konsequenz des Massgeblichkeits-prinzips, welches unausgesprochen nicht nur für juristi-sche Personen, sondern auch für selbständig erwerbendeund Buch führende natürliche Personen gilt. Eine steuer-liche Korrekturnorm, welche den handelsrechtlichenGewinn um die Aufwertungsgewinne bereinigen würde,wäre an sich denkbar, ist aber im geltenden Recht nichtvorgesehen. Die Einführung einer solchen steuerlichenKorrektur, allenfalls sogar der Übergang zu einer eige-nen steuerlichen Gewinnermittlung, ist aber angesichtsder zunehmenden Bedeutung der internationalen Rech-nungslegungsstandards (IFRS/IAS und US GAAP) unddes Projektes eines Rechnungslegungsgesetzes zu prü-fen. Die in den genannten Regelwerken enthaltenenDurchbrechungen des Realisationsprinzips widerspre-chen dem Grundsatz der Einkommenssteuer, nur dasreali sierte Einkommen zu erfassen71.

67 Dies wird zuweilen als «subjektives Herkunftsprinzip» be-zeichnet (LOCHER, Art. 20 N. 7, 21).

68 BGr, 17.12.1992, ASA 63 (1994/95), S. 51 f. = StE 1993 B 24.3Nr. 4.

69 REICH, Vermögensertragsbegriff und Realisation, S. 216 f.m.w.H.; RICHNER/FREI/KAUFMANN, § 20 N. 21.

70 Art. 8 Abs. 1 StHG; Art. 18 Abs. 2 Satz 1 DBG; § 18 Abs. 2 Satz 2StG ZH.

71 Dazu insb. GURTNER, Neue Rechnungslegung, S. 85, 98.

einen Veräusserungserlös für ein anwartschaftlichesRecht. Der Käufer vereinnahmt bei Fälligkeit zwar denganzen Zins, hat aber für einen Teil davon Anschaffungs-kosten aufgewendet, so dass wirtschaftlich betrachtetnur der diese Kosten übersteigende Teil des Zinses ein-kommensbildend ist.

Ähnlich wie bei den Einkünften aus Beteiligungsrech-ten, besteht in der Praxis die Tendenz, dass sämtlicheZahlungen des Schuldners beim jeweiligen Empfängervollständig als Einkommen angerechnet werden, unge-achtet allfälliger Anschaffungskosten des jeweiligenSteuerpflichtigen. Bei der direkten Bundessteuer ist diesgesetzlich vorgegeben, indem Art. 20 Abs. 1 lit. a DBGohne Einschränkung sämtliche Zinsen aus Guthaben alssteuerbar erklärt. Der Erwerber wird für den gesamtenZins besteuert, weil alle Leistungen des Schuldners, dienicht Rückzahlungen der Schuld darstellen, steuerbarsind67. Aus einer subjektiven Sicht, die im Konzept derReineinkommensbesteuerung an sich massgebend ist,bedeutet dies eine Überbesteuerung. Der Erwerber über-nimmt die an sich beim Veräusserer zu erhebende Steuer.Die Gründe für diese formale Betrachtungsweise sindnicht so sehr systematischer, sondern viel mehr prakti-scher Natur. Das Bundesgericht hat noch unter dem altenRecht diese Ordnung geschützt68.

Der Kanton Zürich übt eine Praxis, die sich stärker anden Grundgedanken der Einkommensbesteuerung undweniger an verwaltungstechnischen Überlegungen ori-entiert. Steuerpflichtige können deshalb verlangen, dassihre Zinseinkünfte abgegrenzt werden; diese Abgren-zung erfolgt konsequenterweise aktiv wie passiv: Einer-seits können die Anschaffungskosten von den empfange-nen Zinsen abgezogen werden, anderseits sind die Ver-äusserungserlöse soweit steuerbar, als sie auf Marchzin-sen entfallen69. Die Zürcher Praxis ist sicherlich aufwän-diger als die Lösung der direkten Bundessteuer, jeneraber unter dem Aspekt der Besteuerung nach der wirt-schaftlichen Leistungsfähigkeit überlegen.

2.4 Gesetzlicher Verzicht auf Realisation desEinkommens

2.4.1 Eigenmietwert der selbstbewohntenLiegenschaft

Wie oben ausgeführt, bildet die Besteuerung des Eigen-mietwertes die Ausnahme vom Grundsatz, dass die

Page 16: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

94 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

2.4.4 Eigenleistungen im Geschäft

Einen Tatbestand steuersystematischer Realisation suigeneris bildet die Bewertung selbst hergestellter Erzeug-nisse zum Marktpreis gemäss Art. 16 Abs. 2 DBG, soweitin diesen Erzeugnissen ein Wert der eigenen Arbeit desSteuerpflichtigen enthalten ist72. Nicht realisierte Eigen-leistungen von Selbständigerwerbenden sind nämlichsteuerlich unbeachtlich. Sodann können Eigenleistun-gen nicht privat dem Geschäft entnommen werden, weildie Arbeitskraft des Selbständigerwerbenden nicht zumGeschäftsvermögen gehört. Vielmehr bilden seineDienstleistungen immaterielle Einlagen in das Ge-schäft73. Deshalb kann es bei Eigenleistungen von Selb-ständigerwerbenden höchstens zu einer Aufrechnung je-ner Kosten kommen, die dem Geschäft belastet, aber pri-vat veranlasst sind74. Die gegenteilige Auffassung, wo-nach der Selbständigerwerbende sein gesamtes Dienst-leistungspotential in das Geschäft einlegt, weshalb beiprivater Verwendung Teile davon wieder entnommenwerden können75, überzeugt nicht. Das Dienstleistungs-potential ist höchstpersönlicher Natur, nicht aktivierbarund weder als Gesamtheit noch teilweise einlagefähig.Ohnehin ergäben sich schwierige Konsequenzen, gingeman von einer Einlage des gesamten Dienstleistungspo-tentiales aus76.

2.5 Steuerneutrale Vorgänge

In einigen Fällen kommt es trotz eines Mittelzuflussesvon aussen in die Vermögenssphäre des Steuerpflichti-gen zu keiner Besteuerung zum Zeitpunkt des fraglichenVorganges. Eigentliche Steuerbefreiungen liegen nichtvor, weil die Nichtbesteuerung nicht definitiv ist. SolcheTatbestände werden vom Gesetz entweder als Steuerauf-schub ausgestaltet oder es wird in Anwendung einesfunktionalen Verständnisses der Realisation eine solcheverneint. Diese Aspekte können im Folgenden nur ge-streift werden.

2.5.1 Privatvermögen

Im Privatvermögensbereich kommt es vorab bei derGrundstückgewinnsteuer vor, dass Einkünfte steuerlichbei einem anderen Steuerpflichtigen besteuert werdenals bei demjenigen, bei dem sie wirtschaftlich entstan-

den sind. Es geht um den Wertzuwachs auf liegenschaft-lichen Werten, der auf Grund eines Steueraufschubstat-bestandes trotz Handänderung nicht besteuert wird. AlsAufschubstatbestände sind im Wesentlichen die güter-rechtliche Auseinandersetzung bei Trennung, Scheidungoder Tod sowie der Eigentumsübergang von Todes we-gen zu nennen77. Insbesondere bei der güterrechtlichenAuseinandersetzung sind die mit Grundstücken verbun-denen latenten Steuerlasten ein wichtiger Aspekt, den esbei der Beratung zu berücksichtigen gilt.

Bei Obligationen mit überwiegender Einmalverzinsunggehen, wie oben ausgeführt, die positiven und negativenWertveränderungen auch im Privatvermögensbereichbei ihrer Realisation durch Veräusserung oder bei Rück-zahlung in die Bemessungsgrundlage ein. Der Eigen-tumsübergang solcher Titel bei Erbschaft oder Schen-kung bildet mangels Entgelts keinen Realisationstatbe-stand, so dass latente Steuerlasten und -guthaben über -gehen78.

2.5.2 Geschäftsvermögen

Erbschaft und Schenkung von Geschäftsvermögen stel-len mangels Entgelts keinen Realisationstatbestandbeim Erblasser oder Schenker dar; allerdings ist bei einerSchenkung zu prüfen, ob eine Privatentnahme vorliegt79.Allfällige stille Reserven werden nicht beim Erblasseroder beim Schenker besteuert. Vielmehr übernehmen derErbe und der Beschenkte die bisher für den Erblasser undSchenker massgeblichen Einkommenssteuerwerte. Beieiner späteren Realisation dieser stillen Reserven – so-weit solche Werte noch vorhanden sind – haben der Erbeund der Beschenkte die Steuer darauf zu entrichten, ob-wohl die Wertsteigerung bereits beim Erblasser oderSchenker entstanden war und nach dem finanzwissen-schaftlichen Verständnis bei diesem Einkommen bildete.

Zu keiner Realisation stiller Reserven führen Umstruk-turierungstatbestände, wenn die entsprechenden, hiernicht näher darzustellenden Voraussetzungen der Steuer-neutralität erfüllt sind. In einer funktionalen Betrach-tungsweise, die hier Platz greift, ist keine Realisation ge-geben, weshalb es auch zu keiner Besteuerung kommt80.

72 A. M. LOCHER, Art. 16 N. 35.

73 WEIDMANN, S. 91.

74 REICH, Art. 16 DBG N. 42; WEIDMANN, S. 91.

75 LOCHER, Art. 16 N. 49.

76 Insbesondere wäre das Dienstleistungspotential zu bewer-ten und es müsste steuerlich aktiviert werden. Es wären Ab-schreibungen zuzulassen und bei Geschäftsaufgabe über eine Privatentnahme des Potentials abzurechnen.

77 Art. 12 Abs. 3 lit. a und b StHG; § 216 Abs. 3 lit. a und b StG ZH.

78 In Analogie zu Erbschaft und Schenkung von Geschäftsver-mögen, s. sogleich.

79 LOCHER, Art. 18 N. 84, 108 f.; RK I ZH, 28.9.2001, ZStP 2002,S. 27.

80 Art. 8 Abs. 3 StHG; Art. 19 Abs. 1 DBG; § 19 StG ZH. Im Einzel-nen dazu namentlich LOCHER Art. 19 N. 11 ff.; REICH, Art. 19DBG N. 19 ff.; DERS., Unternehmensumstrukturierungen,S. 31 ff., 192 ff., 251 ff., 303 ff.

Page 17: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

95Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

Es kann aber zur Übertragung latenter Steuerlasten kom-men, worauf noch einzutreten ist81.

3 Zeitliche Zurechnung

3.1 Erwerb der wirtschaftlichen Verfügungs -macht

In einem engeren Sinne geht es bei der zeitlichen Zu-rechnung darum, eine einzelne Einkunft einer bestimm-ten Zeitperiode zuzuordnen, die in der Regel, aber nichtnotwendigerweise, ein Jahr dauert und zugleich dem Ka-lenderjahr entspricht. Diesem Aspekt der Zurechnungsoll im Folgenden nachgegangen werden. In einem wei-teren Sinne kann unter zeitlicher Zurechnung auch dasVerhältnis zwischen Bemessungs- und Steuerperiode so-wie allenfalls der Veranlagungsperiode verstanden wer-den. Diese Beziehung ist hier unbeachtlich.Der Rechtsbegriff des Einkommens ist wirtschaftlich ge-prägt, nicht zivilrechtlich, und öffentlich-rechtlicher Na-tur. Eine bestimmte Einkunft ist aus diesem Grund dem-jenigen Steuerpflichtigen zuzurechnen, der die wirt-schaftliche Verfügungsmacht darüber erworben hat. DerBegriff der wirtschaftlichen Verfügungsmacht findetsich nicht in den Einkommenssteuergesetzen. Er leitetsich aus dem Einkommensbegriff und seiner Funktionab, einen wirtschaftlichen Sachverhalt einer bestimmtenPersonen zuzuordnen. Der grundlegende Gedanke beider zeitlichen Zurechnung von Einkünften muss deshalbsein, dass der Steuerpflichtige die wirtschaftliche Verfü-gungsmacht über den betreffenden Einkommensteil er-langt. Die Einkunft ist jener Steuerperiode zuzuordnen,in welcher der Steuerpflichtige die wirtschaftliche Ver-fügungsmacht darüber erwirbt82.Der Begriff der wirtschaftlichen Verfügungsmacht ist of-fen und muss konkretisiert werden. Diese Konkretisie-rung folgt über weite Strecken den zivilrechtlichen undöffentlich-rechtlichen Gegebenheiten, denn das Zivil-und das anwendbare öffentliche Recht sind der rechtli-che und damit massgebliche Rahmen, in dem die wirt-schaftliche Verfügungsmacht erworben wird. Die wirt-schaftliche Verfügungsmacht darf deshalb nicht in derWeise verstanden werden, dass beispielsweise relativ si-chere Erwartungen auf in der Zukunft zu erwartendeEinkünfte darin eingeschlossen wären. So verschafft einAuftragsbestand, der noch bearbeitet werden muss, kei-

ne wirtschaftliche Verfügungsmacht über das vereinbar-te Entgelt. Desgleichen gibt die Erwartung eines Bonus,der aber noch nicht zugesprochen ist, dem Arbeitnehmerkeine wirtschaftliche Verfügungsmacht im hier mass-geblichen Sinne über diesen Lohnbestandteil. Die wirt-schaftliche Verfügungsmacht ist noch nicht erworben,auch wenn solche Sachverhalte die subjektive und ob-jektive Einschätzung der wirtschaftlichen Lage zumBeispiel hinsichtlich der Bonität des betreffenden Steu-erpflichtigen positiv beeinflussen mögen.

3.2 Umschreibungen in Literatur und Judikatur

Einkommen ist nach Lehre und Rechtsprechung dann alsrealisiert zu betrachten, wenn der Steuerpflichtige Leis-tungen vereinnahmt oder einen festen Rechtsanspruchdarauf erwirbt, über den er tatsächlich verfügen kann83.Ein fester Rechtsanspruch entsteht beispielsweise, wennder Steuerpflichtige für die von ihm erbrachten Leistun-gen Rechnung stellt und sie bucht84. Blosse Anwart-schaften und bedingte Rechtsansprüche führen beimSteuerpflichtigen zu keinem Einkommen, denn sie sindnur Vorbereitungen für den Erwerb von Ansprüchen85.Eine besondere Unsicherheit der Erfüllung ist in derWeise zu berücksichtigen, dass auf den Zeitpunkt der tat-sächlichen Erfüllung abgestellt wird86.Genau besehen decken diese Formulierungen zwei ver-schiedene Bereiche ab, nämlich den des Geschäfts- undjenen des Privatvermögens. Wegen der unterschiedli-chen Ausgestaltung der Ermittlung des steuerbaren Ein-kommens drängt sich eine gesonderte Betrachtung auf.

3.3 Die kaufmännische Gewinnermittlung

Im Bereich des Geschäftsvermögens gilt das Massgeb-lichkeitsprinzip: Für die Bemessung des steuerbarenEinkommens wird unter dem Vorbehalt steuerlicher Kor-rekturen auf das Ergebnis der handelsrechtlichen Er-folgsrechnung abgestellt. Besondere steuerliche (Kor-rektur-) Vorschriften hinsichtlich des Zeitpunktes derRealisation von Erträgen bestehen nicht. Deshalb sind indiesem Bereich einzig die Grundsätze der kaufmänni-schen Buchführung hinsichtlich des Realisationszeit-punkts massgebend.Die Vorschriften zur kaufmännischen Buchführung ent-halten keine ausdrückliche Regelung, in welchem Zeit-punkt Erträge als realisiert zu gelten haben. Aus dem

81 Unten, Abschn. 4.4.

82 VGr ZH, 25.3.1998, RB 1998 Nr. 148; REICH, Art. 16 DBG N. 25.

83 BGr, 19.7.1993, ASA 64 (1995/96), S. 142 f. = StE 1995 B 72.13.22Nr. 31.

84 BGE 105 Ib 242 = ASA 49 (1980/81), S. 65.

85 LOCHER, Art. 16 N. 22; WEIDMANN, S. 196.

86 BGr, 1.11.1991, ASA 61 (1992/93), S. 669; LOCHER, Art. 16 N. 21;WEIDMANN, S. 197 f.

Page 18: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

96 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

System der Grundsätze ordnungsmässiger Buchführungist abzuleiten, dass ein Ertrag in dem Zeitpunkt realisiertist, wo er nur noch mit solchen Risiken behaftet ist, diedurch Wertberichtigungen oder durch Rückstellungenerfassbar sind87. Damit werden – in anderen Formulie-rungen – die Erträge dann realisiert, wenn sie in Formvon Geld oder von Geld-Äquivalenten (wie unbedingtenForderungen) als wirklich zugegangen zu betrachtensind88 bzw. wenn Güter oder Dienstleistungen in einedurchsetzbare, feste und unentziehbare, dem Erwerb vonGeld gleichzuhaltende Forderung umgewandelt wer-den89. Das Bundesgericht hält dafür, Erträge seien reali-siert, wenn die entsprechenden Leistungen erbracht oderrechtlich vollstreckbar geschuldet seien90. In der Praxisfällt der Realisationszeitpunkt meist mit der Rechnungs-stellung zusammen91. Die Einräumung einer blossen An-wartschaft und das Bestehen eines noch bedingten Leis-tungsanspruches erfüllen die Bedingungen der Einkom-mensrealisierung nicht92.

Auf die Fälligkeit der Forderung kommt es grundsätzlichnicht an. Sodann spielt es keine Rolle, ob das konkreteGeschäft Umlauf- oder Anlagevermögen betrifft93.

In der Regel wird ein Ertrag somit nach Vollendung dereigenen Leistung realisiert94. Danach bestehen nur nochDebitoren- und Gewährleistungsrisiken. Diesen Risikenist, soweit erforderlich, durch Wertberichtigung der For-derung und durch Bildung einer Rückstellung Rechnungzu tragen.

In Abweichung von diesen Grundsätzen können in derPraxis nicht buchführungspflichtige Selbständigerwer-bende nach der so genannten Ist-Methode abrechnen95.Diesfalls ist ihr Geschäftseinkommen erst bei Zahlungs-eingang realisiert.

3.4 Realisation von Einkünften im Bereichdes Privatvermögens

Im Bereich des Privatvermögens müssen alle Zuflüsseeinzeln danach untersucht werden, ob sie Einkommen imsteuerlichen Sinne bilden. Der Zufluss eines geldwerten

87 REICH, Unternehmensumstrukturierungen, S. 26; WEIDMANN,S. 144 f.; VRK I/1 SG, 1.11.1999, StE 2000 B 21.2 Nr. 12.

88 KÄFER, Art. 958 N. 157 f.

89 BÖCKLI, Aktienrecht, N. 832.

90 BGE 116 II 539.

91 Für den Fall einer verzögerten Rechnungsstellung vgl. VGrZH, 19.5.1999, RB 1999 Nr. 141.

92 BGr, 4.5.1999, ASA 68 (1999/2000), S. 739; LOCHER, Art. 16N. 22.

93 REICH, Unternehmensumstrukturierungen, S. 26; WEIDMANN,S. 147; anders offenbar BGE 105 Ib 238 = ASA 49 (1980/81),S. 61.

94 Einzelfälle bei LOCHER, Art. 18 N. 67.

95 Buchführungspflichtigen, insbesondere Aktiengesellschaf-ten, steht diese Möglichkeit nicht offen, weil die Ist-Methodeden buchführungsrechtlichen Grundsätzen widerspricht(VGr ZH, 19.12.2001, RB 2001 Nr. 90).

96 OBERSON, § 7 N. 12. Anders in der Wortwahl, aber nicht in derSache, REICH (Art. 7 StHG N. 7 f.). Er verwendet den Begriff derRealisation – aber nicht dessen Gehalt – unnötig eng und willihn offenbar auf die Veräusserung von Aktiven des Ge-schäftsvermögens beschränken, obwohl das Realisations-prinzip allein schon im Bilanzrecht einen umfassenderen An-wendungsbereich hat. OEHRLI meint, die Verwendung desRealisationsbegriffes im hier behandelten Zusammenhangverwirre unnötig (S. 6).

Rechtes bildet für sich alleine noch kein Einkommen,weshalb das Kriterium des «Zuflusses von aussen» nichtgenügt, um die steuerliche Einkunft zu umschreiben. Eskommt darauf an, ob der Steuerpflichtige diesen Zuflussrealisiert hat. Xavier Oberson drückt dies plastisch soaus96: «Cette condition essentielle constitue le fait géné-rateur de l’imposition du revenue.» Die Realisation um-fasst im Privatvermögensbereich eine positive und zweinegative Bedingungen: Realisation ist der Erwerb einerunentziehbaren rechtlichen oder tatsächlichen Position,ohne dass diese Position mit einer Rückgabepflicht be-lastet wäre und ohne dass eine allenfalls noch durch ei-nen Schuldner zu erbringende Erfüllungshandlung be-sonders unsicher wäre.

3.4.1 Realisation einer Einkunft

3.4.1.1 Erwerb einer sicheren Forderung

Als erstes Element der steuerlichen Einkommensrealisa-tion im Privatvermögensbereich bedarf es des Erwerbseines sicheren Anspruchs. Der «sichere Anspruch» lässtsich nicht auf positive Weise genauer umschreiben. InAnlehnung an die für das Bilanzrecht gefundene Um-schreibung kann der Erwerb einer Forderung dann als si-cher bezeichnet werden, wenn nur noch Debitoren- oderGewährleistungs- bzw. vergleichbare Risiken (wie bei-spielsweise Schadenersatzrisiken) bestehen. Der Steuer-pflichtige muss somit eine unentziehbare Rechtspositionoder zumindest eine vergleichbare tatsächliche Stellungerworben haben.

3.4.1.2 Keine Rückgabepflicht

Der Erwerb einer «sicheren Forderung» im Rechtsver-kehr oder ein tatsächliches Zufliessen, welches eineStellung ähnlich einem Eigentümer oder Gläubiger ver-mittelt, genügt indessen nicht, um eine Einkunft zu reali-sieren. Wenn eine Privatperson ein Darlehen aufnimmtund einen entsprechenden Vertrag abschliesst, erwirbtdiese Person eine Forderung auf Auszahlung der Darle-henssumme. Dennoch bildet weder dieser Anspruch aufAuszahlung noch die Auszahlung selbst Einkommen

Page 19: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

97Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

beim Darlehensnehmer, obwohl bei ihm ein Zufluss anMitteln zu verzeichnen ist. Der Grund dafür ist offen-kundig: Jene Person ist zur Rückzahlung der Darlehens-summe verpflichtet. Solange ein Zufluss mit einer kor-respondierenden Verpflichtung zur Rückgabe oder zurÜbertragung eines anderen Vermögenswertes belastetist, kann er nicht als Einkommen angesehen werden. DieEinkunft ist also nur dann realisiert, wenn der Steuer-pflichtige sie rechtlich oder tatsächlich behalten darf unddamit die wirtschaftliche Verfügungsmacht darüber er-langt hat97. In buchführungsrechtlichen Worten ist eineEinkunft dann nicht realisiert, wenn sie eine Passivie-rungspflicht auslöst. Auch wenn die Verpflichtung aufeine Rückgabe in einer späteren Steuerperiode gerichtetist, wird kein Einkommen realisiert.

Die Realisation von Einkünften ist in der Regel nicht einrein tatsächlicher Vorgang, weil sich die wirtschaftlicheVerfügungsmacht und damit deren Erwerb im rechtli-chen Rahmen abspielen98. Dies zeigt sich beispielsweisebei einem scheinbar so einfachen Fall wie dem Fund:Der tatsächliche Vorgang des Auffindens einer Sache istnoch kein Fund im Rechtssinne. Um das Eigentum an derSache zu erwerben, muss der Finder von ihr Besitz er-greifen, was subjektiv die Urteilsfähigkeit des Findersund dessen Willen voraussetzt, Besitz zu begründen99.Unter Umständen genügt indessen der Erwerb einer fak-tischen Stellung, nämlich dann, wenn der betreffendeSteuerpflichtige wie ein Eigentümer oder Gläubigerüber das fragliche Recht verfügen kann. Eine solche fak-tische Stellung darf allerdings nicht leichthin angenom-men werden. Beispielsweise reicht die faktische Verfü-gungsmacht des beherrschenden Aktionärs über nichtdeklarierte Konti der Gesellschaft nicht aus, um bei ihmgeldwerte Leistungen aufzurechnen. Vielmehr ist auf dietatsächliche Entnahme aus den Konti abzustellen100.

Aus diesen Gründen sind Einkünfte aus deliktischenHandlungen steuerbar, es sei denn, es bestehe ein liqui-der Anspruch auf Ablieferung, dessen Durchsetzung un-mittelbar bevorsteht101. Auf die Strafbarkeit kommt es

97 VGr ZH, 25.3.1998, RB 1998 Nr. 148; TRZASKALIK, S. 224 f.

98 In diesem Sinne sind die Ausführungen des VGr ZH vielleichtmissverständlich (25.3.1998, RB 1998 Nr. 148), wonach derEinkommenszufluss ein faktischer Vorgang sei, der damit ab-geschlossen sei, dass der Steuerpflichtige die wirtschaftli-che Verfügungsmacht über die zugeflossenen Vermögens-werte innehabe.

99 REY, Die Grundlagen des Sachenrechts und das Eigentum,Bern 1991, S. 387 f.

100 BGr, 19.7.1993, ASA 64 (1995/96), S. 137.

101 VGr ZH, 25.3.1998, RB 1998 Nr. 148; LOCHER, Art. 16 N. 14;OBERSON, § 7 N. 11. Dass nur liquide Ansprüche berücksichtigtwerden, mag streng erscheinen und ist primär beweisrecht-lich bedingt. Zu beachten ist, dass in der strafrechtlichen Pra-

xis häufig keine Rückerstattung verlangt wird, weil das De-liktsgut ohnehin nicht mehr vorhanden ist und ein Ersatzan-spruch mangels Vermögens nicht durchsetzbar wäre.

102 Gl. M. LOCHER (Art. 16 N. 14) und REICH (Art. 7 StHG N. 33), diesich auf ein unbegründetes obiter dictum des OG UR berufen(7.11.1997, StE 1998 B 21.1 Nr. 6).

103 Vergleichbare Lösungen mittels Revisionsverfahren beste-hen bei der Grundstückgewinnsteuer (vgl. insb. VGr ZH,7.5.1992, RB 1992 Nr. 42 = StE 1992 B 42.38 Nr. 11).

104 Vgl. REICH, Art. 7 StHG N. 33.

105 REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, N. 21 der Vorbemerkungen zu§§ 19–32.

indessen nach dem oben Gesagten grundsätzlich nichtan; es liegt auch dann kein Einkommen vor, wenn derVermögenszufluss auf eine straflose Handlung zurück-geht und der Steuerpflichtige vertraglich oder gesetzlichzur Rückerstattung verpflichtet ist. Kaum geklärt ist, wiebei Fällen zu verfahren ist, bei denen ein Zufluss besteu-ert worden ist, der aber nachträglich zurückerstattet wer-den muss. Um eine periodengerechte Besteuerung nachder wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu erreichen,muss der sich nach der fraglichen Steuerperiode ver-wirklichende Umstand der Rückerstattung, der aber aufden Zufluss zurückwirkt, durch eine – fristgerecht zuverlangende – Revision der betreffenden Steuerein-schätzung berücksichtigt werden102. Der gesetzliche Re-visionsgrund der neuen Tatsache ist durch die Rücker-stattung alleine nicht erfüllt, weil diese ein unechtes No-vum bildet. Der rechtliche Zusammenhang mit der in derfraglichen Steuerperiode zugeflossenen Einkunft schafftaber insgesamt eine echte neue Tatsache103. Soweit derZufluss Anlass für ein Nachsteuerverfahren bildet, sollteder Berücksichtigung einer Rückerstattung in diesemVerfahren nichts im Wege stehen104. Der Übergang zwi-schen den soeben diskutierten Fällen und solchen, woSchadenersatzpflichten etc. durch einen Gewinnungs-kostenabzug in der späteren Periode zu berücksichtigtensind, kann fliessend sein.

Mit dem Erwerb der wirtschaftlichen Verfügungsmachtwird die fragliche Rechtsposition unter Vorbehalt eineretwaigen besonderen Unsicherheit ihrer Erfüllung Teildes Privatvermögens. Spätere Wertveränderungen sindals private Kapitalgewinne und -verluste steuerlich un-beachtlich.

Im Einzelnen wird Arbeitslohn mit der Erbringung derLeistung des Arbeitnehmers und per Ende der vertrag-lich vereinbarten Abrechnungsperiode, in der Regel mo-natlich auf den vertraglich vereinbarten Stichtag hin,realisiert. Wann die Arbeit geleistet wurde, ist für dieRealisation des Arbeitslohnes grundsätzlich unerheb-lich105. Der Bonus oder die Erfolgsbeteiligung für das

Page 20: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

98 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

Geschäftsjahr wird regelmässig erst im nachfolgendenJahr realisiert, weil erst dann Höhe und Bestand feststell-bar sind. Vertraglich nicht geschuldete Leistungen sindvom Arbeitnehmer erst realisiert, wenn der Arbeitgebersie entweder verbindlich zugesprochen oder ausgerich-tet hat106.

Mitarbeiteraktien werden mit der Annahme der Zutei-lung realisiert, auch wenn sie gesperrt sind. PotentielleRückgabeverpflichtungen, insbesondere bei Beendi-gung des Arbeitsverhältnisses vor einem bestimmtenTermin, sind unbeachtlich107.

Mitarbeiteroptionen sind nach neuerer Rechtsprechungbei ihrer Zuteilung realisiert108. Das Optionsrecht auf Er-werb von Aktien des Arbeitgebers ist indessen je nachden Umständen nicht als sicher zu betrachten, wenn esnur unter Bedingungen eingeräumt worden ist. Dann istfür die Annahme der Realisation auf den Zeitpunkt abzu-stellen, in dem die Bedingungen eingetreten sind109. Aufdie aktuellen Vorschläge für eine Neuordnung der Be-steuerung von Mitarbeiteroptionen kann hier nicht ein-gegangen werden110.

Alterskapital-Leistungen einer Einrichtung der berufli-chen Vorsorge im obligatorischen Bereich fliessen beiEintritt des Vorsorgefalles zu, auch wenn der Empfängerdie Auszahlung aufgeschoben hat111. Im überobligatori-schen Bereich bestimmt sich der Zeitpunkt des Anspru-ches auf Ausrichtung von Altersleistungen auch steuer-lich nach dem anwendbaren Reglement112, wobei dieFälligkeit einer Kapitalleistung frühestens am ersten Tagnach Ablauf des Arbeitsverhältnisses gegeben seinkann113.

Die Zinsen für Miete, Pacht und Darlehen sind gemässder Rechtsprechung bei ihrer Fälligkeit realisiert114. EinVorbehalt ist für die Fälle anzubringen, wo der Mieter,Pächter oder Darlehensnehmer vorleistungspflichtig ist;diesfalls ist die Forderung des Vermieters, Verpächters

oder Darlehensgebers noch nicht sicher, weil er ja seineLeistung – durch vertragskonforme Überlassung der Sa-che – noch erbringen muss. Dementsprechend hat dieOberrekurskommission des Kantons Zürich einen fürzehn Jahre im Voraus bezahlten Mietzins auf die einzel-nen Jahre umgelegt und im Umfang der Erfüllung be-steuert115.

Dividenden werden mit dem Beschluss der Generalver-sammlung realisiert116, was auch für so genannte Wahldi-videnden zutrifft117. Verdeckte Gewinnausschüttungengelten nach der Rechtsprechung dann als realisiert, wennmit ihrer Rückerstattung an die Gesellschaft nicht mehrernstlich zu rechnen ist, was mit der Genehmigung derBilanz und Erfolgsrechnung, worin die entsprechendenForderungen nicht enthalten sind, anzunehmen ist118.Geht der geldwerte Vorteil an den Hauptaktionär, der zu-dem Verwaltungsrat und Geschäftsführer der Gesell-schaft ist, darf gemäss Zürcher Rechtsprechung davonausgegangen werden, dass dieser von Beginn weg dieGewissheit gehabt habe, die betreffenden Vermögenser-träge nicht zurückerstatten zu müssen119. Das Bundesge-richt stellt auf den Zeitpunkt ab, in dem der Anteilseignerden eindeutigen Willen äussert, die Mittel der Gesell-schaft zu entziehen bzw. in dem diese Absicht den Be-hörden erkennbar wird120.

Einkünfte aus öffentlich-rechtlichen Verhältnissen werdenin der Regel erst im Zeitpunkt realisiert, wo über den An-spruch durch Verfügung entschieden ist, und nicht schonmit der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen121.

3.4.1.3 Keine besondere Unsicherheit der Erfüllung

Selbst wenn der Forderungserwerb im obigen Sinne «sicher» ist, führt dies noch nicht zur Einkommensreali-sation, wenn die Erfüllung dieser Forderung besondersunsicher erscheint. Bei einer solchen besonderen Unsi-

106 LOCHER, Art. 17 N. 64.

107 BGr, 6.11.1995, ASA 65 (1996/97), S. 733; RK II ZH, 17.5.2002,ZStP 2002, S. 302. Andernfalls wäre eine nutzniessungsähnli-che Rechtsposition an den Aktien anzunehmen und würdedas Einkommen erst bei Wegfall der potentiellen Rückgabe-verpflichtungen realisiert.

108 VGr ZH, 4.7.1995, RB 1995 Nr. 34 = StE 1996 B 22.2 Nr. 11.

109 So genanntes vesting; RK II ZH, 14.2.2002, StR 57 (2002),S. 380, bestätigt durch VGr ZH, 20.11.2002, SB.2002.00029.Kritisch dazu PETER, Zeitpunkt der Besteuerung von Mitarbei-teroptionen, FStR 2002, S. 196.

110 S. dazu RISI, Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen,S. 213; BAUMGARTNER, S. 223.

111 VGr ZH, 24.11.1999, RB 1999 Nr. 143 = StE 2000 B 21.2 Nr. 11.

112 VGr ZH, 19.4.2000, RB 2000 Nr. 126 = StE 2001 B 21.2 Nr. 13.

113 BGr, 3.3.2000, StE 2001 A 24.35 Nr. 2; s. dazu WALDBURGER,Rechtsprechung im Jahr 2000, S. 158 ff.

114 BGr, 1.11.1985, StE 1986 B 21.2 Nr. 1; VGr ZH, 21.10.1986, RB1986 Nr. 34; VGr ZH, 22.10.1980, RB 1980 Nr. 46.

115 ORK ZH, 26.10.1955, RB 1955 Nr. 23 = ZBl 57 (1965), S. 85 = ZR55 (1956) Nr. 17.

116 BGr, 28.6.1968, ASA 38 (1969/70), S. 392.

117 RK II ZH, 20.12.2001, StE 2002 B 24.4 Nr. 65.

118 VGr ZH, 18.9.1981, RB 1981 Nr. 50.

119 VGr ZH, 21.10.1990, SB 90/0022.

120 BGr, 13.12.1996, ASA 66 (1997/98), S. 554.

121 VGr ZH, 11.7.1991, RB 1991 Nr. 19 = StE 1992 B 21.2 Nr. 4; VGrLU, 7.3.1991, StE 1991 B 26.44 Nr. 4.

Page 21: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

99Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

cherheit ist vielmehr auf die Erfüllung der Forderungdurch den Schuldner abzustellen. Auf die Besteuerungwird somit nicht definitiv verzichtet, sondern es wird le-diglich der Zeitpunkt der steuerlichen Erfassung aufge-schoben, bis feststeht, dass der Steuerpflichtige effektiveinen geldwerten Zufluss realisiert.

Dieser Aufschub des Realisationszeitpunkts übernimmtdiejenige Funktion, welche den Wertberichtigungen imBilanzrecht zukommt, nämlich die Berücksichtigungdes Debitorenrisikos. Weil im Bereich des Privatvermö-gens keine Möglichkeit besteht, Kapitalverluste in Ab-zug zu bringen, muss die Erfüllungsunsicherheit die Ein-kommensrealisation als solche verhindern. Die Recht-fertigung für die Berücksichtigung des Debitorenrisikosliegt darin, dass der Steuerpflichtige bei zweifelhafterBonität seines Schuldners lediglich einen Nonvaleur erwirbt. Eine solche, wertlose Forderung erhöht die wirt-schaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigennicht, weshalb sie bei ihm nicht als Einkommen besteu-ert werden kann. Die Rechtsprechung hat einen Besteue-rungsaufschub anerkannt, wo dem Arbeitnehmer derLohn nicht ausbezahlt, sondern wegen wirtschaftlicherSchwierigkeiten des Arbeitgebers bei ihm auf einem Ar-beitnehmerkonto gutgeschrieben worden ist122.

Der Grad der Unsicherheit, der für einen Besteuerungs-aufschub erforderlich ist, wird von der Rechtsprechungals «besonders unsicher» bezeichnet123. Dies ist aber zurestriktiv. Unter dem Aspekt der Besteuerung nach derwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit muss es genügen,dass eine erhebliche Unsicherheit vorliegt. Andernfallsbesteht die Gefahr einer Überbesteuerung, indem derSteuerpflichtige auch steuerlich das Debitorenrisiko zutragen hat. Weil der Privatperson die Möglichkeit fehlt,Wertberichtigungen und Abschreibungen vorzunehmen,muss der Massstab milder sein als im Bilanzsteuerrecht.

Die steuerliche Praxis hat demgegenüber in einer Reihevon Fällen eine besondere Unsicherheit der Erfüllungverneint, obwohl die fraglichen Erträge mindestens zueinem grossen Teil wertlos waren. Es handelte sich z.B.um die Gutschriften, die von verschiedenen, nach demSchneeball-Prinzip vorgehenden Vermögensverwalternihren Kunden erteilt worden sind. Die Verwaltungspra-

xis hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Gutschriftenauf den Anlegerkonti seien steuerbare Einkünfte gewe-sen. Eine besondere Unsicherheit dieser Einkünfte seinicht gegeben gewesen, solange die Anlagebetrüger dieGuthaben auf Verlangen von einzelnen Anlegern diesenausbezahlt hätten. Diese Meinung ist von den Gerichtengeschützt worden. Das Bundesgericht und die kantona-len Gerichte haben insbesondere erwogen, dass die Zins-gutschriften solange nicht gefährdet waren, als sie vonden Anlegern mit Erfolg hätten von den Anlagebetrügernherausverlangt werden können124.

Diese Praxis überzeugt nicht. Auch wenn davon ausge-gangen wird, dass die Ansprüche der Anleger «sicher»waren im Sinne einer zivilrechtlichen Durchsetzbar-keit125, so kann nicht in Abrede gestellt werden, dass dieRenditeversprechen in keiner Weise mit den ökonomi-schen Realitäten in Einklang standen. Die Gutschriftenbestanden wörtlich genommen nur auf dem Papier, soweitsie nicht effektiv ausgezahlt wurden, denn es fehlte dasHaftungssubstrat. Es wäre abzuklären, welchen Wert dieGutschriften im Zeitpunkt ihrer Gutschrift gehabt ha-ben126. Ob der betrogene Anleger die Auszahlung mit Er-folg hätte verlangen können, ist das unzutreffende Krite-rium. Wenn er es tatsächlich erfolgreich tat, realisierte erEinkommen. Liess er die nicht werthaltigen Gutschriftenstehen, realisierte er kein Einkommen, sondern erwarbhöchstens eine wertlose Forderung. Aber selbst wenn dieGutschrift nicht ohnehin einen Nonvaleur darstellte, wä-re im Rahmen der Bewertung des Einkommens zu prü-fen127, ob dem Anleger der Nennbetrag der Forderung an-gerechnet werden kann oder ob nicht vielmehr ein Bewer-tungseinschlag auf dem Nennwert zu gewähren wäre.

3.4.2 Risiken von Schadenersatz- und anderenVerpflichtungen

Die Risiken, dass ein Steuerpflichtiger in Zusammen-hang mit einer Einkunft in Anspruch genommen wird,führen bei ihm allenfalls später zu Mittelabflüssen. Imgesetzlichen System der Bruttobetrachtung sind solcheMittelabflüsse somit grundsätzlich unter dem Aspekt derAbzüge zu beurteilen und haben in der Regel keinen Ein-fluss auf die Realisation von Einkünften. In Frage kom-men namentlich die Abzüge für Berufsauslagen und für

122 ORK ZH, 25.1.1946, RB 1946 Nr. 2.

123 BGr, 1.11.1991, ASA 61 (1992/93), S. 669; BGE 105 Ib 242; VGrZH, 19.4.2000, StE 2001 B 21.3 Nr. 13; VGr ZH, 11.7.1991, StE1992 B 21.2 Nr. 4.

124 BGr, 24.7.2001, StE 2001 B 21.1 Nr. 10; VGr ZH, 26.1.2000, RB2000 Nr. 125 = StE 2001 B 21.2 Nr. 14 = ZStP 2000, S. 191; BGr,21.10.1996, ASA 66 (1997/98), S. 377; s. auch die umfassen-den Nachweise der Judikatur bei OEHLER.

125 Dies verneint indessen OEHLER, insb. StR 57 (2002), S. 845. Inder Tat wäre als erstes Element zu untersuchen, ob und in-wieweit durchsetzbare Ansprüche der Anleger gegenüberden Vermögensverwaltern bestanden. Das Bundesgerichtbelässt es bei der Feststellung, das Schneeball-System seireal gewesen (BGr, 27.1.2003, StE 2003 B 21.1 Nr. 11).

126 WALDBURGER, Rechtsprechung im Jahr 2001, S. 140 f.

127 Zur Bewertung unten, Abschn. 5.

Page 22: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

100 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

die Vermögensverwaltung. Deshalb sind Rückgabever-pflichtungen in Zusammenhang mit Mitarbeiteraktienals Berufsauslagen einkommensmindernd zu berück-sichtigen128. Unter dem Aspekt der Gleichbehandlungder Bereiche des Privat- und des Geschäftsvermögens –aber auch aus Gründen der Besteuerung nach der wirt-schaftlichen Leistungsfähigkeit – dürfen dabei keine allzu hohen Ansprüche an die Abzugsfähigkeit gestelltwerden129. Ein solcher Gewinnungskostenabzug mussauch dann gewährt werden, wenn die Einkunft, mit derdie Verpflichtung zusammenhängt, unter die General-klausel fällt und deshalb keine ausdrückliche gesetzlicheGrundlage für die Berücksichtigung von Gewinnungs-kosten besteht130. Eine Verweigerung des Abzuges aus«moralischen» Gründen wäre fehl am Platz, werdendoch auch unmoralische oder gar widerrechtliche Ein-künfte fiskalisch erfasst131.

4 Persönliche Zurechnung

4.1 Inhaber der wirtschaftlichen Verfügungs -macht

Welche Tatbestände aus steuerlicher Sicht Einkommenbilden, ergibt sich, wie ausgeführt, aus einer Auslegungder gesetzlichen Grundlagen unter Berücksichtigungwirtschaftlicher und vor allem finanzwissenschaftlicherÜberlegungen. Es findet sich in den gesetzlichen Grund-lagen dementsprechend auch kein Hinweis darauf, dassdie Zurechnung des Einkommens auf Grund formaler,insbesondere rein zivilrechtlicher Kriterien zu erfolgenhätte. Eine bestimmte Einkunft ist aus diesem Grunddemjenigen Steuerpflichtigen zuzurechnen, der die wirt-schaftliche Verfügungsmacht darüber erworben hat.

Die Tragweite eines wirtschaftlich orientierten Ansatzesbei der persönlichen Zurechnung darf an sich nicht über-schätzt werden, denn in der Regel stimmen die juristi-sche Inhaberschaft und die wirtschaftliche Verfügungs-macht überein. Insofern bilden der Eigentumserwerb anSachen und der Forderungserwerb starke Indizien für diewirtschaftliche Verfügungsmacht: Im Sinne einer wider-legbaren Vermutung kann regelmässig davon ausgegan-gen werden, dass der Erwerber von Eigentum bzw. einerForderung auch im steuerlichen Sinne die wirtschaftli-

che Verfügungsmacht erworben hat. Indessen erlaubt diejuristische Inhaberschaft nicht zwingend und in jedemFall den Schluss auf die wirtschaftliche Verfügungs-macht. In gewissen Fällen kann es zu Abweichungenzwischen dem Erwerb der juristischen Inhaberschaft undder wirtschaftlichen Verfügungsmacht kommen, so dassdas Einkommen nicht beim juristischen Eigentümer be-steuert wird. Solche Konstellationen sind zwar nichtsehr zahlreich, aber dennoch von einigem Gewicht:

Bei Treuhandverhältnissen ist nicht der Treuhänder, derim Aussenverhältnis Eigentümer bzw. Forderungsbe-rechtigter ist, für etwaige Erträge steuerbar, sondern derTreugeber, dem lediglich ein obligatorischer Herausga-beanspruch gegenüber dem Treuhänder zusteht132.

