1990 – 2017 meilen steine ii - thomas oppermann...organizers einen konsumentenboykott in new york...

31
1 MEILEN STEINE II 1990 – 2017 www.thomasoppermann.de

Upload: others

Post on 24-Jan-2021

0 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

1

MEILENSTEINE II

1990 – 2017

www.thomasoppermann.de

Page 2: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

2 3

Meilensteine I ist im Mai 2010 erschienen. Einige Kapitel sind gekürzt übernommen worden.

Page 3: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

4 5

Göttingen, Mai 2017

MEILENSTEINE II

1990 – 2017

Fotos: Susie Knoll 1 Gerrit Sievert 3 Novum 14 picture alliance 18, 30 Klaus Staeck 21 XLAB Göttingen 22 Frank Beckenbach 25 Dieter Pietsch 28 Andreas Amann 41, 42 Marco Urban 46 Harry Haase 48 Stiftung Adam von Trott 51 Christoph Mischke 54

Page 4: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

6 7

Mein Weg in die Politik 8

Die erste Etappe: Landtag 1990 - 1998 14

Die zweite Etappe: Ministerium für Wissenschaft und Kultur 1998 - 2003 19

Die dritte Etappe: Bundestag 2005 - 2013 Erster Parlamentarischer Geschäftsführer 29

Die vierte Etappe: Bundestag seit 2013 Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion 37

Wahlkreis 49

Gesellschaftliches Engagement 58

Wahlergebnisse 59

Inhalt

Impressum

Thomas OppermannWahlkreisbüroNikolaistraße 3037073 Göttingen

Unter Mitarbeit von Nadia Affani, Jakob Berger, Gregor Motzer und Bettina Scherpenbach.

Page 5: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

8 9

Mein Weg in die Politik

Als ich im Sommer 1976 im zweiten Semester mit großer Begeisterung Literaturwissenschaften in Tübingen stu-dierte, fand ich eines Tages einen Brief von Aktion Süh-nezeichen Friedensdienste (ASF) in meinem Briefkasten. Ich war neugierig. Der Brief enthielt eine überraschende Nachricht: Ein USA-Freiwilliger war abgesprungen, ich erhielt die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch nach Berlin. Ich zögerte nicht lange und fuhr hin. Das Gespräch verlief positiv und die Vorfreude setzte ein. Ich ließ mich an der Universität beurlauben, hatte noch ein bisschen Zeit, mich von meinen Freunden und mei-ner Familie zu verabschieden und fuhr im Oktober nach

Bückeburg zu einem Vorbereitungssemi-nar. Die Stimmung dort war unver-gleichlich: Rund 20 junge Leute, zumeist Kriegsdienstverwei-gerer, bereiteten sich auf einen inter-

nationalen Friedensdienst in Polen, Israel, Norwegen, Niederlande, Frankreich und USA vor.

Nach drei Wochen brachen wir in unsere Gastländer auf, zusammen mit einer Hand voll Freiwilliger flog ich von

Brüssel nach New York. Mit einem klapprigen VW-Bus ging es dann nach Washington D.C., wo wir gemeinsam eine Woche zum Eingewöhnen und Verdauen des Kul-turschocks verbrachten. Dann ging es endlich in die Pro-jekte. Ich verbrachte zunächst einige Monate in einem sogenannten Neighbourhood Uniting Project (NUP) als community organizer. Im Frühjahr 1977 wechselte ich zu den United Farm Workers (UFW). Die UFW war eine junge Gewerkschaft, die unter Leitung von Cesar Chavez vorwiegend hispa-noamerikanische Landarbeiter in Kalifornien, später auch in Florida und an der Ostküste, zu organisieren versuchte. Die Landarbeiter wurden in den Plantagen der Agrarkonzerne hemmungslos ausgebeutet, hatten keine Krankenversicherung und waren zum Teil extrem gefährlichen Arbeitsbedingungen ausgesetzt. Kinder-arbeit war weit verbreitet. Spontane Streiks waren zu-meist erfolglos, weil die Plantagenbesitzer gewalttätig dagegen vorgingen und jederzeit in der Lage waren, ge-nügend Streikbrecher anzuheuern.

Als ich im März in New York ankam, traf ich dort in ei-nem von einer Kirche zur Verfügung gestellten Haus in Manhattan 20 junge amerikanische Freiwillige im Colle-gealter, die mit Hilfe eines Pastors und eines erfahrenen Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten.

Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden hemmungs-los ausgebeutet!

Page 6: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

10 11

Die großen US-weiten Boykottaktionen gegen Wein-trauben und Gallo Wine lagen zwar schon einige Jahre zurück, wir konnten gleichwohl mit unseren Aktivitäten in den Großstädten immer wieder erfolgreich Druck auf Agrarunternehmen ausüben. Nach wochenlangen pi-cket lines vor dem Quartier des Versicherungsunterneh-mens Connecticut Mutual Life Insurance, das an einer großen Zitrusplantage in Kalifornien beteiligt war, lenk-te das Unternehmen ein und schloss einen Tarifvertrag mit den Landarbeitern ab.

Die neuen Einflüsse blieben nicht ohne Folgen. Der Frie-densdienst hatte in mir einen neuen Berufswunsch ge-weckt: Obwohl ich immer noch gern las, wollte ich das Studium der Literaturwissenschaften nicht fortsetzen. Ich wollte mich stärker engagieren. Ich hatte gelernt,

dass sich soziale Gerechtigkeit nicht von selbst einstellt, sondern immer das Ergebnis politischer Einmischung ist.

Ich entschied mich nach reiflicher Überlegung für ein Studium der Rechtswissenschaften, nicht zuletzt auch deshalb, weil mich amerikanische Strafverteidiger wie Clarence Darrow oder Supreme-Court-Richter wie Justi-ce William O. Douglas als Vorbilder faszinierten.

