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3. Steuerinzidenz
Silke Übelmesser
LMU München
SS 2010
3. Steuerinzidenz
3.1 Partielle Gleichgewicht
3.2 Allgemeines Gleichgewicht
Literatur
Homburg, S. (2010), Allgemeine Steuerlehre, 6. A., München,Vahlen, Kapitel 4. [*]
Kotliko�, L. und Summers, L. (1987), �Tax Incidence�, A.J.Auerbach und M. Feldstein (Hrsg.), Handbook of PublicEconomics, Volume II, North Holland, Amsterdam, 1043-1092.
Wellisch, D. (2000), Finanzwissenschaft II: Theorie der
Besteuerung, München, Vahlen, Kapitel 6.
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Zentrale Frage: Wen tri�t eine Steuer?
Zahllast: Wer muss laut Gesetz eine Steuer abführen?
Traglast (Inzidenz): Wer trägt die ökonomische Last derSteuer?
Zahllast und Traglast fallen oft auseinander, da sich inAbhängigkeit der Steuer Güter- und Faktorpreise ändern.
Lastverteilung bzw. Inzidenz hängt nur von denMarktverhältnissen ab.
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Was passiert mit den Steuereinnahmen?
Spezi�sche Inzidenz: Erhöhung oder Senkung einer Steuerbei Konstanz aller anderen Steuern und des Budgets(geeignete Annäherung für einen Partialmarkt).
Di�erentielle Inzidenz: Erhöhung oder Senkung einer Steuerbei Konstanz des Budgets, wobei die Steuererhöhung oder-senkung durch die Variation einer anderen Steuer kompensiertwird (geeignet zur Analyse von Steuerreformen)
Budgetinzidenz: Betrachtet auch die Verwendung derAusgaben.Steuererhöhung oder -senkung wird durch Variation derAusgaben kompensiert und die daraus resultierendenNutzengewinne oder -verluste der Haushalte werden ebenfallsberücksichtigt.
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Mögliche Analyseebenen
Partialmodell (vgl. Kapitel 3.1)Nur ein Markt wird berücksichtigt; bei kleinen Märktengerechtfertigt.
Totalmodell (vgl. Kapitel 3.2)Gesamtwirtschaftliches Modell, bei dem Auswirkungen einerSteuer auch auf andere Märkte berücksichtigt werden.
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3.1. Partielles Gleichgewicht
Betrachte einen Markt für ein Gut, z.B. Ka�ee.
GZB(x) Grenzzahlungsbereitschaft(inverse Nachfragefunktion)
GK(x) Grenzkosten
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Im Folgenden wollen wir die Inzidenz bei einer Mengen- undWertsteuer betrachten:
Mengensteuern (speci�c taxes) knüpfen anBemessungsgrundlagen wie Stück, Liter, Kilogramm etc. an.
→ Spezielle Verbrauchsteuern sind meist als Mengensteuernausgestaltet, z.B. Mineralölsteuer.
→ Sei p der Nettopreis eines Gutes (ohne Steuer) und q derBruttopreis (inkl. Steuer). Die Di�erenz q − p entspricht demSteuerbetrag t pro Einheit (z.B. Stück) fest. Es gilt daher:q = p+ t.
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Wertsteuern (ad valorem taxes) werden als prozentualeAufschläge auf Wertgröÿen (Preis, Umsatz, Einkommen)erhoben, z.B. Einkommensteuer und Mehrwertsteuer.
→ Der Aufschlag bei der Wertsteuer sei θ, so dass sich derZusammenhang zwischen Brutto- und Nettopreis durchq = p(1 + θ) ergibt.
→ Eine solche Steuer - wie z.B. bei der Mehrwertsteuer -bezeichnet man als Nettowertsteuer, da sich der Steuersatz aufden Nettowert p bezieht.
→ Der Abschlag auf den Bruttopreis bei der Wertsteuer sei τ , sodass der Zusammenhang zwischen Brutto- und Nettopreis indiesem Fall p = q(1− τ) ist. Eine solche Steuer, wie z.B. dieLohnsteuer, bezeichnet man als Bruttowertsteuer.
