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© Stiftung Schlossmuseum Thun 2008

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INHALTSVERZEICHNIS

Jahresbericht der Museumsleitung 4

Jahresbericht der Stiftung Schlossmuseum Thun 11

Bildung und Vermittlung im Schlossmuseum 17

Jahresbericht des Fördervereins Schlossmuseum Thun 20

Ausflug des Fördervereins nach Einigen und Spiez am 8. September 2007 27

Die Sparbüchse von Karl Stauffer-Bern (siehe JB 2006, S. 47 ff.) 29

Was ist das? 30

Sitzungsprotokoll vom 14. Dezember 1919 32

Altes und Neues zum römischen Heiligtum von Thun-Allmendingen 33

Bälliz 30, Thun: Eine mittelalterliche Stadterweiterung im Blick der Archäologen 40

Vergangene Sammelleidenschaft – Zu einer kleinen Siegelabdrucksammlung in Besitz des Schlossmuseums 45

Älteste Fotografie von Thun in Los Angeles? 53

Geschichtsvermittlung im Umbruch. Das Völlger-Panorama von 1894 54

Medaille zur Eröffnung des neuen Thuner Bahnhofes 1923 60

Das Wocher-Panorama – horizontal, nicht vertikal… 68

Gebändigt und genutzt: Die Stadt Thun und das Wasser in den letzten 300 Jahren 70

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Monat Erwachsene, Kinder Gratis Anzahl Personen Anlässe Personen Total AHV/IV, Gruppen (in Gruppen) Rittersaal Anlässe Stud., Militär

Januar 355 143 19 3 74 0 0 594

Februar 801 333 69 3 90 4 306 1606

März 930 279 99 8 173 3 470 1962

April 1550 463 710 7 119 2 1550 4401

Mai 2272 762 174 9 149 4 1190 4560

Juni 2390 729 359 18 359 5 1040 4900

Juli 4297 1552 411 7 278 2 1730 8277

August 5046 1797 287 7 193 4 177 7511

September 2350 687 331 21 396 7 831 4623

Oktober 1903 490 166 14 200 5 1484 4262

November 237 70 15 8 242 2 1490 2064

Dezember 475 125 69 2 31 1 700 1403

Total 22606 7430 2709 107 2304 39 10968 46163

– Anlässe: inkl. Konzertveranstaltungen und Kulturnacht.– Absolute Spitzenmonate waren Juli und August. – Die erfreuliche Zunahme bei den Besuchern hat auch zu einer Steigerung der Einnahmen geführt.

BESUCHERZAHLEN 2007

Jahresbericht der Museumsleitung

Lilian Raselli-Nydegger

Das Berichtsjahr 2007 kann wiederum als sehr aktives Jahr in die Ge-schichte des Schlossmuseums Thun eingehen. Bei den Besucherzah-len konnte gegenüber den Vorjahren eine erfreuliche Zunahme von 10‘000 Eintritten vermerkt werden. Dies ist auf verschiedene Fak-toren zurückzuführen, dazu haben die Sonderausstellung, das Wet-ter und zwei Fernsehauftritte sicher beigetragen. Gesamthaft wurde das Schlossmuseum von 46‘163 Personen besucht, davon 2‘304 in 107 Gruppen und 10‘968 im Rahmen von 39 Anlässen im Rittersaal. Er-freulicherweise konnten 1‘716 Familienkarten verkauft werden.

SONDERAUSSTELLUNGEN

Ab Mai konnte mit Hilfe von Sponsorengeldern die Sonderausstellung «Thun im See» gezeigt werden, welche die beiden Hochwasserereig-nisse von 1999 und 2005 thematisierte. Sie ist von mir initiiert worden, während Konzept und Ausführung in den Händen von Dr. Christian

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Schubarth von IC infraconsult AG lag. Kernstück der Ausstellung wa-ren 1000 Fotos, welche nach einem Aufruf an die Bevölkerung zur Verfügung gestellt wurden. Daneben hatten interessierte Besucher die Möglichkeit, neueste Erkenntnisse über den Klimawandel und mög-liche Massnahmen im Bereich des Hochwasserschutzes in der Region zu erfahren. Hier konnte freundlicherweise auf aktuelle Daten NCCR Climate des geografischen Instituts der Universität Bern zurückgegrif-fen werden. Die Ausstellung fand reges Echo und gab Anlass zu vie-len Diskussionen. Allen Personen und Sponsoren, die zum Gelingen beigetragen haben, besonders aber Christian Schubarth, sei an dieser Stelle noch einmal herzlich gedankt!

Dank unserer engen Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Ar-meemuseum konnte – auf dem Höhepunkt der Diskussionen um die Herstellung des künftigen Sackmessers der Schweizer Armee – ab Sep-tember eine kleine Sonderausstellung im Rittersaal zum Schweizer Soldatenmesser 1890 – 2007 gezeigt werden.

ARBEITEN IM UND AM SCHLOSS

Neben dem musealen Bereich fanden im Schloss selbst weitere Ar-beiten statt. So wurden neue Brandschutztüren eingebaut und eine Löschwasserleitung bis ins Dachgeschoss gezogen. Dies hatte zur Fol-ge, dass besonders in der ersten Jahreshälfte vermehrt Handwerker das Haus bevölkerten, was manchmal zu einigem Unmut bei den Be-suchern führte. In besonders «aktiven» Zeiten wurde daher der Ein-trittspreis reduziert. In besonderem Gedächtnis geblieben ist mir auch das mehrtägige Sortieren der im Schloss eingelagerten Kachelöfen, von denen einer den ursprünglichen Eigentümern, der Familie Bähler, zurückgegeben werden konnte, die ihn wieder in ihrem Haus einzu-bauen gedenkt. Unterstützt wurden wir dabei durch Edi Salzmann von der kantonalen Denkmalpflege, der mich gleichzeitig in die Welt der Kacheln einführte. Bei einer Grabung auf dem Niveau des 4. Bo-dens im Ostturm wurde der Mörtelboden aus der Bauzeit gefunden. Der darüber liegende Sandsteinboden wurde ergänzt, sodass der spä-ter eingefügte Bretterboden entfernt werden konnte.

KULTURELLE ANLÄSSE, EREIGNISSE

Zwei Aufführungen der Schlosskonzerte und die Schlossclassics lock-ten sehr viele Besucher in den Rittersaal. Auf dem «Gefängnismätteli»

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fanden zudem wiederum mit gutem Erfolg die Schlossspiele mit der Aufführung «Einer flog über das Kuckucksnest» statt. Den Organisa-torinnen der Anlässe kann hier für ihr Engagement gratuliert wer-den.

Im September habe ich im Rahmen des Schweizerischen Denkmal-tages spezifische Führungen zum Dachstock des Schlosses Thun gehalten, die sehr gut besucht waren (130 P.). Die Vorbereitungen waren für mich selbst sehr erkenntnisreich, ist doch das imposante Dach noch nie wissenschaftlich aufgearbeitet worden. Die Resultate aus diesen Vorbereitungen sind seither in meine Führungen einge-flossen. Zudem habe ich in der Folge mehrere Abschlussarbeiten ver-schiedener Schreiner- und Hochbauzeichnerlehrlinge zum Dachstock begleiten dürfen.

Im Oktober fand die erste Thuner Kulturnacht statt. Die Vorbereitung und Koordination für das Schlossmuseum lag in meiner Verantwor-tung. Ich habe diese gerne übernommen, obwohl dadurch doch ei-nige Arbeitszeit in Anspruch genommen worden ist. Die Hälfte aller Kulturnachtschwärmer hat das Schloss besucht, was Belohnung ge-nug war! Zu danken ist hier u. a. dem aktiven freiwilligen Einsatz von Barbara Cadisch, Madeleine Kratzer, Monika Loosli und Barbara Mani an der Bar, zudem unseren Kassiererinnen, welche standhaft bis zum Schluss in bitterer Kälte Billette verkauft haben. Hans Schütz hat sei-nen Teil zum reibungslosen Ablauf beigesteuert.

So attraktiv Theateraufführungen in der Umgebung des Schlosses im Sommer jeweils sind, so wenig erfolgreich war im November das The-ater «Jeanne oder die Lerche» im Rittersaal. Wir hätten der ausge-zeichneten Inszenierung, die durchaus in den Rahmen des Schlosses gepasst hat, mehr Erfolg gewünscht. Andererseits werden wir künftig keine Anlässe mehr im Rittersaal durchführen, die den Saal während längerer Zeit blockieren.

Neben diesen Aktivitäten haben sich die Vorbereitungen zur neuen Dauerausstellung im 4. Boden verlangsamt. Ich freue mich darauf, dass «Thun im 19. Jahrhundert – Eine Stadt zwischen Tourismus und Armee» nun bald fertig gestellt werden kann. Zu danken ist dabei schon jetzt für die geleistete Arbeit Andreas Kähr und Christine Ram-stein, welche die Gestaltung erfolgreich übernommen haben, aber auch allen Personen, welche mir ihr Wissen zur Verfügung stellen. Eine Würdigung erfolgt nach Abschluss der Arbeiten.

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Den Bereich Bildung und Vermittlung hat unser wissenschaftliche Mit-arbeiter Mischa Gallati übernommen (s. Artikel unten). Seine grosse Kenntnis als Historiker und Mitautor von Schulbüchern ist für die Wei-terentwicklung dieses Bereichs von grosser Hilfe und ein Grund für den zukünftigen Ausbau dieser Abteilung. Mischa danke ich gerne für die gute Zusammenarbeit insgesamt, die ich sehr geniesse. Dank verdienen auch die Pädagoginnen Barbara Cadisch, Madeleine Krat-zer und Monika Loosli, die bisher voller Elan die vielen Schulklassen unterrichteten und mit Freude und Enthusiasmus diesen Bereich be-treuen. Madeleine Kratzer scheidet nun aus. Ich möchte ihr für die grossen Verdienste herzlich danken und wünsche ihr alles Gute.

Negativschlagzeilen lieferte im Jahr 2007 der Diebstahl eines Helmes aus dem 16. Jahrhundert während eines Anlasses. Dank Beobach-tungen von Besuchern und unseren Videoaufzeichnungen gelang es der Polizei nach einem Monat, den Täter dingfest zu machen und uns den Helm unbeschadet zurückzuerstatten. Wir haben im Rahmen un-serer Möglichkeiten die Konsequenzen aus diesem Ereignis gezogen.

PERSONELLES

Das Kassiererinnenteam hat im 2007 nicht nur bewährt gute Arbeit geleistet, sondern dazu beigetragen, dass der Umsatz des «Bistros» um fast 20% gesteigert werden konnte. Zudem haben sie die Besu-cher bestens betreut und waren mir mit ihren Kenntnissen in diesem ersten Jahr eine wertvolle Hilfe. Auch unser Schlosswart Hans Schütz hat mit seinem Engagement und seinem Einsatz viel zum guten Be-trieb beigetragen. Sein Engagement bei den oft lang dauernden An-lässen ist beachtlich und muss an dieser Stelle unbedingt gewürdigt werden. Danke Hans!

AUSBLICK

Ich freue mich, dass das Jahr 2008 dem Schlossmuseum vielfältige Ak-tivitäten bringen wird. Dazu gehört sicher die Gastausstellung Welch Schauspiel! Aber ach! Ein Schauspiel nur! – Goethes Faust auf Schwei-zer Bühnen, die ab 2. Mai den Dachstuhl belegen wird und von der Schweizerischen Theatersammlung realisiert wird. Das Thema macht die Vielfalt der Sonderausstellungen des Schlossmuseums um eine Fa-cette reicher und wird ein neues Besuchersegment ins Schloss bringen.

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Im Sommer wird die neue Dauerausstellung im 4. Boden fertig gestellt sein. Zudem findet am 1. Juni 2008 wiederum ein buntes Schlossfest mit verschiedensten Aktivitäten statt.

DANK

Mein erstes Jahr im Schlossmuseum Thun war von vielen unterschied-lichen Aktivitäten, vielen neuen Bekanntschaften und Erkenntnissen geprägt. Ich kann hier nicht alle Personen und Institutionen erwäh-nen, die mich während dieser Zeit begleitet, unterstützt, ermuntert und erfreut haben. Aber ich möchte all diesen Menschen von Herzen dafür danken, besonders jedoch der Stiftung Schlossmuseum Thun, die ihr Vertrauen in meine Arbeit und Aktivitäten setzt.

NEUZUGÄNGE 2007

Von folgenden Personen und Institutionen durften wir Geschenke in die Sammlung aufnehmen: Anne-Lore Hebler, Thun; Frau Kleeb, Thun; Ruth Jetzer, Zürich; Herr und Frau Ramseyer, Gais; Stadtmusik Thun; Hans Weidmann, Binningen; Vereinigte Thuner Harmonikaspieler.

Accessoires:– Trachtenschmuck (Inv.-Nr. 9010)

Apparate:– Mechanische Rechenmaschine (Inv.-Nr. 8969)

Bücher:– Album petit cabinet «Berner Oberland» (Inv.-Nr. 8968)

Fahnen:– Standarte (an Posaune), 2 Fahnen und ein Fahnengurt der Stadtmusik Thun (Inv.-Nr. 8960 – 8962, 9014 – 9015)

Geld und Münzen:– Sammelbüchse (Inv.-Nr. 8978)

Keramik:– 2 Schachteln Keramiktiere (Inv.-Nr. 8967)

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Kopfbedeckungen:– 8-eckige Mütze der Stadtpolizei Thun (Tausch), eine runde, zwei 8-eckige Mützen und 2 Tönnchen der Stadtmusik Thun (Inv.-Nr. 8749, 8955 – 8959)– Beret, Kravatte und Abzeichen der Vereinigten Thuner Harmonika-

spieler (Inv.-Nr. 9009)

Musik:– Trommel und Pauke der Vereinigten Thuner Harmonikaspieler (Inv.-Nr. 9007 – 9008)

Nähen, Spinnen, Weben:– Klöppelkissen (Inv.-Nr. 9006)

Reise:– Überseekoffer und Auswanderungsvertrag von 1901 (Inv.-Nr. 8965)

Schuhe:– Braune Stofffinken (Inv.-Nr. 8966)

Silber, Zinn:– 16 Silberbecher der Stadtmusik Thun aus der Zeit zwischen 1869 und 1925 (Inv.-Nr. 8190 – 8192, 8194 – 8206)

ABGÄNGE 2007

Als Dauerleihgabe der Stadt Thun (Ei-gentümerin) und des Schlossmuseums (Leihnehmerin) wurde der Wappen-stein aus dem alten Spital am Rat-

hausplatz den heutigen Eigentümern des Platzschulhauses weiter-gegeben. Der Stein ist an prominenter Stelle im Eingang des Hauses angebracht. (Inv.-Nr. 5828).Einige archäologische Gegenstände gingen im Berichtsjahr zur nä-heren Abklärung an den Archäologischen Dienst in Bern. Zwei schmiedeiserne Fensterbrüstungsgitter, drei Balkenstücke, drei durch Brandabschlusstüren ersetzte Türen aus dem Schloss und ein Kachel-ofen wurden der Denkmalpflege zur allfälligen Weiterverwendung überlassen (Inv.-Nr. 8790, 8237 – 8239). Zwei stark beschädigte Texti-lien, ein Posten zerfressener gedruckter Kalender aus dem 19. Jahr-

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hundert, ein defekter Abguss einer römischen Grab-steinplatte sowie altes Ausstellungsmaterial wurden beseitigt (Inv.-Nr. 3080, 5070, 5087, 8022 – 8024, 2267 Inv. 3). Ein Dreispitz (von 5) einer Musikgesellschaft konnte gegen eine Mütze der ehemaligen Stadtpoli-zei Thun getauscht werden (Nr. 7073). Eine demolier-te Kleinbildkamera wurde beseitigt (Inv.-Nr. 6294).

Der Kachelofen mit der Aufschrift Rudolf Bähler 1823 kam 1905 ins Museum und war hier eine Zeit lang aufgestellt. In den letzten Jahrzehnten lag er aller-dings in einzelne Kacheln zerlegt im Kellerausgang. Die Stiftung Schlossmuseum Thun hat den Ofen den Nachkommen von Rudolf Bähler, der Familie Peter Bähler in Seltisberg geschenkt, welche den Ofen in ihrem Haus wieder aufbauen wird (Inv.-Nr. 8632).

MITARBEITERINNEN UND MITARBEITER

MuseumsleiterinLilian Raselli-Nydegger seit 1. 10. 2006

Stellvertreter/Wissenschaftlicher MitarbeiterMischa Gallati seit 1. 2. 2007

SchlosswartHans Schütz seit 2001

KasseLotti Bugmann seit 2001Erika Eschle seit 1995Anna-Lore Hebler seit 2005Theres Zurbrügg seit 2002

Bildung und VermittlungBarbara Cadisch-Wolf seit 2000Monika Loosli seit 2002

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Jahresbericht der Stiftung Schlossmuseum Thun

Hans Kelterborn, Präsident

Der Stiftungsrat traf sich im Berichtsjahr 2007 wiederum zu zwei Sit-zungen. Sowohl die neue Leiterin (ab November 2006) als auch der neue wissenschaftliche Mitarbeiter (ab Februar 2007) haben sich sehr gut eingearbeitet.

Der Stiftungsrat betreibt in enger Tuchfühlung mit dem Kassier eine aktive Geldanlagepolitik, die zwar zum Grossteil konservativ auf Kas-saobligationen ausgerichtet ist, bei der Auswahl der Geldinstitute jedoch vermehrt auf Regionalbanken Rücksicht nimmt und den Zins-wettbewerb in kleinen zeitlichen Intervallen beobachtet.

Zur Erfüllung der Leistungsvereinbarung mit der Regionalen Kultur-konferenz RKK sind in mittleren Zeitabständen Erneuerungen der Aus-stellung geboten. Um die Jahresrechnungen trotz solcher unterschied-lich anfallender Investitionen einigermassen ausgleichen zu können, wurde anstelle der Spezialfinanzierung für Ankäufe und Restaurierun-gen (welche heute i. d. R. vom Förderverein übernommen werden) eine Spezialfinanzierung für die Ausstellungserneuerung geäufnet.

Trotz mehrmaliger Mahnung konnte die GKS den Museumsführer erst nach dem Berichtsjahr herausbringen. Er wird ab Juni 2008 er-hältlich sein.

Auch im Projekt Siedlungsentwicklung sind leider keine weiteren Fortschritte zu verzeichnen. Immerhin hat sich aus der Idee, die Sied-lungsentwicklung dynamisch darzustellen, die Idee herauskristalli-siert, den Bau des Schlosses Thun mit seinen verschiedenen Bauetap-pen in einer dreidimensionalen Computeranimation darzustellen.

Die Transkription der Lohner-Chronik ist abgeschlossen. Zurzeit bereitet Philipp Rogger noch die Texte für die spätere Edition als Datenbank vor.

Dank dem Zuvorkommen von H. Kasimir Lohner durften wir das Loh-ner-Wappenbuch einscannen, so dass uns nun die von C.F.L. Lohner erfassten Thuner Familienwappen im Bild zur Verfügung stehen.

Die extern eingelagerte Sammlung wird uns voraussichtlich noch wei-tere ein bis zwei Jahre beschäftigen. Zurzeit sind insgesamt 14‘500

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Objekte in der Datenbank erfasst. Ende 2007 war von 7‘500 Objekten der Standort bekannt und rund 4‘400 waren fotografiert.

Die Zusammenarbeit mit der Stadt Thun ist einerseits geprägt von der neuen Eigentumssituation und andererseits von der Regionalen Kulturkonferenz RKK (Stadt Thun, Kanton Bern und beitragspflichti-ge umliegende Gemeinden). Als Eigentümerin musste die Stadt Thun im Winter 2007/2008 notfallmässig das Dach über dem Bürogebäude sanieren.

Der mit der RKK am 1.1. 2006 abgeschlossene Vierjahresvertrag mit Leistungsvereinbarung gibt der Stiftung einen kulturpolitischen Auf-trag, der weit über die blosse Offenhaltung des Schlosses hinausgeht. Insbesondere haben wir zur Aufgabe, das im Schloss Thun unterge-brachte Schlossmuseum Thun im Interesse der Allgemeinheit zu erhal-ten, zu betreiben und weiterzuentwickeln sowie – im Zusammenhang damit – die Regionalgeschichte in ihrer Vielfalt und ihrem Beziehungs-netz darzustellen und bekannt zu machen. Die Sammlungsobjekte haben in der Regel einen Zusammenhang mit der Stadt Thun oder der Region.

Im Rahmen der Vernehmlassung zum neuen Kulturleitbild des Kan-tons Bern wird die im Verhältnis zu andern historischen Museen ge-ringe und im Verhältnis zu deren Besucherzahl geradezu minimale personelle Ausstattung unserer Institution ein Diskussionspunkt sein.

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STIFTUNGSRAT

PräsidentHans Kelterborn, Vogelsangweg 4, 3600 Thun*

VizepräsidentBeat Gassner, Marienstrasse 1A, 3600 Thun*

KassierRoger Hunziker, Weieneggstrasse 11A, 3612 Steffisburg

KantonsvertreterBernhard Wyttenbach, Regierungsstatthalter, Schlossberg 4, 3601 Thun

StadtvertreterinMartina Cadisch, Mönchstrasse 6, 3600 ThunVertreterin Förderverein und RegionsgemeindenVreni Blum-Bruni, Wabersackerstrasse 104, 3097 Liebefeld

MitgliederSara Hefti-Ott, Tannenhofstrasse 8, 3604 Thun*Markus Probst, Bösbachstrasse 12, 3612 SteffisburgPhilipp Stämpfli, Funkstrasse 97, 3084 Wabern

*Mitglieder der Stiftungskommission

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BILANZ 31. DEZEMBER 2007 / Fr. 2006 / Fr.Flüssige Mittel 207’431.97 336’212.72Forderungen 24’260.60 16’341.55Vorräte 1’000.00 1’000.00Aktive Rechnungsabgrenzungen 20’542.25 22’747.05Umlaufsvermögen 253’234.82 376’301.32Finanzanlagen 695’964.00 595’726.00Museumsgüter 5.00 5.00Sachanlagen 114’745.85 38’533.25Anlagevermögen 810’714.85 634‘264.25Aktiven 1’063’949.67 1‘010‘565.57

Fremdkapital 20’966.65 16‘588.90Gründungsbeiträge/Stiftungskapital – Verein Schlossmuseum Thun 100’002.00 100’002.00– Kanton Bern 200’000.00 200’000.00– Stadt Thun 100’000.00 100’000.00– Zuwendungen Dritter 509’305.00 509’305.00– Fonds für Spezialfinanzierungen 167’569.55 137’569.55– Verlustvortrag -52’899.88 -72’775.56– Jahresgewinn/-verlust 19’006.35 19’875.68Eigenkapital 1’042’983.02 993’976.67Passiven 1’063’949.67 1’010’565.57

Einmalige Zuwendungen Dritter Burgergemeinde Thun 100’000.00 Gertrud Krebser 100’000.00 Carlo Rubin 100’000.00 Ch. & Th. Frieden 80’000.00 Lotteriefonds 72’305.00Pro Patria 15’000.00Gemeinde Heimberg 10’000.00Gemeinde Steffisburg 10’000.00Züsi Jakob 10’000.00Susanne Hodel 5’000.00Elisabeth Rubin 5’000.00Gerberkäse AG 2’000.00

Jahresrechnung der Stiftung

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ERFOLGSRECHNUNG 1.1. – 31.12. 2007 / Fr. 2006 / Fr.Betriebsertrag 263’461.10 210’644.30Personalaufwand -281’780.60 -249’775.90Übriger Betriebsaufwand -219’408.80 -213’971.05Betriebsverlust Museum -237’728.30 -253’102.65Betriebsbeiträge und Spenden 241’254.00 236’091.30Finanzerfolg 15’480.65 36’887.03Ausserbetrieblicher Gewinn 256’734.65 272’978.33Jahresgewinn 19’006.35 19’875.68

SPEZIALFINANZIERUNGEN Ankäufe Museumssammlung/Restaurierung Museumsgut

Anfangsbestand 1.1. 22’569.55 39’432.30Bildung SF für Museumssammlung 0.00 0.00Verkäufe Museumsgut 0.00 3’137.25Umbuchung auf SF Ausstellungserneuerung -5’000.00 -20’000.00Belastung SF für Ankäufe Museumssammlung 0.00 0.00Belastung SF für Restaurierung Museumsgut 0.00 0.00Schlussbestand 31.12. 17’569.55 22’569.55

AUSSTELLUNGSERNEUERUNG

Ausstellungserneuerung Anfangsbestand 1.1. 115’000.00 55’000.00Umbuchung aus SF Ankäufe Museumssammlung/Rest. Museumsgut 5’000.00 20’000.00Bildung SF für Ausstellungserneuerung 30’000.00 40’000.00Belastung SF Ausstellungserneuerung 0.00 0.00Schlussbestand 31.12. 150’000.00 115’000.00Total Veränderung Spezialfinanzierungen 30’000.00 43’137’25

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Bericht der Kontrollstelle

Als Kontrollstelle haben wir die Buchführung und die Jahresrechnung (Bilanz, Erfolgsrechnung und Anhang) der Stiftung Schlossmuseum Thun für das am 31. Dezember 2007 abgeschlossene Geschäftsjahr geprüft.

Für die Jahresrechnung ist der Stiftungsrat verantwortlich, während unsere Aufgabe darin besteht, diese zu prüfen und zu beurteilen. Wir bestätigen, dass wir die Anforderungen hinsichtlich Befähigung und Unabhängigkeit erfüllen.

Unsere Prüfung erfolgte nach den Grundsätzen des Berufsstan-des, wonach eine Prüfung so zu planen und durchzuführen ist, dass wesentliche Fehlaussagen in der Jahresrechnung mit angemessener Sicherheit erkannt werden. Wir prüften die Posten und Angaben der Jahresrechnung mittels Analysen und Erhebungen auf der Basis von Stichproben. Ferner beurteilten wir die Anwendung der massge-benden Rechnungslegungsgrundsätze, die wesentlichen Bewertungs-entscheide sowie die Darstellung der Jahresrechnung als Ganzes. Wir sind der Auffassung, dass unsere Prüfung eine ausreichende Grundla-ge für unser Urteil bildet.

Gemäss unserer Beurteilung entsprechen die Buchführung und die Jahresrechnung Gesetz, Stiftungsurkunde und Reglement.

Wir empfehlen, die vorliegende Jahresrechnung zu genehmigen.

Thun, 15. April 2008

Dr. oec. Hans Peter BieriSteuer-, Finanz- und Wirtschaftsberatung AG Thun

B. AeschlimannLeitende Revisorin

C. Voneschdipl. Wirtschaftsprüfer

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Bildung und Vermittlung im Schlossmuseum

Mischa Gallati

Das Jahr 2007 war für den Bereich Bildung und Vermittlung in per-soneller, konzeptioneller und inhaltlicher Hinsicht ein Jahr des Um-bruchs und der Neuorientierung.

PERSONELLE VERÄNDERUNGEN

Nach langjähriger Mitarbeit beendete im Herbst Magdalena Kratzer ihre Tätigkeit. Sie baute seit Mitte der 1990-er Jahre den museumspäd-agogischen Dienst des Schlossmuseums auf und prägte die Angebote für Kinder und Jugendliche während den vergangenen zehn Jahren massgeblich. Mit ihrer mitreissenden Art und ihrem pädagogischen Geschick wusste die gelernte Kindergärtnerin Inhalte kindergerecht zu vermitteln und darob nie zu vergessen, dass die Beschäftigung mit Geschichte und Gegenwart auch immer Spass bereiten soll. Wir freu-en uns, dass Magdalena Kratzer in Zukunft weiterhin ihre sporadische Mitarbeit zugesichert hat. Vielen Dank, Magdalena!

Als wissenschaftlicher Mitarbeiter kann ich einen Teil meiner Arbeits-zeit auch für den Bereich Bildung und Vermittlung einsetzen – vor allem auf programmatischer und organisatorischer Ebene. Dadurch kann die Vermittlungsarbeit (für Kinder und Jugendliche, aber auch für Erwachsene) noch stärker als bisher in den Museumsalltag einge-bunden werden und als wichtiger Pfeiler des Museums zur Geltung kommen.

2007 ging es vor allem darum, die bestehenden Angebote und Struk-turen zu prüfen und allfällig den gewandelten Bedürfnissen anzupas-sen. Zu diesem Zweck wurde auch ein neues Grundlagen-Konzept für die Bildung und Vermittlung im Schlossmuseum erarbeitet. Dieses soll nun nach und nach umgesetzt werden.

WORKSHOPS FÜR SCHULKLASSEN

Weiterhin wichtigster Pfeiler der Vermittlungsarbeit waren auch 2007 die Workshops für Kindergärten und Schulklassen. Barbara Cadisch, Monika Loosli und bis im Herbst auch Magdalena Kratzer führten 67

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Schulklassen – insgesamt 1266 Schulkinder und 105 Begleitpersonen – durch das Schloss. Allein schon diese grosse Zahl mag als Gradmesser für den Erfolg unseres Vermittlungsteams dienen.

FERIENPASS

Im Juli veranstalteten wir wiederum einen Anlass im Rahmen des Ferienpass-Programms. Zusammen mit einer ganzen Kinderschar erforschten Magdalena Kratzer und Barbara Cadisch verschiedene Schloss-Dimensionen: Brunnentiefe, Turmhöhe, Mauerdicke, ja sogar der Umfang des Donjons wurden vermessen. Daneben erhielten die Kinder einen Einblick in verschiedene Mess- und Masssysteme aus Ver-gangenheit und Gegenwart.

KINDERCLUB

Im Gegensatz zu den Angeboten für Schulklassen funktionierte das Freizeitangebot für Kinder und Jugendliche noch nicht zufrieden stel-lend. Deshalb galt unser Augenmerk speziell diesem Bereich. Um die Konstanz zu erhöhen und Kinder (mitsamt ihren Familien) längerfris-tig an das Museum zu binden, gründeten wir im Herbst einen Kin-derclub. Kinder ab 6 Jahren können ihm für Fr. 25.– pro Kalenderjahr

Klassen Schülerinnen, Begleit Ferienpass, TOTAL Schüler personen KinderclubJanuar 1 16 1 0 16Februar 4 59 7 0 59März 10 205 17 0 205April 3 49 4 0 49Mai 6 109 9 0 109Juni 19 357 33 0 357Juli 1 18 3 10 28August 3 68 5 0 68September 11 226 15 0 226Oktober 1 15 1 13 28November 4 75 5 16 91Dezember 4 69 5 0 69Total 67 1266 105 39 1305

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beitreten. Sie erhalten dafür freien Eintritt ins Museum und können gratis (allenfalls mit einer kleinen Unkostenbeteiligung) an 5 – 6 Ver-anstaltungen pro Jahr teilnehmen. Vorderhand können die Veranstal-tungen sowohl von Mitgliedern des Kinderclubs als auch von Gästen besucht werden.

Als Auftakt war im Oktober und November zwei Mal die Thuner Mär-chenerzählerin Silvia Warmbrodt zu Gast im Kinderclub. Sie unter-nahm mit Unterstützung von Monika Loosli und unter tätiger Mithil-fe der kleinen Ritter und Schlossdamen spannende, versponnene und phantasievolle Reisen ins Schloss und seine Vergangenheit.

Angesichts unseres Mottos, lieber kleine, aber feine Brötchen zu backen anstatt mit grossem Brimborium zu scheitern, und dem sehr engen finanziellen Rahmen startete der Kinderclub durchaus erfolg-reich. Die beiden Veranstaltungen waren gut besucht, bis Ende Jahr hatten bereits 11 Kinder eine Jahresmitgliedschaft erworben. Der Kin-derclub soll in den nächsten Jahren organisch wachsen und wird hof-fentlich zu einem nachhaltigen Gefäss unserer Vermittlungsarbeit.

ANGEBOTE FÜR LEHRPERSONEN

Ebenfalls unter die Rubrik Bildung und Vermittlung, gehören die An-gebote, die wir für Lehrpersonen bereitstellen. 2007 führten Hans Kelterborn, Lilian Raselli und ich zwei LEBE-Einführungen für Lehr-personen durch. Beide anregenden Kurse, die gut besucht waren, nutzten wir, um das Schloss als solches, aber auch unsere Sammlungs-, Ausstellungs- und Vermittlungstätigkeiten vorzustellen. Wir hoffen unter anderem mit solchen Anstrengungen, das Schloss als attrak-tiven Ort für Schulausflüge zu festigen.

Um die Information für Lehrerinnen und Lehrer, die unser Schloss besuchen, zu verbessern, erarbeitete ich in der zweiten Jahreshälfte eine neue Dokumentation für Lehrpersonen. Sie vermittelt grundle-gende Informationen zum Schloss und dessen Geschichte und ergänzt zudem mit inhaltlichen Ausweitungen die Workshops. Ab Saison 2008 wird diese Dokumentation an interessierte (Lehr-) Personen gegen ei-nen kostendeckenden Beitrag abgegeben.

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Jahresbericht des Fördervereins Schlossmuseum Thun

Vreni Blum

«SERVIR ET DISPARAÎTRE»

Das Schlossmuseum Thun besitzt eine einzigartige Sammlung hoch-wertiger Ausstellungsstücke, und es ist ein grosses Anliegen des För-dervereins, einzelne ausgewählte Werke zu restaurieren und zu kon-servieren, damit sie künftige Generationen bestaunen können.

An dieser Stelle danke ich als Präsidentin des Fördervereins allen Mit-gliedern, die den Verein mit ihrem Beitrag unterstützen und es er-möglichen, ausgewählte Gegenstände aus der Sammlung zu restau-rieren und der Nachwelt zu erhalten.

Mein Dank geht ebenfalls an die Vorstandsmitglieder, die sich im letzten Jahr dreimal zu einer Sitzung trafen und sich in angeregten, offenen Gesprächen äusserten. Weiter bedanke ich mich bei den Mit-gliedern des Stiftungsrats für die erfreuliche und stets angenehme Zusammenarbeit mit dem Förderverein.

Dank den Mitteln des Fördervereins wurden im letzten Jahr u. a. die Holzbären angeschafft, um den Besuchern die Kunst des Schnitzens näher zu bringen. Weiter wurde mit den Mitteln des Fördervereins die prächtige Fahne der Knabenschützen restauriert, ein wichtiges Objekt der Thuner Stadtgeschichte, das den Thunern und den Heim-wehkadetten erhalten bleiben soll.

Beim Betrachten des restaurierten Objekts fragt sich der interessierte Betrachter natürlich, wer hinter dem Werk steckt, wer es hergestellt hat, welche Ausbildung er hatte, wie viel er mit seiner Arbeit ver-diente. Die Fragen wollen nicht enden. Für den Museumsbesucher bleibt meistens nur das Werk, der Hersteller verbirgt sich unsichtbar dahinter. «Servir et disparaître «galt schon im Mittelalter für die meis-ten Handwerker und wurde zur Maxime der Berner Staatsbeamten zur Zeit des ancien régime. Die Arbeit, das Werk stand im Mittelpunkt, nicht sein Schöpfer.

Alljährlich bewundern um die vierzigtausend Besucher des Schloss-museums Thun die unglaublich schönen «Chacheli» der Heimberger Hafner. Wissen sie etwas über die Menschen, die an seiner Herstellung

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beteiligt waren? Wie viel verdienten die Töpfer? Gehörten sie dank ihren geschickten Händen zur «upper class» des Heimbergs?

Die Geschichte des 19. Jahrhunderts zeigt ein ganz anderes Bild. Die rund achtzig Hafnereien an der Dornhalde und auf dem Hubel stellten zwar prächtige Irdenware her, aber keiner wurde reich dabei, ganz im Gegenteil. Der lange Prozess vom Lehm bis zum fertigen Geschirr war zeit- und arbeitsintensiv: Zuerst wurde der Lehm aus Wüthrichs Grube durch grobe und feinere Siebe gepresst und von kleinen Steinchen gesäubert, dann gemischt mit solchem aus Brenzikofen, damit der «Scherben», das eigentliche Geschirr, stabiler wurde. Die schweren gemischten Lehmballen liess man im Keller ruhen wie einen Kuchen-teig, dann waren die Dreher an der Reihe, die auf der Stüpfscheibe aus Lehmkugeln Teller, Vasen und Krüge formten. Danach wurden die grauen Formen auf Holzbretter gestellt, getrocknet und anschlies-send von den Ausmacherinnen mit dem Malhörnchen verziert. Vor dem Brennen bestäubten die Heimberger das Geschirr mit Bleipulver, das beim Brennen flüssig wurde und die Glasur ergab. Das Bleipulver war hochtoxisch und viele Hafner erkrankten an der Bleikrankheit, welche die Lungen förmlich durchfrass.

Nach dem Bestäuben mit Bleipulver tischte der Hafner das Geschirr sorgfältig in den Ofen, jedes Plätzchen wurde genutzt. Nun folgte der Brand im dreigeschossigen Ofen, der mehrere Tage dauerte. Erst nach dem Brennen wurde klar, ob sich die ganze Mühe gelohnt hatte, häufig misslang der Brand und die grosse Arbeit des ganzen Teams war vergeblich, kein Chacheli konnte in Thun, Burgdorf oder Bern auf dem Märit verkauft werden. Die Hafnereien waren Produktions-gemeinschaften, jeder trug ein Teilchen zum Ganzen bei, die Stücke wurden nur mit dem Zeichen der Hafnerei signiert.

Die Töpferei warf nicht viel ab, deshalb waren die Hafner zugleich Kleinbauern, die zum Überleben eine Kuh hielten oder mehrere Geis-sen. Kartoffeln waren die wichtigste Nahrungsgrundlage, wenn die Ernte schlecht war oder ausfiel, drohten Hunger und Armut. Ein Blick in die Verzeichnisse der Verdingkinder, die nicht bei ihren Eltern blei-ben durften, weil sie ihre Kinder nicht durchfüttern konnten, macht sehr betroffen.

Viele der Hafnerkinder mussten weg von Eltern und Geschwistern, kamen in fremde Familien ins Thuner Westamt, Richtung Eriz oder in die Gegend um Bern. Oft durften nur die ältesten Kinder bleiben, die

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mithalfen, und das jüngste, solange es die Mutter noch stillte. Gan-ze Familien wurden auseinander gerissen. Zwischen 1860 und 1890 wurden im Heimberg jährlich rund fünfzig Kinder verdingt, praktisch alles Hafnerkinder.

Die Hafner kämpften verbissen gegen die Armut. Die Heimberger er-öffneten eine Mal- und Zeichenschule um die künftigen Töpfer auf ihren Beruf vorzubereiten. Sie entwickelten neue Techniken wie die Majolika und verbanden diese mit kunstvollen Landschaftsmalereien. Die Formen und Farben wurden immer phantasievoller und reicher. Mit der Majolika erhofften sich die Hafner bessere Verkaufszahlen, sie setzten grosse Hoffnungen in den aufkommenden Tourismus am Ende des 19. Jahrhunderts. Sie waren dabei, als gegenüber dem Thu-nerhof ein Pavillon erstellt wurde, der heute noch besteht. Hier boten neben den Steffisburgern auch die Heimberger ihr Geschirr an. Um die Fremden zu beeindrucken, signierten sie es zum Teil mit «manu-facture» oder «poterie à Thoune». Doch die Hafner bemühten sich vergeblich, ihre Anstrengungen waren umsonst.

Nur wenige Gäste kauften die schweren kunstvoll verzierten Platten und Krüge. Die gewöhnlichen Kunden, und das waren die meisten, bevorzugten das billige Industrieporzellan, das die Chacheli immer mehr verdrängte. Die Armut im Heimberg nahm dadurch zu, die Geltstagssteigerungen mehrten sich, und die Zahl der Verdingkinder stieg an. Trotz Fleiss und hervorragender Arbeit ging es den Hafnern immer schlechter. Viele gingen Konkurs, sie «faillierten», und ihre Fa-milie erschien an der nächsten Bettlergemeinde in den Verzeichnissen der Verdinggemeinde.

So ist es eine bittere Ironie der Geschichte, dass an heutigen Auktionen Höchstpreise für prächtige Heimberger Spitzenstücke bezahlt werden, die vor mehr als hundert Jahren von armen Hafnerfamilien hergestellt wurden, welche Hunger litten und kaum die nötigen Mittel hatten zum Überleben.

Heute schmücken ausgewählte Veduten mit aufwändiger Majolika der Heimberger Hafner das Beatrice-von-Wattenwyl-Haus in Bern. Ob die Po-litiker, die Bundesräte und die Staatsgäste der Schweizer Regierung wohl ahnen, welche Schicksale sich hinter den Prachtstücken verbergen?

«Servir et disparaître» galt für alten Berner und für die Hafner und ihre Werke. Es gilt auch für die Präsidentin, die zurücktritt. Sie wünscht dem

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Förderverein und der Stiftung des Schlossmuseums für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg.

PräsidentinVreni Blum-Bruni, Wabersackerstrasse 104, 3097 Liebefeld

Vizepräsident und SekretariatDaniel Bähler, Talackerstrasse 43 i, 3604 Thun

KassierinBarbara Mani, Schafmattstrasse 16, 3223 Belp

MitgliederBarbara Cadisch-Wolf, Schlossberg 5, 3600 ThunGeorg Frank, Lauenenweg 12, 3600 ThunAnne-Marie Hottinger, Rohrmatt 36, 3126 KaufdorfChristoph Im Obersteg, Steinackerweg 1, 4105 Biel-BenkenMagdalena Kratzer, Schwalmernstrasse 12, 3600 Thun

RevisorenRuedi Keller, Dorfhalde 36, 3612 SteffisburgChristian Fröhlich, Hünibachstrasse 4, 3652 Hilterfingen

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Die nachfolgend aufgeführten Institutionen und Personen haben das Schlossmuseum besonders grosszügig unterstützt:

Berner Kantonalbank, ThunBrautmode Thomi AG, ThunBurgergemeinde ThunMeyer Burger AG, Thun

Peter Ammann, SchlosswilMadeleine Berdoz, BaselHedi Burren-Könitzer, SeftigenMartin Frauchiger, ThunPeter Guggisberg-Tschannen, GaselElsbeth & Beat Geissbühler-Ruf, ThunHans-Ueli Gerber-Linder, ThunWalter Hiltbrunner, ThunHeinrich Hoffmann, GwattErnst Emil Hollenweger, HünibachTheodor Kästli-Aebi, BolligenBarbara & Hans W. König, ThunUrs Lenggenhager, BernHans Meier-Jirenec, HünibachHans Kubli, BaselRobert Meier-Odermatt, MeggenPeter Moser,BielUlrich Müller-Gierok, WabernMarcel Niethammer, BaselFrau & Herr Heinz Polivka, ThunHeidy Probst, BaselYolanda & Fritz Ramseier-Stucky, AmsoldingenSamuel Saurer-Wittwer, SpiezwilerChristian Schäfer-Hostettler, ThunFrancisca & Andreas Schwarzenbach-Sägesser, ThunMarianne Suter, GoldiwilJohann Ulrich, Küssnacht am RigiFritz Zürcher-Kurz, Thun

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Jahresrechnung des Fördervereins

BILANZ 31. DEZEMBER 2007 2006 Fr. Fr.Flüssige Mittel 110’139.48 107’713.80Andere Forderungen 2’735.09 1’016.14Umlaufvermögen 112’874.57 108’729.94

Anlagevermögen (Finanzanlagen) 186’091.45 185’213.30Aktiven 298’966.02 293’943.24Vereinskapital 273’943.24 268’376.23Reserve für Ankäufe 20’000 20’000.00Jahresgewinn 5’022.78 5’567.01Eigenkapital 298’966.02 293’943.24Passiven 298’966.02 293’943.24

ERFOLGSRECHNUNG 1.1. – 31.12.

2007 2006 Fr. Fr.Betriebserlös 49’602.45 52’261.02./. Betriebsaufwand -21’168.57 -29’926.16+ Finanzertrag 4’911.20 3’232.15./. Zuwendung an die Stiftung Schlossmuseum -20’000.00 -30’000.00./. Restauration Kadettenfahne -6’729.80 0.00./. Bären Holzbildhauerei Brienz -1’592.50 0.00+ Auflösung Rückstellung 0.00 10’000.00Jahresgewinn 5’022.78 5’567.01

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Revisorenbericht

Als Revisoren haben wir die Buchführung und die Jahresrechnung (Bi-lanz und Erfolgsrechnung) des Fördervereins Schlossmuseum Thun für das am 31. Dezember 2007 abgeschlossene Geschäftsjahr geprüft.

Für die Jahresrechnung ist der Vorstand verantwortlich, während un-sere Aufgabe darin besteht, diese zu prüfen und zu beurteilen.

Wir prüften die Posten und Angaben der Jahresrechnung gemäss den uns zur Verfügung gestellten Belegen und Unterlagen. Ferner beur-teilten wir die Anwendung der massgebenden Rechnungslegungs-grundsätze, die wesentlichen Bewertungsentscheide sowie die Dar-stellung der Jahresrechnung als Ganzes. Wir sind der Auffassung, dass unsere Prüfung eine ausreichende Grundlage für unser Urteil bildet. Gemäss unserer Beurteilung entsprechen die Buchführung und die Jahresrechnung Gesetz und Statuten.

Wir empfehlen, die vorliegende Jahresrechnung zu genehmigen.

Thun, 15. Mai 2008

R. Keller

Ch. Fröhlich

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Ausflug des Fördervereins nach Einigen und Spiez am 8. September 2007

Daniel Bähler

Mit unermüdlichem Einsatz gelingt es unserem Vorstandsmitglied Magdalena Kratzer immer wieder, neue Ziele für den zur Tradition gewordenen, jeweils im Herbst stattfindenden Ausflug des Förder-vereins zu finden. Solche Ziele können durchaus direkt vor der Haus-türe liegen, wie sich im vergangenen Jahr gezeigt hat. Wichtig und Gewinn bringend sind jeweils die Führungen durch Personen, welche die zu besichtigenden Kulturgüter à fond kennen und den Teilneh-menden Aspekte näher bringen können, die bei einem gewöhnlichen Besuch verborgen bleiben.

Ein Kenner der Kirchen in und rund um Thun ist Pfarrer Michael Däh-ler, der mittlerweile in den Ruhestand getreten ist und dadurch ge-wonnene Zeit für die Erforschung von Besonderheiten dieser Kirchen und die Weitergabe erlangter Erkenntnisse an interessierte Personen einsetzt. Grosse Verdienste hat er sich dabei um die Kirche Scherzligen erworben. Die rund 30 Teilnehmenden des Ausflugs zur Kirche Eini-gen und zur Schlosskirche Spiez durften jedoch erfahren und davon profitieren, dass sich Michael Dähler auch in diesen zum wertvollsten Kulturerbe unserer Gegend zählenden Gotteshäusern bestens aus-kennt.

Die Kirche Einigen ist die Mutter der zwölf (mit der verschwundenen Kirche Uttigen dreizehn), nach der Legende von Rudolf II. von Hoch-burgund gegründeten «Tausend jährigen» Kirchen in der Thunersee-region. Der romanische Bau mit seinem dunklen, andächtigen Raum war bereits die zweite Kirche an diesem Standort, wobei der Turm erst später entstand. Die Kirche wurde um 1950 und kürzlich wieder restauriert. Nach einer Besichtigung der Aussenseiten galt die Auf-merksamkeit den Glasfenstern mit kleinen, nach dem Vorbild Hans Holbeins gestalteten Bildern mit Szenen aus dem Vater Unser.In Spiez angekommen, fand sich die Gruppe zunächst im Schlosskeller ein, wo ein Apéro serviert wurde, natürlich mit Spiezer Wein verschie-dener Sorten und Informationen von kundiger Seite über den Rebbau und die Weinherstellung.

Umgekehrt als in Einigen ist bei der Schlosskirche Spiez der Turm äl-ter als die dreischiffige Kirche, welche als Besonderheit eine Krypta

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enthält. Michael Dähler zeigte den Teilnehmenden bei der Aussenbe-sichtigung, wie der Bau im Laufe der Zeit umgestaltet wurde. Fenster wurden vergrössert, und eine ursprünglich bestehende Abstufung verschwand. Im Inneren fanden namentlich eine in der Gotik verän-derte romanische Malerei und eine Stuckatur, bei der Christus durch das Wappen des Herrn von Erlach ersetzt wurde, Beachtung. Ganz besonders interessant waren die Parallelen zu Merkmalen orthodoxer Glaubensrichtungen, die der Referent an Hand vieler Folien mit Bei-spielen von anderen Orten aufzeigte.

Der lehrreiche Ausflug wurde abgeschlossen mit einem gemeinsamen Nachtessen im Hotel Eden, wo Zeit für Gespräche unter den Teilneh-menden blieb.

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Die Sparbüchse von Karl Stauffer-Bern (siehe JB 2006, S. 47 ff.)

Hans Kelterborn

KORRIGENDUM

Der Schlag auf der Frontseite der Sparbüchse lautet: «R. SCHAERER 1814» (nicht 1914).

NACHTRAG

An der Hauptversammlung des Fördervereins am 18. Juni 2007 im Rit-tersaal des Schlosses Thun konnte Hans Krähenbühl, Steffisburg, das Geheimnis lüften, von wem die Sparbüchse anno 1935 dem Schloss-museum geschenkt worden ist:

Karl Stauffer-Bern hatte einen Bruder und vier Schwestern. Amélie Stauffer, die jüngste (1867–1937), war die Grossmutter von Hans Krä-henbühl. Frau A. Krähenbühl-Stauffer hat in den Jahren 1927 und 1935 dem Schlossmuseum Thun einige Gegenstände vermacht, dar-unter auch besagte Sparbüchse.

Auch zum Text, welcher in die Sparbüchse geschlagen ist, konnte Hans Krähenbühl die Erklärung liefern:Der einstige Berner Stadtturner und Psychiater Dr. Rudolf Schaerer, geboren 1814, war Direktor der Waldau und der Onkel von Karl Stauf-fer-Bern. Er gab 1864 einen illustrierten Lehrgang für die Schwinger, das sog. Schärer-Büchlein, heraus. Die Büchse dürfte also ursprünglich Ru dolf Schaerer gehört haben, welcher sie später seinem Neffen Karl Stauffer weitergeschenkt hat.

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Was ist das?

Hans Kelterborn

In unserer Sammlung befinden sich zahlreiche Gegenstände, welche nie inventarisiert worden sind und die uns heute Rätsel aufgeben. Wir wenden uns vertrauensvoll an unsere Leserinnen und Leser, um viel-leicht auf diesem Weg zu wertvollen Hinweisen zu gelangen.

Allg. Nr. 9000

Braune Kartonschachtel (11.8 x 5.6. x 2.4 cm),

enthaltend 2 Dichtungs ringe (Asbest?), 1 Messingrondelle mit feinem zentralem Loch, 1 Drahthaken, 1 Drahtahle, 1 Strange Wollfäden.

Allg. Nr. 1222

Nierenförmiges Miniaturmöbel (31 x 20.5 x 11 cm),

auf vier gedrehten Füssen, Öffnung des Deckels mittels Pedal, Zinkblecheinsatz.

Allg. Nr. 7023

Blechbehälter (24 x 20 x 8.6 cm),

geteilter Deckel; 2-stöckiger Einsatz mit je 4 kreisrunden Löchern (30 mm Ø). Wasserbad für Eier oder Schnapsgläschen?

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Allg. Nr. 1221

Apparat aus Holz (53 x 22.5 x 26.5 cm),

Radgetriebe, kleine Schnur walze, Zahnradvorschub; unten vorne bezeichnet: «Schubfach». Mo dell einer landwirtschaftlichen Maschine?

Allg. Nr. 9020

Stahl, in Form einer Speerspitze

mit Handgriff und zwei ausklappbaren Dornen (23 cm); gesamte Länge 62.5 cm. Aufschrift auf den Dornen aussen: AL SEGNO, innen: DEL TROMBETO / DEL TROMBETA.Messwerk zeug?

Allg. Nr. 9034

Geschmiedetes Eisen

21.5 cm lang, Bügel beweglich. Schloss?

Allg. Nr. 1347

Holzzylinder

Schlanker Stiel, eingeschraubt in hohl geschnittene Trommel mit Zackenmuster, 38.5 cm lang; Formwerkzeug, Rührwerkzeug?

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Altes und Neues zum römischen Heiligtum von Thun-Allmendingen

Stefanie Martin-Kilcher / Regula Schatzmann

Wer durch das neue Quartier der Thuner Allmend in Richtung All-mendingen geht oder fährt, merkt kaum mehr, dass dort vor 2000 Jahren ein prächtiges Heiligtum mit mehreren Tempeln und weiteren Gebäuden stand. Das rund 6000 m2 grosse Areal selbst wurde zwar 1976 unter Schutz gestellt; heute erinnern aber in dem inzwischen ganz überbauten Westquartier der sich ausdehnenden Stadt Thun nur noch eine Wiese und einige moderne Strassennamen an den Hei-ligen Ort aus römischer Zeit.

Das römische Heiligtum stand auf dem obersten Abschnitt des Kan-derdeltas, denn die Kander floss bis zum Jahr 1714 nördlich von Thun in die Aare. Wegen den seit dem Mittelalter zunehmenden Hochwas-sern beschlossen die Gnädigen Herren in Bern 1714, die Kander umzu-leiten. Seither fliesst sie bei Einigen direkt in den Thunersee und hat bereits beachtliche Geschiebemassen in den See geführt. Die Zonen zwischen Nordufer des Sees und Aare wurden trocken gelegt und als Kulturland genutzt.

Vor bald 200 Jahren, in den Jahren 1824 und 1825, liess der geschichtsinteressierte Thuner Landam-mann Carl Friedrich Ludwig Lohner (1786–1863) dort graben, da man in der Gegend immer wieder rö-mische Münzen und andere Gegenstände gefunden hatte. Es ging sogar die Sage um von einem Schatz, der von einem bösen Geist bei einer Kapelle gesonnt werde. Nachdem Kinder den Kopf einer Statue fan-den und damit so lange Ball spielten, bis er zerbrach, beschloss Lohner, mit Ausgrabungen zu beginnen. Diese brachten nicht nur fünf Tempel und Kapellen zu Tage, sondern auch eine ganze Reihe von Fund-stücken und etwa 1200 Münzen. Einige mit Götter-namen beschriftete Miniaturäxte und zahlreiche Hirschgeweihe zeigten ihm, dass es sich hier um ein Heiligtum handelte. Der mit ihm befreundete Zwei-simmener Notar Christian Burgener (1801–1841) fer-tigte von mehreren Funden hübsche Aquarelle an, die heute im Schlossmuseum Thun aufbewahrt wer-

Sitzungsprotokoll vom 14. Dezember 1919

Ein kürzlich aufgefundenes handschriftliches Protokoll einer gemein-samen Sitzung des Vorstandes des Verschönerungsvereins von Thun und des Vorstandes der historischen Sammlung Schloss Thun1 vom Sonntag (!), 14. Dezember 1919 zeigt, dass man sich schon damals Ge-danken über die Ausstrahlung des Schlosses und insbesondere seiner Museumssammlung in die Region hinaus machte:

...

Vice Präsident Günter macht die Anregung, dass die beiden Vor stände wenigstens alle Vierteljahre eine Sitzung abhalten sollten.

Hr. Dr. von Morlot unterstützt diese Anregung und wünscht, dass Vor träge abgehalten würden über Kunst-Gegenstände, Waffen, Wap-pen, damit die Sammlung mehr popularisiert würde. Ferner sollte die Frage geprüft werden, ob nicht ganze Zimmer eingerichtet werden sollten, wie im historischen Museum Bern. Da der VVT jedoch finanzi-ell nicht gut stehe, müsse natürlich der Vorstand der hist. Sammlung mit den Ankäufen nur im Rahmen des Möglichen arbeiten.

Herr Günter nimmt diese Anregung entgegen, betont jedoch, dass in den Kriegsjahren der Besuch der Sammlung schwach war & deshalb das Museum kein Geld habe und Herr Präsident Hopf bereits finan-ziell beteiligt sei bei verschiedenen notwendigen Anschaffungen.

Hr. Oberförster Ammon2 empfiehlt ebenfalls mehr öffentliche Propa-ganda wie Vorträge, Zeitungsartikel, damit das Volk Kenntnis erhält, dass in Thun ein Museum existiert. Auf dem Lande weiss man so viel wie nichts davon, deshalb ist der Besuch der Schulen so schwach, weil die Sammlung nicht bekannt ist.

...

1 Eigentlich: Museumskommission des Verkehrs- und Verschönerungsvereins Thun VVT.

2 Vorstandsmitglied des Verkehrs- und Verschönerungsvereins.

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Bild 11824 beim Pflügen entdecktes Köpfchen des Attis aus Kalkstein (H. 9 cm), das mit anderen Sta-tuenresten zu den Ausgrabungen in Thun-Allmendingen führte. Aquarell von Christian Burgener, 1826.

Altes und Neues zum römischen Heiligtum von Thun-Allmendingen

Stefanie Martin-Kilcher / Regula Schatzmann

Wer durch das neue Quartier der Thuner Allmend in Richtung All-mendingen geht oder fährt, merkt kaum mehr, dass dort vor 2000 Jahren ein prächtiges Heiligtum mit mehreren Tempeln und weiteren Gebäuden stand. Das rund 6000 m2 grosse Areal selbst wurde zwar 1976 unter Schutz gestellt; heute erinnern aber in dem inzwischen ganz überbauten Westquartier der sich ausdehnenden Stadt Thun nur noch eine Wiese und einige moderne Strassennamen an den Hei-ligen Ort aus römischer Zeit.

Das römische Heiligtum stand auf dem obersten Abschnitt des Kan-derdeltas, denn die Kander floss bis zum Jahr 1714 nördlich von Thun in die Aare. Wegen den seit dem Mittelalter zunehmenden Hochwas-sern beschlossen die Gnädigen Herren in Bern 1714, die Kander umzu-leiten. Seither fliesst sie bei Einigen direkt in den Thunersee und hat bereits beachtliche Geschiebemassen in den See geführt. Die Zonen zwischen Nordufer des Sees und Aare wurden trocken gelegt und als Kulturland genutzt.

Vor bald 200 Jahren, in den Jahren 1824 und 1825, liess der geschichtsinteressierte Thuner Landam-mann Carl Friedrich Ludwig Lohner (1786–1863) dort graben, da man in der Gegend immer wieder rö-mische Münzen und andere Gegenstände gefunden hatte. Es ging sogar die Sage um von einem Schatz, der von einem bösen Geist bei einer Kapelle gesonnt werde. Nachdem Kinder den Kopf einer Statue fan-den und damit so lange Ball spielten, bis er zerbrach, beschloss Lohner, mit Ausgrabungen zu beginnen. Diese brachten nicht nur fünf Tempel und Kapellen zu Tage, sondern auch eine ganze Reihe von Fund-stücken und etwa 1200 Münzen. Einige mit Götter-namen beschriftete Miniaturäxte und zahlreiche Hirschgeweihe zeigten ihm, dass es sich hier um ein Heiligtum handelte. Der mit ihm befreundete Zwei-simmener Notar Christian Burgener (1801–1841) fer-tigte von mehreren Funden hübsche Aquarelle an, die heute im Schlossmuseum Thun aufbewahrt wer-

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den (Bild 1). Im «Schweizer Geschichtsfreund» 1832 veröf-fentlichte Lohner einen ausführlichen Bericht über die Aus-grabungen und bildete einige Funde in Lithographien ab (Bild 2).

Hundert Jahre später kamen neue Informationen über das Heiligtum hinzu: An Ostern 1926 stiess der Bauer Hans Du-bach mit seinem Pflug an einen Stein. Als er mit den Händen nachgrub, merkte er, dass es sich dabei nicht um einen ge-wöhnlichen Stein handelte, sondern um einen bearbeiteten. Sogleich benachrichtigte er den Allmendinger Lehrer Franz Wuillemin (1879–1956), der sich für die Archäologie und Geschichte rings um den Thunersee interessierte. Über die Osterfeiertage legte er den Sockel für eine Statuengruppe mit Inschrift an die Alpengöttinnen, die Alpes, frei (Bild 3). Der etwa einen Meter grosse Block aus alpinem Kalkstein stand auf einem Boden aus gestampftem Lehm. Darum her-um entdeckte der Lehrer beim sorgfältigen Ausgraben nicht nur die Statuette einer Göttin aus Carrara-Marmor, sondern auch eine ganze Reihe von Weihegaben und weitere 300 Münzen. All die Funde trug er säuberlich auf einem Plan ein. Erst bei den späteren Ausgrabungen im Jahr 1967, als die Fundamente der Tempel vom Archäologischen Dienst des Kantons Bern nochmals freigelegt und ausgemessen wur-den, merkte man, dass der Statuensockel mit der Inschrift ursprünglich in einem Tempel (Tempel 6) gestanden hatte. Bei dieser Grabung kamen weitere Gebäude im Nordteil des Areals zutage, die Reste der Umfassungsmauer und Hun-derte von Scherben und Stücke vom antiken Mobiliar. Im Bereich der Tempel fand man zudem weitere Weihegaben und Münzen. In einer Grube lagen zahlreiche zerschlagene Reste von wenigstens einem Dutzend Kalksteinstatuen. Der Berner Archäologe Martin Bossert hat diese Fragmente un-tersucht und seine bemerkenswerten Resultate 2001 in einer Monographie veröffentlicht.

Schon vor einigen Jahren hat das Institut für Ur- und Früh-geschichte & Archäologie der Römischen Provinzen der Uni-versität Bern vom Archäologischen Dienst des Kantons Bern den Auftrag übernommen, die Ausgrabungen und Funde aus dem Heiligtum von Thun-Allmendingen zu bearbeiten. An diesem Projekt haben während der ersten Jahre eine

Bild 3 Sockel aus alpinem Kalkstein für das Kult-bild der Alpes in Tem-pel 6, mit der Inschrift Alpibus / ex stipe / reg(io) Lind(ensis). Die Oberseite diente als Auflage für Weihege-schenk. H. 98 cm.

Bild 2Miniaturisierte Voti-växte mit Inschriften an verschiedene Gott-heiten aus dem Heilig-tum. Aus dem Bericht Lohners von 1832.

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ganze Reihe von Studentinnen und Studenten aus Bern mitgearbei-tet. 1995/96 gestalteten sie zusammen mit Studierenden der Schule für Gestaltung in Biel eine Ausstellung, die zuerst in Bern, dann an-schliessend im Wocher-Panorama in Thun zu sehen war. Später reis-te die Schau weiter nach Biel und schliesslich nach Königsfelden, wo man in der gotischen Klosterkirche einen weiteren rekonstruierten römischen Tempel gefunden hatte. Inzwischen ist die Auswertung der Ausgrabungen und der zahlreichen anderen Funde aus dem Heilig-tum abgeschlossen und soll bald gedruckt werden.

Die Resultate dieser Arbeiten rücken die Bedeutung des Platzes ins rechte Licht. Viel Neues ist zur Bedeu-tung des Heiligtums und seiner Einbindung im oberen Aareraum, aber auch zu seinem überregionalen, ge-schichtlichen Rahmen erkennbar geworden.

Der Standort am Übergang vom Mittelland zur Welt der Berner Alpen ist nicht zufällig. Sicher spielt das beeindruckende Panorama der Berner Alpen eine Rol-le, das damals wie heute das Auge besticht. Der Weg durch die Berge war für den nach Süden Reisenden ge-fahrvoll; in Thun-Allmendingen fand sich daher im An-gesicht des Bevorstehenden eine letzte Gelegenheit, die Gottheiten um Schutz zu bitten oder auch nach der geglückten Rückkehr zu danken. Die Kultstatue der Alpengöttinnen und mehrere Statuen des höchsten Berggottes Jupiter legen davon ein beredtes Zeugnis ab. Dass Thun Ausgangspunkt für Reisewege über die Berner Alpenpässe war, belegen Überreste von Bau-ten und Funden an vielen Übergängen in den Bergen, unter anderem jene vom Schnidejoch. Aus dem Süden mitgebrachte und im Heiligtum geweihte Gaben spre-chen von glücklich Zurückgekehrten (Bild 4).

Aber auch die Verbundenheit mit der näheren Um-gebung drückt sich in den Funden aus dem Heiligtum aus. Die mit mehreren Statuen und Inschriften ver-tretene Jagdgöttin Diana verweisen, gleich wie viele geopferte Hirschgeweihe, auf die Umgebung des Hei-ligtums, die man sich in römischer Zeit – neben land-wirtschaftlich genutzten Gebieten – mit grossen Wei-de- und Waldflächen vorstellen darf. Im Herbst luden

Bild 4a und 4b Miniaturplatten mit der Sage von Diana und Actaeus sowie mit dem Bild eines Hahnen-kampfs. Die aus fast reinem Zinn gegossenen Gefässchen sind nur gerade gut 4 cm gross und wurden aus Italien oder aus dem Balkan mitgebracht und im Heiligtum Thun-Allmendingen geweiht.

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die Wälder zur Jagd ein, an der neben den Einheimischen insbesonde-re die Grundeigentümer, das heisst reiche Herren aus der Umgebung der helvetischen Hauptstadt Aventicum (Avenches VD), teilnahmen.

Zu den Gewässern passt der hier ebenfalls verehrte Neptun als Gott-heit des Wassers. Hier finden wir einen Widerhall der lokalen Bevölke-rung, die in der nahe gelegenen Kleinstadt des römischen Thun, in der Antike vielleicht schon Dunum genannt, oder der nahen Umgebung gelebt hat. Leider wissen wir nur wenig darüber, wie man sich die Siedlung vorzustellen hat. Schön früh förderten einflussreiche Persön-lichkeiten der Gegend das nahe Heiligtum, wie Funde beweisen: So wurden Überreste einer Statue aus der Zeit um 50 n. Chr. gefunden, die über zweieinhalb Meter hoch und damit grösser als die Göttersta-tuen war (Bild 5)! Sie stellt einen Priester im römischen Bürgermantel, der Toga, dar, der einen Kranz trägt.

Bild 5Der bekränzte Kopf des monumentalen Togatus aus Thun-Allmendingen (links) im Vergleich mit einem etwas älteren Kaiserpriester aus Velia in Unteritalien.

Die Beschäftigung mit dem Heiligtum hat auch neue Erkenntnisse zu den Gebäuden und ihrer Nutzung erbracht (Bild 6). Wir können heu-te sagen, dass das von einer Mauer umschlossene und damit von der «nichtsakralen» oder profanen Welt abgetrennte Areal auch im In-neren weiter unterteilt war. Die sorgfältig gemauerten Tempel und Kapellen fanden sich im Süden: Hier wurden die Gottheiten verehrt und Opfer dargebracht. Dass die Tempel neben den Kultbildern weiter mit Truhen oder Schränken möbliert waren, zeigen uns entsprechende Funde. In und auf den Möbeln konnten die vielfältigen Gaben der Be-sucherinnen und Besucher aufbewahrt werden. Aber auch die nicht bebauten Flächen wurden für die Verehrung der Gottheiten genutzt: im Freien standen Altäre und weitere Statuen. Im Nordteil hingegen reihten sich Fachwerkbauten mit Wohn- und Aufenthaltsräumen. Dazu kommen auch Wagenremisen und Stallungen. Zahlreiches Küchengerät und Essgeschirr unter den Funden zeigen, dass hier auch gekocht und demnach gegessen wurde: Das gemeinsame Mahl nach dem Opfer war in römischer Zeit ein wichtiger Bestandteil der religiösen Praktiken.

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Funde und Münzen geben keinerlei Hinweise auf ein bereits in vor-römischer Zeit bestehendes Heiligtum, doch kann dieser besondere topographische Platz schon früher als numinos bzw. göttlich und hei-lig betrachtet worden sein. Einige wenige Gegenstände weisen aber darauf hin, dass hier bereits seit der Zeitenwende ein Heiligtum be-stand; eine kontinuierliche Nutzung ist ab dem zweiten Viertel des 1. Jahrhunderts gesichert. Dazu dürften zunächst in Holz- und Fach-werktechnik errichtete Tempel gehört haben. Nach den zahlreichen Funden auf dem Cellaboden von Tempel 6 wurde dieser Bau bald nach der Mitte des 1. Jahrhunderts in Stein umgebaut. Der Nordteil des Heiligtums wurde nach einem verheerenden Brand im späteren 3. Jahrhundert aufgegeben. Der Südteil mit den Tempeln und Kapel-len blieb, mit abnehmender Bedeutung, bis ins späte 4. oder frühe 5. Jahrhundert ein Heiliger Ort, obwohl zuletzt das Christentum bereits offizielle Staatsreligion war.

Heute befinden sich die meisten Funde aus dem Heiligtum im Ber-nischen Historischen Museum. Im Schlossmuseum Thun werden die hübschen Aquarelle von Hermann Burgener aufbewahrt. Die seit 2006 amtierende Museumsleiterin Lilian Raselli informierte uns im vergangenen Herbst über bisher noch nicht registrierte Funde, die nun erstmals erfasst worden sind, darunter alle Tierknochen aus den Grabungen von 1967!

Bild 6 Thun-Allmendingen. Aufgrund der Befund- und Fundverteilungen rekonstruieren wir das Heiligtum mit Haupt-eingang von Süden her, der zu einem freien Platz führte. Hier könnten sich die Kultgemeinschaften versammelt haben, und von hier kann man über Prozessionswege zu den Tempeln und weiteren Plätzen oder zu Hainen mit Altären und verschiedenen Weihegaben gelangt sein. Die Befund- und Fundverteilung zeigt einen sakralen Südteil mit den Tempeln, Kapellen und Votiven und einen profanen Nordteil mit Wohn-, Service- und Ökonomiebauten. Schematische Plan und Zeichnung.

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Die «wiederentdeckten» Tierknochen lieferten noch-mals wichtige Informationen zu den Kultpraktiken im Heiligtum. Hirschgeweihe (Bild 7) verweisen auf das Weihen von Jagdtrophäen. Von besonderem Interesse sind auch viele Schweineknochen aus dem Nordteil des Heiligtums: Die in römischer Zeit nicht nur als Fleisch-lieferanten beliebten, sondern seit jeher typischen Opfertiere wurden nach der Opferung offensichtlich von den Gläubigen verspeist, nachdem die Gottheit ihren Teil erhalten hatte.

Gefreut haben wir uns besonders über vier Fibeln, die sorgsam in einer kleinen Schachtel verpackt lagen. Sie wurden im frühen 20. Jahrhundert auf der Thuner Allmend, höchstwahrscheinlich im Areal des Heilig-tums, aufgelesen (Bild 8). Mit den Fibeln wurden in römischer Zeit die Kleider verschlossen, sie waren da-her ein fester Bestandteil der Kleidung der Menschen. Die Menschen trugen je nach Gebiet unterschiedlich geformte Fibeln. Gegenstücke für das Thuner Exemp-lar kennen wir vor allem aus dem Westen des Mittel-landes und dem heutigen Ostfrankreich. Man kann sich daher vorstellen, dass die Fibel von einem Pilger oder einer Pilgerin aus diesem Gebiet geweiht wor-den ist.

Mit wenigen anderen Funden spricht die Fibel für den Beginn des Heiligtums bald nach der Zeitenwende. In diese Zeit gehören übrigens auch die ältesten Funde aus der Umgebung, so z. B. aus dem Gutshof von Ue-tendorf-Bälliz. Aus dem Gebiet des heutigen Thun und Steffisburg sind bisher keine so frühen Funde bekannt. Mauerreste, Keramik und Münzen zeigen aber, dass Dunum, der Vicus irgendwo am Ausfluss des Thunersees, bis in spätrömische Zeit bestand.

Mit der Auswertung des Materials des römischen Hei-ligtums von Thun-Allmendingen wird wieder einmal bestätigt, dass viele selbst auf den ersten Blick un-scheinbare Funde ihren Beitrag zur Geschichte erbrin-gen können. Wir hoffen nun, mit der bald erschei-nenden Monografie der Öffentlichkeit die Bedeutung

Bild 7 Bei den Ausgrabungen von 1967 gefundene schädelechte Hirschgeweihe aus dem Areal von und um Tempel 6.

Bild 8 Die vier 2006 im Museums-depot wieder entdeckten Fibeln, die wahrscheinlich aus dem Areal des Heiligtums stammen; Gewandschliessen wie die Allmendinger Funde wurden häufig in Heiligtümern geweiht. Links das früheste, leider arg zerdrückte Stück, das neben anderen Funden auf einen Beginn des Platzes bald nach der Zeitenwende weist.

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der Thuner Funde aufzuzeigen und gleichzeitig überraschende oder vertraute Einblicke ins tägliche Leben der römischen Zeit liefern zu können.

Literatur

M. Bossert, Die Skulpturen des gallorömischen Tempelbezirkes von Thun-Allmendingen. Corpus signorum imperii Romani, Schweiz 1,6 (Bern 2001)

S. Martin-Kilcher, unter Mitarbeit von M. Balmer/K. Bartels/D. Berger/M. Gurtner/T. Maradi/N. Mekacher/Th. Pauli/A. Schaer/G. F. Schaeren/R. Schatzmann/Ch. Sturny/I. Wende, Das römische Heiligtum von Thun-Allmendingen. Arch. Führer Schweiz 28 (Bern 1995)

S. Martin-Kilcher/R. Schatzmann (Hrsg.), Menschen–Berge–Götter. Das römische Heiligtum von Thun-Allmendingen. Schriften des Bernischen Historischen Museums 9 (im Druck).

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Abb. 1Der Grundriss der Stadt Thun von Caspar Fisch von 1812–14 zeigt den ländlichen Charak-ter des Bälliz mit vielen Gärten. Die Ausgrabungen zeigten nun, dass dieser Charakter wahrscheinlich kein ursprünglicher Zustand ist, sondern ein Ergebnis einer städtischen Binnenwüstung des 14./ 15. Jahrhunderts (Abbildung: Caspar Fisch, Grundriss der Stadt Thun, 1812–14, Burgerarchiv Thun).

Bälliz 30, Thun: Eine mittelalterliche Stadterweiterung im Blick der Archäologen

Armand Baeriswyl

Nur wenig erinnert daran, dass das Bälliz in Thun eine Erweiterung der mittelalterlichen Altstadt aus der Zeit um 1300 ist. Das Quartier, heute Fussgängerzone und Shoppingmeile, ist von Gebäuden des späten 19. und mehr noch des 20. Jahrhunderts geprägt. Das Bälliz ist die dritte mittelalterliche Erweiterung der Stadt Thun nach der zähringischen Gründung um 1200 und einer ersten Erweiterung unter den Grafen von Kyburg im mittleren 13. Jahrhundert. Das Bälliz wird 1308 erst-mals indirekt, 1315 direkt schriftlich erwähnt.

Die Gründungsstadt und die erste Stadterweiterung nach Westen liegen bekanntlich auf der Nordseite der Aare. Ausgangspunkt des neuen Quartiers war die Sinnebrücke bzw. der vom Scherzligtor gesi-cherte Brückenkopf am Südufer der inneren Aare, der wahrscheinlich schon im 13. Jahrhundert bestand. Der Begriff innere Aare müsste eigentlich in Anführungszeichen gesetzt werden, da es damals noch

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Abb. 2Die Grabungsfläche lag zwischen Geschäfts-bauten des 19. und 20. Jahrhundert, die das heutige Erscheinungsbild des Bälliz prägen (Foto Archäologischer Dienst des Kantons Bern).

keine äussere Aare gab. Diese entstand erst 1722–26, als man den Stadtgraben nach der Einleitung der Kander 1714 in den Thunersee ausbaute, so dass das Bälliz zur Insel wurde.

Auf dem ältesten Stadtplan von 1814 erscheint das Bäl-liz von Gartengrundstücken, Scheunen und Ställen ge-prägt.Erst ab 1844 setzte die Ver-änderung zum Wohn- und Geschäftsquartier ein, als die Anstösser die Erlaubnis er-hielten, die Stadtmauer auf 14 Schuh abzubrechen und 1852 die Turmtore abgebro-chen wurden. Mit dem Bau des Bahnhofs 1859 wurde der Bälliz zu einem bedeu-tenden Quartier. Die eigent-liche Blütezeit war dann das ausgehende 19. und frühe

20. Jahrhundert mit dem Bau des Postgebäudes (1891), der Spar- und Leihkasse (1901), der Kantonalbank (1905), dem Gasthof Falken (1907) und den Kaufhäusern Bälliz 40 und 26.

Ein bevorstehender Neubau bot den Archäologen 2007/08 die seltene Chance, Zeugnisse aus der Vergangenheit des Bälliz ans Tageslicht zu bringen. Die im März 2008 abgeschlossenen archäologischen Unter-suchungen am Bälliz 30 waren die letzte Gelegenheit an dieser Stelle, da der Neubau mit seiner Unterkellerung alle älteren Reste unwie-derbringlich tilgte. Die Untersuchungen des Archäologischen Diens-tes des Kantons Bern haben sehr interessante neue Erkenntnisse zur Geschichte des Grundstücks und des gesamten Bälliz erbracht. Die folgende Auflistung ist allerdings erst vorläufig, da die eigentliche Auswertung noch bevorsteht.

Eine Frage, die sich bei archäologischen Untersuchungen in und um Thun immer stellt, ist diejenige nach den Vorgängern der mittelal-terlichen Stadt: Wo lag das keltische «Dunum», das dem Thunersee seinen Namen gab, wo die römische Siedlung, deren Bewohner den Tempelbezirk in Allmendingen frequentierten, wo das frühmittelal-

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terliche Dorf, dessen Pfarrkirche unter der heutigen Stadtkirche lag? Die Untersuchungen auf dem Gelände vom Bälliz 30 haben auf diese Fragen keine Antwort. Es fanden sich keinerlei Spuren aus der Zeit vor der mittelalterlichen Stadtgründung.

PHASE 1:

ZWEITE HÄLFTE DES 13. JAHRHUNDERTS

Die ältesten Befunde stehen bereits im Zusam-menhang mit der Stadterweiterung des 13. Jahrhunderts. Die Stadtmauer wurde zuerst er-richtet. Sie war in bestimmten Abständen mit Türmen versehen. Einer dieser im Grundriss halbrunden Schalentürme lag auf dem unter-suchten Grundstück. Auf der Aussenseite schloss ein künstlicher Verteidigungsgraben an. Wahr-scheinlich gleichzeitig wurde die Bällizgasse da-hinter angelegt.

Der so entstandene Baublock, der von der Stadt-mauer auf der einen, von der Gasse auf der an-deren Seite begrenzt war, wurde anschliessend in Parzellen unterteilt, die der Stadtherr an die bauwilligen Bürger und Neuzuzüger verteilte. Wie die Ausgrabungen zeigten, waren diese mit-telalterlichen Parzellen nicht nur schmaler als die heutigen, sondern die Grenzen verliefen anders und nicht rechtwinklig zur Gasse, sondern leicht schräg. Der Grund für die Ausrichtung lag wohl darin, dass offenbar nicht alle Parzellen aufs Mal abgesteckt wurden, sondern nach Bedarf. Die Absteckung begann beim östlichen Ende des Bälliz. Dieser war der wichtigere und wohl begehrteste Bereich, weil er nahe bei der Brü-cke und damit bei der Hauptverkehrsachse lag. Die schiefe Begrenzung entstand wohl, weil sich beim Abstecken Ungenauigkeiten einschlichen, die sich mit dem Fortsetzen der Parzellenreihe nach Westen addierten, so dass die Grenzen im-mer schrägwinkliger zur Gasse wurden.

Abb. 3Diese Übersichtsaufnahme zeigt im Hintergrund die Stadtmauer und den halbrunden Grundriss des Turmes. Im Vordergrund die Funda-mente des Steinhaus, das im Laufe des 14. Jahrhunderts anstelle eines hölzernen Vorgängers entstand (Foto Archäologischer Dienst des Kantons Bern).

Abb. 4Die gründungszeitlichen Holz-bauten sind längst verschwunden. Die Schwellbalken hinterliessen aber Abdrücke im Boden, soge-nannte Negative, die belegen, dass es sich um Fachwerkkonstruk-tionen handelte (Foto Archäolo-gischer Dienst des Kantons Bern).

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Jeder Bauwillige planierte seine Parzelle individuell und errichtete ein Haus darauf. In unserem Fall war die Bebauung zweiteilig: Gegen die Stadtmauer hin entstand ein mindestens zweigeschossiges Steinhaus, das an den Mauerturm anstiess und diesen einbezog. Gegen die Gas-se hin entstand ein Fachwerkgebäude, dessen Bodenschwellen auf einzelnen Unterlagssteinen aufruhte. Eine hartgepresste Kiesschicht diente als Fussboden.

PHASE 2: IM LAUF DES 14. JAHRHUNDERTS

Später wurde das Holzgebäude umgebaut, dabei wurde die Fach-werkkonstruktion durch eine mit Holzpfosten ersetzt.

PHASE 3: IM LAUF DES 14. JAHRHUNDERTS

In einer weiteren Bauphase kam es zu einem grossen Umbau. Ers-tens wurde der Wehrturm abgebrochen und vollständig neu errich-tet. Zweitens wurde der gassenseitige Holzbau abgebrochen und so erneuert, dass zwischen diesem und dem Steinhaus ein Hof entstand. Drittens dürfte auch jenes erneuert worden sein; jedenfalls erhielt es einen neuen Zugang, eine Aussentreppe mit Altan, von dem aus das oder die Obergeschosse erreicht werden konnten.

PHASE 4: UM 1400

Im Spätmittelalter kam es zu einem vollständigen Änderung der Nut-zung: Abgesehen von der Stadtmauer und dem Wehrturm wurden alle Bauten ersatzlos abgebrochen, die Reste bedeckte man mit einer dicken Schicht Gartenerde. Diese Änderung bedeutet einen Bruch in der Entwicklung: Aus einem Wohngrundstück wurde ein Garten.Wie ist dieser Befund zu interpretieren? Wir finden hier möglicher-weise die Spuren einer sog. «städtischen Binnenwüstung» Die grosse Pestwelle ab 1347 und die darauf folgende spätmittelalterliche Agrar- und Wirtschaftskrise führte in vielen Städten Europas nicht nur zum Ende des Bevölkerungs- und Stadtflächenwachstums, sondern auch zu einem markanten Bevölkerungsrückgang. In der Stadt Bern etwa ging die Einwohnerzahl zwischen 1350 und 1450 um rund ein Drittel zurück. Städtebauliche Folge davon waren viele nicht mehr bebaute Grundstücke und leer stehende Gebäude. Vielerorts wurden diese ab-gebrochen und durch Gärten ersetzt.

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PHASE 5: AB ERSTEM DRITTEL DES 19. JAHRHUNDERTS

Noch 1817 war das ehemalige Hausgrundstück nicht überbaut, son-dern diente als Baumgarten; links und rechts erstreckten sich eben-falls Gärten. Erst zwischen 1825 und 1833 entstand ein Wohn- und Gewerbehaus. In diesem bestand offenbar einige Zeit eine Gerberei. Dieses – allerdings später noch mehrfach umgebaute – Gebäude war in jüngster Zeit als Pizzeria Pizzicata bekannt.

Literatur

Armand Baeriswyl, Stadt, Vorstadt und Stadterweiterung im Mittelalter. Archäolo-gische und historische Studien zum Wachstum der drei Zähringerstädte Burgdorf, Bern und Freiburg im Breisgau (Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters 30), Basel 2003.

Armand Baeriswyl, Zwischen Gross- und Kleinstadt: Burgdorf und Thun, in: Rainer C. Schwinges (Hrsg.), Berns mutige Zeit, Das 13. und 14. Jahrhundert neu entdeckt (Berner Zeiten), Bern 2003, 176–185.

Peter Küffer, Thun – Türme, Tore und Gassen nach 1800 von Johannes Knechthofer, Thun 1988.

Peter Küffer, Thun (Amtsbezirk), in: Historisches Lexikon der Schweiz [elektronische Publikation HLS], Manuskriptversion vom 4.4.1996, Bern 1996.

Peter Küffer/Felix Müller, Thun (Gemeinde), in: Historisches Lexikon der Schweiz [elektronische Publikation HLS], Manuskriptversion vom 7.4.1999.

Ursula Maurer/Daniel Wolf, Thun, in: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (Hrsg.), Inventar der neueren Schweizer Architektur. Städte Sion, Solothurn, Stans, Thun, Vevey (Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850–1920 9), Bern 2003, 295–422.

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Abb. 1Schlossmuseum Thun; Siegelsammlung in heutigem Zustand. Masse der Platten 20 x 40 cm.

Vergangene Sammelleidenschaft – Zu einer kleinen Siegelabdrucksammlung in Besitz des Schlossmuseums

Lilian Raselli-Nydegger

Im Lager des Schlossmuseums befinden sich unter den Objekten, welche im Hochwasser von 1999 stark beschädigt worden sind, vier Kartonplatten mit der Inventar-Nummer 9062 in irreparablem Zustand (Abb. 1). Dabei handelt es sich um den Rest einer kleinen Sammlung von Lacksiegeln. Die Platten sind mit geprägten Papierbändchen ein-gefasst, darauf sind in mehreren Reihen Lacksie-gel aufgeklebt. Ein Grossteil der erhaltenen Siegel stellt unterschiedliche Familienwappen dar. Dazu gesellt sich auch eine Siegelart, welche antike und antikisierende Motive aufweist. Auf sie soll im folgenden Beitrag näher eingegangen werden, zeugt sie doch von einer Sammelleidenschaft, die seit der Renaissance und bis ins ausgehende 19. Jh. weite Teile des eu-ropäischen Adels und des Bürgertums erfasst hatte und ein wichtiges Element der gehobenen Bildung und Unterhaltung darstellte.

UNVERSEHRTE ZEUGEN DER ANTIKE

Im 18. Jahrhundert wurden in vielen Bereichen der Wissenschaft Grundlagen geschaffen, auf denen unser heutiges Wissen basiert. Das gilt auch für die Kunstgeschichte und Archäologie. Galten die Über-reste der römischen und griechischen Kultur früher vor allem als Mit-tel zur inhaltlichen Überprüfung antiker Texte, wandte man sich seit dem 18. Jahrhundert nun ihrer ästhetischen Qualität zu. Proportionen und Formen antiker Kunstwerke wurden als rein und unübertrefflich angesehen. Sie bildeten deshalb auch die Grundlage der zeitgenös-sischen Kunst.

Für die Gelehrten nördlich der Alpen war es im 18. Jahrhundert auf-wendig, die antiken Kunstwerke im Original zu Gesicht zu bekommen, befanden sich diese doch im fernen Italien. Eine Bildungsreise dort-hin, die «Grand Tour», war zudem teuer und daher wohlhabenden Personen vorbehalten.

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Aus dem Bedürfnis nach antiker Kunst erklärt sich die Wertschätzung für eine Gattung von kleinformatigen antiken Objekten. Es handelt sich dabei um die «Gemmen». Dieser Begriff wird noch heute spezi-fisch für Edelsteine verwendet, denen Bilder eingraviert wurden und die besonders in römischer Zeit als Siegelringe verwendet wurden (Abb. 2). Aufgrund ihres kleinen Formats, des Wertes und des dauer-haften Materials haben sie die Zeiten wie keine anderen Kunstdenk-mäler überdauert. Zudem illustrieren die teilweise sogar mehrteiligen Bildszenen auf diesen Preziosen die antike Geschichte und Mytho-logie weit besser als die fragmentarisch erhaltenen Marmorstatuen oder Ruinen Italiens.

TAUSCHOBJEKTE FÜR GEBILDETE

Allerdings war auch der Erwerb solcher geschnitte-ner Steine aufgrund der hohen Preise ein Privileg einer kleineren Schicht. So wurden die Gemmen zuerst abgezeichnet und als Kupferstiche publi-ziert. Oft waren diese Abbildungen keineswegs originalgetreu. Kenner der Materie, deren Kreis sich laufend vergrösserte, suchten daher nach an-deren Möglichkeiten, um «originale» Gemmen studieren zu können.

Nun bestand eine Hauptfunktion der Gemmen in der Verwendung als Siegel. Daher war deren Ab-druck keine blosse Reproduktion; im Gegenteil, er zeigte sogar das «richtige» Bild, während der Stein «bloss» das seitenverkehrte Negativ auf-wies. Gemmenabdrücke stellten daher nicht nur die perfekteste Reproduktion der Motive dar, sie konnten zudem einfach hergestellt, gesammelt oder getauscht werden – und obendrein waren sie nun auch für weite Kreise erschwinglich. Mit ihrem kleinen Format verfügten die Gemmenab-drücke daher über ideale Voraussetzungen, um in

interessierten Kreisen zu einem «Renner» zu werden. Zuerst waren Gemmenabdrücke wohl vor allem Tauschware. Wir wissen von vielen bekannten Persönlichkeiten der Zeit, die eifrige Sammler waren und Gemmenabdrücke antiker Steine sogar in ihrer ursprünglichen Ver-wendung als Siegelverschluss für ihre Korrespondenz verwendeten.

Abb. 2Sammlung Merz, Universität Bern. Antike Gemme in Ring-fassung aus dem 2. Jh. Dar-stellung der Venus. Höhe des Steins 1.4 cm.

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Abb. 3Burgerbibliothek Bern; Berühmteste Samm-lung mit Gemmenabdrücken, die «Lippert-sche Daktyliothek». Kastenhöhe. ca 50 cm.

Als Beispiel eines Liebhabers und Kenners sei hier Johann Wolfgang von Goethe genannt. Dieser studierte Gemmen intensiv und korres-pondierte in einem regen Briefwechsel über die zugesandten Lacksie-gel. Er war berühmt für immer neue Motive, mit denen er die Emp-fänger überraschte, aber damit auch selbst erfreut werden konnte. So schrieb Goethe am 2.10.1781 an Christiane von Stein: «Ich finde dein liebes Briefgen, mit dem lang gehofften Siegel gesiegelt».

BELIEBTE SOUVENIRS VON DER GRAND TOUR

Laufend wurden neue Verfahren ausprobiert, um schönere und sta-bilere Abdrücke herstellen zu können. Vor allem in Rom entstanden schon früh Manufakturen, die sich ausschliesslich der Herstellung die-ser Objekte widmeten. Gemmen und deren Abdrücke avancierten zum idealen und begehrten Souvenir der Grand Touristen. Komplett ausgestattete Abdrucksammlungen mit Hunderten von Motiven – sogenannte Daktyliotheken (= Sammlung von Fingerringsteinen) – konnten bald auch ausserhalb Italiens erworben werden (Abb. 3).

Eine wahre Gemmen-Manie griff um sich. Wer in entsprechenden Kreisen keine Kenntnis von Gemmenbildern hatte, konnte nicht mit-diskutieren. So schreibt Goethe 1792: «Immer aber konnten die ge-

Abb. 4Schlossmuseum Thun; Siegel-sammlung. Lacksiegel einer Gemme des 18. Jhs. mit der Kopie einer berühmten antiken Gemme des 1. Jhs.v.Chr. Dargestellt ist Achill, der die Kithara spielt. Höhe des Siegels: 2 cm.

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schnittenen Steine als ein herrliches Mittelglied eingeschoben wer-den, wenn die Unterhaltung irgend lückenhaft zu werden drohte...» In den Schulen gehörte der Mythologie-Unterricht mit Hilfe von Dak-tyliotheken schon bald zum Standard.

Wer es sich leisten konnte, sammelte bevorzugt echte Gemmensteine. Aufgrund der grossen Nachfrage waren in Rom eigentliche Steinschnei-dezentren entstanden, die Kopien bekannter antiker Gemmen – vor-zugsweise der qualitätsvollsten Werke – herstellten (Abb. 4). Daneben fertigten sie immer auch eigene Neuschöpfungen im Stile der Antike an. Diese waren nämlich ebenso begehrt, da sie dem zeitgenössischen Geschmack entsprachen und daher sogar leichter «lesbar» waren als die antiken Gemmen (Abb. 5). Für diese neu geschnittenen Steine war die interessierte Kundschaft daher ebenfalls bereit, hohe Preise zu bezah-len, besonders wenn es sich beim Bild um ein ausgefallenes Motiv han-delte (Abb. 6 und 7). Sammler schätzten «schöne» Neubildungen sogar ebenso sehr wie antike Originale (Abb. 8). Diese Art des Sammelns be-schreibt Adalbert Stifter in «Nachsommer», wo ein Vater seinem Sohne Auswahlkriterien für seine Sammeltätigkeit erklärt: «… Ich bin nicht reich genug, eine grosse Sammlung von geschnittenen Steinen anlegen zu können, sofern man überhaupt Gelegenheit hat, sie zu kaufen und weil ich das nicht konnte, so habe ich mich lediglich auf menschliche Gestalten beschränkt, und unter diesen wieder auf jene, deren Erwerb mir ohne Einfluss auf mein Hauswesen möglich war; denn es gibt da Kunstwerke in diesem Fache, welche ein ganzes Vermögen in Anspruch nehmen, von dessen Rente manche kleine Familie, deren Ansprüche nicht zu bedeutend sind, leben könnte.»

Abb. 5Schlossmuseum Thun; Siegelsammlung: Apol-lon. Motiv des 18. Jhs. Höhe 3.3 cm.

Abb. 7Schlossmuseum Thun; Siegelsamm-lung: Priamos bitte Achill um den Leichnam von Hektor. Beliebtes Motiv im 18. Jh. nach einer Szene auf einem römischen Sarkophag des 2. Jhs. n. Chr. Höhe 2.6 cm.

Abb. 6Sammlung Merz, Univer-sität Bern. Inv. DL 606. Gleiches Motiv wie Abb. 7. Zweifarbiger Halbedelstein. Höhe des Steins 6.5 cm.

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Abb. 8Schlossmuseum Thun; Siegelsam-mlung. Amor auf Löwe reitend, unten die Inschrift «.omnia vincit» ([die Liebe] siegt immer). Antikisierendes Gemmenmotiv. Höhe 1.5 cm.

DAS ENDE DER GEMMEN-MANIE

Die teilweise enormen Summen, die beson-ders für echte antike Steine bezahlt wurden, verleiteten zu immer dreisterem Fälschertum. Unmengen von neuzeitlichen Gemmen mit Motiven, die in bewusster Betrugsabsicht her-gestellt worden waren, schreckten die Sammler zunehmend ab. Unter den Gemmenschneidern selbst entbrannte ein regelrechter Wettkampf um die «echteste» Fälschung. Einer der bedeu-tendsten Vertreter dieses Handwerks, Giovanni Pichler (1734 – 1791), brachte eigene, neu ge-schnittene Gemmen als antik in Umlauf und zeigte später sogar triumphierend Abdrücke her, welche den Herstellungsverlauf von seiner Hand dokumentierten.

Dies alles verunsicherte die Sammler zunehmend und führte letztlich zum Niedergang des Gemmensammelns. Daher schreibt Goethe 1823 konsterniert: «Nun findet die Zweifelsucht kein reicheres Feld sich zu erhegen als gerade bei geschnittenen Steinen; bald heisst es eine alte, bald eine moderne Copie, eine Wiederholung, eine Nachahmung... so ist es gefährlicher sich auf Gemmen einzulassen, als auf antike Mün-zen…». Einige Skandale um gefälschte Gemmen taten ihr übriges.

In der Folge erlahmte die Lust am Sammeln von Gemmen zunehmend, bis sie in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gänzlich erlosch. Seither gingen viele unersetzliche und wichtige Steine verloren, Gemmen-sammlungen wurden verkauft und Abdrucksammlungen vernichtet.

DIE SIEGELSAMMLUNG IM LAGER

Die stark lädierten Kartonplatten aus dem Lager des Schlossmuseums stellen ein Fragment einer einfachen Siegellacksammlung dar, wie sie vor allem im 18. und frühen 19. Jahrhundert in vielen bürgerlichen Haushalten vorhanden waren. Die einzelnen Platten sind als eine Art Setzkasten angefertigt worden. Die gesammelten Siegel wurden auf passende Kartonplättchen geklebt und reihenweise in Zeilen einge-fügt. Da die Kartonplatten auf den Seiten mit Laschen versehen sind, ist zu vermuten, dass sie sich ursprünglich in einer passenden Schach-

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Abb. 9 Schlossmuseum Thun; Siegel-sammlung: «Kentaur Borghese». Beliebtes Motiv des 18. Jhs. Höhe 2.3 cm.

tel befanden, wo sie übereinander gestapelt waren. Die einzelnen Lacksiegel sind von unterschiedlicher Qualität. Es ist anzunehmen, dass sie mittels brieflichem Tauschhandel zusammengetragen wur-den, da die Herstellungs- und Lackqualität von stark unterschiedlicher Güte ist. Zudem ist die Papierunterlage, das heisst das Briefpapier, von unterschiedlicher Qualität.

Die Siegel sind thematisch geordnet. Eine Platte ist mit Wappensiegeln gefüllt, auf die hier, wie erwähnt, nicht eingegangen wird, obwohl Hersteller und Sammlerkreise für Gemmen und Wappen im gleichen Umfelde anzutreffen waren. Dazu gesellen sich nun Gemmensiegel, welche thematisch angeordnet wurden. Eine Reihe ist Tierdarstellun-gen gewidmet, eine weitere zeigt Heroen der griechischen Mytholo-gie, eine andere schliesslich ist den Porträts gewidmet. Separat wur-den Duplikate aufgeklebt. Man kann sich gut vorstellen, dass diese für den weiteren Tauschhandel vorgesehen waren.

Die Qualität dieser Abdrücke ist sehr unterschiedlich. Teilweise sind sie sehr scharf, oft jedoch auch absolut verschwommen. Dies ist un-ter anderem darauf zurückzuführen, dass Sammler oft nur einen einzigen Siegelabdruck eines Motivs zur Verfügung hatten, diesen jedoch auch weiter verteilen wollten. So stellten sie vom eigenen Abdruck in Handarbeit selbst eine neue Negativform her. Aus dieser Form wurden weitere Abdrücke gefertigt, die nun allerdings weitaus verschwommener waren. Die meisten Siegelabdrücke stammen nun

nicht von «echten» antiken Gemmen, sondern von klassizistischen Neuschöpfungen des 18. Jahrhun-derts, deren Wert für die Abdrucksammler jedoch nicht minder war, wie oben dargelegt wurde.

Ein Teil der Abdrücke der Thuner Sammlung zeigt typische Motive, wie sie die Grand Touristen auf Souvenirgemmen heimbrachten und die deren Bildungshintergrund dokumentierten. Unter den Skulpturen, welche in Rom zu sehen waren und die zum Pflichtprogramm der Besucher gehörten, war der sogenannte «Kentaur Borghese», eine Figuren-gruppe aus dem 2. Jahrhundert n. Chr., die unzäh-lige Male kopiert wurde (Abb. 9). Auf dem Thuner Siegel steht neben diesem Siegel handschriftlich «Aus Ägypten». Dem Besitzer war demnach der Zu-sammenhang mit dem Rombesuch nicht bekannt.

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Abb. 10Schlossmuseum Thun; Siegelsammlung: Idealisiertes Porträt des 18. Jhs. des jugendlichen Kaisers Augustus. Höhe 2.2 cm.

Es wäre interessant zu wissen, welche andere Geschichte damals in der Diskussion um dieses Siegel gerankt worden war.

Ein anderes Thuner Siegel zeigt den Abdruck einer bei Kennern äus-serst bekannten antiken Gemme aus dem 1. Jahrhundert v. Chr., de-ren griechischer Gemmenschneider das Original mit seinem Namen «Pamphilos» signiert hatte (Abb. 4). Dieser Abdruck stammt von einer der zahlreichen Kopien des 18. Jahrhunderts, die Qualität ist ausseror-dentlich gut. Das Bild zeigt Achill, der seine Waffen abgelegt hat, um die Kithara zu spielen. Der Siegelsammler scheint diesem trojanischen Helden sehr zugetan gewesen zu sein, zeigen doch noch zwei wei-tere Siegel mit beliebten Motiven andere Begebenheiten aus seinem Leben. Unter den mythologischen Motiven finden sich u. a. Herakles, Europa und Satyr. Der Gott der Künste Apollon ist ebenfalls in mehre-ren Ausführungen vertreten (Abb. 5).

Porträts antiker Persönlichkeiten, so des jungen Augustus, fanden ebenfalls das Interesse des Eigentümers (Abb. 10). Dazu gesellen sich Siegel mit verschiedenen neuzeitlichen Persönlichkeiten, wie Erasmus von Rotterdam, der Bourbonenkönig Heinrich IV. oder der habsbur-gische Kaiser Joseph II. Interessant ist daneben eine Darstellung des Rütlischwurs mit Angabe der Jahreszahl 1307 (Abb. 11). Denn bis ins ausgehende 19. Jahrhundert wurde diese Jahrzahl für den Grün-dungsmythos der Eidgenossenschaft angenommen.

Abb. 11Schlossmuseum Thun; Siegelsammlung: Rütlischwur am 8. November 1307. Höhe 2.6 cm.

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Alles in allem hatte der Besitzer hier ein Sammelsurium zusammen-getragen, das eine reichhaltige Grundlage für Gespräche zu unter-schiedlichsten Themen bot.

Über die Herkunft dieser Siegelsammlung gibt es im Inventar des Mu-seums keine Angaben. Ein Hinweis könnte eine spezielle Kartonplatte liefern, die mit Siegeln des Geschlechts derer von Salis gefüllt ist. Es ist zumindest zu vermuten, dass der ursprüngliche Besitzer der Siegel-sammlung im Umkreis dieser Familie zu suchen ist.

Aufgrund der zeitlichen Einordnung der Siegelmotive kann geschlos-sen werden, dass die Sammlung im ausgehenden 18. oder frühen 19. Jahrhundert angelegt worden ist. Sie veranschaulicht trotz ih-res jämmerlichen Erhaltungszustandes die Zugangsweise der gebil-deten Menschen zu Gemmen und deren Bildern. Gesammelt wurde vor allem, was gefiel oder das, was man von anderen Liebhabern der Materie zugeschickt erhielt. Die bescheidene Sammlung zeigt weiter, dass Gemmenabdrücke auch in bürgerlichen Häusern der Schweiz zur Allgemeinbildung gehörten und Grundlage für Diskussionen über Antike, Mythologie und Geschichte bildeten.

Weiterführende Literatur

E. Zwierlein-Diehl, Antike Gemmen und ihr Nachleben, Berlin 2007

V. Kockel – D. Graepler (Hrg.), Daktyliotheken. Götter und Caesaren aus der Schublade, München 2006

Ch. und G.W. Trube, Der römische Edelsteinschneider Giovanni Pichler (1734 – 1791), Wien 2005

D. Willers – L. Raselli-Nydegger, Im Glanz der Götter und Heroen, Mainz 2003

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Älteste Fotografie von Thun in Los Angeles?

Hans Kelterborn

Das J. Paul Getty Mu seum in Los Angeles besitzt eine Daguerre otypie von Alphonse Louis Poitevin, angeb lich aus dem Jahr 1843. Die Auf-nahme misst 9.7 x 14.9 cm. Damit ist sie gut ein Jahr älter als jene von Franziska Möllinger (vgl. JB 2006, S. 44 ff.).

Da eine Daguerreoty pie auf einer Metall platte festgehalten wird, be-trachten wir das Abbild seitenverkehrt. Spiegelt man das Bild, erkennt man die untere Schleuse, die aareseitigen Hauptgassehäuser und die Stadtkirche von Thun. Wir danken der Photostiftung in Winterthur für den wertvollen Hinweis.

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Geschichtsvermittlung im Umbruch.Das Völlger-Panorama von 1894

Philipp Stämpfli

Im Sommer 1894 trug der Fotograf Hermann Völlger (1855–1930) seine Fotoausrüstung, zu der auch die recht schweren Glasplatten gehörten, auf den soeben fertig gestellten Turm des Münsters und nahm dort eine Panorama-Ansicht der Stadt Bern in acht Bildern auf. Was trieb ihn dort hinauf? Und was geht das den Förderverein des Schlossmuse ums Thun an?

Hermann Völlger war Berufsfotograf in Bern und hoffte sicher, seine Bilder verkaufen zu können. Sie waren damals sensationell: So hoch war der Münsterturm erst seit ein paar Monaten, und die entspre-chende Aussicht auf die Stadt hatte noch praktisch niemand genos-sen. Möglicherweise hatte auch er schon die Absicht, die Aufnahmen zu einem Panorama zusammenzusetzen, denn er nahm die Bilder so auf, dass sie sich etwas überlappten. Vorbilder dazu hätte er geha-bt; Panoramen aus andern Städten gab es bereits, in der Schweiz bei-spielsweise von Lausanne. Aber auch Bern hatte schon sein Münster-panorama: kurz vor 1840 fertigte Franz Schmid eines an, allerdings noch keine Fotografie, sondern eine Aquatinta. Die optische Verzer-rung an den Rändern von Völlgers Aufnahmen verunmöglicht jedoch ein direktes Zusammensetzen; erst die moderne elektronische Bildbe-arbeitung lässt es zu, die Bilder einander anzupassen. Der Grafiker Martin Mühlethaler benötigte dazu rund drei Wochen! Dieses digi-tale Panorama bildete die Grundlage, auf der die Burgerbibliothek Bern zusammen mit Martin Mühlethaler die CD «Bern im Aufbruch» erarbei tete, deren Grundidee durchaus auch in Thun Anwendung fin-den könnte. Es müsste ja nicht um jeden Preis ein Panorama sein; eine Luft aufnahme täte denselben Dienst.

VON DER IDEE ZUM PROJEKT

Bei diesem CD-Projekt ging es in erster Linie darum, das topographi-sche Panorama durch ein thematisches aus derselben Zeit zu ergän-zen. Anhand der Gebäude sollten die Funktionen der Stadt und das Leben ihrer Bewohner sichtbar gemacht werden. Die Bearbeiter ha ben sich bewusst darauf beschränkt, nur eine relativ kurze Zeitspanne vor-zustellen, diese jedoch vertieft. Dabei ergeben sich einige Prob leme,

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die mit der Quellenlage zu tun haben: Die Fotografie ist in jener Zeit noch eine teure Angelegenheit, und so konzentrieren sich die Berufs-fotografen auf Sujets, die sie auch verkaufen können. Deshalb sind die Attraktionen der Altstadt hundertfach abgelichtet, während die Aussenquartiere der Aufmerksamkeit der Fotografen entgehen. In-nenansichten von Gebäuden aus dieser Zeit existieren ebenfalls prak-tisch keine, und es ist darum mit viel Aufwand verbunden, wenigs tens einige davon ausfindig zu machen. Dasselbe gilt für Fotografien, die sich in Privatbesitz befinden. Viele sind im Lauf der Zeit Aufräumak-tionen zum Opfer gefallen, und für die noch vorhandenen gibt es äus serst selten einen Nachweis in der Literatur. Was uns heute be-sonders interessiert, sind die Verrichtungen des täglichen Lebens und Bilder aus der Arbeitswelt der Menschen. Doch gerade das hat kaum jemand dokumentiert: Wer will schon teure Fotografien von banalen Selbstver ständlichkeiten? Das zwingt uns dazu, die Gebäude selbst als Aus druck menschlicher Tätigkeiten zu interpretieren. Deshalb sind sie auf der CD vielleicht etwas übervertreten.

VOM PROJEKT ZUM FERTIGEN PRODUKT

Anhand alter Stadtpläne wurden die auf dem Panorama sichtbaren Gebäude identifiziert. So konnte man die Fotografien, die auf der CD präsentiert werden, immer den passenden Häusern oder Plätzen zu-ordnen. Dementsprechend findet man bei der Insel Bilder zum Thema Medizin, beim Bahnhof solche zum Transportwesen, bei der Bäckerei Rohr wirft man einen Blick in die Backstube, an der Gerechtigkeits-gasse 62 sitzt die Wirtin des Klötzlikellers an einem Tisch in ihrem Lokal etc. Grafische Symbole zeigen an, wo sich Fotos befinden, und wel che Themen dargestellt sind. Jede Foto kann per Mausklick «hervor geholt» werden. Die zusätzlich programmierte Zoomfunktion lässt sich sowohl auf das Panorama als auch auf die einzelnen Bilder anwen den, so dass man selbst kleine Details erkennt. Das ist einer der grossen Vorteile einer CD gegenüber dem Buch: nicht nur finden rund 600 Fotos Platz, sie lassen sich auch vergrössern. Die CD bietet einen wei teren Service, der sie jedem Buch überlegen macht: einen automati schen Wechsel vom Panorama in einen zeitgenössischen Stadtplan. Klickt man das passende Symbol an, wird man direkt vom Panorama an die richtige Stelle im Stadtplan geführt. Noch hilfreicher ist die um gekehrte Richtung: vom Stadtplan zurück ins Panorama, so dass man sich auch dort leicht zurechtfindet.

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Obwohl am Schluss, bei der Bedienung, fast alles automatisch abläuft, steckt sehr viel Handarbeit in der CD. Sämtliche Bilder mussten einge -scannt und in den meisten Fällen noch etwas «aufgemöbelt» werden, damit sie am Bildschirm gut wirken. Da es bis dato kein Programm für diese Art von CD gab, musste eines geschrieben werden. Der Pro-grammierer schob etliche Nachtschichten, bis jede Funktion klappte, ohne eine andere zu beeinträchtigen. Falls irgendwann jemand an-derer versuchen möchte, eine solche CD zu produzieren, könnten die Bearbeiter der nun vorliegenden Scheibe mit den gemachten Erfah-rungen ihren Nachfolgern viel Arbeit ersparen.

BILDER ALLEIN GENÜGEN NICHT

Der Betrachter der Fotos auf dieser CD kommt nun vielleicht (etwas vorschnell) zum Schluss: «Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!». Das ist nicht falsch, aber es ist nur die halbe Wahrheit. Bilder werden erst rich tig verständlich, wenn man ihren Entstehungszusammenhang kennt, und wenn man sie in einen grösseren Kontext einordnen kann. Die folgenden Beispiele sollen das etwas illustrieren:

Bild 1: Ganz direkt sichtbar ist die sozi-ale Herkunft des Kindes: sein Kleid und die Gestaltung des Wagens lassen auf gutsituierte Eltern schlies sen. Indirekt steht das Bild allerdings für weit mehr. Es entstand in einer Zeit grossen Bevöl-kerungswachstums. Die Fortschritte der Medizin er laubten es, die Kindersterb-lichkeit markant zu senken. Zudem verbrei teten sich zur selben Zeit die Kenntnisse über Verhütungspraktiken. Beides zusammengenommen erlaubte eine relativ sichere Familien planung.

Die vorhandenen Mittel und die Zeit der Eltern konnten nun mit Aus-sicht auf Erfolg auf wenige Kinder konzentriert werden. Diese wur-den damit, überspitzt formuliert, von der Belastung zum Segen.1

1 Burgerbibliothek Bern: FN. G. C. 640

Bild 1

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Bild 2: Die Aufnahme zeigt zuerst einmal einen alten Mann an seinem Pult. Erst die Erklärung hilft weiter: Es ist Horace Edouard Davinet (1839–1922), Architekt und seit 1891 Direktor des Kunstmuseums. Das Interessante an diesem Bild ist, dass der zur Zeit der Aufnahme 80-jährige Davinet an seinem Schreibtisch im Kunstmu seum arbeitet – die AHV hat er nicht mehr er lebt, und Vermögen, von dem er hätte leben können, hatte er keines.2

Bild 3: Ein Röntgenbild ist für uns keine Sensation mehr. Damals war es noch eine. Gegen Ende des Jahres 1895 wurde die Röntgentechnik er funden, und bereits im fol-genden Winter instal lierte der Physikprofessor Aimé Fors-ter (1843–1926) eine Anlage in Bern. Seit März 1896 stand sie der Öffentlichkeit zur Verfügung. Das vorlie gende Bild ist vom 26. Februar datiert und dürfte damit eines der ers-ten sein, die in Bern entstan den sind. Es zeigt die Hand des späteren Nobel preisträgers Theodor Kocher (1841–1917) und ist von Professor Forster signiert!3

Auf den Bildern 4 und 5 sind nicht nur das Sul genbach-schulhaus und Schüler im Wald zu se hen. In beiden Fällen wird sehr schön sichtbar, welche Werte die Schule ver-mitteln sollte. Die Uhr beim Sulgenbachschulhaus sagt es über deutlich: seid pünktlich! Es ist kein Zufall, dass fast alle Schulhäuser jener Zeit die Uhren architektonisch be-tonen. Sie streichen damit eines der Symbole des Indus-triezeitalters hervor. Die Pünktlichkeit ist nur ein Aspekt der Disziplin, welche die Schüler zu ver innerlichen hatten. Dazu gehörte natürlich auch Gehorsam, wie es auf Bild 5 sehr schön zum Ausdruck kommt. Ausserdem schrieb die Bun desverfassung von 1874 vor, dass der Turnunterricht die Knaben auf den Militärdienst vorbereiten sollte.4

2 Burgerbibliothek Bern: Mss.h.h. LII. 132 (1)

3 Institut für Medizingeschichte: N Theodor Kocher, Bilder (2)

4 Burgerbibliothek Bern: PW. 213, Nr. 74 (Sulgenbachschulhaus); Staatsarchiv Bern: N Walter Laedrach 10 (Knaben im Wald)

Bild 2

Bild 3

Bild 4

Bild 5

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Bild 6: Auf der CD sind teilweise auch die Ge-schichten einzelner Gebäude oder Brücken do-kumentiert. Hier ist es die Eisenbahnbrücke. In der Mitte des 19. Jahrhunderts waren Eisenkons-truktionen im Brückenbau noch relativ neu und nicht unumstritten. Unsichtbar ist die Bauweise: die Brücke wurde in drei vormontierten Teilen auf die Pfeiler geschoben. Die Errichtung dauerte deshalb nur vom 26. März bis 28. August 1858! Die Brücke, auch wenn sie simpel aussieht, war durchaus eine Leistung, die weit herum Beachtung fand. Auf ihr fuhren ab 1859 die Züge, im Inneren

der Eisenkonstruktion verkehrten die Fussgän ger und die Fuhrwerke. Interessanterweise fehlen auf der Ansicht die Arbeiter völlig. Das hat nicht mit sozialer Blindheit des Fotografen zu tun, sondern ist eine Folge der langen Belichtungszeit in der zeitgenössischen Fotografie. Aufgezeichnet wurde nur, was stillhielt – Bewegungen «einzufrieren» war die Errungenschaft einer späteren Zeit.5

Der Verkaufserfolg von Büchern wie «Thun gestern und heute» zeigt, dass Vergleiche früherer Ansichten mit heutigen sehr gefragt sind. Deshalb finden sich solche auch auf der CD. Ein Beispiel dafür bie-ten die Bilder 7 und 8. Darauf ist der unterste Teil des Bollwerks (der ehema lige Turnplatz) zu sehen.6

All diese Bilder machen deutlich, dass es einen Kommentar dazu braucht. Auf der CD ist deshalb jedes einzelne mit einer Legende ver sehen. Darüber hinaus bie-tet die Begleitbroschüre eine (sehr kurze) Einführung in die fragliche Zeit, so dass sich der Betrachter wenigstens der Spur nach eine Vorstellung von den damaligen Lebensumständen machen kann.

5 Burgerbibliothek Bern: FP. D. 457

6 Burgerbibliothek Bern: FP. D. 490 (alte Ansicht); Martin Mühlethaler (aktuelle Ansicht)

Bild 6

Bild 7

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Noch in einem weiteren Punkt ist die CD dem Buch überlegen: auf ihr lassen sich auch Ton und Film speichern. So findet der Betrach-ter dar auf etwa den ersten Film, der in Bern gedreht wurde, oder zeitgenössi sche Musik. Einige Aufnahmen dazu entstanden im Musikautomaten museum von Kurt Matter in Oberhofen. Die Wahl ist nicht zufällig. Es blieb nämlich dem Industriezeitalter vorbehalten, die Mechanisierung der Musik zu perfektionieren.

WARUM NICHT AUCH IN THUN?

Zusammen mit der Begleitpublikation stellt die CD den Versuch dar, Geschichte auf eine moderne und anschauliche Art zu vermitteln. Zu-gleich zeigt sie neben den Möglichkeiten auch die Grenzen der Il-lustration von Geschichte: die frühe Fototechnik, die Interessenlage der Fotografen und Überlieferungslücken lassen manchen Wunsch offen. Stellt man noch den «Filter» der Auswahl durch die Bearbeiter in Rechnung, so ist klar, dass hier ein Geschichtsbild verbreitet wird, das die Wirklichkeit nur äusserst unzureichend wiedergibt. Doch trotz aller Mängel: die CD ist ein Pionierprodukt, das noch keine andere Schwei zer Stadt vorweisen kann. Vielleicht bleibt es Thun vorbehal-ten, die grosse Schwester mit etwas noch Besserem zu übertreffen? Schön und möglich wäre es! Als Hüterin des ältesten noch erhaltenen Grosspa noramas der Welt könnte unsere Stadt diese alte Tradition auf mo derne Weise weiterführen.

Bild 8

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Medaille zur Eröffnung des neuen Thuner Bahn hofes 1923

Martin Lory

Medaille mit Öse / 1923

Durchmesser 30 mm

Gewicht: 10,71 g

ERÖFFNUNG DES NEUEN BAHNHOFESIN THUN JUNI 1923

Bildseite mit den 3 Thuner Bahn höfen:

Oben: Alter Thuner Bahnhof von 1859

Mitte: Neuer Bahnhof bei Einwei hung 1923

Unten: Bahnhof Scherzligen 1861/63

Umgeben von Eichen- und Lor beerzweigen. Signatur klein am Rand rechts: HUGUENIN, links: METAL

Diese Medaille wurde von der Firma Huguenin in Le Locle geprägt. Rechts neben dem Eichenzweig ist sie signiert. Die Bezeichnung «ME TAL» bedeutet, dass sie aus unedlem Metall besteht, vermutlich Mes sing, und dann versilbert wurde. Vermutlich gab es auch eine Aus-gabe in Echtsilber. Wer die Entwürfe dazu gemacht hat, konnte nicht herausgefunden werden. Auch wissen wir nicht, ob sie zum Kauf an-geboten oder an Gäste verschenkt wurde. Man könnte sich vorstellen, dass sie am Volksfest vom 1. Juli 1923 verkauft wurde. Wie die Öse zeigt, war sie als Anhänger gedacht.

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Im oberen Oval ist der alte Thuner Bahnhof zu sehen, erbaut 1859. Da-mals wurde Thun ans schweizerische Eisenbahnnetz angeschlossen. Er stand am Eingang der damaligen Stadt bei der heutigen Gewerbe strasse, die sei-nerzeit Bahnhofstrasse hiess. Durch den Neubau des Bahnhofs am heu-tigen Standort verlor der alte seine Be-deutung und wurde 1923 auf Abbruch verkauft. Er fand als Wagenremise im Bahn hof Olten Verwendung.

Das Oval in der Mitte zeigt den neuen Zentralbahnhof bei der Einwei-hung im Jahr 1923. Der Bau entstand 1920/23 nach Plänen von Archi-tekt Nager vom Baubüro SBB. Die Ansicht zeigt das neue Gebäude von der Seite der Perrons mit Blick gegen Schloss und Kirche. Der Bahnhof wurde 2006/07 stilgerecht renoviert, im Innern modernisiert und ist heuet noch in Betrieb.

Das untere Oval zeigt den Bahnhof Scherzligen, erbaut 1861/63. Er wurde auch nach dem Bau des neuen Bahnhofes noch einige Zeit als Umsteigestation zu den Schiffen gebraucht. 1925 wurde er abgebro-chen und ins Fischermätteli bei Bern versetzt. Er war dort bis vor weni-gen Jahren in Betrieb. Im November 2007 machte er Schlagzeilen, als er ausbrannte. Man glaubt, dass noch viel davon zu retten ist und möchte ihn am ursprünglichen Standort bei Scherzligen, am projektier-ten Uferweg, als öffentliche Aufenthaltshalle wieder aufbauen.Weil die Medaille nicht erzählen kann, was sie alles miterlebt hat, schauen wir einmal im Stadtarchiv Thun in die zeitgenössischen Thu-ner Zeitungen1:

Schon im November 1920 kann man lesen2:«Neue Bahnhofanlage. Während am Bau des Aufnahmegebäudes zurzeit gegen 50 Arbeiter beschäftigt sind, soll es allmählig auch mit den übrigen umfangreichen Bauarbeiten vorwärts gehen. Gegenwär-

1 Wer mehr über den Bahnhofbau wissen möchte, findet spannende Texte und viele alte Fotos im Buch von Markus Krebser: «Thunersee linke Seite», erschienen 1996.

2 Tagblatt der Stadt Thun, 26.11.1920

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tig liegt der Expropriationsplan der S.B.B. für die Unterführung der All mendstrasse auf der hiesigen Stadtkanzlei zur Einsicht auf. Es steht zu hoffen, dass mit den Bauarbeiten alsbald begonnen werde.»Auch am 29.März 1922 gibt es Neues vom Bahnhof3:

«Vom neuen Bahnhofe. Heute wird der Eisenbahnverkehr zwischen dem alten Thuner Bahnhofe und der Station Scherzligen zum letz-ten Male durch das seit bald 6 Jahrzehnten benutzte Trassee, das im Sommer idyllisch unter schattigen Bäumen hindurch führte, geleitet werden. Am 1. Juni 1863 nämlich ist der Verkehr auf dem bisherigen Trassee eröffnet worden, als letztes Teilstück der von der Zentral-bahn-Gesellschaft erbauten Linie Bern–Thun. 30 Jahre lang musste dann der Eisenbahnverkehr in Scherzligen auf Weiterführung warten und stand in dieser Zeit einzig die Schiffahrtslinie nach Neuhaus–In-terlaken dem Reisenden ins engere Oberland zur Verfügung. Am 1. Juni 1893 ist dann auch die Thunerseebahn (Scherzligen–Spiez–In-terlaken) eröffnet worden. Von morgen früh wird der Bahnverkehr über das unmittelbar nach dem Thuner Bahnhof abzweigende über die Frutigstrassenunter führung und westlich am neuen Aufnahme-gebäude vorbei führende und erst kurz vor der Station Scherzligen wieder in das bisherige Trassee einmündende sog. Umfahrungsgeleise geleitet werden. Die alte Linie wird sofort abgebrochen werden.»

Im August 1922 entnimmt man dem Geschäftsbericht der BLS4:«Der Bau des Zentralbahnhofes in Thun nimmt seinen Fortgang; das Aufnahmegebäude ist im Rohbau erstellt und es darf nach dem heu-tigen Stand der Arbeiten erwartet werden, dass die Betriebsaufnah-me im Laufe des Jahres 1923 erfolge. Unbefriedigend ist die Sachlage noch hinsichtlich des Schiffsanschlusses an den neuen Zentralbahnhof. Die seinerzeit in Aussicht genommene Hafenanlage kommt zu teuer zu stehen und ist umso weniger realisierbar, als das Schiffsunterneh-men seit 1915 ganz beträchtliche Betriebsdefizite aufgewiesen hat.»

Im Jahr 1923 werden die Berichte über den Bahnhof häufiger. Am 19. Mai ist zu lesen5:«Von der Bahnhofbrücke. Die Arbeiten an der Bahnhofbrücke und am Abbruch des ehemaligen Hotels «Kreuz» sind nun so weit fortgeschrit-

3 Oberländer Tagblatt, 29.3.1922

4 Oberländer Tagblatt, 8.8.1922

5 Oberländer Tagblatt, 19.5.1923

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ten, dass der Fussgängerverkehr über die neue Brücke gestattet wer-den kann. Man hofft bis zur Bahnhoferöffnung am 1. Juni die Brücke vollendet zu haben.»

Die auf Mittwoch 30. Mai angesetzte Einweihungsfeier war für gela-dene Gäste. In der Zeitung wurde sie angekündigt6:«Bahnhoferöffnung. Heute Nachmittag findet eine einfache Feier zur Eröffnung des neuen Aufnahmegebäudes statt. Um halb 3 Uhr be sammeln sich die durch die Kreisdirektion II (Basel) der S.B.B. eingela denen Teilnehmer zur Besichtigung des Bahnhofes und zur Eröffnungs feier. Am 1. Juni früh wird alsdann der Personenverkehr verlegt wer den. Die Bahnstation Scherzligen wird alsdann nur noch von denjeni gen Zügen befahren werden, die direkten Schiffsanschluss besitzen, die andern Züge verkehren über die Geleiseanlagen.»

