19/03/2014 spiegel online

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2.5.2014 Druckversion - Inspiration für Berufswahl: Mit sieben Fragen zum Traumjob - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - KarriereSPIEGEL http://www.spiegel.de/karriere/ausland/start-up-whatchado-will-mit-erfahrungsvideos-bei-berufswahl-helfen-a-958320-druck.html 1/2 19. März 2014, 09:49 Uhr Inspiration für Berufswahl Mit sieben Fragen zum Traumjob Von Sebastian Höhn Maurer oder doch lieber IT-Manager? Die Berufswahl fiel Ali Mahlodji schwer. Damals wünschte er sich ein Handbuch mit Erfahrungsberichten. Heute lässt er Menschen in Videos von ihrem Beruf erzählen - und bekommt dafür Geld von den Arbeitgebern. Heinz Fischer weiß genau, warum er österreichischer Bundespräsident geworden ist: "Das Coolste an meinem Job ist, dass ich mir jeden Tag sagen kann: Was ich mach, ist eigentlich für das ganze Land wichtig." Mit mehr als 70.000 Klicks zählt das Video zu den beliebtesten auf der Internetplattform whatchado.com. Whatchado ist amerikanischer Slang und eigentlich eine Frage: What do you do? Was machst du? Sie steht für die Idee eines Start-ups, das derzeit in Österreich gefeiert wird: Whatchado sammelt Lebensläufe in Videoform. Ob Bäckerlehrling, Rechtsanwalt, Nachhilfelehrer oder hochrangiger Politiker - jeder antwortet auf dieselben sieben Fragen nach Job und Werdegang. Mirela Pejic, die junge Straßenbahnfahrerin, erscheint auf Augenhöhe mit Heinz Fischer, dem Bundespräsidenten. Eine Art Handbuch der Lebensgeschichten. Gründer und Geschäftsführer ist Ali Mahlodji. Er und seine 32 Mitarbeiter haben ein Büro im 4. Wiener Bezirk. Das Team wird stetig größer, denn mit Whatchado lässt sich mittlerweile Geld verdienen. Große Konzerne wie Microsoft, McDonald's, SAP und Nestlé zählen schon zu den Kunden. Sie präsentieren sich als Arbeitgeber - über die Lebensläufe der interviewten Mitarbeiter. Imagefilme gebe es auf der Plattform prinzipiell nicht, sagt Mahlodji. Es gehe immer um den Menschen. Die Firmen zahlen pro Jahr einen bis zu vierstelligen Betrag für die Mitarbeitervideos. Etwa 25 deutsche Unternehmen sind schon dabei, wie die Deutsche Bahn, Aldi Süd, die Techniker Krankenkasse und die Stadt München. Mahlodjis Ziel: "Wir wollen in diesem Jahr nach Deutschland expandieren." Was haben Microsoft oder Aldi mit einem Heilmasseur zu tun, der sich ebenfalls unter den mehr als 1500 Videos findet? Um das Konzept zu verstehen, muss man Ali Mahlodji ein wenig erzählen lassen. Der 32-Jährige, Flüchtlingskind iranischer Abstammung, sagt, dass alles in der Schule angefangen habe, mit der Frage des Lehrers, wo es beruflich mal hingehen solle: "Ich hatte keine Ahnung, mir fehlte die Übersicht." Schon damals, mit 14 Jahren, habe er sich ein Handbuch gewünscht, in dem jeder Erwachsene seinen Lebensweg beschreibt. Die Schule schmiss Mahlodji kurz vor dem Abitur, er machte eine Maurerlehre, sattelte später auf IT-Management um. Mit 26 Jahren wusste er immer noch nicht, welcher Job für ihn der richtige ist. Mit Freunden, denen es ähnlich ging, griff er seine alte Schulidee auf und rief Whatchado ins Leben. "Plötzlich hatten wir ein Businessmodell" Zunächst war es ein Freizeitprojekt, das sich den Lebensgeschichten von Menschen widmete. Im Juli 2011 gingen die ersten 17 Videos online. "Wir wussten damals gar nicht, wie man damit Geld verdienen könnte", sagt Mahlodji. Dann gab es einen Beitrag in den ORF-Nachrichten. "Schon am nächsten Tag haben sich mehrere Firmen bei uns gemeldet, die mit ihren Mitarbeitern auch dabei sein wollten", sagt er. "Wir hatten plötzlich ein Businessmodell." Im vergangenen Jahr schrieb das Unternehmen eine schwarze Null, für das laufende Geschäftsjahr erwartet Mahlodji einen kleinen Gewinn. Mahlodji sagt, er wolle vor allem jungen Leuten helfen, die berufliche Orientierung suchen. Die Lebensläufe anderer Menschen sollen ihnen Möglichkeiten aufzeigen. Dabei hilft auf der Plattform, die für die Nutzer kostenlos ist, eine Funktion, die sich Job-Dating nennt. Der Nutzer beantwortet Fragen nach seinen beruflichen Vorstellungen und bekommt Videos von Menschen angezeigt, die ähnlich ticken. Auch zukünftig, betont der Firmengründer, würden Leute interviewt, die dafür nicht bezahlen müssen - Gärtner, Taxifahrer oder NGO-Mitarbeiter. Prinzipiell kann jeder mitmachen. "Für jedes bezahlte Video erstellen wir ein unbezahltes. Das ist unser Kern."

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2.5.2014 Druckversion - Inspiration für Berufswahl: Mit sieben Fragen zum Traumjob - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - KarriereSPIEGEL

http://www.spiegel.de/karriere/ausland/start-up-whatchado-will-mit-erfahrungsvideos-bei-berufswahl-helfen-a-958320-druck.html 1/2

19. März 2014, 09:49 Uhr

Inspiration für Berufswahl

Mit sieben Fragen zum Traumjob

Von Sebastian Höhn

Maurer oder doch lieber IT-Manager? Die Berufswahl fiel Ali Mahlodji schwer. Damalswünschte er sich ein Handbuch mit Erfahrungsberichten. Heute lässt er Menschen in Videosvon ihrem Beruf erzählen - und bekommt dafür Geld von den Arbeitgebern.

Heinz Fischer weiß genau, warum er österreichischer Bundespräsident geworden ist: "DasCoolste an meinem Job ist, dass ich mir jeden Tag sagen kann: Was ich mach, ist eigentlich fürdas ganze Land wichtig." Mit mehr als 70.000 Klicks zählt das Video zu den beliebtesten auf derInternetplattform whatchado.com.

Whatchado ist amerikanischer Slang und eigentlich eine Frage: What do you do? Was machst du?Sie steht für die Idee eines Start-ups, das derzeit in Österreich gefeiert wird: Whatchado sammeltLebensläufe in Videoform. Ob Bäckerlehrling, Rechtsanwalt, Nachhilfelehrer oder hochrangigerPolitiker - jeder antwortet auf dieselben sieben Fragen nach Job und Werdegang. Mirela Pejic, diejunge Straßenbahnfahrerin, erscheint auf Augenhöhe mit Heinz Fischer, dem Bundespräsidenten.Eine Art Handbuch der Lebensgeschichten.

Gründer und Geschäftsführer ist Ali Mahlodji. Er und seine 32 Mitarbeiter haben ein Büro im 4.Wiener Bezirk. Das Team wird stetig größer, denn mit Whatchado lässt sich mittlerweile Geldverdienen. Große Konzerne wie Microsoft, McDonald's, SAP und Nestlé zählen schon zu denKunden. Sie präsentieren sich als Arbeitgeber - über die Lebensläufe der interviewten Mitarbeiter.

Imagefilme gebe es auf der Plattform prinzipiell nicht, sagt Mahlodji. Es gehe immer um denMenschen. Die Firmen zahlen pro Jahr einen bis zu vierstelligen Betrag für die Mitarbeitervideos.Etwa 25 deutsche Unternehmen sind schon dabei, wie die Deutsche Bahn, Aldi Süd, die TechnikerKrankenkasse und die Stadt München. Mahlodjis Ziel: "Wir wollen in diesem Jahr nachDeutschland expandieren."