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Ökonomisch ist die Ausgestaltung der Steuer als Mengen- oderWertsteuer weitgehend irrelevant. Denn man kann zu jedergegebenen Mengensteuer t die äquivalente Wertsteuer θ oderτ festlegen und umgekehrt.
Überlegen Sie, welche Auswirkungen allerdings alternativeAusgestaltungen der Steuer bei Preisänderungen ohneAnpassung der Steuern hätten.
Im Folgenden konzentrieren wir uns auf die spezi�scheInzidenz:Verwendung des Steueraufkommens vernachlässigt(gerechtfertigt bei geringem Aufkommen aus der betrachtetenSteuer).→ Überwälzung auf andere Märkte werden nicht untersucht.
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3.1.1. Vollständiger Wettbewerb
Wettbewerbsmarkt ohne Steuern
Der (repräsentative) Konsument maximiert
maxx
∫ x
0GZB(u)du− px⇒ GZB = p (1)
Der (repräsentative) Produzent maximiert
maxx
px−∫ x
0GK(u)du⇒ p = GK (2)
Im Gleichgewicht gilt somit: GZB = GK
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p
GZB
GK
0 x
p0
x0
Abbildung 1: Gleichgewicht ohne Steuern
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Zahllast bei den Konsumenten
Die Konsumenten müssen pro gekaufter Einheit den Betrag t(Mengensteuer) an den Fiskus abführen. Somit gilt:
q = p+ t (3)
mit q: für Konsumenten relevanter Bruttopreis und p: fürProduzenten wichtiger Nettopreis.
Der Konsument maximiert
maxx
∫ x
0GZB(u)du− (p+ t)x⇒ GZB = p+ t (4)
Der (repräsentative) Produzent maximiert
maxx
px−∫ x
0GK(u)du⇒ p = GK (5)
Im Gleichgewicht gilt somit: GZB − t = GK(= p)11 / 69
p
GZB
GK
0 x
p0
x0
Abbildung 2: Gleichgewicht mit Steuern (Zahllast beim Konsumenten)
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Aus Sicht der Produzenten wirkt die Steuer wie eineVerringerung der Nachfrage. (Die Grenzzahlungsbereitschaftaus Sicht des Produzenten - d.h. netto der Steuer - ist um tgesunken.)
Das Steueraufkommen beträgtObwohl die Zahllast nur bei den Konsumenten liegt, tragengegenüber der Ausgangssituation (p0) beide Marktseiten dieSteuer.
Die Traglast der Konsumenten beträgtDie Traglast der Produzenten beträgt
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Zahllast bei den Produzenten
Die Produzenten müssen pro verkaufter Einheit den Betrag t(Mengensteuer) an den Fiskus abführen.
maxx
∫ x
0GZB(u)du− qx⇒ GZB = q (6)
Der (repräsentative) Produzent maximiert
maxx
(q − t)x−∫ x
0GK(u)du⇒ q − t = GK (7)
Im Gleichgewicht gilt somit: GZB = GK + t(= q)
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p
GZB
GK
0 x
p0
x0
Abbildung 3: Gleichgewicht mit Steuern (Zahllast beim Produzenten)
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Aus Sicht der Konsumenten wirkt die Steuer wie eineVerringerung des Angebots. (Die Grenzkosten inklusive derSteuer sind um t gestiegen.)
Das Steueraufkommen beträgt wiederum
tx1 = q1ACp1 (8)
Und auch die Traglast dieses Steueraufkommens ist wie vorherverteilt, denn der Steuerkeil t ist ja auch derselbe:
Die Traglast der Konsumenten beträgt
(q1 − p0)x1 = q1ABp0 (9)
Die Traglast der Produzenten beträgt
(p0 − p1)x1 = p0BCp1 (10)
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Ergebnis
Die Verteilung der Traglast ist unabhängig von der Verteilungder Zahllast.
Die Steuer treibt einen Keil zwischen den Preis q, den dieKonsumenten zahlen müssen, und den Nettopreis p, den dieProduzenten erhalten.