Im Falle der Nutzniessung hat der Nutzniesser nur ein be-schränktes dingliches Recht am Nutzniessungsgut inne,während das Eigentum beim Nutzniessungsbelastetenverbleibt. Schon auf Grund besonderer gesetzlicher Vor-schriften sind die dem Nutzniesser anfallenden Erträgevon diesem als Einkommen zu versteuern133. Der Grundfür diese Regelung liegt darin, dass der Nutzniesser imvollen Genuss des Gegenstandes ist und insoweit diewirtschaftliche Verfügungsmacht hat.

Anders als der Nutzniesser hat der Pfandgläubiger keinNutzungsrecht an der Pfandsache, sondern im Gegenteilgemäss Art. 892 Abs. 2 ZGB etwaige Früchte dem Eigen-tümer herauszugeben, sobald sie aufhören, Bestandteilder Sache zu sein. Weil das Pfandrecht nur darauf gerich-tet ist, dem Pfandgläubiger als Sicherheit zu dienen, hatder Pfandgläubiger, auch wenn er ähnlich wie der Nutz-niesser ein beschränktes dingliches Recht erwirbt und –im Falle des Fahrnispfandes – gar im Besitz der Sacheist, die Erträge aus der Pfandsache nicht als Einkommenzu versteuern. Das Pfand unterliegt beim Pfandgläubigerauch nicht der Vermögenssteuer.

Bei der Überlassung von beweglichen Sachen oderRechten zur Nutzung mittels Sach- oder Gelddarlehen,also auf rein schuldrechtlicher Grundlage im Gegensatzzur dinglich wirkenden Nutzniessung, steht dem Nutzer(Darlehensnehmer) der Nutzen zu, den die Sache vermit-telt oder welcher durch das Geld erzielt werden kann,und ist von ihm zu versteuern, soweit er diese Nutzungs-möglichkeit in einen Zufluss von aussen verwandelt unddaraus eine Einkunft realisiert. Hingegen steht dem Dar-

128 RK II ZH, 17.5.2002, ZStP 2002, S. 302.

129 Vgl. REICH, Art. 25 DBG N. 10.

130 Oben, Anm. 21.

131 LOCHER, Art. 16 N. 14; OBERSON, § 7 N. 11.

132 LOCHER, Vorbem. N. 147 ff. m.w.H.

133 Art. 20 Abs. 1 lit. d und Art. 21 Abs. 1 DBG bzw. § 20 Abs. 1 lit. dund § 21 Abs. 1 lit. a StG ZH erklären unter anderem die Nutz-niessung beweglicher Sachen oder nutzbarer Rechte und un-beweglichen Vermögens für steuerbar. Dementsprechend istdas Nutzniessungsgut vom Nutzniesser als Vermögen zu ver-steuern (§ 38 Abs. 2 StG ZH). Diese Vorschriften haben keinenkonstitutiven, sondern bloss erklärenden Charakter.

Page 23: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

101Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

lehensgeber das Entgelt für die Einräumung der Nut-zungsmöglichkeit zu und ist sie ihm einkommenssteuer-lich zuzurechnen.

Die Zurechnung des Eigenmietwertes des selbstgenutz-ten Wohneigentums hat zu einigen Entscheiden Anlassgegeben. Das Bundesgericht hat festgehalten, dass derEigenmietwert nicht nur bei Eigentümern und dinglichNutzungsberechtigten, sondern auch bei Inhabern vonvergleichbaren obligatorischen Nutzungsrechten alssteuerbares Einkommen aus unbeweglichem Vermögenzu betrachten ist. Vorausgesetzt ist allerdings, dass dasNutzungsrecht unentgeltlich begründet wurde. Massge-bend ist gemäss Bundesgericht nicht eine zivilrecht -liche, sondern eine wirtschaftliche Betrachtungs wei -se134. Bei einer unentgeltlichen Überlassung nimmt dasBundesgericht an, dass dem Eigentümer wegen derleichten Auflösbarkeit der Gebrauchsüberlassung dieWohnung nach wie vor zur Verfügung steht, er also derenEigenmietwert zu versteuern hat135. Demgegenüber bil-det bei einer Überlassung von Wohneigentum an Ver-wandte zu einem tieferen als dem Marktmietzins die Dif-ferenz zwischen dem vereinbarten Mietzins und demMarktmietzins kein Einkommen136. Der Eigentümer rea-lisiert in diesem Fall das vereinbarte Entgelt; der Tatbe-stand des Eigengebrauchs von Wohneigentum ist nichterfüllt, so dass eine Aufrechnung der Differenz zwischenvereinbartem Mietzins und dem Eigenmietwert nicht inBetracht kommt137. Bei unterpreislichen Vermietungenist vielmehr beim Mieter zu prüfen, ob eine der Schen-kungsteuer unterliegende Leistung vorliegt. Schliesslichrechnete das Zürcher Verwaltungsgericht den Eigen-mietwert einem Ehepaar zu, obwohl jene Eheleute nochnicht zivilrechtliche Eigentümer geworden waren. Aller-dings hatten die Eheleute hinsichtlich der Wohnung, dieihnen zur Verfügung stand, auf Grund der gesamten Um-stände eine eigentümerähnliche Stellung inne138.

Eine vergleichbare Funktion, Erträge einem Steuer-pflichtigen zuzurechnen, nehmen bei der Verrechnungs-steuer der Begriff des Rechts zur Nutzung ein139 bzw. inden Doppelbesteuerungsabkommen derjenige des Nut-

zungsberechtigten oder beneficial owner140. Der Anwen-dungsbereich ist indessen auf Kapitalerträge beschränkt.Der Begriff des Nutzungsberechtigten ist auch enger ge-fasst als derjenige der wirtschaftlichen Verfügungs-macht bei der Einkommenssteuer. Dies lässt sich insbe-sondere daran erkennen, dass ein Ertragsgläubiger dannnicht nutzungsberechtigt ist, wenn er vertraglich zurWeiterleitung des fraglichen Ertrags verpflichtet ist141

oder wenn sich aus der Gesamtheit der Umständeschliessen lässt, dass ihm der Ertrag nicht effektiv ver-bleibt142. Die persönliche Zurechnung von Kapitalerträ-gen kann deshalb bei der Rückerstattung der Verrech-nungssteuer von derjenigen bei der Einkommenssteuerabweichen.

Einkommen wird von Gesetzes wegen teilweise einem an-deren Steuersubjekt zugerechnet. Zunächst geht es umSachverhalte, wo entweder Einkünfte dem Einkommeneines anderen Steuerpflichtigen zugerechnet werden oderwo für bestimmte ausgesonderte Einkünfte ein besonde-res – neues – Steuersubjekt geschaffen wird (nachfolgendAbschn. 4.2). Zurechnungen an andere Steuersubjektekommen bei der objektorientierten Besteuerung vor(Abschn. 4.3). Schliesslich hat die Übertragung latenterSteuerlasten auf Grund steuerneutraler Vorgänge eine ab-weichende Zurechnung zur Folge (Abschn. 4.4).

4.2 Zurechnung und Aussonderung

4.2.1 Gesetzestechnik der abweichenden Zu-rechnung

Gewisse Einkünfte werden nicht bei derjenigen Personbesteuert, die daran die wirtschaftliche Verfügungs-macht erlangt hat, sondern bei einem anderen Steuer-pflichtigen. Derartige Verlagerungen der Besteuerungregelt das Gesetz jeweils ausdrücklich, weil andere alsnach den allgemeinen Regeln bestimmte Personen fürdie Steuer auf den betroffenen Einkünften herangezogenwerden.

134 BGr, 31.1.2002, StE 2002 B 25.3 Nr. 28.

135 BGE 115 Ia 331; BGr, 22.12.1978, ASA 48 (1979/80), S. 481.

136 BGE 115 Ia 331 f.; 71 I 128 ff.; s. auch VGr ZH, 14.6.2000, RB2000 Nr. 127.

137 Daraus ist auch ersichtlich, dass die Eigenmietwertbesteue-rung von Wohneigentum einen Ausnahmetatbestand bildet.Wenn die Eigennutzung von Sachgütern generell steuerlicherfasst würde, könnte es nicht darauf ankommen, ob der Ge-genstand selber genutzt oder vermietet wird, und müsste dieDifferenz zwischen vereinbartem und Marktmietzins aufge-rechnet werden.

138 VGr ZH, 19.5.1999, RB 1999 Nr. 139 = StE 2000 B 25.6 Nr. 37.

139 Gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. a VStG hat Anspruch auf Rückerstat-tung der ihm vom Schuldner abgezogenen Verrechnungs-steuer auf Kapitalerträgen, wer – bei Erfüllung der weiterenVoraussetzungen gemäss Art. 22–28 VStG – bei Fälligkeit dersteuerbaren Leistung das Recht zur Nutzung des den steuer-baren Ertrag abwerfenden Vermögenswertes besass.

140 Art. 10 Abs. 2 OECD-MA.

141 BGr, 9.7.1992, ASA 62 (1993/94), S. 346.

142 Einlässlich zur Nutzungsberechtigung gemäss Art. 21 Abs. 1lit. a VStG: MISTELI, S. 97 ff., insb. S. 102 f. zur faktischen Wei-terleitungsverpflichtung.

Page 24: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

102 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

Es können zwei gesetzliche Formen unterschieden wer-den: Im ersten Fall werden die Einkünfte einer an sichsteuerpflichtigen Person – ganz oder teilweise – einemanderen Steuerpflichtigen steuerlich zugerechnet undvon diesem als Steuersubstituten versteuert143. Diese Zu-rechnung ist bei unmündigen Kindern unter elterlicherSorge vorgesehen.

Bei der zweiten Ausgestaltung werden für bestimmte Ar-ten von Einkünften besondere Steuersubjekte geschaf-fen. Die Besteuerung erfolgt bei diesen Steuersubjekten,während die Einkünfte bei der eigentlich verfügungsbe-rechtigten Person von der Steuer ausgenommen sind.Anwendungsfälle sind die Erbengemeinschaften bei un-gewisser Erbfolge, gewisse ausländische Personenge-sellschaften und andere ausländische Personengesamt-heiten sowie die Anlagefonds mit direktem Grundbesitz.Die Aussonderung von Einkünften auf besondere Steu-ersubjekte wird oft dogmatisch unter dem Titel der sub-jektiven Steuerpflicht behandelt. Dies ist selbstverständ-lich richtig, weil es den formalen Aspekt beleuchtet. DieGründe für solche Ausgestaltungen sind nämlich mehr-heitlich erhebungstechnischer Natur, weil die Durch -setzung des Steuerrechtes besonders aufwändig wäre144.

4.2.2 Auswirkungen

Abweichende Zurechnungen widersprechen grundsätz-lich dem System der Einkommenssteuer, das eine fiska-lische Belastung nach Massgabe der subjektiven Leis-tungsfähigkeit bezweckt. Die Besteuerung der Einkünf-te richtet sich nämlich nicht nach den relevanten wirt-schaftlichen Verhältnissen der eigentlich Verfügungsbe-rechtigten, sondern nach den Verhältnissen jener Steuer-subjekte, denen die Einkünfte zur Versteuerung gesetz-lich zugerechnet werden. Es ist offenkundig, dass da-durch eine andere Steuerbelastung resultiert als bei steu-erlicher Zurechnung der Einkünfte auf die Verfügungs-berechtigten. Korrekturmechanismen wie beispiels -weise Steuergutschriften sind nicht vorgesehen. Es kanndeshalb sowohl zu Unter- als auch zu Überbesteuerun-gen kommen.

Eine Unterbesteuerung kann beispielsweise eintreten,wenn steuerbare Einkünfte des Kindes mit Geschäftsver-lusten des Inhabers der elterlichen Sorge verrechnet wer-den können. Überbesteuerungen entstehen, weil es sichbei der Aussonderung auf ein neu geschaffenes Steuer-subjekt im Ergebnis um eine objektbezogene Besteue-

rung handelt, so dass die Einkünfte gerade nicht mit denAbzügen verrechnet werden können. Abgesehen von ei-nem möglichen Progressionseffekt kann es sogar ge-schehen, dass auf bestimmten Einkünften – bei spiels -weise Einkünften aus einem Anlagefonds mit direktemGrundbesitz – die Steuer zu entrichten ist, obwohl dasgesamte Einkommen des an der Einkunft berechtigtenSteuerpflichtigen negativ ist. Eine generelle Aussage zurAuswirkung auf die steuerliche Belastung ist deshalbnicht möglich; in der Tendenz dürften die verschiedenenabweichenden Zurechnungen eher eine Mehrbesteue-rung zur Folge haben.

Die abweichende steuerliche Zurechnung bestimmterEinkünfte beruht gewiss auf sachlichen Überlegungenund ist deshalb auch aus verfassungsrechtlicher Sicht ge-rechtfertigt. Indessen kann nicht von vornherein ausge-schlossen werden, dass im Einzelfall eine verfassungs-widrige Überbesteuerung eintritt. Eine solche liesse sichangesichts der Verbindlichkeit der Bundesgesetze kaumbeseitigen.

Sollen die neu geschaffenen Steuersubjekte den Regelnfür die natürlichen oder die juristischen Personen unter-worfen werden, so muss von Fall zu Fall geprüft werden,ob diese ohne weiteres angewendet werden können. DieBesteuerung bei einem speziell geschaffenen Steuersub-jekt soll letztlich die dahinter stehenden Steuerpflichti-gen belasten. Es drängt sich deshalb auf, die Verweiseauf Besteuerung als natürliche oder juristische Personenals sinngemässe Anwendbarkeit jener Bestimmungen zuverstehen.

4.2.3 Einzelfälle

4.2.3.1 Einkommen von Kindern unter elter -licher Sorge

Unmündige, das heisst Minderjährige und Entmündigte,sind grundsätzlich selbst steuerpflichtig. Für Kinder, al-so Unmündige, die unter elterlicher Sorge stehen145, be-steht allerdings eine Sonderregelung, wonach ihr Ein-kommen mit Ausnahme des Erwerbseinkommens demInhaber der elterlichen Sorge zugerechnet und somit vondiesem versteuert wird146. Das Einkommen wird mithinnicht bei demjenigen Steuerpflichtigen besteuert, der eserzielt hat, sondern bei einem anderen, dem es «zuge-rechnet» wird. Ihre Erwerbseinkünfte haben auch Kin-der unter elterlicher Sorge selbständig zu versteuern147.

143 BLUMENSTEIN/LOCHER, S. 76.

144 In verfahrensrechtlicher Hinsicht verlagern sich die Mitwir-kungspflichten, aber auch die Mitwirkungsrechte, auf die fürdie fraglichen Einkünfte steuerpflichtige Person. Eine Teil-nahme der an sich verfügungsberechtigten Person amSteuer verfahren, das – auch – sie betrifft, ist gesetzlich nichtvorgesehen.

145 Die elterliche Sorge gemäss Art. 296 ff. ZGB wurde früher «el-terliche Gewalt» genannt; der Wortlaut der steuerrechtlichenErlasse bezieht sich teilweise noch auf die alte Fassung desZGB.

146 Art. 9 Abs. 2 Halbsatz 1 DBG; § 7 Abs. 3 Satz 1 StG ZH.

147 Art. 9 Abs. 2 Halbsatz 2 DBG; § 7 Abs. 3 Satz 2 StG ZH.

Page 25: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

103Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

Die Zurechnung des Einkommens von Kindern unter el-terlicher Sorge, ausgenommen ihr Erwerbseinkommen,zum Einkommen dessen, der die elterliche Sorge innehat, lässt sich nicht mit der Familienbesteuerung erklä-ren, weil das Kindesvermögen nicht an der ehelichen Ge-meinschaft der Mittel teilhat, sondern dem Kind erhaltenbleiben soll148. Die Erträge dürfen nur in beschränktemMasse für die Bedürfnisse des Haushaltes verwendetwerden149. Das Kindesvermögen darf weiter nur untereinschränkenden Voraussetzungen angezehrt werden,und nur für bestimmte Bedürfnisse des Kindes selbst150.Der Grund für die steuerliche Zurechnung liegt somit da-rin, dass die Eltern das Kindesvermögen zu verwaltenhaben151. Dazu gehört auch, für die Versteuerung Sorgezu tragen. Die Zurechnung erscheint deshalb vor allemals erhebungstechnische Massnahme152. Im Gegensatzdazu kann das Kind unter elterlicher Sorge selbst verwal-ten und nutzen, was es durch eigene Arbeit erwirbt undwas es von den Eltern aus seinem Vermögen zur Aus-übung eines Berufes oder eines eigenen Gewerbes he-rausbekommt153. Hierfür ist der Unmündige, wie ausge-führt, selbst steuerpflichtig, und es erfolgt keine Zurech-nung beim Inhaber der elterlichen Sorge.

Die Zurechnung des Einkommens hat wegen des Pro-gressionseffektes eine höhere Steuerlast zur Folge, alswenn das Kind selbständig besteuert würde154. In der Re-gel dürften allerdings die quantitativen Auswirkungeneher gering sein. Die Übernahme der Steuerschuldendurch die Inhaber der elterlichen Sorge ist im Übrigen zi-vilrechtlich nicht definitiv. Der Inhaber der elterlichenSorge ist berechtigt, die auf das Kind entfallenden Steu-ern dem Kindesvermögen zu belasten155.

4.2.3.2 Erbengemeinschaften bei ungewisserErbfolge

Grundsätzlich werden Einkommen und Vermögen auseinem Nachlass den Erben oder Bedachten zugerechnet;

die Erbengemeinschaften sind als solche nicht steuer-pflichtig156. Das kantonale Recht sieht jedoch teilweisevor, dass bei ungewisser Erbfolge die Erbengemein-schaften als Ganzes nach den Bestimmungen über dienatürlichen Personen besteuert werden157. Insoweit fin-det eine Aussonderung einzelner Faktoren auf ein neugeschaffenes Steuersubjekt statt. Anwendbar sind dieBestimmungen über die Besteuerung von natürlichenPersonen. Die direkte Bundessteuer kennt diese an sichsinnvolle Lösung nicht158. Im interkantonalen Verhältniskann die Erbmasse als solche grundsätzlich nicht besteu-ert werden; die Faktoren sind vielmehr den Erben zuzu-rechnen159. Eine Ausnahme macht die kantonale Praxisauch im interkantonalen Verhältnis bei ungewisser Erb-folge und weist das Steuerdomzil des unverteilten Nach-lasses bzw. der Erbengemeinschaft bei einer solchen, ge-samthaften Besteuerung dem Ort der amtlichen Verwal-tung der Erbschaft zu160. Eine ungewisse Erbfolge liegtvor, wenn entweder der Kreis der erbberechtigten Perso-nen nicht feststeht oder die auf die einzelnen Erben ent-fallenden Quoten bestritten sind. Die Ungewissheit musslängere Zeit andauern und damit in den laufenden Ein-schätzungen die an sich gebotene Zurechnung des Ein-kommens und Vermögens zu den einzelnen Erben ver-hindern bzw. über Gebühr verzögern. Die Voraussetzun-gen einer einheitlichen Besteuerung sind auch ohne ent-sprechenden Antrag von Amtes wegen zu prüfen161.

4.2.3.3 Ausländische Personengesellschaftenund andere ausländische Personenge-samtheiten ohne juristische Persön -lichkeit

Bei ausländischen Handelsgesellschaften und anderenausländischen Personengesamtheiten ohne juristischePersönlichkeit, die auf Grund wirtschaftlicher Zugehö-rigkeit in der Schweiz steuerpflichtig sind, müssten diein der Schweiz steuerbaren Faktoren (Einkommen undVermögen bzw. Gewinn und Eigenkapital) den Teilha-

148 Art. 9 Abs. 1 DBG spricht denn auch davon, dass das Einkom-men der Ehegatten, die in rechtlich und tatsächlich getrenn-ter Ehe leben, «zusammengerechnet» wird. Das Einkommender Kinder unter elterlicher Sorge wird demgegenüber demInhaber dieser elterlichen Sorge «zugerechnet» (Art. 9 Abs. 2Halbsatz 1 DBG).

149 Gemäss Art. 319 Abs. 1 ZGB dürfen die Eltern die Erträge desKindesvermögens für Unterhalt, Erziehung und Ausbildungverwenden, für die Bedürfnisse des Haushaltes aber nur, so-weit es der Billigkeit entspricht.

150 Vgl. Art. 320 ZGB.

151 Art. 318 Abs. 1 ZGB.

152 Gerechtfertigt wird die Zurechnung auch mit einer Miss-brauchsgefahr wegen Übertragung von Einkommensquellenauf Kinder und mit einer praktischen Undurchführbarkeit einer Ausscheidung von gebundenem und freiem Kindesver-mögen (s. LOCHER, Art. 9 N. 27).

153 Art. 323 Abs. 1 ZGB.

154 Dies wird denn auch kritisiert (s. die Hinweise bei LOCHER,Art. 9 N. 27).

155 BREITSCHMID, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/ThomasGeiser (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Privat-recht, Zivilgesetzbuch I, Art. 1–456 ZGB, 2. A., Basel etc. 2002,Art. 318 N. 6 m.w.H.

156 Art. 10 DBG; § 9 Abs. 1 StG ZH.

157 § 9 Abs. 2 StG ZH.

158 Art. 10 DBG.

159 BGE 118 Ia 41.

160 VGr ZH, 22.10.1997, RB 1997 Nr. 45.

161 RK II ZH, 20.6.1984, StE 1984 B 13.2 Nr. 1.

Page 26: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

104 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

bern zugerechnet werden, wenn die allgemeinen Regelnanwendbar wären162. Dementsprechend wären die (aus-ländischen) Teilhaber als Steuerpflichtige zu erfassen.Aus praktischen Gründen werden nun die ausländischenPersonengesellschaften mit Schweizer Steuerpflicht we-gen wirtschaftlicher Zugehörigkeit als eigene Steuersub-jekte erfasst. Diese Gebilde unterstehen den Bestimmun-gen über die Besteuerung von juristischen Personen, oh-ne dass es darauf ankäme, ob natürliche oder juristischePersonen daran beteiligt sind163. Trotz des an sich ein-deutigen Gesetzeswortlautes wird diesen Gebilden inder Verwaltungspraxis der Beteiligungsabzug verwehrtmit der Begründung, dass keine wirtschaftliche Drei-fachbelastung vorliege164.

4.2.3.4 Anlagefonds mit direktem Grundbesitz

Anlagefonds mit direktem Grundbesitz werden für ihrendirekten Grundbesitz den übrigen juristischen Personengleichgestellt165. Die Besteuerung der Liegenschaftener-träge erfolgt auf der Ebene des Anlagefonds; die Ein-künfte sind beim Anteilsinhaber freigestellt.Für den Steuertarif wird teilweise immer noch auf denje-nigen für natürliche Personen verwiesen166. Dies führtwegen der Progressionswirkung in aller Regel zu einerÜberbesteuerung und damit auch zu einer Diskriminie-rung dieser Anlageform. Bei der direkten Bundessteuerist nunmehr der Steuersatz für die übrigen juristischenPersonen anwendbar167, welcher sich als Annäherung andie durchschnittliche Steuerbelastung der Anleger eherrechtfertigen lässt als der Tarif für natürliche Personen.Problematisch ist die Ansicht, die den gesetzlichen Ver-weis auf die Besteuerung als juristische Person unbese-hen übernimmt, weshalb auch die Kapitalgewinne aufden Grundstücken der direkten Bundessteuer unterlie-gen sollen168. Im Ergebnis wird dadurch eine Besteue-rung von Kapitalgewinnen auf Privatvermögen einge-führt. Aus systematischer Sicht lässt sich die Besteue-rung der Kapitalgewinne, solange sich typischerweisePrivatpersonen an solchen Anlagefonds beteiligen, nichtbegründen169; erhebungstechnische Schwierigkeitensind auch nicht ersichtlich. Zum selben Resultat führt ei-ne Auslegung, die sich am Wortlaut des Gesetzes orien-tiert. Danach werden die «Erträge» besteuert wie bei

Kapitalgesellschaften; der Begriff des Ertrags steht abersowohl im Bereich des Privatvermögens als auch im Geschäftsvermögensbereich in einem Gegensatz zumKapitalgewinn.

4.3 Objektorientierte Besteuerung

Der Beteiligungsertrag und, mit Einschränkungen, Zins-einkünfte werden, wie oben ausgeführt, objektorientiertdefiniert und bei demjenigen besteuert, der diese Erträgevereinnahmt170. Die Einkunft wird ihm steuerlich zuge-rechnet. Aus der Sicht des betreffenden Steuerpflichti-gen kann es sich, muss aber nicht, um Einkommen han-deln. Mit dem Erwerb von Aktien im Besonderen über-nimmt ein Steuerpflichtiger, der sie in seinem Privatver-mögen hält, in der Regel auch latente Steuerlasten. Um-gekehrt könnte ein Steuerpflichtiger höchstens dann ei-nen latenten Steuervorteil erwerben, wenn er die Titelfür sein Privatvermögen zu einem Preis kauft, der unterdem Nennwert der Aktien liegt. Wenn überhaupt rele-vant, dürfte es sich um hoch spekulative Titel handeln.

4.4 Übertragung latenter Steuern durchsteuerneutrale Vorgänge

Wie oben ausgeführt, sind nur die exogenen Vermögens-zuflüsse steuerlich einkommenswirksam. Namentlichwerden Kapitalgewinne, wenn überhaupt, erst bei ihrerRealisation erfasst, nicht aber bereits bei ihrer Entste-hung durch Wertsteigerung (die der Steuerpflichtigenoch nicht realisiert hat). Als Konsequenz sind endogeneEinkünfte, wie beispielsweise Wertsteigerungen, nichtbei ihrer Entstehung, sondern im Falle ihrer späterenUmwandlung in einen exogenen Zufluss steuerbar. En-dogene Einkünfte sind deshalb latent steuerbelastet.Bei einer Übertragung von Vermögenswerten von einemSteuerpflichtigen, bei dem sie mit stillen Reserven be-haftet sind, auf einen anderen, ohne dass es zu einer steu-erlichen Abrechnung käme, gehen deshalb latente Steu-erlasten auf den Erwerber über. Im Bereich des Privat-vermögens kommt dies vorab bei der Übertragung vonGrundstücken im Erbgang oder bei güterrechtlicher Aus-einandersetzung vor171. Der Erwerber wird bei spätererVeräusserung auch auf dem Wertzuwachs besteuert, derzwar noch beim früheren Eigentümer entstanden ist,aber dem Erwerber zugerechnet wird.

162 Art. 10 DBG; § 8 Abs. 1 StG ZH.

163 Art. 20 Abs. 2 StHG; Art. 11, 49 Abs. 3 DBG; §§ 8 Abs. 2, 54Abs. 3 StG ZH.

164 AGNER/DIGERONIMO/NEUHAUS/STEINMANN, Art. 69 N. 14.

165 Art. 49 Abs. 2, 66 Abs. 2 DBG; §§ 54 Abs. 2, 69 Abs. 2 StG ZH.

166 S. beispielsweise § 77 StG ZH.

167 Art. 72 DBG.

168 AGNER/JUNG/STEINMANN, Art. 49 N. 2.

169 S. auch LUTZ, Art. 66 DBG N. 14.

170 Oben, Abschn. 2.3.3 und 2.3.4.

171 Oben, Abschn. 2.5.1.

Page 27: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

105Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

Die steuerneutralen Vorgänge im Bereich des Geschäfts-vermögens172 präsentieren sich hinsichtlich der Übertra-gung von latenten Steuerlasten uneinheitlich. Beim Zu-sammenschluss von Einzelfirmen oder von Personenge-sellschaften zu Personengesellschaften kann es im Zugeder Verschmelzung der Vermögen zu einer Änderung ander Berechtigung an stillen Reserven kommen, indemdie Inhaber der bisherigen verschiedenen Vermögen neuzu Inhabern der vereinigten Vermögen werden. Die Inha-berschaft wechselt dergestalt teilweise; aus der Sicht deseinzelnen Inhabers gibt er einen Teil seiner stiller Reser-ven auf, erhält aber dafür einen Anteil an den stillen Re-serven auf den Vermögenswerten, die mit den seinen ver-schmolzen werden. In isolierter Betrachtung könnte ge-sagt werden, dass derjenige ideelle Teil der stillen Reser-ven, der den Inhaber wechselt, eine andere Zurechnungerfährt und damit eine Übertragung der bzw. Befreiungvon der latenten Steuerlast bewirkt. Im Ergebnis wirktsich dies – unter dem Vorbehalt von Ausgleichsleistun-gen – aber nicht aus, weil entsprechende neue Zurech-nungen von stillen Reserven bzw. Übernahmen von la-tenten Steuerlasten der anderen Beteiligten eine solcheEntlastung egalisieren; somit ändert sich in einer ge-samthaften Betrachtungsweise die einkommenssteuerli-che Zurechnung der stillen Reserven nicht.

Im Zuge der Aufteilung von Personengesellschaften inmehrere Einzelfirmen oder Personengesellschaften wirddie bisherige Berechtigung der Teilhaber an den stillenReserven auf dem gesamten Geschäftsvermögen durcheine Berechtigung an den stillen Reserven auf dem je-weils übernommenen Vermögensteil abgelöst. Dadurchwird der Teilhaber teilweise durch Übertragung der stil-len Reserven und damit der latenten Steuern entlastet.Dem steht aber wiederum die Übernahme der stillen Re-serven und damit der latenten Steuern auf dem übernom-menen Vermögensteil gegenüber. Funktional betrachtet,und Ausgleichsleistungen vorbehalten, werden keinestillen Reserven realisiert. Zugleich lässt sich festhalten,dass bei der Aufteilung von Personengesellschaftenfunktional betrachtet im Grundsatz keine stillen Reser-ven anderen Steuerpflichtigen zugerechnet werden.

Bei der Umwandlung einer Einzelfirma oder Personen-gesellschaft in eine juristische Person wird das Ge-schäftsvermögen auf ein anderes Steuersubjekt übertra-gen, wofür der Einleger Anteile an der juristischen Per-

son erhält. Damit würden an sich allfällige stille Reser-ven realisiert. Indessen kann eine solche Umwandlungunter den bekannten Voraussetzungen der Übertragungeines Geschäftsbetriebes, dessen unveränderter Weiter-führung, der grundsätzlich gleichbleibenden Beteili-gungsverhältnisse, der Einhaltung der Sperrfrist sowieder fortbestehenden fiskalischen Verknüpfung steuer-neutral durchgeführt werden173. Eine steuerneutrale Um-wandlung einer Einzelfirma oder einer Personengesell-schaft in eine juristische Person führt somit dazu, dassdie Zurechnung stiller Reserven ändert und latente Steu-erlasten auf ein anderes Steuersubjekt übergehen. DieserÜbergang steht während der Sperrfrist unter der Bedin-gung, dass die Voraussetzungen der Steuerneutralitätnach wie vor erfüllt sind. Hernach ist der Übergang defi-nitiv.

5 Bewertung

5.1 Grundsatz

Die Einkünfte werden mit ihrem Verkehrswert erfasst.Obwohl nicht ausdrücklich in den Steuergesetzen so vor-gesehen, ist dies unbestritten. Der Grundsatz kann im-merhin indirekt den Bestimmungen über die Besteue-rung des Eigenmietwertes des selbstgenutzten Wohnei-gentums entnommen werden. Der Verkehrswert ist auchbei Privatentnahmen und bei Überführung von Ge-schäftsvermögen ins Ausland massgeblich174.

Soweit Bareinkünfte vorliegen, ist keine Bewertung er-forderlich. Keine Bareinkünfte sind Geldforderungenmit reduzierter Kaufkraft; dementsprechend muss einBewertungseinschlag gewährt werden175.

Naturaleinkünfte müssen bewertet werden. Es bestehenkeine Vorschriften über die Methodik. Deshalb sind alleBewertungsmethoden zulässig und anwendbar, die einemöglichst zuverlässige, aber auch verwaltungsökono -mische Bewertung ermöglichen176. Es dürfen auch Pau -scha len verwendet werden, wie sie namentlich bei der Be wertung von Naturalbezügen von Arbeitnehmernviel fach vorkommen177, aber insbesondere auch bei derBerücksichtigung der Veräusserungssperre gebundenerMitarbeiteraktien178. Allerdings muss den Steuerpflich -tigen der Nachweis eines anderen als des pauschalen

172 Oben, Abschn. 2.5.2.

173 Siehe dazu im Einzelnen LOCHER, Art. 19 N. 18 ff.; REICH, Um-strukturierungen, S. 203 ff.; BGr, 28.12.1998, ASA 68 (1999/2000), S. 71.

174 LOCHER, Art. 18 N. 103.

175 LOCHER, Art. 18 N. 37 zum so genannten WIR-Geld; dies mussauch für andere Geld-Äquivalente gelten.

176 BGr, 8.10.1996, ASA 66 (1997/98), S. 484.

177 Im Einzelnen LOCHER, Art. 18 N. 38 ff.

178 BGr, 6.11.1995, ASA 65 (1996/97), S. 733.

Page 28: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

106 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

Wertes offen stehen, handelt es sich doch lediglich umamtliche Schätzungshilfsmittel, nicht aber um eigent -liche gesetzliche Bewertungsmethoden179.

5.2 Ausnahme bei Eigenmietwert

Der Eigenmietwert des selbstgenutzten Wohneigentumsist nach einzelnen kantonalen Ordnungen nicht auf denMarktmietzins festzusetzen, sondern auf einen gewissenProzentsatz des auf dem Markt erzielbaren Mietzin-ses180. Das Bundesgericht lässt solche kantonalen Rege-lungen im Rahmen der Rechtsgleichheit zu, weil dasSteuerharmonisierungsgesetz keine Vorschrift über dieBewertung des Eigenmietwertes enthält. Unter demAspekt des Gleichbehandlungsgebotes muss der Eigen-mietwert gemäss der bundesgerichtlichen Rechtspre-chung mindestens 60% des Marktmietwertes betra-gen181. Dass überhaupt ein Bewertungseinschlag ge-währt werden kann, wird mit der geringeren Disponibili-tät in der Nutzung des Eigentums begründet sowie da-mit, dass die Selbstnutzung anderer Vermögenswertenicht besteuert wird182. Für die Zulässigkeit eines Be-wertungseinschlages spricht auch das Anliegen, dieSelbstvorsorge durch Eigentumsbildung fiskalisch zufördern183. Diesen Gründen ist anzufügen, dass die Ei-genmietwertbesteuerung nicht realisiertes Einkommenerfasst, weshalb den Steuerpflichtigen keine Mittel zurBegleichung der Steuerschuld zufliessen184.

6 Schlussbetrachtung

Der Begriff und die Besteuerung des Einkommens wei-sen viele Facetten auf und entziehen sich einer einfachenund eingängigen Darstellung. Gleichwohl ist es mög-lich, die mannigfaltigen Einzelaspekte auf einige Grund-gedanken zurückzuführen und in ein System einzufügen.

Es hat sich gezeigt, dass die Realisation ein tragendesElement der Einkommensbesteuerung darstellt. Ein-kommen im steuerlichen Sinne bilden nur die von aussenin die Vermögenssphäre des Steuerpflichtigen zuflies-

senden Einkünfte. Nur realisierte Einkünfte werden be-steuert; Ausnahmen beruhen stets auf ausdrücklicher ge-setzlicher Regelung. Einkünfte werden derjenigen Per-son zugerechnet, welche die wirtschaftliche Verfügungs-macht darüber erlangt hat, es sei denn, das Gesetz seheeine abweichende Zurechnung vor. Der Erwerb der wirt-schaftlichen Verfügungsmacht ist auch wegleitend beider periodengerechten Zuteilung der Einkünfte.

Ziel dieses Beitrags ist es gewesen, diese systematischenZusammenhänge der Einkommensbesteuerung aufzu-zeigen und dem Rechtsanwender die Instrumente undArgumente für die Analyse und Beurteilung des Einzel-falles zur Verfügung zu stellen.

Literatur

AGNER PETER/DIGERONIMO ANGELO/NEUHAUS HANS-JÜRG/STEINMANN GOTTHARD, Kommentar zum Ge-setz über die direkte Bundessteuer, Ergänzungs-band, Zürich 2000

AGNER PETER/JUNG BEAT/STEINMANN GOTTHARD, Kom-mentar zum Bundesgesetz über die direkte Bundes-steuer, Zürich 1995

ANDEL NORBERT, Einkommensteuer, in: Fritz Neumark(Hrsg., unter Mitarbeit von Norbert Andel und HeinzHaller), Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. II,3. A., Tübingen 1980, S. 331 ff.

– Finanzwissenschaft, 4. A., Tübingen 1998

BAUMGARTNER PETER, Vorschläge der OECD zur Ver-meidung der internationalen Doppelbesteuerung aufMitarbeiteroptionen, FStR 2002, S. 223 ff.

BLUMENSTEIN ERNST/LOCHER PETER, System des Steuer-rechts, 6. A., Zürich 2002

BÖCKLI PETER, Das neue Aktienrecht, 2. A., Zürich 1996– Die Besteuerung der Eigenmiete im Lichte von

Steuer- und Verfassungsrecht, recht 6 (1988),S. 14 ff.

– Von Schatteneinkommen und Einkommensbindung,Gedanken zur Ehegattenbesteuerung, StR 33 (1978)S. 98 ff.

BÖHI RETO, Der unterschiedliche Einkommensbegriff imSteuerrecht und im Sozialversicherungsrecht undseine Auswirkungen auf die Beitragserhebung, Bern2001

BOSSHARDT OSKAR, Der steuerrechtliche Einkommens-begriff, ZBl 47 (1946), S. 305 ff.

BRÜMMERHOFF DIETER, Finanzwissenschaft, 7. A., Mün-chen/Wien 1996

179 VGr ZH, 19.12.1995, RB 1995 Nr. 39 = StE 1996 A 21.12 Nr. 11,in Zusammenhang mit der Schätzung des Eigenmietwertes.

180 Für die direkte Bundessteuer ist der Marktmietwert mass -geblich (BGE 123 II 9 = ASA 66 [1997/98], S. 563; LOCHER,Art. 21 N. 52).

181 BGE 124 I 145.

182 BGE 125 I 65; BGE 124 I 193 = ASA 69 (2000/01), S. 373; BGE116 Ia 324 f.; s. auch oben, Abschn. 2.2.1.

183 BGE 112 Ia 246 f.

184 S. auch oben, Abschn. 2.2.4.

Page 29: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

107Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

DIGERONIMO ANGELO, s. Agner Peter/Digeronimo An -gelo/Neuhaus Hans-Jürg/Steinmann Gotthard

FESSLER FERDINAND, s. Zuppinger Ferdinand/SchärrerErwin/Fessler Ferdinand/Reich Markus

FREI WALTER, s. Richner Felix/Frei Walter/KaufmannStefan

GURTNER PETER, Neue Rechnungslegung – PrinzipielleMassgeblichkeit oder eigenständige Steuerbilanz?,ASA 69 (2000/01), S. 85 ff.

GURTNER PETER/LOCHER PETER, Theoretische Aspekteder Eigenmietwertbesteuerung, ASA 69 (2000/01),S. 597 ff.

HAIG ROBERT MURRAY, The Concept of Income – Econo-mic and Legal Aspects, in: R. A. Musgrave/C. S.Shoup (Eds.), Readings in the Economics of Tax -ation, Homewood, IL 1959, S. 54 ff.

HÖHN ERNST/WALDBURGER ROBERT, Steuerrecht, Bd. I:Grundlagen – Grundbegriffe – Steuerarten, 9. A.,Bern/Stuttgart/Wien 2001

JUNG BEAT, s. Agner Peter/Jung Beat/Steinmann Gott-hard

KÄFER KARL, Berner Kommentar, Band VII/2/2,Art. 958–964 OR, Bern 1981

KAUFMANN STEFAN, s. Richner Felix/Frei Walter/Kauf-mann Stefan

KIRCHHOF PAUL, Empfiehlt es sich, das Einkommensteu-errecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungenund zur Vereinfachung neu zu ordnen?, Gutachten Ffür den 57. Deutschen Juristentag, München 1988

KLEINWÄCHTER FRIEDRICH, Das Einkommen und seineVerteilung (Handbuch und Lehrbuch der Staatswis-senschaften in selbständigen Bänden, herausgege-ben von Kuno Frankenstein, Erste Abteilung, Volks-wirtschaftslehre, V. Band), Leipzig 1896

KOMMISSION EIGENMIETWERT/SYSTEMWECHSEL (KES),Bericht erstattet dem Eidgenössischen Finanzdepar-tement, Bern 2000

LOCHER PETER, Kommentar zum DBG, Bundesgesetzüber die direkte Bundessteuer, I. Teil, Art. 1–48DBG, Therwil/Basel 2001

– s. Blumenstein Ernst/Locher Peter– S. Gurtner Peter/Locher Peter

LUTZ GEORG, in: Martin Zweifel/Peter Athanas (Hrsg.),Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht,Bd. I/2a, Bundesgesetz über die direkte Bundessteu-er (DBG) Art. 1–82, Basel/Genf/München 2000

MARSH D.B., The taxation of imputed income, Political Science Quarterly LVIII (1943), S. 520 f.

MISTELI JONAS, Dividenden-Stripping, Bern/Stuttgart/Wien 2001

NEUHAUS HANS-JÜRG, s. Agner Peter/Digeronimo An -gelo/Neuhaus Hans-Jürg/Steinmann Gotthard

NEUMARK FRITZ, Theorie und Praxis der modernen Ein-kommensbesteuerung, Bern 1947

OBERSON XAVIER, Droit fiscal Suisse, 2. A., Basel/Frank-furt a. M. 2002

OEHLER KURT, Einkommenssteuerliche Behandlung derOpfer von Anlagebetrügern, StR 57 (2002), S. 842 ff.und StR 58 (2003), S. 70 ff.

OEHRLI Markus, Die gemischte Schenkung im Steuer-recht, Zürich 2000

REICH MARKUS, Die Furcht vor dem Systemwechsel –oder das Beharrungsvermögen des Bisherigen, ST2001, S. 721 ff.

– in: Martin Zweifel/Peter Athanas (Hrsg.), Kommen-tar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2a, Bun-desgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG), Basel/Genf/ München 2000

– in: Martin Zweifel/Peter Athanas (Hrsg.), Kommen-tar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1, Bun-desgesetz über die Harmonisierung der direktenSteuern der Kantone und Gemeinden (StHG), 2. A.,Basel/Genf/München 2002

– Unternehmensumstrukturierungen im internenSteuerrecht von Bund und Kantonen, in: MarkusReich/Marco Duss, Unternehmensumstrukturierun-gen im Steuerrecht, Basel/Frankfurt a. M. 1996

– Vermögensertragsbegriff und Nennwertprinzip, in:Francis Cagianut/Klaus A. Vallender (Hrsg.), Steuer -recht, ausgewählte Probleme am Ende des 20. Jahr-hunderts, Festschrift zum 65. Geburtstag von ErnstHöhn, Bern/Stuttgart/Wien 1995, S. 225 ff.

– Zur Frage der Ehegattenbesteuerung, ZBl 86 (1985),S. 233 ff.

– s. Zuppinger Ferdinand/Schärrer Erwin/Fessler Fer - dinand/Reich Markus

REIMANN AUGUST/ZUPPINGER FERDINAND/SCHÄRRER ER-WIN, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, II. Bd.,Bern 1963

RICHNER FELIX/FREI WALTER/KAUFMANN STEFAN, Kom-mentar zum harmonisierten Zürcher Steuergesetz,Zürich 1999

RISI ANDREAS, Die Besteuerung von Mitarbeiterbeteili-gungen – der Bericht der gemischten Arbeitsgruppe,FStR 2002, S. 213 ff.

Page 30: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

108 Markus Weidmann, Realisation und Zurechnung des Einkommens

ROSCHER WILHELM, System der Volkswirtschaft, 21. A.,Stuttgart 1894

ROSEN HARVEY S., Public Finance, 5. A., Boston, MAetc. 1999

RUFENER ADRIAN, Urteil des Verwaltungsgerichts desKantons Zürich vom 3. Juli 2002, StR 57 (2002),S. 859 ff.

RUPPE HANS GEORG, Möglichkeiten und Grenzen derÜbertragung von Einkunftsquellen als Problem derZurechnung von Einkünften, in: Klaus Tipke(Hrsg.), Übertragung von Einkunftsquellen im Steu-errecht, Köln 1978, S. 7 ff.

SCHANZ GEORG, Der Einkommensbegriff und die Ein-kommensteuergesetze, Finanzarchiv XIII (1896),S. 1 ff.

SCHÄRRER ERWIN, s. Reimann August/Zuppinger Ferdi-nand/Schärrer Erwin

– s. Zuppinger Ferdinand/Schärrer Erwin/Fessler Fer -dinand/Reich Markus

SIMONS HENRY C., Personal Income Taxation, The Defi-nition of Income as a Problem of Fiscal Policy, Chi-cago, IL 1938

SÖHN HARTMUT, Erwerbsbezüge, Markteinkommens-theorie und Besteuerung nach der Leistungsfähig-keit, in: Joachim Lang/Heinrich Wilhelm Kruse/Jürgen Pelka, Die Steuerrechtsordnung in der Dis-kussion, Festschrift für Klaus Tipke, Köln 1995,S. 343 ff.