Das anschließende Jurastudium in Göttingen verfehlte nicht seine Wirkung. Ich engagierte mich in der Hoch-schulpolitik und bei der Mieterberatung, wurde Verwal-tungsrichter und Landtagsabgeordneter und am Ende sogar Minister für Wissenschaft und Kultur in Nieder-sachsen. Ganz gewiss waren auch die auf meinen Frie-densdienst folgenden Lebensabschnitte spannend und fruchtbar. Nichts hat mich indessen so stark geprägt, wie der Dienst als Freiwilliger bei Aktion Sühnezeichen Friedensdienste.

1977 – Auf dem World Trade Center in New York.

Juli 2015 – Zu Besuch bei der Landarbeitergewerkschaft in Kalifornien.

Page 7: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

12 13

Das Erlebnis, dass praktische politische Arbeit die Ge-sellschaft positiv verändern kann, hatte mich zwar nicht davor geschützt, mich wie die meisten Studierenden in Deutschland jahrelang im Gestrüpp theoretischer und

ideologischer Debatten zu verheddern, wohl aber ge-holfen, dort beizeiten wieder herauszufinden und mich auf die praktisch wirksamen Dinge in unserer Gesell-schaft zu konzentrieren.

Seit 1980 wandert Thomas Oppermann jedes Jahr mit Freunden aus dem Studium.

Page 8: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

14 15

Die erste Etappe: Landtag 1990 – 1998

Am 13. Mai 1990, inmitten der Turbulenzen des Wende-jahres, zwischen dem Fall der Mauer und der Wieder-vereinigung, wurde ich in den Landtag gewählt. Die neue Mehrheit von SPD und Grünen löste nach 14 Jah-ren die Regierung Albrecht ab, das Parlament wählte am 21. Juni 1990 Gerhard Schröder zum Ministerpräsiden-ten. Es begann eine spannende Zeit. Besonders stark war der Aufbruch in der Umwelt- und Bildungspolitik zu spüren. Die Lernmittelfreiheit wurde eingeführt und

Links: 1988 – Auf dem SPD-Landesparteitag in Cuxhaven.

binnen weniger Jahre entstanden über 60.000 neue Kita-Plätze.

Als einer der jüngsten Abgeordneten erwischte ich ei-nen guten Start und kam auf Anhieb in den Fraktionsvor-stand. Als rechtspolitischer Sprecher (1990 bis 1998) und als wirtschaftspolitischer Sprecher (2003 bis 2005) ge-hörte ich in dieser Zeit entweder dem Fraktionsvorstand oder als Minister für Wissenschaft und Kultur (1998 bis 2003) dem Kabinett an. Während der 13-jährigen sozi-aldemokratischen Regierungsperiode – darunter neun Jahre SPD-Alleinregierung – ergaben sich für die Abge-ordneten enorme Gestaltungsmöglichkeiten.

Ich zögerte nicht und machte kräftig davon Gebrauch. Hier einige Beispiele:

Page 9: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

16 17

• NeueLandesverfassung:Als Mitglied der Sonder-kommission Neue Niedersächsische Verfassung habe ich geholfen, die neue Landesverfassung von 1993 vorzubereiten, mit der die vorläufige Nieder-sächsische Verfassung durch eine Vollverfassung mit Staatszielen und plebiszitären Elementen (Volks begehren und Volksentscheid) abgelöst wurde.

• DirektwahlderBürgermeister: In der Enquete-Kom-mission für die Reform des Kommunalverfassungs-rechts habe ich mit einem Minderheitenvotum für die Direktwahl der Bürgermeister einen wichtigen Anstoß für die spätere Kommunalreform gegeben. Darüber hinaus gehörte ich zu den Initiatoren für die inzwischen erfolgte Absenkung des aktiven Wahlalters bei Kommunalwahlen auf 16 Jahre.

• ModerneGefängnisse: Als für Kriminalpolitik zuständiger Abgeordneter habe ich 1996 feder-führend an der Weichenstellung für den Bau zweier Großgefängnisse in Sehnde und Rosdorf mitgewirkt. Inzwischen ist in Rosdorf eine der modernsten und sichersten Justizvollzugs - anstalten mit 318 Haft plätzen entstanden, die rund 170 Menschen Arbeit bietet.

• VerwaltungsgerichtinGöttingen: Als 1992 insgesamt 36 Asylrichterstellen neu geschaffen wurden, nutzten wir die Chance: Gestartet als Außenstelle des Verwaltungsgerichts Braun- schweig, entstand 1993 ein selbständiges Verwaltungsgericht in Göttingen. Im Gegenzug wurde das Landgericht Göttingen in den OLG- Bezirk Braunschweig eingegliedert.

links: 1989 – Vor der ersten Landtagswahl.

rechts: 1990 – Mit Gerhard Schröder auf Wahlkampf-tour in Göttingen.

Page 10: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

18 19

DiezweiteEtappe:Ministeriumfür Wissenschaft und Kultur 1998 - 2003

Im Herbst 1997 organisierte ich mit dem Göttinger Che-mie-Nobelpreisträger Prof. Manfred Eigen eine Veran-staltung zu der Frage: „Wie wird aus wissenschaftlicher Erkenntnis ökonomischer Erfolg?“ Das Thema Innovati-on hatte mich immer stärker interessiert, aber ich ahnte nicht, dass ich wenige Monate später der dafür zustän-dige Minister sein würde. Gerhard Schröder hatte den Wahlkampf im Frühjahr 1998 auch als Plebiszit geführt über die zur Bundestagswahl im selben Jahr anstehende Kanzlerkandidatur. Er verteidigte die absolute Mehrheit, nutzte die Gunst der Stunde und wechselte vier Minister aus. Ich bekam das Ressort für Wissenschaft und Kultur und zog als jüngster Minister in das Kabinett. Sigmar Ga-briel – noch jünger – wurde Fraktions vorsitzender, wäh-rend sich Frank-Walter Steinmeier als Chef der Staats-kanzlei bereits auf den Wechsel in das Kanzleramt nach Bonn vorbereitete. Ich realisierte in kürzester Zeit, dass

Thomas Oppermann erläutert vor der Landespressekonferenz die Grundzüge der Hochschulreform. Vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft wurde das neue Niedersächsische Hochschulgesetz (2002) als bestes Gesetz aller 16 Bundesländer ausgezeichnet. Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) würdigte Oppermann im April 2004 als „Reformer der Dekade“.