Egal wer die Steuer abführen muss, die gleichgewichtigeMenge wird stets um den gleichen Betrag reduziert.
In der Übung werden Sie zeigen, dass in Wettbewerbsmärktenauch bei einer Wertsteuer die Traglast von der Zahllastunabhängig ist.
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Die Rolle der Angebots- und Nachfragelastizitäten
Wer trägt welchen Anteil der Steuerlast? Wovon hängt dieSteuerbelastung der einzelnen Marktseite ab?
O�ensichtlich hängt die Lastverteilung davon ab, wie stark -ausgehend von der Situation ohne Steuern - der Bruttopreisansteigt relativ zum Absinken des Nettopreises.Um diese erste Intuition präziser fassen zu können, führen wirAngebots- und Nachfrageelastizitäten ein:
Preiselastizität von Angebot:
ηS =∂xS
∂p
p
xS> 0 (11)
Preiselastizität von Nachfrage:
ηD =∂xD
∂q
q
xD< 0 (12)
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Im Gleichgewicht muss stets gelten, dass angebotene undnachgefragte Menge übereinstimmen (mit p = q − t):
xS(p) = xD(q)
Implizite Di�erentiation nach q und t ergibt
∂xS
∂pdq − ∂xS
∂pdt− ∂xD
∂qdq = 0 (13)
Daraus folgt
dq
dt=
∂xS
∂p
∂xS
∂p −∂xD
∂q
(14)
Auÿerdem gilt p(t) = q(t)− t und somit
dp
dt=dq
dt− 1 =
∂xD
∂q
∂xS
∂p −∂xD
∂q
(15)
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Im Gleichgewicht ohne Steuern (t = 0) gilt q = p (undxS = xD). Daraus folgt mit den Preiselastizitäten ηD und ηS :
dq
dt=
ηS
ηS − ηD(16)
dp
dt=
ηD
ηS − ηD(17)
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Ergebnis
Last der Anbieter (dp/dt) ist umso gröÿer, je elastischer dieNachfrage und je unelastischer Angebot.
Last der Nachfrager (dq/dt) ist umso gröÿer, je unelastischerNachfrage und je elastischer Angebot.
Da ηD > 0 und ηS < 0, ist die marginale Änderung desPreises für die Konsumenten stets kleiner eins und damit liegt- bei normalen Angebots- und Nachfragereaktionen - die Lasteiner Steuer für die beiden Marktseiten stets zwischen 0 und 1.
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Im Allgemeinen tragen beide Seiten einen Teil der Steuer.
Für ηD → 0 oder ηS →∞ tragen Konsumenten die gesamteLast (dq/dt→ 1, dp/dt→ 0) (siehe Graphik 4).Intuition:
ηD → 0: Nachfrager können Produkt nicht substituierenηS →∞: Produzentenrente ist null und kann nicht weitersinken.
Für ηD →∞ oder ηS → 0 tragen Produzenten die gesamteLast (dq/dt→ 0, dp/dt→ −1).Intuition:
ηD →∞: Nachfrager können Gut x perfekt durch ein anderesGut substituieren.ηS → 0: Produzentenrente ist gleich der gesamten Rente undsinkt.
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EUR
X
S(p)
D(q)
X0X1
p
p+t
(a)
EUR
X
S(p)
D(q)
X0
p
p+t
(b)
Abbildung 4: Inzidenz mit elastischem Angebot/unelastischer Nachfrage
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Anwendungen
Bodensteuer
Angebot an Boden ist vollkommen unelastisch (ηS = 0):Boden kann der Besteuerung nicht ausweichen (z.B. durchAbwanderung) und kann auch kaum vermehrt werden.
⇒ Gesamte Traglast beim Bodenbesitzer (und nicht beim Pächteroder Mieter).
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Interessanter wird die Bodensteuer, wenn wir ihre Wirkung imintertemporalen Kontext betrachten.