STEICHEN ALAIN, Die Markteinkommenstheorie: Ei desKolumbus oder rechtswissenschaftlicher Rück-schritt?, in: Joachim Lang/Heinrich Wilhelm Kru-se/Jürgen Pelka, Die Steuerrechtsordnung in derDiskussion, Festschrift für Klaus Tipke, Köln 1995,S. 365 ff.

STEINMANN GOTTHARD, s. Agner Peter/Digeronimo An-gelo/Neuhaus Hans-Jürg/Steinmann Gotthard

– s. Agner Peter/Jung Beat/Steinmann Gotthard

TRZASKALIK CHRISTOPH, Zuflussprinzip und perioden-übergreifende Sinnzusammenhänge, StuW 1985,S. 222 ff.

WALDBURGER ROBERT, Rechtsprechung im Jahr 2000,FStR 2001, S. 158 ff.

– Rechtsprechung im Jahr 2001, FStR 2002, S. 140 ff.– s. Höhn Ernst/Waldburger Robert

WEIDMANN MARKUS, Einkommensbegriff und Realisa -tion – Zum Zeitpunkt der Realisation von Ertrag undEinkommen im Handels- und Steuerrecht, Zürich1996

ZIMMERMANN HORST/HENKE KLAUS-DIRK, Finanzwis-senschaft, 8. A., München 2001

ZUPPINGER FERDINAND, s. Reimann August/ZuppingerFerdinand/Schärrer Erwin

ZUPPINGER FERDINAND/SCHÄRRER ERWIN/FESSLER FER-DINAND/REICH MARKUS, Kommentar zum ZürcherSteuergesetz, Ergänzungsband zum KommentarBd. I–IV, Bern 1983

ZWAHLEN BERNHARD, in: Martin Zweifel/Peter Athanas(Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Steuer-recht, Bd. I/2a, Bundesgesetz über die direkte Bun-dessteuer (DBG) Art. 1–82, Basel/Genf/München2000

– in: Martin Zweifel/Peter Athanas, Kommentar zumSchweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz überdie Harmonisierung der direkten Steuern der Kanto-ne und Gemeinden (StHG), Bd. I/1, 2. A., Ba sel/Frank furt a. M.

Page 31: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

109

Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die SchweizDr. ès sc. pol. Peter Baumgartner

Inhalt

1 Einleitung

2 Steuern als Teil des Standortwettbewerbs

3 Internationale Entwicklungen bis Frühling 2003

3.1 Bestrebungen in der OECD und in der EU

3.1.1 Liste der unkooperativen Steuerparadiese3.1.2 Bestrebungen zur Beseitigung des Bankgeheimnisses3.1.3 Umsetzung des EU-Verhaltenskodexes3.1.4 Beseitigung schädlicher Steuerregimes in den OECD-

Staaten

4 Beurteilungskriterien für schädliche Regimes

5 Androhung von Sanktionen

6 Beurteilung der Entwicklungen aus Schweizer Sicht

6.1 Beurteilung potenziell schädlicher schweizerischerRegimes

6.1.1 Tiefe Besteuerung als Ausgangskriterium6.1.2 Fehlen eines effektiven Informationsaustausches6.1.3 Abschottung eines Regimes (sog. Ring Fencing)6.1.4 Anwendung der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien6.1.5 Transparenzerfordernis

6.2 Gefährdete schweizerische Regimes

6.3 Anwendung von Gegenmassnahmen seitens derOECD

7 Schlussbemerkungen

Literatur und Materialien

1 Einleitung

Die seit 1997 laufenden Bestrebungen von OECD undEU zur Einschränkung des sog. schädlichen Steuerwett-bewerbs stellen für den Steuerstandort Schweiz eineechte Herausforderung dar. Sollte es der OECD nämlichgelingen, im Juni 2003 eine Liste schädlicher Steuer -regimes in den OECD-Mitgliedstaaten zu verabschie-den, so wächst die Gefahr, dass andere Staaten, einzelnoder koordiniert, Massnahmen gegen die aufgelistetenRegimes ergreifen bzw. ihre bereits bestehenden Miss-brauchsgesetzgebungen gezielt verschärfen werden. DieSchweiz hatte sich von den genannten OECD-Bestre-bungen von Anfang an distanziert, droht aber wegen Besonderheiten ihrer Steuerregimes und wegen ihrerrestriktiven Haltung in der Frage des Austausches vonsteuerlich relevanten Informationen unter starken inter-nationalen Druck zu geraten. Von der OECD sind vor allem die kantonalen Regimes für Holding- und Verwal-tungsgesellschaften (Art. 28 Abs. 2–4 StHG) sowie ge-wisse Regelungen für Konzernhilfsgesellschaften insVisier genommen worden.

Die OECD-Bestrebungen richten sich gegen mobile Ge-schäftstätigkeiten (z.B. Finanz- und Dienstleistungsakti-vitäten) in den OECD-Staaten, in Nicht-OECD-Staatenmit Vorzugsregimes und in den sog. Steuerparadiesen.Zeitgleich wurden Bestrebungen zur Aufhebung desBankgeheimnisses in Steuersachen eingeleitet, die vorallem Privatpersonen betreffen dürften. Die EU gingzwei Schritte weiter: Sie beurteilte die steuerlichen Re-gimes für mobile und immobile Geschäftstätigkeiten aufschädliche Aspekte einerseits und unter dem Blickwin-kel von unerlaubten Staatsbeihilfen andererseits.1

Nachstehend werden die OECD- und die parallel dazulaufenden EU-Bestrebungen zur Einschränkung desschädlichen Steuerwettbewerbs näher ausgeleuchtet. Da-bei geht es vorerst darum, die im Rahmen der OECD fest-gesetzten, neuen internationalen Standards zur Ausge-staltung der Steuersysteme darzustellen und gestützt da-rauf das Bedrohungspotential der neuen Regeln für ge-wisse schweizerische Steuerregimes und -praktiken ab-zuschätzen.

Dr. ès sc. pol. Peter Baum-gartner, Stv. Direktor der Ver-einigung SchweizerischerIndustrie-Holdinggesellschaf-ten (Industrie-Holding), Bern;Vorsitzender der Tax Com-mission der InternationalenHandelskammer (ICC), Paris

1 Nicht mobile Aktivitäten, wie z.B. Produktionsstätten, sowienichtsteuerliche Investitionsanreize sind vorläufig noch nichtGegenstand der OECD-Bestrebungen zur Einschränkungschädlicher Steuerpraktiken.

Page 32: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

110 Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz

2 Steuern als Teil des Standort-wettbewerbs

Die Darstellung der laufenden Entwicklungen wäre un-vollständig, wenn nicht auch politische und wirtschaftli-che Faktoren berücksichtigt würden. Die Ausgestaltungdes Steuersystems ist nämlich immer auch ein politi-scher Entscheid, wobei die Staaten untereinander in ei-nem Standortwettbewerb stehen.2 Im Sinne eines libera-len Wirtschaftsverständnisses sind Unterschiede bei derAusgestaltung der vom Staat gesetzten Rahmenbedin-gungen nicht nur erwünscht, sondern geradezu notwen-dig. Nur eine Wettbewerbssituation gibt den Wirt-schaftsakteuren die Freiheit, ihre Ressourcen dort einzu-setzen, wo sie den grössten Nutzen erwarten können. ImSpannungsfeld zwischen Harmonisierung und Wettbe-werb ist dem Letzteren der Vorzug zu geben, da in den in-ternationalen Wirtschaftsbeziehungen das Prinzip derkomparativen Wettbewerbsvorteile grundsätzlich alswohlstandsfördernd gilt. Einschränkungen sind dann ge-rechtfertigt, wenn ein offensichtliches Systemversagenvorliegt oder die globalen Stabilitäts- oder Effizienzge-winne erheblich beeinträchtigt werden.3 Der Wettbewerbder Steuerordnungen wirkt sich zudem disziplinierendauf die Höhe der staatlichen Abgaben und der öffentli-chen Ausgaben aus.4 Bei einem Ungleichgewicht zwi-schen den staatlichen Abgaben und den vom Gemeinwe-sen zur Verfügung gestellten staatlichen Leistungen ha-ben die Wirtschaftsakteure in weitgehend liberalisiertenMärkten die Möglichkeit, mobile Produktionsfaktorenin ein anderes Land zu verlegen, was im betroffenenStaat wegen den damit verbundenen Wohlstandsverlus-ten in aller Regel zu entsprechenden Korrekturen auf po-litischer Ebene führt.

Aus der Optik der OECD ist Steuerwettbewerb dann alsschädlich zu qualifizieren, wenn er einen verzerrenden

Einfluss auf die Ansiedlung von mobilen Produktions-faktoren hat.5 Den im Steuerausschuss der OECD vertre-tenen nationalen Steuerbehörden schwebt dabei das Ide-al eines «level playing field» vor. Eine solche Optikklammert die andern Standortfaktoren aus. Sie gibt denSteuern einen besonderen Stellenwert, ganz so, als obein Staat bezüglich seiner Steuereinnahmen eine Mono-polstellung hätte, die es unter allen Umständen zu vertei-digen gilt. Sie beeinträchtigt (unter dem Vorwand schäd-licher Auswirkungen) die Möglichkeiten der Wirt-schaftssubjekte, die internationalen Wirtschaftsbezie-hungen im Rahmen der geltenden (nationalen und inter-nationalen) Rechtsordnung optimal zu strukturieren. DieOECD, die sich bei ihrer Gründung offene Märkte unddie Förderung des Austausches von Gütern und Dienst-leistungen auf die Fahne geschrieben hatte, nimmt damitin Kauf, dass der Wettbewerb im Bereich mobiler Aktivi-täten nicht nur weitgehend ausgeschaltet wird, sonderndass die staatlichen Abgaben auf diesen Tätigkeitenkünstlich hochgehalten werden können.6 Den Kriterien,die seitens der OECD zur Beurteilung der Schädlichkeitgewisser Regimes und Praktiken herangezogen werden,ist deshalb besondere Beachtung zu schenken.7 Zu hin-terfragen sind auch die von der OECD als Rechtferti-gung herangezogenen Begründungen und Schlagworte.8

3 Internationale Entwicklungen bisFrühling 2003

Die OECD- und EU-Bestrebungen sind Teil der 1996von den Staaten der G7 beschlossenen Massnahmen zurSchaffung verbesserter Rahmenbedingungen in einerglobalisierten Wirtschaft und zur Verstärkung der mul -tinationalen Zusammenarbeit. Stichworte sind Good

2 Der Steuerwettbewerb kann gegen aussen gerichtet sein, etwabei der Schaffung von international attraktiven Regimes fürmobile Produktionsfaktoren. Der Wettbewerb spielt aber auchim Innern, indem viele Staaten bestrebt sind, die Steuerbelas-tung, die Steuersätze oder aber die Besteuerungsformen deninternationalen Trends anzupassen. Grundsätzlich ist es aberjedem Staat anheim gestellt, wie er seine Steuerordnung aus-gestaltet, woraus sich bei internationalen Sachverhalten not-wendigerweise Friktionen und Freiräume ergeben.

3 Die Situation in der EU ist etwas anders zu beurteilen, da derEG-Vertrag hinsichtlich des ökonomischen und fiskalischenHandelns der Mitgliedstaaten gewisse Grenzen absteckt. DieOECD hat keine derartigen Rechtsetzungskompetenzen. Vgl.zum Steuerwettbewerb auch die grundsätzlichen Überlegun-gen von WOLFGANG SCHÖN, Steuerwettbewerb in Europa, inASA 71 (2002/03), S. 337 ff.

4 In der Schweiz, die im Steuerbereich einen Wettbewerb zwi-schen den kantonalen Steuerordnungen kennt, sind diese Ef-fekte immer wieder nachzuweisen.

5 OECD HTC Report 1998, Ziff. 8: «If governments can agreethat these location decisions should be driven by economic

considerations and not primarily by tax factors, this will helpmove towards the ‹level playing field› which is so essentialto the continued expansion of global economic growth.»

6 Gerade bei mobilen Dienstleistungen und Finanzierungenbesteht in der Regel nur eine unbedeutende Beanspruchungstaatlicher Leistungen, was nach dem Äquivalenzprinzipauch eine tiefe Steuerbelastung rechtfertigt.

7 Die aktuellen Bemühungen zur Eindämmung des schädlichenSteuerwettbewerbs beschränken sich eben nicht nur auf dieSchaffung von Transparenz und den Austausch von steuer-lich relevanten Informationen, sondern orientieren sich auchan der Höhe der Steuern und würden im Endeffekt zu einerweitgehenden Angleichung der Steuersysteme führen. Vgl.dazu auch die Erklärung der Schweiz zum OECD HTC Report1998, Anhang II.

8 Notwendigkeit der Eindämmung der schädlichen Effekte derGlobalisierung, Verlagerung der Steuerlast auf die indirektenSteuern, «race to the bottom», «free riders», «erosion of na-tional tax base», «poaching», OECD HTC Report 1998,Ziff. 20–37. Vgl. auch BIAC, A Business View on Tax Competi-tion, June 1999.

Page 33: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

111Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz

Governance seitens der Staaten, Corporate Governanceseitens der Unternehmen, Bekämpfung der Kriminalität(vor allem: Geldwäscherei, Korruption, Steuer- und Bör-sendelikte), wobei der OECD eine Vorreiterrolle zuge-dacht wurde.9 In der Folge erarbeitete das Fiskalkomiteeder OECD den von den G7 und vom OECD-Ministerratverlangten Bericht «Harmful Tax Competition, AnEmerging Global Issue».10 Die EU-Staaten hatten sichbereits 1997 im Rahmen des EU-Verhaltenskodexes11

verpflichtet, Mass nahmen gegen unfairen Steuerwettbe-werb zu treffen, wobei die EU- und die OECD-Bestre-bungen hinsichtlich Stossrichtung, Beurteilungskrite-rien, zeitlichem Ablauf und Vorgehen in weiten Teilenübereinstimmten.

Die Tatsache, dass die damals vereinbarten Massnahmen– trotz der nachstehend aufgezeigten politischen Wider-stände und gewisser Verzögerungen – bisher über weiteStrecken und im Sinne der damaligen Beschlüsse umge-setzt werden konnten, macht deutlich, dass die Ein-schränkung des schädlichen Steuerwettbewerbs von denbeteiligten Staaten ernst genommen wurde12 und dass dieBestrebungen seitens der potenziell Betroffenen (d.h.den Staaten, die sich nicht einbinden liessen, sowie denUnternehmen) ernst genommen werden müssen.

3.1 Bestrebungen in der OECD und in der EU

Der vom OECD-Ministerrat im April 1998 verabschie-dete Bericht zum schädlichen Steuerwettbewerb beginntmit einer Analyse des internationalen Umfeldes. Sodann

werden die Faktoren zur Erkennung von Steuerparadie-sen und schädlichen Steuerregimes in den OECD- undNicht-OECD-Staaten dargestellt. Das Kapitel 3 enthält19 ausführliche Empfehlungen zur Ausgestaltung des in-ternen Steuerrechts und der Besteuerungspraxis, zu denDBA und zur Verstärkung der Zusammenarbeit zwecksBekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs.13 Fer-ner werden verschiedene Bereiche aufgelistet, die vonder OECD näher ausgeleuchtet werden sollen.14 Der Be-richt brachte aber auch die Idee von Gegenmassnahmenins Spiel, mit denen nicht kooperative Steuerparadieseund OECD-Mitgliedstaaten gezwungen werden sollten,die OECD-Standards zu übernehmen.15 Die Empfehlungdes Ministerrates beauftragte das OECD-Fiskalkomiteeausdrücklich, ein «Forum on Harmful Tax Practices» zuschaffen. Dieses Forum nahm seine Tätigkeit im Herbst1998 auf und trifft sich seither regelmässig zur Umset-zung der 1998 beschlossenen Massnahmen.

Die Schweiz und Luxemburg erklärten anlässlich derVerabschiedung des OECD HTC Report 1998 durch denMinisterrat, dass sie sich durch die darin enthaltenenEmpfehlungen nicht gebunden fühlten. Sie lehnten denBericht jedoch nicht formell ab (ein Veto hätte die weite-ren Arbeiten wegen dem in der OECD geltenden Kon-sensprinzip verhindert), sondern enthielten sich derStimme.16 Eine Folge dieser Enthaltung ist, dass dieSchweiz im neu geschaffenen «Forum on Harmful TaxPractices» (gegen dessen Einsetzung sie sich in ihrer Er-klärung explizit ausgesprochen hat) nicht Mitglied ist,

9 Vgl. Pressemitteilung des Gipfeltreffens der G7 von 1996 inLyon: «… globalisation is creating new challenges in the fieldof tax policy. (…) We strongly urge the OECD to vigorouslypursue its work in this field, aimed at establishing a multila-teral approach under which countries could operate indivi-dually and collectively to limit the extent of these practices»,in OECD HTC Report 1998.

10 Der Bericht wurde vom OECD-Ministerrat am 9.3.1998 zu-sammen mit einer Empfehlung für das weitere Vorgehen gut-geheissen: «Recommendation of the Council on Counter -acting Harmful Tax Competition», «Recommendation andGuidelines for Dealing with Harmful Tax P ractices», in OECDHTC Report 1998.

11 ECOFIN-Beschluss vom 1.12.1997 über das sog. Dreierpaket,das die Umsetzung des EU-Verhaltenskodexes gegen schäd-lichen Steuerwettbewerb, den Erlass der Richtlinie über dieZinsbesteuerung sowie der Richtlinie über die Beseitigungvon Quellensteuern auf konzerninternen Zins- und Lizenzzah-lungen vorsah (98/C 2/01).

12 Vor allem auch seitens der EU-Staaten, wegen den der Kom-mission zur Verfügung stehenden Druckmitteln, vgl. Abschn.3.1.3.

13 OECD HTC Report 1998, Empfehlungen, vgl. auch Abschn. 5.

14 OECD HTC Report 1998, Kapitel 3 Abschn. V.

15 OECD HTC Report 1998, Ziff. 96. Der recht bedrohliche Begriff«counteracting measures» wurde im Progress Report von2000 semantisch verharmlost, und seither ist nur noch von«defensive measures» die Rede. Desgleichen wurde der Be-griff «harmful tax competition» durch den ordnungspolitischunverfänglicheren Ausdruck «harmful tax practices» ersetzt.

16 Vgl. «Statement of Switzerland» im Anhang II zum OECDHTC Report 1998. Um die Position der Schweiz in dieser fürsie wichtigen Frage wurde dem Vernehmen nach verwal-tungsintern gerungen, standen doch verschiedene Empfeh-lungen im Widerspruch zur schweizerischen Auffassungüber den Steuerwettbewerb und zur Ausgestaltung des inter-nen Steuerrechts und der DBA-Praxis. Als besonders stos-send wurde etwa die Empfehlung 7 über den Zugang zuBankinformationen empfunden. Materiell wies die Schweizin ihrer Erklärung u.a. darauf hin, dass der Bericht einseitigund unausgewogen sei, dass die Beschränkung auf mobileAktivitäten den Realitäten nicht gerecht werde, dass der Be-richt tendenziell zu einer Stärkung der Position der Hoch-steuerländer führe, dass er das Gewicht einseitig auf den In-formationsaustausch und die internationale Zusammenar-beit lege und Quellensteuerlösungen nicht die nötige Bedeu-tung beimesse. Die Schweiz kritisierte schliesslich den selek-tiven und repressiven Approach gegenüber Steuerparadie-sen. Luxemburg führte ähnliche Argumente an, machte aberauch darauf aufmerksam, dass es sich an den Arbeiten zurUmsetzung des EU-Verhaltenskodexes und zur EU-Zinsricht-linie beteilige.

Page 34: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

112 Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz

sondern lediglich Beobachterstatus hat. Sie hat deshalbkeine Möglichkeit, die Ergebnisse der Arbeiten diesesGremiums zu beeinflussen und ist aus ihrer Sicht an die-se auch nicht gebunden.

Die Arbeiten des OECD-Forums führten im Juni 2000 zurVerabschiedung des Folgeberichts «Towards Global TaxCo-operation» und einer entsprechenden Empfehlungdes Ministerrates.17 Der OECD-Bericht listete 47 poten-ziell schädliche Vorzugsregimes in Mitgliedstaaten auf(einschliesslich Regimes in der Schweiz)18 sowie 35 Län-der oder Gebiete, die als potenzielle Steuerparadiese be-zeichnet werden. Der Bericht stellte aber auch klar, dassmit den OECD-Bestrebungen keine Harmonisierung derSteuersysteme innerhalb und ausserhalb der OECD-Staa-ten beabsichtigt war und dass keinem Land «angemesse-ne» Steuersätze aufgezwungen werden sollen. Zentral istu. E. jedoch die folgende Begründung: «Rather, the pro-ject is about ensuring that the burden of taxation is fairlyshared and that tax should not be the dominant factor inmaking capital allocation deci sions.»19 Damit reagiertedie OECD einerseits auf die heftige Kritik, die dem Pro-jekt von Anfang an seitens der internationalen Wirtschaftentgegengebracht worden war.20 Zum andern legte dieOECD aber auch einen wichtigen Beweggrund auf denTisch: Mit den OECD-Bestrebungen soll verhindert wer-den, dass namentlich den Hochsteuerländern wegen demals schädlich bezeichneten Standortwettbewerb Steuer-einnahmen verloren gehen (sog. «base erosion»). Im Be-richt wurde ferner das weitere Vorgehen explizit darge-legt, nämlich: Dialog und kollektiver Druck auf dieSteuer paradiese, Erarbeitung von Kriterien zur Beurtei-

lung der Schädlichkeit der Regimes in den OECD-Staa-ten, Kontakte mit Nicht-OECD-Mitgliedern21 sowie eineListe von möglichen Gegenmassnahmen.

Im November 2001 wurde – mit einer kleinen Verzöge-rung – ein weiterer Progress Report verabschiedet.22 DerEinigung vorangegangen war eine Auseinandersetzungmit den USA über die von den Steuerparadiesen zu erfül-lenden Kriterien. Im OECD HTC Report 1998 war näm-lich die Abwesenheit einer substanziellen Tätigkeit fürdie Steuerparadiese als schädliches Kriterium aufgelis-tet worden.23 Die USA, die unter der Bush-Administra -tion eine politische Richtungsänderung vorgenommenhatten, wollten dieses Kriterium nicht mehr akzeptierenund bestanden darauf, dass die Aktivitätsklausel gestri-chen werde und den Steuerparadiesen zudem seitens derOECD formell zugesichert werde, dass die Sanktionengegen «unkooperative» Steuerparadiese nur ergriffenwürden, sofern entsprechende Massnahmen auch gegen-über OECD-Mitgliedern mit schädlichen Vorzugsre-gimes zur Anwendung kämen.24

Wie sich in der Folge zeigen sollte, erwies sich dieserEinbruch ins ursprüngliche Konzept der OECD als fol-genschwer. Zum einen enthielten sich (neben derSchweiz und Luxemburg) neu auch Belgien und Portu-gal der Stimme, da den kooperationswilligen Steuerpa-radiesen mit dem Verzicht auf die Aktivitätsklausel eineErleichterung gewährt wurde, die für die OECD-Staatennicht gelten würde.25 Ferner vergab sich die OECD mitder Verknüpfung der Sanktionen gegen Steuerparadieseund gegen schädliche Vorzugsregimes in OECD-Staatendie Möglichkeit, effektiv gegen unkooperative Steuerpa-

17 OECD Progress Report 2000.

18 Die schädlichen Regimes wurden nach Aktivitätskategoriengegliedert: Versicherung, Finanzierung und Leasing, FundManagement, Banking, Headquarters, Distribution Centers,Service Centers, Shipping, gemischte Aktivitäten. Hinsicht-lich der Holdingregimes wurde im Bericht darauf hingewie-sen, dass im Forum noch keine Einigkeit über die schädli-chen Aspekte erzielt werden konnte, doch sollten die Hol-dingregimes in zahlreichen Staaten (darunter auch dieSchweiz) näher analysiert werden. Für die Schweiz wurdendie Verwaltungs- und Konzerndienstleistungsgesellschaftenals potenziell schädlich aufgelistet, wozu die Schweiz ihreZustimmung gab (obwohl sie sich vom OECD-Projekt distan-ziert hatte und am Forum nur als Beobachterin teilnahm).

19 OECD Progress Report 2000, S. 5.

20 Das BIAC (Business and Industry Advisory Council to theOECD) kritisierte die OECD-Bestrebungen aufs Heftigste undwies nachdrücklich daraufhin, dass der Steuerwettbewerberwünscht und notwendig sei und dass keinem souveränenStaat vorgeschrieben werden dürfe, wie er sein Steuersys-tem auszugestalten habe; s. BIAC, A Business View on TaxCompetition, June 1999. Ähnlich reagierte die InternationaleHandelskammer in einem Brief an den Vorsitzenden der UNAd Hoc Group of Experts on Co-operation in InternationalTax Matters, 10.5.2000. Als Folge davon war die OECD bereit,

mit dem BIAC, das im Vorfeld der Publikation des Berichtsvon 1998 nicht einmal konsultiert worden war, den Dialogaufzunehmen.

21 Diesbezüglich knüpfte die OECD Kontakte mit zahlreichenNicht-OECD-Staaten und internationalen Organisationen;vgl. FN 22; OECD Progress Report 2001, S. 7.

22 OECD, The OECD’s Project on Harmful tax practices: The2001 Progress Report, 14.11.2001.

23 OECD HTC Report 1998, Box 1, Bst. d: Key factors in identify-ing tax havens for the purposes of this report.

24 Die Steuerparadiese hatten sich zuvor vehement für ihre In-teressen eingesetzt. Für sie hätte das Erfordernis einer tat-sächlichen Geschäftstätigkeit nämlich bedeutet, dass sie ei-nen Grossteil ihrer Standortvorteile (reine Sitzgesellschaf-ten) verloren hätten. Die USA, die ohnehin in erster Linie amZugang zu Informationen interessiert waren, setzen sich fürdie Steuerparadiese ein; s. Statements des US Secretary ofthe Treasury vom 17.2.2001, 10.5.2001 und Brief vom7.6.2001 an die G7-Finanzminister. Vgl. auch OECD Report2001, Ziff. 28 und 32.

25 Für OECD-Staaten wäre das Kriterium des ring fencing wei-terhin schädlich, womit die Gefahr bestand, dass entspre-chende Strukturen in Steuerparadiese abwandern würden.

Page 35: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

113Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz

Zeitlicher Ablauf der OECD-Bestrebungen zur Einschränkungdes Steuerwettbewerbs(bisher und gemäss Zeitplan der OECD)

1996 G7-Beschluss zur Schaffung neuer globaler Rah-menbedingungen (Steuern, Geldwäscherei, Kor-ruption, organisierte Kriminalität)

1997 EU Code of Conduct gegen unfairen Steuerwett-bewerb

1998 OECD Report on Harmful Tax Competi tion(Stimmenthaltung durch die Schweiz und Lu-xemburg)

1998 Schaffung des OECD-Forums gegen Harmful TaxPractices (Schweiz: Be obachterstatus)

2000 OECD-Bankgeheimnisbericht (die Schweiz ver-pflichtete sich zu Verbesserungen bei Amtshilfefür Steuerbetrug, Prozess zur Anpassung derDBA-Amtshilfeklauseln)

2000 OECD Progress Report 2000:– Liste der «potentially harmful tax havens»– Liste der «potentially harmful regimes in

OECD countries»– Einigung über Vorgehen zur Umsetzung:

Application Notes zur Beurteilung der Re-gimes, Konkretisierung der Massnahmengegen unkoopera tive Staaten

2000 (Nov.) Revitalisierung des EU-Dreierpakets (Verknüp-fung zwischen Code of Conduct, Sparzinsricht -linie, Richtlinie über Nullsatz auf Zins- und Lizenzzahlungen zwischen verbundenen Unter-nehmen)

2001 (Nov.) OECD Progress Report 2001: Bestätigung derStrategie, Verknüpfung der Amtshilfe in «civiltax matters» für Steuerparadiese mit der Amts-hilfe zwischen OECD-Staaten

2002 OECD-Musterabkommen betr. Informationsaus-tausch in Steuersachen

2002 (April) Liste unkooperativer Steuerparadiese (nur noch7), seither: OECD-Zusammenarbeit mit koopera-tionswilligen Steuerparadiesen zur Umsetzungder vereinbarten Massnahmen

2002 (Mai) Konkretisierung der Application Notes, Konkre-tisierung möglicher Gegen massnahmen

2002 (Herbst) Self review der Vorzugsregimes durch dieOECD-Staaten

2002 (Herbst) Schriftliche peer review der Vorzugsregimes inOECD-Staaten, seither: Evaluation der peer re-view durch OECD-Forum

2003 (Jan.) EU ECOFIN-Beschluss zum Dreierpaket:– Übergangsfristen für Beseitigung von bereits

gewährten Vorteilen für gewisse Regimes inBelgien, Irland, Luxemburg, den Niederlan-den, Portugal (bis 2010/2011)

– Zusage, dass Belgien, Luxemburg und Öster-reich vorläufig unter der EU-Zins richtlinienicht zum automatischen Austausch vonBankinformationen übergehen müssen

2003 (Juni) Geplante Veröffentlichung der Liste der Vorzugs-regimes in OECD-Staaten: Absegnung durchOECD-Ministerrat

2003 (Dez.) Geplante Beschlüsse über Massnahmen gegenunkooperative Staaten (OECD-Staaten und Steuerparadiese)

ab 2006 Beseitigung aller bestehenden schädlichenSteuervorteile:– «Level playing field» für international mobile

Finanz- und Dienstleistungsaktivitäten– Zugang zu Bankinformationen auch bei blos-

ser Hinterziehung (in allen Staaten, ausser un-kooperativen Staaten)

radiese vorzugehen, solange bei einzelnen der OECD-Staaten, die das OECD-Vorhaben mittragen, entspre-chende Ausnahmen geduldet wurden.26

3.1.1 Liste der unkooperativen Steuerparadiese

Im Visier der OECD standen von Anfang an zum einendie sog. Steuerparadiese, für die die OECD-Staaten imHTC Report 1998 die Beurteilungskriterien festgelegthatten. Mit den im Bericht von 2000 als potenzielle Steu-erparadiese eingestuften Staaten27 wurde seitens derOECD ein intensiver Dialog gesucht, um sie davon zuüberzeugen, dass eine Annahme der OECD-Standards inihrem Interesse wäre (OECD-Unterstützung bei der Um-setzung der Vorgaben, aber auch massiver kollektiverDruck). Nachdem den Steuerparadiesen Ende 2001 aufDrängen der USA die erwähnten Zusicherungen abgege-ben worden waren, erklärten sich bis Ende März 2002fast alle der aufgelisteten Staaten formell zur Umsetzungder von der OECD geforderten Massnahmen bis Ende

2005 bereit. Mitte April 2002 veröffentlichte die OECDdie angekündigte Liste der «unkooperativen» Steuerpa-radiese. Sie umfasste nur noch Andorra, Liechtenstein,Liberia, Monaco, die Marshall-Inseln, Nauru und Vanua-tu. Dies ist – wenigstens auf den ersten Blick – ein er-staunlicher Erfolg, haben sich diese Staaten doch ver-pflichtet, bis Ende 2005 die von der OECD gefordertenund teils sehr einschneidenden Massnahmen zu treffen,u.a.: Verbesserung der Transparenz hinsichtlich der Ei-gentümer der bei ihnen registrierten Gesellschaften undTrusts, Gewährung von steuerlicher Amts- und Rechts-hilfe und namentlich auch Offenlegung von Bankkontenbei blosser Steuerhinterziehung. Allerdings erfolgten dieZusagen z. T. unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dassdie gleichen Kriterien auch von allen OECD-Staaten er-füllt werden müssten.28

26 Da sich die Schweiz vom OECD-Vorhaben distanziert hatte,erstreckt sich die Verknüpfung aus Sicht der OECD nicht aufdie Schweiz und die anderen nicht kooperativen OECD-Staa-ten.

27 Eigenständige Staaten und z.T. abhängige oder assoziierteGebiete anderer Staaten, vgl. Liste im OECD Progress Report2000.

28 Im Zentrum steht dabei die Offenlegung von Bankinformatio-nen, namentlich auch durch die Schweiz, wobei es sich aberum einseitige Erklärungen der betreffenden Steuerparadiesehandelte.

Page 36: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

114 Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz

3.1.2 Bestrebungen zur Beseitigung desBankgeheimnisses

Die Beschlüsse der G7 von 1996 zielten auch auf die Be-seitigung des Bankgeheimnisses gegenüber den Steuer-behörden ab. Es erstaunt deshalb nicht, dass die Schaf-fung von Transparenz und die Offenlegung von Steuer-informationen von Anfang an ein zentrales Kriterium derOECD-Bestrebungen zur Einschränkung des schädli-chen Steuerwettbewerbs bildeten. Von den Steuerpara-diesen wurde gefordert, dass sie bis spätestens Ende2005 die notwendigen Massnahmen treffen, um denSteuerbehörden anderer Staaten Bankinformationen beikriminellen und zivilen Steuervergehen zur Verfügungzu stellen.29

Die OECD veröffentlichte im April 2000 einen Berichtüber die Verbesserung des Zugangs zu Bankinformatio-nen. Nach einem harten Ringen konnten schliesslich alle29 OECD-Mitglieder dem Bericht zustimmen (ein-schliesslich der Schweiz).30 Der Bericht bezog sich aufden Austausch von Bankinformationen auf Anfrage imEinzelfall. Als Idealziel wurde der Austausch von Bank-informationen bei allen Steuerdelikten formuliert, wobeieinzelne Staaten die Verpflichtung eingingen, diesbe-züglich weitere Massnahmen zu treffen.31

Die OECD hatte in der Folge die traditionell der Arbeits-gruppe Nr. 8 zugeordneten Tätigkeiten über die steuerli-che Amtshilfe32 im Rahmen eines «Special Project Team»intensiviert und im Jahr 2002 ein Musterabkommen überden steuerlichen Informationsaustausch auf Anfrage veröffentlicht.33 Dieses (unverbindliche) Musterabkom-men lehnte sich stark an die in jüngster Zeit seitens derUSA mit den Steuerparadiesen abgeschlossenen bilatera-len Abkommen über den Informa tionsaustausch an.34 Die

Schweiz hat sich als Folge ihrer Enthaltung vom Projektüber die schädlichen Steuerpraktiken auch an diesen Ar-beiten nicht beteiligt und darauf hingeweisen, dass jeneStaaten, welche diese Arbeiten unterstützten, die alleini-ge Verantwortung dafür zu übernehmen haben, dass vonden Steuerparadiesen weitergehende Massnahmen ver-langt werden, als die OECD-Mitgliedstaaten dies in Zif-fer 21 ihres Bankgeheimnisberichts vom April 2000 ver-einbart hatten.

3.1.3 Umsetzung des EU-Verhaltenskodexes

Die EU-Staaten verpflichteten sich 1997 im Rahmen desEU-Verhaltenskodexes gegen unfairen Steuerwettbe-werb zur Beseitigung ihrer als schädlich eingestuftenRegimes.35 Abgesehen von der Tatsache, dass in der EUdie Regimes für alle Unternehmenstätigkeiten aufschädliche Aspekte überprüft werden sollten (OECD:nur mobile Tätigkeiten), bestand zwischen den EU-Be-strebungen und denjenigen in der OECD eine weitge-hende Übereinstimmung. Ein ganz entscheidender Un-terschied liegt jedoch beim institutionellen Rahmen: Inder EU geht es um die Schaffung eines «level playingfield» in einem aufgrund des EG-Vertrags geschaffenengemeinsamen Wirtschaftsraum.36 Aus Sicht der Kom-mission ist der Verhaltenskodex eine zentrale Vorausset-zung für die weitere Harmonisierung im Bereich der Un-ternehmensbesteuerung.37 Noch wichtiger ist aber, dassder Kommission im EG-Vertrag die Möglichkeit einge-räumt worden ist, zur Vermeidung von Wettbewerbsver-zerrungen gegen die Mitgliedstaaten ein formelles Ver-fahren zur Beseitigung von unzulässigen Staatsbeihilfeneinzuleiten. Steuerliche Sonderbehandlungen könnendabei als unerlaubte Staatsbeihilfen qualifiziert wer-den.38 Die vom ECOFIN eingesetzte High-Level Group

29 DAVID SPENCER, Tax Havens and Harmful Tax Practices – OECDUpdate, Journal of International Taxation 2002, S. 16 f . und34 ff.

30 OECD Report, Improving Access to Bank Information for TaxPurposes, OECD Fiscal Affairs Committee, April 2000. ZumParagraphen 20 des Berichts hat die Schweiz jedoch einenVorbehalt angebracht, in dem sie auf ihren generellen Vorbe-halt zu Art. 26 des OECD-Musterabkommens (DBA) hingewie-sen hat.

31 Die Schweiz hat in der Folge ihre Amtshilfepraxis unter denDBA geändert und erklärte sich in Revisionsverhandlungenmit OECD-Staaten bereit, DBA-Amtshilfe auch für Delikte zugewähren, die nach schweizerischem Recht als Steuerbetrugzu qualifizieren sind, vgl. u.a. DBA-Revision vom 12.3.2002mit Deutschland.

32 OECD Committee of Fiscal Affairs, Working Party No 8 on TaxAvoidance and Evasion.

33 OECD Model Agreement on Exchange of Information on TaxMatters, 18.4.2002, mit einer bilateralen- und einer multilate-ralen Version.

34 Gewährung von Amtshilfe auf Anfrage, einschliesslich Of-fenlegung von Bankinformationen bei zivilrechtlichen Steu-erdelikten, vgl. DAVID SPENCER, S. 35 ff.

35 Rechtlich unverbindliche Selbstverpflichtung der Mitglied-staaten.

36 Anders als in der OECD waren die EU-Staaten ausdrücklichbereit, zwecks Schaffung der Union einen Teil ihrer Hoheits-rechte aufzugeben, vgl. dazu auch WOLFGANG SCHÖN.

37 European Commission, Towards an Internal Market withoutTax Obstacles, 23.10.2001, COM(2001)582 final.

38 Der für die Wettbewerbspolitik zuständige Kommissar, MarioMonti (notabene der Architekt des Dreierpakets von 1997),hatte bereits im Juli 2001 eine Untersuchung gegen 15 Steu-erregimes in 12 Mitgliedstaaten wegen eines möglichen Ver-stosses gegen das EU-Wettbewerbsrecht angedroht odereingeleitet. Ein solches Verfahren kann weitreichende Folgenhaben (u.a. Rückerstattung der Vorteile durch die Begünstig-ten) und wird von den betroffenen Mitgliedstaaten sehr ernstgenommen.

Page 37: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

115Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz

(Primarolo Group) identifizierte im Jahr 2000 66 poten-ziell schädliche Steuerregimes der Mitgliedstaaten.Über diese Regimes und die noch tolerierbaren Prakti-ken wurde seither intensiv verhandelt. An der ECOFIN-Ratstagung vom 21. Januar 2003 einigten sich die EU-Staaten im Prinzip darauf, dass bis Anfang 2004 alle Re-gimes, die endgültig als schädlich eingestuft worden wa-ren, beseitigt werden müssen. Lediglich bei fünf Re-gimes wurde für Unternehmen, denen die Vorteile be-reits früher formell zugesichert worden waren, eineÜbergangsfrist bis 2010/11 vorgesehen.39

3.1.4 Beseitigung schädlicher Steuerregimesin den OECD-Staaten

Wie erwähnt, wurde der OECD-Fiskalausschuss 1998vom Rat beauftragt, bis Juni 2003 eine Liste der schädli-chen Steuerregimes in den OECD-Mitgliedstaaten zu er-stellen. Ob die Liste zustande kommt und welche Re-gimes schlussendlich als schädlich beurteilt werden, istderzeit noch offen. Dem Vernehmen nach wird aber imOECD-Forum, gestützt auf eine self review und einevom OECD-Sekretariat organisierte peer review, hartum jedes Einzelne der im Progress Report 2000 als po-tenziell schädlich eingestuften Regimes gerungen. Auchdie Schweiz verteidigt ihre Regimes dabei aktiv und be-harrt darauf, dass die OECD Application Notes für sienicht verbindlich sein können.40

4 Beurteilungskriterien für schädli-che Regimes41

Bei den Kriterien für die Schädlichkeit eines Steuerre-gimes besteht eine weitgehende Übereinstimmung zwi-

schen dem OECD-Bericht und dem von den EU-Staatenverabschiedeten Verhaltenskodex.

Ausgangspunkt für die Beurteilung ist die Frage, obbeim betreffenden Regime keine oder eine vergleichs-weise tiefe Besteuerung vorliegt (sog. gateway crite -rion).42 Weitere Faktoren sind:– Abschottung des Regimes (ring fencing), d.h. Aus-

schluss von Inländern vom betreffenden Regimeoder Verbot der Ausübung entsprechender Aktivitä-ten im Inland;43

– fehlende Transparenz hinsichtlich eines Regimesoder hinsichtlich der Anwendung der steuerlichenRegelungen;

– Fehlen eines effektiven Austausches von Informa-tionen (unwillingness or inability to exchange infor-mation).

Um überhaupt in der Lage zu sein, die OECD-Beurtei-lungskriterien im Einzelfall auf die Regimes anzuwen-den, erarbeitete das Forum sog. Application Notes. De-tailliert behandelt wurden darin folgende Bereiche:Transparenz und Informationsaustausch, ring fencing,Verrechnungspreise, Rulings, Holding- und ähnlicheRegimes, Fund Management und Schifffahrt. Die einzel-nen Bereiche wurden bezüglich der im OECD-Berichtvon 2000 festgelegten Kategorien von potenziell schäd-lichen Regimes konkretisiert, wobei auch der Bezug zuden andern OECD-Beurteilungskriterien hergestelltwurde. Nach einer Vernehmlassung bei den interessier-ten Wirtschaftskreisen44 wurden die Application Notes inForm eines konsolidierten Papiers im Herbst 2002 vomForum für die Beurteilung der Regimes grundsätzlich alsanwendbar erklärt. Dies soll in Form eines «overall as-sessment» erfolgen, wobei alle Kriterien der Applica tionNote erfüllt sein müssen, damit ein Regime nicht alsschädlich beurteilt wird.45

39 Protokoll der ECOFIN-Tagung vom 21.1.2003, Ziff. 7–11. Vor-gesehene Ausnahmeregelungen für Belgien (Co-ordinationCentres), Irland (Foreign Income), Luxemburg (1929 HoldingCompanies), die Niederlande (International Financing), Por-tugal (Madeira Free Economic Zone), wobei ein weiteres Re-gime in Prüfung war und die Frist für Madeira auf Ende 2011ausgedehnt wurde. Die Wettbewerbsbehörden haben sich imPrinzip diesem Vorgehen angeschlossen.

40 Quelle: ESTV.

41 OECD Consolidated Application Note, Guidance in Applyingthe 1998 Report to Preferential Tax Regimes, DiscussionDraft, 10.7.2002 (nachstehend OECD Application Note).

42 «No or low effective tax rate», wobei erstaunlicherweise bis-her nicht definiert worden ist, was als «low» gelten soll (diesim Gegensatz zu den Missbrauchsgesetzgebungen in zahlrei-chen Staaten, bei denen die Höhe des Mindeststeuersatzesoder der Steuerbelastung als absoluter oder relativer Wertfestgelegt ist).

43 «Ring fencing» geht somit klar über eine rechtliche Diskrimi-nierung hinaus, wobei die OECD unter dem Begriff sowohlden ausdrücklichen als auch einen faktischen Ausschlussversteht. Die OECD war seitens der internationalen Wirt-schaft immer wieder aufgefordert worden, das unklare unddamit gefährliche Kriterium des ring fencing aufzugeben;vgl. BIAC, Comments of BIAC to the OECD to OECD Consoli-dated Application Note: Guidance in Applying the 1998 Re-port to Preferential Tax Regimes, 23.9.2002, Kapitel III.

44 BIAC sowie Nicht-OECD-Staaten und internationale Organi-sationen, wobei das BIAC in seiner Stellungnahme vom23.9.2002 die OECD-Bestrebungen erneut grundsätzlich inFrage stellte und namentlich die Anwendung der Verrech-nungspreisregeln und das Konzept des ring fencing als ver-fehlt bezeichnete, vgl. BIAC Comments, FN 43.

45 OECD Application Note, Ziff. 11. Die Kriterien gelten grund-sätzlich auch für Vorzugsregimes in Nichtmitgliedstaatenund (mit Einschränkungen) für Steuerparadiese, Ziff. 13. DieApplication Note ist noch nicht formell verabschiedet; dienachstehende Beurteilung erfolgt gestützt auf den Entwurfvom 10.7.2002.