Page 11: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

20 21

das Ressort für Wissenschaft und Kultur ein Glücksgriff war. Am Ende des 20. Jahrhunderts waren die Konturen der neuen Wissensgesellschaft bereits erkennbar, die Strukturen der Hochschulen, Forschungseinrichtungen und des Innovationstransfers jedoch völlig veraltet und verkrustet. Der Reformdruck war groß. Es gab gute An-sätze, aber keine durchgreifende Gestaltung einer mo-dernen Hochschul- und Innovationspolitik. Ich reiste drei Wochen durch US-Forschungsuniversitäten, suchte den intensiven Austausch mit den Leistungsträgern in der Wissenschaft, hielt engen Kontakt mit Technologie-unternehmen und entwickelte Schritt für Schritt die Re-formen. Dazu zählte ein neues Hochschulgesetz, das die Hochschulen entbürokratisiert, die Fachaufsicht durch Zielvereinbarungen ersetzt und ein verantwortliches Hochschulmanagement vorsieht. Als erstes Bundesland schuf Niedersachsen die Möglichkeit, Hochschulen in Stiftungen des öffentlichen Rechts zu transformieren.

StiftungsuniversitätGöttingen

Als eine von fünf niedersächsischen Hochschulen ist die Georgia Augusta seit 2003 Stiftungsuniversität. In zähen Verhandlungen mit dem Finanzminister ist es ge-lungen, wertvolle Gebäude und Grundstücke sowie aus-reichende Entwicklungsflächen in das Stiftungseigen-tum zu überführen. Die Professoren werden nicht mehr vom Minister, sondern vom Präsidenten im Einverneh-

men mit dem Stiftungsrat berufen. Die Mitglieder des Stiftungsrates sind ohne Ausnahme herausragende Per-sönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Keine andere Universität in Deutschland besitzt soviel Autonomie und unternehmerische Freiheit wie Göttin-gen. Der Weg vom Staatsbetrieb zur Stiftung ist unum-kehrbar.

Max-Planck-InstitutfürDynamikundSelbstorganisation

Ende der 90er Jahre begann aufgrund veränderter For-schungsschwerpunkte ein langer und zäher Kampf um die Neuausrichtung des Instituts für Strömungsfor-schung. Eine Schließung durch die Max-Planck-Gesell-schaft stand unmittelbar bevor. Mit dem einzig ver-

Zu Besuch bei Nobelpreisträger Günter Grass in Lübeck.

Page 12: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

22 23

bliebenen Abteilungsdirektor Prof. Theo Geisel, dem Nobelpreisträger Prof. Erwin Neher und dem Neurobio-logen Prof. Reinhard Jahn sowie weiteren Max-Planck-Forschern habe ich mich für den Erhalt des Instituts eingesetzt. Mit der Berufung von Prof. Herminghaus aus Ulm und Prof. Bodenschatz aus den USA gelang es

uns am Ende, zwei international renommierte Forscher für das Institut für Strömungsforschung in Göttingen zu gewinnen. Nur dadurch konnte die Schließung abge-wendet und der Neustart eines inzwischen sehr erfolg-reichen Instituts für Dynamik und Selbstorganisation vollendet werden.Was jetzt in Göttingen noch fehlt, ist ein Fraunhofer-Institut. Diese Lücke soll bald geschlossen werden.

WohlstandfürGöttingen

Aber nicht nur Forschung, auch Studium und Lehre be-deuten Wohlstand. 1.000 zusätzliche Studierende be-deuten 14 Mio. Euro neue Kaufkraft und ca. 80 neue Ar-beitsplätze. Göttingen hat die Chance genutzt, wieder mehr Studierende zu gewinnen. Als Abgeordneter habe ich bei der Föderalismusreform erfolgreich dafür ge-kämpft, dass der Bund für die finanzielle Förderung von Studienplätzen zuständig bleibt. Als Fraktionsvorsit-zender habe ich bei der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen durchgesetzt, dass der Bund in Zukunft auch kommunale Bildungsinfrastruktur finanzieren darf.

Mit dem von mir in 2008 initiierten Stiftungsdinner, das bereits fünf Mal stattfand, ist inzwischen eine Spenden-summe von mehreren 100.000 Euro für das Stiftungs-vermögen der Universität und den wissenschaftlichen Nachwuchs zusammengekommen.

Nach einem Architektenwettbewerb legte Thomas Opper-mann mit Dr. Eva-Maria Neher am 2.9.2002 den Grundstein für das XLAB. Das Schülerlabor hat konstant ca. 12.000 Kursteilnehmer pro Jahr. Bei den Haushaltsverhandlungen des Bundes ist es Thomas Oppermann gelungen, dass 2 Mio. Euro für den Bau des Gästehauses zur Verfügung gestellt werden.

Page 13: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

24 25

Standort erstklassiger Wissenschaft

Um Göttingen als Standort erstklassiger Wissenschaft zu erhalten, habe ich mich für folgende Investitionen eingesetzt:

• GründungeinerneuenFachhochschulePhysik-,Mess- und Feinwerktechnik (heute Fakultät Natur-wissenschaften) Anfang der 1990er Jahre auf den Zietenterrassen, zuletzt Erweiterung (6,5 Mio. Euro) um den Bereich Präzisionsfertigungstechnik, maßgeschneidert für die Measurement-Valley- Unternehmen.

• BaudesXLABs:DasvonDr.Eva-MariaNehergegrün-dete Experimentallabor für naturwissenschaftlich interessierte Jugendliche ist mit ca. 14.000 Kursteil-nehmern pro Jahr das größte Schülerlabor Deutsch-lands.

• NeuesZentrumfürMolekularbiologie:DasnochvonMinisterpräsident Schröder initiierte, in meiner Mi-nisterzeit realisierte GZMB hat 30 Mio. Euro gekostet.