Seien die Erträge des Bodens in der Zukunft in jeder Periode ypro Quadratmeter. Der Barwert der Erträge ist dann
BW0 =y
1 + r+
y
(1 + r)2+
y
(1 + r)3+ ... =
y
r(18)
wobei r dem (konstanten) Zins entspricht.
Unterstellen wir, dass in jeder Preiode eine Steuer in Höhe tpro Quadratmeter Boden erhoben wird. Der Barwert sinktdann auf
BWt =y − t1 + r
+y − t
(1 + r)2+
y − t(1 + r)3
+ ... =y − tr
= BW0−t
r(19)
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Durch die Einführung der Bodensteuer, die über unendlichviele Jahre erhoben wird, verringert sich sofort der Bodenpreisum den Barwert aller in Zukunft zu zahlenden Steuern.
Die Steuer wird im Bodenwert kapitalisiert. Nachfragervermindern Gebote um den Barwert der Steuern und dergegenwärtige Eigentümer trägt die volle Last.
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p,q
GZB
xS
0 x
p0=q0
x0
Abbildung 5: Bodensteuer27 / 69
Ka�eesteuer
Was passiert, wenn Deutschland (alleine) eine Ka�eesteuereinführt? Die Steuer wirkt wie ein Zoll auf Ka�eeimporte.
Ann.: Deutsche Ka�eenachfrage hat keinen (bzw. keinenwesentlichen) E�ekt auf Weltmarkt-Nachfrage.
Aus Sicht der Importeure ist somit der Produktionspreiskonstant.
Damit ist das Angebot unendlich elastisch (ηS =∞): Anbietermüssen in Deutschland denselben Nettopreis erhalten wieanderswo, um hier zu verkaufen.
⇒ Traglast bei Konsumenten (wenn Nachfrageelastizität endlich)
Aber wenn alle Nachfragerländer gemeinsam die Ka�eesteuererhöhen, können Produzenten nicht ausweichen: WennProduktion kurzfristig �x ist, tragen Anbieter die gesamteSteuerlast!
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p,q
GZB
GK
0 x
p0
x0
Abbildung 6: Ka�eesteuer29 / 69
Gewinnsteuer
Steuer θ auf echten ökonomischen Gewinn (6=betriebswirtschaftlicher Gewinn)
Der Konsument maximiert
maxx
∫ x
0GZB(u)du− qx⇒ GZB = q (20)
Der Produzent maximiert
maxx
(1− θ)[qx−∫ x
0GK(u)du]⇒ q = GK (21)
Im Gleichgewicht gilt daher
GZB = GK(= q)
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Menge und Preis bleiben gegenüber einer Welt ohneBesteuerung unverändert.
Die Inzidenz der Gewinnsteuer liegt beim Unternehmer.
Die Gewinnsteuer verändert das Marginalkalkül desUnternehmers nicht. Warum?
Die Gewinnsteuer ist praktisch jedoch irrelevant, da echteökonomische Gewinne in der Wettbewerbswirtschaftverschwinden.Selbst wenn es - z.B. wegen Marktmacht - auch langfristigökonomische Gewinne gibt, sind diese schwer zu ermitteln: Wiewird der Kapitalstock bewertet (z.B. zu Anscha�ungskosten)?Was ist die geeignete Eigenkapitalrendite bei einemUnternehmen mit riskanten Projekten? etc.
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Lohnsteuer
Unternehmen: Arbeitsnachfrage als Funktion desBrutto-Reallohns, Ld(w/p) mit L′
d < 0.
Haushalte: Arbeitsangebot als Funktion des Netto-ReallohnsLs((1− τ)w/p) mit L′
s > 0.
Ergebnis: Der Nettolohn sinkt umso mehr bei Besteuerung τ ,je elastischer die Arbeitsnachfrage und je unelastischer dasArbeitsangebot.
Empirisch ist die Arbeitsangebotselastizität gering (zumindestfür Männer); Arbeitsnachfrage elastisch (Substitution durchKapital, Abwanderung ins Ausland...).
Fazit: Arbeitnehmer tragen den Groÿteil der Last.
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Ausnahme:
Pro�fuÿballer, die kostenlos ins Ausland wechseln können,wenn Nettolöhne dort höher sind (idealisierende Annahme) →Angebot vollkommen elastisch.
Da Verein nicht ins Ausland wechseln kann oder Spieler durchMaschinen ersetzen kann → Nachfrage eher unelastisch
⇒ Verein trägt die gesamte Steuerlast.
Ähnlich: Spitzen-Manager, Künstler, Wissenschaftler...
Aber: Je immobiler die Arbeitnehmer, desto gröÿer ihr Anteilan der Steuerlast.
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3.1.2. Monopol
Was bedeutet Marktmacht für Inzidenz? Kann der Monopolistdie Steuern vollkommen überwälzen?
Ohne Steuer maximiert der Monopolist seinen Gewinn:
maxx
E(x)−∫ x
0GK(u)du⇒ E′(x) = GK(x) (22)
wobei E(x) = q(x)x den Erlös und E′(x) = q(x) + q′(x)x denGrenzerlös angibt.
Wir untersuchen zunächst wieder den Fall einer Mengensteuer.
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Mengensteuer - Zahllast bei MonopolistDie Mengensteuer verschiebt die Grenzkostenkurve desMonopolisten parallel nach oben:
maxx
E(x)−∫ x
0GK(u)du− tx⇒ E′(x) = GK(x) + t (23)
Die Haushalte maximieren
maxx
∫ x
0GZB(u)du− qx⇒ GZB = q (24)
Fügt man die beiden Bedingungen zusammen, gilt imGleichgewicht
GK(x) + t− q′x = GZB(= q) bzw. (25)
GK(x) + t = GZB + q′x = (26)
= q + q′x = E′(x)
Was bedeutet dies?35 / 69
p,q
GZBE'
GK
0 x
q0
x0
Abbildung 7: Mengensteuer - Zahllast bei Monopolisten36 / 69
Mengensteuer - Zahllast bei Konsumenten
Der Monoplist maximiert
maxx
p(x)x−∫ x
0GK(u)du⇒ p+ p′x = GK(x) (27)
Die Mengensteuer verschiebt die GZB-Kurve des Konsumentennach unten
maxx
∫ x
0GZB(u)du− (p+ t)x⇒ GZB = p+ t (28)
Fügt man die beiden Bedingungen zusammen, gilt imGleichgewicht
GK(x)− p′x = GZB − t(= p) (29)
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p,q
GZB
GK
0 x
q0
x0
Abbildung 8: Mengensteuer - Zahllast bei Konsumenten38 / 69
Da q′ = p′, stimmen die beiden Bedingungen (25) und (29)überein.
Ergebnis: Marktergebnis und Traglast einer Mengensteuer sindin einem monopolistischen Markt unabhängig von der Zahllast.
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Verteilung der TraglastWer trägt welchen Anteil der Steuerlast?Im Gleichgewicht gilt (vgl. (25) und (29))
q + q′(x)x = GK(x) + t (30)
Mit der Nachfrageelastizität
ηD =∂xD
∂q
q
xD< 0 (31)
kann dies auch wie folgt geschrieben werden(Amoroso-Robinson-Relation)
q(1 +1ηD
) = GK(x) + t (32)
Im Folgenden gehen wir von konstanten Grenzkosten(GK(x) = c) aus. Wie ändert sich der Bruttopreis bei einerErhöhung der (Mengen-)Steuer t?
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Beispiel 1: Lineare Nachfrage q = a− bxNachfrageelastizität:
ηD =∂xD
∂q
q
xD= −1
b
q
(a− q)/b= − q
(a− q)(33)
In Amoroso-Robinson:
2q − a = c+ t⇔ q =a+ c+ t
2(34)
Di�erenzieren:dq
dt=
12
(35)
⇒ Ein Monopolist mit konstanten Grenzkosten, der sich einerlinearen Nachfrage gegenüber sieht, kann also die Hälfte derSteuer auf die Konsumenten überwälzen.
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Beispiel 2: konstante Nachfrageelastizität ηD
Di�erenzieren der Amoroso-Robinson-Relation (32) ergibt
dq
dt=
11 + 1/ηD
(36)
Da ηD < −1 (Monopolist bietet im elastischen Bereich an),erhalten wir dq/dt > 1.
⇒ Der Monopolist kann die Steuer zu mehr als 100 % auf dieKonsumenten überwälzen.
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Wir hatten gesehen, dass es (bei vollkommener Konkurrenz)grundsätzlich egal ist, ob der Staat eine Steuer als Wert- oderMengensteuer ausgestaltet, da er mit beiden Typen dasselbeErgebnis erzielen kann.
Gilt dies auch im Monopolfall?
In der Übung werden Sie den Fall einer Wertsteuer betrachten.
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3.2. Allgemeines Gleichgewicht
Ein partielles Gleichgewicht untersucht nur Anbieter undNachfrager auf einem Markt.
Aber Steuern in einem Markt beein�ussen normalerweise auchAngebot und Nachfrage auf anderen Märkten.Bsp: Steuer auf Ka�ee → Konsumenten fragen weniger Ka�eeund mehr Tee nach.
Dies verändert die relativen Preise, die Produktion und dieFaktoreinkommen in beiden Märkten oder Sektoren.
Im Allgemeinen kann Inzidenz recht kompliziert sein.Aber eine Vernachlässigung dieser E�ekte kann zu falschenErgebnissen führen.Grund: Steuern in einem Sektor können auf andere Sektorenweitergewälzt werden.
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Betrachten Sie eine Ökonomie mit zwei Gütern X und Y undzwei Produktionsfaktoren, Kapitel K und Arbeit L.
Produktionsfunktionen: F (KX , LX), G(KY , LY ) mitkonstanten Skalenerträgen → keine Gewinne.
Steuern:Allg. Konsumsteuer (mit Satz t)Selektive Gütersteuer auf X (mit Satz tX)Faktorsteuern auf Arbeit und Kapital (mit Sätzen tK , tL).
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Frage: Wer trägt die Last einer Steuer?Betrachten wir die Faktoranbieter. Die Inzidenz ist abhängigvon
Nachfragereaktion im besteuerten SektorSubstitution zwischen den FaktorenElastizität des Angebots der Faktoren
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Ein-Sektor-Modell (geschlossene Ökonomie)
Betrachten Sie zunächst ein Modell mit nur einem Gut X.
Sei Kapitalangebot kurzfristig vollkommen unelastisch undArbeitsangebot elastisch.
Firmen maximieren π = F (K,L)− rL− wL (Outputpreisp = 1).
Ohne Steuern bestimmt sich die optimale Faktornachfrage derFirmen aus
FK(K,L) = r (37)
FL(K,L) = w (38)
mit FK , FL: Grenzprodukte von Kapital, Arbeit.
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Steuer auf Kapital (tk > 0)Da Kapitalangebot unelastisch ist, fällt Kapitalverzinsung rund die Kapitalanbieter tragen die gesamte Last.
Steuer auf Arbeit (tL > 0)Inzidenz abhängig von der Arbeitsangebots- und-nachfrageelastizität.
Mit einer Mengensteuer auf Arbeit mit Satz tL sind die B.e.O.der Firmen
FK(K,L) = r (39)
FL(K,L) = w + tL (40)
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Kapitalstock ist �x: K = K̄.
Arbeitsangebot ist eine Funktion des Reallohns, L(w), L′ > 0.
Im Markt-Gleichgewicht ist Arbeitsangebot gleich derArbeitsnachfrage, L = L(w).
Zusammen mit (39) und (40) de�niert dies den Nettolohn unddie Kapitalrendite als Funktion des Steuersatzes w(tL), r(tL).
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Di�erenzieren ergibt:
dw
dtL=
ηD
ηS − ηD(41)
dr
dtL= − θL
θK
ηS
ηS − ηD(42)
mitηD, ηS : Lohnelastizität von Arbeitsnachfrage bzw. -angebot,θK , θL: Faktoranteile am Umsatz.
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Im Allgemeinen trägt Kapital einen Teil der Steuer, und zwarumso mehr, je elastischer das Arbeitsangebot und jeunelastischer die Arbeitsnachfrage.
Intuition:Je gröÿer die Angebotselastizität, desto weniger kann derNettolohn sinken.Je unelastischer die Arbeitsnachfrage, desto weniger könnenFirmen K und L substituieren und Steuer auf Arbeit wirkt wieeine Steuer auf Kapital.
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Andere Fälle:
Arbeitsangebot vollk. unelastisch:Arbeitnehmer können der Steuer nicht ausweichen.
Arbeitsnachfrage vollk. elastisch:Kapital und Arbeit sind perfekte Substitute.Wenn Bruttolohn > Kapitalzins, dann fragen Firmen nur nochKapital nach
→ In beiden Fällen: Nettolohn muss um den vollen Steuerbetragfallen.
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Zwei-Sektoren-Modell (o�ene Ökonomie)
In der aktuellen wirtschaftspolitischen Diskussion wird immerwieder vom Steuerwettbewerb gesprochen. Dabei geht es unteranderem auch um die Überwälzung einer Steuer iminternationalen Kontext.
Wenn ein Land A eine Steuer einführt und Wirtschaftssubjektedes Landes B zumindest teilweise die Steuerlast zu tragenhaben, so spricht man von internationaler Steuerinzidenz.
Ohne hier auf die Gesamtproblematik des Steuerwettbewerbseingehen zu wollen, können wir mit Hilfe eines einfachenallgemeinen Gleichgewichtsmodells mit zwei Ländern, die einGut mit zwei Faktoren produzieren, die internationaleSteuerinzidenz analysieren. (Siehe Kotliko� und Summers,1987, Kapitel 3)
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Ein Faktor ist zwischen den Ländern A und B mobil (Kapital),der andere immobil (Land).
Die Produktionsfunktion in den beiden Ländern sei F (KA)und G(KB), wobei KA (KB) das in Land A (B) eingesetzteKapital ist.
Der gesamte weltweite Kapitalstock ist exogen gegeben:K̄ = KA +KB.
Der (endogen bestimmte) Kapitalmarktzins ist r.
Der Güterpreis ist auf 1 normiert.
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In der nachfolgenden Graphik ist die Grenzproduktivität desKapitals in Land A von rechts nach links, dieGrenzproduktivität des Kapitals in Land B von links nachrechts abgetragen.
In jedem Land wird so lange Kapital eingesetzt, bis dieGrenzproduktivität dem Zins r entspricht [alsoF ′(KA) = r = G′(KB)].Im Gleichgewicht muss der gesamte Kapitalstock K̄ auf dieLänder aufgeteilt sein.
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Abbildung 9: Grenzproduktivität von Kapital - zwei Länder
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Besteuerung
Angenommen Land A erhebt - ausgehend von einer Situationohne Steuern - eine (kleine) Steuer t auf das im Inlandbe�ndliche Kapital.
In der Graphik bedeutet das eine Verschiebung derGrenzproduktivität (netto der Steuer) nach unten.
Damit der Kapitalbesitzer, der in Land A investiert,mindestens die Verzinsung r erhält, muss dieGrenzproduktivität des Kapitals in Land A nun mindestens beir + t liegen [F ′(KA) = r + t].
Versuchen Sie Steueraufkommen und Gewinne / Verluste derverschiedenen Faktoreinkommen in der nachfolgenden Graphikzu bestimmen.
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Abbildung 10: Grenzproduktivität von Kapital mit Besteuerung - zweiLänder
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Die Belastung der Kapitalbesitzer
Die Inzidenz der Steuer für den mobilen Faktor Kapital messenwir durch die Relation von Veränderung des weltweitenKapitaleinkommens (drK̄) und Steueraufkommen in Land A(dtKA):
dr
dt
K̄
KA= − ηAK̄
ηAKA + ηBKB≤ 0 (43)
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Herleitung:
Der gesamte Kapitalbestand teilt sich auf die beiden Länderauf:
KA(r + t) +KB(t) = K̄ (44)
Durch Di�erenzieren [(K ′A +K ′
B)dr +K ′Adt = 0] erhält man
dr
dt= −
K ′A
K ′A +K ′
B
(45)
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An der Stelle t = 0 können wir schreiben:
dr
dt= −
∂KA∂r
rKA
KA
∂KA∂r
rKA
KA + ∂KB∂r
rKB
KB
= (46)
= − ηAKA
ηAKA + ηBKB(47)
Durch Multiplikation mit K̄/KA erhalten wir obiges Ergebnis.
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Die Belastung der Bodenbesitzer
So weit die Steuerlast nicht vom mobilen Faktor Kapitalgetragen wird, trägt sie der immobile Faktor Boden.
Die Renteneinkommen (Erlös - Kapitalkosten) in den beidenLändern betragen
RA = F (KA)− (r + t)KA (48)
RB = G(KB)− rKB (49)
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Die Inzidenz für den immobilen Faktor messen wir durch dieRelation von Veränderung des Renteneinkommens in Land i(dRi) und Steueraufkommen in Land A (dtKA):
dRA
dt
1KA
= − ηBKB
ηAKA + ηBKB≤ 0 (50)
dRB
dt
1KA
=ηAKB
ηAKA + ηBKB≥ 0 (51)
Für die Herleitung von (50) und (51) siehe die nächste Folie.
Es zeigt sich, dass sich die Belastungsmaÿe (43), (50) und(51) zu −1 addieren.
Wir werden im Folgenden nun einige Spezialfälle genauerbetrachten, um die Intuition besser zu verstehen.
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Exkurs:
Herleitung von (50):
dRA
dt= F ′(KA)K ′
A
(dr
dt+ 1)
(52)
− (r + t)K ′A
(dr
dt+ 1)−(dr
dt+ 1)KA (53)
Da der optimale Kapitaleinsatz durch F ′(KA) = r+ t gegebenist, vereinfacht sich der Ausdruck zu:
dRA
dt= −
(dr
dt+ 1)KA (54)
Division durch KA und Einsetzen für dr/dt aus (47) liefert(50).
Die Herleitung von (51) erfolgt analog.
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Fall 1: Symmetrische Länder
Die Länder haben identische Produktionsfunktionen und damitin der Ausgangssituation auch den gleichen Kapitalbestand(KA = KB) und die gleiche Elastizitäten (ηA = ηB).Einsetzen in (43), (50) und (51) liefert folgende Ergebnisse:
Kapital trägt die gesamte Steuerlast: drK̄/dtKA = −1.
Landbesitzer in A verlieren im Umfang des halben(marginalen) Steueraufkommens.
Landbesitzer in B gewinnen im selben Umfang.
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Abbildung 11: Symmetrische Länder
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Fall 2: ηA = 0 oder ηB =∞Unelastische Nachfrage im Inland (A) oder vollkommenelastische Nachfrage im Ausland (B)Einsetzen in (43), (50) und (51) liefert folgende Ergebnisse:
Weltweites Kapital trägt keine Last.
Inländische Bodenbesitzer tragen die volle Last.
Ausländische Bodenbesitzer sind von der Steuer nichtbetro�en.
Warum ist dies so?
Die nachfolgende Graphik bildet den Fall ηB =∞ ab.Überlegen Sie, wie sich der Fall ηA = 0 illustrieren lässt.
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Abbildung 12: ηB =∞
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Ergebnis
Der Versuch, in einer o�enen Volkswirtschaft einen mobilenFaktor zu besteuern, führt in vielen Fällen dazu, dass eingroÿer Teil der Steuerlast letztendlich auf den inländischenimmobilen Faktor fällt.Auch an der Gröÿe eines Landes lässt sich die Botschaftfestmachen.
Ein kleines Land ist dadurch de�niert, dass sein Kapitalbestandrelativ zum Kapitalbestand der restlichen Welt (KA/KB)relativ klein ist - und das ist für die meisten Volkswirtschaftender Welt der Fall.Je niedriger diese Relation ist, desto gröÿer ist die Last desimmobilen Faktors.
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