Am Freitag widmeten beide Thuner Zeitungen dieser Feier ihre ganzen Frontseiten. Daraus einige Ausschnitte aus dem Geschäftsblatt7:«Die Einweihung des neuen Thuner Bahnhofes. Am Mittwochnachmit-tag wurde das ganze Ameisengetriebe im neuen Bahnhofgebäude auf einige Stunden stillgelegt. Um 2½ Uhr versammelten sich die gela-denen Gäste, Vertreter der obersten Bundesbahnbehörden, der Ber-ner Regierung, der Thuner Behörden, der Presse, der verschiedenen oberländischen und kantonalen Verkehrsanstalten, die leitenden Be-amten des Bahnhofpersonals, sowie die am Umbau beteiligten Unter-nehmer in der hohen, geräumigen Bahnhofhalle. Es mögen wohl an die hundert Gäste gewesen sein. Vom Aufnahmegebäude herab grüssten Fahnen und Wimpel. Vor dem Gebäude spielte die Kadet-tenmusik und eine Menge schaulustigen Volkes bildete Spalier.» Dann wird der ganze Ablauf ausführlich beschrieben. Nach einem Rund-gang durch die Dienstlokale bis in den Kohlekeller und in den Wein-keller des Restaurants und hinauf ins Telephon- und Telegraphen büro im 1. Stock wurden auch Depot und Geleiseanlagen besichtigt. Dann verwöhnte Heinrich Rietmann, der Wirt des Bahnhofrestaurants die Gäste. «Draussen machten die Kadetten Tafelmusik und die Mäd chen der Sekundarschule spendeten muntere Liedervorträge. Zwei als Mä-ritfraueli verkleidete Mädchen sprachen einen reizenden, von Frl. Eli-sabeth Müller verfassten Dialog, der riesigen Beifall erntete und wie-derholt werden musste.» Nun begrüsste Kreisdirektor Julius Christen

6 Oberländer Tagblatt, 30.5.1923

7 Geschäftsblatt, 1.6.1923

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aus Basel die Gäste. Bundesbahndirektor Anton Schrafl dankte dem bau leitenden Ingenieur Paul Lowositz, dem bauleitenden Architekten Na ger und anderen. Dann meldeten sich folgende Redner zum Wort: Regierungsrat Karl Emil Lohner, Stadtpräsident Paul Kunz, National-rat Joseph Choquard. «So ist also in würdiger Weise ein für die Ent-wicklung unserer Stadt hochbedeutsamer Tag gefeiert worden. Noch sind eine Menge von Arbeiten nötig, um die ganze Anlage zu vollen-den; wir erinnern nur an die Unterführung der Mittleren Strasse und die der All mendstrasse, von der Verwirklichung des Schiffskanals gar nicht zu reden.»

Nachdem der Bahnhof zwei Wochen in Betrieb war, konnte man im Geschäftsblatt lesen8:«Vom Bahnhofneubau. An den Betrieb im neuen Bahnhof gewöhnt man sich verhältnismässig rasch. Das hübsche Wandbild von Werner Engel ist seit einigen Tagen vollendet und hat eine launige Versin-schrift in gutem Berndeutsch erhalten9. Das Dienstgebäude neben dem Bahnhof geht seiner Aufrichtung entgegen und die Eilguthalle ober halb des Bahnhofes ist bereits unter Dach. Ständig wird auch an der Auffüllung der Geleise auf dem Areal des alten Bahnhofes ge-arbeitet. Er kann einen ganz dauern, der alte, verlassene Bahnhof, wenn man jetzt so gleichgültig an ihm, der früher eine so wichtige Rolle im Thuner Leben gespielt hat, vorbeifährt. Die B.T.B.-Züge müs-sen bis auf weiteres immer noch mit Dampflokomotiven in den neuen Bahnhof geführt werden. Emsig an der Arbeit ist man auch mit dem Bau eines Über gangssteges parallel der Frutiger-Strassen-Unterfüh-rung in Eisenbeton-Konstruktion. Unweit davon werden die letzten Reste des ehemaligen, namentlich von der Bauernsame gut besuchtes Gasthaus zum Grütli abgerissen. Das alte Primarschulhaus steht wie ein Hund im Kegelries in der neuen Bahnhofanlage. Es wird wohl not-gedrungen binnen kurzem der Neuzeit weichen müssen10. Dann wäre es an der Zeit, über eine einheitliche, künstlerisch und technisch ein-wandfreie Gestaltung des Bahnhofplatzes gründlich zu reden. Welch ein hübscher Platz liesse sich da schaffen, in der Mitte ein Monumen-talbrunnen mit Baumanlage und Ausblick auf das hübsche Stadtbild,

8 Geschäftsblatt, 15.6.1923

9 Bild noch heute über dem Eingang zum Bahnhofbüffet, mit dem Vers: «Si mir ächt bas, sit me cha fahre elektrisch mit der SBB Als wi die da, vor hundert Jahre im Weidlig zäme mit em Veh?»

10 Aarefeldschulhaus, erst 1999 abgebrochen

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darum herum stilgerechte, zum Stadtbild von Thun passende Neu-bauten – eine Aufgabe, des Schweisses der Edlen wert.»

Das grosse Volksfest zum neuen Bahnhof fand einen Monat nach der Eröffnung am Sonntag den 1. Juli 1923 statt und wurde zusammenge-legt mit der Einweihung der neuen Bahnhofbrücke. Von dieser führte ein Festzug zum Bahnhofplatz, wo ein «Weiheakt» mit Reden und viel Musik stattfand. Auch über dieses Fest berichteten die Thuner Zeitun gen wieder ausführlich auf den Frontseiten. Doch die Brücke ist ein anderes Thema.

Im August berichtet das Oberländer Tagblatt ein letztes Mal über den alten Bahnhof11:«Der alte Thuner Bahnhof. Das nach 60-jähriger Benutzung ausge-diente alte Bahnhofgebäude wird auf Abbruch verkauft. Die Bahn-hofhalle findet als Wagenremise im Bahnhof Olten Verwendung.»

Wir schliessen unsere Presseschau mit dem Verslein, das zwei Schüle-rinnen an der offiziellen Feier am 30. Mai 1923 mit Erfolg vorgetra-gen hatten12. Die Dichterin Elisabeth Müller war damals Lehrerin an einer Privatschule in Thun.

«Was zwöi Märitfraueli zum neue Bahnhof säge.

Lisebethli: E, Go grüessti, Züsekäti! Wosch o einisch z’Märit ga? Weisch, me gseht di afe sälte, Du schicksch ja süsch geng dr Ma!

Züsekäti: Ja, was dänksch o, Lisebethli! Das isch hüt en andri Frag! So ne neue Bahnhof gschaue, Das chasch du nid alli Tag! Meinsch i mög’ em Ma das gönne? Dä cha mira später cho! Z’erst wott i jetz afe luege, ’s het mi lang scho wunder gno!

11 Oberländer Tagblatt, 9.8.1923

12 Geschäftsblatt, 1.6.1923

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Lisebethli: Du hesch rächt, das wett i meine! Potz! Das isch säch wohl derwärt! Hätt’ i hüt nid z’Märit chönne, J hätt anderscht ufbegährt! E, wie han-i müesse luege, Wo mer zueche g’fahre si! Ha grad über d’Schine welle, Doch mit däm isch’s jetz verbi! D’Stäge-n-abe het me sölle --- Wei si eim i Chäller tue? Nei, es geit gly wider obsi, Grad prezis em Bahnhof zue! Da wird niemer übercharet! Vo de Züge hin und här, U wet öppe chli chasch läse, Jsch ds Jstiige o nid schwär!

Züsekäti: Ja, es het mer grusam gfalle! U de erst das grosse Hus!» Da si wäger hundert Stube, J chäm da niemale drus! Hesch de gseh im Wartsaal inne? U, da cha mer si vertue! Wosch dr Märitchorb abstelle, Hesch de ändlech Platz derzue! Und jetz han-i welle luege, Wie das syg im Restorang. J ha Wunder ghöre brichte, Wie das hüt dert inne gang! Weisch da sige jetz die Manne, Wo dr Bahnhof baue hei, Haui tapfer i-n-es z’Vieri, Wo mir ne gwüss gönne wei. Bundesrät, Generaldiräkter, Gmeinrät, Jnscheniör derby; Sitzi fröhlech hüt hier z’säme Bim ne guete Tröpfli Wy.

Lisebethli: Ja, das hei si suur verdienet! Potz, die hei en Arbeit gha! Bis das Hüüsli da isch gstande, Hei si mänge Süfzer ‚ta! Und was dänksch, i dene Zite! Wo me schier nüt meh verma! Doch si hei sechs nid la reue; Thun müess jetz si Bahnhof ha! Dänk wie die hei müesse rächne, Fränkli zelle Tag und Nacht! Und was das het gä z’studiere, Bis si’s allne rächt hei gmacht!

Züsekäti: He, mi cha’s nid allne preiche! ’s wett geng jede gschider si! Aber gäll, mir zwöi si z’fride, Das isch d’Hauptsach da derby!

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U mim Mannli will i säge, Es sig gwüss nid schad für ds Gält! z’Thun sig jetz, das muess i säge, Der schönst Bahnhof uf der Wält!

Lisebethli: Und jetz sölle si brav ässe! Chüechli hätt i dene g’macht! Wenn i hätt dra dänkt daheime, Hätt i no nes Hammli ’bracht!

NACHTRAG

Hans Kelterborn

Rund eine Woche nach Redaktionsschluss sind wir im Lager bei der Inventarisierung von Bildern auf ein Broncerelief von 26 cm Durch-messer mit dem Motiv der von Martin Lory beschriebenen Medaille gestossen. Sie wurde von Huguenin in Le Locle wohl als Vorlage für die Medaille hergestellt und auf ein Holzbrett montiert. Aus einem älteren Inventar geht hervor, dass es 1926 von Goldschmied A. Engel für 50 Franken erworben und später als «Kitsch magaziniert» worden ist.

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Das Wocher-Panorama – horizontal, nicht vertikal…

Jon Keller

FOTODOKUMENTE VON 1955 AUFGETAUCHT

Dreimal ist das Wocher-Panorama, das 1899 von einem Architekten in Basel geschenkweise an den Verschönerungsverein in Thun gelangt war, nach dem Zweiten Weltkrieg in Thun ausgerollt und ausgebrei-tet worden. Zum ersten Mal im Vorfeld der Kantonal-Bernischen Ausstel lung (KABA), die vom 17. Juni bis zum 19. September 1949 im Thuner Lachenareal durchgeführt worden war. Damals war geplant, das Pa norama der bernischen Bevölkerung anlässlich der KABA zu zeigen, aber der dafür notwendige beträchtliche Finanzaufwand für Restaura tion und Präsentation stand der Realisierung im Wege.

Ein zweites Mal wurde das Panorama 1955 ausgerollt, da damals an-lässlich der Vorbereitung und Präsentation der Ausstellung «Tiberius Wocher und sein Sohn Marquard Wocher (1760 – 1830)» von Septem-ber bis Oktober 1955 in der Kunstsammlung der Stadt Thun im Thu-nerhof die Absicht reifte, das Panorama von Thun zu restaurieren und der Öffentlichkeit in einem geeigneten Bau zugänglich zu machen.

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Ein drittes Mal schliesslich wurde das Panorama im Sommer 1958 auf dem Aarefeldschulhausplatz ausgebreitet und anschliessend in lan-ge Streifen geschnitten, da mittlerweile die Finanzen für die Restau-rierung und für den Bau eines Panoramagebäudes im Schadaupark durch die Einwohnergemeinde Thun und die Gottfried Keller-Stiftung gesprochen worden waren. Fotodokumente über diese drei «Ausrol-laktionen» des Panoramas waren bislang keine vorhanden, weder im Kunstmuseum Thun noch im Stadtarchiv Thun oder in der Stadtbibli-othek Thun. Durch einen glücklichen Zufall ist nun das Stadtarchiv Thun in den Besitz von Fotodokumenten aus dem Jahr 1955 gelangt, welche das ausgebrei tete Panorama zeigen.

Die drei hier wiedergegebenen Fotografien zeigen das Thuner Pano-rama von Marquard Wocher, das am Donnerstag, 23. Juni 1955 auf dem Platz beim Schulhaus Dürrenast, das auf einer der Abbildungen im Hintergrund gut zu erkennen ist, ausgebreitet wurde. Das Schul-haus Dürrenast an der Schulstrasse wurde 1892/93 erbaut und im März 1957 abgerissen. Organisiert wurde der Anlass durch die Kunst-kommission der Stadt Thun, welche auch die Mitglieder des Thuner Gemeinderates zur Besichtigung eingeladen hatte. Eingeladen wurde namentlich aber auch Prof. Henri Boissonnas, der damals in Zürich ein angesehe nes Atelier für Kunstrestaurationen führte. Boissonnas wurde beauf tragt, ein Gutachten über Möglichkeiten und Kosten der Restaurierung des Wocher-Panoramas abzugeben, worauf Boissonnas im Juli und Dezember 1955 detaillierte Berichte abgab. Den Auftrag für die Pa noramarestaurierung erhielt dann aber in der Folge der Berner Res taurator Hans A. Fischer.

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Gebändigt und genutzt: Die Stadt Thun und das Wasser in den letzten 300 Jahren

Ein interessanter Beitrag von Anna Bähler in der Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde, Jg. 69 (2007), Heft 3.

Wasser hat für jede menschliche Sied-lung, für jede Stadt eine existen zielle Bedeutung: Ist es nicht ausreichend und in guter Quali-tät vor handen, steht das Überleben auf dem Spiel. In Thun ist reichlich Wasser vorhanden. Die Alt-stadt liegt an der Aare etwas unter-halb des Thunersees, Bäche aus den umlie-genden Hügeln füh-ren see- und fluss-

wärts. Gelegentlich wurde das Wasser auch in Thun zur Bedrohung. Solange ein grosser Teil der Bevölkerung nicht schwimmen konnte, stellte die Aare einen Unfallherd erster Güte dar und forderte ihre Opfer. Besonders in den Jahren nach dem Kanderdurchstich wurde Thun häufig überschwemmt, ein Problem, das trotz diversen wasser-baulichen Massnahmen bis heute nie ganz gelöst wurde.

In der Wirtschaft der Stadt spielte das Wasser immer eine wichtige Rolle, denn es brachte Energie und Menschen in die Stadt. Vor dem Eisenbahnbau wurden viele Waren auf dem See und der Aare trans-portiert und in Thun von See- auf Flussschiffe umgeladen. Auch die Reisenden zogen meist den Wasserweg der holprigen Strasse vor und wechselten in Thun ihr Verkehrsmittel. Im 19. Jahrhundert verweilten manche Fremde länger in der schön gelegenen Stadt, der Tourismus begann aufzublühen. Das Gewerbe machte sich seit dem Mittelalter das Wasser mit dem Bau und Betrieb von Wasserrädern nutzbar, und die Fischer belieferten den Thuner und den Berner Markt mit Fischen aus dem See.

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Im ausgehenden 19. Jahrhundert setzte ein tief greifender Wandel im Verhältnis zwischen Thun und «seinem» Wasser ein. Vor allem in der Wasserversorgung und im Bereich der Stadthygiene kam es zu einer eigentlichen Transformation. Mit dem Bau der Hochdruckwasserver-sorgung mussten die Thunerinnen und Thuner nicht mehr Wasser an Brunnen, an der Aare und am See holen, sondern es stand nun in gu-ter Qualität und scheinbar unlimitiert im Haus selber zur Verfügung. Der steigende Wasserverbrauch und eine grössere Stadtbevölkerung be dingten den Bau eines Kanalisationsnetzes, womit sich die Stadthy-giene massiv verbesserte.

Gleichzeitig verlor die Lage am Wasser an Bedeutung für Verkehr, Gewerbe und Industrie. Mit dem Bau der Eisenbahn und der Elektrifi-zierung waren Gewerbe und Industrie nicht mehr auf wassernahe Standorte angewiesen. Diese Entwicklung entlastete die Uferzonen von ihrer traditionellen Funktion als Gewerbe-, Lager- und Umschlag-platz, sie wurden allmählich frei für andere Nutzungen. An der Thu-ner Wasserfront entstand im Lauf der letzten 150 Jahren eine Freizeit-kultur mit Hotels, Restaurants und Promenaden. Heute sind See und Fluss in erster Linie Freizeitziel, das Aarebecken, früher die Verkehrs-schlagader der Stadt, ist heute nur noch landschaftliche Kulisse.

Bezug von EinzelheftenAn der Schlosskasse oder bei [email protected], Tel. 031 631 92 05Preis CHF 20.–.

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Redaktion

H. Kelterborn

Abbildungen

Titelbild, S. 9, 29 – 31, 67, 70 H. Kelterborn

S. 10 Schlossmuseum Thun

S. 33 – 38 S. Martin-Kilchner / R. Schatzmann, Bern

S. 40 – 42 s. Legende S. 40 ff.

S. 45 – 51 H. Kelterborn / Jürg Zbinden, Bern

S. 53 Getty Museum Los Angeles / Photostiftung Winterthur

S. 56 – 59 s. Fussnoten S. 56 ff.

S. 60 – 61 Martin Lory, Thun

S. 68 – 69 Stadtarchiv Thun

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Schlossmuseum Thun

Schlossberg 1 · 3600 Thun · Tel. 033 223 20 01 · Fax 033 223 20 [email protected] · www.schlossthun.ch

Öffnungszeiten:

Februar, März täglich 13 – 16 UhrApril – Oktober täglich 10 – 17 UhrNovember – Januar jeden Sonntag 13 – 16 UhrWeihnachten – Neujahr täglich 13 – 16 Uhr

Schlossmuseum Thun Schlossberg 1 3600 Thun Tel. 033/223 20 01; Fax 033/223 20 84

e-mail: [email protected] www.schlossthun.ch

Offnungszeiten:Offnungszeiten:Offnungszeiten:Offnungszeiten:

Februar, März täglich 13 - 16 Uhr April - Oktober täglich 10 - 17 Uhr November - Januar jeden Sonntag 13 - 16 Uhr Weihnachten - Neujahr täglich 13 - 16 Uhr

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