• NeuePhysik:MitdermodernstenPhysikinDeutsch-land haben die Göttinger Wissenschaftler perfekte Bedingungen für Forschung und Lehre, Kosten: 120 Mio. Euro.

• Neue„Alte“Universitätsbibliothek:Fürrund17Mio.Euro sind die Paulinerkirche mit historischem Bibliothekssaal, das gegenüberliegende Heyne-Haus

sowie der gesamte Komplex der alten SUB instand gesetzt worden.

• NeueInternationaleSchuleamFelix-Klein-Gymnasi-um (FKG): Um Göttingen für internationale Spitzen-wissenschaftler noch attraktiver zu machen, habe ich mit Erfolg eine Internationale Schule am FKG angeregt und geholfen, sie einzurichten.

• NeueInformatik:MitHilfevonHans-GeorgNäderund dem Unternehmen Sycor wurde über eine Stif-tungsprofessur die Informatik in Göttingen etabliert und ein entsprechender Studiengang eingerichtet.

Bei der Eröffnung des Sartorius Colleges 2001 mit der SPD-Landtagsabgeordneten Dr. Gabriele Andretta und der damaligen Göttinger Bundestagsabgeordneten Inge Wettig-Danielmeier.

Page 14: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

26 27

Erhalt der wirtschaftlichen Leistungskraft

Um die wirtschaftliche Leistungskraft unserer Region zu erhalten, habe ich für folgende Verkehrsinvestitionen erfolgreich gearbeitet:

• EinrichtungeinesHaltepunktsderRegionalbahn in Lenglern

• BauderWestumgehungundderB3nachBovenden• DerUmbaudesBahnhofsinGöttingendientnichtnur

der Sicherung des ICE-Haltepunktes. Entstanden ist auch ein modernes Dienstleistungszentrum und Be-grüßungsambiente für die „Stadt, die Wissen schafft“

• BauderNordumgehung(vonKasselerLandstraßezumRosdorfer Kreisel) sowie der Südostumgehung Rosdorf

• BauderOrtsumgehungBadLauterberg(B243n)miteinem Volumen von 60 Mio. Euro. Die damit realisierte Verbesserung der Verkehrsanbindung zur A38 und der A7 ist für die Wirtschaft und den Tourismus wichtig

• SechsstreifigerAusbauderA7zwischenGöttingen-Nord und Nörten-Hardenberg

• AufnahmederOrtsumgehungDuderstadt(B247)indie mittelfristige Planung des Bundes

• BauderOrtsumgehungWaake

Das Zentrum für Molekularbiologie wurde 2003 fertig gestellt.

Page 15: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

28 29

DiedritteEtappe:Bundestagseit2005| ErsterParlamentarischerGeschäftsführerderSPD-Bundestagsfraktionvon2007-2013

Im Jahr 2005, nach über 15 Jahren im Niedersächsischen Landtag, bot sich durch die vorgezogenen Neuwahlen die Möglichkeit, für den Bundestag zu kandidieren. Ich gewann auf Anhieb den Wahlkreis Göttingen direkt, doch die CDU konnte sich knapp vor die SPD schieben und Schröder verlor die Kanzlerschaft. Gleichzeitig war damit das Ende von Rot-Grün und der Beginn einer Gro-ßen Koalition in Berlin verbunden. In der Großen Koaliti-on war die SPD von Anfang an die treibende Kraft.

Wir haben nicht nur ta-rifliche Mindestlöhne nach dem Entsendege-setz allgemeinverbind-lich gemacht, sondern auch die Arbeitnehmer-

rechte und den Atomausstieg erfolgreich verteidigt. Vor allem aber hat die SPD mit Peer Steinbrück dafür gesorgt, dass der Staat schnell und entschieden auf die Bankenzusammenbrüche reagiert und mit dem größten Konjunkturprogramm (80 Mrd. Euro) wertvolle Arbeits-plätze in der Weltwirtschaftskrise geschützt hat. Leider ist es bisher nicht gelungen, die Spekulationen an den

Wir mussten schnell und entschieden auf die Bankenzusammenbrüche reagieren.

Hundertwasser-Bahnhof: Thomas Oppermann zu Besuch bei Peter Struck in Uelzen im Expojahr 2000.

Page 16: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

30 31

Pressestatement nach einer Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) zur NSA-Affäre im Kanzleramt. Als Vorsitzender dieses Gremiums kontrollierte und überwachte ich den Bundesnachrichten-dienst (BND), den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und das Bundesamt für Verfassungs-schutz. Die Bundesregierung ist dazu verpflichtet, das PKGr umfassend über die Tätigkeiten der Nachrichtendienste zu unterrichten.

Wahl zum Ersten PGF

Noch bevor der Ausschuss jedoch seine Untersuchung abschließen konnte, trat 2007 Franz Müntefering als Bundesarbeitsminister zurück, Olaf Scholz wurde neuer Arbeitsminister und Peter Struck schlug mich als neuen Parlamentarischen Geschäftsführer vor. Die SPD-Frak-tion wählte mich am 26. November 2007 mit großer Mehrheit. Seit dieser Zeit bin ich ständiger Gast im Präsidium und Parteivorstand der SPD und koordiniere die Politik zwischen Fraktion und Partei, zwischen Ministern und Abgeordneten sowie zwischen der Bundestagsfraktion und den sozialdemokratisch regierten Ländern.

Finanz- und Devisenmärkten mit einer Finanztransakti-onssteuer einzudämmen. Nur so wird es gehen: Wer die soziale Marktwirtschaft erhalten will, muss den aggres-siven Turbokapitalismus stoppen.

Im Frühjahr 2006 wählte mich die SPD-Fraktion zum Ob-mann im sogenannten BND-Untersuchungsausschuss. Es ging um die Frage, ob der Bundesnachrichtendienst die USA im Irak-Krieg unterstützte, trotz der Absage der rot-grünen Bundesregierung. Es ging um Geheimge-fängnisse der USA, die Fälle El Masri oder Murat Kurnaz und den Versuch, die historischen Erfolge der SPD zu re-lativieren. Aufgrund meiner Arbeit ist dies trotz großer Medienunterstützung am Ende nicht gelungen.

