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Bericht Workshops "NEET" Jugendliche nicht in Ausbildung, Trai- ning oder Beschäftigung Im Rahmen der Jugendstrategie on Tour 2013 www.bmwfj.gv.at

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Bericht Workshops "NEET"

Jugendliche nicht in Ausbildung, Trai- ning oder Beschäftigung

Im Rahmen der Jugendstrategie on Tour 2013

www.bmwfj.gv.at

IMPRESSUM Herausgeber: Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, Kompetenzzentrum Jugend (Referat II/5a) Franz-Josefs-Kai 51, 1010 Wien [email protected]

Das Institut für Jugendkulturforschung wurde im Jahr 2013 mit der Durchführung von 2 Workshops mit Jugendlichen zum Thema "Jugendliche NEET - Not in Employment, Education oder Traning" beauftragt, um deren Ideen und Anliegen in die Entwicklung der Jugendstrategie des BMWFJ einfließen zu lassen.

Der nachfolgende Text stammt vom berichtslegenden Institut.

Weitere Informationen zur Jugendstrategie sowie diese Publikation als PDF finden sich unter www.bmwfj.gv.at/jugendstrategie

Anfragen und Anregungen richten Sie bitte an [email protected]

Auswertung der Gruppendiskussionen

Jugendliche NEET (Not in Education, Employment or Training)

Im Auftrag des

Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend

durchgeführt von Jugendkultur.at – Institut für Jugendkulturforschung und Kulturvermittlung Alserbachstraße 18/7.OG 1090 Wien

Wien, Juni/Juli 2013

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Ergebnisse der Gruppendiskussionen

NEET – Jugendliche Nicht in Ausbildung, Beschäftigung oder Training

Im Rahmen der Ausarbeitung der österreichischen Jugendstrategie und aus Anlass der Be- antwortung des Fragebogens des Litauischen EU-Vorsitzes wurden zwei Gruppendiskussio- nen mit betroffenen Jugendlichen durchgeführt. Es handelte sich dabei um Personen, die tatsächlich nicht in Ausbildung, Beschäftigung oder Training sind, respektive ein Gruppe von Personen, die sich in einer Trainingsmaßnahme befinden, nachdem sie zu der Gruppe ge- hört haben.

Die Gruppendiskussionen, die in Wien (23.5.2013) und in Innsbruck (13.6.2013) stattfanden, wurden von jungen Moderator/innen anhand eines semi-strukturierten Gesprächleitfadens durchgeführt. Dabei wurden die größeren Gruppen jeweils in geschlechtshomogene Teil- gruppen zu jeweils etwa 10 Personen gesplittet und auch ausgewertet.

In der Diskussion wurde primär auf die persönliche Geschichte der jugendlichen NEET fo- kussiert und Interesse an möglichen frühzeitigen Interventionen erhoben.

In diesem Bericht sind auch wörtliche Zitate wiedergegeben, wobei die Quelle des Zitats aus dem Abkürzungskürzel abgeleitet werden kann. Dabei steht IW für Innsbruck, weibliche Teil- gruppe, IM für einen männlichen Teilnehmer aus Innsbruck, und analog WW für Wien weib- lich und WM für Wien männlich.

Beschreibung der Gruppen

In Wien handelte es sich um Jugendliche, die tatsächlich zu der Gruppe der NEET zu zählen sind, jedoch zeigen sie unterschiedlich starke Exklusionserfahrungen und präsentieren sich als sehr divergente Gruppe mit unterschiedlichem familiären und Bildungshintergrund und sehr unterschiedlichem Zugang zu ihrer Situation. Die Gruppe derjenigen, die in Innsbruck bereits in eine Maßnahme integriert sind, stellt sich viel einheitlicher dar.

Die Wiener Jugendlichen wurden von jugendkultur.at nach mehreren Eigenschaften (nicht in Schule, Ausbildung oder Training, beschäftigungslos – aber nicht unbedingt arbeitslos ge- meldet) gescreent und direkt zu der Gruppe eingeladen, während die Jugendlichen für die Gruppe in Innsbruck an Maßnahmen einer Einrichtung (ibis acam) teilnehmen, und über die- se Einrichtung eingeladen wurden.