Page 38: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

116 Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz

5 Androhung von Sanktionen

In der OECD wie auch in der EU handelt es sich umSelbstverpflichtungen der Staaten. Die inhaltlich undzeitlich festgelegten Ziele sollen durch kollektivenDruck erreicht werden. Während die EU aber das griffi-ge Instrument der EU-Wettbewerbsregeln einsetzenkann und teilweise bereits eingesetzt hat, droht dieOECD den nicht kooperativen Staaten mit einem ganzenArsenal von Gegenmassnahmen im Steuerbereich, dieheute verharmlosend als «defensive measures» bezeich-net wurden.46 Der Bericht von 1998 enthielt zum einenEmpfehlungen für Massnahmen, die von den Staateneinseitig in ihrem internen Steuerrecht getroffen werdensollen, wie: Einführung von CFC-Regeln,47 Verzicht aufdie Befreiungsmethode für gewisse Einkünfte, Verschär-fung der Informationspflichten, Offenlegung der Ru-lings, strikte Anwendung der OECD-Verrechnungs-preisrichtlinien, Zugang zu Bankinformationen. Im Wei-teren wurden Massnahmen empfohlen, die in den bilate-ralen DBA umgesetzt werden sollen: Verbesserter Infor-mationsaustausch, Einschränkung der Abkommensvor-teile, Klarstellung, dass innerstaatliche Missbrauchsvor-schriften mit den DBA vereinbar sein sollen, Beschrän-kungen beim Geltungsbereich der DBA, Kündigung vonDBA mit Steuerparadiesen, verstärkte bilaterale Zusam-menarbeit bei der Anwendung der DBA und beim Steu-ereinzug. Schliesslich Empfehlungen zur Verstärkungder internationalen Zusammenarbeit, insbesondere dieSchaffung eines OECD-Forums.

Im Progress Report 2000 werden die einzelnen Mass-nahmen bezüglich unkooperativer Steuerparadiese de-tailliert aufgezählt.48 Sie reichen von der Erhebung zu-sätzlicher Quellensteuern auf Transaktionen mit unko -operativen Staaten über die Hinzurechnungsbesteuerungund Nichtgewährung der Steueranrechnung bis hin zumVerbot des Abzugs von Aufwendungen beim Schuldner.Im Progress Report 2001 ist bereits von einem «co-ordi-nated framework of defensive measures» die Rede, aberauch davon, dass jeder Staat frei sein soll, ob er dabeimitmachen will.49

Sehr bedenklich ist das Muster, das sich dabei abzeich-net, ist die OECD doch eine zwischenstaatliche Organi-

sation, in der nur die Industriestaaten vertreten sind: DieOECD beansprucht für sich das Recht, weltweit anwend-bare Standards zu erlassen. Sie setzt zur Durchsetzungihrer Vorstellungen auf kollektiven Druck und verstärktdiesen Druck, indem sie den Steuerparadiesen ganz klarmit Massnahmen droht, die für deren Volkswirtschaftenz. T. äusserst folgenschwer wären.50 Da einzelne Sank-tionen nur wirksam sind, wenn sie kollektiv angewendetwerden, regte die OECD an, solche Massnahmen zu ko-ordinieren (z.B. Kündigung von DBA mit Steuerparadie-sen), wobei dem OECD-Forum eine zentrale Rolle zu-kommen soll. Als äusserst einschneidend dürften in derPraxis ein Verbot des Steuerabzugs beim Schuldner aufZahlungen in gewisse Staaten oder die Erhebung vonQuellensteuern sein, da damit die Zahlungsflüsse inStaaten mit schädlichen Regimes sehr rasch zum Erlie-gen gebracht werden können.

6 Beurteilung der Entwicklungenaus Schweizer Sicht

Sowohl in der OECD als auch in der EU sind die Arbei-ten zur Beseitigung schädlicher Steuerregimes weit fort-geschritten (Analyse der Regimes, Festlegung der Beur-teilungskriterien, Diskussion von Gegenmassnahmen).Die EU-Staaten nehmen den Verhaltenskodex ernst, dasonst ein Wettbewerbsverfahren droht.51 In beiden Gre-mien wurde und wird intensiv um allfällige Ausnahmengefeilscht. Es muss heute davon ausgegangen werden,dass in der OECD im Frühsommer 2003 eine Liste derschädlichen Steuerregimes in den OECD-Staaten vorlie-gen wird. Ob die Liste verabschiedet werden kann, ist of-fen. Die Schweiz und jedes andere OECD-Mitglied kanndie Verabschiedung der Liste im Fiskalausschuss blo-ckieren (Vetorecht).

6.1 Beurteilung potenziell schädlicherschweizerischer Regimes

Als potenziell schädlich waren im OECD-Bericht 2000 undin den Arbeiten des Forums die folgenden schweizerischenRegimes beurteilt worden:– Holdinggesellschaften;52

46 OECD HTC Report 1998, Kapitel 3. Dieser Begriff wird damitgerechtfertigt, dass die von schädlichen Steuerpraktiken be-troffenen Staaten ihre Steuerbasis verteidigen müssen.

47 Controlled Foreign Corporations Rules, Empfehlung 1, OECDHTC Report 1998.

48 OECD Report 2000, Ziff. 35.

49 OECD Report 2001, Ziff. 47 ff.

50 OECD Report 2000, Liste der Massnahmen in Ziff. 35.

51 Dies zeigt sich etwa darin, dass die Staaten für wichtige Re-gimes bis zum Letzten um Ausnahmeregelungen (oder we-nigstens für eine Verlängerung) kämpften (z.B. belgische Ko-ordinationszentren, wobei Belgien sich noch in der ECOFIN-Sitzung vom März 2003 vehement für längere Übergangsfris-ten einsetzte).

52 Die Beurteilung der Holdingregimes war bei der Veröffentli-chung des Berichts von 2000 noch nicht abgeschlossen. Seit-her sind die schweizerischen Holdinggesellschaften aber vonverschiedenen OECD-Staaten in den Forumsdiskussionenkritisiert und als schädlich bezeichnet worden, Quelle: ESTV.

Page 39: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

117Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz

– Verwaltungsgesellschaften;53

– gewisse Dienstleistungsgesellschaften.54

Gestützt auf die OECD Application Note dürften dabeivor allem die nachstehenden Aspekte problematischsein. Bei dieser Beurteilung ist allerdings zu beachten,dass die Schweiz – als Folge ihrer Enthaltung zum ge-samten Projekt – die Application Notes nicht als Grund-lage für eine Bewertung akzeptiert. Eine Auseinander-setzung damit ist jedoch trotzdem angezeigt, weil nichtausgeschlossen werden kann, dass gewisse Staaten aus-serhalb des OECD-Rahmens entsprechende Bewertun-gen auf dieser Grundlage vornehmen und dann – unilate-ral oder koordiniert – Gegenmassnahmen ergreifen oderbereits bestehende Massnahmen verstärken.

6.1.1 Tiefe Besteuerung als Ausgangs -kriterium

Da das Kriterium der tiefen Besteuerung von der OECDnicht näher qualifiziert oder gar quantifiziert worden ist,hat das OECD-Forum bei der Anwendung dieses Kriteri-ums einen weiten Ermessensspielraum. Das Kriteriumgilt jedoch nur als «gateway criterion» für die weiterenAbklärungen. Wenn alle andern Kriterien erfüllt sind,gilt eine tiefe Besteuerung nicht als schädlich.55 Im Falleder Schweiz dürften im Jahr 2000 diejenigen Regimesals potenziell schädlich aufgelistet worden sein, bei de-nen die schweizerischen Gewinnsteuern durch eine spe-zielle Reduktion der Bemessungsgrundlage herabgesetztwerden, wobei die DBA-Amtshilfepraxis als zusätzli-ches schädliches Element beurteilt worden ist.

Nach Art. 28 Abs. 2 des Steuerharmonisierungsgesetzes(StHG) sind so genannte Holdinggesellschaften, die keine Geschäftstätigkeit in der Schweiz ausüben, untergewissen Bedingungen für ihre Erträge56 von den kanto-nalen Gewinnsteuern befreit (nicht aber von der direktenBundessteuer). Keine besonderen Regeln gelten für dieVerrechnungssteuer, weshalb die Steuer von 35% auf al-len Ausschüttungen geschuldet ist. Bei Verwaltungsge-sellschaften (Art. 28 Abs. 3 StHG), die in der Schweiz

keine Geschäftstätigkeit haben dürfen, werden die Erträ-ge aus dem Ausland im Kanton nur nach Massgabe derBedeutung der Verwaltungstätigkeit in der Schweiz be-steuert. Bei Gesellschaften mit überwiegend auslandsbe-zogener Geschäftstätigkeit (Art. 28 Abs. 4 StHG, sog.gemischte Gesellschaften) werden die daraus resultie-renden Erträge ebenfalls nur nach Massgabe der Bedeu-tung der dar auf bezogenen Tätigkeit in der Schweiz be-steuert. Die von der OECD aufgelisteten Konzern dienst -leistungs gesellschaften werden in der Regel normal be-steuert oder gelten als Verwaltungsgesellschaften. So-fern die Bemessungsgrundlage (z.B. der Gewinnauf-schlag, cost-plus) jedoch tief angesetzt wird, kann einetiefe Steuerbelastung resultieren.

6.1.2 Fehlen eines effektiven Informations-austausches

Dieses Kriterium ist nach der OECD Application Noteein «key factor»,57 und in der Tat spielt der Informations-austausch bei den Bestrebungen der OECD zur Ein-schränkung des schädlichen Steuerwettbewerbs eineSchlüsselrolle. Von den Steuerparadiesen werden – nachder von den USA erzwungenen Einschränkung der mass-geblichen Kriterien – ein weitreichender Informations-austausch sowie die Schaffung von Transparenz ver-langt.58 Bezüglich der Regimes in OECD-Staaten liegtder Akzent auf der Sicherstellung eines tatsächlichen In-formationsaustausches auf Anfrage (effective exchangeof information), da die zwischen den OECD-Staaten ab-geschlossenen DBA in aller Regel bereits eine Informa-tionsklausel im Sinne von Art. 26 des OECD-Musterab-kommens enthalten (Austausch von Informationen zurAnwendung des DBA und des Steuerrechts des ersu-chenden Staates).59

Die schweizerische Amtshilfe unter den DBA geht be-kanntlich nicht so weit. Die Schweiz gewährt zwarAmtshilfe zur Anwendung des DBA (z.B. Reduktion derQuellensteuern, Bestimmung der Ansässigkeit, Vorlie-gen einer Betriebstätte etc.),60 sie ist aber nicht bereit, In-formationen zur Anwendung des internen Steuerrechts

53 Unter der Kategorie «Financing and Leasing», OECD Pro-gress Report 2000, Kapitel III A.

54 Unter der Kategorie «Headquarters regimes», OECD Pro-gress Report 2000, Kapitel III A.

55 Z. B. Irland, das für Unternehmensgewinne einen Steuersatzvon 12,5 % anwendet.

56 Erträge aus schweizerischem Grundeigentum sind dagegenzum ordentlichen Tarif steuerbar (Art. 28 Abs. 2 StHG). Fernerwird eine kantonale Kapitalsteuer erhoben.

57 OECD Application Note, Ziff. 2.

58 Vgl. Abschn. 3.1. Aus Sicht der USA ist dies folgerichtig: Dasie für sich das Recht beanspruchen, ihre Staatsangehörigenweltweit zu besteuern, müssen sie jedoch in Erfahrung brin-gen, ob in einem bestimmten Staat steuerpflichtige Einkünf-te generiert werden.

59 Das gleiche Problem stellt sich in der EU, da die EU-Staatenbereits nach den OECD-Amtshilferichtlinien zu einem weitge-henden Austausch von Informationen (für direkte und indi-rekte Steuern) Hand bieten müssen.

60 Im DBA mit den USA sowie nach der neuen DBA-Amtshilfe-politik werden auch Auskünfte in Fällen von Steuerbetrug(und dgl.) ausgetauscht, d.h. für Tatbestände, für die bis an-hin grundsätzlich Rechtshilfe gewährt worden ist.

Page 40: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

118 Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz

des ersuchenden Staates auszutauschen. Damit unter-scheidet sich die schweizerische Praxis von derjenigender andern OECD-Staaten und der Regelung in Art. 26des OECD-Musterabkommens.61 Seitens der OECDdürfte die schweizerische Amtshilfepraxis als Fehlen ei-nes effektiven Informationsaustausches qualifiziert wer-den. Unklar war gemäss der Draft Application Note, obeine noch weiter gehende Amtshilfe verlangt werdendürfe, wie sie im neuen OECD-Amtshilfeabkommen2002 vorgesehen ist (als Standard für Steuerparadiese).62

Bevor dieser Schritt gemacht wird, muss u. E. dasOECD-Musterabkommen für DBA entsprechend ange-passt und gutgeheissen werden. Zudem dürfte die Frageder Bankauskünfte durch die Ausnahmeregelungen derEU bei der Zinsbesteuerung vorläufig an Brisanz verlo-ren haben.63

6.1.3 Abschottung eines Regimes (sog. RingFencing)

Das Kriterium des «ring fencing» eines Steuerregimesist ebenso unscharf wie gefährlich, geht es doch nach derApplication Note klar über eine rechtliche Diskriminie-rung hinaus (z.B. Inländer/Ausländer) und umfasst so-wohl eine faktische als auch eine ausdrückliche Ab-schottung des Regimes vom Inlandmarkt oder den Aus-schluss inländischer Steuerpflichtiger von gewissen Re-gimes.64 Die konzeptionellen Schwächen dieses Ansat-zes können durch die erläuternden Beispiele nicht über-deckt werden.65 Diese helfen aber wenigstens zu verste-hen, was tatsächlich gemeint ist. Eine Vorzugsbehand-lung für gewisse Geschäftstätigkeiten gilt nicht als ringfencing. Wenn aber für die gleiche Tätigkeit im Inlandund im Ausland unterschiedliche Besteuerungsregelngelten, die nicht Bestandteil der allgemeinen Regeln desbetreffenden Staates zur Beseitigung der Doppelbe-steuerung sind, und wenn inländische Tätigkeiten oderInländer dadurch benachteiligt werden, so liegt nachdem OECD-Konzept ein schädliches ring fencing vor.66

Näher anzusehen sind diesbezüglich die schweizeri-schen Regimes für gemischte Gesellschaften (Art. 28Abs. 4 StHG). Gemäss der in der Unternehmenssteuerre-form 1997 eingefügten Bestimmung von Art. 28 Abs. 4 inVerbindung mit Art. 72a StHG (Anpassung der kantona-

len Gesetzgebung) dürften inzwischen alle Kantone aufeine (früher mögliche) Diskriminierung gestützt auf dieBeherrschung (Sonderstatus nur für ausländisch be-herrschte Gesellschaften) verzichtet haben. Auchschweizerisch beherrschte Gesellschaften können dahereinen Steuerstatus im Sinne von Art. 28 Abs. 4 StHG be-anspruchen. Die betreffenden Gesellschaften dürfen aufdem Inlandmarkt eine untergeordnete Geschäftstätigkeitausüben; somit kann auch diesbezüglich nicht von einemring fencing gesprochen werden.67 Das Regime für ge-mischte Gesellschaften zielt auf eine Steuerbemessungnach Massgabe der Tätigkeit im Inland ab, wobei dasZiel in der Beseitigung der internationalen Doppelbe-steuerung liegt. Die Befreiung der im Ausland erwirt-schafteten Erträge ist zudem Teil der schweizerischenSteuerpraxis (Verzicht auf Besteuerung, etwa beim Vor-liegen einer Betriebstätte).68 Die Frage, ob die angenom-mene Bemessungsgrundlage im Sinne der OECD-Ver-rechnungspreisrichtlinien angemessen sei, ist ferner kei-ne Frage des ring fencing, sondern der Bewertung derFunktionen und Risiken, d.h. ein Problem, das in derApplication Note unter dem Titel «Transfer Pricing» be-handelt wird.

6.1.4 Anwendung der OECD-Verrechnungs-preisrichtlinien

Die 1995 verabschiedeten OECD-Verrechnungspreis-richtlinien69 sind der unbestrittene Massstab für diePreisgestaltung zwischen verbundenen Unternehmen.Sie sind letztlich massgebend für die Beurteilung derFrage, ob der von einem Staat beanspruchte steuerbareGewinn ihm nach den im DBA vereinbarten Regeln auchtatsächlich zusteht.70 Die OECD geht in den Bestrebun-gen zur Eindämmung des Steuerwettbewerbs aber nichtnur davon aus, dass keine Gewinnverlagerungen auf-grund von verfälschten Verrechnungspreisen erfolgendürfen. Sie möchte vielmehr die steuerlich motivierteVerlagerung von Geschäftsaktivitäten einschränken,was etwas ganz anderes ist. Sie bezeichnet deshalb eineSituation, in der ein Staat auf das ihm eigentlich zuste-hende Steuersubstrat verzichtet, als schädlich, und be-müht zur Beurteilung der Frage, ob der Empfängerstaatsein Steuersubstrat auch voll ausgeschöpft habe, die Kri-

61 Vorbehalt der Schweiz zu Art. 26 OECD-MA.

62 Vgl. FN 33.

63 ECOFIN-Beschluss vom 21.1.2003, vgl. Abschn. 6.3.

64 OECD Application Note, Ziff. 67.

65 OECD Application Note, Ziff. 75 und 83.

66 OECD Application Note, Ziff. 85. Die OECD dürfte ferner da-von ausgehen, dass Regimes, bei denen des Steuersubstrat

der andern Staaten nicht geschmälert wird, nicht als schäd-lich gelten.

67 OECD Application Note, Ziff. 78.

68 OECD Application Note, Ziff. 73.

69 OECD Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterpri-ses and Tax Authorities, Paris, 1996.

70 OECD Arm’s-length-Grundsatz, gemäss Art. 9 OECD-Muster-abkommen.

IFF Forum für Steuerrecht 2003

Page 41: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

119Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz

terien der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien. Seitensder internationalen Wirtschaft ist diese Betrachtungs-weise auf grosse Kritik gestossen.71

Nimmt man – im Sinne des (verfehlten) OECD-Ansatzes– für die Beurteilung des steuerbaren Gewinns die Ver-rechnungspreisrichtlinien zum Massstab, so zeigt sichsofort, dass immer dann, wenn ein Staat nicht den ge-samten Gewinn in die Bemessungsgrundlage einbeziehtoder bei einer Cost-plus-Besteuerung die Kosten nurteilweise erfasst bzw. den Gewinnaufschlag zu tief an-setzt, aus OECD-Optik von einer schädlichen Praxis ge-sprochen werden kann.72 Die OECD geht gemäss derApplication Note aber noch weiter und erachtet auchstandardisierte Kostenaufschläge, bei denen nicht aufdie Funktionen und Risiken im Einzelfall abgestelltwird, als schädlich.73 Derartige Regeln sind in derSchweiz (wie in andern Ländern) nicht in den Steuerge-setzen festgeschrieben, sondern in den Anwendungsbe-stimmungen, oder sie werden im Einzelfall festgelegt.Kritisiert werden könnten diesbezüglich etwa die Be-stimmungen des Kreisschreibens Nr. 9 vom 19.Dezem-ber 2001 über die sog. Fifty-Fifty-Praxis.74

6.1.5 Transparenzerfordernis75

Die Schaffung von Transparenz dürfte vor allem für dieSteuerparadiese ein Problem sein. Die OECD verlangt inder Application Note einerseits Transparenz hinsichtlichder anwendbaren gesetzlichen Regelungen sowie die Of-fenlegung der im Einzelfall gewährten Vorabbescheide(Rulings). Anderseits verlangt die OECD auch, dass dieStaaten über zuverlässige Informationen verfügen bzw.in der Lage sein müssen, solche auszutauschen. Verlangtwird Transparenz hinsichtlich der rechtlichen Eigentü-mer von Gesellschaften und andern juristischen Perso-nen (Trusts, Stiftungen), wobei aber ausdrücklich aner-kannt wird, dass dies im Falle von börsenkotierten Ge-sellschaften und Anlagefonds nicht immer möglich sei.76

Ferner müssen ordentliche Geschäftsbücher geführtwerden.

Hinsichtlich der schweizerischen Gesetzgebung undPraxis dürfte sich die Frage der Transparenz kaum stel-len, da die entsprechenden Regelungen allgemein zu-gänglich sind. Angesichts der Unterschiede bei den kan-tonalen Regelungen ist es jedoch nicht immer ganz ein-

fach, einen vollständigen Überblick zu erhalten. Die Si-tuation betreffend der Rulings ist weniger klar. Zum ei-nen gibt es gute Gründe, die im Einzelfall vereinbartenLösungen nicht offenzulegen (Steuergeheimnis). Im Un-terschied zu andern Staaten verfolgt die Schweiz diesbe-züglich eine eher zurückhaltende Praxis. Die wichtigensteuerrechtlichen Entscheide (Rekurskommissionen,Bundesgericht) werden aber regelmässig publiziert, wo-bei auch umstrittene Praktiken offengelegt werden. Aufder andern Seite führt die Tatsache, dass die Veranlagungder direkten Bundessteuer ebenfalls durch die kantona-len Behörden geschieht, zu einer gewissen Kontrolle derkantonalen Veranlagungspraxis durch die für die direkteBundessteuer zuständigen Steuerinspektoren. Anders als(bis vor kurzem) etwa die Niederlande, hat die Schweizinternational zudem nicht den Ruf, dass den Unterneh-men in «geheimen» Rulings massgeschneiderte Lösun-gen gewährt werden, die von den gesetzlichen Regelnabweichen.

6.2 Gefährdete schweizerische Regimes

Grundsätzlich könnten alle von der OECD als potenziellschädlich bezeichneten schweizerischen Regimes we-gen der (behaupteten) relativ tiefen Besteuerung unddem fehlenden Austausch von Informationen als schäd-lich aufgelistet werden. Kritisch dürften aber insbeson-dere Regimes und Praktiken sein, bei denen zusätzlichnoch andere schädliche Aspekte nachgewiesen werdenkönnen, wie etwa Herabsetzung der Steuerbemessungs-grundlage aufgrund standardisierter Annahmen, oderwenn gewisse Einkünfte im Kanton nicht zur Besteue-rung gelangen. Auch dabei ist jedoch zu prüfen, unterwelchen der in der OECD Application Note aufgeführtenKriterien solche Praktiken als schädlich bezeichnet wer-den können und ob die Argumentation der OECD auchtatsächlich schlüssig ist.

Nicht schädlich ist bei den Holding- und Verwaltungsge-sellschaften der Beteiligungsabzug für Dividenden undBeteiligungsgewinne. Auch der Abzug von Beteili-gungsverlusten ist – entgegen ersten Befürchtungen –nicht schädlich, sofern eine Pflicht zur Wiederaufwer-tung besteht. Das Konzept des ring fencing kann nachunserer Beurteilung ebenfalls kaum herangezogen wer-den, handelt es sich dabei doch um in der Schweiz ge-bräuchliche Methoden zur Vermeidung der internationa-

71 BIAC Statement, Kapitel IV und V, vgl. FN 43.

72 OECD Application Note, Ziff. 90 und 102.

73 OECD Application Note, Ziff. 147–151.

74 Nach diesem KS können Handelsgesellschaften, die ihre Tä-tigkeit ausserhalb der Schweiz und im überwiegenden Inte-resse von ausländischen Personen ausüben und die in der

Schweiz keine Infrastruktur unterhalten, im Sinne einer ad-ministrativen Vereinfachung jährlich 50 % ihres Bruttoge-winns als Kommission an Nahestehende oder Dritte weiter-leiten, ohne dass sie die geschäftsmässige Begründetheitnachweisen müssen.

75 OECD Application Notes, Ziff. 18–35.

76 OECD Application Notes, Ziff. 28.

Page 42: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

120 Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz

len Doppelbesteuerung (Betriebstättenabzug). Aus Sichtder andern Staaten könnte jedoch die für Holding- undVerwaltungsgesellschaften vorgesehene Befreiung fürNicht-Beteiligungserträge aus dem Ausland als nichtvereinbar mit den Verrechnungspreis-Anforderungender Application Note beurteilt werden, soweit es sich ef-fektiv um Zahlungen von verbundenen Unternehmenhandelt. Die OECD stellt sich wie erwähnt auf denStandpunkt, dass Verrechnungspreismethoden, die dazuführen, dass die steuerbaren Gewinne zu hoch oder zutief ausfallen, als schädlich anzusehen sind.77 Der ersteFall, bei dem Gewinne in ein steuergünstiges Spezialre-gime verschoben werden, ist jedoch typischerweise einProblem des Landes, das die entsprechenden Zahlungenzulässt. Das Fehlen eines effektiven Informationsaustau-sches ist ein Mangel, der beanstandet werden könnte.78

Ein steuergünstiges Regime ist jedoch in der Regel sogestaltet, dass der steuerbare Gewinn möglichst tief aus-fällt, indem nicht alle Erträge in die Bemessungsgrund-lage einbezogen oder diese künstlich tief gehalten wer-den. Der Empfängerstaat verzichtet dabei auf einen Teilder ihm zustehenden Erträge. Sofern die Vergütung tat-sächlich at arm’s length ist, aber im Empfängerstaat einetiefere Besteuerung der Erträge erfolgt, geht es nichtmehr um ein Verrechnungspreisproblem, und die Be-steuerungsweise darf von der OECD auch nicht unterdieses Kriterium subsumiert werden.

Bevor die OECD-Staaten gewisse schweizerische Steu-erregimes definitiv als schädlich auflisten, müssen sie u. E. nachweisen, dass die in der OECD Application Note aufgestellten Bedingungen nicht erfüllt sind. DieSchweiz hat aus diesem Grunde ein Interesse daran, sichaktiv in den derzeit im OECD-Forum laufenden Prozesszur Beurteilung der schädlichen Regimes einzuschalten.

6.3 Anwendung von Gegenmassnahmenseitens der OECD

Die Frage allfälliger Gegenmassnahmen muss ebenfallsdifferenziert beurteilt werden. Bezüglich der Offenle-gung von Bankinformationen ist im OECD HTC Report2001 festgehalten worden, dass von den Steuerparadie-sen nicht mehr verlangt werden darf als von den OECD-Staaten, die die OECD-Bestrebungen mittragen. Bei derEU-Zinsbesteuerung dürfte aus heutiger Sicht in der EUvorgesehen werden,79 dass die drei EU-Länder Belgien,

Österreich und Luxemburg sowie die Schweiz und ande-re Drittstaaten auf absehbare Zeit nicht zum automati-schen Informationsaustausch über Zinszahlungen an inder EU ansässige natürliche Personen übergehen müs-sen. Soweit das Bankgeheimnis in diesen Staaten gesetz-lich geschützt ist, müssen bei Steuerhinterziehung auchunter den anwendbaren DBA-Regeln (bzw. der EU-Richtlinie) keine Bankauskünfte übermittelt werden.Die Steuerparadiese dürfen sich deshalb auf diese Aus-nahme berufen und können seitens der OECD ab 2006schwerlich mit Gegenmassnahmen zur Erfüllung der sei-nerzeit abgegebenen Zugeständnisse gezwungen wer-den.80

Hinsichtlich der Sanktionen gegen OECD-Staaten mitals schädlich beurteilten Steuerregimes müssen eben-falls die Entwicklungen in der EU mitberücksichtigtwerden. Nachdem in der EU für einzelne Regimes rechtlange bemessene Übergangsregelungen vereinbart wor-den sind, kann es sich die OECD kaum erlauben, für diegleichen81 und ähnliche Regimes in andern OECD-Staa-ten die Anwendung der vorgesehenen Gegenmassnah-men zu empfehlen. Allerdings ist genau zu prüfen, wiedie in der EU gewährten Übergangsregelungen schluss-endlich ausgestaltet sind. Die schädlichen Regimes müs-sen im Prinzip ab 2004 aufgegeben werden. Einzelne Re-gimes können jedoch für Steuerpflichtige, denen dieVorteile vor 2003 zugestanden worden sind, bis Ende2010/11 weitergeführt werden.82 Es ist zu erwarten, dasssich die OECD dieser restriktiven Auslegung anschlies-sen wird, womit Staaten, die nicht bereit sind, ihreschädlichen Regimes als solche zu beseitigen, weiterhinGegenmassnahmen angedroht werden können.

Für die Schweiz ist damit die Gefahr, dass in der OECDdie Idee der koordinierten Gegenmassnahmen weiterhinaktiv propagiert wird, keineswegs gebannt. Die schwei-zerischen Regimes sind wegen der DBA-Amtshilfepra-xis zudem viel exponierter als diejenigen der anderenOECD-Staaten. Selbst wenn die Liste der schädlichenOECD-Regimes aus den erwähnten Gründen nicht for-mell verabschiedet werden kann, könnten einzelneOECD-Staaten von sich aus Massnahmen gegen entspre-chende schweizerische Regimes ergreifen.83 Es bliebeder Schweiz dann nichts anderes übrig, als wie bisher imWege von bilateralen Verhandlungen eine Streichungvon der jeweiligen nationalen Liste zu erwirken oder da-

77 OECD Application Note, Ziff. 90

78 OECD Application Note, Ziff. 93. Der betreffende Staat hat esaber in der Regel in der Hand, eine entsprechende Gewinn-aufrechnung vorzunehmen, gegen die sich der Steuerpflich-tige durch Vorlage von Zahlen und Fakten wehren kann.

79 ECOFIN-Beschluss vom 21.1.2003.

80 Vgl. Abschn. 3.1.1.

81 Vgl. FN 39. Zumal die Schädlichkeit in der EU und der OECDaufgrund gleicher oder ähnlicher Kriterien beurteilt wird.

82 ECOFIN-Beschluss vom 21.1.2003 und Auslegung von seithe-rigen Verlautbarungen der Kommission.

83 Italien hat mit den auf Anfang 2002 verschärften CFC- undMissbrauchsregeln bereits früher diesen Weg beschritten.

Page 43: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

121Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz

rauf hinzuwirken, dass die Kriterien nicht allzu breit an-gewendet werden.84 Die Gefahr eines schleichenden Ver-lustes von Standortvorteilen durch einzelstaatlicheMassnahmen bleibt deshalb eine ernstzunehmende Be-drohung.

7 Schlussbemerkungen

Obwohl die Schweiz die OECD-Bestrebungen gegenschädlichen Steuerwettbewerb nicht mitträgt (Stimm-enthaltung der Schweiz bei der Verabschiedung derOECD HTC Reports, Beobachterstatus im OECD-Fo-rum), ist sie von den genannten Bestrebungen direkt be-troffen. Sie tut deshalb gut daran, sich weiterhin aktiv inden OECD-Prozess einzuschalten und ihre Regimes undPraktiken zu verteidigen.

Die bisherigen Entwicklungen in der OECD (Steuerpa-radiese, OECD-Staaten) und in der EU (in einem ganzandern rechtlichen Umfeld) haben gezeigt, dass diemeisten Staaten ihre Standortvorteile nicht ohne Notaufgeben. Sie haben diese volkswirtschaftlich bedeutsa-men Vorteile zum Teil während Jahrzehnten aufgebaut.Die Anpassungen an aufgezwungene neue Standards(OECD oder EU) geschieht selektiv, wobei die betroffe-nen Staaten nur das aufgeben, was unbedingt notwendigist, und dies so spät als möglich (s. z.B. die EU-Über-gangsfristen). Der Prozess des gegenseitigen Aushan-delns der noch zulässigen Massnahmen läuft in der EUseit 1998. In der OECD ist er im Hinblick auf die Listeder schädlichen Regimes derzeit im Gange.

Die Schweiz hat die laufenden OECD-Entwicklungenbisher sehr aufmerksam verfolgt und wo nötig eine ge-wisse Bereitschaft zu Konzessionen bekundet (z.B. beider Verabschiedung des OECD-Bankgeheimnisberichts2000). Sie hat dabei aber darauf geachtet, dass wichtigeStandortvorteile erhalten geblieben sind. Angesichts derbisherigen Unsicherheiten hinsichtlich des Erfolgs derOECD-Bestrebungen hat unser Land in der OECD keinevorschnellen Zugeständnisse gemacht. Die gleiche Stra-tegie verfolgte es in der Frage der Zinsbesteuerung mitder EU (konsequentes Festhalten an der doppelten Straf-barkeit bei der Amtshilfe, Verknüpfung der schweizeri-schen Zahlstellensteuer mit den EU-Mutter-Tochter-Richtlinien) sowie in den bisherigen DBA-Verhandlun-

gen mit den OECD-Staaten (erweiterte Amtshilfe beiSteuerbetrug gegen Nullsätze bei konzerninternen Divi-denden, Zinsen und Lizenzvergütungen). Im Falle derUSA konnte das vor kurzem gestellte US-Begehren umGewährung einer umfassenden Amtshilfe vorläufig zu-rückgewiesen werden85.

Angesichts der grossen volkswirtschaftlichen Bedeu-tung der international tätigen Unternehmen in derSchweiz sowie der Wichtigkeit der steuerlichen Stand-ortfaktoren für die Ansiedlung und den Verbleib von in-ternational tätigen Zwischengesellschaften muss dieSchweiz weiterhin alles daran setzen, um aus der für sieschwierigen Situation das Beste zu machen. Dabei hatsich der Weg bilateraler Verhandlungen bisher als erfolg-reiche Strategie erwiesen. Nachdem sich aufgrund derjüngsten Entwicklungen in der EU und in der OECD inetwa abzeichnet, in welche Richtung die internationalenBestrebungen gehen werden und was künftig im Bereichder Steuerordnungen von den Staaten verlangt werdenkann, gilt es, die neu entstandene Situation sorgfältig zubeurteilen, bisherige Praktiken im Sinne einer Interes-senabwägung zu überdenken und sodann eine Gesamt-strategie zur Erhaltung und Verbesserung der internatio-nalen Attraktivität des Steuerstandortes Schweiz zu ent-wickeln.86

Literatur und Materialien

BIAC, A Business View on Tax Competition, June 1999– Input to Application Notes on Holding Companies

in the Context of «Harmful» Tax Competition,1.12.2000

BIAC, Comments on the OECD Draft Application Noteson Transfer Pricing and Rulings, 11.1.2002

– Views on the OECD Project on Harmful Tax Practi-ces: The 2001 Progress Report and Related Issues,Discussion Paper, 29.1.2002

– Comments of BIAC to the OECD to OECD Conso-lidated Application Note: Guidance in Applying the1998 Report to Preferential Tax Regimes,23.9.2002

BOLKESTEIN FRITS, Taxation and Competition: TheRealization of the Internal Market, European Taxa-tion, September 2000, S. 401 ff.

84 Die Liste entsprechender schweizerischer Bemühungen istlang. Zwar konnten in einzelnen Fällen Verbesserungen er-wirkt werden, doch teilen nicht alle Staaten die Haltung derSchweiz, dass innerstaatliche Missbrauchsregeln mit denDBA vereinbar sein müssen; vgl. OECD Report 1998, Empfeh-lung Nr. 10 und Ziff. 121–125.

85 Verständigungsvereinbarung Schweiz–USA vom 23.1.2003.

86 Eine solche Gesamtstrategie muss die Analyse der steuerli-chen und nichtsteuerlichen (z.B. Standortförderung) Rah-menbedingungen umfassen. Dabei sollten alle Steuern (di-rekte Steuern, Verrechnungssteuer, Mehrwertsteuer, Trans-aktionssteuern) auf mögliche Standortverbesserungen über-prüft werden.

Page 44: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

122 Peter Baumgartner, Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz

ECOFIN, Beschluss vom 1.12.1997 (98/C 2/01)– Code of Conduct Group, 26.–27.11.2000– Outcome of Proceedings, 21 January 2003

(5566/03)

EUROPEAN COMMISSION, Towards Tax Co-ordination inthe European Union, 1.10.1997, COM(97)495 final

– Towards an Internal Market without Tax Obstacles,23.10.2001, COM(2001)582 final

HORNER FRANCES M., The OECD, Tax Competition, andthe Future of Tax Reform, November 1999

LODIN SVEN-OLAF, What Ought to be Taxed and WhatCan be Taxed: A New International Dilemma, IBFDBulletin, May 2000, S. 210 ff.

LÜTHI DANIEL, Schädlicher Steuerwettbewerb, Interna-tionale Bestrebungen zur Bekämpfung schädlicherSteuerpraktiken, ST 1999, S. 841 ff.

OSTERWEIL ERIC, OECD Report on Harmful Tax Com-petition and European Union Code of ConductCompared, European Taxation, June 1999, S. 199

OWENS JEFFREY, Curbing Harmful Tax Competition –Recommendations by the Committee of Fiscal Af-fairs, Intertax 26 (1998), S. 230 ff.

– Taxation in a Global Environment, OECD Obser-ver, 1.3.2002

OECD, Transfer Pricing Guidelines for MultinationalEnterprises and Tax Authorities, Loose Leaf Ver -sion, 1995

– Harmful Tax Competition, An Emerging Global Is-sue, 1998

– Towards Global Tax Co-operation, Progress inIdentifying and Eliminating Harmful Tax Practices,2000

– FISCAL AFFAIRS COMMITTEE, Improving Access toBank Information for Tax Purposes, April 2001

– The OECD’s Project on Harmful Tax Practices: The2001 Progress Report, 14.11.2001

– Model Agreement on Exchange of Information onTax Matters, 18.4.2002

– Draft Consolidated Application Note, Guidance inApplying the 1998 Report to Preferential Tax Re-gimes, Discussion Draft, 10.7.2002

– Model Tax Convention on Income and on Capital,Condensed Version, January 2003

SCHÖN WOLFGANG, Steuerwettbewerb in Europa, ASA71 (2002/03), S. 337 ff.

SCOTT CORDIA, Low Tax Jurisdictions Press OECD toAnswer Questions on Fairness, Tax Notes Interna-tional, 14.5.2001, S. 2411 ff.

SPENCER DAVID, Tax Havens and Harmful Tax Practices– OECD Update, Journal of International Taxation,April 2002, S. 8 ff.

– OECD Project on Tax Havens and Harmful TaxPractices, Journal of International Taxation, July2002, S. 14 ff.

– OECD Proposals: A Status Report, Journal of Inter-national Taxation, April 2002, S. 32 ff.

– OECD Model Agreement is a Major Advance in Ex-change of information, Journal of International Ta-xation, October 2002, S. 34 ff.

US TREASURY NEWS, Statement of Paul H. O’Neill be -fore the Senate Committee on Governmental Af-fairs, Permanent Subcommittee on Investigations,OECD Harmful Tax Practices Initiative, Press re-lease, 18.7.2001

Page 45: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

123

Répartitions intercantonales en cas de modi -fication de l’assujettissement en cours de période fiscale: survol critique de la Circulaire n° 17Quelques questions choisies parmi les recommandations émises par la Conférence suisse des impôtsconcernant les personnes morales

Daniel de Vries Reilingh, avocat, LL.M. (Lancaster/GB)*

Sommaire

1 Le contexte

2 La répartition du bénéfice en cas de transfert de siège (ou de l’administration effective) en cours depériode fiscale

2.1 Le droit fiscal intercantonal avant le 1er janvier 2001

2.2 La situation depuis le 1er janvier 2001

2.2.1 La répartition des éléments extraordinaires – l’attribu-tion prioritaire recommandée par la CSI

2.2.2 La répartition des éléments ordinaires, effectuée prorata temporis

2.2.3 Modification importante de l’activité de l’entreprise ettransfert de siège

3 La répartition du bénéfice en cas d’ouverture ou de fermeture d’un établissement stable en cours depériode fiscale

3.1 Ouverture suivie de la fermeture au cours de la même période fiscale d’un établissement stable

3.2 Ouverture d’un établissement stable

3.3 Fermeture d’un établissement stable

3.3.1 Introduction3.3.2 Les méthodes de répartition

4 La répartition du capital

4.1 Transfert de siège

4.2 Modification du rattachement économique dans unautre canton que celui du siège en cours de périodefiscale: la correction au profit ou à la charge du siège

4.3 Comment déterminer la part au capital de l’établisse-ment stable fermé en cours de période fiscale?

4.4 Achat ou vente d’un immeuble de placement encours de période fiscale

5 Conclusion

Bibliographie

Circulaires, ordonnances et messages

1 Le contexte

Entrée en vigueur avec effet rétroactif au 1er janvier2001, la loi fédérale du 15 décembre 2000 sur la coordi-nation et la simplification des procédures de taxation desimpôts directs dans les rapports intercantonaux (ci-après: loi de coordination) a considérablement modifiéla fiscalité intercantonale1, tout particulièrement la ma-nière de répartir le bénéfice et le capital, respectivementle revenu et la fortune, entre les cantons. En effet, lesnouvelles dispositions, abolissant une jurisprudence par-fois centenaire, abandonnent le principe de la fragmenta-tion de la période fiscale en cas de modification des forsd’imposition en cours de période fiscale au profit de ce-lui de l’unité de cette période. L’application de ce dernierprincipe doit permettre le dépôt d’une seule déclarationdans les cantons concernés et éviter les difficultés de lataxation – pour l’autorité comme pour le contribuable –liées à la fragmentation de la période fiscale. En mêmetemps, la compétence de taxer l’impôt fédéral direct etl’impôt cantonal et communal pour la même période fis-cale échoit ainsi à la même autorité. Par ailleurs, les ob -stacles fiscaux à la mobilité des personnes sont ainsi êtrelevés2.

La Conférence suisse des impôts (ci-après: CSI ou laConférence) a édité des circulaires, publiées au 2ème se-mestre 2001, présentant sa vision des répartitions inter-

1 JEAN-BLAISE PASCHOUD (Evolution ou révolution du droit fiscalintercantonal? La loi sur la coordination et la simplification desprocédures de taxation des impôts directs dans les rapports in-tercantonaux) constate d’abord, dans sa partie introductive,que la loi de coordination a pour base non seulement l’art. 129Cst. relatif à l’harmonisation fiscale, mais aussi l’art. 127 al. 3Cst. interdisant la double imposition intercantonale. Il soutientqu’«en soi, cette intervention du législateur fédéral dans les re-lations intercantonales constitue déjà une petite révolution»(p. 837). Il estime cependant ensuite, dans sa conclusion, quela démarche suivie par les cantons et le législateur était «plusévolutive que révolutionnaire» (p. 853).

2 Ces principes, soit l’unité de la période fiscale, la coordina-tion des règles d’attribution de compétence, le dépôt d’uneseule déclaration par le contribuable assujetti à l’impôt dansplusieurs cantons et la levée des obstacles fiscaux à la mobi-lité intercantonale, sont brièvement résumés dans le Messa-ge du Conseil fédéral du 24 mai 2000 concernant la coordina-tion et la simplification des procédures de taxation des im-pôts directs dans les rapports intercantonaux (ci-après: Mes-sage), FF 2000 IV 3587 et ss., p. 3591 à 3592.* Expert fiscal diplômé, Lausanne

Page 46: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

124 Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire no17

cantonales telles qu’elles devraient être effectuées enapplication des nouvelles dispositions. La loi de coordi-nation ne fixe en effet que les grands principes. Le lé-gislateur a volontairement omis d’arrêter une réglemen-tation détaillée, y compris même les règles de base pourles répartitions intercantonales en application des nou-veaux principes. Il s’est contenté de renvoyer à la juris-prudence du Tribunal fédéral relative à l’interdiction dela double imposition intercantonale en déclarant que lesrègles établies par notre Haute Cour étaient «appli-cables par analogie» (cf. art. 22 al. 3 et 68 al. 2, 3ème

phrase LHID).

S’agissant des personnes morales, la Conférence a pu-blié en particulier la Circulaire n° 17 qui aborde di-verses questions relatives aux répartitions intercanto-nales, notamment les effets du transfert de siège (ou del’administration effective) et d’une modification d’unrattachement économique en cours de période fiscale.

L’objectif du présent article est de passer en revue cetteCirculaire en approfondissant quelques questions choi-sies des nouvelles répartitions intercantonales propo-sées pour les personnes morales. Nous traiterons en par-ticulier des règles de répartition du bénéfice en cas detransfert de siège et en cas d’ouverture ou de fermetured’un établissement stable en cours de période fiscale.Nous examinerons également les règles de répartitiondu capital. Notre démarche consistera à présenter lesrègles de répartition proposées par la CSI et d’examinersi elles sont conformes à la jurisprudence du Tribunalfédéral relative à l’interdiction de la double impositionintercantonale. Sur certains points, nous proposeronsaussi des répartitions qui correspondent à notre sensmieux à la jurisprudence précitée.

2 La répartition du bénéfice en cas de transfert de siège (ou del’administration effective) encours de période fiscale

2.1 Le droit fiscal intercantonal avant le 1er janvier 2001

Avant l’entrée en vigueur de la loi de coordination, l’en-treprise devait établir un bilan intermédiaire au momentdu transfert de siège (ou de l’administration effective)d’un canton vers un autre, de manière à permettre auxcantons de départ et d’arrivée de la taxer sur la base desseuls éléments acquis avant, respectivement après le dé-placement du siège. Le canton de départ était en droitd’imposer notamment les réserves latentes existantesavant le transfert3. Le canton d’arrivée ne pouvait pasbaser sa taxation sur les éléments acquis avant l’arrivée,mais n’était – par contre – pas non plus obligé de com-penser les éléments réalisés sur son territoire avec lespertes éventuelles provenant du canton de départ4,5.