Page 17: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

32 33

geachtet, dass Freiheit und Sicherheit keine Gegensät-ze bilden. Freiheit setzt Sicherheit voraus. Sicherheit ist keine Ware, sondern ein öffentliches Gut, das der Staat gewährleisten muss.

Das desaströse Ergebnis der Bundestagswahlen im Sep-tember 2009 für die SPD (23% Stimmenanteil bundesweit) führte zu einem Regierungswechsel und die SPD in die Opposition. Trotz des schlechten Abschneidens im Bund gelang es mir, dank der Unterstützung vieler Menschen, mit 36,8% die meisten Erststimmen zu erzielen und den Wahlkreis erneut direkt zu gewinnen.

Nach der verlorenen Bundestagswahl hat mich die Frak-tion erneut zum Ersten Parlamentarischen Geschäfts-führer gewählt. Aus der Zeit auf der harten Oppositions-bank möchte ich zwei Ereignisse hervorheben, die mich als Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremi-ums besonders beschäftigt haben.

NSU-MordeinDeutschland

Nachrichtendienste können Emails und Telefonate auf der ganzen Welt ausspionieren. Aber von den mörderi-schen Aktivitäten dreier Neonazis aus Thüringen hatten

sie keinen blassen Schimmer. Das war ein deprimieren-der Befund im November 2011 im Parlamentarischen Kontrollgremium. Als dessen Vorsitzender habe ich mich dafür geschämt, dass unser Staat die Opfer nicht besser schützen konnte. Es war eine Kette von Fehlern, Fehl-einschätzungen und Nachlässigkeiten, die es den Terro-

Als Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums habe ich mich dafür geschämt, dass unser Staat nicht in der Lage war, die Opfer des NSU-Terrors besser zu beschützen.

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer hat folgende Zuständigkeiten:• GrundsatzfragenderGeschäftsführung• Parlamentsdienst• Fraktionsgremien• Bund-Länder-Koordinierung• KoordinierungderparlamentarischenAbläufe• KoordinierungderFraktionmitderPartei• FinanzenderFraktion• SprecherderFraktionimVermittlungsausschuss• ParlamentarischesKontrollgremium• Parlamentsreform

Im Bundestagswahlkampf berief mich Frank-Walter Steinmeier in sein Kompetenzteam. Ich war für den Bereich Innenpolitik zuständig. Dabei habe ich darauf

Page 18: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

34 35

risten am Ende leicht gemacht haben, die schwer sten Verbrechen in der Geschichte der Bundesrepublik zu begehen. Die Hintergründe und Helfer dieser Mordserie sind trotz zweier Untersuchungsausschüsse bis heute nicht aufgeklärt. Klar ist allerdings: wir brauchen eine härtere Gangart gegen rechts. Deshalb habe ich mich intensiv für das Verbotsverfahren gegen die NPD einge-setzt. Diese Partei ist ausländerfeindlich, antisemitisch, antidemokratisch und in Teilen gewaltbereit. Das Bun-desverfassungsgericht hat der NPD klare Verfassungs-feindlichkeit bescheinigt, jedoch wegen ihrer Schwäche von einem Verbot abgesehen. Jetzt müssen wir wenigs-

tens verhindern, dass die NPD weiter vom Steuerzahler finanziert wird.

Die NSU-Morde hatten eine weitere Konsequenz: Heu-te gibt es im Bundesamt für Verfassungsschutz wieder eine eigene Abteilung Rechtsextremismus und -Terro-rismus. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hatte die Abteilung aufgelöst, weil er im Linksextremismus die Hauptgefahr sah. All diese ideologisch motivierten Versuche, Rechts- und Linksextremismus gleichzuset-zen, sind eine leichtfertige Verharmlosung der Gefah-ren von rechts. Wenn wir unsere Sicherheitsbehörden verbessern wollen, dann müssen falsche Klischees raus aus den Köpfen, und wir brauchen mehr Vielfalt und in-terkulturelle Kompetenz bei den Behörden.

VonFreundenabgehört:EdwardSnowden unddieNSA

Zwei Wochen nach den ersten Enthüllungen Edward Snowdens im Juni 2013 zeigte sich die Bundesregierung mit Innenminister Friedrich immer noch völlig ahnungs-los. Der Whistleblower hatte Dokumente veröffentlicht, die belegen, dass US-Geheimdienste Verbindungsdaten und sogar Inhalte von Millionen Telefongesprächen und Emails überwachen und speichern. In zahlreichen Sit-zungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums haben wir versucht, die Rechts- und Faktenlage aufzuarbeiten.

Benefizspiel des FC Bundestag zugunsten einer Diabetes-Kampagne. Mit Eberhard Gienger und Christoph Daum. Oppermann ist Fußballer, aber sein Herz schlägt für die Veilchen. Der Dauerkarteninhaber versäumt kaum ein Spiel der Göttinger Basketballer.

Page 19: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

36 37

DievierteEtappe:Vorsitzenderder SPD-Bundestagsfraktion

Eine der größten Herausforderungen in meiner neuen Funktion war der Rollenwechsel von einer Oppositions-fraktion zur Regierungsverantwortung. Wir waren als Fraktion nicht nur größer geworden, wir hatten auch 87 neu gewählte Abgeordnete unter uns. Meine Aufgabe ist es, für eine starke, geschlossene und selbstbewusste Fraktion zu sorgen, die die Regierung aus CDU/CSU und SPD bei ihren Vorhaben unterstützt, aber auch kritisch begleitet – und zwar im Sinne des Struckschen Geset-zes: Kein Gesetz verlässt das Parlament so, wie es hin-eingekommen ist.

Am 17. Dezember 2013 trat die neue Bundesregierung aus Union und SPD mit Bundeskanzlerin Angela Merkel ihr Amt an. Dies wurde möglich, nachdem in einem bislang einzigartigen Votum die Mitglieder der SPD mit 76% für den Koalitionsvertrag gestimmt haben. Im Vergleich zu 2009 hatte die SPD mit 25,7% bei den Wahlen zum 18. Deutschen Bundestag nur leicht dazu gewonnen. Mit 40,4% konnte ich mein persönliches Ergebnis verbessern und den Wahlkreis erneut direkt gewinnen.

