2014 01 31 sn der gwg zur ausbildungsreform · 2014-02-25 · verordnung von psychopharmaka sollte...

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Stellungnahme der GwG Veranstaltung der PTK NRW zur Reform der Psychotherapeutenausbildung am 19. Februar 2014 „Was wäre, wenn Psychotherapeuten zukünftig in den gleichen Strukturen aus- und weitergebildet würden wie andere akademische Heilberufe?Die Dringlichkeit einer Reform der Psychotherapeutenausbildung in unumstritten: die Zugangsvoraussetzungen müssen geklärt und geregelt werden die Praktische Tätigkeit muss adäquat vergütet werden die Ausbildung muss für weitere wissenschaftliche Verfahren geöffnet werden und durchführbar sein Die Gesprächspsychotherapie ist ein wissenschaftlich anerkanntes Verfahren und damit zur Ausbildung zugelassen. Da die Gesprächspsychotherapie aber nicht zu den Richtlinienverfahren zählt, ist eine Ausbildung in diesem Psychotherapieverfahren derzeit nicht refinanzierbar und deshalb de facto nicht durchführbar. Nun stellt sich die für uns entscheidende Frage, ob in dem hier angedachten basalen Modell in allen wissenschaftlich anerkannten Verfahren unter den gleichen Bedingungen aus- bzw. weitergebildet werden kann. Ist die Fachkunde dann auch für weitere Verfahren erreichbar oder bleibt die jetzige Beschränkung auf die Richtlinienverfahren, weil nach der Hochschulausbildung nur Weiterbildungen in Richtlinienverfahren finanzierbar sein werden? Nicht nur in der Ausbildungsphase sondern auch in der Weiterbildungsphase, die zum Erwerb der Fachkunde führt, müssten alle wissenschaftlich anerkannten Verfahren und damit alle Grundorientierungen der Psychotherapie (kognitiv-behavioral, psychodynamisch, systemisch und humanistisch) vertreten sein bzw. gleiche Chancen haben. Trotz unserer Skepsis lassen wir uns auf das Gedankenexperiment einer basalen Ausbildung ein und versuchen uns an den von Ihnen gestellten Fragen: 1. Zukünftige Aufgaben, Befugnisse und Tätigkeitsfelder Die Kernaufgabe besteht in der Versorgung und Heilbehandlung kranker Menschen aller Altersgruppen, bei denen psychische Faktoren eine Rolle spielen. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sollten aber nicht nur kurativ, sondern auch präventiv und rehabilitativ tätig werden. Die grundlegenden psychotherapeutischen Tätigkeiten sind Diagnostizieren, Beraten und das selbständige Behandeln in Kooperation mit andern Berufsgruppen auf der

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   Stellungnahme der GwG Veranstaltung der PTK NRW zur Reform der Psychotherapeutenausbildung am 19. Februar 2014 „Was wäre, wenn … … Psychotherapeuten zukünftig in den gleichen Strukturen aus- und weitergebildet würden wie andere akademische Heilberufe?“ Die Dringlichkeit einer Reform der Psychotherapeutenausbildung in unumstritten:

• die Zugangsvoraussetzungen müssen geklärt und geregelt werden • die Praktische Tätigkeit muss adäquat vergütet werden • die Ausbildung muss für weitere wissenschaftliche Verfahren geöffnet werden