2.2 La situation depuis le 1er janvier 2001

Sous la nouvelle loi de coordination, le transfert du siège (ou de l’administration effective) n’a plus pour ef-fet de fragmenter la période fiscale et n’entraîne dèslors plus l’obligation pour la société d’effectuer uneclôture intermédiaire au moment du transfert. En vertudu principe de l’unité de la période fiscale, la personnemorale est assujettie à l’impôt dans les cantons concer-nés pour la période fiscale entière (art. 22 al. 1 LHID).Les cantons de départ et d’arrivée imposent chacun unequote-part du bénéfice global de la période fiscale.Dans sa Circulaire n° 17, la CSI précise qu’«en règlegénérale et par souci de simplification, la répartitionpeut se faire en fonction de la durée du rattachementpersonnel de l’entreprise dans chacun des cantons du-rant la période fiscale prise en considération. Le caséchéant, on tiendra compte dans le cadre de la réparti-tion du produit global net de la période fiscale de la réa-lisation, liée au transfert, de produits ou de pertes extra-ordinaires.»6 Ainsi, les produits extraordinaires tirés dela vente d’actifs lors du départ seront attribués au can-

3 Cf. p. ex. l’art. 55e de la loi vaudoise du 26 novembre 1956sur les impôts directs cantonaux, en vigueur jusqu’au 31 dé-cembre 2000; IVO P. BAUMGARTNER, Koordination und Vereinfa-chung der Veranlagungsverfahren für die direkten Steuernim interkantonalen Verhältnis, p. 137, 143, 222, 230 (cité:Koordination und Vereinfachung); PETER LOCHER, Steuerhar-monisierung und interkantonales Steuerrecht, p. 609, 629.

4 KURT LOCHER, Die Praxis der Bundessteuern, 3ème partie: ladouble imposition intercantonale, § 8, II C, 1b, n° 15, consid.3a; Archives 48 (1979/80), consid. 2, p. 93-94.

5 A ce sujet, ainsi que concernant les modifications apportéespar la loi de coordination, cf. également IVO P. BAUMGARTNER,

Koordination und Vereinfachung, p. 142; du même auteur,Verlustverrechnung im interkantonalen Verhältnis, p. 293,298; CLAUDIA RIHNER BAUMGARTNER, Koordination und Vereinfa-chung der Veranlagungsverfahren für die direkten Steuernim interkantonalen Verhältnis, p. 177 et s., 181 et 187; HANS-PETER KURZ, Interkantonale Verlustverrechnung neu geregelt,853-854.

6 Circulaire no17, ch. 31 p. 3; cf. également Circulaire n° 15 dela CSI du 31 août 2001, «Coordination et simplification desprocédures de taxation des impôts dans les rapports inter-cantonaux», ch. 321 p. 7.

Page 47: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

125Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire no17

ton de départ. Il en va de même de charges extraordi-naires7. La CSI a repris ces principes de répartition duMessage du Conseil fédéral8.

Ces principes sont-ils cependant conformes «aux règlesdu droit fédéral relatives à l’interdiction de la doubleimposition intercantonale, applicables par analogie»(art. 22 al. 3 LHID)? Correspondent-ils aux règles appli-cables en cas d’assujettissement à l’impôt dans plu-sieurs cantons pour la même période, comme l’ont pré-conisé certains auteurs?9 Les principes de répartitionpréconisés par la CSI doivent être examinées à la lu -mière de ces règles.

2.2.1 La répartition des éléments extraordi-naires – l’attribution prioritaire recom-mandée par la CSI

Comme nous venons de le voir, la CSI, reprenant leMessage du Conseil fédéral sur ce point, recommandede tenir compte des éléments extraordinaires (bénéficeou perte) réalisés dans le canton de départ. Cette attri-bution prioritaire vise à faire coïncider le résultat attri-bué au canton avec l’activité effective qui y est exercée.Force est d’en conclure que les nouvelles règles de ré-partition ne s’écartent pas entièrement de la situationexistant avant le 1er janvier 2001. Or, dans un systèmeoù le bénéfice d’un exercice forme un tout10, réparti se-lon une clé, il n’y a à notre avis plus de place pour desattributions prioritaires.

En effet, dans cette méthode fondée sur «l’unité du bé-néfice», selon le Tribunal fédéral, la répartition du bé-néfice (et du capital) d’une entreprise intercantonale esteffectuée en fonction de quotes-parts11 entre les diffé-

rents fors fiscaux. Le total des différentes quotes-partsne peut jamais excéder 100%12. Exprimé de manière né-gative, aucun canton concerné ne peut imposer la suc-cursale (ou le siège) située dans son canton de façonisolée; c’est-à-dire qu’il lui est interdit de n’imposerque le capital, respectivement le bénéfice réalisés surson territoire13. Or, c’est justement ce que propose laCSI: lorsqu’elle recommande d’attribuer de manièreprioritaire au canton de départ le bénéfice extraordi -naire lié au transfert, ce canton considère l’entrepriseintercantonale non pas comme un ensemble, mais l’im-pose de façon isolée, ce qu’interdit la jurisprudence pré-citée du Tribunal fédéral.

Pour résumer, en attribuant une part prioritaire à un can-ton, le bénéfice – qui forme un tout – n’est plus répartipar quotes-parts, selon une clé prédéterminée, mais defaçon objective (ou isolée). Le canton de départ, profi-tant par exemple de l’attribution prioritaire du bénéficeextraordinaire réalisé dans son canton, impose plus quela part lui revenant dans une répartition établie en fonc-tion de quotes-parts. Pour cette raison, la règle établiepar la Conférence est contraire à l’interdiction constitu-tionnelle de la double imposition intercantonale, peuimporte au demeurant que la double imposition ne soitque virtuelle et non pas effective14.

2.2.2 La répartition des éléments ordinaires,effectuée pro rata temporis

Il est intéressant d’illustrer la répartition des élémentsordinaires préconisée à l’aide d’un exemple et de lacomparer aux règles établies par le Tribunal fédérallorsque l’assujettissement s’étend à plusieurs cantons.Les règles de répartition en cas de transfert de siège (ré-

7 Circulaire no17, ch. 32, les exemples 2 et 3, p. 4 à 5.8 Cf. le Message aux p. 3597-3598: «S’il y a transfert du siège

d’une entreprise entre deux cantons au cours de la même pé-riode, le bénéfice global de la période sera réparti entre lescantons de l’ancien et du nouveau sièges. En règle générale,la répartition des éléments imposables sera effectuée prora-ta temporis. Il pourra en aller différemment si les circons-tances le justifient. Tel sera le cas si le bénéfice comporte unélément extraordinaire (p. ex., une reprise d’amortissementslors de l’aliénation d’un immeuble d’exploitation) faisantl’objet, dans le cadre de la répartition du bénéfice global netde la période, d’une attribution prioritaire au canton concer-né. De même, la méthode de répartition pourra aussi tenircompte de modifications importantes de l’activité du nou-veau siège liées à une restructuration de l’entreprise. Onpourra également prendre en considération, dans ce cadre,la création d’un établissement stable dans le canton de dé-part simultanément au transfert de siège. La diversité des si-tuations justifie le renvoi aux principes et critères établis parle Tribunal fédéral dans une jurisprudence aujourd’hui plusque centenaire. L’application de ces règles jurisprudentiellesest effectuée «par analogie», puisque le Tribunal fédéral n’apas eu jusqu’ici à se prononcer sur la répartition, entre plu-sieurs cantons de siège de l’entreprise, des éléments d’uneseule et même période fiscale.»

9 JEAN-BLAISE PASCHOUD, p. 848.10 Cf. dans ce sens, IVO P. BAUMGARTNER, Koordination und Ver -

einfachung, p. 143; 222-223.11 KURT LOCHER, § 8, II A, en particulier n° 3, 6, 8,10; les quotes-

parts (ou clés de répartition) sont en principe déterminéessoit sur la base de la comptabilité du siège et des différentessuccursales («méthode directe» en matière intercantonale)soit selon des facteurs auxiliaires (en principe le chiffre d’af-faires ou les facteurs de production «travail» et «capital») in-ternes à l’entreprise («méthode indirecte» en matière inter-cantonale) (PETER LOCHER, Einführung, p. 119-120 et 125-127;ERNST HÖHN/PETER MÄUSLI, Interkantonales Steuerrecht,p. 396-400; JEAN-PIERRE GUNTER, Pratique de la fiscalité inter-cantonale: L’imposition des entreprises, p. 117 et s. ainsi que201 et s., 122-123).

12 KURT LOCHER, § 8, II C, 1b, n° 9 et 11.13 PETER LOCHER, Einführung, p. 118; KURT LOCHER, § 8, II C, 1a, en

particulier n° 3, 5, 7 et 8.14 Sur ces notions, cf. PETER LOCHER, Einführung, p. 33-36

(double imposition effective) et 37-39 (double imposition vir-tuelle); ERNST HÖHN/PETER MÄUSLI, p. 36-37.

Page 48: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

126 Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire no17

partition pro rata temporis) étant différentes de cellesapplicables lorsque l’assujettissement s’étend à plu-sieurs cantons (répartition sur la base de la comptabilitéou selon des facteurs auxiliaires internes à l’entreprisereflétant son activité économique), les éléments impo-sables (bénéfice et capital) dans les cantons concernéspeuvent varier considérablement d’une méthode àl’autre. Il est frappant – et les exemples l’illustrent –que la répartition pro rata temporis ne tient pas du toutcompte de l’activité économique déployée par l’entre-prise intercantonale.

Exemple: Une société de commercialisation dé-place son siège le 1er juillet du canton A dans lecanton B. Elle réalise un chiffre d’affaires deCHF 900 durant le premier semestre et de CHF600 pendant la deuxième partie de l’année. Lebénéfice s’élève à CHF 100. Aucun événementextraordinaire n’influence ces éléments.

Répartition intercantonale du bénéfice selon lesrecommandations de la CSI (répartition pro ratatemporis)

Total Canton A Canton B

Pourcentages 100% 50% 50%

Bénéfice CHF 100 CHF 50 CHF 50

Selon la méthode préconisée par la Conférence, le béné-fice est réparti par moitié (pro rata temporis) entre lescantons A et B. Chaque canton impose donc un béné -fice de CHF 50.

Répartition intercantonale selon le chiffre d’affaires

Total Canton A Canton B

Chiffre d’affaires 100% 900/1500 600/1500= 60% = 40%

Bénéfice CHF 100

Préciput 20% (pro rata temporis) 10 10

Répartition de 80 48 32du solde (selon chiffre d’affaires)

Total 100 58 42

Dans la répartition ci-dessus, le bénéfice n’a pas étéventilé en fonction de la durée du rattachement person-nel, mais selon le chiffre d’affaires réalisé dans chaquecanton. Seul le préciput a été attribué pro rata temporis.Dans la mesure où 60% du chiffre d’affaires total a étéréalisé dans le canton A (durant le premier semestre) et40% dans le canton B (durant le deuxième semestre), lebénéfice disponible après attribution du préciput a étéventilé en fonction de cette clé. Ainsi, CHF 32 plusCHF 10 (préciput), soit au total CHF 42, sont impo-sables dans le canton B et CHF 48 plus CHF 10 (préci-put), soit au total CHF 58, sont imposables dans le can-ton A.

La comparaison des deux méthodes de répartitionmontre que le contribuable subit une double impositionvirtuelle dans le canton B: Ce dernier canton impose unbénéfice de CHF 50 si la répartition est effectuée selonla méthode préconisée dans la Circulaire n° 17, alorsque seul un bénéfice de CHF 42 pourrait y être imposési la répartition était effectué selon le chiffre d’affaires,méthode généralement appliquée dans les relations in-tercantonales pour le type d’activité exercée par l’entre-prise dans notre exemple.

Si la même entreprise n’avait pas transféré son siège,mais exercé son activité dans le canton B par le biais d’unétablissement stable pendant toute la période fis cale, larépartition aurait été effectuée de la manière suivante:

Total Canton A Canton B

Chiffre d’affaires 100% 900/1500 600/1500= 60% = 40%

Bénéfice CHF 100

Préciput 20% (pro rata temporis) 20

Répartition de 80 48 32du solde (selon chiffre d’affaires)

Total 100 68 32

La répartition est effectuée en fonction du chiffre d’af-faires, qui sert de clé de répartition du bénéfice, aprèsl’attribution du préciput de 20% en faveur du siège.60% du chiffre d’affaires ayant été réalisé dans le can-ton A et 40% dans le canton B, le solde du bénéficeaprès préciput est ventilé dans ces proportions. Ainsi,CHF 32 sont imposables dans le canton B et CHF 48plus CHF 20 (préciput), soit au total CHF 68, sont im-posables dans le canton A.

La comparaison de ces trois répartitions montre que larépartition préconisée en cas de transfert de siège est ef-fectuée différemment par rapport à celle admise pourune entreprise intercantonale dans la même situation.Est-ce que le simple fait d’avoir transféré le siège – sansque des modifications de l’activité soient intervenues –justifie un traitement différent?

La réponse est clairement négative. A notre avis, la po-sition nouvelle de la CSI est trop simplificatrice, nes’appuie sur aucune base légale et est contraire à la ju-risprudence du Tribunal fédéral concernant l’interdic-tion de la double imposition intercantonale. Elle estsans base légale tout d’abord – ou même contraire à laloi – parce que le renvoi de l’art. 22 al. 3 LHID signifieque la jurisprudence du Tribunal fédéral doit être re -prise. Le législateur fédéral n’a pas souhaité la modifiersur ce point. Si, ensuite, la CSI propose des règles de ré-partition différentes, ces dernières sont – l’exemple ci-dessus l’a montré – con traires à la jurisprudence en ma-tière de double imposition intercantonale.

Page 49: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

127Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire no 17

La Conférence introduit un nouveau critère (à savoir letemps), que le Tribunal fédéral n’a jamais pris en comp-te dans sa jurisprudence. En effet, notre Haute Cour ajugé qu’une entreprise active dans plusieurs cantonsdoit, considérée économiquement, être traitée commeune unité, dont le bénéfice réalisé est réparti par quotes-parts entre les cantons. Ces quotes-parts, qui permettentde délimiter directement la souveraineté entre les can-tons et à éviter une double imposition, constituent pourles cantons des règles fédérales de conflits («bundes-rechtliche Kollisionsnormen») contraignantes («ver-bindliche») et indépendantes de leur législation in -terne15. Si ces règles sont contraignantes pour les can-tons, elles ne peuvent être modifiées que par voie légis-lative ou jurisprudentielle, mais non pas par une circu-laire administrative. D’après l’art. 22 al. 3 LHID, la ré-partition par quotes-parts – quotes-parts établies sur labase de la comptabilité ou selon des facteurs auxiliairesinternes à l’entreprise – est dès lors la seule méthodeentrant en ligne de compte pour effectuer une réparti-tion intercantonale en cas de transfert de siège. L’appli-cation de cette méthode à une société ayant transféréson siège (ou son administration effective) assure enoutre le respect du principe de l’égalité de traitementpar rapport à une entreprise exploitant une succursaledans un autre canton, comme nous venons de l’illustrer.Pour ces raisons, l’avis exprimé par certains auteurs16,soutenant que les facteurs fiscaux (bénéfice et capital)doivent en règle générale être répartis pro rata temporisen cas de modification du rattachement tant personnelqu’économique17, ne peut être suivi. C’est bien plus«une application par analogie des règles de répartitionapplicables en cas d’assujettissement à l’impôt dansplusieurs cantons pour la même période», dans le cadred’un transfert du siège ou de l’administration effectiveen cours de période fiscale qui s’impose, comme Jean-Blaise Paschoud18 l’a proposé.

2.2.3 Modification importante de l’activité del’entreprise et transfert de siège

La Circulaire n° 17 est muette au sujet des modifica-tions importantes de l’activité de l’entreprise liées à unerestructuration ayant entraîné le transfert de siège19.L’interdiction constitutionnelle de la double impositionintercantonale commande cependant à notre avis de les

prendre en considération. En effet, une modificationimportante de l’activité peut influencer le mode de ré-partition (selon les facteurs de production ou selon lechiffre d’affaires, p. ex.) et provoquer un changement deméthode. Dans son Message, le Conseil fédéral a sou-haité qu’il en soit tenu compte, sans toutefois précisercomment, estimant que la diversité des situations justi-fiait le renvoi aux principes et critères établis par le Tri-bunal fédéral20.Lorsqu’une entreprise, comme dans l’exemple ci-après,ayant jusqu’alors exercé des activités de fabrication etde commercialisation, abandonne la première dans lecadre d’une restructuration entraînant en même tempsle transfert de son siège, la méthode de répartition de lapériode fiscale au cours de laquelle le transfert a lieudevrait tenir compte de cette particularité.

Exemple: Le 1er octobre, une entreprise de fabri-cation et de commercialisation transfère sonsiège du canton A dans le canton B (exercicecommercial = année civile) et abandonne simul-tanément la première activité. Seule subsistel’activité de vente (l’entreprise achète désor-mais la marchandise auprès de fournisseurs).

Canton A Canton BBénéfice 100 000

Préciput 10 000 Pro rata canton A: 10% temporis: 9/12 7 500

Préciput 20 000 Pro rata canton B: 20% temporis: 3/12 5 000

Solde disponible 87 500

Préciput de 43 750 Pro rata fabrication: 50% temporis: 9/12 32 812,50

Solde disponible 54 687,50

Répartition en Canton A: 82% 44 843,75 9 843,75fonction du chiffre Canton B: 18%d’affaires

Total 100 000 85 156,25 14 843,75

Cette répartition a été effectuée selon les étapes sui-vantes:1. Attribution du préciput pour le siège:–Le préciput pour l’entreprise mixte (fabrication etcommercialisation) a été fixé à 10%21 d’ententeentre les cantons et compte tenu de l’activité dé-ployée au siège. Du fait de la durée de rattache-ment réduite, le préciput a été diminué à 9/12.

15 KURT LOCHER, § 8, II C, 1a, n° 8.16 IVO P. BAUMGARTNER, Koordination und Vereinfachung, p. 224;

PETER ATHANAS/STEFAN WIDMER, n° 30 ad art. 22 LHID.17 Bien qu’une telle répartition soit plus simple et plus facile à

mettre en pratique et que bon nombre de contribuables etd’administrations la préfèrent sans doute, il n’en demeurepas moins qu’elle ne respecte pas l’interdiction de la doubleimposition intercantonale.

18 JEAN-BLAISE PASCHOUD, p. 848.

19 Quant à la Circulaire n° 15 (ch. 321 p. 7), elle contient seule-ment l’indication suivante: «De même, la méthode de répar-tition peut aussi tenir compte des modifications importantesde l’activité du nouveau siège liées à une restructuration del’entreprise».

20 Message, p. 3597-3598; cf. en outre la phrase figurant dans laCirculaire n° 15 (ch. 321 p. 7) citée à la note précédente.

21 JEAN-PIERRE GUNTER, p. 123; ERNST HÖHN/PETER MÄUSLI, p. 432-435.

Page 50: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

128 Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire no 17

–Le préciput pour l’entreprise après le changementde siège et d’activité (désormais, la société n’exer -ce plus qu’une activité de commercialisation) estfixé à 20%22. Ce préciput est réduit proportionnel-lement à la durée de rattachement durant la pé -riode.

2. Détermination du préciput de fabrication: par lepassé, compte tenu de l’activité déployée par l’en-treprise, les cantons ont arrêté le préciput de fabri-cation à 50% (du solde du bénéfice disponible). Du-rant la période en cause, ce préciput est réduit pro-portionnellement à la durée de rattachement. Sil’entreprise disposait de sites de production dansd’autres cantons, le préciput de fabrication devraitêtre réparti entre les cantons concernés selon lesfacteurs de production.

3. Répartition du solde disponible en fonction duchiffre d’affaires réalisé dans chaque canton.

Une telle manière de répartir tient compte du changementd’activité intervenu en cours de période fiscale. Les clésde répartition sont établies en fonction de l’activité ef-fective de l’entreprise et basées sur la contribution dechaque établissement stable au bénéfice de l’entreprise.Bien que la méthode choisie ne soit pas la plus simple, elle est la seule à assurer une répartition conforme à l’interdiction de la double imposition intercantonale23.

3 La répartition du bénéfice en casd’ouverture ou de fermeture d’unétablissement stable en cours depériode fiscale

Depuis le 1er janvier 2001, l’ouverture et la fermetured’un établissement stable ne donnent plus lieu à l’éta-blissement d’un bilan intermédiaire, dès lors que «l’as-sujettissement à raison du rattachement économiquefondé sur l’art. 21 al. 1 (LHID), dans un autre cantonque celui du siège ou de l’administration effective,s’étend à la période fiscale entière, même s’il est créé,modifié ou supprimé au cours de celle-ci» (art. 22 al. 2LHID). «Le bénéfice et le capital sont répartis entre lescantons concernés conformément aux règles du droit fé-déral relatives à l’interdiction de la double impositionintercantonale, applicables par analogie» (art. 22 al. 3LHID). Dans sa Circulaire n° 17, la CSI a exposé com-

ment la répartition intercantonale devrait être effectuéeen application de ces nouvelles dispositions.

3.1 Ouverture suivie de la fermeture aucours de la même période fiscale d’unétablissement stable

Dans sa Circulaire n° 17, la Conférence explique au su-jet de l’établissement stable ouvert et fermé au cours dela même période fiscale qu’ «en principe, la durée trèslimitée de l’établissement constitue un obstacle à saqualification d’établissement stable. De ce fait, une at-tribution d’une quote-part du capital et du bénéfice im-posables au canton dans lequel l’entreprise a ouvert etfermé un établissement stable dans le cours de la pé-riode fiscale ne se justifie pas. Il convient d’éviter unémiettement des souverainetés fiscales. Par ailleurs, ladétermination de la quote-part du capital et du bénéficede l’établissement ouvert, puis fermé en cours de la même période fiscale, se heurterait à de grandes diffi-cultés pratiques.»24

Est-ce que cette recommandation est conforme à l’inter-diction de la double imposition intercantonale?Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, «par établis-sement stable, il faut entendre toute installation fixe etpermanente dans laquelle s’exerce une partie quantitati-vement et qualitativement importante de l’activité tech-nique ou commerciale de l’entreprise»25. D’après cettedéfinition, les conditions suivantes doivent être rem-plies pour qu’une installation constitue un établisse-ment stable:(1) une installation fixe et permanente;(2) dans laquelle s’exerce une partie quantitativementet qualitativement importante de l’activité;

(3) faisant partie de l’entreprise26.Le premier critère exige que les installations soient enpermanence à disposition de l’entreprise; une utilisationqui ne serait que temporaire ne suffit pas27. Lorsqu’unesuccursale est ouverte et fermée durant le même exer -cice, la question se pose de savoir si ce critère est rempli.Dans sa jurisprudence concernant les chantiers deconstruction, notre Haute Cour a précisé que les critèrespour juger de la durabilité des installations de chantierne sont pas tant les limites temporelles, mais bien plusl’importance économique de la construction et le type et

22 JEAN-PIERRE GUNTER, p. 123; ERNST HÖHN/PETER MÄUSLI, p. 432-435.

23 Il est vrai que pour faciliter la répartition intercantonale, ilserait plus simple soit d’établir un bilan intermédiaire soit detransférer le siège et de modifier l’exploitation en fin de pé-riode fiscale. Cette dernière manière de faire permettrait enoutre de mieux délimiter les résultats avant et après la modi-fication intervenue.

24 Circulaire no 17, ch. 45 p. 12.25 KURT LOCHER, § 8, I D, 1 n° 10 consid. 3a.26 PETER LOCHER, Einführung, p. 64; ERNST HÖHN/PETER MÄUSLI,

p. 143.27 ERNST HÖHN/PETER MÄUSLI, p. 144.

Page 51: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

129Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire no 17

l’organisation des installations sur place28. Vu cette dé-finition, la qualité d’établissement stable d’une installa-tion ouverte, puis fermée au cours de la même périodefiscale ne sera généralement pas donnée dans la mesureoù tant le type que l’organisation des installations ne se-ront en principe que de caractère provisoire29 et l’im-portance économique sera secondaire30.Par ailleurs, compte tenu de l’importance économiqueaccessoire justement, l’installation ici examinée neremplira la plupart du temps pas non plus le 2ème critère(à savoir l’exercice d’une partie quantitativement etqualitativement importante de l’activité).Dans son principe, la recommandation de la Conférencenous paraît donc tout à fait juste. Il faut toutefois réser-ver les cas particuliers où un établissement stable de-vrait néanmoins être reconnu, même s’il a été ouvert etfermé au cours de la même période fiscale. Tel est no-tamment le cas lorsque l’entreprise intercantonale aacheté et vendu en cours d’année un immeuble d’ex-ploitation où elle a exercé (pour un temps très limité)son activité. Dans ce cas, il serait difficile de refuser aucanton concerné le droit d’imposer un éventuel gain deplus-value réalisé sur cet immeuble, ce qui revient à re-connaître – ne serait-ce que de manière implicite –l’existence d’un établissement stable dans le canton. En

effet, si l’immeuble en cause constituait un immeublede placement, constitutif d’un for spécial, et non pas unimmeuble d’exploitation, le gain immobilier devraitêtre attribué de façon objective au canton concerné sanstenir compte du résultat d’exploitation31. Il nous semblecependant qu’une telle qualification de l’immeuble, im-pliquant une répartition objective, n’entre pas en lignede compte dans un tel cas.

3.2 Ouverture d’un établissement stable

La CSI recommande d’effectuer la répartition intercan-tonale du bénéfice global de l’entreprise, pour la pé-riode fiscale au cours de laquelle l’établissement stablea été ouvert, selon la méthode de répartition directe ouindirecte32. Lorsque l’entreprise intercantonale réalisecertains actifs attribués au canton du siège ou à un can-ton d’un établissement stable en vue de l’ouverture d’unnouvel établissement stable, la Conférence préconised’inclure le produit de réalisation de ces actifs (mobi-liers) dans le bénéfice global à répartir entre tous lescantons (y compris celui du nouvel établissementstable). Elle relativise cette règle en précisant qu’«ex-ceptionnellement, on tiendra compte dans le cadre de larépartition du produit global net de la période fiscale dela réalisation, liée à l’ouverture d’un établissementstable, de produits ou de pertes extraordinaires»33.

28 KURT LOCHER, § 8, I D, 2, n° 15, consid 4c. Dans cet arrêt, le Tribu-nal fédéral a précisé ce qui suit: «Handelt es sich dabei nichtbloss um die üblichen mobilen Anlagen, die eine leistungsfähi-ge Bauunternehmung vorübergehend auf ihren Baustelleneinzusetzen pflegt (wie z.B. Kranen und Kranbahnen, Zement-silos, Garderobe-, Material- und Baubürobaracken u.ä.), son-dern um mehrere Jahre bestehende und womöglich für die Un-ternehmung errichtete Zufahrtstrassen, Seilbahnen, Aufberei-tungsanlagen, Kantinen, Werkspitäler, Maschinenparks, Repa-raturwerkstätten und Bauleitungsbüros, die eine Zusammen -arbeit mehrerer Bauunternehmungen nahelegen, so rechtfer-tigt es sich, von «ständigen» und nicht bloss provisorischenAnlagen und Einrichtungen und somit von einer die Steuer -pflicht im Kanton begründenden Betriebsstätte der beteiligtenBauunternehmungen zu sprechen». En traduction libre: S’il nes’agit pas seulement d’installations mobiles habituellesqu’une grande entreprise de construction installe d’ordinaire(comme par exemple des grues et des grues sur rail, des silosde béton, des baraquements pour le personnel, le matériel etles bureaux de construction, etc.), mais également de routesd’accès, de monte-charges, d’installations de conditionne-ment, de cantines, d’hôpitaux de chantiers, de parcs de ma-chines, d’ateliers de réparation et de bureaux de direction dechantiers existants pendant plusieurs années et érigés pourl’exploitation, indiquant la collaboration de plusieurs entre-prises de construction, il se justifie de les considérer commedes installations «permanentes» et non seulement provi-soires, soit d’admettre un établissement stable constitutif d’unassujettissement fiscal de l’entreprise de construction dans lecanton concerné.

29 On aura généralement tendance à estimer que les installa-tions n’étaient dès le départ pas faites pour durer, surtout sila situation est examinée après la fermeture.

30 En effet, la contribution au chiffre d’affaires et au bénéfice del’entreprise d’une installation ouverte et fermée au cours de

la même période fiscale sera généralement faible, tant entermes relatifs (par rapport à l’ensemble de l’entreprise)qu’en termes absolus (considérée de façon isolée).

31 Au sujet des règles de répartition applicables aux immeublesde placement cf. ERNST HÖHN/PETER MÄUSLI, § 28, p. 495-540;PETER LOCHER, Einführung, p. 110-113 et 127-128 et les réfé-rences citées.

32 Au sujet de ces notions (répartitions directe et indirecte) cf.notre note 11.

33 Cf. Circulaire no 17 (ch. 421 p. 6-7) dont le contenu est le sui-vant: «Le canton du siège et le canton de l’établissementstable se basent sur l’état du capital à la fin de la période fis-cale. L’ouverture de l’établissement stable ne donne pas lieuà l’établissement d’un bilan intermédiaire. L’assujettisse-ment à l’impôt vaut pour la période fiscale entière dans lecanton du siège et dans celui de l’établissement stable. Ilconvient toutefois de tenir compte de la durée réduite du rat-tachement au for secondaire de l’établissement stable. Lebénéfice global de l’entreprise de la période fiscale au coursde laquelle l’établissement stable a été ouvert est répartientre les cantons concernés (siège et établissement stable),selon une méthode de répartition directe ou indirecte. En vuede l’ouverture d’un nouvel établissement stable, l’entrepriseintercantonale peut réaliser certains actifs attribués au can-ton du siège ou à un canton d’établissement stable. En règlegénérale, le produit de la réalisation d’actifs mobiliers faitpartie du bénéfice global de la période fiscale réparti parquotes-parts entre tous les cantons, y compris le canton dunouvel établissement stable. Exceptionnellement, on tiendracompte dans le cadre de la répartition du produit global netde la période fiscale de la réalisation, liée à l’ouverture d’unétablissement stable, de produits ou de pertes extraordi-naires. Si les actifs aliénés sont immobiliers, les règles dudroit intercantonal concernant l’attribution du droit d’impo-ser le produit de leur réalisation sont alors applicables.»

Page 52: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

130 Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire no 17

Cette exception à la règle n’est pas seulement malheu-reuse, mais aussi difficile à mettre en pratique.Malheureuse tout d’abord, parce qu’elle admet des dé-rogations au principe de «l’unité du bénéfice» (selon le-quel le bénéfice de l’entreprise forme un tout), qui doitêtre réparti entre les cantons de manière directe ou indi-recte. L’attribution prioritaire d’un produit extraordi-naire, lié à l’ouverture d’un établissement stable, à uncanton ne se justifie a priori pas dès lors que les amor-tissements sur les actifs réalisés n’ont pas non plus étéattribués de manière prioritaire à ce canton. Le produitde réalisation d’un actif doit en toute logique suivre lemême sort que les amortissements effectués sur le même actif. Difficile à mettre en pratique ensuite, car laConférence omet de préciser quels sont ces situationsexceptionnelles qui justifieraient une attribution priori-taire d’un produit ou d’une charge extraordinaire lié àl’ouverture d’un établissement stable.Par ailleurs, comme on verra ci-après (cf. ch. 3.3 ci-dessous), en cas de fermeture d’un établissementstable, il n’y a pas d’attribution prioritaire d’élémentsextraordinaires (à l’exception d’un gain de plus-valueimmobilière) au canton où s’est trouvé l’établissementstable fermé. Dans un souci de cohérence (soit de sy-métrie des règles), il nous semblerait logique d’y re-noncer également en cas d’ouverture d’un établisse-ment stable.En définitive, la règle en cause, ouvrant la porte à l’at-tribution prioritaire d’éléments à un certain canton,semble provenir de la pratique en vigueur avant le 1er janvier 2001. Sous ce régime, l’établissement d’unbilan intermédiaire au moment de l’ouverture de l’éta-blissement stable a permis d’attribuer les produits et lescharges extraordinaires aux cantons concernés. Le lé-gislateur a voulu abolir cette pratique, dans le but no-tamment de simplifier les répartitions intercantonales.Le bénéfice global de l’entreprise formant désormais untout, indépendamment des modifications de rattache-ment économique intervenues durant la période, il doitêtre réparti entre les cantons en fonction des critèresétablis par la jurisprudence (en général selon le chiffred’affaires ou selon les facteurs de production, si la ré-partition est effectue selon la méthode indirecte). Il n’ya plus de place pour des attributions prioritaires dans untel système, puisqu’elles sont même, à notre avis,contraires à la jurisprudence en matière de double im-

position intercantonale comme nous l’avons démontréci-dessus (cf. ch. 2.2.1 au sujet du transfert de siège).Il faut bien entendu réserver les cas de réalisation d’actifs immobiliers (immeubles d’exploitation et im-meubles de placement), comme le fait à juste titre laCSI34. Ce domaine n’étant pas encore (entièrement) harmonisé, des divergences entre cantons peuvent sub-sister et subsistent. En effet, le bénéfice réalisé lors dela vente d’un immeuble d’exploitation doit être scindé,d’une part, en une «plus-value immobilière», attribuéeexclusivement au canton de situation, et, d’autre part,en une «reprise d’amortissements», à savoir le bénéficecomptable, réparti par quotes-parts et inclus dans la répartition du bénéfice d’exploitation35. Alors que lescantons monistes sont en droit d’imposer la plus-valueimmobilière séparément, dans un système dualiste, cebénéfice est rajouté à la quote-part d’exploitation canto-nale36.

3.3 Fermeture d’un établissement stable

3.3.1 Introduction

En cas de fermeture d’un établissement stable, laConférence propose de répartir le bénéfice sans attri-buer les éléments extraordinaires à un des cantons tou-chés, le bénéfice global étant partagé selon les règlesétablies par la jurisprudence du Tribunal fédéral37.Dans la mesure où le bénéfice de l’entreprise forme untout, cette solution est à notre sens correcte. Contraire-ment au cas d’ouverture d’un établissement stable exa-miné ci-dessus, la CSI ne propose à juste titre pas d’at-tribution prioritaire d’éléments au canton de l’établis-sement stable fermé.

3.3.2 Les méthodes de répartition

La répartition du bénéfice effectuée selon la méthodedite directe ne pose pas de problème particulier. Il en vade même de la répartition (indirecte) faite en fonctiondu chiffre d’affaires.Par contre, lorsque la répartition (indirecte) est baséesur les facteurs de production (travail et capital), la dé-termination du facteur capital peut poser des difficultés,dès lors que les actifs ayant servi à l’obtention du béné-fice n’existent plus à la fin de la période fiscale dans lecanton de l’établissement stable ayant fermé. La CSIpropose dans ces cas de tenir compte, pour l’établisse-

34 Circulaire no 17, ch. 421 p. 7.35 PETER LOCHER, Einführung, p. 127-128 et les références citées;

ERNST HÖHN/PETER MÄUSLI, p. 521-522.36 PETER LOCHER, Einführung, p. 128; ERNST HÖHN/PETER MÄUSLI,

p. 521-522 ainsi que p. 511.

37 Circulaire no 17 (ch. 431 p. 9): «Le canton où se trouvait l’éta-blissement stable fermé ne peut prétendre imposer seuld’éventuels gains en capital réalisés lors de la fermeture. Estréservée l’attribution prioritaire d’un gain de plus-value im-mobilière.»

Page 53: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

131Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire no 17

L’exemple chiffré figurant dans cette partie de notre ex-posé illustre les différences – notables – entre les diffé-rentes méthodes.

4 La répartition du capital

4.1 Transfert de siège

Le transfert de siège ne présente pas de difficulté parti-culière pour la répartition du capital. Le capital existantà la fin de la période fiscale (art. 31 al. 4 LHID) est ré-parti entre le nouveau et l’ancien canton de siège enfonction de la durée de rattachement. Bien que le Tribu-nal fédéral n’ait jamais jugé que le critère temporel pou-vait entrer en ligne de compte, celui-ci semble bien leseul à même de partager équitablement la matière impo-sable entre les cantons concernés dans un système quiprône l’unité de la période fiscale. Cette manière de ré-partir paraît aller de soi, au point que la CSI ne l’a guè-re mentionnée. Elle ressort par contre clairement desexemples figurant dans la Circulaire n° 1740.

4.2. Modification du rattachement écono-mique dans un autre canton que celuidu siège en cours de période fiscale: lacorrection au profit ou à la charge dusiège

En cas de modification du rattachement économique(for secondaire ou for spécial) en cours de période fis-cale, le principe général – qui concerne aussi bien lespersonnes physiques41 que les personnes morales – éta-bli par la Conférence consiste à réduire les éléments at-tribués au canton où l’assujettissement limité a été crééou supprimé en cours de période42. La réduction est ef-fectuée pro rata temporis. La CSI a précisé qu’«en règle

38 Cf. Circulaire no 17, ch. 431 p. 9, dont la teneur est la suivante:«Lorsque la méthode de répartition du bénéfice prend encompte les facteurs de production, le facteur travail peut êtredéterminé sur la base des données de l’exercice au cours du-quel l’établissement stable est fermé. S’agissant du facteurcapital, on pourra par souci de simplification retenir pourl’établissement stable fermé la répartition des actifs tellequ’elle existait à la clôture de l’exercice précédent, la valeurde ces actifs étant alors réduite proportionnellement à la du-rée du rattachement.» Cf. également Circulaire no 17, ch. 432exemple 6 p. 10-11.

39 Dans cette perspective, tenir compte des actifs existant à lafin de la période fiscale signifie concrètement retenir le fac-teur zéro pour l’établissement stable fermé (aucun actifn’existe à cet endroit). Cette manière de faire ne serait sansdoute pas conforme aux circonstances ayant permis de réali-ser le bénéfice, dès lors qu’il n’est pas possible économique-ment de réaliser un chiffre d’affaires, et par conséquent unbénéfice, sans actifs. La CSI a tenté de tenir compte de cette

difficulté en réduisant la valeur des actifs existant à la fin dela période précédente (= début de la période au cours de la-quelle l’établissement stable a fermé) proportionnellement àla durée de rattachement. Cette dernière approche n’est ànotre avis pas appropriée, sachant justement que les actifspeuvent varier fortement d’une période à l’autre.

40 Circulaire no 17, ch. 32 exemple 1 p. 4.41 Pour les personnes physiques, cf. la Circulaire n° 18 de la CSI

du 27 novembre 2001, «Répartitions intercantonales en casde modification de l’assujettissement en cours de périodefiscale dans le système de la taxation annuelle postnumeran-do (personnes physiques)», ch. 31 p. 4-5 ainsi que ch. 341p. 15.

42 Ce principe, qui veut que la durée réduite de rattachementsoit prise en compte par une réduction appropriée de la quo-te-part du capital attribué au canton du for secondaire ouspécial, figure déjà dans le Message du Conseil fédéral(p. 3598).

ment stable fermé, des actifs existant à la fin de la pé -riode précédente, la valeur de ces actifs étant alors ré-duite proportionnellement à la durée de rattachement38.Cette solution pragmatique est-elle conforme à la juris-prudence en matière de double imposition intercanto -nale?D’abord, de manière générale, les actifs localisés peu-vent varier fortement d’une période à l’autre, de sortequ’il est problématique (voire contraire à la jurispru-dence en matière de double imposition intercantonale)de se baser sur l’actif existant à la fin de la période pré-cédente, que ce soit d’ailleurs pour un établissementstable fermé en cours de période fiscale ou pour celuifermé à la fin de cette période. Ensuite, dans le cas par-ticulier où l’établissement stable a été fermé en cours depériode fiscale, on ne peut en général attribuer aucunactif au dit établissement au moment de sa fermeture,les actifs localisés ayant été réalisés ou transférés dansun autre canton39.Pour résoudre ces problèmes, il suffirait d’attribuer ex-ceptionnellement (une part) des comptes mobiles repré-sentant une part équitable de l’actif ayant existé avant lafermeture de la succursale à ce canton. Cette solutionpragmatique permettrait de traiter de manière similairel’entreprise intercantonale qui a fermé son établissementstable en cours de période fiscale et celle qui l’a fermée àla fin de cette période. En effet, le problème (de détermi-nation de l’actif localisé) est identique dans les deux si-tuations, de sorte qu’un traitement similaire s’impose.Par ailleurs, un traitement identique de la répartition dubénéfice (selon les facteurs de production) et de la ré-partition du capital serait ainsi assuré, comme nous leverrons ci-après lorsque nous traiterons de la répartitiondu capital en cas de fermeture d’un établissement stableen cours de période fiscale (cf. ch. 4.3 ci-après).

Page 54: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

132 Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire no 17

générale, cette correction est effectuée au profit ou à lacharge du canton du siège. Il s’agit là d’une mesure desimplification qui fait abstraction des conditionsexactes de financement de la modification du rattache-ment économique.»43

Ainsi, en cas d’ouverture d’un établissement stable encours de période fiscale, si ce n’est pas le canton de siège qui l’a financé, mais que des actifs provenant d’unautre canton ont été utilisés pour acquérir les nouveauxéléments nécessaires à l’exploitation dudit établisse-ment, la Conférence souhaite que la correction se fassenéanmoins en faveur du canton du siège.Une telle schématisation, quels que soient ses aspectspratiques, ne trouve pas sa source dans la jurisprudencedu Tribunal fédéral, comme l’imposerait le texte légal(cf. art. 22 al. 3 LHID). Elle ne peut à notre avis être mise en œuvre que lorsque l’entreprise n’est pas en me -sure de fournir les informations nécessaires pour déter-miner quels sont les actifs transférés d’un canton àl’autre. Concrètement, le canton du siège, canton «lea-der»44, doit requérir du contribuable les informationssur le financement du nouvel établissement stable (ousur le transfert des actifs en cas de fermeture d’établis-sement stable) afin d’effectuer la correction à charge,respec tivement en faveur, du canton l’ayant financé(respectivement ayant bénéficié de nouveaux actifstransférés du canton où l’établissement stable a été fer-mé). Lorsque le financement, respectivement le trans-fert des actifs, ne peut pas être déterminé, et dans ce casseulement, la simplification administrative de la CSIpeut être appliquée. En effet, toute base légale pour pri-vilégier, respectivement pénaliser, systématiquement lecanton du siège faisant défaut, il n’y a en principe pasde raison que le Tribunal fédéral soutienne une décisioncantonale effectuant la correction, de manière tout à faitarbitraire45, au profit ou à la charge du canton de siège.Par ailleurs, le respect de l’interdiction de double impo-sition intercantonale (art. 127 al. 3 Cst.), selon laquelle«une imposition portant sur une part plus étendue de lafortune constitue un empiétement sur la souverainetéfiscale des autres cantons»46, n’est plus garanti danstous les cas si la méthode préconisée par la CSI est ap-pliquée sans réserve.

La difficulté à délimiter correctement les souverainetésfiscales cantonales n’est au demeurant pas nouvelle. Ellese pose par exemple lorsqu’il s’agit de ventiler lescomptes mobiles. Ces derniers sont attribués au for qu’ilsservent exclusivement ou de manière prépondérante47. Larépartition est ainsi généralement effectuée en fonctiondes actifs localisés sur le territoire de chaque canton. Ilaurait donc été judicieux de s’inspirer des solutions auxproblèmes existants pour trouver une règle équitable,respectant les souverainetés fiscales cantonales.La recommandation simplificatrice de la Conférence estun raccourci d’autant plus regrettable que la simple pré-cision selon laquelle la correction est en principe effec-tuée au profit du canton ayant financé l’acquisition deséléments du nouvel établissement stable ou for secon-daire (respectivement à la charge du canton ayant béné-ficié du transfert d’actifs en cas de fermeture d’une suc-cursale ou de vente de l’immeuble de placement) etqu’à défaut d’indications permettant d’effectuer cettecorrection, cette dernière se fait dans le canton du siège,aurait suffi pour écarter tout risque de double imposi-tion intercantonale.

4.3 Comment déterminer la part au capitalde l’établissement stable fermé encours de période fiscale?

Le canton dont l’établissement stable a été fermé encours de période fiscale ne figure plus parmi les cantonsavec lesquels l’entreprise a un rattachement en fin depériode, mais il peut néanmoins imposer une part au ca-pital, conformément à l’art. 22 al. 2 LHID. La CSI in-dique qu’«en principe, cette quote-part devrait être dé-terminée sur la base des actifs de l’établissement stableau moment de sa fermeture, actifs dont la valeur seraitréduite proportionnellement à la durée du rattachement.Toutefois, par souci de simplification, cette part peutéquivaloir à la quote-part du canton de l’établissementstable à la fin de la période fiscale précédente, réduiteproportionnellement à la durée du rattachement écono-mique.»48

43 Circulaire no 17, ch. 41 p. 6. A noter que la règle selon laquel-le la réduction est effectuée au profit ou à la charge du can-ton du siège n’est pas mentionnée dans le Message duConseil fédéral.