Der schrankenlose Zugriff von Nachrichtendiensten auf die privaten Informationen von Bürgerinnen und Bür-gern ist eindeutig illegal und verfassungswidrig. Mit den Amerikanern und Briten sind wir eng verbunden, wir verteidigen ein gemeinsames Wertesystem. Und dazu zählen auch die Freiheitsrechte. Natürlich benötigen wir Nachrichtendienste, aber diese sind an Recht und Ge-setz gebunden. Das Sammeln von Informationen über Terrorgefahren ist notwendig, rechtfertigt aber keine Totalüberwachung der Bürgerinnen und Bürger.

Deshalb hat der Bundestag den Verfassungsschutz re-formiert. Kern: Stärkung des Bundesamtes für Verfas-sungsschutz (BfV) und ein verbesserter Informations-austausch zwischen den Verfassungsschutzbehörden, um länderübergreifende Beziehungen und Strukturen besser erkennen zu können.

Eine Konsequenz aus der intransparenten Kooperati-on des deutschen Auslandsgeheimdienstes BND mit US-Diensten ist das vom Bundestag im Oktober 2016 verabschiedete Gesetz zur Reform des Bundesnach-richtendienstes und zur Stärkung des Parlamentari-schen Kontrollgremiums. Darin werden klare rechtliche Grundlagen und Grenzen für das Handeln der Dienste geschaffen. Vor allem führt das neue Gesetz zu einer Stärkung der parlamentarischen Kontrolle in Form von Informationspflichten des BND gegenüber dem PKGr.

Page 20: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

38 39

Einen Tag vor der Regierungs bildung wählte mich die Bundestagsfraktion am 16. Dezember 2013 zu ihrem neuen Vorsitzenden. Mein Vorgänger Frank-Walter Steinmeier wurde Außenminister.

Page 21: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

40 41

Zu einer zeitgemäßen Flüchtlings- und Migrationspoli-tik gehört ein transparentes Einwanderungsgesetz. In den vergangenen Jahren kamen immer mehr Menschen über den Asylweg nach Deutschland, die nicht auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung sind, sondern Arbeit

Unter meiner Federführung ist mit großer Zielstrebig-keit ein sozialdemokratisches Migrationskonzept erar-beitet worden.

Deutschland braucht ein modernes Einwanderungsgesetz

Kurz vor Ende dieser Wahlperiode kann man sagen: Gesagt, getan, gerecht! Die SPD-Bundestagsfraktion hat wichtige Fortschritte erreicht, die den Alltag der Menschen spürbar verbessern. Wir haben den Mindest-lohn, bessere Renten sowie die gesetzliche Frauenquote durchgesetzt, für mehr BAföG, Kindergeld und Kitaplät-ze gesorgt, einen ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden geschafft und erstmals verbindliche Regeln für Integration verankert. Gleichzeitig investieren wir Milliarden in den sozialen Wohnungsbau, in Verkehrs-wege, Klimaschutz und gute Bildung.

Ich bin überzeugt: Damit Deutschland ein erfolgreiches Land mit einer starken Demokratie bleibt, brauchen wir einen handlungsfähigen Staat – einen Staat, der für Si-cherheit und sozialen Zusammenhalt sorgt, der Chancen für alle schafft und das Vertrauen in unsere Gesellschaft stärkt. Dafür müssen wir die richtigen Weichen stellen und kräftig in die Zukunft investieren, für Bildung und Ausbildung, für schnelles Internet sowie für Forschung und Entwicklung.

„Gegen nationales Denken, für ein starkes Europa.“ Mit Manuela Schwesig und Jasmin Tabatabei bei der Verleihung des Otto-Wels-Preises der SPD-Bundestagsfraktion.

Page 22: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

42 43

und ein besseres Leben suchen. Das ist verständlich, für sie ist aber das Asylrecht der falsche Weg. Wir brauchen darum Klarheit, wer unter welchen Voraussetzungen nach Deutschland einwandern kann und wer nicht.

Die Flüchtlingsdebatte darf dabei den Blick auf die wirt-schaftliche Entwicklung in Deutschland nicht verstel-len: Deutschland braucht in den kommenden Jahren qualifizierte Einwanderer, weil sonst die Zahl der Er-werbspersonen drastisch zurückgehen würde. Sinkende Geburtenraten und eine alternde Bevölkerung stellen die deutsche Wirtschaft, die Sozial-, Gesundheits- und Rentensysteme vor enorme Herausforderungen. Allein

Als die von Otto Schily eingesetzte „Süßmuth-Kommission“ 2004 ein Einwanderungsgesetz vorschlug, gab es viel politischen Widerstand. Jetzt wird es Zeit, Zuwanderung aktiver zu steuern. Um über den Gesetzesentwurf zu diskutieren, habe ich die ehemalige Göttinger CDU-Bundestagsabgeordnete Rita Süßmuth und den früheren SPD-Bundesinnenminster Otto Schily zu einer Veranstaltung meiner Bundestagsfraktion eingeladen.

in den nächsten zehn Jahren verliert Deutschland über sechs Millionen Erwerbstätige.

Vorrangiges Ziel bleibt es, die hier lebenden Arbeitskräf-te besser zu mobilisieren, durch Erhöhung der Frauen-erwerbstätigkeit, Qualifizierung junger Menschen, Aus- und Weiterbildung älterer Arbeitnehmer und bessere Integration der hier lebenden Migranten. Doch das wird nicht reichen, den Fachkräftebedarf zu decken.