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Jugendbeteiligung „Jugendstrategie on Tour“ Persönliche Bildungskarriere

Hier zeigt sich die Fülle der Möglichkeiten, die in die Situation der NEET führen können. job- suchende Schulabbrecher/innen sind ebenso vertreten wie arbeitssuchende Studienabsol- vent/innen, Personen mit abgeschlossener Lehrausbildung und junge Menschen, die nach der Pflichtschule und mehreren Versuchen eine Lehrstelle zu finden scheiterten, ebenso wie jene, die nach dem Anschluss einer Lehrausbildung keine Anstellung finden konnten. Schließlich war in der Wiener Gruppe auch jener teil von jungen Menschen eingeladen, die „freiwillig“ aus dem Berufssystem ausgestiegen sind, und kaum Interesse haben, sich wieder einzugliedern.

Auffallend ist, dass die Gruppe in Innsbruck ein deutlich einheitlicheres Bild widerspiegelt; dort handelt es sich fast ausschließlich um Personen, die nach dem Ende der Pflichtschule (auch ohne positiven Abschluss) beim Einstieg in den Arbeitsmarkt respektive den berufli- chen Ausbildungsbereich scheiterten. Kaum jemand hat eine fertige Berufsausbildung vor- zuweisen, niemand hat eine höhere Schule ausgeschlossen.

Offensichtlich sind die Wege, die in die Situation der NEET führen so vielfältig wie das öster- reichische Bildungssystem selbst.

Word of mouth

IW: „Ich habe eine abgeschlossene Prüfung als Bürokauffrau.“

IM: „Hauptschule, dann einen Monat Kochlehre und jetzt nichts.“

WW: „Ich habe eine AHS gemacht, dann habe ich 3 Jahre Biologie studiert und aus verschiedensten Gründen abgebrochen und habe jetzt ein Kolleg für erneuerbare Energie fertiggemacht und jetzt bin ich auf Jobsuche.“

IM: „Nach der Hauptschule, HTL und danach 4 Monate eine Lehre.“

WW: „Ich habe eine Ausbildung als Lagerlogistikerin und Bürokauffrau gemacht und suche halt jetzt auch einen Job. Ich war in der Mittelschule, EDV-Schule, Wirt- schaftsschule und dann die Lehre. In der Wirtschafsschule bin ich einmal sitzenge- blieben.“

WM: „Ich habe mehrere Schulen gemacht, war auf einem Internat, dann auch auf einem Realgymnasium mit Schwerpunkt Biologie und Umwelttechnologie mit Matu- ra auch abgeschlossen, habe auch die Medienakademie abgeschlossen und ne- benbei als Kassierer bei Hofer gearbeitet.“

WM: „Hauptschule abgeschlossen und bei Spar eine Lehre angefangen, aber ab- gebrochen. Ich war 2 Jahre auch Maler. Das waren aber beschissene Arbeitszeiten für schlechtes Geld. Nun bin ich eben arbeitslos.“

WM: „Ich war auf der Hauptschule und habe das Poly gemacht. Dann habe ich eine Lehre zur Maschinenbautechnik gemacht. Aber der Chef dort hat immer Jugo-Witze gemacht und irgendwann hat es mir gereicht und ich bin gegangen. Jetzt bin ich beim AMS. Beim xxxx war ich auch, konnte aber die Lehre nicht fertig machen, weil ich mich verletzt habe.”

IW: „Ich wurde rausgemobbt. War 2 Jahre im Einzelhandel.“

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Persönliche Erfahrungen Auffallend ist, dass alle Jugendliche in den Schulen negative zwischenmenschliche Erfah- rungen unabhängig von Noten gemacht haben: Konflikte mit Lehrer/innen und vor allem Mobbing von Seiten der Mitschüler/innen wurden immer wieder genannt. Nur in der männli- chen Gruppe in Innsbruck – also junge Männer, die sich kennen und gemeinsam in der AMS Maßnahme sind – wird Mobbing zwischen Schüler/innen nicht erwähnt. In dieser Teilgruppe wird stattdessen verstärkt auf Gewaltanwendung, Ungerechtigkeit und Rassismus jeweils ausgehend von den Lehrpersonen hingewiesen. Auch das eigene gewalttätige Reagieren auf diese Zustände wurde dort thematisiert. Demgegenüber wird eigene Gewaltanwendung in keiner der anderen Gruppen erwähnt (mit Ausnahme eines Mädchen, das meinte, dass doch alle – sie ebenfalls – mobben). In praktisch allen Fällen wird dezidiert auf die Schule der Sekundarstufe I Bezug genommen, wenn auf Mobbing hingewiesen wird.