44 Circulaire n° 16 de la Conférence suisse des impôts du 31août 2001, «L’ordonnance du Conseil fédéral du 9 mars 2001sur l’application de la loi fédérale sur l’harmonisation desimpôts directs dans les rapports intercantonaux», ch. 22 p. 3-4. Le rôle du canton du siège a été renforcé par l’adoption del’Ordonnance du Conseil fédéral du 9 mars 2001 sur l’appli-cation de la loi fédérale sur l’harmonisation des impôts di-

rects dans les rapports intercantonaux (OLHID; cf. égalementle Message, au ch. 1.3.3 p. 3592 et JEAN-BLAISE PASCHOUD,p. 843-844).

45 Sur cette notion, cf. ANDREAS AUER/GIORGIO MALINVERNI/MICHEL

HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, Vol. II, Berne 2000,n° 1085 et s., p. 529, et au sujet de la protection judiciaire,n° 1109-1114, p. 538- 540.

46 KURT LOCHER, § 8, II B, 1, n° 7.47 KURT LOCHER, § 8, II B, 1, n° 4.48 Circulaire no 17, ch. 431, p. 8-9.

Page 55: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

133Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire no 17

Cette solution est à notre avis contraire à la loi, qui pres-crit que le capital propre imposable est fixé sur la base deson état à la fin de la période fiscale (art. 31 al. 4 LHID),et non pas au début de cette période, comme le veut laConférence. Même si le rattachement avec un cantondont l’établissement stable a été fermé n’existe plus à lafin de la période fiscale, il y a néanmoins lieu de lui attri-buer une part. Cette part doit à notre avis être fixée sur labase des actifs existant au moment de la fermeture del’établissement stable49, bien que la détermination de cesactifs soulève des difficultés pratiques. L’actif existantau début de la période fiscale (qui équivaut à la fin de lapériode fiscale précédente) ne peut pas être pris encompte, dès lors que ce moment n’est pas déterminantpour l’imposition (cf. art. 31 al. 4 LHID)50.Par ailleurs, la comparaison – illustrée à l’aide desexemples ci-après – entre une entreprise ayant ferméson établissement stable à la fin de période fiscale etcelle l’ayant fermé en cours de cette période démontreque les deux situations sont traitées différemment si lasolution souhaitée par la CSI est appliquée.

1er exemple: Une entreprise ayant son siègedans le canton A et une succursale dans le can-ton B ferme cette dernière le 1er janvier N+1. Larépartition du capital pour l’année N (exercicecommercial = année civile) se présente commesuit:

Total Canton A Canton B

Actifs en fin de période 150 120 30

Pourcentages 100% 80% 20%

Capital imposable 50 40 10

Au 31 décembre, l’actif localisé (avant la fermeture) si-tué dans le canton B représente 20% des actifs totaux, lesolde des actifs, soit 80%, se trouvé dans le canton A.Le capital imposable est réparti dans ces proportions.

2ème exemple: Une entreprise ayant son siègedans le canton A et une succursale dans le can-ton B ferme cette dernière le 30 novembre del’année N (exercice commercial = année civile).La répartition du capital est effectuée commesuit:

Solution CSI

Total Canton A Canton B

Actifs en fin de période 150 150 0

Actifs au début de la période 100 60 = 60% 40 = 40%

Répartition des 100 60%+1/12x40% 11/12x40%actifs en % = 63,3% = 36,6%

Capital imposable 50 31,6 18,3

A la fin de l’année N, tous les actifs sont situés dans lacanton A. Au début de cette année, 40% des actifsétaient situés dans le canton B (succursale) et 60% dansle canton A (siège). Le pourcentage du canton B doitêtre réduit à 11/12 (durée de rattachement dans le can-ton B). La correction correspondante est effectuée enfaveur du canton du siège (attribution d’1/12 de la partdu canton B au canton A). Le capital imposable est ré-parti en fonction de cette clé.

Solution proposée

Total Canton A Canton B

Actifs en fin de période 150 150 0

Actifs à la fermeture de la succ. 150 120 = 80% 30 = 20%

Répartition des actifs en % 100 11/12x20% 80%+1/12x20%

= 81,6% = 18,3%

Capital imposable 50 40,83 9,16

L’actif existant juste avant la fermeture de la succursaledans le canton B représente 20% des actifs totaux. Cepourcentage est réduit proportionnellement à la duréede rattachement dans ce canton (à 11/12). La correctionest effectuée en faveur du canton du siège (canton A).Le capital imposable est réparti en fonction de cette cléde répartition.La comparaison montre que la solution consistant à te-nir compte de l’actif au moment de la fermeture del’établissement stable est plus conforme à la réalité(plutôt que de se baser sur l’actif existant au début de lapériode fiscale). En effet, toutes choses étant égales, iln’est pas logique que la part au capital imposable de lasuccursale ayant été fermée soit plus élevée lorsque lafermeture a lieu en cours d’année que lorsque celle-ci sesitue à la fin de la période.

49 JEAN-BLAISE PASCHOUD (p. 850) semble partager notre avispuisqu’il précise que «c’est en principe la valeur des actifs aumoment de la fermeture de l’établissement stable, ou cellede l’établissement stable au moment de la clôture descomptes, réduite proportionnellement à la durée de rattache-ment par rapport à celle de la période fiscale, qui permettrala détermination de la quote-part».

50 IVO P. BAUMGARTNER (Koordination und Vereinfachung, p. 225)préconise la même solution que la CSI. Il la relativise cepen-

dant en précisant que les circonstances de la période fiscaledoivent être comparables à celle de la période précédente etque des corrections doivent être apportées si des modifica-tions structurelles dans la répartition de l’activité commer-ciale aux différents endroits sont intervenues entre-temps. Ilreconnaît ainsi – implicitement – que la solution consistant àse baser sur la période fiscale précédente est un échappa -toire, mais n’apporte pas d’argument juridique convaincantplaidant en sa faveur.

Page 56: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

134 Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire no17

La solution de la CSI introduit un élément étranger dansla répartition du capital (soit la détermination du capitalsur la base des actifs existants au début de la périodefiscale). Dans la mesure où l’actif peut varier fortementd’une période à l’autre (en particulier lorsqu’une suc-cursale est fermée), la pratique voulue par la Confé -rence permet de «déplacer» le capital imposable d’uncanton à l’autre. Un tel «déplacement» est clairementcontraire à l’interdiction de la double imposition inter-cantonale, dès lors qu’un canton pourrait être amené àimposer une part plus importante du capital que la partde l’actif total située sur son territoire à la fin de l’an-née. La difficulté à déterminer les actifs localisés de lasuccursale fermée (en cours de période fiscale) peut êtrerésolue – comme proposé au ch. 3.3.2 ci-dessus – en at-tribuant exceptionnellement les comptes mobiles repré-sentant une part équitable de l’actif ayant existé avant lafermeture de l’établissement stable au canton de départ51.

4.4 Achat ou vente d’un immeuble de place-ment en cours de période fiscale

L’achat d’un immeuble de placement en cours de pé-riode fiscale ne pose pas de problème: pour la réparti-tion du capital, la réduction proportionnelle (pro ratatemporis) des éléments acquis en cours de période estune simple opération mathématique.

En ce qui concerne la vente d’un immeuble de place-ment, les mêmes difficultés que celles rencontrées lorsde la fermeture d’un établissement stable se posent enprincipe également. Il s’agit en particulier de la déter-mination du capital à attribuer au for disparu en coursde période. S’agissant d’un immeuble, cette difficultéest toutefois plus facile à surmonter dans la mesure oùsa valeur ne varie en principe pas du tout (ou très peu)sur une courte période. Sa valeur au moment de la dis-parition du for spécial peut ainsi être facilement déter-minée. On retiendra généralement la valeur comptable52

de l’immeuble avant son aliénation, valeur qui doit êtreréduite proportionnellement à la durée de rattachement.

Tout comme dans les cas de répartition du capital en casde fermeture d’un établissement stable en cours de pé-riode fiscale, la Conférence souhaite reprendre, pourl’année de la fermeture, la valeur de l’immeuble à la fin

de la période précédente53. Cette solution n’est cepen-dant pas tout à fait correcte si l’entreprise a dû excep-tionnellement effectuer des amortissements ayant dimi-nué la valeur de l’immeuble entre le début de la périodefiscale et l’aliénation de cet immeuble. Comme exposéci-dessus (ch. 4.3), la valeur de l’actif après l’amortisse-ment doit être prise en compte, dès lors qu’il s’agit là dela dernière valeur – avant la vente – de l’actif constitu-tif du for spécial54.

5 Conclusion

La CSI s’est attelée à la tâche difficile de proposer dessolutions pragmatiques et faciles à mettre en pratiquepour concrétiser les nouvelles règles applicables depuisle 1er janvier 2001. Le résultat sont des propositions derépartitions «de compromis» qui, sur certains points,ont trop privilégié la simplicité et, sur d’autres, ne sesont pas entièrement détachées de la situation existantavant la modification législative en cause.

Ainsi, s’agissant de ce dernier point, l’attribution deséléments extraordinaires en cas de transfert de siège demême qu’en cas d’ouverture d’un établissement stableen cours de période fiscale constitue une entorse mal-heureuse au système de répartition selon des quotes-parts où des attributions prioritaires n’ont plus de raisond’être. Quant à l’excès de simplification, les règles derépartition suivantes en sont une illustration:– la répartition pro rata temporis du bénéfice en cas

de transfert de siège;– la correction correspondante, au profit ou à la char-

ge du canton du siège, de la réduction des élémentsattribués au for créé ou supprimé en cours de pé-riode fiscale pour la répartition du capital;

– la détermination de la quote-part du capital de l’éta-blissement stable fermé (et de l’immeuble de place-ment vendu) en cours de période fiscale sur la basede la quote-part de l’année précédente; et

– la prise en compte des actifs de la période précéden-te pour déterminer le facteur capital de l’établisse-ment stable fermé lorsque la répartition du bénéficeest effectuée en fonction des facteurs de production.

51 Il faut reconnaître qu’en pratique, une telle solution peutconduire au même résultat que celle soutenue par IVO P.BAUMGARTNER (Koordination und Vereinfachung, p. 225). Leraisonnement est cependant différent et à notre avis plusconforme à l’interdiction constitutionnelle de la double im-position intercantonale.

52 KURT LOCHER, § 8, II B, 1, n° 13 et 15.53 Circulaire no17, ch. 462 exemple 9 p. 15.54 Il serait à notre sens faux de se baser sur le prix de vente de

l’immeuble au moment de l’aliénation, dès lors que cet élé-

ment (le prix de vente obtenu en échange de l’immeuble) nepeut (plus) être rattaché au for disparu. Une telle solutionpourrait au demeurant conduire à de grandes distorsions, sila valeur vénale était sensiblement différente de la valeurcomptable, distorsions d’autant moins justifiées que la plu-part des biens de l’entreprise (les immeubles non vendus no-tamment) sont pris pour leur valeur comptable dans la répar-tition intercantonale (cf. dans ce sens la jurisprudence citée ànotre note 52).

Page 57: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

135Daniel de Vries Reilingh, Répartitions intercantonales en cas de modification: survol critique de la Circulaire no17

L’effort fourni est néanmoins louable, dans la mesureoù les circulaires publiées ont permis de clarifier rapi-dement la situation et de combler ainsi l’espace d’insé-curité (juridique) ouvert par ladite modification, au de-meurant bienvenue. Elles proposent en outre sur cer-tains points, et il faut le souligner, des règles de réparti-tion tout à fait adaptées à la nouvelle situation juridiquecréée. Il en va ainsi de la répartition pro rata temporisdu capital en cas de transfert de siège en cours de pé-riode fiscale, de la répartition du bénéfice sans attribu-tion prioritaire en cas de fermeture de l’établissementstable en cours de cette période et de la non prise encompte de l’établissement stable ouvert et fermé aucours de la même période fiscale dans la répartition in-tercantonale du bénéfice et du capital.

Il ne reste maintenant qu’à attendre les arrêts du Tribu-nal fédéral pour savoir si ce dernier suivra ou non lessolutions tracées par la Conférence, le cas échéant surquels points il s’en écartera.

Bibliographie

ATHANAS PETER/WIDMER STEFAN, in: Martin Zweifel/Peter Athanas, Kommentar zum SchweizerischenSteuerrecht, Bundesgesetz über die Harmonisierungder direkten Steuern der Kantone und Gemeinden(StHG), Bd. I/1, 2. A., Basel/Frankfurt am Main 2002

AUER ANDREAS/MALINVERNI GIORGIO/HOTTELIER MICHEL,Droit constitutionnel suisse, Vol. II, Berne 2000

BAUMGARTNER IVO P., Koordination und Vereinfachungder Veranlagungsverfahren für die direkten Steuernim interkantonalen Verhältnis, FStR 2001 137 ff.(1. Teil) und 222 ff. (2. Teil) (cité: Ivo P. Baumgart-ner, Koordination und Vereinfachung)

– Verlustverrechnung im interkantonalen Verhältnis,in FStR 2002, p. 293 et s.

GUNTER JEAN-PIERRE, Pratique de la fiscalité intercan-tonale: L’imposition des entreprises, Revue fiscale43, p.117 et s.

HÖHN ERNST/MÄUSLI PETER, Interkantonales Steuer-recht, Schriftenreihe Finanzwirtschaft und Finanz-recht, Bd. 34, 4. A., Bern/Stuttgart/Wien 2000

HOTTELIER MICHEL, s. Auer Andreas/Malinverni Gior-gio/Hottelier Michel

KURZ HANSPETER, Interkantonale Verlustverrechnungneu geregelt, EC 2001, p. 853 et s.

LOCHER KURT (nachgeführt von: Locher Peter), DiePraxis der Bundessteuern, III. Teil: Das interkanto-nale Doppelbesteuerungsrecht, 4 Bände, Loseblatt-werk, Basel

LOCHER PETER, Einführung in das interkantonaleSteuerrecht, Bern 1999 (cité: Peter Locher, Einfüh-rung)

– Steuerharmonisierung und interkantonales Steuer-recht, Archives 65 (1996/97), p. 609 et s.

MALINVERNI GIORGIO, s. Auer Andreas/MalinverniGiorgio/Hottelier Michel

MÄUSLI PETER, s. Höhn Ernst/Mäusli Peter

PASCHOUD JEAN-BLAISE, Evolution ou révolution dudroit fiscal intercantonal? La loi sur la coordinationet la simplification des procédures de taxation desimpôts directs dans les rapports intercantonaux, Ar-chives 69 (2000/01), p. 837 et s.

RIHNER BAUMGARTNER CLAUDIA, Koordination und Vereinfachung der Veranlagungsverfahren für diedirekten Steuern im interkantonalen Verhältnis, Revue fiscale 2001, p. 177 et s.

WIDMER STEFAN, s. Athanas Peter/Widmer Stefan

Circulaires, ordonnances et messages

Circulaire n° 15 de la CSI (Conférence suisse des im-pôts) du 31 août 2001, «Coordination et simplifica-tion des procédures de taxation des impôts directsdans les rapports intercantonaux»

Circulaire n° 16 de la CSI du 31 août 2001, «L’ordon-nance du Conseil fédéral du 9 mars 2001 sur l’ap-plication de la loi fédérale sur l’harmonisation desimpôts directs dans les rapports intercantonaux»

Circulaire n° 17 de la CSI du 27 novembre 2001, «Ré-partitions intercantonales en cas de modification del’assujettissement en cours de période fiscale dansle système de la taxation annuelle postnumerando(personnes morales)»

Circulaire n° 18 de la CSI du 27 novembre 2001, «Ré-partitions intercantonales en cas de modification del’assujettissement en cours de période fiscale dansle système de la taxation annuelle postnumerando(personnes physiques)»

Ordonnance du Conseil fédéral du 9 mars 2001 sur l’ap-plication de la loi fédérale sur l’harmonisation desimpôts directs dans les rapports intercantonaux(OLHID; RS 642.141)

Message du Conseil fédéral concernant la coordinationet la simplification des procédures de taxation desimpôts directs dans les rapports intercantonaux du24 mai 2000, FF 2000 IV 3587 (cité: Message)

Page 58: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

136

Praxis-Forum

Zur Remittance Clause im DBA-UKProf. Dr. iur. et lic. oec. Robert Waldburger*

Inhalt

1 Ausgangslage

1.1 Sachverhalt und Rechtsfrage

1.2 Britisches Steuerrecht

1.3 Schweizerisch-britische Doppelbesteuerungs -abkommen

2 Problemstellung

2.1 Unterschiedliche Wortlaute von DBA-UK 1954 undFolgeversionen

2.2 These von Steuerpflichtigen und Begründungen

3 Auslegung von DBA-UK 27 Abs. 1

3.1 Bedeutung der unterschiedlichen Wortlaute

3.2 Bedeutung der Materialien

3.3 Auslegung nach internem Recht

3.3.1 Historische Auslegung3.3.1.1 Terminologie in den Materialien zu den verschiede-

nen Fassungen des DBA-UK3.3.1.2 Zweck der Abkommensrevision im Jahre 19663.3.1.3 Exkurs: Verhältnis zwischen Subject-to-Tax Clauses

und Remittance Clause

3.3.2 Grammatikalische Auslegung3.3.3 Teleologische Auslegung3.3.4 Systematische Auslegung3.3.5 Ergebnis der Auslegung nach internem Recht

3.4 Auslegung gemäss WVK

3.4.1 Auslegung nach Treu und Glauben3.4.2 Gewöhnliche Bedeutung3.4.3 Abkommenszusammenhang3.4.4 Ziel und Zweck des Abkommens3.4.5 Ergebnis der Auslegung nach WVK

4 Ergebnis der Auslegung von DBA-UK 27 Abs. 1

Literatur

Rechtsquellen

1 Ausgangslage

1.1 Sachverhalt und Rechtsfrage

In der letzten Zeit ist es verschiedentlich vorgekom-men, dass ursprünglich in der Schweiz ansässige natür-liche Personen ihren Wohnsitz nach Grossbritannienverlegt haben und sodann Einkünfte aus schweizeri-schen Quellen – namentlich Einkünfte aus unselbstän-diger Erwerbstätigkeit und Kapitalabfindungen – er-zielt haben. Diese Personen haben sich gegenüber denschweizerischen Steuerbehörden auf den Standpunktgestellt, dass – sofern die anwendbaren Zuteilungsnor-men des schweizerisch-britischen Doppelbesteuerungs-abkommens (DBA-UK) das Besteuerungsrecht demWohnsitzstaat exklusiv zuweisen – die Schweiz auf ihrBesteuerungsrecht auch dann verzichten müsse, wenndie entsprechenden Beträge nicht nach Grossbritannienüberwiesen worden sind.

Würde sich dieser Standpunkt als zutreffend erweisen,ergäbe sich je nach steuerlichem Status der betroffenenPersonen eine Nullbesteuerung für die entsprechendenEinkommensteile.

Ziel dieses Beitrags ist es zu prüfen, ob das DBA-UKtatsächlich so auszulegen ist, dass sich eine solcheNullbesteuerung ergeben kann.

1.2 Britisches Steuerrecht

Das Steuerrecht Grossbritanniens unterscheidet für na-türliche Personen drei verschiedene Arten des steuerli-chen Status’1:– resident;– ordinarily resident;– domiciled.

Personen, die kumulativ resident, ordinarily residentund domiciled sind, unterliegen mit ihrem weltweitenEinkommen der Steuerpflicht in Grossbritannien. Per-sonen hingegen, die nicht alle diese drei Merkmale er-

* Ordinarius für Steuerrecht an der Universität St. Gallen; der Ver-fasser dankt seinem Assistenten Herrn lic. oec. Felix Schalcherfür seine Mitarbeit.

1 Im Weiteren existiert auch der Status des non-resident; dieserist jedoch für die in diesem Beitrag behandelte Problemstel-lung ohne Bedeutung und wird deshalb im Folgenden ausserAcht gelassen.

Page 59: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

137Prof. Dr. iur. et lic. oec. Robert Waldburger, Zur Remittance Clause im DBA-UK

füllen, sind je nach ihrem Status2 für bestimmte Ein-kommensteile nur dann in Grossbritannien steuerpflich-tig, wenn diese entweder ihre Quelle in Grossbritannienhaben oder wenn sie dorthin überwiesen (engl. remit-ted) werden. Diese Besteuerung wird deshalb taxationon remittance basis genannt3.

1.3 Schweizerisch-britische Doppelbesteue-rungsabkommen

Sämtliche Fassungen des DBA-UK tragen dem Um-stand, dass gewisse Personen der taxation on remittancebasis unterliegen, Rechnung. Das Ziel der entsprechen-den Bestimmungen besteht darin, dass die Schweiz nurdann auf einen ihr nach dem DBA-UK entzogenen Be-steuerungsanspruch verzichten soll, wenn die entspre-chenden Einkommensteile auch tatsächlich nach Gross-britannien überwiesen werden, weil sich nur dann dasDoppelbesteuerungsproblem überhaupt stellt.

Das erste, im Jahr 1954 abgeschlossene DBA-UK(DBA-UK 1954) enthielt noch verschiedene sog. sub-ject-to-tax clauses4; d.h., der Quellenstaat musste dieAbkommensvorteile nur dann gewähren, wenn die ent-sprechenden Einkommensteile im Ansässigkeitsstaatauch tatsächlich besteuert wurden.

Bereits das DBA-UK 1954 enthielt darüber hinaus inArt. II Abs. 2 eine sog. remittance clause; diese besagte,dass Einkünfte aus schweizerischen Quellen nur dannund nur insoweit in der Schweiz zu einem ermässigtenSatz besteuert oder befreit werden mussten, als die ent-sprechenden Einkommen nach Grossbritannien über-wiesen oder dort bezogen wurden, sofern nach demRecht dieses Staates die Überweisung bzw. der Bezugeine Voraussetzung der Besteuerung darstellte.

Im Jahr 1966 haben die Schweiz und Grossbritannien ineinem Protokoll u.a. die subject-to-tax clauses aus demAbkommen beseitigt und damit zusammenhängend dieremittance clause neu gefasst.

Im Jahr 1974 wurde wegen der Änderung des internenbritischen Steuerrechts der Dividendenartikel neu for-muliert, die remittance clause blieb jedoch unverändert.Im Jahr 1977 wurde sodann das DBA-UK dem OECD-Musterabkommen angepasst, und der alte Art. II Abs. 2wurde inhaltlich unverändert in den heute noch gelten-den Art. 27 Abs. 1 übergeführt.

Dieser Artikel lautet wie folgt: «Stehen nach diesemAbkommen Einkünfte aus schweizerischen Quellen im

Genuss einer Entlastung von der schweizerischenSteuer und wird eine natürliche Person für diese Ein-künfte nach der im Vereinigten Königreich geltendenGesetzgebung nicht mit dem vollen Betrag, sondern nurmit dem Teilbetrag besteuert, der nach dem VereinigtenKönigreich überwiesen oder dort bezogen wird, so fin-det die nach dem Abkommen in der Schweiz zu gewäh-rende Steuerentlastung nur auf den Teil der EinkünfteAnwendung, der nach dem Vereinigten Königreichüberwiesen oder dort bezogen wird.»

2 Problemstellung

2.1 Unterschiedliche Wortlaute von DBA-UK1954 und Folgeversionen

Ein Vergleich des Wortlauts der remittance clause imDBA-UK 1954 mit jenem der Abkommensversionenab dem Jahr 1966 zeigt folgenden Unterschied auf:Während das DBA-UK 1954 die Überweisung nachbzw. den Bezug in Grossbritannien als Voraussetzungfür die Gewährung von Abkommensvorteilen durch dieSchweiz aufstellte, wenn Einkünfte aus schweizeri-schen Quellen «von der schweizerischen Steuer befreit»oder «im Genuss einer Ermässigung dieser Steuer ste-hen», wird in den nachfolgenden Abkommensversionenbestimmt, dass diese Voraussetzung gegeben sein muss,wenn die entsprechenden Einkünfte «im Genuss einerEntlastung von der schweizerischen Steuer» stehen.

2.2 These von Steuerpflichtigen und Be-gründungen

Aus diesen unterschiedlichen Wortlauten haben nunSteuerpflichtige mit Einkünften aus schweizerischenQuellen, die in Grossbritannien der taxation on remit-tance basis unterliegen, abgeleitet, die remittance clau-se komme ab 1966 nur dann zur Anwendung, wenn dasBesteuerungsrecht zwischen der Schweiz und Gross -britannien aufgeteilt wird, nicht jedoch, wenn es demAnsässigkeitsstaat Grossbritannien zur ausschliessli-chen Besteuerung zugewiesen wird. Begründet wirddiese These damit, dass ab 1966 im Wortlaut der remit-tance clause (heute DBA-UK 27 Abs. 1) die Wendung«von der schweizerischen Steuer befreit» nicht mehrenthalten sei. Konkrete Auswirkung dieser Rechtsauf-fassung wäre, dass die Überweisung nach Grossbritan-nien nur für Dividenden eine Voraussetzung dafür bil-

2 Es sind die verschiedensten Kombinationen möglich; vgl.HM TREASURY (2003), Box 2.1, S. 5.

3 INLAND REVENUE (1999), Kap. 5.12, S. 28; Kap. 6.2, S. 35;Kap. 8.8, S. 51.

4 DBA-UK 1954 VI Abs. 1–4; VII Abs. 1; XI Abs. 1–2; XII Abs. 1.

Page 60: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

138 Prof. Dr. iur. et lic. oec. Robert Waldburger, Zur Remittance Clause im DBA-UK

den würde, dass die Schweiz auf ihr Besteuerungsrechtteilweise verzichten muss. Für alle anderen Einkom-mensteile, für welche das DBA-UK bestehende schwei-zerische Besteuerungsrechte vollständig zurückdrängt,hätte die Schweiz die Abkommensvorteile auch Perso-nen zu gewähren, welche für die entsprechenden Ein-kommensteile in Grossbritannien der taxation on remit-tance basis unterliegen – und zwar auch dann, wenn kei-ne remittance erfolgt. Die Steuerpflichtigen könnten da-mit eine Nullbesteuerung erreichen, indem sie z.B. Ka-pitalleistungen oder Einkommen aus unselbständigerErwerbstätigkeit aus schweizerischen Quellen, für wel-che das DBA-UK das Besteuerungsrecht dem Ansässig-keitsstaat zuweist, nicht nach Grossbritannien überwei-sen.

Nebst dem unterschiedlichen Wortlaut des DBA-UK1954 und der nachfolgenden Versionen des Abkommenswurden auch die Materialien zum DBA-UK 19665 he-rangezogen, und es wurde geltend gemacht, das DBA-UK 1954 habe lediglich die effektive Doppelbesteue-rung ausgeschlossen, während ab 1966 auch die virtuel-le Doppelbesteuerung verboten sei.

Nachfolgend wird geprüft, ob diese These mit DBA-UK27 Abs. 1 vereinbar sei.

3 Auslegung von DBA-UK 27 Abs. 1

3.1 Bedeutung der unterschiedlichen Wort-laute

Die oben in Abschn. 2.2 dargestellte These stützt sichweitestgehend auf den unterschiedlichen Wortlaut derremittance clause im DBA-UK 1954 einerseits und inden Folgeversionen dieses Abkommens andererseits. Esist deshalb zunächst zu prüfen, ob ein solches, praktischalleiniges Abstellen auf den Wortlaut einer DBA-Normmethodisch zulässig sei.

Doppelbesteuerungsabkommen sind – anders als das in-terne Recht der Staaten und sofern nicht das Abkommen

selbst eine spezielle, zum Ziel führende Auslegungsre-gel enthält6–, gemäss den im Wiener Vertrags-Überein-kommen7 enthaltenen Regeln auszulegen8. Dieses Über-einkommen sieht in Art. 31 vor, dass Verträge:– nach Treu und Glauben;– in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, ihren

Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukom-menden Bedeutung; und

– im Lichte ihres Zieles und Zweckes

auszulegen sind.

Aus dieser Norm wird abgeleitet, dass für die Ausle-gung der Grundsatz des Vorrangs des Vertragstexts gel-te (sog. Vattelsche Maxime9). Auch das Bundesgerichthat diesen Grundsatz anerkannt (vgl. z.B. BGE 97 I359). Vorrang des Vertragstextes heisst jedoch nicht,dass die andern Auslegungselemente ausser Acht gelas-sen werden müssen/dürfen. Das schweizerische Ver-ständnis von Art. 31–33 der Wiener Konvention kannder Botschaft des Bundesrats zum Beitritt der Schweizzur WVK von 1969 entnommen werden: «Aus den Arti-keln 31-33 der Wiener Konvention lässt sich ableiten,dass die Auslegung dazu dienen soll, dem Vertrag zuseinem «effet utile», seiner bezweckten Wirkung zuverhelfen: Diesem Ziel soll die nach Treu und Glaubenals ebenbürtig zu betrachtende wörtliche, systematischeund teleologische Auslegung dienen.»10

3.2 Bedeutung der Materialien

Grosse Zurückhaltung übt die WVK gegenüber den Ma-terialien und den ergänzenden Auslegungsmitteln. Die-se sollen in erster Linie dazu herangezogen werden, umdie sich unter Anwendung von WVK 31 ergebende Be-deutung zu bestätigen. Massgeblich sollen sie jedochnur dann sein, wenn die Auslegung nach Art. 31:– die Bedeutung mehrdeutig oder dunkel lässt, oder– zu einem offensichtlich sinnwidrigen oder unver-

nünftigen Ergebnis führt (WVK 32).

Allerdings respektiert das Bundesgericht die lediglicheingeschränkte Bedeutung der Materialien nicht, son-dern zieht diese regelmässig bei. «Es (das Bundesge-

5 BBl 1966 I 1309 ff.

6 Unabhängig von der Bedeutung, welche DBA-UK 3 Abs. 2 zu-gemessen wird (vgl. zu den unterschiedlichen AuffassungenHÖHN (1993), S. 80 ff.), trägt diese Norm für die hier zu behan-delnde Problemstellung nichts bei.

7 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WVK,SR 0.111).

8 Gemäss WVK 4 gilt dieses Abkommen lediglich für Verträge,die nach Inkrafttreten der WVK abgeschlossen worden sind.Für die Schweiz trat das WVK am 6. Juni 1990, also nach derletzten Änderung des DBA-UK 1977, in Kraft. Die Frage, ob

die im WVK enthaltenen Auslegungsgrundsätze bereits vorderen Inkrafttreten zum in der Schweiz anerkannten Völker-gewohnheitsrecht gehörten, ist umstritten. Vgl. WALDBURGER

(1998), S. 65, FN 61. Im Folgenden wird deshalb DBA-UK 27Abs. 1 sowohl nach den Regeln der WVK als auch nach deninternrechtlichen schweizerischen Auslegungsregeln inter-pretiert.

9 Die Vattelsche Maxime besagt, «qu’il n’est pas permis d’in-terpréter ce qui n’a pas besoin d’interpréter». Vgl. VATTEL(1758), § 263, zitiert nach BGE 97 I 359, E. 3.

10 BBl 1989 II 776.

Page 61: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

139Prof. Dr. iur. et lic. oec. Robert Waldburger, Zur Remittance Clause im DBA-UK

richt) berücksichtigt namentlich die Botschaft des Bun-desrates, wenn diese Auskünfte über den Verhandlungs-ablauf (die ‹Umstände des Vertragsabschlusses›) gibt11.»Auch das Bundesgericht hat in verschiedenen Urteilendem Wortlaut eine grosse Bedeutung beigemessen.

Im Lichte der WVK und der bundesgerichtlichen Recht-sprechung zur Auslegung von Doppelbesteuerungsab-kommen muss somit Folgendes festgehalten werden:1. Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen

kann nicht alleine auf den Wortlaut abgestellt wer-den, auch wenn diesem eine erhebliche Bedeutungzukommt.

2. Gemäss WVK kommt den Materialien nur eine ein-geschränkte Bedeutung zu. Ob dies auch für Dop-pelbesteuerungsabkommen gilt, die vor dem 6. Juni1990 abgeschlossen worden sind, ist umstritten.Das Bundesgericht misst den Materialien – zwarnicht konsequent – eine Bedeutung zu, die über je-ne gemäss WVK 32 hinausgeht12.

3. Soll ein Auslegungsergebnis gefunden werden, dasAussicht auf Bestand bei Überprüfung durch dasBundesgericht hat, müssen bei der Auslegung einesDoppelbesteuerungsabkommens in der Schweizmangels einer kohärenten Rechtsprechung des Bun-desgerichts sowohl die Regeln der WVK als auchjene der Auslegung des internen Rechts angewendetwerden.

3.3 Auslegung nach internem Recht

3.3.1 Historische Auslegung

3.3.1.1 Terminologie in den Materialien zu denverschiedenen Fassungen des DBA-UK

Die Ausdrücke «Befreiung», «Entlastung», «Ermässi-gung», «Herabsetzung» resp. die daraus abgeleitetenVerben und Adjektive («befreit» etc.) werden in denMaterialien zum DBA-UK 1954 nicht einheitlich ver-wendet. In den Materialien zum Protokoll 1966 zur Än-derung des DBA-UK 1954 sowie zum DBA-UK 1977hingegen wird konsequent der Begriff «Entlastung» alsOberbegriff für die Befreiung und die teilweise Ermäs-sigung gebraucht.

DBA-UK 1954Die Botschaft zum DBA-UK 1954 spricht ausschliess-lich von «Befreiung» bzw. «befreit»13, obwohl das Ab-

kommen die Wendungen «befreit» und «Ermässigung»enthält14. Es wird auch im Zusammenhang mit DBA-UK 1954 VII Abs. 1–4 von «Befreiung» gesprochen,obwohl dort auch Ermässigungen von der schweizeri-schen Verrechnungssteuer geregelt werden.

Das Kreisschreiben des Bundesrats zum DBA-UK 1954macht hingegen die Unterscheidung zwischen «Befrei-ung» und «Herabsetzung»15.

Protokoll 1966 zur Änderung des DBA-UK 1954 (Ab-kommensrevision)In der Botschaft zum Protokoll 196616 wird bei den Aus-führungen zu Art. 2 des Protokolls einheitlich von «Ent-lastungen» gesprochen, obwohl auch Fälle der Steuer-befreiung (Zinsen und Lizenzgebühren) erwähnt wer-den17. Hier wird also der Begriff «Entlastung» als Ober-begriff für die Befreiung und die teilweise Ermässigungverwendet.

DBA-UK 1977Auch in der Botschaft zu diesem Abkommen wird derBegriff «Entlastung» implizit als Oberbegriff für dieBefreiung und teilweise Ermässigung verwendet. InBBl 1978 I 221 wird denn auch ausgeführt, dass «ge-wisse im Ausland erzielte Einkünfte nur dann und nursoweit der britischen Einkommensbesteuerung unter-worfen sind…». Im Weiteren wird gesagt, dass – umNicht-Besteuerungen zu vermeiden – die «Entlastung»der schweizerischen Einkünfte von den schweizeri-schen Steuern nur auf dem nach Grossbritannien über-wiesenen Betrag erfolge18. Wäre die in Abschn. 2.2 dar-gestellte These der Steuerpflichtigen richtig, hätte dieBotschaft hier nicht generell von schweizerischen Ein-künften sprechen dürfen, sondern einzig von Dividen-den, weil dies die einzige Einkunftskategorie ist, für dieeine teilweise Herabsetzung von der schweizerischenVerrechnungssteuer vorgesehen ist. Alle anderen Ein-künfte, für welche die Schweiz eine Entlastung ge-währt, sind von den schweizerischen Steuern befreit.

ErgebnisDie These, wonach der in DBA-UK 27 Abs. 1 verwen-dete Begriff «Entlastung» lediglich die teilweise Er-mässigung von der schweizerischen Verrechnungs -steuer, nicht jedoch die Befreiung von den Steuern vonBund, Kantonen und Gemeinden umfasse, erweist sichim Lichte der Materialien zu den verschiedenen Fassun-gen des DBA-UK als unzutreffend.

11 HÖHN (1993), S. 78.

12 Dass die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu den DBAnicht hilfreich ist, wurde nachgewiesen von WALDBURGER

(1998), S. 51 ff.

13 BBl 1954 II 712.

14 DBA-UK 1954 II Abs. 2.

15 Kreisschreiben (25.03.1955), S. 593.

16 BBl 1966 I 1309 ff.

17 BBl 1966 I 1310.

18 BBl 1978 I 221.

Page 62: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

140 Prof. Dr. iur. et lic. oec. Robert Waldburger, Zur Remittance Clause im DBA-UK

3.3.1.2 Zweck der Abkommensrevision imJahre 1966

Eines der Ziele der Abkommensrevision von 1966 wares, die sog. subject-to-tax clauses aus dem Abkommenzu beseitigen.

Hingegen ging es dabei nicht darum, die remittanceclause materiell zu ändern; sie sollte lediglich den Neu-fassungen der Artikel über die Dividenden, Zinsen undLizenzgebühren angepasst werden. Aus der Botschaftdes Bundesrates19 geht der Zweck der Beseitigung dersubject-to-tax clauses klar hervor. Es sollte für die Inan-spruchnahme des Abkommens durch z. B. Institutionendes Staates (welche ja steuerbefreit sind) kein konkreterBesteuerungsnachweis mehr verlangt werden20. Aus denunmittelbar folgenden Ausführungen in der Botschaftwird ersichtlich, dass an der Voraussetzung der remit-tance keine Änderungen vorgenommen werden sollten(mit Ausnahme der Anpassung an die Artikel über dieDividenden, Zinsen und Lizenzgebühren). Schon ausletzterer Ausführung der Botschaft geht klar hervor,dass die geltend gemachte Einschränkung auf Dividen-den gemäss der in Abschn. 2.2 dargestellten These nichterfolgt ist.

ErgebnisEinziger Zweck der hier relevanten Abkommensände-rung war es, die subject-to-tax clauses aus dem Abkom-men zu entfernen, um die Abkommensvorteile steuerbe-freiten Institutionen zu gewähren. Eine darüber hinaus-gehende Änderung der Voraussetzungen zur Inan-spruchnahme – wie sie von den Verfechtern der inAbschn. 2.2 dargestellten These in diese Fassung desAbkommens hinein interpretiert wird – kann den Mate-rialien nicht entnommen werden.

3.3.1.3 Exkurs: Verhältnis zwischen Subject-to-Tax Clauses und Remittance Clause

Unbestritten ist, dass:– im Jahr 1966 die subject-to-tax clauses aus dem Ab-

kommen entfernt wurden, und– in ein Abkommen nicht eine Voraussetzung der Be-

steuerung in einem Staat hinein interpretiert werdendarf, weil die Doppelbesteuerungsabkommen –wenn nicht ausdrücklich etwas anderes festgelegtist – sowohl die aktuelle als auch die virtuelle Dop-pelbesteuerung vermeiden.

Unzutreffend ist jedoch die Auffassung, wonach dasEntfernen der subject-to-tax clauses, verbunden mit der

Neuformulierung von DBA-UK II Abs. 2 (heute DBA-UK 27 Abs. 1), zu einer Einschränkung der remittancebase clause auf die Steuerentlastung bei Dividenden ge-führt habe. Insbesondere ist es verfehlt zu argumentie-ren, dass in Fällen, in denen das Abkommen im Quel-lenstaat Schweiz eine Steuerbefreiung vorsieht, dieÜberweisung nach England deshalb keine Vorausset-zung für die Inanspruchnahme des Abkommens darstel-le, weil das DBA-UK seit 1966 die Bedingung, dass esin Grossbritannien zu einer effektiven Besteuerungkommt, nicht mehr kenne.

Abgesehen davon, dass sich mit einer solchen Argu-mentation auch bei den Dividenden die Voraussetzungder Überweisung nach Grossbritannien weg interpretie-ren liesse, wird verkannt, dass DBA-UK 27 eine lexspecialis für jene natürlichen Personen darstellt, die inGrossbritannien einen besonderen Steuerstatus genies-sen. Für diesen Personenkreis gilt im Ergebnis weiter-hin eine umfassende Bedingung für die Inanspruchnah-me des Doppelbesteuerungsabkommens: Solche Perso-nen können die Abkommensvorteile nur dann und nurinsoweit in Anspruch nehmen, als sie die entsprechen-den Beträge nach England überweisen oder als diesedort bezogen werden.

An dieser lex specialis hat sich durch den Umstand,dass für alle andern Personen – namentlich für steuerbe-freite Institutionen (vgl. oben, Abschn. 3.3.1.2) – unterdem DBA-UK 1966 keine Voraussetzung der effektivenBesteuerung mehr gilt, nichts geändert.

3.3.2 Grammatikalische Auslegung

Die zu prüfende These basiert auf der Annahme, der Be-griff der Entlastung in DBA-UK 27 Abs. 1 betreffe nurFälle, bei denen das Besteuerungsrecht zwischen derSchweiz und Grossbritannien aufgeteilt wird, nicht je-doch Fälle, in denen der Quellenstaat Schweiz gemässDBA-UK auf ein Besteuerungsrecht ganz verzichtenmuss.

Ein solches Verständnis kann jedoch dem Wortlaut desAusdrucks «Entlastung» nicht entnommen werden. DerBegriff «Entlastung» bedeutet gemäss allgemeinemSprachgebrauch «Erleichterung», «Befreiung»21. ImRecht der Doppelbesteuerungsabkommen steht dieserBegriff für eine gegenüber dem internen Recht der Ver-tragsstaaten herabgesetzte Steuerbelastung. «Entlas-tung» enthält jedoch keine Aussage über das Ausmassder Herabsetzung der Steuer; diese kann eine teilweise

19 BBl 1966 I 1310 (Ziff. 2).

20 Ein weiteres – in der Botschaft nicht erwähntes – Beispiel wä-ren die steuerbefreiten Institutionen wie Pensionskassen etc.

21 Vgl. PELTZER/NORMANN (2000), S. 244.

Page 63: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

141Prof. Dr. iur. et lic. oec. Robert Waldburger, Zur Remittance Clause im DBA-UK

oder eine volle sein. «Entlastung» steht deshalb alsOberbegriff für eine teilweise oder ganze Herabsetzungder Steuer aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkom-mens. Der Begriff schliesst somit auch eine Befreiung(in Deutschland wird von Freistellung22 gesprochen)mit ein.

Dieses Begriffsverständnis wird durch andere von derSchweiz abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkom-men bestätigt. So sprechen z.B. Art. 22 des DBA-Bel-gien und Art. 23 des DBA-Deutschland von «Entlastun-gen» von den Steuern auf Dividenden, Zinsen und Li-zenzgebühren. Lizenzgebühren werden gemäss diesenbeiden Abkommen nur im Ansässigkeitsstaat besteuert(Befreiung); im Verhältnis zu Deutschland gilt diesauch für Zinsen, während für Zinsen im Verhältnis zuBelgien und für Dividenden im Verhältnis zu beidenStaaten eine Aufteilung des Besteuerungsrechts Platzgreift. Auch hier wird die Bedeutung des Begriffs derEntlastung als Oberbegriff für die volle und die teil -weise Herabsetzung von Steuern im Quellenstaat bestä-tigt.

Auch die Eidg. Steuerverwaltung verwendet den Be-griff der Entlastung sowohl für Fälle, in denen es zu ei-ner teilweisen, als auch für Fälle, in denen es zu einervollständigen Herabsetzung einer Steuer im Quellen-staat kommt. So heisst z.B. die Sammlung mit den For-mularen und Erläuterungen für die Inanspruchnahmevon schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommenbezüglich ausländischer Steuern «Steuerentlastungenauf Grund von Doppelbesteuerungsabkommen» bzw.«Dégrèvements des impôts sur la base des conventionsde double imposition».

ErgebnisDas in der hier zu prüfenden These dem Begriff der Ent-lastung zugedachte Verständnis steht weder im Ein-klang mit dem im normalen Sprachgebrauch üblichennoch mit dem in den Doppelbesteuerungsabkommenverwendeten Begriffsverständnis. Der Begriff der Ent-lastung lässt offen, ob es aufgrund eines Doppelbe-steuerungsabkommens zu einer teilweisen oder zu einervollständigen (Befreiung) Herabsetzung einer Steuerkommt.

3.3.3 Teleologische Auslegung

Die remittance clause im DBA-UK war stets und istauch heute auf jenen Personenkreis zugeschnitten, derin Grossbritannien der taxation on remittance basis un-terliegt23. Sinn dieser Norm ist es, für Einkommensteile,die in England nicht besteuert werden, nicht den zusätz-

lichen Vorteil der Inanspruchnahme des Doppelbesteue-rungsabkommens zu gewähren. Die Schweiz ist seitdem ersten Doppelbesteuerungsabkommen aus demJahr 1954 nicht bereit, auf ihr nach internem Recht zu-stehendes Steuersubstrat zu verzichten, wenn eine na-türliche Person in Grossbritannien den beschriebenenbesonderen Steuerstatus geniesst und dort eine Besteue-rung mangels Überweisung unterbleibt. Es wäre sinn-und zwecklos, den Verzicht auf schweizerisches Steuer-substrat nur bezüglich Dividenden, nicht aber bezüglichanderer Einkunftsteile von den in DBA-UK 27 Abs. 1genannten Bedingungen abhängig zu machen. Die sys-tematische Gewährung eines doppelten Vorteils –Nichtbesteuerung in Grossbritannien und Gewährungder Abkommensvorteile – für alle andern Einkünfte alsfür Dividenden würde eine willkürliche Privilegierungder Empfänger von Renten, Arbeitseinkünften etc. bzw.eine willkürliche Diskriminierung der Dividendenemp-fänger darstellen. Ein solches, sinn- und zwecklosesVerständnis des Begriffs der Entlastung ist abzulehnen.