und durchführbar sein Die Gesprächspsychotherapie ist ein wissenschaftlich anerkanntes Verfahren und damit zur Ausbildung zugelassen. Da die Gesprächspsychotherapie aber nicht zu den Richtlinienverfahren zählt, ist eine Ausbildung in diesem Psychotherapieverfahren derzeit nicht refinanzierbar und deshalb de facto nicht durchführbar. Nun stellt sich die für uns entscheidende Frage, ob in dem hier angedachten basalen Modell in allen wissenschaftlich anerkannten Verfahren unter den gleichen Bedingungen aus- bzw. weitergebildet werden kann. Ist die Fachkunde dann auch für weitere Verfahren erreichbar oder bleibt die jetzige Beschränkung auf die Richtlinienverfahren, weil nach der Hochschulausbildung nur Weiterbildungen in Richtlinienverfahren finanzierbar sein werden? Nicht nur in der Ausbildungsphase sondern auch in der Weiterbildungsphase, die zum Erwerb der Fachkunde führt, müssten alle wissenschaftlich anerkannten Verfahren und damit alle Grundorientierungen der Psychotherapie (kognitiv-behavioral, psychodynamisch, systemisch und humanistisch) vertreten sein bzw. gleiche Chancen haben. Trotz unserer Skepsis lassen wir uns auf das Gedankenexperiment einer basalen Ausbildung ein und versuchen uns an den von Ihnen gestellten Fragen: 1. Zukünftige Aufgaben, Befugnisse und Tätigkeitsfelder Die Kernaufgabe besteht in der Versorgung und Heilbehandlung kranker Menschen aller Altersgruppen, bei denen psychische Faktoren eine Rolle spielen. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sollten aber nicht nur kurativ, sondern auch präventiv und rehabilitativ tätig werden. Die grundlegenden psychotherapeutischen Tätigkeiten sind Diagnostizieren, Beraten und das selbständige Behandeln in Kooperation mit andern Berufsgruppen auf der

   Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und wissenschaftlich begründeter Verfahren unter fortlaufender Inter-/Supervision und Fortbildung. Weitere Tätigkeitsfelder sehen wir in der Aus-, Fort- und Weiterbildung, Forschung und Lehre, Prävention und Beratung, im Coaching, in der Gutachtertätigkeit, Kinder- und Jugendhilfe, im öffentlichen Gesundheitswesen und in der Gesundheits- und Sozialpolitik. Einer Befugniserweiterung wie im Forschungsgutachten vorgeschlagen stehen wir grundsätzlich positiv gegenüber. Aus Sicht der Gesprächspsychotherapie kann es von Vorteil sein, notwendige Maßnahmen wie Überweisung an eine weitere Stelle, Einweisung in eine Klinik, Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit oder Verordnung bestimmter Heilmittel direkt zu verantworten, auch wenn hier auf den ersten Blick die in der Gesprächspsychotherapie grundsätzlich symmetrisch konzipierte Beziehung zwischen Klientin/Klient und Therapeutin/Therapeut zu leiden scheint. Wenn wir die konkreten Lebensumstände der Klienten und die dadurch bedingte Erlebensperspektive zum Gegenstand der psychotherapeutischen Arbeit machen, praktizieren wir im besten Sinne die personzentrierte Haltung, denn die Klienten bringen diese Lebensumstände sowieso mit in die therapeutische Beziehung und stellen sie in der Regel nicht im Wartezimmer ab. So kann das Erkennen, Formulieren und Attestieren einer psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeit die therapeutische Beziehung und Selbstaktualisierung der Klienten/des Klienten stärken. Die Einschätzung, dass eine bestimmte psychische Krisensituation nicht mehr im ambulanten Setting bewältigt werden und eine Krankenhauseinweisung vorgeschlagen und auch vorgenommen werden kann, kann u.a. das Wertschätzungserleben auf Seiten der Klientin/des Klienten erhöhen. Die Überweisung an einen Facharzt, wenn eine weitergehende Abklärung möglicher Ursachen eines psychischen Leidens notwendig und sinnvoll erscheint, kann das therapeutische Bündnis stärken und der Klientin/dem Klienten vermitteln als „ganze“ Person wahrgenommen und verstanden zu werden. Die Verordnung von Heilmitteln, wie z.B. von Logopädie oder Ergotherapie bei bestimmten Behandlungsverläufen mit entsprechender Indikation kann ebenso konstruktiv in den therapeutischen Prozess einfließen. Insgesamt können sowohl der therapeutische Prozess als auch die therapeutische Beziehung durch die Möglichkeit der Psychotherapeuten, Aufgaben wahrzunehmen, für die sie fachlich durchaus qualifiziert sind, befördert und gestärkt werden. Die Verordnung von Psychopharmaka sollte jedoch weiterhin dem Facharzt überlassen werden, weil hierzu sehr fundierte medizinische Kenntnisse und viel Erfahrungswissen auf diesem Gebiet notwendig sind. 2. Ausbildungsphase mit Staatsexamens-Studiengang und Erwerb der Approbation Das Studium sollte an einer wissenschaftlichen Hochschule auf dem EQR-Level 7 (Masterniveau) stattfinden und mit einer staatlichen Prüfung abschließen. Es sollte die jetzigen Grundlagenfächer umfassen und Inhalte der jetzigen Studiengänge der Pädagogik und der Sozialen Arbeit berücksichtigen. Eine Einengung auf rein psychologische und medizinische Inhalte halten wir nicht für sinnvoll.