Niemand sagte, gerne in die Schule gegangen zu sein, alle sahen in der Schule ein großes Belastungs- und Konfliktpotenzial. In allen Teilgruppen wird von einigen Teilnehmer/innen eigenes aggressives aber auch unangepasstes Verhalten thematisiert. So wird notorisches Zu-Spät-Kommen ebenso genannt wie Schlägereien, Fernbleiben vom Unterricht ebenso wie Gewalt gegen Lehrpersonen.

Word of Mouth

WW: „Ich hatte 3 Schlägereien im Poly. Deshalb wurde ich auch suspendiert. Es war mit zwei Jungs aus meiner Klasse, die mich geschimpft haben. Und der Lehrer hat mich dann erwischt.“

IW: „Ich glaube jeder hat Erfahrungen mit Mobbing gemacht. Ich zum Beispiel habe gemobbt.“

IM: „Mit dem Poly-Direktor. Der wollte mich von der Schule werfen, aber es hat nicht so ganz geklappt damals. Begründung war, weil ich nicht aufgepasst hab und nicht getan hab. Der hatte wohl was persönlich gegen mich.“

WM: „Im Gymnasium war es für mich 3 Jahre lang purer Horror. Da hätte ich jedem ins Gesicht geschlagen. In der FH fand ich es besser, wenn ich mal hingegangen bin.“

WM: „Ich hatte Selbstbewusstseinsprobleme und wurde gemobbt. Bei uns waren auch öfter Schlägereien und die Lehrer konnten auch damit nicht umgehen.“

IM: „Bei mir ist ein Lehrer mal handgreiflich geworden und ich habe mich zu viel zur Wehr gesetzt und dann hab ich ihm die Nase gebrochen. Dann musste ich zum Di- rektor. Aber er hat halt angefangen.“

WW: „Ich immer zu spät gekommen. Wurde in der 3. Klasse suspendiert deswegen, kurz vor den Abschlussprüfungen. Bin dann zu Schulrat, habe mich beschwert und durfte dann wieder in die Klasse. Sie hat mich immer gewarnt, aber war trotzdem immer zu spät?“,

WM: „Unsere Lehrerin hat es bei uns in der dritten Klasse irgendwann nicht mehr ausgehalten und hat eine Kamera installieren lassen. Unsere Klasse war total be-

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Jugendbeteiligung „Jugendstrategie on Tour“

hindert. Es war ganz ruhig und irgendwann ist einer aufgestanden und hat einen Sessel nach vorne geschossen. Einfach so. Oder fing an wie ein Affe zu schreien.“

IM: „Es gab bei mir Mitschüler, die sehr rassistisch waren, und die Lehrer haben einfach nur zugeschaut. Ein paar meiner Freunde waren auch Jugos und da hab ich das mitbekommen.“

WM: „Ich war immer schon sehr dünn und hatte diese Statur und bei uns gab es auch immer viele Schlägereien. Ich konnte mich nicht wehren und verbal hat es nichts genutzt. Und die Lehrer konnten mir nicht helfen. Die Aggression in den Pflichtschuljahren ist extrem hoch!“

Wo wäre Unterstützung notwendig gewesen?

Die Jugendlichen verweisen durchaus auf Unterstützungserfahrungen fordern aber gleichzei- tig mehr Hilfe ein.

Hier zeigten sich große Unterschiede zwischen den Jugendlichen in den Gruppen. Während die Wiener Jugendlichen auf Unterstützung hingewiesen hatten und nach bestimmten Maß- nahmen zur Bearbeitung von Mobbing und zum Umgang mit Konflikten verlangten, herrschte vor allem bei den weiblichen Jugendlichen in Innsbruck Resignation vor. Sie beklagten das Fehlen von Unterstützung aber vor allem auch die scheinbare Sinnlosigkeit jeglicher Maß- nahme. Kritisiert wurden in erster Linie Interventionen der Lehrpersonen, die als nicht ausrei- chend angesehen wurden.