ErgebnisSinn und Zweck von DBA-UK 27 Abs. 1 ist es, Personen,die in Grossbritannien den besonderen Steuerstatus dertaxation on remittance basis geniessen, umfassend vonden Abkommensvorteilen auszuschliessen, wenn keineremittance nach Grossbritannien erfolgt. Eine Ein-schränkung dieser Rechtsfolge auf Dividenden wäre mitSinn und Zweck dieser Bestimmung nicht vereinbar.

3.3.4 Systematische Auslegung

Aus der systematischen Stellung der remittance clausekann nichts zugunsten der hier zu überprüfenden Theseabgeleitet werden. Im Gegenteil: Hätten die Vertrags-parteien im Jahr 1966 und danach die remittance als Vo-raussetzung für die Inanspruchnahme von Abkommens-vorteilen des im DBA-UK umschriebenen Personen-kreises auf Dividenden beschränken wollen, wäre esaus systematischer Sicht angebracht gewesen, diese Vo-raussetzung im jeweiligen Dividendenartikel (heuteDBA-UK 10) und nicht in Art. 27 zu regeln, der unterdem Titel «Verschiedene Bestimmungen» steht. In die-sem Artikel finden sich einerseits Bestimmungen, diegenerell für die Abkommensanwendung gelten (z.B.DBA-UK 27 Abs. 2 und 3), andererseits Bestimmungen,die sich auf bestimmte Einkunftsteile beziehen (z.B.DBA-UK 27 Abs. 6, 7, 8 und 9). DBA-UK 27 Abs. 1 ge-hört zur ersten Kategorie und stellt eine lex specialis fürden dort genannten Personenkreis dar. Sollte diese Be-stimmung nur für Dividenden gelten, wäre – alternativzur Regelung in DBA-UK 10 selbst – die Erwähnung

22 Vgl. z. B. VOGEL (1996), DBA, Vor Art. 6–22, Rz. 3 ff. 23 Vgl. oben, Abschn. 1.3.

Page 64: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

142 Prof. Dr. iur. et lic. oec. Robert Waldburger, Zur Remittance Clause im DBA-UK

dieses Artikels in DBA-UK 27 angezeigt gewesen. Einsolcher Bezug zu DBA-UK 10 findet sich jedoch inDBA-UK 27 Abs. 1 nicht.

ErgebnisAus der systematischen Stellung von DBA-UK 27Abs. 1 ist abzuleiten, dass diese lex specialis für dendort genannten Personenkreis für den gesamten Gel-tungsbereich des Abkommens, und nicht nur für Divi-denden, gilt.

3.3.5 Ergebnis der Auslegung nach internemRecht

Sämtliche Auslegungselemente sprechen gegen dieThese, wonach seit Inkrafttreten des DBA-UK 1966 beiPersonen, die in Grossbritannien der taxation on remit-tance basis unterliegen, die Voraussetzung der remittan-ce für die Inanspruchnahme des DBA-UK für aus derSchweiz stammende Einkünfte nur für Dividenden gel-te. Vielmehr gilt die Voraussetzung der remittance fürsämtliche Einkünfte, für welche die Schweiz einen Be-steuerungsverzicht – Herabsetzung oder Befreiung –leisten muss.

3.4 Auslegung gemäss WVK

3.4.1 Auslegung nach Treu und Glauben

Das nach den Regeln des internen Rechts gefundeneAuslegungsergebnis steht im Einklang mit dem Erfor-dernis, Staatsverträge nach Treu und Glauben, d.h. nichtspitzfindig zum Nachteil des Vertragspartners – Gross-britannien – auszulegen. Grossbritannien ist von diesemAuslegungsergebnis gar nicht betroffen; sein Besteue-rungsrecht wird durch das gefundene Auslegungsergeb-nis in keiner Weise tangiert. Die für die Abkommensan-wendung zuständigen britischen Behörden haben dennauch bei der Eidg. Steuerverwaltung nie gegen die Praxisschweizerischer Veranlagungsbehörden inter ve niert24.

3.4.2 Gewöhnliche Bedeutung

Wie oben aufgezeigt worden ist25, besteht die gewöhnli-che Bedeutung des Begriffs der Entlastung darin, dassdamit der Obergriff für die Herabsetzung bzw. Befrei-ung von einer schweizerischen Steuer gemeint ist. Dasfür das interne Recht gefundene Auslegungsergebnissteht deshalb mit der gewöhnlichen Bedeutung i.S. vonWVK 31 Abs. 1 in Einklang.

3.4.3 Abkommenszusammenhang

Die systematische Auslegung hat zum Ergebnis geführt,dass aus den unterschiedlichen Wortlauten der remittan-ce clause des DBA-UK 1954 einerseits und der Folge-versionen des DBA-UK andererseits keine unterschied-liche Bedeutung der verwendeten Ausdrücke abgeleitetwerden kann.

3.4.4 Ziel und Zweck des Abkommens

Ziel und Zweck der Doppelbesteuerungsabkommen istdie Vermeidung von Doppelbesteuerungen. Das nachden Regeln des internen Rechts und der übrigen Ausle-gungselemente gemäss WVK gefundene Auslegungser-gebnis führt nicht zu einer Doppelbesteuerung, sondernzur Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung undstimmt deshalb mit Ziel und Zweck des DBA-UK über-ein26.

3.4.5 Ergebnis der Auslegung nach WVK

Das für das interne Recht gefundene Auslegungsergeb-nis wird bei Anwendung der Auslegungsregeln derWVK bestätigt.

4 Ergebnis der Auslegung von DBA-UK 27 Abs. 1

Die Auslegung von DBA-UK 27 Abs. 1 sowohl nach in-ternem Recht als auch nach den Regeln der WVK hatgezeigt, dass die Voraussetzung des Bezugs in Grossbri-tannien oder der Überweisung nach Grossbritannien fürdie Inanspruchnahme von Abkommensvorteilen fürEinkünfte aus schweizerischen Quellen nicht nur fürDividenden, sondern für sämtliche im DBA-UK gere-gelten Einkünfte gilt, sofern und soweit eine in Gross-britannien ansässige natürliche Person dort für die ent-sprechenden Einkommensteile den besonderen Steuer-status der taxation on remittance basis geniesst.

Die betreffenden Steuerpflichtigen bzw. deren Beratersind gehalten, gegenüber den schweizerischen Steuer-behörden die entsprechenden Angaben zu machen, undLetztere sind dazu aufgerufen, Entlastungsgesuche vonin Grossbritannien ansässigen Personen entsprechendzu kontrollieren.

24 Quelle: Auskunft zuständiger Sachbearbeiter bei der Eidg.Steuerverwaltung.

25 Vgl. oben, Abschn. 3.3.2.

26 Mit dieser Aussage soll nicht einer Auffassung das Wort ge-redet werden, wonach eine doppelte Nichtbesteuerung in

keinem Fall resultieren könne. Ergibt sich aus der Anwen-dung der übrigen Auslegungsregeln ein solches Ergebnis,kann nicht mit Referenz auf Ziel und Zweck des DBA ein Er-gebnis konstruiert werden, das zu einer Einmalbesteuerungführt.

Page 65: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

143Prof. Dr. iur. et lic. oec. Robert Waldburger, Zur Remittance Clause im DBA-UK

Literatur

HM TREASURY (2003), Reviewing the residence and domicile rules as they affect the taxation of indivi-duals: a background paper, April 2003 (auf Internetabrufbar unter: www.inlandrevenue.gov.uk/budget2003/residence_domicile.pdf [Stand: 22.04.2003])

HÖHN ERNST (1993), Begriff, Aufgaben und Rechts-quellen des Internationalen Steuerrechts, in: ErnstHöhn (Hrsg.), Handbuch des Internationalen Steu-errechts der Schweiz, 2., überarbeitete und ergänzteA., Bern, Stuttgart, Wien, 1993

INLAND REVENUE (1999), Residents and non-residents –Liability to tax in the United Kingdom, Internatio-nal Series IR20, 1999 (auf Internet abrufbar unter:www.inlandrevenue.gov.uk/pdfs/IR20.pdf [Stand:22.04.2003])

LANG MICHAEL/MÖSSNER JÖRG M./WALDBURGER RO-BERT (1998), Die Auslegung von Doppelbesteue-rungsabkommen in der Rechtsprechung der Höchst-gerichte Deutschlands, der Schweiz und Öster-reichs, Schriftenreihe zum Internationalen Steuer-recht, Bd. 6, Wien 1998

MÖSSNER JÖRG M., s. Lang Michael/Mössner Jörg M./Waldburger Robert (1998)

PELTZER KARL/V. NORMANN REINHARD (2000), Das tref-fende Wort: Wörterbuch sinnverwandter Ausdrü-cke, 25. A., Thun 2000

V. NORMANN REINHARD, s. Peltzer Karl/v. NormannReinhard (2000)

VATTEL EMER DE (1758), Le droit des gens ou principesde la loi naturelle appliqués à la conduite aux affai-res des nations et des souverains, Leiden 1758

VOGEL KLAUS (1996), DBA – Doppelbesteuerungsab-kommen, Kommentar, 3. A., München 1996

WALDBURGER ROBERT, s. Lang Michael/Mössner JörgM./Waldburger Robert (1998)

Rechtsquellen

DBA-UK 1954: Abkommen zwischen der Schweizeri-schen Eidgenossenschaft und dem Vereinigten Kö-nigreich von Grossbritannien und Nordirland zurVermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Ge-biete der Steuern vom Einkommen, abgeschlossenam 30. September 1954 (SR 0.672.936.711)

DBA-UK 1977: Abkommen zwischen der Schweizeri-schen Eidgenossenschaft und dem Vereinigten Kö-nigreich von Grossbritannien und Nordirland zur

Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebietder Steuern vom Einkommen, abgeschlossen am8. Dezember 1977 (SR 0.672.936.712)

Kreisschreiben (25.03.1955): Kreisschreiben des Bun-desrates an die Regierungen der Kantone betreffenddas Abkommen mit Grossbritannien zur Vermei-dung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete derEinkommenssteuern (vom 25.März 1955), BBl1955 I, S. 585–601

Protokoll 1966: Protokoll zwischen der Schweizeri-schen Eidgenossenschaft und dem Vereinigten Kö-nigreich von Grossbritannien und Nordirland zurÄnderung des am 30. September 1954 in Londonunterzeichneten Abkommens zur Vermeidung derDoppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuernvom Einkommen, BBl 1966 I, S. 1316–1325

WVK: Wiener Übereinkommen über das Recht der Ver-träge, abgeschlossen in Wien am 23.Mai 1969(SR 0.111)

Page 66: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

144

Literatur-Forum

Toni Hess,

Die Besteuerung der Anlagefonds und der anlagefondsähnlichen Instrumente sowie derenAnteilsinhaber in der SchweizDiss. Universität Zürich, Zürich 2001Rezensent: Dr. oec. HSG Kurt Arnold*

Inhalt

1 Einleitung

2 Aufbau und inhaltliche Schwerpunkte

2.1 Grundsätzliches und steuerliche Grundlagen

2.2 Die Besteuerung der Anlagefonds

2.3 Die Besteuerung der Anteilsinhaber von Ausschüttungsfonds

2.4 Die Besteuerung der Anteilsinhaber von Thesaurie-rungsfonds

2.5 Die anlagefondsähnlichen Instrumente und besondere steuerrechtliche Probleme

2.6 Die Entlastung von der schweizerischen Verrechnungssteuer und den ausländischen Quellensteuern

2.7 Anregungen

3 Würdigung

1 Einleitung

Seit der Publikation der St.Galler Dissertation von Car-la Wassmer zur Besteuerung der Anlagefonds im Jahre19821 hat sich das Fondsgeschäft enorm entwickelt. Diein Anlagefonds investierten Vermögen haben sich welt-weit vervielfacht. Durch das revidierte Anlagefonds -gesetz vom 18.März 1994, das Steuerharmonisierungs-gesetz, das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuersowie verschiedene Kreisschreiben der Eidgenössi-schen Steuerverwaltung haben auch die rechtlichen undsteuerlichen Rahmenbedingungen tief greifende Ände - rungen erfahren. So ist es nicht nur gerechtfertigt, son-dern überaus verdienstvoll, dass sich Toni Hess dieserdeutlich komplexer gewordenen Materie erneut ange-nommen hat.

Um es vorwegzunehmen: Toni Hess hat sich nicht miteiner aktualisierten Version der Arbeit von Carla Wass-mer zufrieden gegeben. Vielmehr ist eine sehr eigen-ständige und in jeder Hinsicht umfassende Schrift vonüber 620 Seiten entstanden. Angesichts der Fülle derbearbeiteten Sachfragen und der vielen Facetten, die inder Dissertation angesprochen werden, fällt es dem Re-zensenten nicht leicht, auf knappem Raum die Arbeitvorzustellen und zu würdigen.

2 Aufbau und inhaltliche Schwer-punkte

2.1 Grundsätzliches und steuerliche Grund-lagen

In einem ersten Teil beschreibt Toni Hess die allgemei-nen rechtlichen Grundlagen des Fondsgeschäftes sowiederen Organisationsformen und grenzt den Anlagefondsvon den übrigen Formen kollektiver Kapitalanlage ab. Ineinem zweiten Teil widmet er sich den für die Anlage-fonds und ihre Investoren massgeblichen steuerrechtli-chen Grundlagen. Er beleuchtet dabei schwergewichtigdie direkten Steuern von Bund, Kantonen und Gemein-den, befasst sich aber auch mit der Verrechnungssteuer,den Stempelabgaben sowie den Handänderungssteuern.

* Steuerkonsulent bei der Credit Suisse Group, Zürich

1 Carla Wassmer, Die Besteuerung der Anlagefonds und derenAnleger, Schriftenreihe Finanzwirtschaft und Finanzrecht,Bd. 33, Bern 1982.

Page 67: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

145Kurt Arnold, Toni Hess: Die Besteuerung der Anlagefonds und der anlagefondsähnlichen Instrumente

Er setzt sich dabei mit verschiedenen Fragen auseinan-der, die über die eigentliche Besteuerung der Anlage-fonds und ihrer Anteilsinhaber hinausgehen und die Be-steuerung der Erträge und Gewinne aus Vermögen ganzgenerell betreffen. Zu erwähnen ist etwa die sorgfältigeUntersuchung von Lehre und Rechtsprechung zur Ab-grenzung zwischen Privat- und Geschäftsvermögen so-wie der Judikatur zum kontroversen Thema des soge-nannten gewerbsmässigen Wertpapierhändlers.

Breiten Raum widmet Toni Hess den zahlreichen Proble-men, die mit der Abgrenzung von steuerfreiem Kapital-gewinn und steuerbarem Kapitalertrag zusammenhän-gen, und geht beispielsweise der Frage nach, inwieferndas strenge Nennwertprinzip bei der Besteuerung vonLiquidationsüberschüssen angewendet werden dürfe. Erkommt – eigentlich nicht überraschend – zum Ergebnis,dass de lege lata statt dessen dem Kapitalrückzahlungs-prinzip der Vorzug gebührt. Er vertritt auch die Position,dass sich erhaltene Marchzinsen in allen Fällen (undnicht bloss bei Obligationen mit überwiegender Einmal-verzinsung) als Vermögensertrag qualifizieren.

2.2 Die Besteuerung der Anlagefonds

Im dritten und fünften Teil der Dissertation befasst sichToni Hess mit der Besteuerung der Anlagefonds. Ergliedert seine Ausführungen nach der durch das Anlage-fondsgesetz vorgenommenen Einteilung in Effekten-fonds und übrige Fonds einerseits und Immobilienfondsanderseits. Bei den Immobilienfonds unterscheidet erzwischen solchen mit direktem und solchen mit indirek-tem Grundbesitz.

Bezüglich der Besteuerung der Effektenfonds sieht derVerfasser bei den direkten Steuern kaum Probleme, weildie Fondsleitung das Fondsvermögen lediglich treuhän-derisch für die Anteilsinhaber hält. Nicht der Fondsselbst, sondern die Anteilsinhaber sind für das Fonds-vermögen und die daraus fliessenden Erträge steuer-pflichtig. Interessante Erkenntnisse sind der Arbeit zurVerrechnungssteuer zu entnehmen. Sie betreffen steuer-rechtliche Qualifikationsfragen, Verbuchungsmodalitä-ten bei Sonderfällen – wie etwa Obligationen mit über-wiegender Einmalverzinsung oder Gratisaktien – sowiedie unterschiedliche Besteuerung von ausschüttendenund thesaurierenden Fonds.

Einlässlich setzt sich Toni Hess sodann mit den Immo-bilienfonds auseinander. Im Gegensatz zu den Effekten-fonds unterliegen Immobilienfonds mit direktem Grund-besitz als eigenständige Steuersubjekte den direktenSteuern von Bund und Kantonen (Art. 66 Abs. 3 DBG,Art. 26 Abs. 3 StHG). Hier geht der Verfasser vertieftder Frage nach, was bei richtiger Auslegung unter «Ertrag» zu subsumieren sei: nur die Mietzinseinnah-

men oder auch Grundstückgewinne? Er kommt dabeisehr schlüssig zum Ergebnis, dass trotz gleichem Wort-laut DBG und StHG unterschiedlich auszulegen sind:Bei der direkten Bundessteuer fallen nur die Vermö-genserträge, im StHG jedoch zusätzlich auch die Kapi-talgewinne unter den Ertragsbegriff. Dieses Ergebniserscheint Hess zwingend, wenn man den Anlagefondsals transparentes Vehikel zu akzeptieren bereit ist undder unterschiedlichen Besteuerung von privaten Grund-stückgewinnen beim Bund und in den Kantonen Rech-nung tragen will. Bemerkenswert sind weiter auch dieAusführungen zur Frage, ob Immobilienfonds mit di-rektem Grundbesitz, an welchen sich ausschliesslichsteuerbefreite Einrichtungen der beruflichen Vorsorgebeteiligen, für ihren Ertrag von der Steuerpflicht ausge-nommen werden können. Obgleich aufgrund des Geset-zeswortlautes (Art. 49 Abs. 2 DBG, Art. 201 StHG) sichdieser Schluss a priori nicht aufdrängt, kommt ToniHess mittels einer „teleologischen Reduktion» zur Auf-fassung, dass sich dies aus der Ratio der Bestimmungergibt. Daher unterlägen die Immobilienfonds mit steu-erbefreiten Einrichtungen der beruflichen Vorsorge alsAnteilsinhaber nicht der Besteuerung. In neuerer Zeitist diese Doktrin durch die Veranlagungspraxis offenbarübernommen worden (vgl. z.B. den Anlagefonds CreditSuisse 1a Immo PK).

Anders als bei den Immobilienfonds mit direktemGrundbesitz sind die Immobilienfonds mit indirektemGrundbesitz, d.h. jene, welche über Immobiliengesell-schaften in Grundeigentum investieren, nicht Subjektder Gewinn- und Kapitalsteuern. Trotzdem entsteht einezusätzliche Besteuerungsebene, indem sowohl die Im-mobiliengesellschaften als auch die Anteilsinhaber fürihre Erträge/Einkommen und ihr Kapital/Vermögensteuerpflichtig sind. Die verschiedenen spezifischenProbleme, die sich den Fonds und ihren Immobilienge-sellschaften daraus stellen, sind in der Dissertation vonToni Hess sorgfältig dargestellt. Es sind dies z.B. Fra-gen des verdeckten Eigenkapitals, der wirtschaftlichenHandänderung, die Bedeutung des Belegenheitsprinzipsfür die Grundstückgewinnsteuer usw…

Schliesslich befasst sich der Autor in diesem Zusam-menhang auch mit Steuerfragen, die sich aus der Über-führung von Liegenschaften vom indirekten in den direkten Grundbesitz und umgekehrt ergeben. Er hältdie gesetzliche Lösung von Artikel 207 DBG, der denWechsel vom indirekten zum direkten Grundbesitz erleichtern wollte, für völlig verunglückt. Die Tatsache,dass trotz den gesetzlich angebotenen Erleichterungenkaum Überführungen in den direkten Grundbesitz statt-gefunden haben, scheint Toni Hess Recht zu geben.

Page 68: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

146 Kurt Arnold, Toni Hess: Die Besteuerung der Anlagefonds und der anlagefondsähnlichen Instrumente

2.3 Die Besteuerung der Anteilsinhaber vonAusschüttungsfonds

Im vierten Teil der Dissertation beleuchtet Toni Hessdie Steuerfolgen beim Anteilsinhaber, und zwar getrenntnach Effektenfonds und Immobilienfonds mit direktembzw. indirektem Grundbesitz. Entsprechend dem «Le-benszyklus» einer Investition in einen Anlagefonds un-tersucht er die Steuerfolgen beim Kauf der Anteile,während der Besitzdauer, beim Verkauf an Dritte, beimVerkauf an die Fondsleitung und bei der Auflösung desFonds. Toni Hess legt gleich zu Beginn dieses Teils seiner Dissertation überzeugend dar, dass aus der pro-fessionellen Verwaltung des Fondsvermögens durchdie Fondsleitung keinesfalls tel quel auf einen ge-werbsmässigen Wertschriftenhandel des Anteilsinha-bers ge schlos sen werden dürfe. In der in der Schweiznach wie vor kontrovers diskutierten Frage der steuer-lichen Behandlung der an körperschaftlich organisier-ten (ausländischen) Anlagefonds Beteiligten ist ToniHess der dezidierten Auffassung, dass die Anteilsinha-ber wie Aktionäre zu besteuern seien. Er setzt sich da-mit in Widerspruch zu der von der EidgenössischenSteuerverwalt ung und einer Mehrzahl der Kantone ge-handhabten Praxis, wonach z.B. die Beteiligten luxem-burgischer SICAV wie Anteilsinhaber vertraglicherFonds besteuert werden.

2.4 Die Besteuerung der Anteilsinhaber vonThesaurierungsfonds

In einem sechsten Teil seiner Arbeit setzt sich Hess vorallem mit zwei Kreisschreiben der EidgenössischenSteuerverwaltung auseinander, die die Fondsbesteue-rung massgeblich beeinflusst haben. Zunächst geht esum das Kreisschreiben vom 23. November 1989, inwelchem die Eidgenössische Steuerverwaltung die aufStufe des thesaurierenden Fonds erzielten Vermögens -er träge als durch den Anteilsinhaber realisiert bezeich-net. Nach sorgfältiger Analyse dieses Kreisschreibenskommt Toni Hess zum Ergebnis, dass die thesauriertenVermögenserträge den Anteilsinhabern rechtlich, wirt-schaftlich und steuerlich zuzuordnen sind. Er hält dasKreisschreiben daher für richtig. Er schliesst sich auchhinsichtlich der Behandlung der Marchzinsen im Er-gebnis der Eidgenössischen Steuerverwaltung an, in-dem er deren Nichtbesteuerung beim Veräusserer derFondsanteile für vertretbar erachtet. Während die Eid-genössische Steuerverwaltung und das Bundesgerichtjedoch Marchzinsen auf periodisch fälligen Erträgenals Kapitalgewinne qualifizieren, beurteilt sie ToniHess grundsätzlich als steuerbaren Kapitalertrag, dernur wegen des unpraktikablen Vollzuges nicht erfasstwerden soll.

Mit dem Kreisschreiben vom 6. Mai 1994 ordnete dieEidgenössische Steuerverwaltung an, dass das schon er-wähnte Kreisschreiben vom 23.November 1989 betref-fend die Besteuerung der zurückbehaltenen Erträge ver-traglicher Thesaurierungsfonds sinngemäss auch aufdie körperschaftlichen Fonds, wie z.B. die luxemburgi-schen SICAV, angewendet werden muss. Hier kann derAutor der Eidgenössischen Steuerverwaltung nun nichtmehr folgen. Er legt überzeugend dar, dass die 1994eingeführte Praxisänderung zum einen gegen Art. 49Abs. 3 DBG verstösst und zum andern rechtsdogmatischnicht haltbar ist, weil sie die körperschaftliche Strukturder SICAV einfach negiert.

Im Weiteren kritisiert Toni Hess die Praxis jener Kan -tone, welche die körperschaftliche Struktur der SICAVzwar anerkennen, bei der Rückgabe der Anteile an dieSICAV aber strikt das Nennwertprinzip anwenden. Dadie SICAV keinen Nennwert aufweisen, führt dies regelmässig dazu, dass in derartigen Fällen der gesamteErlös als steuerbares Einkommen erfasst wird. ToniHess lehnt die Anwendung des integralen Nennwert-prinzips beim SICAV mangels einer ausreichendenRechtsgrundlage kategorisch ab und postuliert, die seiner Ansicht nach bestehende Lücke sei durch die Anwendung des Kapitalrückzahlungsprinzips zuschliessen.

2.5 Die anlagefondsähnlichen Instrumenteund besondere steuerrechtliche Probleme

Im siebten Teil seiner Dissertation unternimmt ToniHess Exkurse in die den Anlagefonds ähnlichen Inves-titionsformen und grenzt sie untereinander ab. Er un-tersucht dabei vor allem die Besteuerung von bankin-ternen Sondervermögen, Investment-Klubs, Anlagestif-tungen, Investmentgesellschaften, Hedge Funds sowieIndex-, Regionen- und Basketzertifikaten. Teils teilendiese Instrumente ihr steuerliches Los mit den Anlage-fonds, teils unterliegen sie aber auch eigenen Regeln.

Der achte Teil der Arbeit ist hauptsächlich einigen besonderen Erscheinungsformen von Anlagefonds ge-widmet, wie den Umbrellafonds oder den Funds ofFunds (Dachfonds). Bei den Funds of Funds ist von besonderer Bedeutung, ob sie entsprechend der Kon-zeption des Kreisschreibens vom 23. November 1989als steuerlich transparent angesehen werden und somitalle Einkünfte der in der Regel ausländischen Anlage -instrumente in Kapitalerträge und Kapitalgewinne auf-geteilt werden müssen. Toni Hess unterstützt ausdrück-lich die durch die Eidgenössische Steuerverwaltung ge-troffene pragmatische Zweiteilung bei der Besteuerungder Einkünfte aus Funds of Funds: Funds, welche aus-

Page 69: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

schliesslich kapitalgewinnorientiert investieren, geltenals nicht transparent; die übrigen Fonds werden nachden Kriterien des Kreisschreibens vom 23. November1989 besteuert, d.h., die in den Subfonds erzielten Ver-mögenserträge sind beim Anteilsinhaber steuerbar, Ka-pitalgewinne bleiben beim privaten Anleger steuerfrei.

2.6 Die Entlastung von der schweizerischenVerrechnungssteuer und den ausländi-schen Quellensteuern

Grosses Gewicht misst Toni Hess in einem neunten Teilden Problemen bei, die sich im Zusammenhang mit denin- und ausländischen Quellensteuern ergeben, die ent-weder bei Auszahlungen an Fonds oder deren Anteilsin-haber anfallen. Die Materie erweist sich als ausseror-dentlich komplex. Anschauliche Schemata und Dia-gramme ermöglichen es aber dem Leser, den Überblickdoch einigermassen zu behalten.

Hinsichtlich der Entlastung von an den Fonds ausge-schütteten Erträgen stellt sich vor allem die Frage, in-wieweit dem Anteilsinhaber selbst ein Anspruch aufEntlastung zusteht. Toni Hess bejaht in gewissen Konstellationen einen derartigen Anspruch aus rechtli-cher Sicht ausdrücklich, muss dann angesichts der sichaus diesem Lösungsansatz ergebenden Vollzugsproble-me aber doch die Segel wieder streichen. In der Praxisals vollziehbar erweist sich eigentlich nur die Rücker-stattung an den Fonds, wenn dies dogmatisch auch derTreuhandkonstruktion vertraglicher Fonds widerspre-chen mag. Eine solche sieht Art. 26 VStG für inländi-sche Fonds ausdrücklich vor. Staatsvertraglich verein-bart ist ein gleicher Anspruch der Fonds mit sechs Län-dern, nämlich mit Deutschland, Frankreich, Grossbri-tannien, den Niederlanden, Österreich und Schweden.Anlagefonds mit Erträgen aus anderen Ländern ist diedirekte Rückforderung verwehrt, so dass für manchenFonds die schweizerische Verrechnungssteuer oder eineausländische Quellensteuer zu einer definitiven Belas-tung führt. Statt eines Rückerstattungsanspruchs ge-währen Australien, Japan und Kanada den Fonds eineEntlastung schon an der Quelle. Entsprechend der soge-nannten Adressmethode fallen dadurch den schweizeri-schen Anlagefonds die Abkommensvorteile automa-tisch zu. Ein an die Eidgenössische Steuerverwaltungabzuführender Steuerrückbehalt im Ausmass der amFonds beteiligten ausländischen Investoren stellt sicher,dass nicht abkommensberechtigte Personen von denVorteilen der jeweiligen DBA ausgeschlossen sind.

Toni Hess geht in diesem Zusammenhang auch sehrgründlich den Problemen nach, die sich den Anlagefondsmit der Einführung des Qualified Intermediary-Konzepts(QI) der USA ab 1. Januar 2001 stellen. Die Möglichkeitdes Fonds, nach den «check-the-box rules» als Benefi -

cial Owner zu optieren, entbindet diesen zwar davon, je-den einzelnen Anteilsinhaber der amerikanischen Depot-bank bzw. der schweizerischen QI-Bank zu melden, be-rechtigt aber den Fonds nicht, Abkommensvorteile inAnspruch zu nehmen. Auch hier ist somit zur Zeit derüber An lagefonds Investierende im Vergleich zum Direkt-anleger benachteiligt.

Weniger einschneidende Probleme bieten die Quellen-steuern, die von an Anteilsinhaber ausgeschütteten Er-trägen abgezogen werden. Die Entlastungen richten sichnach dem Recht des Quellenstaates sowie den einschlä-gigen Doppelbesteuerungsabkommen. Lesenswert sindhier namentlich die Ausführungen zum sogenannten Af-fidavitverfahren, das es schweizerischen Fonds erlaubt,unter gewissen Voraussetzungen Erträge an ausländi-sche Anteilsinhaber ohne Abzug der Verrechnungssteuerauszuzahlen. Diese Erträge müssen zu mindestens 80%aus ausländischen Quellen stammen (Art. 27 VStG). Toni Hess bezeichnet dieses Verfahren, bei dem die Ent-lastung nicht auf einem DBA beruht, als einen System-bruch. Er ist jedoch bereit, diesen im Interesse der Kon-kurrenzfähigkeit der Schweiz als Standort für Anlage-fonds hinzunehmen.

2.7 Anregungen

In seinem abschliessenden Ausblick spricht sich ToniHess für die Zulassung körperschaftlich organisierterFonds in der Schweiz aus und regt an, dass mit weiterenLändern Abkommen geschlossen werden, die die Gel-tendmachung der doppelbesteuerungsrechtlichen Vor-teile durch die Anlagefonds möglich machen. Die eben-falls vorgeschlagene Herabsetzung der schweizerischenVerrechnungssteuer dürfte Wunschtraum bleiben. Einwesentlich tieferer Satz würde den Sicherungscharakterder Verrechnungssteuer schwächen und dadurch Begeh-ren nach erleichtertem Zugang zu Kundendaten beiBanken und erweiterten Informationspflichten der Finanzintermediäre gegenüber in- und ausländischenSteuerbehörden Aufwind geben.

3 Würdigung

Toni Hess hat mit seiner Dissertation eine ausserordent-lich umfassende und sorgfältige Abhandlung geschrieben.Das Schwergewicht liegt, wie der Titel schon sagt, bei denSteuerfragen, die sich den Anlagefonds und deren Teilha-bern stellen. Da aber den Fonds grundsätzlich die gleichenAnlagemöglichkeiten offen stehen wie dem Direktinves-tor, ist seine Arbeit durch ihr weites Spektrum der behan-delten Sachfragen zu einem weiten Teil auch ein Kompen-dium für Steuerprobleme der Kapitalanlagen ganz gene-

IFF Forum für Steuerrecht 2003

147Kurt Arnold, Toni Hess: Die Besteuerung der Anlagefonds und der anlagefondsähnlichen Instrumente

Page 70: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

148 Kurt Arnold, Toni Hess: Die Besteuerung der Anlagefonds und der anlagefondsähnlichen Instrumente

rell. Damit ist natürlich anderseits auch die grundsätzlicheFrage des Umfangs von Dissertationen angesprochen.

Toni Hess hat sich sehr gründlich, da und dort sogar akri-bisch mit dem einschlägigen Schrifttum, der Steuer-rechtspraxis und der Judikatur auseinandergesetzt. Erhat dabei wiederholt eigenständige Positionen bezogenund diese wissenschaftlich solid abgestützt. Trotz ihrerstrengen Systematik und dem Tiefgang der Argumenta-tionen ist die Arbeit nicht graue Theorie. Im Gegenteil:Toni Hess ist bestrebt, wo immer möglich dem PraktikerHilfestellungen zu geben, sei es mit Übersichten, Tabel-len, Berechnungs- und Verbuchungsbeispielen oder Hinweisen auf die im konkreten Fall zu verwendendenFormulare und einzuschlagenden Verfahrensschritte.Die Praxistauglichkeit wird durch eine gut lesbare Sprache unterstrichen. Allerdings bringt es die bis infein s te Verästelungen durchgehaltene Dezimalklassi -fika tion (bis zu 7 Stellen) mit sich, dass dem Leser schoneinmal kurzzeitig die Orientierung verloren gehen kann.

Die umfassende Monographie von Toni Hess zu allenFacetten des Anlagefondsgeschäftes setzt einen Mark-stein. Sie ist nicht nur Fondsmanagern, Kapitalanlegernsowie deren Beratern, sondern auch allen an einer vertieften rechtlichen Durchdringung dieser Materie Interessierten wärmstens zur Lektüre empfohlen. DerBlumensteinpreis 2001 ist einem würdigen Kandidatenmit einer herausragenden Arbeit zugesprochen worden.

Page 71: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

149

Gesetzgebungs-Forum

Das Bandbreitenmodell der materiellen SteuerharmonisierungLic. oec. Kurt Stalder*/Dr. iur. Ulrich Cavelti**

Inhalt

1 Einleitung

2 Staatsrechtliche und staatspolitische Überlegungen zur materiellen Steuerharmonisierung

2.1 Argumente für eine materielle Harmonisierung

2.1.1 Rationalisierungsfunktion2.1.2 Steuergerechtigkeit2.1.3 Verhinderung der Steuerflucht2.1.4 Föderalismus2.1.5 Wettbewerbsneutralität der Steuern

2.2 Die rechtliche Umsetzung der materiellen Steuerharmonisierung

2.3 Übergangsrechtliche Problematik

2.4 Fazit aus staatsrechtlicher und staatspolitischer Sicht

3 Auswirkungen auf die Kantons- und Gemeinde -finanzen

3.1 Gefahr zunehmender Verschuldung von Kantonen und Gemeinden

3.2 Steuerpolitik voll in Bundeshand

3.3 Steuererhöhungen für Pflichtige in unteren Einkommensschichten

3.4 Anpassungen zur Hauptsache in eine Richtung: nach oben

3.5 Finanzielle Folgen des Bandbreitenmodells; Vergleich mit der NFA

3.6 Fazit aus finanzwirtschaftlicher Sicht

1 Einleitung

Die Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufga-ben zwischen Bund und Kantonen (NFA) befindet sichgegenwärtig in parlamentarischer Beratung. Die Volks-abstimmung über die damit verbundenen Verfassungs-änderungen findet voraussichtlich im Frühjahr 2004statt. Die Vorlage dürfte eine Annäherung der Steuerbe-lastungsunterschiede zwischen den Kantonen um rund20 Prozent bringen. Einigen Kreisen geht dies zu wenigweit. So hat die Sozialdemokratische Fraktion derBundes versammlung Prof. Hans Schmid (St.Gallen) be-auftragt, eine Kombination von materieller Steuerhar-monisierung und NFA zu prüfen. Der Beauftragte legteim Juli 2001 einen Bericht vor, in welchem solche Mög-lichkeiten beleuchtet werden. Zudem zeigt er einen Regelungsvorschlag auf Verfassungsstufe auf. Die SPSträgt sich mit dem Gedanken, diesen Vorschlag alsVolksinitiative zu lancieren, wenn die NFA nicht einestarke Annäherung der interkantonalen Steuerbelas-tungsunterschiede bringt.

Der Bericht von Prof. Schmid1 schlägt ein so genanntesBandbreitenmodell für die Steuerbelastung vor. Aus -gehend von verschiedenen, durch den Bund festzule -genden Einheitstarifen (inkl. Steuerfreibeträgen) für dieEinkommens- und die Vermögenssteuern der natür -lichen Personen sowie die Gewinn- und die Kapital -steuern der juristischen Personen würde allen Kantonenund Gemeinden nur noch eine Differenzierung dieserEinheits-Steuertarife um ±20 Prozent erlaubt. Die ma-ximalen Steuerbelastungsunterschiede würden sich aufein Verhältnis von 1:1,5 reduzieren, wogegen sich heu-te im Extremfall zwischen Freienbach/SZ sowie Lauter-brunnen/BE bei gewissen Einkommensgruppen ein Ver-hältnis von 1:4,7 ergibt.

Das Bandbreitenmodell würde für gewisse Kantone undGemeinden (mit heute hoher Steuerbelastung) Einnah-

* Vorsteher der Finanzverwaltung des Kantons Luzern und Sekretär der Finanzdirektorenkonferenz

** Präsident des Verwaltungsgerichts des Kantons St.Gallen undLeiter der Koordinations- und Beratungsstelle der Finanzdirek-torenkonferenz

1 Hans Schmid, Materielle Steuerharmonisierung und Neuer Finanzausgleich; Möglichkeiten und Grenzen der Kombinationder beiden Harmonisierungsinstrumente – Regelungsvor-schläge auf Verfassungsstufe; Gutachten im Auftrag derSozial demokratischen Fraktion der Bundesversammlung,St.Gallen 2001, publiziert auf www.sp-ps.ch.

Page 72: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

150 Kurt Stalder/Ulrich Cavelti, Das Bandbreitenmodell der materiellen Steuerharmonisierung

menausfälle zur Folge haben, für gewisse Kantone undGemeinden (mit heute tiefer Steuerbelastung) Mehrein-nahmen. Diese Veränderungen wären über den Finanz-ausgleich zu korrigieren, insbesondere über die in derNFA vorgesehenen Instrumente des Ressourcenaus-gleichs und des Lastenausgleichs. Den Kantonen würdevorgeschrieben, für den innerkantonalen Finanzaus-gleich ein analoges System anzuwenden.

Die Auswirkungen dieses Systems der materiellenSteuer harmonisierung auf die Kantone und Gemeindenwären einschneidend. Es wird nachfolgend versucht,die gravierendsten Folgen aufzuzeigen. In einem ersten Abschnitt wird auf die staatsrechtlichen und staatspo li -tischen Konsequenzen hingewiesen. Der zweite Teil befasst sich mit den Auswirkungen auf die Kantons-und Gemeindefinanzen, wobei nur auf die Einkom-menssteuerbelastung der natürlichen Personen einge-gangen wird; die Erkenntnisse für die Vermögens -steuern der natürlichen Personen sowie die Gewinn-und Kapitalsteuern der juristischen Personen wärenähnlich.

2 Staatsrechtliche und staatspoliti-sche Überlegungen zur materiel-len Steuerharmonisierung

2.1 Argumente für eine materielle Harmoni-sierung

2.1.1 Rationalisierungsfunktion

Die Rationalisierungsfunktion spricht die mit der ma -teriellen Steuerharmonisierung erhofften Rationali -sierungsmöglichkeiten für das schweizerische Steuer -system und die damit erwartete Effizienzsteigerung deröffentlichen Verwaltung an.

Zweifellos wird der Gesetzgebungsaufwand minimiert,wenn anstelle von 27 Steuerordnungen nur noch eineBundessteuerordnung geschaffen werden muss. DiePraxis zeigt indessen, dass bereits heute die 26 kantona-len Steuerordnungen in grossen Teilen auch in materiel-ler Hinsicht angeglichen sind, ohne dass ein Zwang zurvollständigen Harmonisierung besteht. Untersuchungender Schweizerischen Steuerkonferenz haben ergeben,dass in mehreren nicht harmonisierten und nicht insStHG integrierten Bereichen die Kantone ihre kantona-len Steuergesetze untereinander angeglichen haben unddiesbezüglich das DBG die Rolle eines Mustergesetzesübernommen hat. Bestehende Abweichungen lassensich mit kantonalen und regionalen Besonderheiten erklären, die damit weiterhin berücksichtigt werden können, ohne dass ein Zwang zur vollständigen Nivel-lierung besteht.

2.1.2 Steuergerechtigkeit

Mit der materiellen Steuerharmonisierung soll für dieganze Schweiz aufgrund des Gleichmässigkeitsgebotseine einheitliche Steuerlast für in wirtschaftlich gleichenVerhältnissen lebende Bürger geschaffen werden.

Die heutige föderalistische Ausgestaltung der kanto nalenSteuergesetze widerspricht der Steuergerechtigkeitnicht. Die allgemein anerkannten Grundsätze zur Steuer -gerechtigkeit, nämlich die Besteuerung nach der wirt-schaftlichen Leistungsfähigkeit sowie die Grundsätzeder Allgemeinheit und der Gleichmässigkeit der Steuer(Art. 127 Abs. 2 BV), erfüllen auch die kantonalenSteuer ordnungen. Diese Grundsätze können nur inner -halb eines autonomen Gemeinwesens realisiert werden,nicht aber über die territoriale Hoheit des Souveräns hin -aus. Mit andern Worten führt das Postulat der materiellenSteuerharmonisierung direkt zu einem Einheitsstaat undzur Aufgabe des föderalistischen Staatsaufbaus. Mit demgleichen Argument müsste man eine einheit liche Steuer-ordnung z.B. für ganz Europa fordern.

2.1.3 Verhinderung der Steuerflucht

Die materielle Steuerharmonisierung will die Steuer-flucht in einen steuergünstigen Kanton oder eine steuer-günstige Gemeinde verhindern.

Dieses Argument unterstellt, dass die Wahrnehmung vonverfassungsmässigen Rechten, wie das Recht auf per-sönliche Freiheit (Art. 10 BV) oder die Niederlassungs-freiheit (Art. 24 BV), zwar legal, aber nicht legitim sei.Gleichzeitig wird mit dem Blick auf die EU und ihre Be-mühungen zum Ausmerzen von Steueroasen eine absolutgleiche fiskalische Belastung für alle Bürger des EU-Raums postuliert. Eine derartige, allgemeine Gleichma-cherei kann indessen nicht erstrebenswert sein, wennman den Grundsatz der Selbstbestimmung des Individu-ums hochhält.

2.1.4 Föderalismus

Aufgrund des Gleichmässigkeitspostulats der materiel-len Steuerharmonisierung wird eine Stärkung des Föde-ralismus unterstellt.

Dieses Argument verkennt vollständig, dass die autono-me Bestimmung über die Finanzen nicht nur bei denAusgaben, sondern ebenso sehr bei den Einnahmen ent-scheidend ist (siehe Abschn. 2.2 «Die rechtliche Umset-zung der materiellen Steuerharmonisierung»).

2.1.5 Wettbewerbsneutralität der Steuern

Die materielle Steuerharmonisierung will die Wettbe-werbsneutralität dadurch sicherstellen, dass steuergüns-tige Gemeinden keinen Standortvorteil mehr besitzen.

Page 73: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

151Kurt Stalder/Ulrich Cavelti, Das Bandbreitenmodell der materiellen Steuerharmonisierung

Der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität des Staatsverlangt, dass innerhalb des gleichen Hoheitsgebietsnicht wettbewerbsverzerrende Vergünstigungen angebo-ten werden. Materielle Steuerharmonisierung aufgrunddes Postulats der Wettbewerbsneutralität bedeutet somitautomatisch die Aufgabe der Gebietshoheit von Gemein-den und Kantonen und die Übertragung auf den Bund.

2.2 Die rechtliche Umsetzung der materiel-len Steuerharmonisierung

Der Vorschlag verlangt eine materielle Steuerharmoni-sierung aller direkten kantonalen und kommunalen Steu-ern, mit Ausnahme der Kirchensteuern. Die Steuerbelas-tungsunterschiede dürfen eine bestimmte Bandbreitenicht übersteigen. Diese Schwankungsbreiten wären imKanton auf die Kantons- und Gemeindesteuern zu ver-teilen. Dies hätte gravierende Auswirkungen auf dieAufgabenerfüllung.