    Die Vermittlung von theoretischen Inhalten wie Grundlagen der Psychologie, der Medizin, Pädagogik, Sozialwissenschaften, Forschung, Diagnostik etc. halten wir für eher unproblematisch und sehen unsere Vorstellungen in der laufenden Diskussion zum Berufsbild und zu den psychotherapeutischen Kompetenzen weitgehend abgebildet. Problematischer sehen wir die Schwierigkeiten, wesentliche Bestandteile einer Psychotherapeutenausbildung in ein Hochschulstudium zu integrieren. Die Ausbildung/Weiterbildung in Gesprächspsychotherapie/Klientenzentrierter Psychotherapie findet bislang in einer festen Gruppe, eingebettet in ein Gesamtkonzept statt. Selbsterfahrung, praktische Methodenvermittlung und praktische Übungen mit direkter Rückmeldung sind bereits in der Eingangsphase wesentlicher Bestandteil der Aus- bzw. Weiterbildung. Die Ausbildung der Therapeutenpersönlichkeit findet nicht erst nach, sondern parallel zur Theorievermittlung statt. Wie bereits eingangs gefordert, müssen alle wissenschaftlich anerkannten Verfahren im Studium vertreten sein. Bereits im Studium sollte wie in der Weiterbildung die Vermittlung der Verfahren nur durch Personen erfolgen, die in diesen Verfahren ausgebildet und zur Aus- bzw. Weiterbildung in diesem Verfahren qualifiziert sind. Es sollten Mindeststandards für diese basale Ausbildung an den Hochschulen festgelegt werden, damit fundierte Kenntnisse über Theorie, differentielle Therapieindikation, Settingvarianten, Menschenbild und Forschungsgrundlagen vermittelt und erste praktische Erfahrungen mit den verschiedenen Verfahren gesammelt werden können. Nur so kann eine fundierte Entscheidung für ein Vertiefungsverfahren getroffen werden kann. 3. Weiterbildungsphase mit Erwerb von Fachkunden In der Weiterbildungsphase könnten analog zur vertieften Ausbildung in der postgradualen Ausbildung wissenschaftlich anerkannte Psychotherapieverfahren mit Altersschwerpunkten (KJP oder PP) vertiefend erlernt werden. Zuständig für die Weiterbildung wären dann die Landeskammern, die sich bestenfalls auf eine einheitliche Regelung verständigen würden. Bisher gestalten sich solche Prozesse aber eher schwierig, wie die Erfahrungen mit der Weiterbildung in der Neuropsychologie am Beispiel Schleswig-Holstein zeigen. Außerdem ist wie bereits erwähnt die praktische Durchführbarkeit einer Weiterbildung in wissenschaftlich anerkannten Verfahren, die keine Richtlinienverfahren sind, fraglich. Birgit Wiesemüller, Kerstin Engel Vorstand GwG