Gewünscht werden Workshops in der Schule, um den Umgang mit Mobbing und Konflikten zu erlernen, aber selbst die Thematisierung der Probleme wäre bereits eine Hilfestellung.

Word of Mouth

WW: „Ich war in der Schule in einem Team zur Konfliktlösung und wenn in der Schule mal was nicht gepasst hat, zum Beispiel zwischen Lehrern und Schülern, dann setzten wir uns mit denen zusammen, damit sie es reflektieren können und wir versuchen gemeinsam eine Lösung zu finden. Wir haben auch immer Grup- penworkshops gemacht zur Konfliktbewältigung.“

WW: „In der Berufsschule hatten wir eine Sozialarbeiterin, die mir sehr geholfen hat. So eine neutrale Person ist wirklich am besten.“

IM: „Ich bin der klassische Einzelgänger. Wenn ich mich jetzt jedem anvertrauen würde, dann wäre es mir schon unangenehm. Mich kann auch eigentlich niemand unterstützen.”

IM: „Von der Klassengemeinschaft wäre cool gewesen. Habe mir immer gewünscht, dass sie besser wäre. Wir hatten zwar Klassensprecher und so, aber die haben sich um nichts gekümmert.“

WM: „Von den Lehrern und von den Eltern hätte ich mir mehr Unterstützung ge- wünscht. Die haben immer erwartet, dass ich zu denen komme und haben mich nie gefragt, wie es mir geht oder ob ich Probleme habe. Was mich aber auch nervt ist,

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dass viele denken, dass Schulpsychologen etwas Negatives sind, aber dank einem habe ich gelernt, wie ich viel besser mit anderen umgehen kann.“

IW: „Die einzigen, die was machen, sind die Religionslehrer. Die anderen sind Ego- isten, die ihr Fach abarbeiten.“

Kritische Punkte

Bei der Diskussion darüber, ob es eine bestimmte Situation resp. bestimmte Geschehnisse gegeben hat, die zu einem Ausstieg aus Schule bzw. Ausbildung geführt hat, waren die meisten Diskussionsteilnehmer/innen eher zurückhaltend in ihrer Bewertung. Einen beson- deren Streit, einen besonderen Zeitpunkt hervorzuheben, schien den meisten weder möglich noch sinnvoll zu sein. Einige machten jedoch nicht einen Zeitpunkt, sondern eine bestimmte Konflikt- oder Belastungssituation als ausschlaggebend aus. So erwähnte eine Teilnehmerin einen Konflikt mit einem Mitschüler, ein andere Teilnehmer die Nichtbeachtung durch den Vorgesetzten.

Word of Mouth

IM: „Das war in der zweiten Hälfte des 3. Jahres an der Hauptschule und dann nochmal im zweiten Lehrjahr. Ich hatte nur noch Blödsinn im Kopf, habe nur das gemacht, was ich wollte.“

WW: „Wenn die Lehrer nur mit ihren Lieblingsschülern reden und auch über priva- tes in der Stunde und dich dann selber so oberflächlich behandeln, das ist auch nicht so schön.“

WW: „Ich war ja mal auf einem Gymnasium. Da habe ich mich mit einem Junge immer gestritten, aber ich habe mich voll angestrengt und gelernt. Dann mussten wir beide wiederholen und die haben uns beide wieder in eine Klasse gesteckt. Ir- gendwann bin ich nicht mehr gegangen und dann wurde ich rausgeschmissen.“

WW: „Ich habe vorige Saison in einem Eis-Geschäft gearbeitet und ich musste das machen, damit ich von AMS Geld bekomme. Und da waren nur Polen, die nur pol- nisch sprachen. Und als Neue wird man immer getestet und es werden einem auch Aufgaben gegeben, die man eigentlich nicht machen muss. Aber ich musste es halt 6 Monate wegen AMS aushalten.