Die Kantone und Gemeinden haben bestimmte Aufga-ben zu erfüllen. Diese Aufgaben können selbstgewähltoder vom Bund oder den Kantonen übertragen sein. DieFinanzierung dieser Aufgaben hat durch das Gemeinwe-sen zu erfolgen. Genügen die finanziellen Mittel zur Erfüllung der gesetzlich vorgegebenen Aufgaben nicht,so hat ein anderes Gemeinwesen die fehlenden Mittel zuersetzen. Dies setzt voraus, dass das zuschusspflichtigeGemeinwesen eine Kontrolle über das Gemeinwesenausübt, welches die Mittel einverlangt. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Mittelverwendungzweckmässig und gesetzmässig ist. Mit andern Wortensetzt die Einführung einer verbindlichen Bandbreite vo-raus, dass der Bund gegenüber den Kantonen und Ge-meinden eine effiziente Finanzkontrolle einsetzt und tat-sächlich ausübt. Die Budgets von Kantonen und Gemeinden, die Finanzausgleichsmittel beanspruchen,sind demzufolge dem Bund zur Genehmigung zu unter-breiten, ebenso die Rechnungsabschlüsse.

Dieselben Überlegungen gelten auch für gutsituierteKantone und Gemeinden, welche den Steuerfuss sen-ken wollen. Diese sind ja grundsätzlich verpflichtet,überschüssige, für die Erfüllung ihrer Aufgaben nichtbenötigte finanzielle Mittel dem Bund zur Ausgestal-tung des horizontalen Finanzausgleichs abzuliefern.Auch dies verlangt eine effiziente Mittelverwendung,und der Bund muss kontrollieren, dass die effektivnicht benötigten Mittel abgeführt werden. Demzufolgehaben auch die bestsituierten Kantone und Gemeindendem Bund Budget und Rechnung zur Genehmigung zuunterbreiten.

Das Gutachten Schmid schweigt sich zu dieser Proble-matik vollständig aus. Es geht stillschweigend davonaus, dass die Finanzausgleichsinstrumente, die in den

Kantonen gegenüber den Gemeinden zum Einsatzkommen, ohne weiteres auf den Bund übertragen wer-den können. Dabei wird ausser Acht gelassen, dass dieKantone aus der Sicht der Bundesverfassung originäreHoheitsträger sind, nicht aber die Gemeinden. Die Gemeinden sind nur insoweit autonom, als die kanto-nale Verfassung bzw. Gesetzgebung dies vorsieht(Art. 50 Abs. 1 BV). Dies ist ein wesentlicher Unter-schied zur Selbständigkeit der Kantone nach schweize-rischem Verfassungsverständnis. Diesen Unterschiedenwird im Gutachten keinerlei Beachtung geschenkt.

2.3 Übergangsrechtliche Problematik

Die materielle Steuerharmonisierung soll innert dreiJahren realisiert werden. Sofern dies nicht möglich ist,erlässt der Bundesrat nach Ablauf der drei Jahre aufdem Verordnungsweg die entsprechenden gesetzesver-tretenden Bestimmungen. Dieser Zeithorizont ist völligunrealistisch. Wenn man daran denkt, dass allein dieVerwirklichung der formellen Harmonisierung über 25 Jahre gedauert hat, wird es nicht möglich sein, aufdem ordentlichen Gesetzgebungsweg innert drei Jahreneine materielle Steuerharmonisierung durchzuführen.Dabei muss man sich nicht an den 25 Jahren für die for-melle Harmonisierung orientieren, es genügt ein Blickauf die Komplexität der Materie und die allgemeinePraxis im Gesetzgebungsprozess.

Die Übergangsregelung macht deutlich, dass das föde-ralistische System im Finanzbereich völlig zerschla-gen werden soll. Die vorgesehenen Zeithorizonte erlauben nicht einmal die Umsetzung auf dem ordent-lichen Gesetzgebungsweg. Es dürfte zudem selbst demBundesrat schwer fallen, innert drei Jahren auf demVerordnungsweg ein materiell harmonisiertes Steuer-recht zu konzipieren.

2.4 Fazit aus staatsrechtlicher und staats-politischer Sicht

Die materielle Steuerharmonisierung operiert mit ver-fassungsrechtlichen Grundsätzen, die nur dann greifen,wenn man von einem Einheitsstaat ausgeht. Solangeman akzeptiert, dass die Schweiz ein föderalistischesStaatsgebilde mit selbständigen Gebietskörperschaftenund eigenen autonomen Rechtssetzungskompetenzenist, finden die aus dem Gleichheitssatz abgeleiteten Pos-tulate nur innerhalb der autonomen Gebietskörperschaf-ten Anwendung.

Die unreflektierte Ausdehnung der Grundsätze des innerkantonalen Finanzausgleichs auf einen interkanto-nalen Finanzausgleich übersieht, dass alsdann sowohlgutsituierte wie schlechtsituierte Gemeinwesen derKontrolle des übergeordneten Staatswesens unterstellt

Page 74: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

152 Kurt Stalder/Ulrich Cavelti, Das Bandbreitenmodell der materiellen Steuerharmonisierung

werden müssen. Damit wird unmittelbar ein Zentral-staat geschaffen.

Die vorgeschlagene Übergangsregelung ist zudem un-realistisch und verstärkt die Tendenz zum Einheitsstaat.

3 Auswirkungen auf die Kantons-und Gemeindefinanzen

3.1 Gefahr zunehmender Verschuldung vonKantonen und Gemeinden

Heute ist jeder Kanton autonom, die Steuersätze und dieSteuerfreibeträge im Steuergesetz festzulegen. Auf deren Basis ergeben sich die Steuergrundbeträge («einfa-che Steuer»). Durch Multiplikation dieser Steuergrund-beträge mit den Steuerfüssen des Kantons und der Ge-meinde ergibt sich der geschuldete Steuerbetrag. DieSteuerfüsse der Kantone und der Gemeinden spiegelnunter anderem den Bedarf wider, der sich aus den Präfe-renzen der Parlamente und der Bürgerinnen und Bürger in der Ausgabenpolitik ergibt. Die Festlegungdes Steuerfusses ist Ausdruck für direkte Demokratieund Selbstverantwortung. In diesem Sinne ist heute Deckungsgleichheit zwischen Ausgabe, Kompetenzund Verantwortung gegeben. Diese Selbstverantwor -tung wirkt zweifellos ausgabendämmend.

Völlig ungeklärt ist im Bandbreitenmodell das Verhält-nis der Steueraufteilung zwischen dem Kanton und seinen Gemeinden. Die Gemeinden werden noch mehrals heute vom Kanton abhängig. Der Kanton wird denGemeinden die Ausschöpfung des Einheitstarifs vor-schreiben müssen. Die Gemeinden laufen mit dem Mo-dell auch Gefahr, wegen allfälliger künftiger Steuerer-höhungen des Kantons finanziell immer mehr einge-schränkt zu werden, weil die Maxima fixiert sind undsie Steuererhöhungen durch die Kantone nicht mit einereigenen Steuererhöhung kompensieren können.

Mit dem Bandbreitenmodell fällt die Möglichkeit, dieEinnahmen entsprechend dem Bedarf zu variieren, zumgrössten Teil weg. Die Zuschläge zu den Einheitstarifenwären auf 20 Prozent beschränkt. Höhere Steuern dürf-ten nicht verlangt werden. Es ist eine offen gelasseneFrage, was passiert, wenn die Ausgaben wegen gesell-schaftlicher Bedürfnisse oder neuer Bundesgesetze steigen oder wenn Bürgerinnen und Bürger oder Parla-mente zusätzliche laufende Ausgaben oder Investitio-nen beschliessen. Die Finanzierung kann beim Band-breitenmodell diesem höheren Standard nicht angepasstwerden. Die Antwort ist rasch gefunden: Die Verschul -d ung erhöht sich. Anschauliche Beispiele dafür gibt esin Deutschland. Die Einnahmen der deutschen Kommu-nen sind zu weiten Teilen durch den Bund einheitlich

geregelt. Weil die steigenden Ausgaben nicht mit Ein-nahmenerhöhungen aufgefangen werden können, stehtes um die Finanzen der deutschen Kommunen sehrschlecht.

Folge davon könnte eine zunehmende Aufgabenverlage-rung auf den Bund und damit ein verstärkter Zentralis-mus sein. Keine realistische Möglichkeit wäre es, zuGunsten der verschuldeten Kantone und Gemeinden lau-fend den Umfang des Ressourcenausgleichs zu erhöhen.Dies würde die Leistungsbereitschaft der Zahlerkantoneund -gemeinden rasch zunichte machen. Auch hier lässtsich auf das abschreckende deutsche Beispiel des Län-derfinanzausgleichs mit der vollständigen Nivellierungverweisen. Bekanntlich hat das deutsche Bundesverfas-sungsgericht diesen Finanzausgleich auf Klage der Bun-desländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen auf-gehoben.

3.2 Steuerpolitik voll in Bundeshand

Die Regelungskompetenz betreffend die direkten Steu-ern, insbesondere betreffend Tarif, Freibeträge, Pro-gressionsverlauf und Marginalsätze, liegt heute zumüberwiegenden Teil bei den Kantonen. Die Kantone legen diese Parameter nach eigenen politischen Bedürf-nissen und nach der Struktur der Kantonsbevölkerungund des Steuersubstrats fest. Dabei nehmen die Kantoneauch auf die Strukturen ihrer Gemeinden Rücksicht.Die kantonalen und kommunalen Besonderheiten werden berücksichtigt, wie Verstädterung, hohe Anteilean landwirtschaftlicher Bevölkerung, hohe Anteile anAlleinstehenden, hohe Kinderzahlen, besondere Ver-hältnisse bei den Kapitalgesellschaften usw. Grundsätz-lich besitzt heute jeder Kanton das massgeschneiderteSteuersystem, das für ihn, seine Gemeinden, seineBevölker ung und seine Wirtschaft ein optimales Resul-tat bringt.

Der Steuertarif des Kantons X kann nicht auf den Kan-ton Y angewendet werden. Hätte der Kanton Jura bei-spielsweise den Steuertarif des Kantons Genf, vermin-derten sich die Einnahmen des Kantons Jura um dieHälfte.

Mit dem vorgeschlagenen Modell wären – mit Ausnahmeder ± 20-Prozent-Bandbreite – alle Steuerrechts-Kom -petenzen in Bundeshand. Insbesondere könnte der Bundesgesetzgeber die marginale Steuerbelastung, denProgressionsverlauf oder die Freigrenzen nach eigenemGutdünken ändern. Es ist klar, dass dabei nicht mehr aufdie besonderen Strukturen der einzelnen Kantone undGemeinden Rücksicht genommen werden könnte. Pe -riodische Veränderungen bei diesen Parametern würdendamit die einzelnen Kantone finanziell ganz unterschied-lich treffen, und es wäre ihnen verunmöglicht, die Aus-

Page 75: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

153Kurt Stalder/Ulrich Cavelti, Das Bandbreitenmodell der materiellen Steuerharmonisierung

wirkungen – mit Ausnahme des Ausschöpfens der Band-breite von ± 20 Prozent – über den Steuerfuss zu korrigie-ren. Die einzelnen Gemeinden mit ihren kleineren Struk-turen wären davon noch in einem viel grösseren Ausmassbetroffen. Auf solche Veränderungen müsste mit einerAnpassung des Finanzausgleichssystems reagiert wer-den, wobei es unmöglich wäre, dabei exakt immer dierichtigen Kantone und Gemeinden zu begünstigen oderzu belasten.

Es wäre aber auch zu erwarten, dass die Steuertarife derdirekten Bundessteuer und der harmonisierten Kantons-und Gemeindesteuern über kurz oder lang gleichge-schaltet würden, zumal dies eine administrative Verein-fachung mit sich brächte. Die Anwendung eines solchenEinheitstarifs könnte für die Kantone und Gemeindennoch einschneidendere Veränderungen bringen. Wennman sich in Richtung des einer Reichtumssteuer ähnli-chen Tarifs der direkten Bundessteuer bewegte, entgingeden meisten Kantonen und Gemeinden ein grosser Teilihres Steuersubstrats. Wenn man sich in Richtung einesalle Einkommensgruppen umfassenden Tarifs bewegte,würde sich der Bund am bisherigen Steuer subs trat derKantone und Gemeinden vermehrt bedienen.

Mit einem Einheitstarif würde man sich einem Steuer-verbund-Modell nach deutschem Muster nähern. InDeutschland wird heute mühsam versucht, davon weg-zukommen, um für die Finanzpolitik der Länder undGemeinden mehr Spielraum und positive Anreize zuschaffen.

3.3 Steuererhöhungen für Pflichtige in unte-ren Einkommensschichten

In der Öffentlichkeit ist die Ansicht verbreitet, mit dermateriellen Steuerharmonisierung werde endlich derSteuerflucht der Gutsituierten in die so genannten«Steueroasen» ein Riegel geschoben. Dies kann der Fallsein. Es ist aber zu beachten, dass in diesen Kantonenund Gemeinden die Steuerbelastung für die unterenEinkommenskategorien ebenfalls sehr günstig ist.

Auch breite Kategorien von Steuerpflichtigen in Kanto-nen und Gemeinden mit einem sehr sozialen Steuertarif(hohe Freigrenze, spät einsetzende Progression) hättenmit dem neuen Modell höhere Steuern zu bezahlen.

Dies soll anhand der Kantone Genf und Zug sowie derGemeinde Küsnacht/ZH aufgezeigt werden (s. Grafik 1).Genf ist ein Kanton mit einer sehr tiefen Steuerbelastungin den unteren Kategorien und einer hohen Steuerbelas-tung in den oberen Kategorien, währenddem der KantonZug für alle Kategorien steuergünstig ist. In der Gemein-de Küsnacht/ZH kommt der soziale Tarif des KantonsZürich, kombiniert mit einem tiefen Steuerfuss, zur An-wendung.

Im Kanton Genf müssten die Steuern ausschliesslich fürdie Einkommenskategorien bis rund Fr. 70 000.– er höhtwerden; für die oberen Einkommenskategorien ergäbensich keine Veränderungen. In Küsnacht/ZH müssten dieSteuern für die mittleren Einkommenskategorien erhöht

Grafik 1: Bandbreitenmodell im Vergleich mit Steuerbelastung 2001 in den Kantonen Zug, Genf sowie der Gemeinde Küsnacht/ZH (Verheirateter ohne Kinder; Staats-, Gemeinde- undKirchensteuer); Bandbreite berechnet aufgrund der gesamtschweizerischen Steuerbelastung

0

5

10

15

20

25

30

20000 40000 60000 80000 100000 150000 200000 300000 500000 1000000Einkommen

Steuerbelastung in %

GemeindeKüsnacht/ZH

obereBandbreite

untereBandbreite

Kanton Zug

Kanton Genf

Quelle: Steuerbelastung in der Schweiz, natürliche Personen nach Gemeinden 2001, Bern 2002

Page 76: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

154 Kurt Stalder/Ulrich Cavelti, Das Bandbreitenmodell der materiellen Steuerharmonisierung

werden. Im Kanton Zug müssten die Steuern für alleEinkommenskategorien stark erhöht werden, somitauch für die untersten Einkommenskategorien, welchemit der heutigen Steuerersparnis einen Teil der im Kan-ton Zug überdurchschnittlichen Lebenshalt ungskosten(Mieten) decken können.

3.4 Anpassungen zur Hauptsache in eineRichtung: nach oben

Die Steuerbelastung klafft heute vor allem im unterenEinkommensbereich auseinander. Im Bereich hoherSteuerbelastungen gibt es (nach dem Gesamtindex derSteuerbelastung) nur wenige Kantone, welche die obereBandbreite von 120 Prozent übersteigen (vor allem derKanton Jura mit einem Gesamtindex von 132 Punkten).Gegen unten sind die Differenzen bedeutender: Zugliegt mit einem Gesamtindex von 50,7 Punkten an derSpitze. Im Kanton Jura würden die Steuern mit demBandbreitenmodell insgesamt um effektiv 9,1 Prozentsinken, wogegen die Steuern in Zug um effektiv 57,8Prozent angehoben werden müssten. Würde man dieSteuerbelastungen in den einzelnen Gemeinden betrach-ten, wären die Differenzen bedeutender (geringfügiggrössere Differenzen im oberen Bereich und beträcht-lich grössere Differenzen im unteren Bereich).

In der Grafik 2 werden die Progressionskurven allerKantone (kantonale Durchschnittsbelastungen) in dasBandbreitenmodell eingebettet. Zudem sind die Kurvender landesweit steuergünstigsten (Freienbach/SZ) undsteuerungünstigsten Gemeinde (Lauterbrunnen/BE)ein gezeichnet. Die Kurven der Steuerbelastungen inden übrigen 3000 Gemeinden befinden sich grössten-teils zwischen diesen beiden Extremen.

Im oberen Steuerbelastungssegment würde sich relativwenig verändern. Die meisten kantonalen Steuerpro-gressionskurven liegen innerhalb der vorgeschriebenenBandbreite. Im unteren Segment wären beträchtlicheAuswirkungen zu verzeichnen. In der Gemeinde Freien-bach wären die Staats- und Gemeindesteuern je nachEinkommensklasse zu verdoppeln bis zu verdreifachen.In Lauterbrunnen würden die Staats- und Gemeinde-steuern erst ab einem Einkommen von 50 000 Frankenum rund 10 Prozent sinken.

Mit dem Bandbreitenmodell würde die Steuerharmoni-sierung somit hauptsächlich in der Form einer Anglei-chung von unten her erreicht. Insgesamt würden die Steu-ern in den heute steuerwettbewerbsfähigsten Kantonenund Gemeinden stark angehoben. Die internationaleWettbewerbsfähigkeit der Schweiz würde geschmälert.

0

5

10

15

20

25

30

35

20000 40000 60000 80000 100000 150000 200000 300000 500000 1000000

Quelle: Steuerbelastung in der Schweiz, natürliche Personen nach Gemeinden 2001, Bern 2002

Lauterbrunnen

obere Bandbreite

untere

Bandbreite

Freienbach

Einkommen

Grafik 2: Bandbreitenmodell im Vergleich mit Steuerbelastung 2001 in allen Kantonen sowie in den Gemeinden Lauterbrunnen und Freienbach (Verheirateter ohne Kinder; Staats-, Gemeinde- und Kirchensteuer); Bandbreite berechnet aufgrund der gesamtschweizerischen Steuerbelastung

Steuerbelastung in %

Page 77: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

155Kurt Stalder/Ulrich Cavelti, Das Bandbreitenmodell der materiellen Steuerharmonisierung

Der Ausgaben hemmende Steuerdruck in den hochbelas-teten Kantonen und Gemeinden würde nachlassen. DieSteuer- und Staatsquote würde sich erhöhen. Die Finanz-politik würde in den stark tangierten Kantonen und Ge-meinden vollständig verändert; es würde bei der minimalvorgeschriebenen Steuerbelastung von 80% nur noch we-nig Anreiz für die Erhöhung des eigenen Steuersubstratsbestehen.

3.5 Finanzielle Folgen des Bandbreitenmo-dells; Vergleich mit der NFA

Prof. Schmid sieht vor, dass der im Bandbreitenmodellnotwendige finanzielle Ausgleich mittels der Instru-mente der NFA vorzunehmen sei.

In Frage kommt dafür in erster Linie der horizontaleRessourcenausgleich (direkte Abschöpfungen). Insbe-sondere müssten Abschöpfungen in den Kantonen Zug,Schwyz, Nidwalden, Appenzell Innerrhoden, Tessinund Genf erfolgen, deren Steuerbelastungen ganz oderteilweise unterhalb der unteren Bandbreite liegen (inden Kantonen Tessin und Genf im unteren Segment, inden andern Kantonen in allen Segmenten oder im ober en Segment). Der Gesamtsteuerbelastungsindexliegt allerdings nur bei Zug, Schwyz und Nidwalden un-ter der 80-%-Grenze.

Keine Abschöpfungen wären bei den im NFA-Modellam Ressourcenausgleich beteiligten Kantonen Zürich,Basel-Stadt und Basel-Landschaft vorzunehmen, da deren Steuerbelastungskurven innerhalb der Bandbreiteliegen.

Die Kantone müssten ergänzend im innerkantonalen Finanzausgleich mit Abschöpfungen dafür sorgen, dassauf Gemeindestufe dieselbe Wirkung erreicht wird. Somüssten beispielsweise im zürcherischen Finanzaus-gleich die Abschöpfungen bei den steuergünstigstenGemeinden (s. Grafik 1, insbesondere die Belastungs-kurve von Küsnacht/ZH) gegenüber heute stark erhöhtwerden, und das Geld wäre an die schwächeren zürche-rischen Gemeinden zu verteilen.

Das NFA-Modell des Ressourcenausgleichs funktio-niert anders: Massgebend für den horizontalen Aus-gleich ist das Ressourcenpotential und nicht dessenAusschöpfung. Deshalb erbringt der Kanton Zürich imNFA-Modell wegen seines hohen Ressourcenpotentialsrund die Hälfte des gesamten horizontalen Ausgleichs.Keinesfalls dürfte man, um die Kantone Zug, Schwyzund Nidwalden mehr zu belasten, einfach die NFA-Ab-schöpfung erhöhen. Der Kanton Zürich müsste Hunder-te von Millionen mehr beisteuern. Der Kanton Schwyzkönnte nur marginal mehr belastet werden, da seinegünstige Steuerbelastung auf tiefe Ausgaben und nichtso sehr auf ein hohes Ressourcenpotential zurückgeht.

Bandbreitenmodell und NFA-Modell sind betreffendRessourcenausgleich nicht kompatibel. Beim Bandbrei-tenmodell dürften ins Gewicht fallende Abschöpfungennur bei den Kantonen Zug, Schwyz und Nidwalden vorge-nommen werden. Die maximal mögliche Summe würdesich auf insgesamt Fr. 536 Mio. belaufen, wobei auf ZugFr. 384 Mio. entfielen, auf Schwyz Fr. 142 Mio. und aufNidwalden Fr. 10 Mio. Im NFA-Ressourcen ausgleich betragen die Abschöpfungen für Zug Fr. 135 Mio., fürSchwyz Fr. 25 Mio. und für Nidwalden Fr. 14 Mio.

Die vom Bandbreitenmodell anvisierte Abschöpfung beiden steuergünstigen Körperschaften ist aber auch grund-sätzlich nicht praktikabel. Da die minimale Besteuerungauf die untere Bandbreite von 80 Prozent des Einheits -tarifs festgelegt wäre, existierten nach Einführung diesesModells keine über die Spanne von ± 20 Prozent hinausgehenden Steuerbelastungsunterschiede mehr. Wennman also die in einem Kanton wie Zug oder in einer Gemeinde wie Freienbach nicht benötigten Mittel abschöpfen wollte, müsste dies mittels einer Schatten -rechn ung (durchgeführt von einer zentralen Aufsichts-stelle – z.B. durch den Bund?) erfolgen. Man müsste also dauerhaft errechnen, wie hoch der effektive Steuer-bedarf dieser Körperschaften ist. Alle Einnahmen undAusgaben dieser Körperschaften müssten auf ihre An -gemessenheit überprüft werden. Die Differenz zwischen diesem hypothetischen Steuerbedarf und den 80 Prozentmüsste abgeschöpft werden. Nicht endende Diskussio-nen um eine solche Bemessung würden einsetzen. DieseKörperschaften würden praktisch bevormundet, und siekönnten beispielsweise nicht mehr autonom entschei-den, eine Ausgabe im frei bestimmbaren Bereich zu tätigen oder einen Einnahmenverzicht im Verursacher-bereich (z.B. Abschaffung einer Gebühr) zu beschlies-sen. Ein solches Modell wäre unmöglich zu vollziehenund würde die Auto nomie dieser Körperschaften vollstän-dig aushöhlen.

3.6 Fazit aus finanzwirtschaftlicher Sicht

Das Bandbreitenmodell weist gravierende Nachteileauf. Es würde die Struktur der Kantons- und Gemeinde-finanzen vollständig umkrempeln. Der Föderalismus inder heutigen Form könnte abdanken. Wichtige positiveAnreize des heutigen Systems gingen verloren. Mit denInstrumenten der NFA, insbesondere mit dem horizon-talen Ressourcenausgleich, ist das Bandbreitenmodellnicht vereinbar. Der Ressourcenindex der NFA müssteumgebaut werden. Es müssten wieder Belastungs -kriterien eingebaut werden, was man im NFA-Systemwegen der Fehlanreize und wegen der Möglichkeit derBeeinflussbarkeit gerade verhindern wollte.

Page 78: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

156

Gesetzgebungs-Agenda 2003/2Lic. iur. Rainer Zigerlig*/Lic. iur. Agostino Cozzio**/Eric Hess, Fürsprecher***

Inhalt

1 Bund

1.1 Ehepaar- und Familienbesteuerung

1.2 Wohneigentumsbesteuerung

1.3 Umsatzabgabe

2 Kantone

2.1 Bern

2.2 Basel-Landschaft

2.3 Basel-Stadt

2.4 Freiburg

2.5 Neuenburg

2.6 Schaffhausen

2.7 Zürich

3 Doppelbesteuerungsabkommen

1 Bund

1.1 Ehepaar- und Familienbesteuerung

In der Märzsession 2003 wurde das Differenzbereini-gungsverfahren vom Ständerat fortgeführt. Dabei hieltdieser im Wesentlichen an seinen ursprünglichen Be-schlüssen fest. So lehnte er es erneut ab, den Kantonendie Einführung des Splittingsystems in Art. 11 StHG vor-zuschreiben; vielmehr soll diese Bestimmung in der Fas-sung gemäss geltendem Recht beibehalten bleiben. Da-mit bliebe die Wahl des Systems zur Abstufung der Be-steuerung von Alleinstehenden und Verheirateten wei-terhin den kantonalen Gesetzgebern überlassen. Auchbeharrte er darauf, dass Konkubinatspaaren mit Kindernkein Wahlrecht eingeräumt werde, sich als Familie be-steuern zu lassen. Im Weiteren hielt er bei der direktenBundessteuer an einem Kinderabzug in der Höhe vonFr. 9300 fest (demgegenüber hatte der Nationalrat diesenin der Dezembersession 2002 erneut auf Fr. 11 000 [undzusätzlicher Abzug von Fr. 3000 pro Kind in Ausbil-dung] festgelegt). Schliesslich hielt er auch am Gewinn-steuersatz bei der direkten Bundessteuer für Kapitalge-sellschaften und Genossenschaften in der Höhe von8,5% gemäss geltendem Recht fest. (In dieser Frage, dieformal in der Vorlage zur Ehepaar- und Familienbesteue-rung enthalten ist, hatte der Nationalrat in der Dezem-bersession 2002 erneut eine Senkung auf 8% beschlos-sen.) Auch soll die Vorlage nach wie vor auf das Jahr2004 in Kraft gesetzt werden.

Mit diesen Differenzen geht die Vorlage nunmehr wie-derum zurück an den Nationalrat. Dessen Kommissionfür Wirtschaft und Abgaben (WAK) hat in der Zwischen-zeit beschlossen, dem Nationalrat in den meisten FragenZustimmung zu den Beschlüssen des Ständerates zu be-antragen. So befürwortet sie nunmehr einen Verzicht aufdas Wahlrecht für Konkubinatspaare mit Kindern, sichals Familie besteuern zu lassen, und auf eine Reduktionder Gewinnsteuer bei der direkten Bundessteuer. Auchbeim Kinderabzug bei der direkten Bundessteuer bean-tragt sie eine Übernahme des Beschlusses des Ständera-tes. Lediglich bei der Frage, ob das Splittingsystem vonden Kantonen zwingend zu übernehmen sei, beantragtsie Festhalten an ihrem ursprünglichen Beschluss.

* Leiter des Kantonalen Steueramts St.Gallen, St.Gallen

** Juristischer Mitarbeiter des Kantonalen Steueramts St.Gallen,St.Gallen

*** Stellvertreter des Chefs der Abteilung für internationales Steuerrecht und Doppelbesteuerungssachen, Eidg. Steuer-verwaltung, Bern

Page 79: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

157Rainer Zigerlig/Agostino Cozzio/Eric Hess, Gesetzgebungs-Agenda 2003/2

1.2 Wohneigentumsbesteuerung

Auch bei der Beratung der Vorlage über den System-wechsel bei der Besteuerung des (selbstgenutzten)Wohneigentums – weiterer Bestandteil des Steuerpake-tes 2001 – hielt der Ständerat in der Märzsession 2003 imWesentlichen an seinen ursprünglichen Beschlüssenfest. So lehnte er entgegen dem Antrag des Bundesratesund dem Beschluss des Nationalrates erneut einen Sys-temwechsel ab. Nach seiner Auffassung soll am gelten-den System – Besteuerung der Eigenmietwerte, Abzugs-möglichkeit für Unterhaltskosten und Schuldzinsen –festgehalten werden. Auch lehnte es der Ständerat erneutab, das Baselbieter Modell des Bausparens einzuführen;vielmehr soll das Bausparen nur im Rahmen der gebun-denen Selbstvorsorge (Säule 3a) möglich bleiben.Auch diese Vorlage geht nunmehr wiederum zurück anden Nationalrat. Dessen Kommission für Wirtschaft undAbgaben (WAK) hat in der Zwischenzeit beschlossen,dem Nationalrat erneut zu beantragen, am Systemwech-sel festzuhalten (gänzliche oder teilweise Abschaffungder Abzüge für Hypothekarzinsen und Unterhaltskosteneinerseits, Abschaffung des Eigenmietwertes ander-seits). Auch befürwortet sie nach wie vor die Einführungdes Baselbieter Modells des Bausparens.

1.3 Umsatzabgabe

Die Beratung dieser Vorlage, die den dritten Bestandteildes Steuerpaketes 2001 bildet, ist bereits in der Winter-session 2002 weitgehend abgeschlossen worden. Mate-rielle Differenzen stehen hier nicht mehr im Raum.

2 Kantone

2.1 Bern

Im Kanton Bern ist die am 22. Januar 2003 eingereichtekantonale Volksinitiative für tragbare Steuern formellzustande gekommen. Diese von verschiedenen bürgerli-chen Verbänden gestartete Initiative verlangt, dass sämt-liche Steuerbeträge ab dem Jahr 2005 um 10% gekürztwerden. Betroffen sind alle Steuern des Kantons (gemässSteuergesetz), also neben den Einkommens- und Vermö-genssteuern, den Quellensteuern, den Gewinn- und Ka-pitalsteuern auch die Grundstückgewinnsteuer sowie dieSteuern für Holding- und Domizilgesellschaften. Nichtbetroffen sind die Erbschafts- und Schenkungssteuern,die Handänderungssteuer und die Motorfahrzeugsteuer.Ausdrücklich von der Initiative ausgenommen sind so-dann die Gemeindesteuern.Der Regierungsrat hat die Initiative zur Kenntnis ge-nommen, jedoch noch nicht entschieden, welche Anträ-

ge er dazu stellen wird. Nach Berechnungen der Ver -waltung würde die Umsetzung der Initiative die Steuer-erträge des Kantons um etwa Fr. 400 Mio. vermindern.

2.2 Basel-Landschaft

Unter Federführung des Hauseigentümerverbandes sindzu Beginn des Jahres 2003 drei Volksinitiativen mitsteuerlichen Auswirkungen eingereicht worden. Dieerste Initiative verlangt die Verankerung der Wohnei-gentumsförderung sowie die Festlegung eines steuerli-chen Ausgleichs zugunsten der Mieter als Grundsätze inder Kantonsverfassung. Mit der zweiten Initiative solldie steuerliche Gleichbehandlung von Mietern undWohneigentümern wieder hergestellt werden. Dazu sindinsbesondere zwei steuerliche Massnahmen vorgese-hen: Einerseits soll der Mietkostenabzug von derzeitFr.1000 auf neu Fr. 1500 pro Person erhöht, anderseitssollen die kantonalen Eigenmietwerte generell um 8%angehoben werden. Die dritte Initiative will mit demWechsel zurück zum Kinderabzug vom Steuerbetraganstatt vom steuerbaren Einkommen eine Entlastung fürFamilien in bescheidenen Einkommensverhältnissenherbeiführen.

2.3 Basel-Stadt

Am 9. Februar 2003 ist in der Volksabstimmung dieVolksinitiative «für eine familienfreundliche Erb-schaftssteuer» gutgeheissen worden, welche die Ab-schaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer fürNachkommen vorsieht.Verschiedene parlamentarische Vorstösse (Anzüge, Mo-tionen) sind beim Regierungsrat oder bei der Grossrats-kommission WAK in Bearbeitung:– Einführung des Vollsplittings bei der Ehegattenbe-

steuerung;– steuerliche Entlastungen für Elternpaare mit Kin-

dern;– Abzug für Zuwendungen an politische Parteien;– Straffung der Einkommens- bzw. Vermögenssteuer-

tarife;– tarifliche Besserstellung der hetero- und homosexu-

ellen Konkubinatspaare bei der Erbschafts- undSchenkungssteuer;

– bei zunehmendem Einkommen degressiver Kinder-betreuungskostenabzug.

2.4 Freiburg

Verschiedene parlamentarische Vorstösse mit den untenangeführten Stossrichtungen sind gegenwärtig beimStaatsrat (Regierung) in Bearbeitung:– Senkung des Steuersatzes für die Vermögenssteuer

und Einführung einer Bestimmung zum Ausgleich

Page 80: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

158 Rainer Zigerlig/Agostino Cozzio/Eric Hess, Gesetzgebungs-Agenda 2003/2

der Folgen der kalten Progression bei der Vermö-genssteuer;

– Erhöhung der Kinderabzüge;– Einführung eines Doppeltarifs für die Einkommens-

steuer;– Besteuerung der Ehegatten: Änderung des Splitting-

satzes und der Solidarhaftung unter Ehegatten;– Kinderabzug direkt vom Steuerbetrag.

2.5 Neuenburg

Eine von der Handels- und Industriekammer des Kan-tons Neuenburg lancierte Volksinitiative verlangt dieReduktion der Einkommenssteuern der natürlichen Per-sonen um 12% (in drei Jahresschritten von je 4%) undeine Reduktion der Gewinnsteuern der juristischen Per-sonen um 25%.

Die Regierung empfiehlt die Initiative zur Ablehnungund will keinen Gegenvorschlag unterbreiten. Der Gros-se Rat wird voraussichtlich im Frühling 2003 darüber be-finden.

2.6 Schaffhausen

Der Kanton Schaffhausen plant eine Teilrevision desSteuergesetzes per 1. Januar 2004. Die entsprechendeVorlage wurde am 25.März 2003 vom Regierungsrat zu-handen des Kantonsrats verabschiedet. Geplant sind imWesentlichen folgende Änderungen:– Reduktion der Grenzsteuerbelastung für natürliche

Personen mit einem steuerpflichtigen Einkommenvon mehr als Fr. 500 000 bzw. einem steuerpflichti-gen Vermögen von mehr als Fr. 10 Mio. (ÄnderungSteuertarif);

– Reduktion der wirtschaftlichen DoppelbelastungAnteilsinhaber/Unternehmung bei massgeblichenBeteiligungen: Satzreduktion für ausgeschüttete Ge-winne auf 50% bei der Einkommenssteuer und fürdie entsprechende Beteiligung auf zwei Drittel beider Vermögenssteuer;

– Satzreduktion bei der Holdingbesteuerung von0,05‰ des steuerpflichtigen Eigenkapitals auf neu0,025‰;

– Zulassung von Streubesitz bei Holdinggesellschaf-ten;

– Ermöglichung unterschiedlicher Steuerfüsse für na-türliche und juristische Personen beim Kanton undden Gemeinden;

– Reduktion des Quellensteuersatzes für die Besteue-rung ausländischer Verwaltungsräte von 30% auf25%;

– Erhöhung des maximalen Kinderfremdbetreuungs-abzugs von Fr. 2000 auf Fr. 9000;

– Einführung eines Sozialabzuges beim Vermögen prominderjähriges Kind von Fr. 30 000;

– Erhöhung des Kinderabzugs von Fr. 4800 aufFr. 5800.

2.7 Zürich

Der Kantonsrat hat in der Zwischenzeit die Vorlage zueiner Änderung des Steuergesetzes im Bereiche der juristischen Personen verabschiedet. Sie beinhaltet fürKapitalgesellschaften und Genossenschaften den Über-gang vom renditeabhängigen Dreistufentarif zu einemproportionalen Gewinnsteuersatz von 8% (einfacheStaatssteuer), unter Halbierung der Kapitalsteuer. Der-zeit läuft die Referendumsfrist. Die Inkraftsetzung istauf 1. Januar 2005 vorgesehen.

Im Zusammenhang mit den hängigen Vorstössen zumGrundsteuerrecht lehnt der Regierungsrat bei der Be-steuerung der Grundstückgewinne einen Übergang zumdualistischen System ab, da dies mit zu grossen Ausfäl-len für die Gemeinden verbunden wäre. (Im Kanton Zü-rich wird die Grundstückgewinnsteuer ausschliesslichals Steuer der politischen Gemeinden erhoben.) Zudemlehnt der Regierungsrat die Abschaffung der Handände-rungssteuer ab (auch diese wird als Steuer der politi-schen Gemeinden erhoben).

Ein von der Regierung ausgearbeitetes Steuerpaket fürnatürliche Personen sieht einen Ausgleich der kaltenProgression, eine Erhöhung der persönlichen und derKinderabzüge sowie die Abschaffung der obersten Pro-gressionsstufe vor. Mit der Teilrevision des Steuergeset-zes, die gegenwärtig vom Kantonsrat beraten wird, sol-len die Forderungen verschiedener pendenter Vorstösseins Gesetz aufgenommen werden. Beantragt werden:– Anhebung der Progressionsstufen im Einkommens-

und Vermögenssteuertarif sowie der Abzüge undsteuerfreien Beträge um 4,5%;

– Erhöhung des persönlichen Abzugs für Alleinste-hende auf Fr. 6200 (+ Fr.700), für Verheiratete aufFr. 12 400 (+ Fr.1400);

– Erhöhung des Kinderabzugs auf Fr. 6100 (+ Fr. 700);– Streichung der obersten Progressionsstufe von 13%

(einfache Staatssteuer). Nach Ausgleich der kaltenProgression und Erhöhung der persönlichen Abzügewürde die höchste Stufe von 12% bei Einkommen abFr. 173 900 (Alleinstehende) bzw. ab Fr. 262 500(Verheiratete) einsetzen.

3 Doppelbesteuerungsabkommen

Artikel 26 des Doppelbesteuerungsabkommens vom2. Oktober 1996 mit den USA sieht vor, dass die Ver-tragsstaaten untereinander diejenigen Auskünfte austau-schen, die notwendig sind für die Durchführung der Be-

Page 81: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

159Rainer Zigerlig/Agostino Cozzio/Eric Hess, Gesetzgebungs-Agenda 2003/2

stimmungen des Abkommens sowie für die Verhütungvon Betrugsdelikten und dergleichen im Zusammenhangmit einer unter das Abkommen fallenden Steuer. Am23. Januar 2003 haben die zuständigen Behörden derSchweiz (Eidg. Steuerverwaltung) einerseits und derUSA (U.S. Treasury sowie Internal Revenue Service) an-derseits, gestützt auf Artikel 25 des Abkommens, eineallgemein verbindliche Verständigungslösung über dieAuslegung des im Artikel 26 enthaltenen Begriffs «Be-trugsdelikte und dergleichen» unterzeichnet. In dieserVereinbarung, die einen Anhang mit 14 Fallbeispielenenthält, werden Kriterien aufgeführt, aufgrund derer derVertragsstaat, der vom anderen Vertragsstaat ein Amts-hilfebegehren erhält, zu beurteilen hat, ob das dem insVerfahren einbezogenen Steuerpflichtigen vorgeworfe-ne Verhalten ein Betrugsdelikt und dergleichen darstellt.Dabei konnte das der schweizerischen Politik der inter-nationalen Zusammenarbeit in Steuersachen zugrundeliegende Prinzip der beidseitigen Strafbarkeit im We-sentlichen gewahrt werden. Insbesondere bewirkt dieVereinbarung keine generelle Ausweitung der Amtshilfeauf Widerhandlungen, die nach schweizerischem Rechtals Steuerhinterziehung zu qualifizieren sind.

Die im Oktober 2002 aufgenommenen Verhandlungenüber den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkom-mens mit Bangladeshwurden im Februar 2003 weiterge-führt. Dabei gelang es, in allen noch offenen Punkten ei-ne Einigung zu erzielen. Im Anschluss an diese Verhand-lungsrunde wurde ein Abkommensentwurf paraphiert.

Aus Kreisen der schweizerischen Wirtschaft wird seitlängerer Zeit der Abschluss eines Doppelbesteuerungs-abkommens mit Taiwan gewünscht. Auch von taiwanesi-scher Seite besteht ein entsprechendes Interesse. DieProblematik besteht darin, dass die Schweiz, wie diemeisten anderen Staaten auch, mit der Anerkennung derVolksrepublik China ihre diplomatischen Beziehungenzu Taiwan abgebrochen hat. Einzelne europäische Staa-ten, die Taiwan ebenfalls nicht anerkennen (z. B. Gross-britannien, die Niederlande und Schweden), haben vorkurzem mit Taiwan ein Doppelbesteuerungsabkommenabgeschlossen, wobei formal die Handelsvertretungenals Vertragsparteien auftraten. Verwaltungsintern wirdzur Zeit geprüft, welches Vorgehen für die Schweiz an-gesichts der besonderen politischen Gegebenheitengangbar wäre. Im März 2003 fanden erste technischeVorgespräche mit einer taiwanesischen Delegation statt.Falls für die formalen Schwierigkeiten eine für beideSeiten annehmbare Lösung gefunden werden kann, dürf-te es materiell nicht ausgeschlossen sein, ein Doppelbe-steuerungsabkommen im Rahmen der schweizerischenAbkommenspolitik zu vereinbaren.

Die Ratifikationsurkunden betreffend das am 12.März2002 unterzeichnete Protokoll zum Doppelbesteue-rungsabkommen mit Deutschland (vgl. Gesetzgebungs-Agenden 2002/2, S.157; 2003/1, S. 80) wurden am24.März 2003 in Berlin ausgetauscht. Dieses Protokollist damit gleichentags in Kraft getreten. Dessen Bestim-mungen finden grundsätzlich ab dem Jahre 2004 Anwen-dung. Die Quellensteuerbefreiung für Dividenden ausBeteiligungen von mindestens 20% gilt indessen rück-wirkend für die ab 1. Januar 2002 fällig gewordenen Er-träge. Wurde noch keine Entlastung beantragt, kann absofort die volle Entlastung verlangt werden. Wurde be-reits eine Teilfreistellung oder eine Erstattung der 5%übersteigenden Quellensteuer gewährt, kann die verblie-bene Sockelsteuer von 5% nachträglich mit einem zu-sätzlichen Antrag zurückgefordert werden. – Ziffer 1 desVerhandlungsprotokolls vom 7. Dezember 2001 siehtvor, dass für Dividendenfälligkeiten ab 1. Januar des aufdas Inkrafttreten folgenden Kalenderjahres die Entlas-tung in beiden Staaten direkt an der Quelle gewährt wird.Dieses Verfahren, das von schweizerischen Unterneh-men für die Quellensteuerentlastung von Dividenden ausBeteiligungen an deutschen Gesellschaften bereits seit1992 verlangt werden konnte (Teilfreistellung), wird fürDividendenausschüttungen schweizerischer Gesell-schaften bereits auf den 1. Juli 2003 eingeführt werden.

Page 82: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions

IFF Forum für Steuerrecht 2003

Anzahl Abonnements:

Name/Firma:

Adresse: PLZ, Ort:

Tel.: Fax:

E-Mail:

Datum: Unterschrift:

Ausfüllen und senden / faxen an: IFF Institut für Finanzwirtschaft und FinanzrechtUniversität St.Gallen, Varnbüelstrasse 19, CH-9000 St.Gallen

Fax +41 (0)71 224 26 70

Ich abonniere /wir abonnieren das IFF Forum für Steuerrecht zum Preis von CHF 390.– pro Jahr, begin-nend mit:� Ausgabe 2001/1 � Ausgabe 2003/1� Ausgabe 2002/1In diesem Preis sind der Jahresordner und die Mehrwertsteuer enthalten; Versandkosten werden mitdem effektiven Betrag in Rechnung gestellt.

Abonnement

Impressum (Fortsetzung)

IFF Beirat SteuerrechtDr. Kurt ArnoldProf. Dr. Peter AthanasDr. Ruedi BaumannDr. Ivo P. BaumgartnerDr. Ulrich CaveltiYvon de Coulon, tit. brevet avocatDr. Marco DussLic. iur. Urs HartmannDr. Walter JakobDr. Heinz KellerDr. Urs LandolfAlfred Meier, FürsprecherDr. Thomas MeisterProf. Dr. Xavier ObersonProf. Dr. Markus ReichDr. Alfred StorckProf. Dr. Klaus A. VallenderProf. Dr. Robert WaldburgerLic. iur. Rainer Zigerlig

Page 83: 10702 Pc IFF US 4 Seiten - · PDF fileRealisation und Zurechnung des Einkommens Harmful Tax Practices – Auswirkungen der Bestrebungen von OECD und EU auf die Schweiz Répartitions