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NATURA_LB Qualifikationsphase_049334 4 Evolution 427 Die Entstehung der Evolutionstheorie [SB S. 250/251] 4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolutionstheorie 4 Evolution [zu SB S. 250/251] 1 Erstellen Sie jeweils ein Verlaufsschema für die Entstehung der langen Hälse bei Giraffen nach Lamarck und Darwin. Nach Lamarck: Strecken der Hälse nach Nahrung an Bäumen Nachkommen mit längeren Hälsen Nachkommen strecken die Hälse nach Nahrung an Bäumen Nachkom- men mit noch längeren Hälsen usw. Nach Darwin: Giraffen mit unterschiedlich langen Hälsen (Variabilität) langhalsige Giraffen haben bessere Überlebenschanchen als kurzhalsige („survival of the fittest“) Lösungen $ längerhalsige Giraffen haben durch den besse- ren Zugang zu Nahrung mehr Nachkommen unter den Nachkommen gibt es mehr Giraffen mit längerem Hals, aber wiederum Variabilität usw. So können Sie mit dem Thema arbeiten Einstieg/Motivation Leitfrage Wie unterscheiden sich die Evolutionstheorien von Lamarck und Darwin? Methodenauswahl Als stummen Impuls können zunächst Bilder von ähnlichen Tierarten präsentiert werden, bei denen eine ein charakteristisches, deutlich erkennbares Merkmal aufweist, über das die ande- ren Arten nicht verfügen. Hierfür eignen sich z. B. verschiedene Tukanarten (Riesentukan mit großem Schnabel und verschiedene Blautukane mit kleinerem Schnabel) oder verschiedene Antilopenarten (kurzer Hals) und die Giraffe (langer Hals). Die Schülerinnen und Schüler suchen Erklärungen für das ungewöhnliche Merkmal. Denkbar sind Beiträge, die bereits einzelne Aspekte aus Lamarcks bzw. Darwins Theorien enthalten. Wahrscheinlich werden auch finale Begründungen genannt. Erarbeitung Die Schülerinnen und Schüler lesen den Text im Schülerbuch S. 250/251 und bearbeiten die Aufgabe 1. Alternativ könnte die Bearbeitung des Textes arbeitsteilig erfolgen. Dazu können Sie einen Teil der Lerngruppe den Text von Darwin bearbeiten lassen. Die andere Gruppe bearbeitet den Text von Lamarck. Nach der Arbeitsphase wird dem jeweils anderen Teil der Lerngruppe das Verlaufsschema für die Entstehung des Giraffenhalses präsentiert (siehe Aufgabe 1 im Schülerbuch S. 251). Sicherung Besprechung und ggf. Korrektur der beiden Verlaufsschemata zur Entstehung des Giraffen- halses. Schriftliche Zusammenfassung der beiden Evolutionstheorien. Die im Einstieg von den Schülerinnen und Schülern aufgestellten hypothetischen Erklärungs- ansätze können den beiden Evolutionstheorien zugeordnet werden. Finale Begründungen können durch die Lehrkraft thematisiert werden (s. Praktische Tipps, Lehrerband S. 428). Vertiefung Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten das Arbeitsblatt „Resistenz gegen Klapperschlan- gengift“, s. Lehrerband S. 429. Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten die Aufgabe 2 im Schülerbuch S. 261. Kompetenzerwerb Kompetenzbereiche: Der Schwerpunkt liegt auf dem Erlangen von Fachwissen. Die Schülerin- nen und Schüler erläutern die Evolutionstheorien und Darwin und Lamarck. Sie erläutern die natürliche Selektion als Bestandteil des Evolutionsprozesses. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in dieser Stunde auch auf der Kommunikation: Die Schülerin- nen und Schüler vermeiden unangemessene finale Begründungen. Basiskonzept: Variabilität und Angepasstheit

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NATURA_LB Qualifikationsphase_049334 4 Evolution 427

Die Entstehung der Evolutionstheorie [SB S. 250/251]

4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolutionstheorie

4 Evolution

[zu SB S. 250/251]

