2010 brandenburg beim ausbau des gemeinsamen unterrichts auf einem guten weg

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1 Brandenburg beim Ausbau des gemeinsamen Unterrichts auf einem guten Weg Studie der Bertelsmann Stiftung: Inklusiver Unterricht von Jugendlichen mit und ohne Förderbedarf bundesweit oft die Ausnahme Situation vor allem an weiterführenden Schulen unbefriedigend Gütersloh, 29. November 2010. Brandenburg ist beim Ausbau des gemeinsamen Unterrichts auf einem guten Weg. Mehr als 36 Prozent der Schüler mit Förderbedarf werden gemeinsam mit an- deren Schülern unterrichtet. Damit belegt das Land beim Thema Inklusion im Bundesländerver- gleich einen der vorderen Plätze. Insgesamt ist in Deutschland gemeinsamer Unterricht von Kin- dern und Jugendlichen mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf allerdings noch oft die Ausnahme. Das zeigt eine Studie der Bertelsmann Stiftung, die der Bildungsforscher Klaus Klemm durchgeführt hat. Er kommt zu dem Schluss, dass der Ausbau inklusiver Bildungsangebote, zu dem sich Deutschland in internationalen Abkommen verpflichtet hat, insbesondere an den weiter- führenden Schulen nur langsam voran kommt. Der Untersuchung zufolge hatten in Brandenburg rund 15.800 Schüler im Jahr 2009 einen sonder- pädagogischen Förderbedarf das sind 8,5 Prozent aller Schüler. Die so genannte Förderquote liegt damit in Brandenburg deutlich über dem Bundesdurchschnitt von sechs Prozent, ist im Ver- gleich zu anderen ostdeutschen Flächenländern jedoch niedrig. In den Bundesländern reicht der Anteil der Kinder und Jugendlichen mit einem bescheinigten Förderbedarf von 4,5 Prozent in Rheinland-Pfalz bis hin zu 11,7 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern. Der Anteil der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in inklusiven Einrichtungen ist in Brandenburg schon recht hoch und liegt sowohl in Kindertageseinrichtungen als auch in Schulen deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Dennoch endet auch in Brandenburg inklusive Bildung meist nach der Kita: In Kindertageseinrichtungen spielen und lernen von den 2.100 Kindern mit besonderem Förderbedarf 75 Prozent gemeinsam mit anderen. In der Grundschule besuchen noch 56 Prozent inklusive Bildungseinrichtungen (ohne Schwerpunkt geistige Entwicklung). In der Sekundarstufe I geht der Inklusionsanteil in Brandenburg weiter zurück, liegt mit 36 Prozent aber auf einem hohen Niveau. Zum Vergleich: In Sachsen-Anhalt sind es weniger als zehn Pro- zent. Allerdings könnte hier die sechsjährige Grundschule in Brandenburg die Vergleichbarkeit beeinträchtigen. Dr. Jörg Dräger, für Bildung zuständiges Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stif- tung, fordert aufgrund der Ergebnisse der Studie: „Deutlich mehr weiterführende Schulen müssen inklusiv unterrichten es kann nicht sein, dass Kinder mit Förderbedarf bis zum Ende der Grund- schule gemeinsam mit anderen lernen, dann aber auf getrennte Förderschulen gehen müssen.“ Dabei sind die Lernerfolge im getrennten Unterricht offenbar nur unzureichend: 95 Prozent der Förderschüler erreichen in Brandenburg keinen Hauptschulabschluss, bundesweit 76 Prozent. Da in Brandenburg relativ viele Schüler mit Förderbedarf inklusiv unterrichtet werden, verbleiben auf den Förderschulen unter Umständen aber nur noch die Jugendlichen, für die das Erreichen eines Hauptschulabschlusses eine größere Herausforderung bedeutet. Der sehr hohe Anteil an Förder- schulabgängern ohne Hauptschulabschluss sollte in Brandenburg aber dennoch Anlass zu Be- sorgnis geben. Zwar können die Jugendlichen spezielle Förderschulabschlüsse erwerben. Ob ih- nen das bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz weiterhilft, ist aber fraglich. Dräger fordert daher: „Notwendig ist der konsequente Umbau in Richtung inklusive Schule. Nur so können wir die Zahl der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss in Deutschland deutlich reduzieren, denn über die Hälfte dieser Jugendlichen kommt aus Förderschulen. Der nötige Umbau zieht für alle Schulen Veränderungen nach sich und kostet Geld, er wird sich für unsere Gesellschaft aber schnell aus- zahlen.“

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Brandenburg beim Ausbau des gemeinsamen Unterrichts auf einem guten Weg 1 Rückfragen an: Anette Stein, Telefon: 0 52 41 / 81-81 274 E-Mail: [email protected] Antje Funcke, Telefon: 0 52 41 / 81-81 243 E-Mail: [email protected] 2

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Page 1: 2010 Brandenburg beim Ausbau des gemeinsamen Unterrichts auf einem guten Weg

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Brandenburg beim Ausbau des gemeinsamen Unterrichts auf einem guten Weg Studie der Bertelsmann Stiftung: Inklusiver Unterricht von Jugendlichen mit und ohne Förderbedarf bundesweit oft die Ausnahme – Situation vor allem an weiterführenden Schulen unbefriedigend Gütersloh, 29. November 2010. Brandenburg ist beim Ausbau des gemeinsamen Unterrichts auf einem guten Weg. Mehr als 36 Prozent der Schüler mit Förderbedarf werden gemeinsam mit an-deren Schülern unterrichtet. Damit belegt das Land beim Thema Inklusion im Bundesländerver-gleich einen der vorderen Plätze. Insgesamt ist in Deutschland gemeinsamer Unterricht von Kin-dern und Jugendlichen mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf allerdings noch oft die Ausnahme. Das zeigt eine Studie der Bertelsmann Stiftung, die der Bildungsforscher Klaus Klemm durchgeführt hat. Er kommt zu dem Schluss, dass der Ausbau inklusiver Bildungsangebote, zu dem sich Deutschland in internationalen Abkommen verpflichtet hat, insbesondere an den weiter-führenden Schulen nur langsam voran kommt. Der Untersuchung zufolge hatten in Brandenburg rund 15.800 Schüler im Jahr 2009 einen sonder-pädagogischen Förderbedarf – das sind 8,5 Prozent aller Schüler. Die so genannte Förderquote liegt damit in Brandenburg deutlich über dem Bundesdurchschnitt von sechs Prozent, ist im Ver-gleich zu anderen ostdeutschen Flächenländern jedoch niedrig. In den Bundesländern reicht der Anteil der Kinder und Jugendlichen mit einem bescheinigten Förderbedarf von 4,5 Prozent in Rheinland-Pfalz bis hin zu 11,7 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern. Der Anteil der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in inklusiven Einrichtungen ist in Brandenburg schon recht hoch und liegt sowohl in Kindertageseinrichtungen als auch in Schulen deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Dennoch endet auch in Brandenburg inklusive Bildung meist nach der Kita: In Kindertageseinrichtungen spielen und lernen von den 2.100 Kindern mit besonderem Förderbedarf 75 Prozent gemeinsam mit anderen. In der Grundschule besuchen noch 56 Prozent inklusive Bildungseinrichtungen (ohne Schwerpunkt geistige Entwicklung). In der Sekundarstufe I geht der Inklusionsanteil in Brandenburg weiter zurück, liegt mit 36 Prozent aber auf einem hohen Niveau. Zum Vergleich: In Sachsen-Anhalt sind es weniger als zehn Pro-zent. Allerdings könnte hier die sechsjährige Grundschule in Brandenburg die Vergleichbarkeit beeinträchtigen. Dr. Jörg Dräger, für Bildung zuständiges Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stif-tung, fordert aufgrund der Ergebnisse der Studie: „Deutlich mehr weiterführende Schulen müssen inklusiv unterrichten – es kann nicht sein, dass Kinder mit Förderbedarf bis zum Ende der Grund-schule gemeinsam mit anderen lernen, dann aber auf getrennte Förderschulen gehen müssen.“ Dabei sind die Lernerfolge im getrennten Unterricht offenbar nur unzureichend: 95 Prozent der Förderschüler erreichen in Brandenburg keinen Hauptschulabschluss, bundesweit 76 Prozent. Da in Brandenburg relativ viele Schüler mit Förderbedarf inklusiv unterrichtet werden, verbleiben auf den Förderschulen unter Umständen aber nur noch die Jugendlichen, für die das Erreichen eines Hauptschulabschlusses eine größere Herausforderung bedeutet. Der sehr hohe Anteil an Förder-schulabgängern ohne Hauptschulabschluss sollte in Brandenburg aber dennoch Anlass zu Be-sorgnis geben. Zwar können die Jugendlichen spezielle Förderschulabschlüsse erwerben. Ob ih-nen das bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz weiterhilft, ist aber fraglich. Dräger fordert daher: „Notwendig ist der konsequente Umbau in Richtung inklusive Schule. Nur so können wir die Zahl der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss in Deutschland deutlich reduzieren, denn über die Hälfte dieser Jugendlichen kommt aus Förderschulen. Der nötige Umbau zieht für alle Schulen Veränderungen nach sich und kostet Geld, er wird sich für unsere Gesellschaft aber schnell aus-zahlen.“

Page 2: 2010 Brandenburg beim Ausbau des gemeinsamen Unterrichts auf einem guten Weg

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Rückfragen an: Anette Stein, Telefon: 0 52 41 / 81-81 274 E-Mail: [email protected]

Antje Funcke, Telefon: 0 52 41 / 81-81 243 E-Mail: [email protected]

Die Studie sowie Grafiken und Länderberichte zum Download finden Sie unter www.bertelsmann-stiftung.de.

Page 3: 2010 Brandenburg beim Ausbau des gemeinsamen Unterrichts auf einem guten Weg

BrandenburgStatus Quo inklusiver Bildung 2008/2009

Kinder mit besonderem Förderbedarf in Kindertageseinrichtungen und Tagespflege (absolut):

Schüler mit besonderem Förderbedarf (absolut):

2.108

15.774

Brandenburg Deutschland

Förderquote (in Prozent)Anteil der Schüler mit Förderbedarf an allen Schülern

8,5 6,0

Exklusionsquote (in Prozent)Anteil der Schüler mit Förderbedarf, die separiert unterrichtet werden, an allen Schülern

5,4 4,9

Inklusionsquote (in Prozent)Anteil der Schüler mit Förderbedarf, die inklusiv in allgemeinen Schulen unterrichtet werden, an allen Schülern

3,1 1,1

Exklusionsanteile (in Prozent)Anteil der Schüler mit Förderbedarf, die separiert unter-richtet werden, an allen Schülern mit Förderbedarf

63,6 81,6

Inklusionsanteile (in Prozent)Anteil der Schüler mit Förderbedarf, die inklusiv unter-richtet werden, an allen Schülern mit Förderbedarf– Inklusionsanteil in der Kita– Inklusionsanteil in der Grundschule*– Inklusionsanteil in der Sekundarstufe I*– Inklusionsanteil im Förderschwerpunkt Lernen– Inklusionsanteil im Förderschwerpunkt Sehen

36,4

75,256,135,720,639,2

18,4

61,533,614,918,927,1

Förderschulabgänger ohne Hauptschulabschluss – absolut– Anteil in Prozen

1.50994,7

35.41276,3

*Ohne Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung.

Quelle: Bertelsmann Stiftung (2010): Gemeinsam lernen. Inklusion leben. Status Quo und Herausforderungen inklusiver Bildung in Deutschland. Gütersloh. Berechnungen von Klaus Klemm auf der Grundlage amtlicher Statistiken.