Wie ein solches Einwanderungsgesetz aussehen könn-te, habe ich im November 2016 der Öffentlichkeit vorge-stellt. Mit einem Punktesystem, nach kanadischem Vor-

Page 23: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

44 45

bild zugeschnitten auf die Bedürfnisse des deutschen Arbeitsmarktes, das Qualifikation, Sprachkenntnisse, Alter, Arbeitsplatzangebot und andere Integrationsas-pekte berücksichtigt, wollen wir die Einwanderung von qualifizierten Fachkräften bedarfsgerecht steuern.Wird die erforderliche Mindestpunktzahl erreicht, wird der Bewerber in eine deutsche Auslandsvertretung ein-geladen. Abhängig von der Lage auf dem Arbeitsmarkt soll der Bundestag jährlich neu festlegen können, wie viele Fachkräfte aus Drittstaaten nach Deutschland kommen können.

Das Asylrecht bleibt dabei unberührt: Politisch Verfolgte haben auch weiter-hin einen Anspruch auf Asyl. Mit ihrer Aufnahme kommt Deutschland seinen humanitären Verpflichtungen nach.

Um jedoch die Kontrolle über die Migrationsprozesse nach Europa zurückzugewinnen, brauchen wir ein Ge-samtkonzept:

• Vorrangig müssen wir die Fluchtursachen in den Heimatländern bekämpfen. Wer zuhause ein gutes Leben hat, begibt sich nicht auf die Flucht. Wir setzen uns für Abrüstung, den Ausbau der Entwicklungs-

zusammenarbeit, für Menschenrechte und faire Handelsbeziehungen ein.

• Wir müssen die Außengrenzen Europas besser gegen illegale Migration sichern und gleichzeitig die legalen Einwanderungsmöglichkeiten geordnet auswei-ten. Dafür wollen wir die europäische Agentur für Grenz- und Küstenwache (FRONTEX) stärken. Um den kriminellen Schlepperbanden das Handwerk zu legen, müssen wir entlang der Fluchtrouten sichere Orte schaffen.

• Wir brauchen eine faire Verteilung der Flüchtlinge in Europa und eine einheitliche Entscheidungspraxis. Einzelne Staaten dürfen sich einem europäischen Asylsystem nicht verweigern.

• Alle, die bei uns bleiben, müssen wir schneller inte-grieren und abgelehnte Asylbewerber konsequenter zurückführen. Denn das Asylrecht wird gesellschaft-lich nur dann akzeptiert, wenn es für die vorbehalten bleibt, die tatsächlich vor Krieg oder Verfolgung fliehen.

• Und schließlich brauchen wir ein Einwanderungs-gesetz, das transparent und verständlich darstellt, wer aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland einwandern kann und wer nicht.

Page 24: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

46 47

Regelmäßig zeige ich der Presse und Korrespondenten aus der Hauptstadt unsere Region. Ob das nun kulturelle Highlights oder wissenschaftliche Innovationen sind: Das Naturerlebnis im Harz gehört auf jeden Fall dazu.

Page 25: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

48 49

MeineArbeitfürdenWahlkreis

Als Fraktionsvorsitzender habe ich die Möglichkeit, an zentraler Stelle die gesamte Bundespolitik mit zu ge-stalten. Seien es wichtige innenpolitische Themen wie Sicherheit und Wohlstand oder das Bild Deutschlands in der Welt. Ich arbeite aber auch leidenschaftlich ger-ne für meinen Wahlkreis und nutze meine Gestaltungs-möglichkeiten für die Region Göttingen.

EndlichzeigenwirGöttingenswichtigstenSchatz. ImForumWissen.

In der alten Zoologie nahe dem Bahnhof entsteht das neue Schaufenster der Göttinger Wissenschaft. Dort sollen Exponate aus den wertvollen Sammlungen der Universität und ihrer Wissensgeschichte sichtbar und erlebbar gemacht werden. Dieses Forum wird das Profil Göttingens als „Stadt, die Wissen schafft“ weiter schär-fen und ein Anziehungspunkt für die Region werden.

Über das Programm „Nationale Projekte des Städte-baus“ ist es mir gelungen, insgesamt 10 Mio. Euro Bun-desmittel einzunehmen und damit dem Projekt zum Durchbruch zu verhelfen. Gemeinsam mit den Neubau-ten der Göttinger Sparkasse und des Freigeist- Hotels in unmittelbarer Nachbarschaft wird dieses Quartier eine enorme städtebauliche Aufwertung erfahren.

Federbildnis ki‘i hulu manu des Kriegsgottes Kuka‘ilimoku

von Hawaii aus der Cook/Forster-Sammlung, 18. Jh, Ethnologisches Institut.

Page 26: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

50 51

AdamvonTrott

Am 20. Juli 2014 hielt ich auf Einladung der Georg-Au-gust-Universität eine Rede anlässlich des 70. Jahresta-ges des Attentates auf Adolf Hitler. Im Zentrum dieser Gedenkveranstaltung stand der Widerstandskämpfer Adam von Trott zu Solz, der von 1927 bis 1931 in Göttin-gen Rechtswissenschaften studierte und promovierte. Am 26. August 1944 wurde Adam von Trott aufgrund seiner Beteiligung am Attentat vom 20. Juli 1944 von den Nationalsozialisten hingerichtet.

Die Lebensgeschichte von Adam von Trott hat mich sehr beeindruckt und mir noch einmal verdeutlicht, dass nicht nur Nationalkonservative an den Vorbereitungen zum Hitler-Attentat im Juli 1944 beteiligt waren, son-dern mit Julius Leber und von Trott auch überzeugte, moderne Demokraten. Adam von Trott gehört zu den wenigen Menschen, die auch in den finstersten Stunden unserer Geschichte humanistische Grundwerte vertei-digt und dafür ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben. Wie kaum einer seiner Zeitgenossen ist er ein politisches Vorbild für die Demokratie im 21. Jahrhundert. Er war jemand, der auch gegen den Zeitgeist zu seinen Über-zeugungen stand. Er war ein echter Weltbürger und überzeugter Anhänger eines vereinten Europas.

Adam von Trott in Davos.