1 Erstellen Sie jeweils ein Verlaufsschema für die Entstehung der langen Hälse bei Giraffen nach Lamarck und Darwin. Nach Lamarck: Strecken der Hälse nach Nahrung an Bäumen → Nachkommen mit längeren Hälsen → Nachkommen strecken die Hälse nach Nahrung an Bäumen → Nachkom­men mit noch längeren Hälsen → usw. Nach Darwin: Giraffen mit unterschiedlich langen Hälsen (Variabilität) → langhalsige Giraffen haben bessere Überlebenschanchen als kurzhalsige („survival of the fittest“) →

Lösungen

$ längerhalsige Giraffen haben durch den besse­ren Zugang zu Nahrung mehr Nachkommen → unter den Nachkommen gibt es mehr Giraffen mit längerem Hals, aber wiederum Variabilität → usw.

So können Sie mit dem Thema arbeiten

Einstieg/Motivation Leitfrage Wie unterscheiden sich die Evolutionstheorien von Lamarck und Darwin?MethodenauswahlAls stummen Impuls können zunächst Bilder von ähnlichen Tierarten präsentiert werden, bei denen eine ein charakteristisches, deutlich erkennbares Merkmal aufweist, über das die ande­ren Arten nicht verfügen. Hierfür eignen sich z. B. verschiedene Tukanarten (Riesentukan mit großem Schnabel und verschiedene Blautukane mit kleinerem Schnabel) oder verschiedene Antilopenarten (kurzer Hals) und die Giraffe (langer Hals). Die Schülerinnen und Schüler suchen Erklärungen für das ungewöhnliche Merkmal. Denkbar sind Beiträge, die bereits einzelne Aspekte aus Lamarcks bzw. Darwins Theorien enthalten. Wahrscheinlich werden auch finale Begründungen genannt.

Erarbeitung • Die Schülerinnen und Schüler lesen den Text im Schülerbuch S. 250/251 und bearbeiten die Aufgabe 1.

• Alternativ könnte die Bearbeitung des Textes arbeitsteilig erfolgen. Dazu können Sie einen Teil der Lerngruppe den Text von Darwin bearbeiten lassen. Die andere Gruppe bearbeitet den Text von Lamarck. Nach der Arbeitsphase wird dem jeweils anderen Teil der Lerngruppe das Verlaufsschema für die Entstehung des Giraffenhalses präsentiert (siehe Aufgabe 1 im Schülerbuch S. 251).

Sicherung • Besprechung und ggf. Korrektur der beiden Verlaufsschemata zur Entstehung des Giraffen­halses.

• Schriftliche Zusammenfassung der beiden Evolutionstheorien.• Die im Einstieg von den Schülerinnen und Schülern aufgestellten hypothetischen Erklärungs­

ansätze können den beiden Evolutionstheorien zugeordnet werden. • Finale Begründungen können durch die Lehrkraft thematisiert werden (s. Praktische Tipps,

Lehrerband S. 428).

Vertiefung • Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten das Arbeitsblatt „Resistenz gegen Klapperschlan­gengift“, s. Lehrerband S. 429.

• Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten die Aufgabe 2 im Schülerbuch S. 261.

Kompetenzerwerb Kompetenzbereiche: Der Schwerpunkt liegt auf dem Erlangen von Fachwissen. Die Schülerin­nen und Schüler erläutern die Evolutionstheorien und Darwin und Lamarck. Sie erläutern die natürliche Selektion als Bestandteil des Evolutionsprozesses.Ein weiterer Schwerpunkt liegt in dieser Stunde auch auf der Kommunikation: Die Schülerin­nen und Schüler vermeiden unangemessene finale Begründungen. Basiskonzept: Variabilität und Angepasstheit

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Die Geschichte der EvolutionstheorieBis ins Mittelalter hinein war das sich entwi­ckelnde naturwissenschaftliche Denken durch die Vorstellungen des griechischen Philosophen Aristoteles (385 v. Chr. — 323 v. Chr.) geprägt. Sei­ner Meinung nach gab es die Urzeugung, nach der niedere Pflanzen und Tiere durch das Zu­sammenrinnen eines Urstoffes entstanden sein sollten. Also entstand seiner Ansicht nach das Leben aus unbelebter Materie, so z. B. Motten und Würmer aus Schlamm und Unrat, Frösche durch Sonnenstrahlen aus Schlamm und Bienen aus Kuhmist.