WW: „Ich habe in der Probezeit mal gekündigt, weil der Chef nie was gesagt hat, sondern es meiner Kollegin sagen musste und sie mir dann. Er hat mich auch im- mer böse angeschaut.“

WM: „Unterdrückung der Chefs. Ich wurde einen Monat lang gemobbt, weil mein Chef meinte, dass ich seinen Posten haben wollte.“

WW: „Es geht. Also anstrengend halt eben, also das Suchen. Die Kollegen waren immer so unsozial, die wollte immer besser sein als ich. Die haben mir nie geholfen oder so.“

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Jugendbeteiligung „Jugendstrategie on Tour“ Andere Belastungen

Auch wenn in den Diskussionen nach Belastungen in Schule und Beruf gefragt wurde, sind doch die familiären Rahmenbedingungen als wesentliche Faktoren immer wieder von den Jugendlichen eingebracht worden. Gewalterfahrung in der Familie, fehlende Unterstützung und Druck sind hier die wichtigsten Elemente. Es wurde auch nach mehr Unterstützung für die Familie im Umgang mit Problemen verlangt.

Word of Mouth

IM: „Mein Stiefvater hat mich mal zusammengeschlagen, weil der behindert ist.“

WM: „Meine Mutter hat immer zugeschaut, wie mein Vater mich geschlagen hat.

Und damals hat man mir auch Ritalin gegeben und da hätte meine Mutter auch

mehr machen können.“

Einstieg in den Arbeitsmarkt

Hier zeigt sich, dass der Großteil der befragten Personen sich zum einen schwer taten, überhaupt den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu finden und vom AMS zu Trainings und Maß- nahmen geführt wurden, zum anderen aber Anpassungsschwierigkeiten an den Beruf zeig- ten. So wurden Konflikte und mangelnde Kommunikation mit Kolleg/innen genannt aber auch Unwissen über die Anforderungen. Insgesamt zeigte sich, dass die genannten Konflikte eher zur Beendigung des Arbeits- resp. Ausbildungsverhältnisses beitrugen, als sie in der schuli- schen Ausbildung als Auslöser für Abbrüche zu sehen waren.

Es ist aber auch offensichtlich, dass die betroffenen Jugendlichen bei diesen Konflikten – anders als im schulischen Bereich – keine Unterstützungsangebote kannten oder in An- spruch genommen haben.

Word of Mouth

WM: „Für mich war die Lehrstellensuche gar nicht einfach. Ich habe an viele Be- werbungen geschrieben. Habe oft irgendwo angerufen und da hieß es immer, dass der Chef nicht da ist oder dass ich Dienstag nochmal anrufen soll. Und das ist im- mer so gegangen. Und dann ruft dich der Chef eine Woche später an und sagt, dass es nicht geht. Ich glaube ich habe 8 Monate gegangen.“

WM : „Ich suche schon seit vielen Monaten. Aber mit meinen Qualifikationen be- komme ich keine Lehre. Ich hatte zwar 3 Zusagen, aber diese wurden mir dann ab- gesagt, weil plötzlich eine weibliche Bewerberin auftauchte und sie ihre Quote erfül- len müssen.“

IM: „Ich dachte mir, da mein Abschluss nicht so gut ist, brauche ich mich nicht zu bewerben und deshalb habe ich einen Job als Hilfsarbeiter an einer Baustelle an- genommen. Dann wurde mir da langweilig und habe das aufgegeben. Darauf muss- te ich zu solchen Kursen gehen von der AMS.“

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Exklusionserfahrung Die derzeitige Situation der Jugendlichen zwingt sie in vielen Belangen ihre Ansprüche zu- rück zu fahren. So wird in erster Linie der Verlust an ökonomischen Möglichkeiten beklagt; nicht mehr auf Urlaub fahren zu können, kein schönes Gewand zu haben, nicht mit dem Freundeskreis alles mitmachen können. Aber auch direkte Ablehnung aufgrund ihrer derzei- tigen Situation erlebt der eine oder die andere in ihrer Umgebung. Man wird als Arbeitslose eingestuft, die selbst „schuld“ sind, keinen passenden Job zu haben.

Andererseits nennen die Jugendlichen Freunde und Familie als die wesentlichen Unterstüt- zungsinstanzen sowohl finanziell als auch bei der Jobsuche vor allem aber wenn es um das Besprechen von Problemen geht.

Hier sieht man aber große Unterschiede zwischen den einzelnen Jugendlichen. Die Diskus- sion über Exklusion einerseits und zwischenmenschliche Unterstützung andererseits wurde weder hitzig noch mit besonderem Elan geführt. Nur wenige Jugendliche brachten sich in das Gespräch ein, was daran liegen mag, dass es mitunter schwierig ist, zuzugeben, dass man sich nicht alles leisten kann, was man gerne hätte, zum anderen vielleicht auch nur we- nig Unterstützung außerhalb von Institutionen gespürt wird.

Word of Mouth

WW: „Nicht bei Allem. Also Shoppen geht nicht immer oder andauernd Kino.“ WW:

„Nein. Ich will unbedingt einen Führerschein machen, aber das ist zu teuer.“ WM:

„Ich kann mir kaum neue Kleidung leisten. Dementsprechend sehe ich dann bei Bewerbungsgesprächen aus, weil sie nicht gescheit zusammenpassen. Und ich hatte voll oft die Begründung, warum ich keinen Job bekomme, dass ich halt so ausschaue.“

WW: „Nicht wirklich. Die sagen halt, dass ich einen Job mal finden soll.“,

WM: „Meine Freundin unterstützt mich sehr. Wenn sie mal was hört, sagt sie mir Bescheid.“

WM: „Ich habe meine Wohnung, Verlobte und mein Kind verloren, weil ich arbeits- los wurde.“

WW: „Ja, sogar Bekannte von der Nachbarschaft fragen, ob ich schon Arbeit habe und selber geben die mit ihrem Leben an. Die verarschen mich.“

WW: „Ich glaube, wenn meine Eltern mich nicht unterstützen würden, dann würde es nicht gehen.”

IM: „Immer am dritten des Monats bekomme ich Geld und das reicht mir nicht.“

WW: „Also ich rede viel mit Freunden und Bekannten über meine Lage, da heutzu- tage nichts ohne Vitamin B geht. Ich hole mir auch die Meinungen von Freunden über Bewerbungsgespräche.“

WM: „Ich habe mir im Laufe der Jahre einen Freundeskreis aufgebaut, hier und in Deutschland. Die unterstützen mich, aber halt nicht wenn es um Arbeit geht.”

WW: „Ich habe das Gefühl, das man von der Gesellschaft so asozial rüberkommt.“

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Jugendbeteiligung „Jugendstrategie on Tour“ Unterstützung durch die Gesellschaft

Die Jugendlichen geben alle an, dass es viele Angebote für sie gäbe, jedoch kritisieren sie diese als oftmals unpassend. Vor allem in der Innsbrucker Gruppe wird viel Kritik an den Mit- arbeiter/innen des AMS geübt, die ihrer Meinung nach zu wenig auf die individuellen Bedürf- nisse der Jugendlichen eingegangen sind.

Als Angebote wird neben der finanziellen Unterstützung aber auch das Angebot an Kursen genannt (die Teilnehmer/innen in Innsbruck heben die Angebote von JuNet besonders posi- tiv hervor).

Viele dieser Angebote will man aber nicht in Anspruch nehmen, da man einerseits die Sinn- haftigkeit der Kurse in Frage stellt, man andererseits auch nicht einsehen möchte, dass man zur Inanspruchnahme der Sozialleistungen zumindest zum AMS hingehen muss.

Bei diesem Diskussionspunkt erkennt man bei einigen der Diskutant/innen große Kritik, fast schon Ablehnung, am Unterstützungssystem und sieht auch wenig Wille der Jugendlichen NEET sich den Anforderungen anzupassen.

Word of Mouth

IW: „Die Beratungen vom AMS waren lästig. Ich hatte einen Termin, habe aber ge- sagt, dass ich krank bin und nicht kommen kann. Und ich habe solange kein Geld bekommen, bis ich angetanzt bin.“

IM: „Ich nehme nicht an so was teil, weil man auch viel Geld für diese Kurse zahlen muss.“

WW: „Manche bekommen Angebote geschickt und ich zum Beispiel nicht. Das heißt hier Sozialstaat, aber ich frage mich, wo dieses „sozial“ ist.“

WM: „Das AMS unterstützt einen gar nicht. In Norwegen oder so da sind sie uns 15 Jahre voraus.“

WM: „Da gab es von der ÖBB ein Projekt, wo die Leute gesucht haben oder so. Da konnte man mit der 2.Klasse durch ganz Österreich.“

WM: „Die Erwartung von so einem AMS-Kurs ist, dass ich einen Job bekomme. Ich gehe aber halt dahin, damit ich versichert bin und wenigstens etwas Geld bekom- me.“

WM: „Für mich ist das der größte Scheiß, weil ich keine Sachen vermittelt bekom- men mag, die ich schon weiß.“

Mögliche Verbesserungen

Die Frage nach Angeboten, die geholfen hätten, um nicht den Anschluss zu verlieren, wurde sehr intensiv diskutiert und brachte eine Reihe von interessanten Vorschlägen, die sich in erster Linie auf Schule und Arbeitswelt und die darin herrschenden Sozialkontakte beziehen. Gefordert werden eher strukturelle Maßnahmen als spezielle Angebote, die zu bestimmten Zeiten genutzt werden. Es geht um kleinere Klassen oder andere Ausbildungen, um Evaluie- rungen durch Jugendliche oder regelmäßige Kontrollen von außen.

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Besonders wird die Rolle der Lehrer/innen hervorgehoben, die sich nicht nur um fachliche Leistungen kümmern sollten, sondern auch um das Klassenklima und um jede Schülerin / jeden Schüler individuell. Hier braucht es nach Ansicht der Gruppenteilnehmer/innen speziel- le Ausbildungen für Lehrpersonen aber auch die notwendige Zeit, sich um das Miteinander in der Schule kümmern zu können.

Ähnlich große Bedeutung wird in der Arbeitswelt der Rolle der Ausbildner/innen und Vorge- setzten zugestanden. Hier richten sich die Forderungen aber wesentlich mehr auf Kontrolle als auf Unterstützung. Die Betriebe sollten durch die Arbeiterkammer kontrolliert werden – aber nicht in Hinblick auf die Qualität der Ausbildung sondern in Hinblick auf die seelische Belastung der Mitarbeiter/innen als Folge von Mobbing.

Das Nachholen resp. das Verbessern von Bildungsabschlüssen wäre für einige eine Mög- lichkeit, die Chancen am Arbeitsmarkt zu verbessern.

Ein Spezialthema stellt der Umgang mit Vorurteilen und Rassismus dar. Eine Reihe von – meist männlichen – Jugendlichen mit Migrationshintergrund berichtet von Fremdenfeindlich- keit und Intoleranz als Ursachen von Mobbing. Hier werden eine Kontrolle und auch eine niederschwellige Anzeigemöglichkeit gefordert, um den Verbleib in Ausbildung und Beruf zu ermöglichen.

Word of Mouth

IW: „Ich hätte mich in der Schule mehr Unterstützung gewünscht. Auch, dass die Eltern mehr in der Schule sich integrieren.“

IW: „Am besten wäre es gewesen, wenn die Lehrstellen gesagt hätten Hey, Baby! Wir haben eine Lehrstelle für dich. Aber leider ist es nicht so.“

IW: „Es fehlt einfach jemand, der die zweite Berufsschule zahlt.“

IM: „Ich möchte gern eine Möglichkeit, dass ich meine Noten von der Pflichtschule verbessern kann. So einen schulartigen Kurs vom Bildungsministerium oder vom AMS.“

WW: „Wir bräuchten vom AMS eine Karte, mit der man Prozente bekommt.“

IM: „Ja, die Lehrer könnten uns auch mehr helfen. So ein Einzelgespräch für eine halbe Stunde ist doch nicht viel für einen Lehrer.“

WM: „Workshops, in denen man sich auspowern kann.“

WM: „Dass man nicht überqualifiziertes, also das, weil man zu gut ist, diesen Job nicht bekommt.“

WW: „Ein Außenstehender oder ein Berater von der Arbeiterkammer, der sich das dann anschaut, hätte geholfen. Der sollte eine Lösung finden und unparteiisch sein.“

WW: „Ein Mitarbeiter, der schon länger dabei ist, der könnte mit dem Neuen reden und dann würden auch die anderen Kollegen kommen und einen nicht ausschlie- ßen.“

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Jugendbeteiligung „Jugendstrategie on Tour“

IW: „Die AMS-Berater sollten auch netter sein und nicht mit verschränkten Armen und so vor einem sitzen. Die sollten nicht so nervig sein und auf einen mehr einge- hen.“

WW: „Man sollte vielleicht in der Schule über Mobbing und das alles aufgeklärt werden.“

WW: „Es gibt auch Selbsthilfekurse und Freunde und Familie könnten einem auch helfen, selbstbewusster zu werden.“

WW: „Ich finde, dass die AMS weitere Kurse anbieten sollte, auch zur Motivation.“

WW: „Es gibt auch Selbsthilfekurse und Freunde und Familie könnten einem auch helfen, selbstbewusster zu werden.“

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Zusammenfassung

Insgesamt lässt sich feststellen, dass NEETs also Jugendliche, die sich nicht in Ausbildung, Beschäftigung oder Training befinden nicht eine einheitliche Zielgruppe darstellen. Sie sind vielmehr sehr differenziert zu betrachten und stellen aufgrund der unterschiedlichen persön- lichen Geschichte, die sie in diese Situation gebracht haben, mannigfaltige Herausforderun- gen an mögliche frühe Interventionsangebote. Schulverweigerung kann ihre Ursachen in fachlicher Überforderung ebenso haben wie in zwischenmenschlichen Konflikten in der Klas- se oder mit dem Lehrkörper. Aggressives Verhalten und gewalttätige Reaktionen seitens der betroffenen Jugendlichen verstärken das Problem.

Gewalterfahrungen und mangelnde Unterstützung in der Familie sind weitere Faktoren, die verstärkend auf die Belastungssituation einwirken.

In der Arbeitswelt muss man zwischen den Aussteigern und den Nicht-Einsteigern unter- schieden. Die erste Gruppe berichtet von überfordernden Situationen am Arbeitsplatz, vor allem aber auch von Konflikten mit Kolleg/innen und Vorgesetzten, die zu Kündigungen füh- ren. Die Jugendlichen der zweiten Gruppe finden gar nicht den Weg in den Arbeitsmarkt oder haben nach einer Kündigung oder einer abgeschlossenen Ausbildung nicht mehr den Wiedereinstieg geschafft. Letzteres führen sie primär auf mangelnde passende Angebote zurück. Diejenigen, die nach der Schule – egal ob mit positivem oder ohne Pflichtschulab- schluss – den Übergang in den Arbeitsmarkt nicht schaffen machen hauptsächlich ihre schlechten Schulleistungen aber auch Vorurteile seitens der Arbeitgeber als Ursachen aus.

Intoleranz, Vorurteile und Rassismus werden von vielen Jugendlichen mit Migrationshinter- grund als Ursache ihrer Probleme am Arbeits- und Ausbildungssektor angesehen.

Obwohl die Gruppe von NEETs sehr vielfältig ist, sind die Wünsche nach Unterstützung in zwei Bereiche zusammenzufassen: strukturelle Änderungen im schulischen Ausbildungsbe- reich und Kontrollen und Hilfsangebote im beruflichen Umfeld. Gewünscht wird die Etablie- rung individueller Betreuung seitens der Lehrer/innen und mehr und intensivere Auseinan- dersetzung mit dem Thema Umgang mit Konflikten, Mobbing und Gewalt in der Schule. Dies würde zu einem besseren Klassenklima, zu mehr Selbstwertgefühl und letztlich zu weniger Verweigerungen und Abbrüchen führen.

In der Arbeitswelt fordert man die Kontrolle des Arbeitsplatzes hinsichtlich von Mobbing ein.

Man erkennt, dass – zumindest unter den befragten jugendlichen NEET – viele wenig Selbstvertrauen haben und ihre Ablehnung von Unterstützungsmaßnahmen mit fehlendem Vertrauen in die Wirksamkeit bestehender Maßnahmen zu tun hat. Es steht auch zu vermu- ten, dass ihr unangepasstes und durchaus gewaltbereites Verhalten oft mit mangelnder An- erkennung zu tun hatte.

Interventionen müssten daher in erster Linie im frühen Jugendalter gesetzt werden, und sich auf die Förderung der individuellen Ressourcen und Möglichkeiten fokussieren. Daneben sind Maßnahmen zur Verbesserung des Schul- und Klassenklimas sowie zur Förderung ei- ner Konfliktkultur und einer Verminderung von Mobbing und Gewalt gefordert.