Was haben Microsoft oder Aldi mit einem Heilmasseur zu tun, der sich ebenfalls unter den mehrals 1500 Videos findet? Um das Konzept zu verstehen, muss man Ali Mahlodji ein wenig erzählenlassen. Der 32-Jährige, Flüchtlingskind iranischer Abstammung, sagt, dass alles in der Schuleangefangen habe, mit der Frage des Lehrers, wo es beruflich mal hingehen solle: "Ich hatte keineAhnung, mir fehlte die Übersicht." Schon damals, mit 14 Jahren, habe er sich ein Handbuchgewünscht, in dem jeder Erwachsene seinen Lebensweg beschreibt.

Die Schule schmiss Mahlodji kurz vor dem Abitur, er machte eine Maurerlehre, sattelte später aufIT-Management um. Mit 26 Jahren wusste er immer noch nicht, welcher Job für ihn der richtige ist.Mit Freunden, denen es ähnlich ging, griff er seine alte Schulidee auf und rief Whatchado insLeben.

"Plötzlich hatten wir ein Businessmodell"

Zunächst war es ein Freizeitprojekt, das sich den Lebensgeschichten von Menschen widmete. ImJuli 2011 gingen die ersten 17 Videos online. "Wir wussten damals gar nicht, wie man damit Geldverdienen könnte", sagt Mahlodji. Dann gab es einen Beitrag in den ORF-Nachrichten. "Schon amnächsten Tag haben sich mehrere Firmen bei uns gemeldet, die mit ihren Mitarbeitern auch dabeisein wollten", sagt er. "Wir hatten plötzlich ein Businessmodell." Im vergangenen Jahr schrieb dasUnternehmen eine schwarze Null, für das laufende Geschäftsjahr erwartet Mahlodji einen kleinenGewinn.

Mahlodji sagt, er wolle vor allem jungen Leuten helfen, die berufliche Orientierung suchen. DieLebensläufe anderer Menschen sollen ihnen Möglichkeiten aufzeigen. Dabei hilft auf der Plattform,die für die Nutzer kostenlos ist, eine Funktion, die sich Job-Dating nennt. Der Nutzer beantwortetFragen nach seinen beruflichen Vorstellungen und bekommt Videos von Menschen angezeigt, dieähnlich ticken. Auch zukünftig, betont der Firmengründer, würden Leute interviewt, die dafür nichtbezahlen müssen - Gärtner, Taxifahrer oder NGO-Mitarbeiter. Prinzipiell kann jeder mitmachen."Für jedes bezahlte Video erstellen wir ein unbezahltes. Das ist unser Kern."

Page 2: 19/03/2014 SPIEGEL ONLINE

2.5.2014 Druckversion - Inspiration für Berufswahl: Mit sieben Fragen zum Traumjob - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - KarriereSPIEGEL

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Whatchado hat bereits viele Preise abgeräumt, 2013 etwa den UN World Summit Award und denDeutschen Preis für Onlinekommunikation. Die EU ernannte Ali Mahldodji zum Jugendbotschafterauf Lebenszeit. "Schon cool, als ehemaliger Schulabbrecher, oder?", sagt er. Und erst im Januargab es eine kräftige Finanzspritze. Knapp eine Million Euro erhielt Whatchado von dreiPrivatinvestoren, darunter Brigitte Ederer, Ex-Vorstandsfrau bei Siemens.

Alles scheint glatt zu laufen für das Wiener Start-up. Alles? Vor kurzem wurde es doch für einenMoment holprig - nicht ganz unvorhergesehen. Auf der Internetplattform erschien ein Video mitHeinz-Christian Strache, dem Chef der rechtspopulistischen FPÖ. Es gab heftige Kritik, unteranderem auf der Whatchado-Facebook-Seite. Ali Mahlodji, der gebürtige Iraner, sah sichgezwungen, Stellung zu beziehen. Hätte Whatchado den FPÖ-Mann ausgeschlossen, schreibt erauf seinem Blog, "würden wir gegen unsere eigenen Prinzipien der Gleichbehandlung arbeiten".

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