Page 27: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

52 53

Als ich wenige Monate später sein Elternhaus im hessischen Imshausen besuchte, hatte ich die Gele-genheit, mit seiner Tochter zu sprechen. Sie stellte mir die Stiftung vor, die auf dem alten, idyllisch gelegenen Familiensitz konsequent gegen das Vergessen des Wi-derstandskämpfers von Trott arbeitet und seine trans-nationale, pro-europäische Grundhaltung weitertra-gen möchte. Ich schlug eine Kooperation zwischen der Stiftung in Imshausen und der Universität Göttingen

vor, um auch For-schung und Lehre durch Adam von Trott und seine Rolle im Wider-stand zu inspirie-ren. Meine Idee fand glücklicher-weise begeisterte Unterstützer: Die Universität ent-

wickelte in enger Abstimmung mit der Adam-von-Trott-Stiftung ein Konzept. Ich konnte den Haushaltsaus-schuss des Bundestages davon überzeugen, dass diese Zusammenarbeit und die Trott-Stiftung mit insgesamt 5 Millionen Euro gefördert werden. Denn ich finde, kein Student sollte diese Universität verlassen, ohne Adam von Trott zu kennen.

Adam von Trott hat jetzt seinen festen Platz in Geschichte und Gegenwart der Universität Göttingen.

Unterwegs mit Landrat Bernhard Reuter und dem Technischen Hilfswerk (THW) auf der Weser in Hann. Münden.

Page 28: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

54 55

OffeneBürgerkirche–eineguteIdee!

Göttingens Innenstadt wird unter anderem geprägt durch vier Innenstadtkirchen, die man von einem einzi-gen Punkt aus sehen kann, dem sogenannten „Vier-Kir-chen-Blick“. Von diesem einen Punkt aus erkennt man die Kirchen St. Johannis, St. Jacobi, St. Albani und St. Mi-chael. Dieser Blick geriet im Jahr 2002 in Gefahr. Als St. Johannis, der größten Innenstadtkirche, in jenem Jahr finanziell die Luft ausging und eine Diskussion über den Abriss der sanierungsbedürftigen Kirchtürme begann, gelang es mir, die Beteiligten an einen Tisch zu bringen und ein Finanzierungskonzept zu entwickeln, dem alle zustimmten (6,1 Mio. Euro, davon 0,7 Mio. Euro vom Land). Die Abrissdiskussion war damit glücklicherwei-se beendet. Nach mehr als zehn Jahren später wagt die Kirchengemeinde St. Johannis einen mutigen Schritt: Im Zuge einer umfassenden Sanierung des Kirchenraumes möchte sie sich stärker als offene Bürgerkirche präsen-tieren. Dieses Konzept fand ich so überzeugend, dass ich dafür im Bundeshaushalt 1,75 Mio. Euro einwerben konnte. Damit steht die Zukunft der Johanniskirche auf einem guten Fundament.

Die Göttinger Kirchen leisten einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Miteinander.

Page 29: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

56 57

Für die Kultur in der Region habe ich viel erreicht:

• 4,5Mio.EurofürdasKuQua- Galeriegebäude

• mit3Mio.Eurounterstützt der Bund die Sanierung des Otfried-Müller-Hauses für Junges Theater und KAZ

• einedauerhafteFörderung der Händelfestspiele durch den Bund

• mit10Mio.Eurowirddas Museum in Friedland gefördert

In der nächsten Wahlperiode will ich mich um herausragende Denkmale wie das Schloss Herzberg und das Rathaus in Münden kümmern.

Thomas Oppermann und Gerhard Steidl: fotografiert von Andreas Gursky mit Thomas Oppermanns iPhone.

Page 30: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

58 59

Gesellschaftliches Engagement

• MitglieddesSenatsderMax-Planck-Gesellschaft 1999-2003

• VorsitzenderdesKuratoriumsderVW-Stiftung 1999-2004

• MitglieddesKuratoriumsderFriedrich-Schiller- Universität Jena 2004-2007

• MitglieddesKuratoriumsderTUDresden2006-2007• StiftungsratderWissenschaftsstiftungErnstReuter

des Wissenschaftskollegs zu Berlin• VorsitzenderdesKuratoriumsFagus-Werk,Alfeld

Aktuell:• Kuratorium Palliativ-Stiftung Göttingen• Stiftungsrat Bürgerstiftung Göttingen• Förderverein Deutsches Theater Göttingen• Aufsichtsrat Internationale Händel-Festspiele

Göttingen GmbH• Kuratorium XLAB-Stiftung zur Förderung der Natur-

wissenschaften• Kuratorium Hertie School of Governance GmbH• Kuratorium Max-Planck-Institut für Biophysikalische

Chemie (MPIbpc) und Dynamik und Selbstorganisa-tion (MPIDS), Göttingen

• Kuratorium Max-Planck-Institut für Sonnenphysik • Kuratorium VolkswagenStiftung (2. Amtsperiode)

Wahlergebnisse

Wahlergebnisse 1990-2013 (prozentuale Verteilung der Erststimmen im Wahlkreis)

Jahr

Wah

l

Erst

stim

men

SPD

Opp

erm

ann

Erststim

menCDU

CDU-Kandidat

2013 Bundestag 40,4% 38,2% Fritz Güntzler

2009 Bundestag 36,8% 34,4% Hartwig Fischer

2005 Bundestag 42,1% 30,5 % Hartwig Fischer

2003 Landtag 42,4% 43,2% Harald Noack

1998 Landtag 50,9% 33,1% Hartwig Fischer

1994 Landtag 47,7% 33,2% Hartwig Fischer

1990 Landtag 51,1% 35,8% A. von Wangenheim

Page 31: 1990 – 2017 MEILEN STEINE II - Thomas Oppermann...Organizers einen Konsumentenboykott in New York aufbauen sollten. Die Landarbeiter hatten keine Kran-kenversicherung, die wurden

60

Thomas Oppermann: Jahrgang 1954, lebt in Göttingen. Bis 1990 Richter am Verwaltungsgericht. 15 Jahre Mitglied des Niedersächsischen Landtages, von 1998 bis 2003 Minister für Wissenschaft und Kultur.

2005 als Direktkandidat in den Deutschen Bundes-tag gewählt. 2007 bis 2013 Erster Parlamentarischer Geschäftsführer und seit 2013 Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion.