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Kapitel 1: Grundlagen des Controlling 1. Historische Entwicklung des Controlling Controlling ist keine Erfindung der Wissenschaft, sondern eine der Wirtschafts- bzw Ver- waltungspraxis, wobei sich sein Selbstverständnis (Aufgabenschwerpunkte des Controlling) im Laufe der Zeit ziemlich verändert hat. 1 Im Bereich der deutschsprachigen Betriebs- wirtschaftslehre ist das Controlling erst seit ungefähr zwei Jahrzehnten Gegenstand der wis- senschaftlichen Forschung und Lehre. War lange Zeit die Wirtschafts- bzw Verwaltungs- praxis treibende Kraft der Controlling-Entwicklung, so gehen heute wesentliche Impulse für die Weiterentwicklung von der universitären Forschung aus. Dieser Wandel läßt sich auch im Sprachgebrauch nachvollziehen. In der Praxis steht der Controller (Controlling im insti- tutionellen Sinn) im Vordergrund, während sich die Wissenschaft primär mit den Control- ling-Aufgaben (Controlling im funktionalen Sinn) auseinandersetzt, die dann bestimmten Aufgabenträgern zugewiesen werden. 1.1 Entwicklungsphasen Die historische Entwicklung 2 des Controlling kann man als Übergang vom „Comptroller“ zum „Controlling“ charakterisieren, wobei besonders auffällig ist, daß die Ursprünge die- ser Entwicklung im Bereich der staatlichen Verwaltung zu finden sind. Die Entstehungsge- schichte des Controlling läßt sich grob vereinfacht in drei Phasen einteilen: 3 (1) Phase 1: Der Comptroller als Kontrollor Etymologisch betrachtet leitet sich die Bezeichnung Controller aus den lateinischen Begriffen „contra“ und „rotulus“ ab. 4 Daraus wurde im Französischen „contre-rôle“ (Gegenrolle) und im Englischen „countreroullour“. Dabei handelt es sich um die Berufsbezeichnung von Personen, deren Aufgabe es war, die Aufzeichnungen (Ori- ginalregister) über die ein- und ausgehenden Gelder und Güter durch das Führen der „contre rôle“ (Gegenrolle, Gegenregister) zu überprüfen. Im 15. Jahrhundert wurde am englischen Königshof diese Aufgabe vom „contre roullour“ durchgeführt, der später die Bezeichnung „comptroller of accounts“ (französisch compter = zählen, rechnen) erhielt. 5 Vom französischen Begriff „contre-rôle“ leiten sich sowohl die deutschen Begriffe „Kontrolle“ und „Kontrollor“ als auch das englische „control“ und „con- troller“ ab. 6 Im 18. Jahrhundert (1778) wurden in der staatlichen Verwaltung der USA die Ämter „Comptroller, Auditor, Treasurer, and six commissioner’s of Accounts“ 7 geschaffen, denen die Aufgabe zukam, über die Wirtschaftlichkeit und Ordnungs- mäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Regierung zu berichten. Mit dem 13 1 Weber, Jürgen: (1993) S 17. 2 Mayer, Elmar: (1986) S 7 ff. 3 Bramsemann, Rainer: (1993) S 25 ff; Peemöller, Volker: (1992) S 41 ff. 4 Bramsemann, Rainer: (1993) S 44. 5 Horváth, Péter: (1978) S 129 ff; Matschke, M. J. / Kolf, J.: (1980) S 601; Pochmann, H.: (1956) S 104; Weber, Jürgen: (1993) S 4. 6 Bramsemann, Rainer: (1993) S 44. 7 Jackson, J. H.: (1950) S 17 ff. 013 - 073, korr. 16.10.2002 11:44 Uhr Seite 13

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Kapitel 1: Grundlagen des Controlling

1. Historische Entwicklung des ControllingControlling ist keine Erfindung der Wissenschaft, sondern eine der Wirtschafts- bzw Ver-waltungspraxis, wobei sich sein Selbstverständnis (Aufgabenschwerpunkte des Controlling)im Laufe der Zeit ziemlich verändert hat.1 Im Bereich der deutschsprachigen Betriebs-wirtschaftslehre ist das Controlling erst seit ungefähr zwei Jahrzehnten Gegenstand der wis-senschaftlichen Forschung und Lehre. War lange Zeit die Wirtschafts- bzw Verwaltungs-praxis treibende Kraft der Controlling-Entwicklung, so gehen heute wesentliche Impulse fürdie Weiterentwicklung von der universitären Forschung aus. Dieser Wandel läßt sich auchim Sprachgebrauch nachvollziehen. In der Praxis steht der Controller (Controlling im insti-tutionellen Sinn) im Vordergrund, während sich die Wissenschaft primär mit den Control-ling-Aufgaben (Controlling im funktionalen Sinn) auseinandersetzt, die dann bestimmtenAufgabenträgern zugewiesen werden.

1.1 EntwicklungsphasenDie historische Entwicklung2 des Controlling kann man als Übergang vom „Comptroller“zum „Controlling“ charakterisieren, wobei besonders auffällig ist, daß die Ursprünge die-ser Entwicklung im Bereich der staatlichen Verwaltung zu finden sind. Die Entstehungsge-schichte des Controlling läßt sich grob vereinfacht in drei Phasen einteilen:3

(1) Phase 1: Der Comptroller als KontrollorEtymologisch betrachtet leitet sich die Bezeichnung Controller aus den lateinischenBegriffen „contra“ und „rotulus“ ab.4 Daraus wurde im Französischen „contre-rôle“(Gegenrolle) und im Englischen „countreroullour“. Dabei handelt es sich um dieBerufsbezeichnung von Personen, deren Aufgabe es war, die Aufzeichnungen (Ori-ginalregister) über die ein- und ausgehenden Gelder und Güter durch das Führen der„contre rôle“ (Gegenrolle, Gegenregister) zu überprüfen. Im 15. Jahrhundert wurde amenglischen Königshof diese Aufgabe vom „contre roullour“ durchgeführt, der späterdie Bezeichnung „comptroller of accounts“ (französisch compter = zählen, rechnen)erhielt.5 Vom französischen Begriff „contre-rôle“ leiten sich sowohl die deutschenBegriffe „Kontrolle“ und „Kontrollor“ als auch das englische „control“ und „con-troller“ ab.6 Im 18. Jahrhundert (1778) wurden in der staatlichen Verwaltung der USAdie Ämter „Comptroller, Auditor, Treasurer, and six commissioner’s of Accounts“7

geschaffen, denen die Aufgabe zukam, über die Wirtschaftlichkeit und Ordnungs-mäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Regierung zu berichten. Mit dem

13

1 Weber, Jürgen: (1993) S 17.2 Mayer, Elmar: (1986) S 7 ff.3 Bramsemann, Rainer: (1993) S 25 ff; Peemöller, Volker: (1992) S 41 ff.4 Bramsemann, Rainer: (1993) S 44.5 Horváth, Péter: (1978) S 129 ff; Matschke, M. J. / Kolf, J.: (1980) S 601; Pochmann, H.: (1956)

S 104; Weber, Jürgen: (1993) S 4.6 Bramsemann, Rainer: (1993) S 44.7 Jackson, J. H.: (1950) S 17 ff.

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8 Horváth, Péter: (1992) S 28 f; Matschke, M. J. / Kolf, J.: (1980) S 601; Mayer, Elmar: (1986) S 7;Weber, Jürgen: (1993) S 4.

9 Weber, Jürgen: (1993) S 4.10 Horváth, Péter: (1992); Matschke, M. J. / Kolf, J.: (1980) S 602.11 Matschke, M. J. / Kolf, J.: (1980) S 602.12 Baumgartner, Beat: (1979) S 16.13 Zum Entwicklungsstand des Controlling in der BRD: Mayer, Elmar / v. Landsberg, Georg: (1990)

S 623 ff; in Österreich: Eschenbach, Rolf: (1990) S 671 ff; in der Schweiz: Siegwart, Hans / San-der, Stefan: (1990) S 685 ff.

14 Bramsemann, Rainer: (1993) S 28.

14 Grundlagen des Controlling

„Budget and Accounting Act“ von 1921 wurde der „Comptroller“ in einer modifi-zierten Form als „Comptroller General“ an die Spitze des „General AccountingOffice“ (US-amerikanische Rechnungsprüfungsbehörde) gestellt, die er bis heute ein-nimmt.8 1863 wurde der „Comptroller of the Currency“ als Leiter der staatlichen Ban-kenaufsicht institutionalisiert.9 Erst Ende des 19. Jahrhunderts finden sich vereinzeltComptroller-Stellen in amerikanischen Eisenbahngesellschaften (z. B. Atchison,Topeko & Santa Fe Railway System) und in der amerikanischen Industrie (z. B. Gene-ral Electric Company).10 In dieser Entwicklungsstufe entsprechen die Aufgaben desComptrollers in der Wirtschaft weitgehend denen des Comptrollers in der öffentlichenVerwaltung. Der Aufgabenschwerpunkt lag in der Durchführung von Ordnungs-mäßigkeits- und Wirtschaftlichkeitskontrollen und im Aufbau eines aussagekräftigenSystems der Rechnungslegung zur Erfüllung dieser Kontrollfunktionen.11

(2) Phase 2: Vom Comptroller zum ControllerGrößere Verbreitung fand der Comptroller in den ersten Dezenien des 20. Jahrhundertsin der nordamerikanischen Wirtschaft. Dieser Time Lag ist verständlich, wenn manbedenkt, daß die Aufgaben dieser ersten Comptroller normalerweise fester Bestandteilbereits bestehender Stellen (Treasurer, General Auditor) waren.12 Im Zuge dieses Dif-fusionsprozesses kam es, nicht zuletzt durch die zu bewältigende Weltwirtschaftskriseder 30er Jahre, zu einer deutlichen Verschiebung der Aufgabenschwerpunkte des Comp-trollers. Hatte dieser bisher hauptsächlich bereits abgeschlossene Transaktionen ver-gangenheitsorientiert nachzuvollziehen, so mußte er jetzt zukunftsorientierte (Pla-nungs-) Verfahren beherrschen, einführen und die Schlüsselentscheider mit relevantenInformationen versorgen. Durch diese Aufgabenverschiebung wurde aus dem Comp-troller ein Controller. Im Zuge dieser Entwicklung wurde auch das Rechnungswesenvom bloßen vergangenheitsorientierten Dokumentations- und Kontrollinstrument zueinem zukunftsgerichteten Steuerungs- und Führungsinstrument weiterentwickelt. Imdeutschsprachigen Raum13 waren Controller-Stellen lange Zeit nicht institutionalisiert.Die ersten tauchten in den 60er Jahren auf und das vorwiegend in den Tochtergesell-schaften von nordamerikanischen Konzernunternehmen. Seit dieser Zeit hat sich – wie einBlick in die Stellenanzeigen der Tageszeitungen zeigt – diese Situation komplett verändert.

(3) Phase 3: Vom Controller zum ControllingHatte sich die Weiterentwicklung des Controlling bisher vorwiegend in der Wirt-schaftspraxis abgespielt, so ist ab Mitte der 70er Jahre auch ein verstärktes Interesseder wissenschaftlichen Forschung im deutschsprachigen Raum festzustellen.Gegenwärtig wird an ungefähr 40 Lehrstühlen von Universitäten und Fachhoch-schulen das „Controlling“ in Forschung und Lehre vertreten.14 Mit dieser Entwick-lung verschob sich auch der Betrachtungsschwerpunkt weg von der in der Wirt-

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schaftspraxis vorfindbaren Controller-Stelle (Controlling im institutionalen Sinn) hinzu einer funktionalen Sichtweise der Controlling-Aufgaben und deren Integration indie Unternehmensführung (Management). Diese Änderung der Perspektive führteauch dazu, daß sich das Controlling zu einem ganzheitlichen, management- undsystemorientierten Führungs- und Steuerungskonzept für Unternehmen weiterent-wickelt hat.

1.2 EntstehungsgründeSucht man nach den Gründen für die Herausbildung von Controller-Stellen in der Wirt-schaft, so wird vielfach die zunehmende Dynamik und Komplexität der Unternehmens-umwelt genannt.15 Das Ausmaß der Umweltdynamik wird von (a) der Häufigkeit, (b) derStärke und (c) der Irregularität (Diskontinuität) von Änderungen in der Umwelt bestimmt.Beispiele für Umweltveränderung sind der technische Fortschritt, die Verkürzung der Inno-vationszeiten und Lebenszyklen, Veränderungen der weltwirtschaftlichen Bedingungen,Wandlungen im gesellschaftlichen Umfeld, die Internationalisierung der Märkte, die Roh-stoff- und Energieverknappung und die Vergrößerung der Unternehmungseinheiten. DieUmweltkomplexität steigt (a) mit der Anzahl der Faktoren, die bei der Entscheidungsfindungzu berücksichtigen sind, (b) mit der Verschiedenartigkeit dieser Faktoren und (c) mit derVerteilung der Faktoren in verschiedenen Umweltsegmenten.

Aus der zunehmenden Dynamik und Komplexität der Unternehmensumwelt resultiert einezunehmende Unsicherheit bzw Ungewißheit der Entscheidungsträger über zukünftige Ereig-nisse, über die Ursachen und Folgen dieser Ereignisse und über die Möglichkeiten, wie aufdiese Ereignisse zu reagieren ist. An Hand eines einfachen Beispiels lassen sich diese abstrak-ten Aussagen verdeutlichen:16 Ob ein Konkurrent seine Preise senken wird oder nicht, stellt fürdas Unternehmen eine Unsicherheitsquelle dar, ebenso wie die Auswirkungen dieser Preis-senkung auf Umsatz und Gewinn des Unternehmens. Unsicherheit wird auch darüber herrschen,welche Maßnahmen nun das Management zu ergreifen hat, wenn das Konkurrenzunternehmentatsächlich die Preise senkt. Diese Unsicherheit über Preise verursacht Probleme bei der Pro-duktions- und Kapazitätsplanung des Unternehmens, die gelöst werden müssen.

Ist das Management mit Umweltunsicherheit konfrontiert, wird es versuchen, dieseabzubauen. Gerade in jenen Unternehmen, die mit hoher Umweltdynamik und -komplexitätkonfrontiert waren, wurden Controller-Stellen eingerichtet. Den Controller-Stellen kommtin diesem Zusammenhang die Aufgabe zu, insbesondere durch die Beschaffung und Ver-sorgung der Führungsebenen mit Informationen, die Umweltunsicherheit zu reduzieren unddie Entscheidungsqualität zu verbessern.17

1.3 EntwicklungsstandIm Gegensatz zur Wirtschaft hat das Controlling in Politik und öffentlicher Verwaltung nur invereinzelten Bereichen (Controlling-Inseln vor allem in der Kommunalverwaltung) Einzug

Historische Entwicklung des Controlling 15

15 Diese Erklärungsversuche basieren auf organisationstheoretischen Überlegungen, die im deutsch-sprachigen Raum unter der Bezeichnung „Situative Ansätze der Organisationsforschung“ firmieren.Siehe dazu: Kieser, Alfred: (1993) S 161 ff; Kieser, Alfred / Kubicek, Herbert: (1992) S 365 ff; Staehle, Wolfgang H.: (1991c) S 47 ff.

16 Khandwalla, Pradip N.: (1975) S 141.17 Horváth, Péter: (1992) S 5 f.

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gehalten. Der Grund dafür liegt sicher nicht in der mangelnden Umweltdynamik und -kom-plexität der Organisationen der öffentlichen Verwaltung, sondern vielmehr in der traditionellen„Irrelevanz“ von betriebswirtschaftlichen Kriterien bei der Steuerung des Verwaltungshan-delns. Während in der Privatwirtschaft „Fehlentscheidungen“ zum Ausscheiden aus demMarkt führen können, sind sie im öffentlichen Bereich in der Regel finanzierbar und für dieEntscheidungsträger nicht unbedingt existenzbedrohend. Daher ist es auch nicht verwunder-lich, daß die ersten Diskussionen über den Einsatz von Controlling in Politik und öffentlicherVerwaltung Mitte der 80er Jahre vorwiegend im Kreis der Wissenschaft18 erfolgten und auchdementsprechend geringe Resonanz in der Verwaltungspraxis fanden.

Dies hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. Die gegenwärtige Auf-geschlossenheit gegenüber diesem Thema resultiert einerseits aus der „katastrophalen“Finanzsituation mancher Gebietskörperschaften, die die Politiker förmlich zwingt, „neueWege im Verwaltungsmanagement (New Public Management)“19 zu beschreiten undandererseits aus den langsam durchsickernden Informationen über die „sagenhaften“Erfolge der Verwaltungsreform in ausländischen Gebietskörperschaften (Niederlande, Groß-britannien, Skandinavien, Neuseeland, USA etc). Während das Controlling in der Wirtschaftgelebt wird und bereits einen relativ hohen Entwicklungsstand erreicht hat, geistert es inPolitik und öffentlicher Verwaltung vorerst noch als „Worthülse“ herum, zwar von vielenin den Mund aber – vielleicht mangels konkreter Inhalte – nicht beim Wort genommen.Controlling weist alle Elemente eines Modebegriffes auf, denn niemand kann genau sagen,was das Controlling in Politik und öffentlicher Verwaltung sei, welche Instrumente einzu-setzen sind und worin die Vor- und Nachteile liegen. Eine derartige Situation eröffnet großeInterpretationsspielräume, und in dieser Projektionsoffenheit des Begriffs liegt ein weite-rer Grund für die Beliebtheit des Controlling. So kann jeder (Politiker wie öffentlichBediensteter) seine Reformvorstellungen mit dem Etikett „Controlling“ versehen.

Die gegenwärtige Controlling-Hochkonjunktur eröffnet Chancen, birgt aber auch Risi-ken, die nicht unerwähnt bleiben sollen. Eine Chance besteht darin, daß mit Hilfe des Con-trolling in der öffentlichen Verwaltung die „Kriterien der Zweckmäßigkeit und Wirt-schaftlichkeit“ zum „Wohle des Staatsbürgers“ institutionalisiert werden können. Darüberhinaus kann das Controlling generell als Katalysator für die Einführung weiterer betriebs-wirtschaftlicher Instrumente und Konzepte wie beispielsweise Kostenrechnung, Total Qua-lity Management, Lean Management, Management by Objectives, Leistungsbeurteilung,strategisches Management oder outputorientierte Steuerungsmodelle dienen. Weiters bie-tet das Controlling auch die Möglichkeit, daß in der öffentlichen Verwaltung ein betriebs-wirtschaftlich geprägtes Berufsbild (z. B. Controller) entsteht.

Diesen Chancen stehen natürlich auch Risiken gegenüber. Wird das Controlling ineiner Gebietskörperschaft implementiert, ohne daß es zu den Rahmenbedingungen paßt, sokann dieses sehr schnell zu einem „System der Selbst- und Fremdtäuschung“ degenerieren,das mehr der Beschönigung des Status quo als der Verbesserung von Zweckmäßigkeit undWirtschaftlichkeit dient. Betrachtet man die Controlling-Praxis in österreichischen Ver-waltungen, so unterstützen folgende Indizien diese Befürchtungen:(1) Regierungen (Bund, Länder, Kommunen) beschließen die Einführung von Control-

ling, ohne daß diesen Beschlüssen ein konkretes Controlling-Konzept zugrundeliegtund ohne vorher geprüft zu haben, ob die Rahmenbedingungen passend sind.

16 Grundlagen des Controlling

18 Budäus, Dietrich: (1986); Buschor, Ernst: (1987); Oechsler, Walter A.: (1987b); Oechsler, WalterA.: (1987a); Weber, Jürgen: (1983); Reinermann, Heinrich: (1984).

19 Das „New Public Management“ wird in Punkt 6 dieses Kapitels näher beschrieben.

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(2) Vielfach herrscht in der Verwaltungspraxis die Auffassung vor, daß Controlling ohneController nicht möglich ist. In der Folge werden eigene Controller-Stellen geschaf-fen und mit dem Auftrag ausgestattet, „sich um das Controlling zu kümmern“. Wer-den diese Planstellen auch noch unpassenden Organisationseinheiten zugeordnet, istdie Wahrscheinlichkeit hoch, daß sie – fern der wichtigen Entscheidungsprozesse –„verkümmern“.

(3) Controller-Stellen eignen sich sehr gut, verdiente Mitarbeiter von Regierungsmit-gliedern mit einem besoldungsmäßig attraktiven Job zu versorgen.

(4) Es werden zwar Stellen mit der Bezeichnung „Controller“ geschaffen, die aber inWirklichkeit keine Controlling-Aufgaben erfüllen.

(5) Controlling findet in einem zunehmenden Ausmaß Niederschlag in den Geschäfts-verteilungen der Organisationen der öffentlichen Verwaltung – vielleicht um einer-seits den mancherorts schwindenden Aufgabenbestand zu sichern oder andererseitsden Aufgabenbestand auszuweiten. Ob jedoch tatsächlich Controlling-Aufgabendurchgeführt werden, ist anzuzweifeln.

Die nachfolgenden Ausführungen versuchen die noch „vagen“ Vorstellungen über denInhalt und die Funktionsweise von Controlling zu konkretisieren, um „Fehlentwicklun-gen“ und „mißbräuchliche Verwendungen“ des Controlling rechtzeitig verhindern zukönnen.

2. Begriff, Funktionsweise und Nutzen des Controlling

2.1 Begriff „Controlling“

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt existiert noch keine allgemein akzeptierte Definition desBegriffs „Controlling“. Daher nimmt die Begriffsbildung noch einen relativ großen Raumin den wissenschaftlichen Publikationen ein. Die in der Controlling-Literatur vorfindbarenDefinitionen reichen von prägnanten, fast schon metapherhaften Charakterisierungen(„Controlling ist die Philosophie des Vorschaudenkens – der Vorsorgetherapie.“20) bis hinzu umfassenden, programmatischen Kennzeichnungen des Controlling im Sinne von „gene-ral accepted controlling principles“21. Die meisten Controlling-Definitionen sind auf dieRahmenbedingungen der Unternehmen abgestimmt und können nicht uneingeschränktübernommen werden. Bezogen auf die Rahmenbedingungen von Politik und öffentlicherVerwaltung wird folgende Definition von Controlling 22 vorgeschlagen:

Begriff, Funktionsweise und Nutzen des Controlling 17

20 Deyhle, Albrecht / Steigmeier, Beat u. a.: (1993) S 20. Im Original kursiv.21 Küpper, Hans-Ulrich / Weber, Jürgen / Zünd, André: (1990) S 282 f.22 Eine ähnliche Definition findet sich bei Lüder, Klaus: (1993) S 266: „Verwaltungscontrolling ist ein

Konzept zur Steuerung des Verwaltungshandelns in Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und Wirk-samkeit.“

Controlling ist eine Form der Führungsunterstützung, die durch dieBereitstellung von Informationen und Methoden den verschiedenenEbenen des politisch-administrativen Führungssystems die Steuerungder Effektivität, der Effizienz und des Finanzmittelbedarfes ermöglicht.

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Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das politisch-administrative Führungssystem jederGebietskörperschaft mit folgenden Fragen konfrontiert:

(1) Welche Leistungen sollen von einer Gebietskörperschaft erbracht werden, damitdiese den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht werden kann?Die Anpassung des Leistungsangebots einer Gebietskörperschaft an die sich verän-dernden gesellschaftlichen Erfordernisse stellt eine wichtige Aufgabe des politischenFührungssystems dar.

(2) Wie wirken sich diese Leistungen auf den Finanzmittelbedarf einer Gebiets-körperschaft aus und nach welchen Kriterien können die Finanzmittel den Orga-nisationseinheiten zugewiesen werden?Die Ermittlung des Finanzmittelbedarfes und die „bedarfsgerechte“ Zuteilung derFinanzmittel auf die Organisationseinheiten ist die Aufgabe der Haushaltsplanung.

(3) Wie kann sichergestellt werden, daß die Leistungen so kostengünstig wie möglicherstellt werden?Der Finanzmittelbedarf einer Gebietskörperschaft hängt nicht nur vom Umfang desLeistungsangebots, sondern auch von der Höhe der Kosten der einzelnen Leistungenab.

Aus diesen Fragen resultieren folgende Anforderungen an eine Gebietskörperschaft:

(1) Sie muß effektiv (zweckmäßig, wirksam) sein, dh sie muß die „richtigen“ Leistun-gen erbringen, um die gesellschaftlichen Anforderungen erfüllen zu können (Effek-tivität)!

(2) Sie muß effizient (wirtschaftlich) sein, dh sie muß die Leistungen so kostengünstigwie möglich produzieren (Effizienz)!

(3) Sie muß finanzierbar sein, dh die Leistungen müssen im Rahmen der verfügbarenpersonellen und finanziellen Ressourcen erstellt werden können!

Diese Anforderungen sind eng miteinander verknüpft und beeinflussen sich gegenseitig. Diemeisten Entscheidungen des politisch-administrativen Führungssystems haben Auswir-kungen auf die Effektivität, Effizienz und den Finanzmittelbedarf einer Gebietskörperschaft.Es ist symptomatisch für die öffentliche Verwaltung, daß die Führungskräfte (Politiker wieSpitzenbeamte) in der Regel nicht wissen, welche Leistungen wieviel kosten, wie gut siesind und welche Leistungen in Hinkunft wie finanziert werden sollen.

Die Aufgabe des Controlling besteht nun darin, den Organen des politisch-admini-strativen Führungssystems (Parlament, Regierung, Regierungsmitglied, oberste admini-strative Führungsebene) einerseits die Auswirkungen von Entscheidungsalternativen auf dieEffektivität, die Effizienz und den Finanzmittelbedarf im vorhinein aufzuzeigen und ande-rerseits regelmäßig darüber zu informieren, wie sich die getroffene Entscheidung auf dieEffektivität, die Effizienz und den Finanzmittelbedarf tatsächlich ausgewirkt hat und welche Maßnahmen ergriffen werden können, um eingetretene „Fehlentwicklungen“ zukorrigieren. Die Abbildung 1 zeigt die zentralen Steuerungsgrößen des Controlling.

18 Grundlagen des Controlling

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Abbildung 1: Steuerungskriterien des Controlling

2.2 Funktionsweise des ControllingHinter dem „Controlling“ steht ein umfassendes Konzept zur Steuerung der Effektivität, derEffizienz und des Finanzmittelbedarfes der Organisationen der öffentlichen Verwaltung. ZurVerdeutlichung der Funktionsweise werden die wichtigsten Begriffsmerkmale des Con-trolling detaillierter beschrieben.

Abbildung 2: Begriffsmerkmale des Controlling

BEGRIFFSMERKMALE DES CONTROLLING

Führungsunterstützung

Koordination und Integration

Ziel- und Ergebnisorientierung

Informations- und Methodenversorgung

EFFEKTIVITÄT

EFFIZIENZ

FINANZMITTEL-BEDARF (in ÖS)

hoch

niedrig

niedrig

hoch

Begriff, Funktionsweise und Nutzen des Controlling 19

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23 Rehmer, Andreas: (1987) S 357.24 Anthony, Robert N.: (1988) S 70; Anthony, Robert N. / Young, David W.: (1988) S 18; Anthony,

Robert N. / Dearden, John / Govindarajan, Vijay: (1992) S 21. In der US-amerikanischen Mana-gementliteratur spricht man von „Management Control“.

25 Zur Kritik am Regelkreis orientierter „Management Control Systeme“ aus verhaltenswissen-schaftlicher Sicht siehe: Hofstede, Geert: (1978) S 450 ff; Hofstede, Geert: (1981) S 193 ff.

26 Bramsemann, Rainer: (1993) S 44.

20 Grundlagen des Controlling

2.2.1 Führungsunterstützung

Das Controlling ist Bestandteil des Führungssystems einer Gebietskörperschaft, dem dieAufgabe zukommt, die Führungsorgane bei ihrer Steuerungs- bzw Lenkungsaufgabe zuunterstützen. Mit Führung ist hier nicht die Mitarbeiterführung gemeint, sondern dieSystem- bzw Subsystemführung, die auch als Management bezeichnet wird.23 Am anschau-lichsten lassen sich die Führungsfunktionen an Hand eines Kreislaufmodells24 demon-strieren, das den prozessualen Aspekt der Führung in den Vordergrund stellt.

Abbildung 3: Kreislaufmodell der Führung

Der abgebildete Führungsprozeß umfaßt vier Phasen (Programmierung, Budgetierung, Aus-führung, Evaluation und Berichterstattung), die kreislaufförmig angeordnet und zwischendenen Rückkoppelungen (strichlierte Linien) möglich sind. Diese Darstellungsweise, dieden Steuerungsaspekt der Führung deutlich zum Ausdruck bringt, orientiert sich an kyber-netischen Regelkreismodellen25, die sowohl eine Feedback-Steuerung als auch eine Feed-forward-Steuerung erlauben. Die Feedback-Steuerung besteht in der Ergreifung von Kor-rekturmaßnahmen, wenn die Ist-Werte von den Plan-Werten abweichen. Im Vergleich dazukonkretisiert sich die Feedforward-Steuerung in der Infragestellung der Planwerte, dhinwieweit die Umweltdynamik und -komplexität die Planwerte noch realistisch erscheinenlassen. Die Abbildung 4 faßt die Merkmale der Feedback- und Feedforward-Steuerungzusammen und stellt sie einander gegenüber.26

Programmierung

Budgetierung

Ausführung

Evaluation undBerichterstattung

Informationen

InformationenIn

form

atio

nen

Info

rmat

ione

n

neue Programmideen

Regierungs-erklärung

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Abbildung 4: Merkmale der Feedback- und Feedforward-Steuerung

Nachfolgend werden die einzelnen Phasen und ihr Zusammenwirken kurz beschrieben:27

Im Rahmen der Programmierung werden Maßnahmenbündel zur Lösung gesellschaft-licher Probleme formuliert und durch Beschlüsse des politischen Führungssystems auto-risiert. Viele dieser Programme haben Gesetzes- bzw Verordnungscharakter. In den Pro-grammierungsprozeß sind in der Regel eine Vielzahl von Personen und Institutioneninvolviert, die den Inhalt der Programme bestimmen können. Auf Seite der öffentlichenVerwaltung ist es vor allem die politikvorbereitende Verwaltung, die in den Prozeß derProgrammentwicklung involviert ist und eine bedeutende Rolle spielt. Aus betriebswirt-schaftlicher Sicht genügt es nicht, daß die Programme dem Stufenbau der Rechtsordnung(Verfassung) entsprechend erzeugt werden, sondern sie müssen darüber hinaus noch effek-tiv, effizient und finanzierbar sein. Werden diese Kriterien bei der Programmentwicklungnicht berücksichtigt, dann ist es nicht verwunderlich, wenn sich bei der Programm-durchführung herausstellt, daß die Programme ineffektiv (wirkungslos) und ineffizient(hohe Kosten, verursacht durch einen komplizierten Verfahrensablauf) sind und überdiesden Rahmen der finanziellen Möglichkeiten sprengen. Dem Controlling kommt hier dieAufgabe zu, jeden Programmentwurf hinsichtlich der genannten Kriterien zu spezifizie-ren. Häufig sind die in einer Legislaturperiode zu entwickelnden Programme in der Regie-rungserklärung vorgezeichnet bzw vorgegeben. Sie bildet auch gleichzeitig das Arbeits-programm der politikvorbereitenden Verwaltung. In großen Gebietskörperschaften wer-den im Verlaufe einer Regierungs- bzw Legislaturperiode hunderte von Programmenbeschlossen. Diese vorwiegend dezentral zu entwickelnden Programme bedürfen derKoordination auf Regierungsebene.

Im Rahmen der Budgetierung werden die vom politischen Führungssystem be-schlossenen Programme in Form einer Jahresplanung auf die vollziehenden Organisa-tionen der öffentlichen Verwaltung heruntergebrochen. Die Budgetierung erfolgt im Rah-men eines Verhandlungsprozesses zwischen den Leitern der Organisationseinheiten bzwVerantwortlichkeitsbereichen und ihren vorgesetzten Organisationseinheiten. In diesenVerhandlungen werden ausgehend von den durchzuführenden Programmen Ziele verein-bart (z. B. im Haushaltsjahr Leistungen in einer bestimmten Quantität und Qualität zuerbringen) und der für die Zielerreichung notwendige personelle und finanzielle Res-sourceneinsatz ermittelt. Die Führungskräfte der Vollzugsverwaltung sind dafür verant-wortlich, daß die vereinbarten Ziele erreicht und die Ressourcen „zielorientiert“ eingesetztwerden. Der steuernden Verwaltung obliegen die Leitung der Zielvereinbarungsverhand-lungen und die Überwachung der Zielerreichung, wobei ihr Eingreifen erst dann not-

Merkmale Feedback-Steuerung Feedforward-Steuerung

Wirkungsprinzip

Ausrichtung

Zeitpunkt des Eingriffs

Wirkung des Eingriffs

Rückkoppelung

vergangenheitsbezogen

nach Eintritt der Störung

Störungsbeseitigung

Vorwärtskoppelung

zukunftsbezogen

vor Eintritt der Störung

Störungsabwehr

Begriff, Funktionsweise und Nutzen des Controlling 21

27 Anthony, Robert N.: (1988) S 15 ff.; Anthony, Robert N. / Young, David W.: (1988) S 17 ff.

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wendig wird, wenn die Abweichungen bestimmte Toleranzgrenzen überschreiten (Manage-ment by Exception).

An die Programmierung und die Budgetierung knüpft sich die Ausführung, in der denFührungskräften die Aufgabe zukommt, die operativen Tätigkeiten auf die Realisierung derZiele (geplante Größen) auszurichten und im Rahmen von Soll-Ist-Vergleichen auf fest-gestellte Abweichungen zwischen geplanten und realisierten Größen durch das Ergreifenvon Korrekturmaßnahmen zu reagieren. Eine wesentliche Aufgabe des Controlling bestehtin dieser Phase darin, das Informationssystem (vor allem das Rechnungswesen) so zugestalten, daß es die Abweichungsinformationen rechtzeitig und für die Verantwortlichennachvollziehbar zur Verfügung stellt. Die meist unterjährig (wöchentlich, monatlich, vier-teljährlich, halbjährlich) erfolgende Ermittlung von Abweichungen durch den Soll-Ist-Ver-gleich ist nur für jene Größen sinnvoll, die durch die Führungskräfte auch unterjährig beein-flußt werden können. Zu den häufigsten Steuerungsgrößen zählen Budgetgrößen (Aus-zahlungen, Ausgaben, Einzahlungen, Einnahmen), Kostengrößen, Termine, Fallzahlen,Rückstände etc.

Während Soll-Ist-Vergleiche auf der Ebene von Organisationseinheiten laufend undvor allem unterjährig durchgeführt werden, erfolgen Evaluationen unregelmäßig (meist beiBedarf) und beziehen sich auf Programme. Die Programmevaluation stellt als systematischeex-post Überprüfung der Auswirkungen staatlicher Programme eine Möglichkeit dar, dieEffektivität und die Effizienz staatlichen Handelns zu verbessern. Die Ergebnisse der Pro-grammevaluationen lösen in der Regel Programmodifikationen, entweder in Form einerProgrammausweitung oder in Form einer Programmkürzung aus. Nur in sehr seltenen Fällen wird ein Programm abgesetzt. Die Grundlagen für eine funktionsfähige Evaluationmüssen bereits bei der Programmentwicklung geschaffen werden, wie beispielsweise dieFormulierung von operationalen Programmzielen.

Neben der Evaluation stellt auch die Berichterstattung eine wichtige Führungsfunktiondar. Die Leiter von Verantwortungsbereichen müssen ihren vorgesetzten Organisations-einheiten über die erzielten Ergebnisse berichten und Abweichungen rechtfertigen. Zu denAdressaten von Evaluationen zählen die Öffentlichkeit, das Parlament, die Regierung unddie Fachabteilungen.

2.2.2 Koordination und Integration

Eng verbunden mit der Führungsunterstützungsfunktion ist die Koordinations- und Inte-grationsfunktion des Controlling.28 Die Gebietskörperschaften sind durch ein stetigesWachstum gekennzeichnet, das sich nicht nur in steigenden Budgets ausdrückt, sondernauch in der Anzahl der vollziehenden Organisationseinheiten. Je größer die Anzahl derOrganisationseinheiten ist, desto stärker ist auch die Tendenz der Organisationseinheiten,sich zu Verselbständigen und ein Eigenleben zu führen. Um derartige Entwicklungen zu ver-hindern, ist es notwendig, daß die Organisationseinheiten auf die vom politischen Führungs-system vorgegebenen Ziele und Zwecke ausgerichtet werden. Dieses Koordinationsproblemkann durch das klassische Koordinationsinstrument „Hierarchie“ (Koordination durch per-sönliche Weisung des Vorgesetzten) alleine nicht mehr gelöst werden. Durch die Veranke-rung der Phasen des Führungsprozesses wird die Koordination durch persönliche Weisung

22 Grundlagen des Controlling

28 Horváth, Péter: (1992) S 112 ff; Küpper, Hans-Ulrich: (1988); Lehmann, Frank-Oliver: (1992);Weber, Jürgen: (1991b); Weber, Jürgen: (1991a); Weber, Jürgen: (1992).

013 - 073, korr. 16.10.2002 11:44 Uhr Seite 22

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des Vorgesetzten um die Koordination mittels „Planung“ (Programmierung und Budge-tierung) und „Kontrolle“ (Soll-Ist-Vergleich und Evaluation) ergänzt. Voraussetzung dafürist, daß jede Organisationseinheit auch einen eigenständigen Verantwortungsbereich(responsibility center) darstellt. Darunter versteht man eine Organisationseinheit, die voneiner Führungskraft geleitet wird, die für die Zielerreichung verantwortlich ist, wobei jederVerantwortungsbereich seinen Beitrag zur Zielerreichung des Gesamtsystems leisten muß.Die Abbildung 5 zeigt das Funktionsprinzip von Verantwortungsbereichen.

Abbildung 5: Funktionsweise von Verantwortungsbereichen

In den Verantwortungsbereichen werden Ressourcen (Input) eingesetzt, um Leistungen(Output) für den Bürger (externer Output) und/oder für andere Verantwortungsbereiche(interner Output) zu erbringen. Die Führungskräfte der Verantwortungsbereiche ver-pflichten sich im Rahmen von Zielvereinbarungen dazu, genau spezifizierte Leistungen(Quantität, Qualität etc) zu erstellen und über die Zielerreichung Rechenschaft abzulegen.Die Schaffung von Verantwortungsbereichen soll die Selbststeuerungsfähigkeit der Orga-nisationseinheiten erhöhen. Die nächsthöhere Führungsebene greift nur dann ein, wennAbweichungen eintreten, die einen kritischen Wert übersteigen.

Wie die Abbildung 6 zeigt, besteht eine Gebietskörperschaft aus einer Vielzahl vonVerantwortungsbereichen, die in einem hierarchischen Verhältnis zueinander stehen (nach-geordnete Dienststellen, Referate, Abteilungen, Gruppen, Sektionen, Minister, Regierung,Parlament), wobei die Verantwortungsbereiche auf der untersten Hierarchieebene durch dieVerantwortungsbereiche der nächsthöheren Ebene koordiniert (abgestimmt und gesteuert)werden. Geht man davon aus, daß in jedem Verantwortungsbereich die oben dargestelltenPhasen des Führungsprozesses relevant sind, dann entsteht ein System von sich über-lappenden Führungsprozessen. Die Koordinationsfunktion ist dabei auf allen Ebenen despolitisch-administrativen Führungssystems wahrzunehmen.

interner Output

externer Output

0UTPUT

SachleistungenDienstleistungenNominalleistungen

INPUT

PersonalMaterialBetriebsmittelFremdleistungenKapital

ZIELVEREINBARUNG

KONTROLLE DER ZIELERREICHUNG

VERANTWORTUNGS-BEREICHE

Begriff, Funktionsweise und Nutzen des Controlling 23

013 - 073, korr. 16.10.2002 11:44 Uhr Seite 23

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Abbildung 6: Koordinations- und Integrationsfunktion des Controlling

Das Controlling erfüllt im wesentlichen systembildende und systemkoppelnde Koordina-tionsaufgaben. Zur systembildenden Koordination zählt vor allem die Institutionalisierungder Phasen des Führungsprozesses in den Verantwortungsbereichen. Die systemkoppelndeKoordination besteht in der gegenseitigen Abstimmung der Phasen durch den Aufbau geeig-neter Rückkoppelungsmechanismen.

2.2.3 Ziel- und Ergebnisorientierung

Weiters leistet das Controlling auch einen Beitrag zur ziel- und ergebnisorientiertenSteuerung der Organisationen der öffentlichen Verwaltung. Die gegenwärtig praktizierteInput-Steuerung über detaillierte gesetzliche Bestimmungen und die Zuteilung von personellen und finanziellen Ressourcen wird von vielen Seiten kritisiert. Der wichtigsteKritikpunkt besteht darin, daß es mit Hilfe der Input-Steuerung nicht möglich ist, dieEffektivität, die Effizienz und den Finanzmittelbedarf der Organisationen der öffentlichenVerwaltung nachhaltig zu steuern. Die vielfach geforderte Steuerung der Organisationender öffentlichen Verwaltung über die zu erreichenden Ziele und Ergebnisse wird grundsätz-lich dadurch erschwert, daß die Ziele und Ergebnisse des Handelns gar nicht bekannt bzwnicht explizit formuliert sind. Ziel- und ergebnisorientierte Steuerung bedeutet, daß die zu

Parlament

Regierung

Minister

Sektion

Organisations-einheiten

Controllingfunktion

Controllingfunktion

Controllingfunktion

Controllingfunktion

Controllingfunktion

Controllingfunktion

Programmierung Budgetierung

Ausführung

EvaluationBerichter-stattung

Programmierung Budgetierung

Ausführung

EvaluationBerichter-stattung

Programmierung Budgetierung

Ausführung

EvaluationBerichter-stattung

Programmierung Budgetierung

Ausführung

EvaluationBerichter-stattung

Programmierung Budgetierung

Ausführung

EvaluationBerichter-stattung

Abteilung/nachge-ordneteDienststelle

24 Grundlagen des Controlling

013 - 073, korr. 16.10.2002 11:44 Uhr Seite 24

Page 13: 13 Kapitel 1: Grundlagen des Controlling · Controlling weist alle Elemente eines Modebegriffes auf, denn niemand kann genau sagen, was das Controlling in Politik und öffentlicher

erreichenden Ziele und Ergebnisse des Verwaltungshandelns festgelegt und die Ziel-erreichung durch die Gegenüberstellung von geplanten und tatsächlich erreichten Ergeb-nissen mit Hilfe von Kennzahlen kontrolliert wird. Voraussetzung dafür ist die möglichstweitgehende Quantifizierung der Ziele und Ergebnisse, die zwar schwierig, aber in wei-ten Bereichen doch grundsätzlich möglich ist. Derartige Kennzahlen begünstigen eineobjektive, sachliche und nachvollziehbare Steuerung und Kontrolle der Organisationen deröffentlichen Verwaltung. Das angestrebte Ergebnis und nicht nur die Mittelverwendungsteht damit im Mittelpunkt der Steuerung. Dabei macht das politische FührungssystemRahmenvorgaben, die vom administrativen Führungssystem in konkrete Zielformulie-rungen umgesetzt werden und die von der Vollzugsverwaltung zu realisieren sind. Durchdiese Vorgangsweise („Management by Results“) können Entscheidungsbefugnisse dele-giert und auf Eingriffe der vorgesetzten Hierarchieebene in das Tagesgeschäft weitgehendverzichtet werden. Dahinter steckt die Auffassung, daß die Erzielung von Ergebnissenwichtiger ist als die Orientierung an Regeln. Die Steuerung der Organisationen der öffent-lichen Verwaltung mit Hilfe von Kennzahlen wird international unter der Bezeichnung„Performance Measurement“29 thematisiert. Die Abbildung 7 zeigt mögliche Bestandteileeines derartigen Kennzahlensystems für Organisationen der öffentlichen Verwaltung (Per-formance Indikatoren)30.

Abbildung 7: Kennzahlen (Performance Indikatoren, Leistungskennzahlen)

(1) Ziele beschreiben einen zukünftig zu erreichenden Zustand, wie beispielsweise dieVerringerung der Zahl der Arbeitssuchenden in einer bestimmten Region um zehnProzent. Prinzipiell können sich Ziele auf den Input, Throughput, Output und denOutcome beziehen.

(2) Zum Input zählt der gesamte Ressourceneinsatz (Personal, Betriebsmittel, Werk-stoffe, Fremdleistungen, Kapital). Er kann dabei mengenmäßig (beispielsweise50 Sachbearbeiter) oder wertmäßig in Form von Ausgaben und/oder Kosten zumAusdruck gebracht werden.

Effektivität

Effizienz

Kostenwirtschaftlichkeit

Produktivität

Kosteneffektivität

INPUT THROUGHPUT OUTPUT OUTCOMEZIELE

Begriff, Funktionsweise und Nutzen des Controlling 25

29 Buschor, Ernst / Schedler, Kuno: (1994).30 Klages, Helmut / Haubner, Oliver: (1990) S 250.

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(3) Der Throughput bezeichnet die Zwischenergebnisse im Produktionsprozeß einerLeistung (Output), wie beispielsweise die Anzahl der abgefertigten Briefstücke, dieAnzahl der abgelegten Prüfungen etc.

(4) Der Output bezeichnet die End- bzw Kernleistung einer Organisation, wie bei-spielsweise die Anzahl der Abschlüsse je Studienrichtung, die Anzahl der Gerichts-verfahren oder die Anzahl der durchgeführten Blinddarmoperationen. Der Output hatdabei nicht nur eine quantitative (Wieviel?), sondern auch eine qualitative (Wie gut?)Dimension.

(5) Der Outcome beschreibt die Wirkung des Outputs in der Gesellschaft, wie bei-spielsweise die Höhe des Einstiegsgehaltes eines Absolventen einer bestimmten Stu-dienrichtung, die Verringerung der Anzahl der Arbeitssuchenden als Folge einesBeschäftigungsprogrammes oder die Erhöhung der Wertschöpfung je Mitarbeiter dergeförderten Unternehmen um zehn Prozent im Zuge eines Wirtschaftsförderungs-programmes.

Kennzahlen zeichnen sich dadurch aus, daß sie quantitativ erfaßbare Sachverhalte in kon-zentrierter Form wiedergeben. Besondere Kennzahlen sind jene, die über die Effizienz undEffektivität Auskunft geben können. Die Abbildung 8 zeigt, daß die Effizienz sowohl dieProduktivität als auch die Kostenwirtschaftlichkeit umfaßt.

Abbildung 8: Effizienz-Kennzahlen

Der Begriff der Effektivität (Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit) wird in Theorie und Pra-xis durchaus unterschiedlich definiert. Allgemein versteht man unter der Effektivität dasAusmaß der Zielerreichung, wobei sich die Ziele auf den Input, den Throughput, den Output und den Outcome beziehen können. Darüber hinaus kann die Effektivität auf Programme und/oder Organisationen bezogen werden. Vor allem bei der Beurteilung derEffektivität von Programmen steht der Outcome (beabsichtigte gesellschaftliche Wirkung)im Mittelpunkt. Sind keine Outcome-Ziele formuliert, fehlt auch der Maßstab für die Beur-teilung der Effektivität. Interessiert hingegen die Effektivität von Organisationen, so rücktder Output (Art, Menge und Qualität der Leistungen) bei der Beurteilung in den Vorder-grund. Für die Bewertung von Programmen ist noch eine weitere Kennzahl interessant,nämlich die Kostenwirksamkeit bzw Kosteneffektivität. Sie gibt an, wieviele Ressourcen

PRODUKTIVITÄT KOSTENWIRTSCHAFTLICHKEIT

Beispiele: Beispiele:- Kosten eines Absolventen einer Studienrichtung

- Kosten eines Gerichts- verfahrens

- Kosten eines Verfahrens

- Studenten je Universitäts- lehrer

- Bescheide je Sachbearbeiter

- Urteile je Richter

OUTPUT

INPUTKOSTEN

OUTPUT (LEISTUNG)

EFFIZIENZ

26 Grundlagen des Controlling

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(bewerteter Input) für die Erreichung eines bestimmten Outcome eingesetzt wurden. Umdiese Kennzahlen (Performance Indikatoren) für Steuerungszwecke einsetzen zu können,müssen sie laufend beobachtet und berechnet (Performance Monitoring) werden.

2.2.4 Informations- und Methodenversorgung

Ein weiteres konstitutives Merkmal des Controlling besteht in seiner Informations- undMethodenversorgungsfunktion.31 Das Controlling unterstützt die einzelnen Phasen desFührungsprozesses einerseits methodisch durch die Bereitstellung von Planungs- und Kon-trollinstrumenten und andererseits durch die Bereitstellung von Informationen, die in deneinzelnen Phasen benötigt werden. Die Informationen müssen regelmäßig und in syste-matischer Weise den Entscheidungsträgern des politisch-administrativen Systems zur Ver-fügung gestellt werden, damit diese noch rechtzeitig eingreifen können. Die Abbildung 9veranschaulicht die Informationsversorgungsfunktion des Controlling.

Abbildung 9: Informationsversorgungsfunktion des Controlling

Traditionell kommt dem betriebswirtschaftlichen Rechnungswesen bei der Versorgung derFührungskräfte mit entscheidungsrelevanten Informationen eine bedeutende Rolle zu. DieAbbildung 10 zeigt, wie ein Verantwortungsbereich im betriebswirtschaftlichen Rech-nungswesen abgebildet werden kann.

PROGRAMMIERUNG AUSFÜHRUNG BERICHTERSTATTUNGBUDGETIERUNGEVALUATION

CONTROLLINGAKTIVITÄTEN

MANAGEMENTINFORMATIONSSYSTEM

PHASEN DES FÜHRUNGSPROZESSES

Begriff, Funktionsweise und Nutzen des Controlling 27

31 Link, Jörg: (1982) S 261 ff; Reinermann, Heinrich: (1984) S 85 ff.

013 - 073, korr. 16.10.2002 11:44 Uhr Seite 27

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Abbildung 10: Abbildung der Verantwortungsbereiche im Rechnungswesen

Im Rahmen von Zielvereinbarungen verpflichten sich die Verantwortungsbereiche,bestimmte interne und externe Leistungen zu erstellen, wofür ihnen Ressourcen (Input) zurVerfügung gestellt werden, die sich wertmäßig in einem Auszahlungs- und/oder Kosten-budget niederschlagen können. Werden die externen Leistungen entgeltlich in Form vonGebühren, privatrechtlichen Entgelten oder Kostenerstattungsbeträgen abgegeben, kanndie Erzielung eines bestimmten Kostendeckungsgrades Bestandteil der Zielvereinbarungsein. Für die Steuerung der Leistungserstellung benötigt der Leiter des Verantwortungs-bereiches laufend Informationen über den Stand des Budgetvollzuges (Auszahlungen, Ein-zahlungen), über die Höhe der verursachten Kosten und/oder über den Kostendeckungs-grad. Zu diesem Zweck muß das Rechnungswesen den Leistungserstellungs- und -ver-wertungsprozeß mengen- und wertmäßig abbilden. Dies ist nur dann möglich, wenn dasbestehende Rechnungswesen um eine Kosten- und Leistungsrechnung ergänzt wird. Diewissenschaftliche Kommission „Öffentliche Unternehmen und Verwaltungen“ geht sogareinen Schritt weiter und fordert die Erweiterung der Kosten- und Leistungsrechnung umeine Wirkungsrechnung (Abbildung des Outcomes) zur Verbesserung der Programm-steuerung.32 Die Informationen aus dem Rechnungswesen dienen nicht nur der internenSteuerung, sondern auch der Rechenschaftslegung gegenüber dem Parlament und derÖffentlichkeit. Hier soll nicht der Eindruck erweckt werden, daß nur das Rechnungswesenin der Lage ist, entscheidungsrelevante Informationen zu liefern. Neben dem Rechnungs-wesen werden auch noch andere Informationssysteme (z. B. Aktenverwaltungssysteme,Personalinformationssysteme, Statistiken) benötigt. Zur Erfüllung der Informations-aufgaben kann es nützlich sein, ein PC- und/oder HOST-gestütztes Managementinfor-mationssystem („Führungsinformationssystem“ bzw „Executive Information System“)aufzubauen.33

ABBILDUNG IM RECHNUNGSWESEN DER ÖFFENTLICHEN VERWALTUNG

interner Output

externer Output

0UTPUT

SachleistungenDienstleistungenNominalleistungen

INPUT

PersonalMaterialBetriebsmittelFremdleistungenKapital

VERANTWORTUNGS-BEREICHE

interner Output

externer Output

Kosten je OutputKostendeckungsgradErlöse je Output

RECHNUNGS-KATEGORIEN

AusgabenKostenErlöse

Zuordnungsobjekt

Ausgaben/Kosten jeVerantwortungsbereich

28 Grundlagen des Controlling

32 Brede, Helmut / Buschor, Ernst: (1993); Buschor, Ernst: (1991) S 216 ff.33 Reichmann, Thomas: (1993) S 490 ff.

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2.3 Nutzen des Controlling für Politik und Öffentliche Verwaltung

Eine Frage, die im Zuge der Diskussion der Relevanz von Controlling für das politisch-administrative Führungssystem immer wieder auftaucht, ist die nach dem Nutzen des Con-trolling. Da das Controlling kein Instrument zur kurzfristigen Budgetsanierung darstellt, läßtsich der Nutzen des Controlling nicht unmittelbar in eingesparten Planstellen und Finanz-mitteln zum Ausdruck bringen. Der Beitrag des Controlling zur Haushaltskonsolidierung isteher mittelfristig und besteht darin, daß das politisch-administrative System in die Lage ver-setzt wird, die personellen und finanziellen Ressourcen den Kriterien der Effektivität undEffizienz entsprechend umzuschichten und besser einzusetzen. Da zwischen dem politischenund dem administrativen Führungssystem einer Gebietskörperschaft nicht unbedingt Inter-essenskongruenz gegeben sein muß, empfiehlt es sich, den Nutzen des Controlling ziel-gruppenorientiert zu beschreiben.

(1) Nutzen des Controlling für das politische Führungssystem

Begriff, Funktionsweise und Nutzen des Controlling 29

Mit Hilfe des Controlling kann das politische Führungssystem

(a) die Auswirkungen von Aufgabenveränderungen auf den Haushaltbesser abschätzen;

(b) die Folgewirkungen von neuen Rechtsnormen auf die öffentlicheVerwaltung, die Wirtschaft und die privaten Haushalte in den Ent-scheidungsprozeß einbeziehen;

(c) „politische“ Entscheidungen stärker an Sachargumenten orientie-ren;

(d) die Organisationen der öffentlichen Verwaltung über Kennzahlensteuern;

(e) die Aufteilung der Budgetmittel auf die verschiedenen öffentlichenAufgaben an Hand objektiver und intersubjektiv nachprüfbarer Kri-terien durchführen;

(f) dem Bürger Rechenschaft darüber geben, welcher Nutzen für dieSteuergelder geschaffen wurde;

(g) die Effektivität (Zweckmäßigkeit, Wirksamkeit) der öffentlichen Lei-stungen beurteilen und steuern;

(h) die Effizienz (Produktivität, Kostenwirtschaftlichkeit) der öffent-lichen Leistungen beurteilen und steuern.

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(2) Nutzen des Controlling für das administrative Führungssystem

30 Grundlagen des Controlling

Mit Hilfe des Controlling kann das administrative Führungssystem

(a) zu einer Versachlichung „politischer“ Entscheidungen beitragen;(b) dem politischen Führungssystem die Auswirkungen ihrer Entschei-

dungen auf die Effektivität, Effizienz und den Finanzmittelbedarfaufzeigen;

(c) die Vollzugsverwaltung nach betriebswirtschaftlichen Kriterien steu-ern;

(d) über die Effektivität und Effizienz ihrer Leistungen Rechenschaftablegen (berichten);

(e) betriebswirtschaftlich fundierte „Make or Buy“-Entscheidungentreffen;

(f) seine Führungsfunktionen besser wahrnehmen.

3. Strategisches und operatives Controlling

Die in der Controlling-Literatur vorgenommene Aufteilung in ein „strategisches“ und inein „operatives“ Controlling läßt sich auch auf den Bereich der staatlichen Verwaltungübertragen. Zu diesem Zweck wird der in Punkt 2.1. dargestellte Führungsprozeß in seineKomponenten zerlegt und diese dem strategischen und operativen Controlling zugeordnet.So bilden die Phasen „Programmierung“ und „Programmevaluation“ die Eckpfeiler desstrategischen Controlling und die Phasen „Budgetierung“ und „Ausführung“ die des ope-rativen Controlling. Diese Aufspaltung und Zuordnung kann nicht eindeutig durchgeführtwerden, sodaß zwischen beiden Überschneidungen bestehen bleiben. Weiters resultierenÜberscheidungen auch daraus, daß grundsätzlich jede Ebene des politisch-administrativenFührungssystems sowohl in den Prozeß des strategischen als auch in den des operativenControlling einbezogen ist bzw werden kann.

Abbildung 11: Strategisches und operatives Controlling

STRATEGISCHESCONTROLLING

OPERATIVES CONTROLLING

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3.1 Strategisches ControllingUm der politischen Natur einer Gebietskörperschaft Rechnung zu tragen, orientiert sich dasstrategische Controlling am Politikerzeugungs- und -durchsetzungsprozeß, der auch als„Public-Policy-Prozeß“ bezeichnet wird. In seiner betriebswirtschaftlichen Ausprägungs-form umfaßt er die Entwicklung, die Budgetierung, die Ausführung und die Evaluationstaatlicher Programme. Unter einem Programm versteht man ein politikfeldbezogenes Maß-nahmenpaket zur Lösung bestimmter gesellschaftlicher Probleme. Politikfelder sind dabeiinstitutionalisierte Sektoren staatlichen Handelns, wie z. B. die Sozialpolitik, die Wirt-schaftspolitik, die Forschungspolitik. Wie die Abbildung 12 zeigt, lassen sich die Phasen desPublic-Policy-Prozesses kreislaufförmig anordnen und Rückkoppelungsprozessezwischen ihnen aufbauen. Der „Public-Policy-Prozeß“ folgt in dieser Form der Steue-rungslogik von Regelkreisen.

Abbildung 12: Public-Policy-Prozeß

Aufbauend auf diesen Überlegungen läßt sich das strategische Controlling für Politik undöffentliche Verwaltung wie folgt definieren:

Programm-entwicklung

Programm-budgetierung

Programm-ausführung

Programm-evaluation

Informationen

InformationenIn

form

atio

nen

Info

rmat

ione

n

neue Programmideen

Regierungs-erklärung

Strategisches und operatives Controlling 31

Unter dem strategischen Controlling versteht man die Unterstützungdes politisch-administrativen Führungssystems einer Gebietskörper-schaft bei der Steuerung des Public-Policy-Prozesses.

Die Funktionsweise des strategischen Controlling wird in Kapitel 2 dieser Arbeit aus-führlich behandelt.

3.2 Operatives ControllingWährend beim strategischen Controlling die Programmsteuerung im Mittelpunkt steht,konzentriert sich das operative Controlling auf die Steuerung der Organisationen deröffentlichen Verwaltung und ihrer Subeinheiten (Verantwortungsbereiche), ganz gleich inwelcher Phase des Public-Policy-Prozesses sie tätig werden. Den Bezugsrahmen für das

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operative Controlling bildet der folgende – an der Regelkreislogik orientierte – Manage-mentkreislauf.

Abbildung 13: Managementkreislauf

Aufbauend auf diesem Bezugsrahmen läßt sich das operative Controlling wie folgt defi-nieren:

Ziel- und Maß-nahmenplanung

Ressourcenplanung

Ausführung

Soll-Ist-VergleichBerichterstattung

Informationen

InformationenIn

form

atio

nen

Info

rmat

ione

n

Programme

Leitbild

öffentlicherAuftrag

32 Grundlagen des Controlling

Unter dem operativen Controlling versteht man die Unterstützung despolitisch-administrativen Führungssystems bei der Steuerung derOrganisationen der öffentlichen Verwaltung und ihrer Subeinheiten(Verantwortungsbereiche).

Die Funktionsweise des operativen Controlling wird in Kapitel 3 dieser Arbeit detailliertbeschrieben.

3.3 Gemeinsamkeiten und UnterschiedeSowohl das strategische als auch das operative Controlling lassen sich aus dem in Punkt2.2.1 für die Steuerung von Gebietskörperschaften relevanten Führungsprozeß ableiten,wobei der für das strategische Controlling relevante „Public-Policy-Prozeß“ den Rahmenfür die – dem operativen Controlling zugrundeliegenden – Managementprozesse in denOrganisationen der öffentlichen Verwaltung bildet. Dieser Zusammenhang wird in derAbbildung 14 zum Ausdruck gebracht.

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Abbildung 14: Zusammenhang zwischen strategischem und operativem Controlling

Zwischen diesen beiden Prozessen bestehen Wechselwirkungen. So können operational for-mulierte Programmziele die Zielplanung der programmvollziehenden Organisations-einheiten (Vollzugsverwaltung) erleichtern und umgekehrt. Darüber hinaus können laufendeSoll-Ist-Vergleiche wichtige Informationen für die Programmevaluation liefern. Weiterskann die Programmbudgetierung ihre Fortsetzung in der Outputbudgetierung der Organi-sationseinheiten und umgekehrt finden. Das strategische und operative Controlling lassensich an Hand folgender Kriterien differenzieren:

(1) SteuerungsobjektIm strategischen Controlling bilden die Programme und im operativen Controllingdie Organisationseinheiten die Steuerungsobjekte.

(2) FristigkeitDer zeitliche Horizont des strategischen Controlling wird in der Regel durch dieLegislaturperiode begrenzt. Die zeitliche Perspektive des operativen Controlling orientiert sich gewöhnlich an der Jährlichkeit des Haushaltes.

(3) OrientierungDa die Programme Ausdruck der Politik einer Gebietskörperschaft sind, kann dasstrategische Controlling auch als „politisches bzw politikorientiertes Controlling“bezeichnet werden. Im Gegensatz dazu ist das operative Controlling nicht außen-,sondern eher innenorientiert, wodurch die Bezeichnung „administratives Control-ling“ angebracht erscheint.

(4) AufgabenträgerAus der Sicht der Gebietskörperschaft gehört das strategische Controlling in das Auf-gabengebiet des politischen Führungssystems und der politikvorbereitenden Ver-waltung. Im Vergleich dazu bildet das operative Controlling den Aufgabenschwer-punkt der steuernden und vollziehenden Verwaltung. Diese Zuordnung ist nichtunproblematisch, da – wie noch in Kapitel 2 gezeigt wird – auch die steuerndeund/oder vollziehende Verwaltung in den Programmentwicklungsprozeß involviertsein können.

PROGRAMM-ENTWICKLUNG

PROGRAMM-BUDGETIERUNG

PROGRAMM-AUSFÜHRUNG

PROGRAMM-EVALUATION

Strateg

isches

Con

trolli

ng

Strateg

isches

Contro

lling

Strategisches ControllingStrategisches Controlling

Ressourcen-planung

Soll-Ist-Ver- gleich

Ziel- und Maß- nahmenplanung

Ausführung

Operatives Controlling

Operatives Controlling

Strategisches Controlling

Strategisches Controlling

Strategisches und operatives Controlling 33

013 - 073, korr. 16.10.2002 11:44 Uhr Seite 33

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Abbildung 15: Aufgabenträger

4. Abgrenzung des Controlling

Um Mißverständnisse zu vermeiden, ist es notwendig, das Controlling von anderen Funk-tionen (Aufgaben) bzw Institutionen (Organisationseinheiten) deutlich abzugrenzen, wobeimanchmal die Grenzen zwischen funktionaler und institutionaler Betrachtung verschwim-men können.

4.1 Controlling, Controller und Management, FührungskräfteDas Controlling stellt eine Managementfunktion dar, und die Führungskräfte sind die ori-ginären Träger der Controlling-Funktion, dh sie sind verantwortlich, daß in ihrem Ver-antwortungsbereich die Controlling-Funktion wahrgenommen wird. Wenn eine Führungs-kraft alle Controlling-Aufgaben selbst durchführt, dann ist sie auch gleichzeitig ihr eigenerController. In Abhängigkeit von der Organisationsgröße und der hierarchischen Einordnungder Führungskräfte wird es zweckmäßig sein, bestimmte Controlling-Aufgaben speziali-sierten Aufgabenträgern zuzuordnen. So ist es möglich, daß eine Führungskraft alle ihreprinzipiell delegierbaren Controlling-Aufgaben einer eigenen Controller-Stelle überträgt.Controller sind dabei jene Stellen in einer Organisation, die ausschließlich Controlling-Aufgaben wahrnehmen. Dabei können diese neu geschaffen, nachzubesetzende Stellen inController-Stellen umgewandelt oder bereits bestehenden Stellen (z. B. Finanzabteilung)zugewiesen werden. Diese Zuordnung34 der Controlling-Aufgaben zu bestimmten Aufgaben-trägern kann nicht generell getroffen werden, da sie von einer Reihe von Faktoren, wie z. B. Größe, Aufgaben und Führungsstruktur der Organisation abhängt. Idealtypisch läßt

StrategischesControlling

OperativesControlling

politischeFührungsebene

politikvorbereitendeVerwaltung

SteuerndeVerwaltung

Vollzugs-verwaltung

34 Grundlagen des Controlling

34 Die organisatorische Verankerung der Controlling-Aufgaben wird in Kapitel 4 ausführlich erläutert.

013 - 073, korr. 16.10.2002 11:44 Uhr Seite 34

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sich die Arbeitsteilung und die Zusammenarbeit zwischen Führungskraft bzw Führungs-kräfte und Controller in folgender Abbildung zum Ausdruck bringen.35

Abbildung 16: Arbeitsteilung zwischen Führungskraft und Controller

Die Führungskräfte müssen für ihren Verantwortungsbereich verbindliche Ziele formulieren,die Prozesse zur Zielerreichung steuern und die dafür notwendigen Entscheidungen treffen.Die Führungskräfte sind verantwortlich für die Zielerreichung (Ergebnisverantwortung). DieAufgabe des Controllers besteht in der Regel in einer Servicefunktion, dh er unterstützt sieinformationsmäßig (z. B. Ableitung von Kosten-Kennzahlen aus der Kostenrechnung) undmethodisch (z. B. Moderation eines Workshops zum Thema „Zielfindung“). Für ein funk-tionierendes Controlling ist eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen den Führungskräftenund den anderen Trägern der Controlling-Aufgaben (z. B. Controller) notwendig.

4.2 Controlling und KontrolleHäufig wird besonders hervorgehoben, daß das „Controlling“ nicht mit „Kontrolle“ gleich-gesetzt werden darf bzw das „Controlling“ nichts mit „Kontrolle“ zu tun hat. Während dieerste Behauptung zum Ausdruck bringt, daß das Controlling umfassender ist als die Kon-trolle, versucht die zweite den Eindruck zu erwecken, daß im Rahmen des Controlling keineKontrollmaßnahmen notwendig werden. Vielfach hat man den Eindruck, daß diese Aussagebewußt gemacht wird, um die sich auf Grund der sprachlichen Ähnlichkeit von Controllingund Kontrolle zwangsläufig ergebende Gleichsetzung zu vermeiden und das Controllingnicht bereits von Anfang an in einem negativen Licht erscheinen zu lassen. Diese Argu-mentationsweise ist insbesondere in jenen Organisationen der öffentlichen Verwaltung ver-ständlich, in denen vor allem die rechtliche und die finanzielle Kontrolle groß geschriebenwird. Versteht man unter der Kontrolle den Vergleich einer Soll-Größe (Ziel, Vorschrift,Standard) mit einer Ist-Größe im Rahmen eines Soll-Ist-Vergleichs, so wird unmittelbar ein-sichtig, daß es ohne Kontrolle kein „Controlling“ geben kann und die Aussage, daß „Con-trolling“ nichts mit Kontrolle zu tun hat, eindeutig falsch ist. Dies soll aber auch nichtbedeuten, daß das Controlling jede Form von Kontrolle umschließt. In der öffentlichen Ver-waltung dominiert die nachgängige Rechtmäßigkeits-, Ordnungsmäßigkeits- und Geba-rungskontrolle durch verschiedene verwaltungsinterne (Führungskräfte, vorgesetzte Dienst-

Controller

verantwortlichfür Ergebnis-transparenz

Er führt und ist

ergebnisverant-

wortlich

Er liefert

Informationen

und ist

Führungskraft

CO

NT

RO

LL

ING

Abgrenzung des Controlling 35

35 In Anlehnung an: Deyhle, Albrecht / Steigmeier, Beat u. a.: (1993) S 26.

013 - 073, korr. 16.10.2002 11:44 Uhr Seite 35

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stellen) und -externe Kontrollorgane (Gerichte, Interne Revision, Rechnungshof). Im Ver-gleich dazu steht im Controlling die vorgängige, begleitende und nachgängige Selbst-kontrolle der Effektivität und der Effizienz des Verwaltungshandelns im Vordergrund.

4.3 Controlling und Interne RevisionDie Hauptaufgabe der Internen Revision36 besteht in der (prozeß-)unabhängigen und neutralen Durchführung von Prüfungen (Kontrollen). Sie unterstützt das politisch-admi-nistrative Führungssystem bei seiner Überwachungsaufgabe.37 Neben dem klassischen Feldder Ordnungsmäßigkeitsprüfung (Prüfung der Einhaltung von Rechts- und Verfahrensvor-schriften, Prüfung bei Verdacht auf dolose Handlungen) führt die interne Revision immermehr Effektivitäts- und Effizienzprüfungen (Systemrevisionen) durch und regt Verbesse-rungen an. Diese Ausweitung des Aufgabenfeldes der Internen Revision führt zu einer Kon-vergenz zwischen Controlling und Interner Revision. Am Beispiel des Budgetierungs-systems38 (System zur Planung und Kontrolle der finanziellen Ressourcen) kann dasZusammenwirken von Controlling und Interner Revision verdeutlicht werden. Der Entwurfund die Einführung des Budgetierungssystems gehören zu den systembildenden und dieAbstimmung der Teilbudgets zu den systemkoppelnden Aufgaben des Controlling. Im Rah-men einer Systemrevision kann nun die Interne Revision die Funktionsfähigkeit des Budge-tierungssystems überprüfen. Trotz dieser Annäherung können zwischen Controlling undInterner Revision folgende Unterschiede angeführt werden:39

Abbildung 17: Unterschiede zwischen Controlling und Interner Revision

CONTROLLING INTERNE REVISION

situationsbedingt, schwerpunktwech- selnd, fall- und turnusweise tätige Überwachungseinrichtung;

neutral und unabhängig, nicht wei- sungsbefugt;

ist am Geschehensort eingesetzt;

verwendet prüfungstechnische Instru- mente in allen Bereichen;

Sachverhalte aufnehmend, dokumenta- tionsorientiert und präventiv zukunfts- gerichtet;

prüft Daten auf Richtigkeit;

prüft vor allem Ordnungsmäßigkeit, daneben Zweckmäßigkeit und Wirt- schaftlichkeit im Leistungsvollzug;

(1)

(2)

(3)

(4)

(5)

(6)

(7)

ständige, kontinuierliche Informationen auswertende, betriebswirtschaftliche Begleitung für die laufenden Steue- rungshandlungen;

u.U. zielbildend, indirekt Weisungen gebend und weisungsgebunden;

wertet erhaltene Unterlagen und Infor- mationen aus;

setzt managementorientiertes Rech- nungswesen ein;

zukunftsgerichtet;

geht von Datenrichtigkeit aus;

veranlaßt und prüft Informationen aus Steuerungseignung und -unterstützung;

(1)

(2)

(3)

(4)

(5)

(6)

(7)

36 Grundlagen des Controlling

36 Mit Beschluß der Bundesregierung vom 15. September 1981 wurden in der österreichischen Bundes-verwaltung die Grundlagen für die Einrichtung von Revisionsabteilungen in den Bundesministeriengeschaffen. Das Schwergewicht ihrer Tätigkeit liegt auf der begleitenden Kontrolle von Großprojekten,auf der Überprüfung der Einhaltung von Vergabevorschriften und auf der Erarbeitung von Vorschlägenzur Verbesserung der Aufbau- und Ablauforganisation. Siehe dazu: Holzinger, Gerhart: (1983) S 398.

37 Heigl, Anton: (1989) S 173.38 Serfling, Klaus: (1992) S 68.39 Heigl, Anton: (1989) S 14; Schmid, Reinhold: (1990) S 387 ff.

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Zusammenfassend wird festgehalten, daß das Controlling und die Interne Revisiongrundsätzlich zwei eigenständige Funktionen bzw Institutionen darstellen. Das Controllingunterstützt das politisch-administrative Führungssystem bei der ziel- und ergebnisorien-tierten Steuerung. Im Vergleich dazu unterstützt die Interne Revision das politisch-admi-nistrative Führungssystem bei der Wahrnehmung der Überwachungsaufgaben in Form derDurchführung von nachgängigen Kontrollen. Im Gegensatz zur Internen Revision, die vonprozeßunabhängigen Personen durchgeführt wird, erfordert das Controlling die Involvie-rung der Träger der Controlling-Funktionen in den Führungs- und Steuerungsprozeß. Damitkeine Interessenskonflikte entstehen, sollte das Controlling und die Interne Revision orga-nisatorisch getrennt werden. Einer Kooperation dieser Bereiche (Bildung von gemeinsamenProjektgruppen, Datenaustausch, Personalaustausch zur fachlichen Weiterbildung etc) die-ser Bereiche steht aber nichts entgegen.

4.4 Controlling und RechnungshofIm Gegensatz zur Internen Revision stellt der Rechnungshof eine verwaltungsexterne Kon-trolleinrichtung dar, die von der zu prüfenden Organisation unabhängig ist. Von der verfas-sungsrechtlichen Konzeption her ist er eine Hilfseinrichtung des Parlaments zur Ausübungder finanziellen Kontrolle gegenüber der öffentlichen Verwaltung.40 Er hat die Aufgabe, dieGebarung (= jedes Verhalten mit finanziellen Auswirkungen) der gesamten Staatswirtschaft(Bund, Länder und Gemeinden) zu überprüfen.41 Die Kontrolle des Rechnungshofes erfolgtgrundsätzlich nachgängig (ex-post). Im Bereich von Großbauvorhaben hat der Rechnungs-hof seine Prüfungsphilosophie dahingehend geändert, daß er auch die Phase der Planung alseiner Nachkontrolle zugängig ansieht, weil sie bereits einen Planungsaufwand durch dieTätigkeit eigener Planungsabteilungen oder die Inanspruchnahme fremder Planungslei-stungen erfordert hat.42 Zu den Prüfmaßstäben bei der Gebarungskontrolle zählen die Ord-nungsmäßigkeit in zahlenmäßiger und rechnerischer Hinsicht, die Rechtmäßigkeit (Über-einstimmung mit den bestehenden Vorschriften) und die Zweckmäßigkeit und Wirtschaft-lichkeit.43 Ist beispielsweise unwirtschaftliches Verhalten auf die bestehende Rechtslagezurückzuführen, wird auf eine Anpassung der Rechtslage an das wirtschaftlich Vernünftigegedrängt.44 Als Gebarungsüberprüfungen kommen insbesondere in Betracht:45

(1) Allgemeine Überprüfungen, welche auf einen aussagefähigen Überblick über diegesamte Gebarung der überprüften Stelle abzielen;

(2) Projektüberprüfungen, welche zeitlich, finanziell oder sonst abgegrenzte Vorhabenzum Gegenstand haben;

(3) Schwerpunktüberprüfungen, bei welchen jeweils nur ein Teil der Gebarung vertieftbehandelt wird;

(4) Querschnittsüberprüfungen, bei welchen vergleichbare Teilgebiete bei verschiedenenüberprüften Stellen behandelt werden;

Abgrenzung des Controlling 37

40 Widder, Helmut: (1991) S 166.41 Widder, Helmut: (1991) S 167 f.42 Schwab, Walter: (1992) S 186 f.43 Schwab, Walter: (1992) S 187.44 Schwab, Walter: (1991) S 107 f; Schwab, Walter: (1992) S 187.45 Schwab, Walter: (1992) S 188 f.

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(5) System- bzw Programmüberprüfungen, bei welchen die Verfahrensabläufe, insbe-sondere bei Anwendung von automationsunterstützter Datenverarbeitung beurteiltwerden;

(6) Nach- oder Kontrollüberprüfungen („follow-up“), welche festzustellen haben, obanläßlich früherer Überprüfungen erhobene Beanstandungen behoben bzw gegebeneAnregungen verwirklicht worden sind.

Ebenso wie die Interne Revision intensiviert auch der Rechnungshof die Kontrolle derEffektivität und der Effizienz des Verwaltungshandelns und übt dadurch Druck auf dieOrganisationen der öffentlichen Verwaltung aus. Die Steuerungskriterien des Controllinggehören zu den Prüfkriterien des Rechnungshofes. So können vom Rechnungshof fest-gestellte Effektivitäts- und Effizienzdefizite zum Ausgangspunkt für die Einführung vonControlling gemacht werden. Umgekehrt kann der Rechnungshof vom Controlling wich-tige Informationen für seine Prüfungstätigkeit erhalten.

5. Rahmenbedingungen für ein Controlling

Die Realisierung des Nutzens des Controlling hängt wesentlich davon ab, inwieweit dieinternen und externen Rahmenbedingungen der öffentlichen Verwaltung ein effektivitäts-und effizienzorientiertes Verwaltungshandeln fördern bzw hemmen.

5.1 Fördernde FaktorenAllgemein läßt sich feststellen, daß die Gebietskörperschaften mit Entwicklungen kon-frontiert sind, die einen Veränderungsdruck auf das politisch-administrative Führungs-system ausüben. Die Abbildung 18 zeigt die wichtigsten Kräfte, die natürlich nicht in glei-cher Intensität auf alle Gebietskörperschaften einwirken.46

Abbildung 18: Fördernde Faktoren des Controlling

Druck der Bürgerzunehmende Komplexität

und DynamikKrise der öffentlichen

Finanzen

Forderung nach mehr Effektivität und Effizienz

VERÄNDERUNGSDRUCK AUF DAS POLITISCH-ADMINISTRATIVE FÜHRUNGSSYSTEM

38 Grundlagen des Controlling

46 Weber, Jürgen: (1988) S 229.

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(1) Druck der BürgerDer Staatsbürger steht in seiner Rolle als Konsument im Mittelpunkt des Konkur-renzkampfes der Unternehmen. Diese bemühen sich um ihn, und wenn es einemUnternehmen nicht gelingt, seine Bedürfnisse zu befriedigen, wird es über kurz oderlang aus dem Markt ausscheiden. Heute stellt der Staatsbürger an die öffentliche Ver-waltung die gleichen Anforderungen wie an Unternehmen, und die Forderung nacheinem angemessenen Gegenwert für die zu entrichtenden Steuern und Abgaben istAusdruck dieses Anspruches. Je teurer öffentliche Leistungen werden, desto nach-drücklicher fragen Leistungsabnehmer und die Öffentlichkeit, ob Preis und Qualitätangemessen sind.47 Gleichzeitig werden die Entscheidungen der öffentlichen Ver-waltung nicht mehr ohne weiteres von den Bürgern akzeptiert, vielmehr erwarten sieangemessene Begründungen und zum Teil auch eine Beteiligung an der Entschei-dungsfindung. Die gewandelten Werthaltungen haben zu einem Staatsbürgertypgeführt, der skeptischer und widerspruchsgeneigter ist, der überzeugt und beteiligtwerden will.48 Darüber hinaus steigen die Anforderungen der öffentlich Bedienste-ten an eine sinnvolle und herausfordernde Arbeit.

(2) Zunehmende Komplexität und Dynamik49

Die Beherrschung von Komplexität und Dynamik unserer hochentwickeltenGesellschaft gestaltet sich zunehmend schwieriger. Die Komplexität zeigt sich vorallem darin, daß der Aufgabenbestand der öffentlichen Hand wächst, daß die Quer-beziehungen zwischen vielen Aufgabenbereichen intensiver werden und daß überden Wertewandel die Ansprüche an Konsensbildung und Begründung wachsen. Diezunehmende Dynamik zeigt sich darin, daß die Zeiträume, die sich durch weit-gehende Konstanz der Lebensverhältnisse auszeichnen, immer kürzer werden. Dem-entsprechend sind die Programme häufiger den sich ändernden gesellschaftlichenRahmenbedingungen anzupassen.

(3) Krise der öffentlichen FinanzenDies belegen die Haushaltsdefizite, das Anwachsen der Gesamtverschuldung vonBund, Ländern und Gemeinden sowie die eingetretenen oder erwarteten „Kosten-explosionen“ in einzelnen Leistungsbereichen (Gesundheitswesen, verstaatlichteIndustrie, Sozialverwaltung, Land- und Forstwirtschaft, Bundesbahnen, Aktiv- undPensionsbezüge der öffentlich Bediensteten etc). Eine solche Situation, in der derBürger mit zusätzlichen Lasten und/oder Leistungsminderungen rechnen muß, ruftpolitische Akteure auf den Plan, die eine Durchforstung der öffentlichen Ausgabenmit dem Ziel ihrer Verminderung fordern. Die öffentliche Verwaltung gerät damitzunehmend unter Rechtfertigungsdruck. Sie muß nicht nur wirtschaftlich handeln,sondern dies auch gegenüber der Öffentlichkeit nachweisen.50

5.2 Hemmende FaktorenDie vorhin aufgelisteten Faktoren üben auf Politik und öffentliche Verwaltung einen Druckin Richtung effizientes und effektives Verwaltungshandeln aus, dem jedoch das Behar-

Rahmenbedingungen für ein Controlling 39

47 Banner, Gerhard: (1994) S 10.48 Reinermann, Heinrich: (1994) S 11.49 Reinermann, Heinrich: (1994) S 10 f.50 Lüder, Klaus: (1993) S 268; Reinermann, Heinrich: (1994) S 12 ff.

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rungsvermögen gewachsener, bürokratischer Strukturen51 entgegenwirkt, die sich wie folgtkennzeichnen lassen:

(1) Rechtmäßigkeitsstreben und RechtmäßigkeitsnachweisDie öffentliche Verwaltung darf – dem Legalitätsprinzip folgend – nur auf Grundvon Gesetzen tätig werden. Die Parlamente verabschieden immer mehr Gesetze52

und erhöhen dadurch die Regelungsdichte in den verschiedenen Politikfeldern. Die-ses Geflecht von Rechts- und Verwaltungsvorschriften reduziert den Handlungs-spielraum der Organisationen der öffentlichen Verwaltung wesentlich. Durch dieRegelgebundenheit kommt dem Nachweis der Einhaltung der Rechtsvorschrifteneine zentrale Bedeutung bei der Rechenschaftslegung zu. Folgende Aussage cha-rakterisiert diese Orientierung treffend: „Solange eine Verwaltungseinheit die Rechts-vorschriften beachtet und die ihr zugewiesenen Budgetmittel den Haushaltsrichtinienentsprechend verwendet hat, sieht die übergeordnete Behörde oftmals keinen Grund,daran zu zweifeln, daß auch die wahrzunehmenden Aufgaben richtig (effektiv undeffizient) ausgeführt wurden!“ Diese Aussage geht von der Annahme aus, daß recht-lich richtiges Handeln zwangsläufig zu effektiven und effizienten Ergebnissen führenmuß.

(2) Hierarchische StrukturorganisationEin weiteres Kennzeichen der Bürokratie ist die hierarchische Struktur des Lei-tungssystems (starke Tiefengliederung durch zahlreiche Mittelinstanzen wie Ämterund Abteilungen) verbunden mit einer ausgeprägten Zentralisation der Entschei-dungsbefugnisse an der Organisationsspitze, die zu einer Überfrachtung der Zen-tralebene mit Detailproblemen führt. Bei nicht ausreichend präziser Zielformulierungund -artikulierung ist effektives Verwaltungshandeln nicht überprüfbar. Im übrigenhalten sich die öffentlich Bediensteten an die ihnen vorgegebenen Normen, undwenn darin Effizienz- und Effektivitätsaspekte nicht ausreichende Berücksichtigungfinden, ist das nicht ihr Problem und auch nicht ihre Verantwortung.53

(3) Untersteuerung und ÜbersteuerungDie Übersteuerung im operativen Bereich geht einher mit einer Untersteuerung54 imstrategischen Bereich. Letztere zeigt sich deutlich in der mangelnden Anpassung derOrganisationen der öffentlichen Verwaltung an sich ändernde Aufgaben und Bedürf-nisse. Dieser Zustand begünstigt eine unreflektierte Weiterführung bislang verfolg-ter Aufgaben und behindert die permanente Überprüfung des Aufgabenspektrums(Aufgabenkritik) der öffentlichen Verwaltung.55 Untersteuerung ist auch im Bereichder Beteiligungsverwaltung (Steuerung des peripheren Bereiches einer Gebietskörper-schaft) zu beobachten.

40 Grundlagen des Controlling

51 Bosetzky, Horst / Heinrich, Peter: (1985) S 34 ff; Lüder, Klaus: (1985) S 97; Weber, Jürgen: (1988)S 230 ff.

52 Seit 1945 wurden auf 120.000 Seiten Bundesgesetzblättern 22.867 Gesetze, Verordnungen undKundmachungen verlautbart.

53 Lüder, Klaus: (1993) S 267.54 Lüder, Klaus: (1985) S 98.55 Weber, Jürgen: (1988) S 230.

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(4) Haushalts- und DienstrechtDas Haushaltsrecht56 und die Haushaltspraxis bieten nur wenige Anreize für ein effi-zientes Verwaltungshandeln – in der Regel wirken sie dysfunktional. Belege dafürsind die Input-Orientierung, das vielbeklagte „Dezemberfieber“, rigide Bewirt-schaftungsvorschriften etc. In der Haushaltspraxis ist es darüber hinaus bisher nichtgelungen, Effizienz- und Effektivitätsargumenten bei der Auslegung der haushalts-gesetzlichen Bestimmungen ausreichend Geltung zu verschaffen. Die Folge ist dieVerkürzung des Wirtschaftlichkeitsprinzips auf das Sparsamkeitsprinzip. Ähnlichedysfunktionale Wirkungen gehen vom Dienst- bzw Besoldungsrecht aus.

(5) Dominanz der Fachexperten bei VerwaltungsentscheidungenFür Fachexperten57 spielt die Effizienz eine nachgeordnete Rolle. Primäre Ent-scheidungsdeterminanten sind technische Standards und technische „Regeln derKunst“. Der angestrebte Output bestimmt die erforderlichen Ressourcen und diesewerden nicht als Engpaßfaktor gesehen oder akzeptiert (so z. B. in den Aufgaben-bereichen Krankenhauswesen, Rundfunkwesen, Forschung, Verteidigung und Wissenschaft). Dem Fachexperten steht im Entscheidungsprozeß kein „Wirtschaft-lichkeitsexperte“ mit annähernd gleicher Machtposition gegenüber.

(6) Datenflut mit einhergehenden InformationsdefizitenIn vielen Verwaltungen ist eine allgemeine Datenflut mit einhergehenden Informa-tionsdefiziten58 hinsichtlich wirtschaftlichkeits- und wirksamkeitsrelevanter Sach-verhalte zu beobachten. Verwaltungen neigen in besonderem Maße zur (ungezielten)Beschaffung oder Produktion von Informationen, indem sie Informationen mit gerin-ger Entscheidungsrelevanz sammeln und die gesammelten Informationen nur seltennutzen. Es ist auch zu beobachten, daß sie entscheidungsrelevante Informationen erstdann einholen, nachdem die Entscheidung gefallen ist.

5.3 VeränderungsbedarfUnter den gegebenen Rahmenbedingungen ist das Controlling in Politik und Verwaltungvor allem modisch, aber (noch) nicht passend. Damit soll aber nicht zum Ausdruck gebrachtwerden, daß unter den gegebenen Rahmenbedingungen kein Controlling möglich ist. DerNutzen des Controlling steigt, wenn Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die Effek-tivität und Effizienz des Verwaltungshandelns fördern. Dazu ist es notwendig, die beste-henden Rahmenbedingungen zu verändern.59

Rahmenbedingungen für ein Controlling 41

56 Lüder, Klaus: (1993) S 267.57 Lüder, Klaus: (1993) S 267.58 Lüder, Klaus: (1993) S 267 f.59 Lüder, Klaus: (1993) S 268 ff; Naschold, Frieder: (1993); Naschold, Frieder / Pröhl, Marga: (1994);

Reichard, Christoph: (1994); Reinermann, Heinrich: (1994).

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Abbildung 19: Veränderungsbedarf aus der Sicht des Controlling

5.3.1 Steuerungsmodell

Controlling erfordert ein neues Steuerungsmodell, d.h. den Übergang vom derzeit prakti-zierten bürokratischen Steuerungsmodell zu einem managementorientierten Steuerungs-modell. Im bürokratischen Steuerungsmodell erfolgt die Steuerung einerseits über den Input(Zuweisung der personellen und finanziellen Ressourcen) und andererseits über eine zen-trale Handlungssteuerung mittels detaillierter, organisationsinterner Normen und Einzel-anweisungen. Ein weiteres Merkmal des bürokratischen Steuerungsmodells besteht in derfehlenden Ergebnisverantwortung. Im Gegensatz dazu ist das managementorientierteSteuerungsmodell durch eine ziel- bzw ergebnisorientierte Globalsteuerung gekennzeich-net. Sie umfaßt einerseits Rahmenvorgaben für Aktivitäten und Ressourcen und andererseitsVereinbarungen über anzustrebende Leistungsergebnisse. Die ergebnisorientierte Steuerungder Leistungsprozesse erfolgt durch die ex-ante-Vereinbarung von Leistungsergebnissen(Zielen) und die ex-post-Rechenschaftslegung (Evaluation und Berichterstattung) überderen Erreichung. Die global zugewiesenen personellen und finanziellen Ressourcen sindauf die vereinbarten Leistungsergebnisse abgestimmt; über ihre Verwendung muß ex postRechenschaft gelegt werden. In diese Richtung weisen auch die Überlegungen der Kom-munalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung, die unter dem Arbeitstitel„Das Neue Steuerungsmodell“60 zum „Umdenken im Rathaus“61 anregen soll.

5.3.2 Strukturorganisation

Das managementorientierte Steuerungsmodell erfordert auch strukturorganisatorischeAnpassungen.

VERÄNDERUNGSBEDARF

Steuerungsmodell

Strukturorganisation

Ressourcenbewirtschaftung

Personalmanagement

Rechnungswesen

42 Grundlagen des Controlling

60 Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung: (1993).61 Reichard, Christoph: (1994).

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Abbildung 20: Strukturorganisatorische Anpassungen

5.3.2.1 Verantwortungsbereiche

Das Controlling wird durch eine dezentralisierte Aufgaben-, Kompetenz- und Verantwor-tungsstruktur begünstigt, wie sie in der Schaffung von eigenständigen Verantwortungsberei-chen (=responsibility centers, Ergebniszentren, Verantwortungszentren, Wertschöpfungszen-tren) ihren Ausdruck findet.62 Verantwortungsbereiche werden durch die Zusammenfassungverwandter Aufgabenbereiche (horizontale Dezentralisation) und die Zuordnung von Füh-rungs- und Querschnittsfunktionen (vertikale Dezentralisation) gebildet.63 Das konstitutiveMerkmal eines Verantwortungsbereiches besteht darin, daß er Ergebnisverantwortung trägt.

(1) Objektbezogene Aufgabenverteilung (horizontale Dezentralisation)64

Das managementorientierte Steuerungsmodell erfordert auch einen Neuzuschnitt derOrganisationsstruktur in Richtung Produktorganisation. Das Prinzip der objekt-bezogenen Aufgabenverteilung besteht darin, daß eine oder mehrere Aufgaben ineinem Verantwortungsbereich so zusammengefaßt werden, daß eine auf bestimmteVerwaltungsleistungen, Zielgruppen in der Bevölkerung oder räumliche Einheitenbezogene Aufgabenbündelung entsteht. Das Aufgabenbündel sollte in sich geschlos-sen und weitgehend unabhängig von anderen Verantwortungsbereichen zu erfüllensein. Innerhalb dieser Verantwortungsbereiche werden diese Aufgaben möglichstganzheitlich erfüllt.Beispiel:Alle auf die Unterstützung der Gemeinschaft angewiesenen Bürger (Zielgruppen-orientierung) erhalten sämtliche materielle und sonstige Hilfen von einem „Verant-wortungsbereich für soziale Angelegenheiten“ und damit „alles aus einer Hand“.Jeder bedürftige Bürger könnte von einem Mitarbeiter dieses Verantwortungsberei-ches eine „Rundum-Betreuung“ erfahren (Ganzheitlichkeit), angefangen von der Miet-zinsbeihilfe bis hin zur Beratung in den unterschiedlichsten Lebensfragen („Service-Pakete“).

STRUKTURORGANISATORISCHE ANPASSUNGEN

Verantwortungsbereiche

Dezentrales Ressourcenmanagement

Konzernähnliche Strukturen

Rahmenbedingungen für ein Controlling 43

62 Budäus, Dietrich: (1990) S 618 f; Lüder, Klaus: (1993) S 268 f.63 Reinermann, Heinrich u.a.: (1991) S 7.64 Reinermann, Heinrich u.a.: (1991) S 5 f.

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In diesem Zusammenhang sind die „Bürgerämter bzw Bürgerläden“65 zu erwähnen,die vor allem im kommunalen Bereich eingrichtet werden. Dabei handelt es sich umdezentrale Einrichtungen – vor allem in Stadtteilen -, die unter einem Dach („one-shop-“ oder „one-stop“-offices) unterschiedliche öffentliche Leistungen anbieten(vom Meldewesen über Sozialdienste, Wohngeld und Baugenehmigung bis hin zuPost- und Bankdiensten).66

(2) Dezentralisation von Entscheidungsbefugnissen (vertikale Dezentralisation)67

Neben einer objektorientierten Aufgabenbündelung (Produktorganisation) sollten diebisher den übergeordneten Hierarchieebenen oder Querschnittsämtern vorbehaltenenAufgaben an die Verantwortungsbereiche delegiert (dezentralisiert) und durch dieEinrichtung von Projektgruppen bzw Teams die Hierarchie abgebaut werden. Durchdiese Maßnahmen wird es auch möglich sein, zumindest eine Hierarchieebene ein-zusparen, wodurch sich die bestehenden Verwaltungsstrukturen „verschlanken“ (LeanPublic Administration68). Die Kompetenzen dieser Verantwortungsbereiche sollten sogestaltet werden, daß ein dezentrales Ressourcenmanagement möglich wird.

5.3.2.2 Dezentrales Ressourcenmanagement

BANNER69 bezeichnet das bürokratische Steuerungsmodell in bewußt polemischer Weiseals ein „System der organisierten Unverantwortlichkeit“ und verdeutlicht dieses an Handdes folgenden Beispieles:

„Was tut ein Amtsleiter, wenn infolge von Marktveränderungen in seinem Amt zusätz-liche oder neue Leistungen erbracht werden müssen? Er ruft nach mehr Personal, mehrGeld, mehr Diensträumen. Was tut er nicht? Er versucht nicht (Ausnahmen haben Selten-heitswert), den neuen Bedarf durch Ressourcenumschichtung im eigenen Amt zu decken.Vielleicht hat ja in einem anderen Bereich seines Amtes die Arbeit bereits abgenommen.Warum prüft er nicht zunächst, ob er umschichten kann? Die Antwort lautet: Erstens, weildies normalerweise niemand von ihm verlangt – die Ressourcenverantwortung liegt ja nichtbei ihm, sondern bei zentralen Ämtern – und zweitens, weil er, wenn er es dennoch ver-suchte, zu viele Widerstände überwinden müßte. Das Personal ist nicht unbedingt umset-zungs- oder umschulungsbegeistert. Planstellen kann er nicht ohne weiteres verlagern. Geldkann er nicht einfach für einen anderen Zweck ausgeben. Der simpelsten Umschichtungvon Ressourcen (gleich Mobilisierung von Reserven) müssen so viele zustimmen – das be-troffene Personal, Personalrat, Kämmerei, Hauptamt, Personalamt, politische Instanzen –,daß man unseren Amtsleiter verstehen kann, wenn er von vornherein darauf verzichtet, amstatus quo etwas zu verändern. Fordert er dagegen zusätzliche Ressourcen (es ist schließ-lich nicht sein Geld), kann er nur gewinnen. Das schlimmste, was ihm passieren kann, ist,daß seine Forderung abgelehnt wird. Selbst darin liegt für ihn noch ein Vorteil: Jetzt steht

44 Grundlagen des Controlling

65 Einen Überblick über unterschiedliche Ausprägungsformen der „Bürgerämter-Idee“ in der bun-desdeutschen Kommunalverwaltung geben: Dietz, Helmut: (1994) S 101 ff; Kißler, Leo / Bogumil,Jörg / Wiechmann, Elke: (1993); Plate, Klaus: (1994).

66 Reichard, Christoph: (1994) S 59 f.67 Reinermann, Heinrich u.a.: (1991) S 7.68 Bösenberg, Dirk / Hauser, Renate: (1994); Dumont du Voitel, Roland: (1994); Metzen, Heinz:

(1994) S 20 f.69 Banner, Gerhard: (1991) S 6.

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nämlich fest, wer schuld ist, wenn er seine Dienstleistungen nicht mehr voll erbringen kann:der Rat, die Kämmerei, das Hauptamt. Verhält sich unser Amtsleiter hingegen verant-wortlich, begibt er sich auf die Verliererstraße: Umschichtung bringt nur Ärger, und was ereinspart, verfällt am Jahresende und senkt nach aller Erfahrung die nächste Mittelzuteilung.Da wirtschaftliches Verhalten offensichtlich bestraft, Verschwendung aber belohnt wird, ister gut beraten, das „Ressourcenbeantragungsspiel“ voll auszureizen.“70

In der Regel liegen in der öffentlichen Verwaltung die Fachaufgaben und die Res-sourcenbewirtschaftung nicht in einer Hand. Während die Fachaufgaben dezentral erfülltwerden, erfolgt die Ressourcenbewirtschaftung (Personal, Finanzen, Organisation, Sach-mittel) zentral durch die Querschnittsbereiche71. Im Zuge der zentralen Ressourcenbe-wirtschaftung kommt es zu planwirtschaftsähnlichen Antrags-, Genehmigungs- und Zutei-lungsverfahren, die zu dysfunktionalen Effekten (Fremdbestimmung, Wartezeiten, es wer-den immer mehr Ressourcen gefordert als eigentlich nötig wären, Unklarheiten über dieErgebnisverantwortung) führt.72 Die Abbildung 21 zeigt die Rollenverteilung im System derorganisierten Unverantwortlichkeit bzw der zentralen Ressourcenbewirtschaftung.73

Abbildung 21: Zentrales Ressourcenmanagement

Die Vorteile der Zentralisierung von Querschnittsfunktionen in eigenen Organisationsein-heiten (Abteilungen des Präsidiums), wie höhere Spezialisierung, leichtere Beherrschungdes Ressourceneinsatzes, Gleichbehandlung der Fachbereiche, werden – aus heutiger Sicht– von den Nachteilen (Distanz zu den Fachbereichen, Verantwortungsaushöhlung, zeitlicheVerzögerungen etc) überwogen. Insbesondere die fehlende Ergebnisverantwortung wird

QUERSCHNITTS-BEREICHE FACHBEREICHE

Personal

Finanzen

Organisation

Bauwesen

Landwirtschaft

Forstwirtschaft

RESSOURCEN-VERANTWORTUNG

FACHLICH-TECHNISCHE VERANTWORTUNG

?

POLITISCHES FÜHRUNGSSYSTEM

Politische Verantwortung

ERGEBNISVERANTWORTUNG

Rahmenbedingungen für ein Controlling 45

70 Banner, Gerhard: (1991) S 6 f.71 In den österreichischen Verwaltungen finden sich diese Querschnittsbereiche überwiegend in den

Präsidialsektionen und in den Landesamts- und Magistratsdirektionen.72 Reinermann, Heinrich: (1991b) S 245.73 Reichard, Christoph: (1992) S 21.

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gegen die zentrale Ressourcenbewirtschaftung ins Treffen geführt. Für die Ergebnisver-antwortung ist es notwendig, daß sich sowohl die Ressourcen als auch die fachlich-tech-nische Verantwortung in einer Hand befinden. Dies erfordert eine Dezentralisierung (Rück-verlagerung von Ressourcenkompetenzen) in die mit dem jeweiligen Ressourceneinsatzbetrauten Fachbereiche.74

Abbildung 22: Dezentrales Ressourcenmanagement

Der Übergang auf ein System der dezentralen Ressourcenbewirtschaftung verlangt nacheiner Änderung des Rollenverständnisses der Fachbereiche als auch der Querschnitts-bereiche.75

(1) QuerschnittsbereicheSie müssen rückgebaut werden, indem größere Teile ihrer Aufgaben und Kompe-tenzen auf die Fachbereiche übertragen werden. Darüber hinaus werden sie nichtumhin können, sich von zentralen Ressourcenverteilern in Richtung zentrale Steue-rungsdienste und Servicezentren zu verändern und ihr Augenmerk auf Aufgaben wie(a) Vorlage von Politik- bzw Programmvorschlägen an das politische Führungs-system, (b) Koordination der Planungen der Fachbereiche, (c) Steuerung (Planungund Kontrolle) des Gesamtbudgets und Konsolidierung der Teilbudgets, (d) Bereit-stellung von Methoden, Instrumenten, Standards und Leitlinien für die Fachbereiche(z. B. Personalauswahl, Stellenbewertung, Personalbeurteilung, Besoldung), (e) Be-ratung der Fachbereiche, (f) zentrales Controlling, (g) Aufsicht der Fachbereiche undErsatzvornahme bei Versäumnissen der Fachbereiche zu richten.76

(2) FachbereicheAuch für die Fachbereiche ist der Übergang von der zentralen zu einer dezentralenRessourcenbewirtschaftung mit einer Änderung des Rollenverständnisses verbunden.

QUERSCHNITTS-BEREICHE FACHBEREICHE

Personal

Finanzen

Organisation

Bauwesen

Landwirtschaft

Forstwirtschaft

POLITISCHES FÜHRUNGSSYSTEM

Leitungsverantwortung und politische Verantwortung

VERANTWORTUNG FÜR STEUERUNGS-UND SERVICEFUNKTIONEN

ERGEBNISVERANTWORTUNGFACHLICH-TECHNISCHE UND

RESSOURCENVERANTWORTUNG

46 Grundlagen des Controlling

74 Reichard, Christoph: (1992) S 21; Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung:(1991).

75 Reichard, Christoph: (1992) S 20; Reichard, Christoph: (1994) S 53 ff.76 Reichard, Christoph: (1994) S 54.

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Sie müssen sich von einer einseitig fachlichen Professionalisierung zu einer teil-autonomen Politikeinheit mit eigenen Kompetenzen für die Mobilisierung und Ver-teilung der Ressourcen wandeln. Dabei sind sie nicht nur für ihre Fachaufgabenzuständig, sondern auch für (a) die interne Gestaltung der Aufbau- und Ablauf-organisation, (b) die interne Ressourcenplanung (Betriebsmittel, Personal, Material,Finanzen) und Ressourcenbewirtschaftung, (c) das interne Personalmanagement d) das interne Controlling (dezentrale Controlling) etc.77

5.3.2.3 Konzernähnliche Steuerungsstrukturen

Mit der Einführung eines dezentralen Ressourcenmanagements kommt es zu einer neuenRollenverteilung (Aufgaben, Verantwortungen und Kompetenzen) zwischen dem politi-schen und dem administrativen Führungssystem einer Gebietskörperschaft. Das „NeueSteuerungsmodell“ der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachungorientiert sich an privatwirtschaftlichen Konzernstrukturen.78 Die Kommune wird dabei alsKonzern begriffen, der sich aus einer „schlanken Holding“ (Parlament, Regierung und zen-traler Steuerungsdienst) mit Auftraggeberfunktion und mehreren teilautonomen operativenEinheiten (dezentrale Fachbereiche) mit Auftragnehmerfunktion zusammensetzt. Die Auf-traggeber-Auftragnehmer-Beziehung konkretisiert sich in Form eines Kontraktmanage-ments79 (Leistungsvereinbarungen). Mit Hilfe der „Steuerung auf Abstand“ wird eine wirk-same Balance zwischen dezentraler Selbststeuerung und zentraler Gesamtsteuerung zuerreichen versucht. Voraussetzung dafür ist eine klare Rollen- und Aufgabentrennung zwi-schen der Holding (Politik) und den operativen Fachbereichen (Verwaltung). Die Politikbeschränkt sich darauf, festzulegen, welche kommunalpolitischen Ziele angestrebt underreicht werden sollen und kontrolliert, inwieweit die Verwaltung diese Ziele verwirklicht.Sie verzichtet in der Folge auf Eingriffe in die Tagesgeschäfte. Die Verwaltung informiertdie Politik über ein standardisiertes Berichtssystem über die Zielerreichung. Die Grund-überlegungen, die hinter dem „Konzernansatz“ stehen, sind für die öffentliche Verwaltungim Prinzip nicht neu.80 Der föderative Aufbau des Staates (Bund, Länder, Gemeinden) unddie Selbstverwaltung sind längst vertraute und bewährte Strukturprinzipien. Im Konzern-ansatz wird dieses Gedankengut – als eine Art „Binnenföderalismus“81 – auf die einzelnenEbenen der Verwaltung übertragen.

5.3.3 Outputbudgetierung und Flexibilisierung der Ressourcenbewirtschaftung

Weitere Eckpfeiler des managementorientierten Steuerungsmodells stellen die Output-budgetierung82 und die Flexibilisierung der Ressourcenbewirtschaftung dar. Der Haus-haltsplan ist in seinem traditionell inputorientierten Aufbau für Steuerungszwecke nicht sehrinformativ. Man kann aus ihm nicht ersehen, welche Leistungen mit den bereitgestellten

Rahmenbedingungen für ein Controlling 47

77 Reichard, Christoph: (1994) S 54.78 Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung: (1993); Banner, Gerhard:

(1991); Banner, Gerhard / Reichard, Christoph: (1993).79 Auf die Funktionsweise des Kontraktmanagements wird im Rahmen der Darstellung des Tilburger

Modells (Kapitel 1 Punkt 7) näher eingegangen.80 Reinermann, Heinrich: (1994) S 29.81 Reinermann, Heinrich: (1994) S 29.82 Die Outputbudgetierung wird eingehend in Kapitel 1 Punkt 7.3.3. „Produktansatz“ beschrieben.

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Ressourcen erbracht werden. Abhilfe kann die Kosten- und Leistungsrechnung schaffen, dasie den Input mit dem Output verknüpft. Auf Grund dieser Informationen können die Input-Budgets durch Output-Budgets ergänzt werden. Im Mittelpunkt des Kontraktmanagementssteht die Vereinbarung von Outputbudgets (Welche Leistungen sind zu welchen Kosten zuerbringen?). Die Outputbudgetierung muß einhergehen mit einer Flexibilisierung der Res-sourcenbewirtschaftung. In der Diskussion um die Flexibilisierung der öffentlichen Res-sourcen spielt das „Globalbudget“ eine zentrale Rolle. Darunter versteht man ein Budgetfür eine Organisationseinheit, das in einer Pauschalsumme besteht, verbunden mit der Kom-petenz, bei der Mittelvergabe (Ressourcenbewirtschaftung) auf der Grundlage von Lei-stungsvereinbarungen (Kontrakte, Leistungsaufträge) Schwerpunkte setzen bzw rasch aufveränderte Anforderungen reagieren zu können. Im Rahmen der Pauschalsumme gibt eseine umfassende gegenseitige Deckungsfähigkeit von Sach-, Investitions- und Personal-mitteln. Nicht verbrauchte Mittel können in die Folgejahre übertragen werden (Rücklagen-bildung).

5.3.4 Personalmanagement

Das managementorientierte Steuerungsmodell stellt auch neue Anforderungen an das Per-sonalmanagement.83

(1) Egalisierung der PersonalstrukturDas Leistungsspektrum der Gebietskörperschaften entspricht heute mehr einemDienstleistungsbetrieb als einer Behörde klassischen Zuschnittes. So muß auch dasDienstrecht dieser Entwicklung Rechnung tragen, um die Mobilität der Bedienste-ten innerhalb der Gebietskörperschaften und zwischen öffentlicher Verwaltung undPrivatwirtschaft zu erhöhen. Auch erscheint die Aufrechterhaltung einer Zwei-Klas-sen-Gesellschaft (pragmatisierte Beamte und Vertragsbedienstete) mit unterschied-lichen Laufbahnen (Karrieremöglichkeiten) und dienstrechtlicher Stellung auf Dauerkontraproduktiv und für viele frustrierend. In der Regel stehen Führungspositionennur den Beamten offen.

(2) Führungsfunktionen auf Zeit„Eine wesentliche Barriere für lernförderliche Arbeitsstrukturen sind rigide Hier-archien. In diesem Kontext gewinnt deshalb die Überlegung von Führungspositio-nen auf Zeit erhebliche Bedeutung, denn sie vermeiden die Restriktionen klassischerHierarchien und schaffen zugleich Motivationsanreize im Leistungsprozeß.“84

(3) Leistungsbeurteilung85

Die Schaffung von Verantwortungsbereichen wirkt nur dann effektivitäts- und effi-zienzfördernd, wenn der Leiter der Organisationseinheit für die Zielerreichung ver-antwortlich gemacht wird und Konsequenzen an die Zielerreichung geknüpft wer-

48 Grundlagen des Controlling

83 Jabloner, Clemens: (1990) 169 ff; Reichard, Christoph: (1994) S 64 ff; Reinermann, Heinrich:(1994) S 38 ff; Naschold, Frieder: (1993) S 72 ff.

84 Naschold, Frieder: (1993) S 74.85 Zum Stand der Leistungsbeurteilung und deren Einsatzmöglichkeiten in der öffentlichen Verwal-

tung siehe: Bargehr, Brigitte / Promberger, Kurt / Strehl, Franz: (1993); Strehl, Franz / Bargehr, Bri-gitte / Promberger, Kurt: (1992b); Strehl, Franz / Bargehr, Brigitte / Promberger, Kurt: (1992a);Strehl, Franz / Promberger, Kurt / Bargehr, Brigitte: (1992).

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den. Eine solche Konsequenz kann die Abberufung von einer zeitlich befristetenFührungsfunktion oder deren Wiederbestätigung darstellen. Voraussetzung dafür istein vorwiegend an Leistungskriterien orientiertes Personalbeurteilungssystem, dasin der öffentlichen Verwaltung die Ausnahme und nicht die Regel darstellt. Es darfauch nicht bei den Führungskräften haltmachen, sondern muß auch die Mitarbeiter-ebene miteinbeziehen. Die Leistungsbeurteilung und das Mitarbeitergespräch stellenwichtige Instrumente der Mitarbeiterführung dar.

(4) EntlohnungObwohl die motivierende Wirkung von monetären Anreizen sehr umstritten ist, wer-den leistungsorientierte Entlohnungssysteme für die öffentliche Verwaltung gefor-dert. Generell ist festzuhalten, daß in den meisten Gebietskörperschaften die Lebens-verdienstsumme der Bediensteten unattraktiv verteilt ist. Wenn monetäre Anreizeüber ein Leistungsbeurteilungssystem vergeben werden, dann empfiehlt es sich nurin Form von Leistungszulagen. „Das Hauptproblem der Leistungszulagen liegt darin,daß die öffentliche Verwaltung in ihrem jetzigen Führungszustand kaum in der Lageist, mit diesem Instrument verantwortlich umzugehen. Daher besteht die Gefahr, daßtrotz aller tariflichen oder gesetzlichen Sicherungen die Leistungszulagen schließlichdoch mit der Gießkanne oder nach dem Rotationsprinzip verteilt werden. Das würdedie Verwaltung nicht leistungsfähiger, sondern nur teurer machen.“86

(5) PersonalentwicklungDas managementorientierte Steuerungsmodell erfordert Führungskräfte mit Manage-mentkompetenz. Dabei ist zu beachten, daß sich nicht jeder Mitarbeiter für eineFührungsposition eignet und diese von vielen auch nicht angestrebt wird. Die Aus-sage, daß man einen guten Sachbearbeiter verloren und eine schlechte Führungs-kraft gewonnen hat, ist symptomatisch für den öffentlichen Dienst, der Karriere nurüber den Aufstieg in der Hierarchie ermöglicht.

5.3.5 Ausbau des Rechnungswesens

Dem Rechnungswesen einer Gebietskörperschaft kommt die Aufgabe zu, Informationen fürdie Steuerung der Effektivität, der Effizienz und des Finanzmittelbedarfes zu liefern undRechenschaft über die erzielten Ergebnisse zu legen. Um diese Funktionen erfüllen zu kön-nen, muß es folgende Elemente umfassen:87

Rahmenbedingungen für ein Controlling 49

86 Banner, Gerhard: (1994) S 11.87 Brede, Helmut / Buschor, Ernst: (1993).

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Abbildung 23: Elemente des Rechnungswesens

Das Rechnungswesen der meisten Gebietskörperschaften bewegt sich auf dem Niveau einerEinnahmen-Ausgaben-Rechnung, die zwar eine grobe Steuerung des Budgetvollzugeserlaubt, nicht aber eine von Effizienz und Effektivität. Ebensowenig läßt sich damit diefinanzielle Situation einer Gebietskörperschaft beurteilen und eine aussagekräftige Rech-nungslegung über den eingesetzten Input, die erbrachten Leistungen und die erzielten Wir-kungen ableiten. Im deutschsprachigen Raum ist das Rechnungswesen der Schweizer Kan-tone und Gemeinden und der österreichischen Bundesverwaltung am fortgeschrittensten.88

(1) Haushaltsrechnung Sie dient der Dokumentation und der Steuerung des Budgetvollzuges und weist diegleiche Struktur auf wie der Haushaltsplan, der die rechnerischen Ausgangsgrößenbeinhaltet. Darüber hinaus sollte die Haushaltsrechnung die Zurechnung der Zah-lungsströme auf die Verantwortungsbereiche und die durchzuführenden Programmeermöglichen.

(2) BestandsrechnungIn der Bestandsrechnung sind die Auswirkungen des Verwaltungshandelns auf dasVermögen (Vermögensrechnung) und den Stand der Schulden einer Gebietskörper-schaft festzuhalten.

(3) Ergebnisrechnung Sie dokumentiert den Ressourcenverbrauch (Aufwendungen) und das Ressourcen-aufkommen (Erträge) und gibt Auskunft darüber, inwieweit der Ressourcenverbrauchdurch das Ressourcenaufkommen gedeckt ist.

(4) FinanzrechnungZweck der Finanzrechnung ist es, zusätzlich zur Bestands- und Ergebnisrechnung ineiner gesonderten Darstellung ergänzende Aussagen über die Finanzierung der lau-fenden Staatstätigkeit, der Investitionen und den Nettokreditbedarf zu machen, die

ELEMENTE DES RECHNUNGSWESENS

Haushaltsrechnung

Bestandsrechnung

Ergebnisrechnung

Finanzrechnung

Kosten- und Leistungsrechnung

Kostenwirkungsrechnung

50 Grundlagen des Controlling

88 Buschor, Ernst: (1993) S 199 ff; Csoka, Stefan / Promberger, Kurt: (1993) S 50 ff.

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aus den genannten Teilrechnungen nur mittelbar entnommen werden können.89 DieFinanzrechnung kann in Form einer Bewegungsbilanz bzw Kapitalflußrechnungerfolgen.

(5) Kosten- und LeistungsrechnungDie Aufgabe der Kosten- und Leistungsrechnung90 besteht in der Zurechnung desRessourceneinsatzes auf die Leistungen (Output) der Verantwortungsbereiche bzwProgramme. Damit liefert sie Informationen für die Steuerung der Effizienz (Kosten-wirtschaftlichkeit), für eine outputorientierte Budgetierung und für die Kalkulationvon Gebühren, Kostenerstattungsbeträgen und privatrechtlichen Entgelten.

(6) KostenwirkungsrechnungDie Kostenwirkungsrechnung91 als Ergänzung der Kosten- und Leistungsrechnungist als nicht-monetäre Leistungsrechnung auf der Basis von Performance Indikato-ren zu konzipieren. Die Informationen fließen in die einzelnen Phasen des Mana-gementkreislaufes ein und unterstützen die Rechnungslegung.

6. Auf dem Weg zu einem neuen Verwaltungsmanagement

Diese Überschrift92 ist Ausdruck für die in einigen OECD-Ländern sichtbaren Bemühungen,neue Wege im Management des Staates zu gehen. Diese Ansätze firmieren unter der neu-deutschen Bezeichnung „New Public Management (NPM)“. „Darunter versteht man dieSchaffung eines, ein effektives und effizientes Verwaltungshandeln fordernden organisato-rischen Bedingungsrahmens und die Entwicklung eines geeigneten Steuerungsinstru-ments.“93 Eine einprägsamere Interpretation von NPM lautet: „Weniger Vorschriften, mehrZiele und gute Leistung für gutes Geld!“94 Aus diesen Ausführungen wird ersichtlich, daß das„New Public Management“ und das „Controlling“ die gleichen Anliegen verfolgen, nämlichdie Steigerung bzw die Steuerung der Effektivität und der Effizienz staatlichen Handelns.

6.1 New Public Management (NPM)In den 80er Jahren kam es in mehreren Industrieländern (vor allem Großbritannien, USA,Australien, Kanada, Neuseeland und Skandinavien) zu einer Reform des öffentlichen Sek-tors. Diese Veränderungen bezogen sich vor allem auf die Aufgaben, Strukturen und Orga-nisationen des politisch-administrativen Systems und sind Ausdruck der veränderten Wert-haltungen der sie konstituierenden und legitimierenden Gesellschaftssysteme. Diese Ent-wicklung wurde von folgenden Faktoren gefördert:95

(1) Beträchtliches Wachstum des öffentlichen Sektors als Folge des post-keynesiani-schen Wohlfahrtsstaates, der immer komplizierter wurde und die Bürger mit derQualität der öffentlichen Leistungen immer unzufriedener machte.

Auf dem Weg zu einem neuen Verwaltungsmanagement 51

89 Hinzmann, Christiane: (1993) S 67.90 Promberger, Kurt / Pracher, Christian: (1991a).91 Buschor, Ernst: (1993) S 180.92 Reichard, Christoph: (1992) S 1.93 Lüder, Klaus: (1993) S 265.94 Metzen, Heinz: (1994) S 90.95 Mascarenhas, R. C.: (1993) S 319.

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(2) Die Finanzierung der öffentlichen Leistungen aus Steuermitteln führt zur Ver-schwendung von Ressourcen für weniger produktive Zwecke und benachteiligt denprivaten Sektor („crowding out“).

(3) Mit der Wahl von Margret Thatcher (1979) und Ronald Reagan (1980) kamen kon-servative Regierungen an die Macht, die massiven Druck auf den öffentlichen Sek-tor ausübten und zu dem führten, was heute als „New Public Management“ bezeich-net wird.

Die Reformen der 80er Jahre sind im Vergleich zur Vergangenheit umfassender angelegtund zielen darauf ab, das Verhältnis zwischen öffentlichem und privatem Sektor durch dieÜberprüfung der Rolle des Staates zu verändern. Basierend auf dem Gedankengut der„Neuen Rechten“ und mikroökonomischer Organisationstheorien (Transaktionskosten-Theorie, Theorie der Verfügungsrechte, Public-Choice-Theorie etc) ist das grundlegendeAnliegen die Redimensionierung des öffentlichen Sektors mittels Deregulierung (Abbau derRegelungsdichte), wirtschaftlicher Liberalisierung, Privatisierung und der Verankerung derGrundwerte des privaten Unternehmertums (Aufbau einer Unternehmenskultur zur Stei-gerung von Effizienz und Effektivität) in der öffentlichen Verwaltung. Der Titel eines „NewPublic Management“ Bestsellers bringt diese Sichtweise auf den Punkt: „ReinventingGovernment – How the Entrepreneurial Spirits is Transforming the Public Sector –“.96 DerEntrepreneur97 ist dabei jemand, der die Ressourcen von Bereichen mit geringer Effektivitätin Bereiche mit höherer Effektivität umschichtet. In diesem Sinn muß auch in Politik undöffentlicher Verwaltung der Geist des „Entrepreneurs“ Einzug halten. Diese Veränderungder Werthaltungen wird von Kritikern98 auch als „Neo-Taylorismus“ bzw „Managerialis-mus“99 bezeichnet. Obwohl es so etwas wie ein offizielles Programm des „New PublicManagement“ nicht gibt, können folgende Merkmale des NPM angeführt werden:100

(1) Professionelles und verantwortungsbewußtes ManagementDie Rechenschaftslegung erfordert die genaue Zuordnung der Verantwortung. ImGegenzug müssen Handlungsspielräume für die Führungskräfte („free to manage“)eröffnet werden.

(2) LeistungsmessungDie Rechenschaftslegung über die Effizienz und Effektivität des öffentlichen Dien-stes erfordert die Formulierung von operationalen Zielen und die Messung der erziel-ten Ergebnisse (Leistungsindikatoren).

(3) OutputsteuerungDie Ressourcenzuteilung und die Vergabe von Belohnungen wird mit der Lei-stungsmessung (Outputsteuerung) verknüpft. Damit einhergehend erfolgt die Dezen-tralisierung der Ressourcenbewirtschaftung. Bei der Outputsteuerung wird die Ver-fahrenskontrolle durch eine Ergebniskontrolle ersetzt.

52 Grundlagen des Controlling

96 Osborne, David / Gaebler, Ted: (1992).97 Der Begriff des „Entrepreneur“ stammt vom französischen Ökonomen J. B. Say.98 Für eine kritische Analyse des NPM im Lichte der Erfahrungen in Großbritannien siehe: Dunleavy,

Patrick / Hood, Christopher: (1994) S 9 ff; Naschold, Frieder: (1993) S 57 ff; Naschold, Frieder:(1994) S 389 ff.

99 Pollitt, Christopher: (1990) S 111 ff.100 Hood, Christopher: (1991) S 4 f; Naschold, Frieder: (1993) S 50 ff; Stewart, John / Walsh, Kieron:

(1992) S 504 ff.

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(4) Dezentralisierung der öffentlichen VerwaltungDie öffentliche Verwaltung wird in produktorientierte operative Einheiten (hori-zontale Dezentralisierung) aufgespalten und mit aufgabenadäquaten, fachlichen undressourcenbezogenen Kompetenzen (vertikale Dezentralisierung) ausgestattet. Sieerhalten ein Globalbudget („one-line-budget“), das die Führungskräfte für die Ziel-erreichung flexibel einsetzen können. Darüber hinaus wird die Bereitstellung vonöffentlichen Leistungen von deren Produktion unterschieden. Weiters kommt es zurSchaffung von Auftraggeber- und Auftragnehmer-Beziehungen (Kontraktmanage-ment) innerhalb des öffentlichen Sektors und zwischen öffentlichem und privatemSektor.

(5) Stärkung des WettbewerbsgedankensDer Wettbewerb ist der Schlüssel zu niedrigeren Kosten und besseren Standards. DasMittel zur Stärkung des Wettbewerbs sind Kontrakte und Ausschreibungen innerhalbder öffentlichen Verwaltung (public tendering procedures).

(6) Einsatz privatwirtschaftlicher ManagementmethodenEs geht darum, erfolgreiche Instrumente aus dem privaten Bereich in den öffent-lichen Sektor zu übertragen.

(7) Mehr Effizienz bei der Verwendung der RessourcenErhöhung der Effizienz durch umfassende Kostensenkungsprogramme, erhöhterWiderstand gegenüber den Forderungen der Gewerkschaften und Einschränkung derFolgekosten von staatlichen Regulierungen für den Unternehmenssektor.

6.2 Ausgewählte NPM-AnsätzeDiese Merkmale des NPM101 sind in den Reformländern auf den verschiedenen Ebenen derstaatlichen Verwaltung (gesamtstaatliche, bundesstaatliche und kommunale Ebene) in unter-schiedlicher Weise ausgeprägt.102 Am radikalsten wurden in Neuseeland und Großbritan-nien weitreichende Umstrukturierungsmaßnahmen des öffentlichen Sektors gemäß denPrinzipien des New Public Management durchgeführt. Ähnliche, wenn auch weniger radi-kale, sondern mehr balancierte Modernisierungsprogramme finden sich in den Nieder-landen und in den skandinavischen Ländern.103 Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann manfesthalten, daß die Reformprogramme auf der Basis der Prinzipien des New Public Mana-gement ihre Konzeptionsphase hinter sich gelassen und tatsächliche Veränderungswir-kungen im System der öffentlichen Verwaltung bewirkt haben. Im Rahmen dieser Moder-nisierungsprogramme sind das Agency Konzept, das Modell der Gewährleistungsverwal-

Auf dem Weg zu einem neuen Verwaltungsmanagement 53

101 Buschor, Ernst: (1993) S 182 charakterisiert das „Neue Verwaltungsmanagement“ durch folgendezehn Merkmale: (1) Kunden- und Bürgerorientierung. (2) Kostensenkungs- und Effizienzdruck. (3)Wirkungs- statt Inputsteuerung (Budgets, Stellen). (4) Trennung der strategischen von den operati-ven Planungskompetenzen. (5) Trennung der Funktionen des Leistungsträgers und des Leistungs-bestellers. (6) Schaffung holdingähnlicher Verwaltungsstrukturen. (7) Leistungsaufträge für gemein-wirtschaftliche Aufgaben der Vollzugsstellen. (8) Wettbewerb über interne Märkte, Auswärtsvergabeund Privatisierung. (9) Umfassende Wirksamkeitsprüfung. (10) Förderung nicht monetärer Anreizeund des Leistungslohns. Vgl. auch Hoffmann, Helmut / Dill, Günter: (1993) S 211.

102 Einen Überblick über internationale Verwaltungsreforminhalte geben: Banner, Gerhard: (1994);Mascarenhas, R. C.: (1993) S 319 ff ; Schick, Allen: (1990) S 26 ff; Strehl, Franz: (1993) S 161 ff.

103 Naschold, Frieder: (1993) S 48.

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tung, Maßnahmen zur Stärkung des Wettbewerbs und das Tilburger Modell besonders her-vorzuheben.

6.2.1 Agency Konzept

Im Rahmen der „Next Step Initiative“ der Regierung Thatcher III bildet das Agency-Konzept104 den Kern der Reform der zentralen Verwaltung (Civil Service) in Großbritannien.Das damit verfolgte Ziel besteht in der Schaffung einer möglichst klaren Schnittstelle zwi-schen der politischen Ebene des jeweiligen Ressorts und den durchführenden Instanzen(Agencies). Jede Agency wird von einem Manager (Chief Executive) geführt, der nur demjeweiligen Minister gegenüber verantwortlich ist. Von den Ressortaufgaben wird ein Teil(Ausschnitt) der Vollzugsaufgaben auf eine Agency übertragen. Diese werden aus denbestehenden Einheiten des Civil Service gebildet, wobei für jede Dienstleistung maß-geschneiderte Strukturen entwickelt werden. Agencies sind verselbständigte Organisati-onseinheiten, deren Vollzugsaufgaben operational definiert und von der politischen Aufgabedes Ressorts bzw Ministers abgegrenzt sind. Dabei sind folgende Fragen zu klären:

(1) Was sind die primären Aufgaben der Agency und welche Anforderungen an die Auf-gabenerfüllung (Ziele) werden gestellt?

(2) Welche Kompetenzen, Handlungsspielräume und Verantwortlichkeiten kommen derAgency insgesamt und insbesondere dem Leiter zu?

(3) Welche Rolle hat der Minister als „Eigentümer“ der Agency zu spielen?(3) Welche Rechte sollen die Klienten (Kunden) der Agency in Zukunft erhalten?(4) Wie sehen die Kompetenzen der Agency im Bereich Finanzen und Personal aus?(5) Wie ist die Verantwortung zwischen Öffentlichkeit, Parlament, Ressortminister und

Chief Executive geregelt?

Für jede Agency ist ein Rahmenpapier (Framework Agreement, Framework Document) zuerstellen, das dem Parlament zugeleitet und auch der Öffentlichkeit zugänglich gemachtwird. Darin sind die zu erfüllenden Aufgaben, Ziele, Zuständigkeitsabgrenzungen, interneManagementkonzepte und der Umfang der Entscheidungsdelegation vom Ministerium anden Leiter enthalten. Darüber hinaus beschreibt es, wie die laufende Kontrolle erfolgt, wel-che Rechenschafts- und Berichtspflichten zu erfüllen sind und welche finanziellen und per-sonellen Spielräume bestehen. Jährlich werden neue – möglichst operationale – Ziele ver-einbart, für deren Einhaltung der Leiter verantwortlich ist. Dabei handelt es sich vorwie-gend um Effizienzziele (Erhöhung der Produktivität von Überprüfungen im Ausmaß von1,5 Prozent jährlich, Senkung der Kosten je Überprüfung im Durchschnitt um 20 Prozent,volle Kostendeckung für bestimmte Leistungen etc.). Neben der Effizienz wird auch derQualitätsaspekt der Leistungen berücksichtigt. Hier geht es um die Frage, inwieweit dieLeistungen den Bedürfnissen der Kunden entsprechen, für die die Leistungen erbrachtwerden.

Die Agencies werden aus dem öffentlichen Haushalt finanziert und unterliegen voll derBudgethoheit des Parlaments. Für jede Agency wird ihren Aufgaben und den finanziellenRahmenbedingungen entsprechend ein besonderes Haushaltsgebaren festgelegt, wobei dasjeweilige Ressort seinen haushaltsrechtlichen Spielraum auf die Agencies verlagern kann,soweit damit Effizienzsteigerungen verbunden sind. Die Flexibilität der Ressourcen-

54 Grundlagen des Controlling

104 Brinkmann, Hans: (1994) S 221 ff; Strehl, Franz: (1993) S 168 ff.

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bewirtschaftung bezieht sich auf die Übertragung von Haushaltsansätzen auf das nächsteFinanzjahr, auf die Deckungsfähigkeit von Haushaltsansätzen, die Netto- oder Brutto-zuweisung der Finanzmittel. Die haushaltsrechtliche Stellung der Agencies ist ungefähr ver-gleichbar mit den „betriebsähnlichen Einrichtungen“ in der österreichischen Bundesver-waltung. Basierend auf der Rahmenvereinbarung können die Agencies relativ autonom ihreAufgaben erfüllen, wodurch Eingriffe des Ministeriums in den laufenden Aufgabenvollzuggrundsätzlich nicht notwendig werden. Der Leiter einer Agency ist direkt dem Ministerunterstellt und steht somit außerhalb der ministeriellen Hierarchie. Er ist für die Erreichungder Ziele und die effiziente Verteilung der zur Verfügung gestellten Mittel verantwortlich.Die Position des Chief Executive soll offen ausgeschrieben werden. Jede Abweichungdavon hat der Minister zu begründen. Bis Juli 1991 waren bereits 51 Agencies mit ca.210.000 Mitarbeitern aus den Ressorts herausgeschnitten und weitere 26 mit ca. 18.000Mitarbeitern in Vorbereitung.105 Somit arbeiten ungefähr die Hälfte der Mitarbeiter des CivilService (ca. 570.000 Bedienstete) in Agencies.106

6.2.2 Modell der Gewährleistungsverwaltung

Während das Agency-Konzept vor allem auf zentralstaatlicher Ebene zur Anwendung kam,betrifft das Modell der Gewährleistungsverwaltung („Enabling Authority“) die Ebene derKommunalverwaltung.107 Diese in Großbritannien entwickelte Alternative zur traditionel-len Vollzugsverwaltung findet auch in Skandinavien, Australien und Neuseeland Anwen-dung.108 Dieses Modell basiert auf der Überlegung, daß eine Kommune die nachgefragtenöffentlichen Leistungen nicht unbedingt selbst erbringen muß, sondern nur die Gewährdafür übernehmen muß, daß die in das Leistungsprogramm aufgenommenen Aufgabendurch verwaltungsinterne oder verwaltungsexterne Anbieter erfüllt werden.109 Durch dieTrennung zwischen Gewährleistung und Vollzug läßt sich ein Verwaltungsmodell schaffen,das sich einerseits in eine eng an die Politik gekoppelte Vergabezentrale und andererseitsin einen operativ ausgerichteten Leistungsbereich gliedert.

Auf dem Weg zu einem neuen Verwaltungsmanagement 55

105 Common, Richard / Flynn, Norman / Mellon, Elizabeth: (1993) S 139 ff.106 Brinkmann, Hans: (1994) S 228.107 Reichard, Christoph: (1993) S 11.108 Reichard, Christoph: (1994) S 43.109 Thomas, Derek: (1993) S 117.

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Abbildung 24: Modell einer Gewährleistungsverwaltung110

Die Kernfunktionen einer solchen Gewährleistungsverwaltung sind:111

(1) Schaffung einer Auftraggeber- und Auftragnehmer-Relation.(2) Sicherstellung eines bedarfsgerechten Leistungsangebots durch den Auftraggeber,

unabhängig davon, wer die unmittelbare Leistung erbringt. Der Auftraggeber hat imwesentlichen die Funktionen der Leistungsplanung, der Formulierung von Lei-stungsstandards und der Qualitätsüberwachung.

(3) Beschaffung der gewünschten Leistungen von kommerziellen Unternehmen oderauch von gemeinnützigen Einrichtungen.

(4) Eigenständige Leistungserbringung, sofern kein geeigneter externer Anbieter zurVerfügung steht oder sofern die „Eigenfertigung“ wirtschaftliche Vorteile verspricht.

(5) Schaffung marktorientierter Wettbewerbsbedingungen, auch innerhalb der Verwaltung.

Als Vision einer radikal zu Ende gedachten Gewährleistungsverwaltung läßt sich eine Kom-mune vorstellen, die als reine Holding ohne eigenen Leistungsbereich alle Leistungen(interne Servicedienste als auch Leistungen an die Bürger) von externen Lieferantenzukauft.112

6.2.3 Methoden zur Stärkung des Wettbewerbs

Die marktwirtschaftliche Binsenweisheit „Konkurrenz belebt das Geschäft“ gilt auch fürdie öffentliche Verwaltung. Vor allem die Kommunalverwaltung steht in mehreren Aufga-benfeldern (Sozial- und Gesundheitsbereich, Kultur, Bildung, Freizeit, Hoch- und Tiefbau,

privateAnbieter

Auftraggeber

Auftragnehmer

Politik

Verwaltungsführung

Vergabe-Abteilung

privateAnbieter von

externen Leistungen

privateAnbieter von

internen Leistungen

interne Anbieter von

externen Leistungen

interne Anbieter von

internenLeistungen

BÜRGERBÜRGER

56 Grundlagen des Controlling

110 In Anlehnung an: Reichard, Christoph: (1994) S 43.111 Thomas, Derek: (1993) S 117.112 Reichard, Christoph: (1994) S 42 f.

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Wirtschaftsförderung etc) in Konkurrenz mit anderen, gemeinwirtschaftlichen und privatenLeistungsanbietern, die einen Druck auf mehr Effektivität und Effizienz ausüben. Sowohldie britischen als auch die skandinavischen Erfahrungen belegen die effektivitäts- und effi-zienzinduzierenden Wirkungen eines funktionsfähigen Wettbewerbs. Folgende Formen desWettbewerbs können unterschieden werden:113

(1) LeistungsvergleicheBei Leistungen, die aus Rechtsgründen nicht privatisierbar sind, kann ein Vergleichzwischen den Gebietskörperschaften sinnvoll sein. Weiters können die Leistungen mitden Preisen privater Anbieter (Straßenerhaltung, Energieversorgung, Daseinsvorsorge,öffentlicher Personennahverkehr) oder mit den Honorar- und Tarifordnungen von frei-beruflichen Professionisten (Architekten, Ingenieurleistungen, Rechtsberatung etc)verglichen werden. In Großbritannien betreibt die „Audit Commission for Local Authorities“ einen ständigen kommunalen Leistungsvergleich, der auch ein großesmediales Echo findet.114 Als Sonderform sind „Best Practice-Wettbewerbe“115 zu nen-nen, die herausragende Verwaltungen identifizieren und deren Innovationen publikmachen. Ein Beispiel hiefür ist der „Speyerer Qualitätswettbewerb“116 und der „Wett-bewerb der Bertelsmann Stiftung“117.

(2) Verwaltungsinterne Quasi-MärkteDie Verwaltungseinheiten erhalten Globalbudgets, mit denen sie auch interne Lei-stungen im Rahmen einer internen Leistungsverrechnung bezahlen müssen.118

(3) Markttests (Modell der wettbewerbsorientierten Ausschreibung)Im Rahmen von Markttests werden öffentliche Dienstleistungen im Wege obligatori-scher Ausschreibungen vergeben, wobei die kommunalen Verwaltungseinheiten mit-bieten können. Die Erstellung einer bestimmten Dienstleistung (z. B. Betreiben einesKinderheimes) wird beispielsweise für fünf Jahre von der „gewährleistenden Kom-mune“ (Vergabeabteilung) an den „günstigsten Anbieter“ (verwaltungseigene Abtei-lung, privater oder gemeinnütziger Anbieter) vergeben.119 In Großbritannien werden 80 Prozent der Ausschreibungen (compulsory competitive tendering) von den kom-munalen Anbietern gewonnen. Dahinter steht das Konzept der „Enabling Authority“(gewährleistende Kommune).120 Markttests wirken stärker auf die Preise öffentlicherLeistungen als die Leistungsvergleiche und die verwaltungsinternen Quasi-Märkte.

7. Tilburger Modell

In den letzten Jahren hat ein Reformprojekt vor allem in der deutschen Verwaltungs-öffentlichkeit besonders großes Aufsehen erregt, nämlich das neue Verwaltungskonzept derniederländischen Stadt Tilburg, das zu einem Synonym für modernes Kommunalmanage-

Tilburger Modell 57

113 Banner, Gerhard: (1994) S 7 f.114 Banner, Gerhard: (1993) S 194 f.115 Reichard, Christoph: (1994) S 48.116 Hill, Hermann / Klages, Helmut: (1993b).117 Bertelsmann Stiftung: (1993a).118 Reichard, Christoph: (1994) S 48.119 Reichard, Christoph: (1994) S 48 f.120 Reichard, Christoph: (1993) S 11.

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ment geworden ist und eine Art „Tilburg-Fieber“ ausgelöst hat. Dieses neue Verwal-tungskonzept, – das sich bereits in einer Reihe von Publikationen121 niedergeschlagen hat– ist für das Controlling von besonderer Bedeutung, da es Strukturen aufweist, die einenControlling-Einsatz bedingen.

7.1 Stadt TilburgDie Stadt Tilburg (siebtgrößte Stadt der Niederlande) liegt in der Provinz Nord-Brabant undbeheimatet ca. 160.000 Einwohner. Die Gesamtausgaben der Stadt belaufen sich auf ca. sie-ben Mrd. ÖS. und zum gegenwärtigen Zeitpunkt beschäftigt die Stadt 1.600 Bedienstete.Das Königreich der Niederlande umfaßt zwölf Provinzen und ca. 670 Gemeinden mit rundfünfzehn Mio. Einwohnern. Anders als Österreich sind die Niederlande ein Einheitsstaat,der drei Verwaltungsebenen umfaßt (Reich, Provinzen und Gemeinden). Sämtliche Gesetz-gebungsbefugnisse und auch die Gemeindefinanzierung sind Reichsangelegenheiten. DieProvinzen haben im Gegensatz zu den österreichischen Bundesländern keine Staatsqualitätund üben gegenüber den Gemeinden erhebliche Aufsichtsfunktionen aus.

7.2 Auslöser und Ziele der VerwaltungsreformDie niederländischen Gemeinden können sich nur zu einem ganz geringen Teil aus eigenenSteuer- und Gebühreneinnahmen finanzieren. Der überwiegende Teil ihrer Finanzmittelstammt aus Zuweisungen des Reiches. Die in den 80er Jahren auf Reichsebene eingeleiteteHaushaltskonsolidierung hat sich voll auf die Gemeindeebene durchgeschlagen. Diese Ent-wicklung wurde begleitet von einem Rückgang der kommunalen Einnahmen und einemSteigen der Ausgaben. Die Folge war eine äußerst angespannte finanzielle Situation, dieletztlich den Anlaß für die umfassende Verwaltungsreform Mitte der 80er Jahre gab. Wei-tere Gründe waren die seit längerem bestehenden Kritikpunkte an der Arbeitsweise und derLeistungsfähigkeit der kommunalen Verwaltung:122

(1) Mangelnde Anreize für leistungsmotivierte Führungskräfte auf Grund zu geringerKompetenzen (mangelnde Entscheidungsmöglichkeiten für Führungskräfte).

(2) Geringe Transparenz der Verwaltungstätigkeit und des Haushaltsplanes.(3) Der Gemeinderat wird mit vielen Einzelheiten statt mit wichtigen Grundsatzent-

scheidungen befaßt, wodurch das Primat der Politik in Frage gestellt wird.(4) Zu geringe Orientierung am Bürger als „Kunden“ der Verwaltung und ihrer Dienst-

leistungen. Bekommt der Bürger für seine Steuern einen angemessenen Gegenwertan Dienstleistungen („Value for Money“)?

(5) Mangelnde Leistungsfähigkeit, Unwirtschaftlichkeit und mangelnde Wirksamkeit derVerwaltung.

Wegen der angespannten Finanzlage und den bestehenden Kritikpunkten wurden folgendeallgemeinen Reformziele formuliert:123

58 Grundlagen des Controlling

121 Eine intensive Auseinandersetzung mit dem Tilburger Modell erfolgt in: Andree, Ulrich F. H.:(1994) S 244 ff; Banner, Gerhard: (1991); Banner, Gerhard: (1994); Blume, Michael: (1993a);Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung: (1992); Krähmer, Rolf: (1992);Reichard, Christoph: (1992); Wolters, Jan: (1994).

122 Krähmer, Rolf: (1992) S 18 f.123 Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung: (1992) S 31.

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(1) Abbau der Bürokratisierung der Verwaltung zugunsten von mehr Transparenz undBürgernähe.

(2) Erhöhung der Flexibilität, Effektivität und Effizienz der Verwaltung.(3) Qualitativ bessere Dienstleistungen zu niedrigeren oder besser planbaren Kosten.

7.3 Elemente des Tilburger ModellsDie Abbildung 25 gibt einen Überblick über die wichtigsten Elemente des TilburgerModells:

Abbildung 25: Elemente des Tilburger Modells

7.3.1 Kontraktmanagement

Das Kontraktmanagement geht von einer klaren Rollenverteilung (Aufgaben-, Kompetenz-und Verantwortungsabgrenzung) zwischen dem politischen Führungssystem (Rat und Kol-legium) und dem administrativen Führungssystem (Leiter der Fachbereiche) aus. „Politi-sche Gremien in einer repräsentativen Demokratie sollten in erster Linie Werteentschei-dungen und politische Richtungsentscheidungen treffen, in denen die Interessen der jeweilsvertretenen Wählergruppen mit dem Gesamtinteresse des Gemeinwesens in möglichstgroße Übereinstimmung gebracht werden.“124 Im Kontraktmanagement entspricht dieArbeitsteilung zwischen dem politischen und dem administrativen Führungssystem einer„Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehung“, in der die Politik die strategischen Richtlinienbestimmt und der Verwaltung die zur Umsetzung notwendigen Aufträge erteilt. Rat und

ELEMENTE DES TILBURGER MODELLS

Kontraktmanagement

Konzernstruktur

Produktansatz

Steuerungsinstrumente

Personalwirtschaft

Controlling

Tilburger Modell 59

124 Blume, Michael: (1993a) S 148.

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Kollegium bestimmen was gemacht und die Fachbereiche wie es gemacht werden soll. DieAufgabe der Politik besteht in der Beeinflussung der gesellschaftlichen Verhältnisse, und sieist auch verantwortlich für die bewirkten gesellschaftlichen Effekte ihrer Entscheidungen.Die gewünschten gesellschaftlichen Effekte werden durch Leistungen (Sach-, Dienst- undNominalleistungen) bewirkt, die von der Verwaltung zu erbringen sind. Die Verwaltung hatdie Aufgabe, im Rahmen der politischen Vorgaben die gewünschten Leistungen mit einemHöchstmaß an Effizienz und Effektivität zu erbringen, um damit den Bürgern ein optima-les Service zu bieten und der Politik einen maximalen Handlungsspielraum zu erhalten. Vor-aussetzung dafür ist, daß die Politik und die Verwaltung meßbar gemacht werden. Dasbedeutet, daß einerseits die Politik möglichst operational formulieren muß, was sie mit ihrerArbeit erreichen will und andererseits die Verwaltung die Leistungen (Output, Produkte)und den dafür notwendigen Ressourceneinsatz (Input) genau beschreiben muß. So gesehenist das Kontraktmanagement ein Oberbegriff für eine an den Kriterien „Effektivität“ und„Effizienz“ ausgerichtete Steuerungsphilosophie.

Kontraktmanagement bedeutet, daß die Kontrakt- bzw Vertragspartner (Auftraggeberund Auftragnehmer) über die vom Auftragnehmer (Fachbereich) zu erbringenden Lei-stungen, die dafür zur Verfügung gestellten Ressourcen und die Art der Berichterstattungüber das erreichte Ergebnis eine Vereinbarung schließen und diese in Form eines Planesdokumentieren. Dieser Kontrakt (Plan) ist das Ergebnis eines Verhandlungsprozesses, inden vom Auftraggeber (politisches Führungssystem) die Leistungsanforderungen, vom Auf-tragnehmer (Fachbereich) die Ressourcenanforderungen eingebracht werden. Im Rahmendieser Managementvereinbarung erhalten die Fachbereiche eine klar definierte Aufgabe, dieRessourcen und die Kompetenzen (Personal, Organisation, Finanzen, Informations- undKommunikationstechnik), um eine konkrete Leistung (Output bzw Produkt) erstellen undfür die Erfüllung der Vereinbarung (Jahresarbeitsprogramm) die Verantwortung übernehmenzu können. Kontrakte werden dabei nicht nur zwischen Politik und Verwaltung, sondernauch innerhalb eines Fachbereiches (zwischen Fachbereichsleitung und Abteilungen) undzwischen Fachbereichen (im Falle des Bezuges von Zwischen- und/oder Serviceleistungen)geschlossen. Die Fachbereiche können ihren Bedarf an diesen Leistungen am freien Marktdecken und diese von Privatunternehmen oder anderen öffentlichen Einrichtungen bezie-hen. Die Gebäudebewirtschaftung ist beispielsweise so organisiert, daß ein Fachbereich dieEigentümer-Funktion übernimmt und alle Gebäude verwaltet und die nutzenden Fach-bereiche Nutzungsentgelte (Mieten) an den Eigentümer zahlen müssen.

7.3.2 Konzernstruktur

Das Kontraktmanagement findet auf der Makroebene seine strukturorganisatorische Ent-sprechung in der wie folgt dargestellten Konzernstruktur:125

60 Grundlagen des Controlling

125 Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung: (1992) S 54.

013 - 073, korr. 16.10.2002 11:45 Uhr Seite 60

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Abbildung 26: Konzernstruktur

Die operativen Einheiten (Fachbereiche bzw Dienste) werden durch die Konzernspitze (Rat,Kollegium) mit Hilfe des Konzernstabes (zentraler Steuerungsdienst) gesteuert.

(1) KonzernführungDas Kollegium, bestehend aus dem Bürgermeister und den Beigeordneten, ist für diepolitische Koordination der Verwaltung nach dem Willen des Rates verantwortlich.Grundsätzlich kann nur das Kollegium als Kollektiv und nicht ein einzelner Beige-ordneter Anweisungen an einen Dienst geben. Für einen Dienst sind stets mehrereBeigeordnete politisch verantwortlich. Die Verwaltungsführung durch das Kollegiumbeschränkt sich auf den Erlaß allgemeiner Richtlinien und die Überwachung derAusführung der vereinbarten Kontrakte (Dienstpläne).

(2) DiensteDie operative Ebene besteht aus sieben Diensten (Fachbereichen). Als Richtlinie fürdie Größe der Dienste (Fachbereiche) wurde eine Mitarbeiteranzahl zwischen 250und 450 und ein Mindestumsatz von 100 Mio. Gulden festgelegt.126 Vor der Reor-ganisation gab es fünfzehn Dienste und ein umfangreiches Sekretariat, mit demGemeindesekretär als Leiter.127 Jetzt sind die Dienste objektorientiert (aufgaben- undzielgruppenorientiert) strukturiert, um einerseits eine größere Nähe zum Kunden undandererseits eine integrierte Verantwortung für den Produktionsprozeß in möglichsteiner Hand zu gewährleisten. Sie werden von einem Dienstdirektor und dem Dienst-controller als seinem Stellvertreter geleitet. Die Dienste sind für alle organisatori-schen, finanziellen, personalwirtschaftlichen und fachlichen Tagesangelegenheitenzuständig und verfügen neben den eigentlichen Fachabteilungen jeweils über eigeneDienststellen für Personalangelegenheiten, Organisation, Informationstechnologie-Unterstützung, Haushalt und Finanzen. Im Rahmen der geschlossenen Kontraktebewirtschaften die Dienste ihre personellen und finanziellen Ressourcen autonom.

SOZIALES UND KULTUR

BAUWESEN

UMWELT

ALLGEMEINE ANGELEGENHEITEN

FEUERWEHR

POLIZEI

BESCHÄFTIGUNGS-FÖRDERUNG

KOLLEGIUM

AUSSCHÜSSE

RAT

STEUERUNGSDIENST

(KONZERNSTAB)

Tilburger Modell 61

126 Blume, Michael: (1993a) S 147.127 Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung: (1992) S 153.

013 - 073, korr. 16.10.2002 11:45 Uhr Seite 61

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Die Abbildung 27128 zeigt den strukturorganisatorischen Aufbau eines Dienstes amBeispiel der „Allgemeinen Verwaltung“.

Abbildung 27: Strukturorganisatorischer Aufbau eines Dienstes

(3) SteuerungsdienstDem politischen Führungssystem (Rat und Kollegium) ist ein Konzernstab beige-stellt, dem im wesentlichen die Koordination der Gesamtverwaltung zukommt. Er istaus dem früheren Gemeindesekretariat hervorgegangen, das überwiegend die klas-sischen Querschnittsaufgaben (Personal, Haushalt, Organisation, EDV) erfüllt hat.Mit ca. 30 Mitarbeitern umfaßt er nur mehr einen Bruchteil des früheren Personalsund hat Aufgaben wie die (a) Unterstützung der politischen Leitungsorgane (Bür-germeister, Kollegium, Rat), (b) Koordination und Integration der strategischen Leit-linien der (Fach-)Politik, (c) Entwicklung von zentralen Vorgaben, Normen undRichtlinien für die gesamte Verwaltung, (d) Koordination zwischen den Fachberei-chen, Unterstützung der Fachbereiche bei schwierigen Einzelfragen, (e) Integrationund Konsolidierung der einzelnen Dienstpläne und -berichte zur zusammenhän-genden finanzwirtschaftlichen Berichterstattung auf Konzernebene, (f) Entwicklungvon Leistungsvorgaben für die Dienste und Prüfung/Einschätzung der Ergebnisse(Konzerncontrolling bzw zentrales Controlling), (g) gesamtstädtische Rechtsange-legenheiten, Finanzverwaltung, Presse- und Informationsarbeit zu erfüllen.129 DerSteuerungsdienst ist gegenüber den Diensten nicht weisungsbefugt. Die Kontrakt-verhandlungen werden zwischen dem Kollegium als Kollektiv und den einzelnenDienstdirektoren geführt. Der Steuerungsdienst nimmt zu den Vorlagen der Dienst-direktoren Stellung und gibt eine zustimmende bzw abweichende Beschlußemp-fehlung an das Kollegium ab. An der Spitze des Steuerungsdienstes steht der Ge-meindesekretär, der als ein Bindeglied zwischen Politik und Verwaltung (Informa-tionsfluß in alle Richtungen und von allen Richtungen) fungiert. Er unterstützt denBürgermeister bei der Leitung der Gemeinderatssitzungen. Der Gemeindesekretär istnicht hierarchischer Vorgesetzter der Dienstdirektoren, wobei er den Dienstdirekto-ren bindende Anweisungen geben darf, wenn das zur Sicherstellung der Koordina-

Sekretariat

Personalangelegenheiten

Organisation

Fachbereichsplanung

Information/Automation

Verwaltung

Stellvertr. DirektorCONTROLLER

DIENSTDIREKTOR

Personenstands- wesen, Statistik,

Wahlen

Steuer-verwaltung

Ökonomische Fragen, Wirt-

schaftsförderung

Rathaus-verwaltung Gemeindearchiv

62 Grundlagen des Controlling

128 Krähmer, Rolf: (1992) S 23.129 Krähmer, Rolf: (1992) S 22.

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tion der Dienste notwendig ist. Weitere Einrichtungen zur Koordination der Ver-waltung stellen die Managementkonferenz der Dienstdirektoren und die Controller-konferenz der Dienstcontroller dar.

7.3.3 Produktansatz

Ein weiteres wichtiges Element im Tilburger Modell ist der Produktansatz, der die Grund-lage für eine outputorientierte Konzernsteuerung bildet. Die in den meisten Gebietskör-perschaften herrschende Intransparenz der Leistungen (Output) und der Kosten führte beiden niederländischen Kommunen zur Einführung eines produktorientierten Steuerungs-systems, das aus folgenden Komponenten besteht:

Abbildung 28: Komponenten des Produktansatzes

(1) Funktionen des Produktansatzes

Zu den Funktionen des Produktansatzes zählen:130

(a) Erhöhung der Transparenz kommunalen Handelns für Politik und Bürger;(b) Produktbezogene Rechenschaftslegung gegenüber dem Bürger durch Informa-

tionen darüber, „was die Stadt für sein Steuergeld leistet“ (Value for Money);(c) Schaffung der Grundlagen für ein zielgruppenorientiertes Marketing von Ver-

waltungsleistungen und Verstärkung der Kundenorientierung. Wenn die Ansprüche der Interessenten (Bürger, Unternehmen etc) an die Verwaltungs-leistungen steigen, müssen deren Bedürfnisse und Interessen auch in die Pro-duktplanung eingehen, ebenso wie die Verbesserungsvorschläge der Bedienste-ten;

(d) Erstellung outputorientierter Budgets. Im Mittelpunkt der jeweiligen Haus-haltskapitel stehen die Produkte des entsprechenden Verwaltungszweiges, wiebeispielsweise zu beseitigende Müllmengen, in Einrichtungen unterzubringendeJugendliche, auszustellende Pässe, zu erbringende Sozialleistungen oder durch-zuführende Genehmigungsverfahren. Der Gesamthaushalt (Konzernhaushalt)ergibt sich aus der Aggregation der Produktbudgets;

(e) Integration der kommunalen Sach- bzw Produktplanung (Welche Leistungenwerden für wen und in welcher Qualität bereitgestellt?) mit der Budgetplanung(Zu welchen Kosten bzw mit welchen Auswirkungen auf den Haushalt?).

PRODUKT-BESCHREIBUNG

PRODUKT-KOSTEN PRODUKTBUDGET

PRODUKT-ORGANISATION

PRODUKTANSATZ

Tilburger Modell 63

130 Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung: (1992) S 68 ff.

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(2) ProduktbeschreibungEin Produkt ist das, was ein Produktzentrum an Abnehmer außerhalb der eigenenOrganisationseinheit liefert, womit ein Bedarf gedeckt wird, unabhängig davon, obdieser freiwillig oder auf Grund einer gesetzlichen Vorgabe entstanden ist, und wofürdiese Abnehmer im Prinzip einen Preis bezahlen müßten, ungeachtet dessen, ob diestatsächlich geschieht.131 Bei den Produkten werden externe (Abnehmer sind außer-halb des Dienstes bzw des Konzerns) und interne Produkte (Abnehmer sind inner-halb des Dienstes) unterschieden. Ihre Zahl darf nicht zu hoch, aber auch nicht zuniedrig sein. Ist sie zu niedrig, bietet das einzelne Produkt mit den dazugehörigenquantitativen und qualitativen Produktinformationen zu wenig Steuerungsinforma-tionen. Ist sie zu groß, führt das zu einem Übermaß an Einzelinformationen. Die Pro-duktbeschreibung muß darüber hinaus die direkte Zurechnung der bei der Erstellungdes Produkts entstehenden Kosten ebenso ermöglichen wie die Abgrenzung der Budget-verantwortung. Die Produkte werden weiters in Produktgruppen zusammengefaßt,wobei in Tilburg folgende Faustregel gilt: Je Dienst zwischen fünf und fünfzehn Pro-duktgruppen und je Produktgruppe zwischen sieben und zwölf Produkte. Das Lei-stungsspektrum der Stadt Tilburg umfaßt 28 Produktzentren mit 196 Produktbe-schreibungen. Prinzipiell ist eine Beschreibung von Produkten für alle kommunalenAufgabenfelder möglich. Relativ einfach ist es im betrieblichen Bereich (Abfall- undAbwasserbeseitigung) Produkte zu definieren. Produkte können aber auch in allenanderen Bereichen (Kultur, Schule, allgemeine Verwaltung, Soziales etc) definiertwerden. Jede Produktbeschreibung muß Angaben über die Zielgruppe und Infor-mationen (quantitative wie qualitative) über die zu erbringenden Leistungen (Soll-Output) und die tatsächlich erbrachten Leistungen (Ist-Output) enthalten. Die Pro-duktbeschreibung umfaßt neben deskriptiven auch normative Daten. Bei den nor-mativen Daten stehen Kennzahlen mit Vorgabecharakter (Richtzahlen) im Vorder-grund, mit denen versucht wird, ein Bild über die gewünschte Effizienz und Effek-tivität der Produkte zu vermitteln. Derartige Kennzahlen können durch einen (a)historischen Zeitvergleich innerhalb eines Produktzentrums, (b) Betriebsvergleichmit anderen Organisationseinheiten mit gleicher Aufgabenstellung, (c) Vergleich mitartgleichen Organisationen in der Wirtschaft, (d) Vergleich mit Branchennormen, (e)Vergleich mit subjektiven Kunden- und Zielgruppenwünschen, (f) Vergleich mit poli-tischen Normen ermittelt werden.132

(3) ProduktorganisationUm die Zurechenbarkeit des Ressourceneinsatzes (Kosten) zu den Produkten zuerleichtern und möglichst eindeutig abgrenzbare Bereiche der Budgetverantwortungauch innerhalb eines Dienstes zu schaffen, wurde eine produktorientierte Aufbau-organisation (Produktorganisation) gewählt. Die Budgetverantwortung innerhalbeines Dienstes ist hierarchisch aufgeteilt. Der Dienstdirektor ist für den gesamtenDienst, die Leiter der Produktzentren für ihr Produktzentrum und die Leiter von Pro-duktgruppen für ihren Bereich innerhalb eines Produktzentrums verantwortlich.

(4) ProduktkostenFür jedes Produkt und für jede Produktgruppe werden in einer Vorkalkulation (auchKostenpreiskalkulation genannt) der erwartete Umsatz (Leistungsmenge mal Preis)

64 Grundlagen des Controlling

131 Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung: (1992) S 69.132 Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung: (1992) S 72.

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und die zu erwartenden Produktionskosten und -ausgaben ermittelt. Bei der Kalku-lation werden auch die kalkulatorischen Abschreibungen und kalkulatorischen Zinsenberücksichtigt. Die direkten Kosten werden den Kostenträgern (Produkte) unmittel-bar zugerechnet. Die indirekten Kosten (Overhead) werden zuerst auf Vorkosten-stellen (Hilfskostenstellen) gesammelt und im Wege der Schlüsselung den einzelnenKostenträgern zugeordnet. Den Diensten ist es freigestellt, mit welchen Schlüsseln siedie indirekten Kosten auf die einzelnen Produkte umlegen. In den meisten Dienstenstellen die Personalkosten den größten Kostenposten dar. Um im Rahmen der Kosten-preiskalkulation die Personalkosten den Produkten möglichst verursachungsgerechtzuzurechnen, wurde ein Zeitverantwortungssystem eingeführt. Mit Hilfe von Zeit-aufschreibungen wird die direkte produktive Zeit (Anzahl der Arbeitsstunden, die fürdie Produktion eines bestimmten Produktes notwendig ist) ermittelt. Die direkte Pro-duktionszeit muß von der Leitung der Produktionszentren möglichst genau für jedesProdukt festgelegt werden. Sie bildet auch die Grundlage für den Soll-Ist-Vergleich.Dabei wird festgestellt, inwieweit die tatsächlich aufgewendete Zeit (Ist-Wert) von dergeplanten Zeit abweicht und worin die Ursachen liegen.

(5) ProduktbudgetBei der Produktbudgetierung geht es um die produktbezogene Ermittlung desFinanzmittelbedarfes und um die Zuweisung der Finanzmittel zu den Organisations-einheiten, die diese Produkte erstellen (Produktzentrum, Dienst). Die Aufstellung desKonzernhaushaltes und der Budgets für die einzelnen Dienste (Dienstpläne) erfolgtim Gegenstromverfahren (Top-Down durch den Konzern und Bottom-Up durch dieDienste). Innerhalb der einzelnen Dienste werden die Produktionspläne erstellt unddie zu erwartenden Produktionskosten je Produkt ermittelt. Auf dieser Basis ver-handeln die Dienstdirektoren (unterstützt durch die Dienstcontroller) innerhalb ihresDienstes die Budgetentwürfe für die Produktzentren. Die Ergebnisse dieser internenVerhandlungen bilden die Grundlage für den Dienstplanentwurf, der wiederum dieGrundlage für die Budgetverhandlungen zwischen Dienstdirektor und Konzernzen-trale darstellt. Im Zuge dieser Verhandlungen können die Dienste Vorgaben durchden Konzern erhalten, wie z. B. Sparmaßnahmen durch Kostenreduktion beim Inputund/oder beim Output (beispielsweise durch Verringerung der Produktqualität) oderAusweitung des Angebots durch neue politische Programme (etwa Erhöhung derQuantität eines Produkts über das bisherige Angebot hinaus oder Aufnahme einesneuen Produkts) mit den entsprechenden budgetent- oder -belastenden Auswirkungen.Diese ausgehandelten Produktbudgets ergeben aggregiert das Dienstbudget (Dienst-plan), das vom Rat beschlossen wird und den Dienstdirektor zu Ausgaben in Höheder Budgetbeträge je Produkt ermächtigt und verpflichtet. Alle im Dienstplan ent-haltenen Personal- und Sachausgaben sind gegenseitig deckungsfähig. Solange dieim Dienstplan veranschlagten Budgetmittel insgesamt nicht überschritten werden, istder Dienstdirektor bei der Verfügung im Rahmen der im Dienstplan ebenfalls fest-gelegten quantitativen und qualitativen Leistungsziele je Produkt frei. Nur beiwesentlichen Veränderungen des Produktbudgets und des Dienstbudgets insgesamtbraucht der Dienstdirektor die Genehmigung des Kollegiums bzw Rates. Nachfol-gender Auszug aus dem Konzernhaushalt der Stadt Tilburg 1992 – Teil 2: Produkte –zeigt den Aufbau und Inhalt eines Produktbudgets.133

Tilburger Modell 65

133 Blume, Michael: (1993a) S 159.

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Abbildung 29: Beispiel für ein Outputbudget im Tilburger Modell

66 Grundlagen des Controlling

Produktzentrum: BürgerangelegenheitenProduktgruppe: BürgerangelegenheitenBeigeordneter: BürgermeisterProduktbeschreibung: Dienstleistungen für Bürger oder diese direkt unterstützende AktivitätenZielgruppe: Frühere, heutige und zukünftige Einwohner der Stadt Tilburg

LEISTUNGENErgebnis

1990Haushalt 1991

Haushalt1992

QUANTITÄT- Anzahl der Umzüge 28.419 30.000 30.000- Anzahl der Reisedokumente 19.427 18.500 19.000- Anzahl der Führerscheine 18.161 13.600 1.800- Anzahl der Registerauszüge 22.291 21.500 22.000Anteile der Reisedokumente: 100 % 100 % 100 %- Pässe 82 % 80 % 80 %- Touristenkarten 18 % 20 % 20 %QUALITÄTBearbeitungsdauer:- Umzüge 1,00 Min.- Reisedokumente 1,30 Min.- Registerauszüge 2,45 Min.- Führerscheine 2,45 Min.Wartezeit:- Umzüge 10 - 15 Min.- Reisedokumente 10 - 15 Min.- Registerauszüge 5 Min.- Führerscheine 10 - 15 Min.Betriebskosten und Kennzahlen:- Gesamtkosten 1.920 1.979 2.040- Gesamtdeckung 1.229 1.096 1.032- Saldo 691 880 1.008- % Dienstoverhead 17 18 15- % Kostendeckung 64 55 51- % direkte Kapitalkosten 3 3 3GRUNDDATEN- Einwohner zum 1. Jänner 156.416 156.900 160.100- Zunahme der Einwohnerzahl 2.425 1.259 500- Registerauszüge pro 1.000 Einwohner 142 137 138- Führerscheine pro 1.000 Einwohner > 18. Jahre 147 109 15- Stellenplan Bürgerangelegenheiten 33,3 33,8 33,8- Entsprechend VNG-Norm (1 pro 4.500 Einwohner) 34,8 34,9 35,6

Erläuterung zur Politik:Das Hauptaugenmerk in diesem Politikbereich gilt 1992 der Vorbereitung auf das Inkrafttreten des neuen Einwoh-nermeldegesetzes und der weiteren Verbesserung der Dienstleistungsqualität. Ab dem 1. Oktober 1986 beträgt dieGeltungsdauer der Führerscheine nicht mehr 5, sondern 10 Jahre. Dies bedeutet, daß ab dem 1. Oktober 1991 fürdie Dauer von 5 Jahren nur noch neue Führerscheine ausgegeben und alte nur noch unter bestimmten Umständenersetzt werden. Die Anzahl der Verlängerungen betrug in der Vergangenheit stets ca. 90 % Prozent der insgesamtbearbeiteten Führerscheine.

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7.3.4 Steuerungsinstrumente

Mit Hilfe der in der Abbildung 30 angeführten Steuerungsinstrumente134 wird das politischeund administrative Führungssystem zu fünf Zeitpunkten im Jahr mit aktuellen Führungs-informationen versorgt, um bei Abweichungen von der geplanten Entwicklung ein recht-zeitiges und flexibles Gegensteuern zu ermöglichen. Die Berichterstattung über die Umset-zung der Vereinbarungen (Soll) und die Abweichungen (Ist) erfolgt so zeitnah, daß sie genü-gend Raum für eine ex-post Kontrolle anstelle der früher üblichen ex-ante Kontrolle durchdie vorherige Genehmigung von Ausgaben besitzt.

Abbildung 30: Steuerungsinstrumente

(1) Politisches ArbeitsprogrammZu Beginn der vierjährigen Legislaturperiode wird vom Rat und den gewählten Bei-geordneten ein politisches Arbeitsprogramm (= Grundsatzprogramm, Regierungs-erklärung) vereinbart, das die Richtlinien (Schwerpunkte) für die Kommunalpolitik(Ziele und Vorhaben) festlegt. Das Besondere besteht darin, daß dieses politischeArbeitsprogramm unter Beachtung der finanziellen Rahmenbedingungen vollzugs-verbindlich aufgestellt wird. Es bildet den äußeren Rahmen für die Kommunalpoli-tik, die Tätigkeit der Verwaltungsspitze und die Tätigkeit der einzelnen Fachberei-

Politisches Arbeitsprogramm

Perspektivnote (1 Mal pro Jahr)

Konzernhaushalt (1 Mal pro Jahr)

Dienstpläne (1 Mal pro Jahr)

Berichtswesen (3 Mal pro Jahr)

Einzelaufträge der Verwaltungsführung (je nach Bedarf)

Präventive Betriebsdurchleuchtung (1 Mal pro 4 Jahre)

Investitions-, Finanzierungs- und Liquiditätsplanung(permanent)

Finanzwirtschaftliche Konzerndatenbank (permanent)

STEUERUNGSINSTRUMENTE IM TILBURGER MODELL

Tilburger Modell 67

134 Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung: (1992) S 80 ff; Krähmer, Rolf:(1992) S 32 ff; Reichard, Christoph: (1992) S 9 ff.

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che (Dienste). Dieses politische Mehrjahresprogramm versucht dabei die zukünftigenVorhaben für die Verwaltungstätigkeit möglichst konkret (Prioritäten, Realisie-rungszeitpunkt, Ressourceneinsatz etc) zum Ausdruck zu bringen.

(2) PerspektivnoteDer Steuerungsdienst hat jährlich noch vor der Budgetaufstellung eine Jahrespro-jektion zu erstellen, die das politische Arbeitsprogramm für das kommende Haus-haltsjahr und die weiteren Folgejahre präzisiert. Sie wird vom Gemeinderat behan-delt und ist für die Verwaltungsspitze ein bindender Grundlagenbeschluß. Basierendauf den im politischen Arbeitsprogramm beschriebenen Rahmenbedingungen wirdvom Kollegium ein Vorschlag für die Budgetaufstellung und die finanziellen Rah-mendaten für die einzelnen Dienste, Abteilungen und Aufgabenfelder bzw Pro-duktgruppen und Produkte der Verwaltung erarbeitet. Schon im März eines Jahreswerden Top-Down die wesentlichen Eckpunkte für den Haushalt des Folgejahresbeschlossen. Bei der Aufstellung des Konzernhaushaltes und der Dienstpläne (Fach-bereichshaushalte) haben sich die Verwaltungsspitze und das Kollegium an die Vor-gaben der Jahresperspektive zu halten.

(3) KonzernhaushaltDer aus drei Teilen bestehende Konzernhaushalt stellt das wichtigste Steuerungs-instrument des Gemeinderates gegenüber der Verwaltung dar. Jährlich im Sommerwird der Entwurf zum Konzernhaushalt den Gemeinderäten vorgelegt.(a) Teil 1: Leitlinien

In seiner Funktion entspricht er im wesentlichen einem ausführlichen und nachspeziellen Richtlinien aufgebauten Vorbericht zum eigentlichen Zahlenwerk. Indiesem allgemeinen Teil des Haushaltsplanes werden die Inhalte der Jahrespro-jektion wieder aufgenommen und die Leitlinien der städtischen Planung erläutert.

(b) Teil 2: ProdukteDieser Teil des Konzernhaushaltes wird für jeden Fachbereich und den Steue-rungsdienst gesondert dargestellt. Durch die Produktorientierung des Konzern-haushaltes kommt der Wechsel von der Input-Steuerung zur Output-Steuerungpro Organisationseinheit am deutlichsten zum Ausdruck. Die Fachbereichs-haushalte sind weiter untergliedert nach sogenannten Produktgruppen (Pro-duktzentren), die in etwa dem Aufgabenbereich einer Abteilung entsprechen. Diekleinste Gliederungseinheit ist das einzelne Produkt, für das jeweils ein eigenesHaushaltskapitel aufgestellt wird. Die Haushaltsgliederung orientiert sich nichtan der Funktionseinteilung, sondern verwirklicht das Ressortprinzip, indem esder organisatorischen Gliederung der Stadtverwaltung folgt.

(c) Teil 3Der in Teil 2 für jedes einzelne Verwaltungsprodukt aufgebaute Konzernhaushaltwird vom Gemeinderat beraten. Nach der Beschlußfassung des Gemeinderatesüber die Inhalte des Konzernhaushaltes Teil 2 wird Teil 3 im Oktober erstellt. Erenthält die durch den Rat angenommenen Anträge der Ratsfraktionen zum Haus-haltsentwurf und eine aktualisierte Übersicht über die Produktbudgets. Die Output-bzw Produktbudgets sind damit für das Kollegium und die Verwaltung verbindlich.Von ihnen kann nur mit Zustimmung des Gemeinderates abgewichen werden.

(4) DienstpläneDie Dienstpläne werden zwischen Kollegium und Dienstleitung auf der Basis derFestsetzungen des Konzernhaushaltes ausgehandelt und durch Beschluß des Kolle-

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giums in Kraft gesetzt. Als Managementvereinbarung stellen sie den eigentlichen„Kontrakt“ im Tilburger Modell des Kontraktmanagements dar. Die Gesamtsummenmüssen natürlich den Gesamtsummen des Konzernhaushaltes für die einzelnen Pro-dukte, Produktgruppen und Produktzentren entsprechen. Auch die Dienstpläne wei-sen eine einheitliche Gliederung auf, die mit der Standardeinteilung der Haushalts-planung und der Berichterstattung übereinstimmt.

(5) BerichtswesenDas Berichtswesen umfaßt zwei Ebenen, einerseits die Ebene des Konzerns (strate-gische Ebene) und andererseits die Ebene der einzelnen Dienste (operative Ebene).Mit dem Konzernbericht (strategische Ebene) legt das Kollegium gegenüber dem Ratin gleicher Weise Rechenschaft über den Vollzug der politischen und haushalts-bezogenen Beschlüsse während des Jahres ab, wie die einzelnen Dienste gegenüberdem Kollegium mit dem Dienstbericht. Beide Berichte werden dreimal jährlicherstellt. Das gesamte Berichtswesen konzentriert sich einerseits auf die Ermittlungvon Abweichungen gegenüber den Planungen und andererseits auf das Aufzeigenvon Entwicklungen (Risken) und Korrekturmaßnahmen für das politische Führungs-system. Am Jahresende erstellen die einzelnen Dienste und die Gesamtverwaltungals Konzern einen Jahresbericht.

(6) Einzelauftrag der VerwaltungsführungDer Gemeinderat trifft Grundsatzbeschlüsse, die von der Verwaltungsspitze und vonden Fachbereichen eigenständig durchgeführt werden. Politik kann aber nicht inallen Teilen jährlich oder gar mehrjährig geplant werden. Durch die relativ hohe Fre-quenz der Berichterstattung (dreimal jährlich) hat das Kollegium in den allermeistenFällen rechtzeitig die Möglichkeit zum Gegensteuern. In besonderen Fällen gibt esdie Möglichkeit von ad-hoc-Aufträgen des Kollegiums, die aber nur sehr seltenerteilt werden.

(7) Präventive BetriebsdurchleuchtungAlle Dienste sollen in den nächsten Jahren regelmäßig von externen Beratungsfirmenin etwa vierjährigem Abstand hinsichtlich der Wirksamkeit, Qualität und Wirt-schaftlichkeit ihrer Tätigkeit untersucht werden. Den Ausgangspunkt bildet die fol-gende Frage: „Bekommt der Bürger den Gegenwert für sein Geld“?

(8) Investitions-, Finanzierungs- und LiquiditätsplanungDie Planung der Investitionen, der Finanzierung städtischer Leistungen sowie derLiquidität der Dienste und des Konzerns erfolgt laufend in Form einer rollierendenPlanung. Sie ist Teil des Berichtswesens, wird jedoch in zusätzlichen Grundsatz-papieren, etwa zum Kreditmanagement oder zur Abschreibungspolitik, festgelegt.

(9) Finanzwirtschaftliche Konzerndatenbank (Finanzinformationssystem)Für die finanzielle Steuerung wurde ein Datenmodell für den Konzernhaushalt ent-wickelt, das alle finanzwirtschaftlich relevanten Informationen (Ausgaben, Einnah-men, Kostenarten, Produktkosten etc) enthält und benutzerorientiert zur Verfügungstellt.

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7.3.5 Personalwirtschaft

Eine leistungsorientierte und leistungsfähige Kommunalverwaltung erfordert auch einUmdenken in der Personalpolitik und in der Personalwirtschaft. In Tilburg werden eine ganzeReihe von personalwirtschaftlichen Instrumenten zu einem Gesamtkonzept des Human-Ressource-Management zusammengefaßt. Besonders erwähnenswert sind folgende Punkte:

(1) EntlohnungspolitikIn Tilburg ist ein leistungsbezogenes Entlohnungssystem vorgesehen, das von Stel-lenbewertungen ausgeht und die individuelle Leistung in Form einer Zulage berück-sichtigt. Für 1991 waren 0,22 Prozent der Lohnsumme für Zulagen vorgesehen. Vor-aussetzung für die Vergabe von Zulagen sind Leistungsbeurteilungen und Mit-arbeitergespräche.135

(2) LeistungsbeurteilungDas Kontraktmanagement findet auch auf individueller Ebene seine Fortsetzung. ImRahmen von Mitarbeitergesprächen werden unter Beachtung der Rahmenbedin-gungen Leistungsziele vereinbart und die erbrachten Leistungen evaluiert.

(3) FortbildungWährend Unternehmen bis zu drei Prozent und mehr ihrer Lohnsumme in Fortbil-dungsmaßnahmen investieren, geben die meisten Gebietskörperschaften ca. 0,1 Pro-zent und weniger dafür aus.136 Die Fortbildung der Bediensteten ist Aufgabe derDienste, die jährlich Fortbildungspläne erstellen und ein bis drei Prozent der Lohn-summe für diesen Zweck widmen.137

7.3.6 Controlling

Das Controlling stellt einen weiteren wichtigen Baustein im Tilburger Modell dar. Auf deroperativen Ebene verfügt jeder Dienst über eine kleine Controlling-Einheit, der der stell-vertretende Dienstdirektor als Dienstcontroller vorsteht. Auf Konzernebene nimmt der stell-vertretende Direktor des Steuerungsdienstes als Konzerncontroller die Controlling-Funk-tionen wahr. Generell gesehen kommt den Controllern in der Stadt Tilburg die Aufgabe zu,das politisch-administrative Führungssystem bei der Steuerung der Effektivität, der Effi-zienz und des Finanzmittelbedarfes methodisch und informationsmäßig zu unterstützen.

(1) Aufgaben des operativen DienstcontrollingZu den Aufgaben des operativen Dienstcontrolling zählen die Organisation des Rech-nungswesens, die interne und externe Informationsversorgung (Berichterstattung),die technikunterstützte Informationsverarbeitung, die Haushaltsplanung (Budgetie-rung), die Mittelbewirtschaftung, die Vor- und Nachkalkulation der Leistungen, dieEntwicklung von Standards für Kosten und Leistungen (Kennzahlen), die interneKontrolle, die Durchführung von Abweichungsanalysen und das Vorschlagen vonKorrekturmaßnahmen.138

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135 Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung: (1992) S 121.136 Blume, Michael: (1993b) S 5.137 Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung: (1992) S 122.138 Blume, Michael: (1993a) S 151 f.

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(2) Aufgaben des KonzerncontrollingUnter Vorsitz des Konzerncontrollers finden regelmäßig Besprechungen (Controller-Konferenzen) mit den Dienstcontrollern statt, deren Hauptzweck darin liegt, dasSteuerungsinstrumentarium zwischen Konzernzentrale und den operativen Einhei-ten abzustimmen und weiterzuentwickeln. Darüber hinaus kommt dem Konzern-controlling vor allem die Steuerung der Konzernfinanzen und die Durchführung stra-tegischer Planungen (Entwicklungsplanungen) zu.

(3) Controlling in der Führungsstruktur des Tilburger ModellsWie die Abbildung 31139 zeigt, spielt sich im Tilburger Modell der Steuerungsprozeßin mehreren verzahnten Managementkreisläufen ab. Die Konzernspitze handelt mitden Diensten Leistungsverträge bzw Kontrakte aus, in denen die zu erstellenden Pro-dukte und Leistungen und der dafür notwendige Ressourceneinsatz spezifiziert sind.Die Leitung der Dienste setzt diese Kontrakte in konkrete Ziele und Programme umund weist den ausführenden Stellen (Abteilungen) die dafür notwendigen Ressour-cen zu. Die ausführenden Stellen berichten regelmäßig an den Dienstdirektor, der dieBerichte auswertet und gegebenenfalls Korrekturmaßnahmen ergreift. Die Diensteberichten ihrerseits wieder an den zentralen Steuerungsdienst, der die Berichte sam-melt, auswertet und wesentliche Ergebnisse, Abweichungen und Strategievorschlägean das politische Führungssystem (Rat und Kollegium) weiterleitet. Die Aufgabe desControlling auf der Konzernebene besteht in der Koordination der Management-prozesse auf der Ebene der Dienste. In den Diensten wird diese Aufgabe vom Dienst-controlling durchgeführt.

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139 In Anlehnung an: Reichard, Christoph: (1992) S 17.

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Abbildung 31: Controlling in der Führungsstruktur des Tilburger Modells

7.4 Beurteilung des Tilburger ModellsDas Tilburger Modell repräsentiert zum gegenwärtigen Zeitpunkt im deutschen Sprachraumdas Musterbeispiel für ein modernes kommunales Management und die Fallstudie der Kom-munalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung dokumentiert diesen Trans-formationsprozeß einer Kommune von einer Behörde hin zu einem modernen Dienstlei-stungsunternehmen in umfassender Weise.

(1) Beitrag zur Bewältigung der FinanzkriseMißt man das Tilburger Modell an seinem Beitrag zur Bewältigung der finanziellenKrise, so muß festgestellt werden, daß diese vorwiegend durch Privatisierungen vonDienstleistungen (Schlachthof, Rechenzentrum, Vergnügungspark, Wohnbaugesell-schaft, Energiebetriebe) und den damit einhergehenden Stellenabbau (von 3.000 vorder Reform auf ca. 1.500 nach der Reform) erreicht wurde.140 Einen wesentlichenBeitrag zur Personalreduktion leistete auch die natürliche Fluktuation, eine groß-

KOLLEGIUM

ZENTRALER STEUERUNGSDIENST(mit Konzerncontrolling)

Berichte und Auswertungen

Strategievorschläge und Koordinationsempfehlungen

Berichte und Auswertungen

Strategievorschläge und Koordinationsempfehlungen

DIENSTE

AUSFÜHRENDE EINHEITEN

(Dienstcontrolling)

DEZENTRALER STEUERUNGSDIENST

Berichte über Kosten, Leistungen, Budgets, Kennzahlen,

Abweichungen etc.

Berichte und Analysen

Berichte und Analysen

RAT

Steuerung durch Zielvorgaben, Programme,

definierte Produkte, Ressourcenzuteilung

Kontrakte

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140 Blume, Michael: (1993a) S 157; Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung:(1992) S 38.

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zügige Vorruhestandsregelung (schrittweise Senkung des Pensionsalters auf 59,5Jahre), auf individuelle Bedürfnisse zugeschnittene Abfindungen (z. B. zur Finan-zierung des Studiums der Kinder) und Outplacement mit Hilfe von privaten Perso-nalberatungsbüros, das auf Kosten der Stadt den betroffenen Bediensteten neueArbeitsplätze außerhalb der Verwaltung beschaffte.141 Von seiten der Stadt wirdbetont, daß auf Grund der Reorganisation keine Entlassungen stattgefunden haben.Gegenwärtig hat Tilburg die Finanzkrise gemeistert und weist im Verwaltungs-haushalt Überschüsse aus. Die absehbaren erneuten Haushaltskonsolidierungs-zwänge können künftig leichter präventiv bewältigt werden, da die Auswirkungenvon Ressourcenkürzungen auf den Umfang und die Qualität der Leistungen leichterabgeschätzt und schneller entsprechende Maßnahmen ergriffen werden können.

(2) Erhöhung der Effektivität und Effizienz des VerwaltungshandelnsDie verstärkte Kundenorientierung hat dazu geführt, daß sich die Dienstleistungs-qualität nach Ansicht der befragten Bürger in den letzten Jahren erhöht hat. Darüberhinaus haben die Bediensteten auch mehr Kostenbewußtsein entwickelt. Die weitereVerbesserung der Effektivität und Effizienz ist die Herausforderung der nächstenJahre.

(3) Übertragbarkeit auf andere GebietskörperschaftenDie Verwaltungsreform in der Stadtverwaltung Tilburg steht stellvertretend für dievielen neuen Wege142, die auf der Suche nach einer leistungsfähigeren Verwaltungbeschritten werden. Insbesondere in den deutschen Kommunalverwaltungen hat dasTilburger Modell Vorbildwirkung.143 Inwieweit diese Konzepte und Modelle auf dieRahmenbedingungen (Verfassungsrecht, Haushaltsrecht, Dienstrecht, Finanzaus-gleich etc) der österreichischen Gebietskörperschaften (Bundesverwaltung, Lan-desverwaltungen und Kommunalverwaltungen) übertragen werden können, ist fraglich und bedarf einer fundierten Analyse. Betriebswirtschaftliche Argumentesprechen nicht dagegen. Diese Beispiele sollten aber Anlaß geben, die Situation derVerwaltung in Österreich zu überdenken und Mut für Reformen zu machen.

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141 Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung: (1992) S 38 f.142 Banner, Gerhard: (1994).143 Janning, Herman u. a.: (1994); Reichard, Christoph: (1994) S 67 ff; Richter, Reinhart: (1994).

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