Jan Baptist van Helmont (1577 — 1644) beschrieb z. B. eine Versuchsanordnung zur „Herstellung von Mäusen“ (Abb. 1). Entsprechende Veröffent­lichungen gab es auch zur Herstellung von Flie­genmaden aus Fleisch etc. Nachdem Francesco Redi (1626 — 1698) zeigen konnte, dass keine Maden zu finden sind, wenn das Gefäß ver­schlossen wurde, behauptete er, dass „Leben nur aus Leben entstehen könne“. Daraufhin wurde die Entstehung des Lebens aus unbelebter Materie nur noch für Mikroben und Einzel­ler angenommen. Dies konnte Louis Pasteur (1822 — 1895) zweifelsfrei widerlegen, indem er den Versuch in einer Schwanenhals retorte wiederholte (Abb. 1).

Der britische Geologe Charles Lyell (1797 — 1875) begründete einen neuen Evolutionsgedanken. Seine Theorie besagt, dass geologische Ereig­nisse, die heute zu beobachten sind, in der Vergangenheit in gleicher Weise abliefen. Da viele dieser Vorgänge sehr langsam ablaufen, müssen große Veränderungen wie Gebirgs­bildungen, Erosion oder Sedimentation, viele

Jahrtausende gedauert haben. Mit diesen Ge­danken geriet er mit den christlichen Theologen in Konflikt.

Die Katastrophentheorie des französischen Naturforschers Georges Cuvier (1769 — 1832) besagt, dass die Ursache von Veränderungen immer weltweite Naturkatastrophen waren. Der britische Ökonom Thomas Malthus (1766 — 1834) war der Begründer der Bevölke­rungstheorie, die besagte, dass die Bevölkerung viel schneller wächst als die Nahrungsmittelpro­duktion. Da viel mehr Individuen entstehen als ernährt werden können, muss es einen Kampf geben, den nur die Stärksten überleben können. Darwin übertrug diese Theorie auf alle Lebewe­sen und machte sie damit zu einem zentralen Punkt seiner Evolutionstheorie („survival of the fittest“).

Zusatzinformation

KreationismusFinale Begründungen können in der Einstiegs­phase zunächst zugelassen werden. In der Si­cherungsphase kann dann eine Thematisierung anhand von verschiedenen Beispielen erfolgen und die Schülerinnen und Schüler sollten ihre finalen Formulierungen an dieser Stelle kritisch reflektieren. Sofern in der Einstiegsphase keine finalen Begründungen genannt worden sind,

Praktische Tipps

Film: FWU 4602579: Charles Darwin und die EvolutionLiteratur- und Medienhinweise

Illustrator: Wolfgang Herzig, Essen

Weizen

nacheiniger

Zeit

schmutzigeWäsche

abgekochteNährlösung

1 Versuche von van Helmont und Pasteur

2 Erläutern Sie, wie die geringe Sehkraft des Maulwurfs nach Lamarck bzw. nach Darwin entstanden sein könnte. Nach Lamarck nutzten die Maulwürfe bei ihrer Lebensweise im Erdboden ihre Augen nur we­nig. Dadurch verkümmerten die Organe. Nach

. Darwin waren unter den Nachkommen solche, die nicht voll ausgebildete Augen hatten. Diese Nachkommen waren die „fitteren Tiere“ unter den speziellen Lebensbedingungen (vielleicht weil sich ihre Augen durch Verletzungen im Erdreich weniger entzündeten).

Lösungen

kann die Sensibilisierung der Schülerinnen und Schüler mithilfe der Zusatzaufgabe des Arbeits­blattes (s. Lehrerband S. 430) erfolgen. Andern­falls stellt diese Aufgabe eine weitere Vertiefung dar. Im Schülerbuch S. 331 befinden sich zudem Informationen und Übungsaufgaben zum Kreati­onismus, die an dieser Stelle ebenfalls themati­siert werden können.

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429© Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2019 | www.klett.de | Alle Rechte vor-behalten. Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. Die Kopiergebühren sind abgegolten.

Fotos: Imago (imagebroker), Berlin; By jkirkhart35 ­ Is the Ground Squirrel tempting fate?, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16102917 (jkirkhart35), siehe *1

© Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2018 | www.klett.de | Alle Rechte vorbehalten. Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. Die Kopiergebühren sind abgegolten.

Fotos: Imago (imagebroker), Berlin; By jkirkhart35 – Is the Ground Squirrel tempting fate?, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16102917 (jkirkhart35), siehe *1

Resistenz gegen Klapperschlangengift

Kalifornische Ziesel, die zur Unterfamilie der Erd-hörnchen gehören, leben in trockenen Gebieten entlang der nordamerikanischen Westküste. Tags-über verlassen sie ihren Erdbau und suchen nach Nahrung, die aus Samen, Früchten, Nüssen, Pilzen, Wurzeln, aber auch Insekten und Eiern besteht. Dabei laufen sie Gefahr, selbst zur Beute ihrer Fress-feinde zu werden, zu denen neben Adlern, Falken, Dachsen, Füchsen, Waschbären und Wieseln auch Klapperschlangen gehören. Gegen Angriffe von Klapperschlangen haben die Ziesel jedoch unter-schiedliche Abwehrstrategien entwickelt. Zusätzlich findet man in einigen Populationen eine Resistenz gegen ein Gift der Klapperschlangen, das Crotamin. Crotamin greift die Muskulatur an, indem es mit den Natriumionenkanälen der Muskelzellen reagiert und zu spastischen Lähmungen führt. Erwachsene Erd-hörnchen verfügen über spezielle Enzyme, die das Gift von Klapperschlangen unwirksam machen. Sie verteidigen ihre Jungtiere bei einem Angriff.

1 Kalifornischer Ziesel

2 Schlange beim Angriff auf ein Ziesel

1 Erläutern Sie das Zustandekommen der Resistenz gegen das Klapperschlangengift beim Kalifornischen Ziesel aus der Sicht der Theorien nach Darwin und Lamarck.

2 Gegenden, in denen keine Klapperschlangen vorkommen, ist die Resistenz gegen das Klapperschlangengift bei den Zieseln kaum verbreitet. Begründen Sie dies mithilfe Darwins Selektionstheorie.

3 Untersuchungen zeigen, dass Klapperschlangen in Gebieten, in denen sie fast ausschließlich auf Ziesel als Nahrung angewiesen sind, bei Bissen jeweils mehr Gift abgeben. Erklären Sie diesen Sachverhalt und stellen Sie eine Hypothese über den weiteren Verlauf der Evolution von Ziesel und Klapperschlange auf.

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ARBEITSBLATT Resistenz gegen KlapperschlangengiftLösungen 1 Die Kalifornischen Ziesel wiesen eine gewisse Variabilität auf: Einige waren resistent

gegen das Schlangengift, verfügten also über das Enzym zum Abbau des Giftes, andere nicht. Resistente Individuen hatten einen Vorteil gegenüber Individuen, die nicht über das Enzym verfügten. Sie waren also besser an den Lebensraum einschließlich der dort vorkommenden Räuber angepasst. Die resistenten Tiere lebten länger, da sie nicht so leicht Beute von Schlangen wurden. In der Folge hatten sie auch mehr Nachkommen, zumal sie diese auch noch erfolgreich gegen Schlangenangriffe verteidigen konnten. Die­sen Prozess bezeichnet man als natürliche Selektion. Da die Eigenschaft der Giftresistenz erblich bedingt ist, verfügten aufgrund der stärkeren Vermehrung der resistenten, also besser angepassten Ziesel immer mehr Tiere über das entsprechende Enzym, bis sich nach vielen Generationen die gesamte Population entsprechend verändert hatte.

2 In Gebieten, in denen keine Klapperschlangen vorkamen, war es kein Vorteil für die Ziesel, resistent gegen das Schlangengift zu sein. Die Eigenschaft hat sich also kaum auf die Anzahl der Nachkommen ausgewirkt. Dies hat zur Folge, dass einige Tiere zufällig resistent sind, andere aber nicht.

3 Auch Klapperschlangen unterliegen der natürlichen Selektion: Wenn immer mehr Beu­tetiere resistent gegen ihr Gift werden, ist es von Vorteil, eine größere Giftmenge in das Beutetier zu injizieren. Dadurch kommt es möglicherweise trotz dem abbauenden Enzym zu einer Wirkung, da der Abbau entsprechend länger dauert. Es ist also davon auszuge­hen, dass innerhalb der Klapperschlangenpopulation hinsichtlich der Giftmenge eine gewisse Variabilität herrschte. Klapperschlangen mit einer höheren Giftkonzentration waren erfolgreicher bei der Jagd auf Ziesel und konnten sich dementsprechend besser ernähren als andere Klapperschlangen im selben Gebiet. Sie hatten mehr Nachkommen und im Laufe der Zeit veränderte sich die gesamte Population der Klapperschlangen in Richtung einer höheren Giftabgabe. Dies wiederum beeinflusst die Ziesel. Hier ist davon auszugehen, dass eine Variabilität bezüglich des abbauenden Enzyms vorliegt. Individuen, bei denen die Enzymsynthese stärker abläuft, sind auch bei größeren Giftmengen noch vor der Giftwirkung geschützt und haben in der Folge mehr Nachkommen. Die Ziesel­population wird sich also in Richtung einer stärkeren Resistenz entwickeln, was wieder­um einen Einfluss auf die Klapperschlangen hat.

Zusatzaufgabe Finales Denken„In Gebieten mit vielen Klapperschlangen haben fast alle Ziesel Enzyme gegen das Klap­perschlangengift, damit sie nicht so leicht gefressen werden.“ Intuitiv klingt diese Aussage zunächst richtig. Begründen Sie, dass sie fachlich dennoch falsch ist, indem Sie Ursache und Wirkung herausarbeiten. Korrigieren Sie die Aussage.

Lösung1 Bei der Aussage ist ein zukünftiges Ereignis/ein Ziel (nicht gefressen zu werden) die

Ursache für ein bereits bestehendes Merkmal (Enzymproduktion) genannt. Allerdings muss die Ursache der Wirkung auch zeitlich vorausgehen. Korrigierte Aussagen können sein: In Gebieten mit vielen Klapperschlangen haben fast alle Ziesel Enzyme gegen das Klap­perschlangengift. Deshalb werden sie nicht so leicht von Klapperschlangen gefressen. Da resistente Ziesel nicht so leicht von Klapperschlangen gefressen wurden, haben heute fast alle Ziesel Enzyme zum Giftabbau.

4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

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4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

[zu SB S. 252/253]

1 Erläutern Sie den Unterschied zwischen modifikatorischer und genetischer Variabili­tät. Die modifikatorische Variabilität beruht auf unterschiedlichen Umweltbedingungen. Die Unterschiede sind nicht erblich. Die genetische Variabilität beruht auf dem Vorhandensein unterschiedlicher alleler Gene, was trotz iden­tischer Umweltbedingungen zu Unterschieden führt.

2 Erläutern Sie, warum für die Züchtung in Abb. 3 keine reinerbigen Linien infrage kom­men. Für die Züchtung ist eine genetische Variabili­tät grundlegend, denn nur dann ist zu erwar­ten, dass Individuen mit erwünschten Eigen­schaften eine andere genetische Information enthalten. Durch die Auswahl von geeigneten Individuen für die weitere Zucht müsste sich der Genpool in der nächsten Generation verbessern. Bei reinerbigen Linien würden die Unterschiede der Individuen allein auf modifikatorischer Variabilität beruhen. Trotz der Auswahl von erwünschten Individuen wäre der Genpool in der nächsten Generation unverändert.

Lösungen

0

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3 Ein Gärtner baut Gartenbohnen einer neuen Sorte mit besonders großen Samen an. Trotz­dem erntet er teilweise recht kleine Bohnen­samen. Erklären Sie, warum nicht alle Samen groß sind. Vermutlich zeigt die neue Sorte eine deutliche modifikatorische Variablität und damit große Unterschiede in der Samengröße. Denkbar wäre auch, dass die neue Sorte nicht reinerbig ist und darüber hinaus auch eine genetische Variabilität zeigt.

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Variabilität und ihre Ursachen [SB S. 252/253]

So können Sie mit dem Thema arbeiten

Einstieg/Motivation Leitfrage Wie kommt es zu der großen Vielfalt an unterschiedlichen Phänotypen?Methodenauswahl• Sie zeigen den Schülerinnen und Schülern in Form einer kleinen Präsentation (verschiedene

Medien möglich: Folien, Powerpoint etc.) die große Vielfalt der Variationen in der Natur, z. B. verschiedene Hautfarben des Menschen, Schnabelformen bei Vögeln oder die Fellfarbe bei Hunden. Gemeinsam wird daraufhin die Leitfrage formuliert.

• Alternativ können die Schülerinnen und Schüler auch Abb. 1 und 2 im Schülerbuch S. 252 in Beziehung zueinander setzen. Auch hieraus ergibt sich dann die Leitfrage.

Erarbeitung • Die Schülerinnen und Schüler lesen den Text im Schülerbuch S. 252/253 und bearbeiten die Aufgaben 1 bis 3.

• Die Vermittlung der theoretischen Hintergründe (Definition des Begriffs „Variabilität“, Ab­grenzung genetische bzw. modifikatorische Variabilität) kann auch durch eine Schülerin oder einen Schüler erfolgen (s. Praktische Tipps, Lehrerband S. 432).

Sicherung • Besprechung der Lösungen der Aufgaben 1 bis 3 im Schülerbuch S. 253.• Finden weiterer Beispiele und Zuordnung zu genetischer bzw. modifikatorischer Variabilität

(s. Zusatzinformation, Lehrerband S. 432).

Vertiefung • Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten das Arbeitsblatt „Die Hautfarbe des Menschen“ (s. Lehrerband S. 433).

• Sie können den Vorgang der Meiose und des Crossingovers wiederholen.

Kompetenzerwerb Kompetenzbereich: Der Schwerpunkt liegt auf dem Erlangen von Fachwissen. Die Schülerinnen und Schüler beschreiben genetische Variabilität und ihre Bedeutung für den Evolutionspro­zess. Dabei nehmen sie Bezug auf Mutationen und Rekombination als Ursache für genetische Variabilität.Basiskonzept: Variabilität und Angepasstheit

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Variabilität innerhalb von PopulationenInnerhalb von Populationen tragen sowohl quan­titative als auch qualitative Unterschiede bei Merkmalen zur Variabilität bei. In vielen Fällen treten Merkmale auf, die kontinuierlich inner­halb der Populationen variieren. Ein Beispiel hierfür ist die Größe der Pflanzen einer Popula­tion, die von ganz kleinen bis hin zu ganz großen Pflanzen variiert und alle Übergangsgrößen beinhalten kann. Genetisch bedingte quantita­tive Variabilität deutet in der Regel auf polygene Vererbung hin, die verschiedenen Phänotypen sind dann das Resultat eines sich addierenden Effektes von mehreren Genen zu einer phänoty­pischen Merkmalsausprägung.

Qualitative, diskrete Merkmale werden in der Regel von einem einzigen Gen mit unterschied­lichen allelen Genen bestimmt, die zu unter­schiedlichen Phänotypen führen, z. B. gelbe bzw. blaue Blüten einer Pflanze. Sind zwei oder mehr Formen eines diskreten Merkmals in einer Popu­lation vorhanden, spricht man von Polymorphis­mus, bzw. davon, dass die Population polymorph bezüglich dieses Merkmals ist. Beim Menschen kommen Polymorphismen häufig vor, z. B. das AB0­Blutgruppensystem.

Populationsgenetisch kann die Variabilität so­wohl auf der Ebene ganzer Gene (Gendiversität) oder auf der Ebene der DNA (Nucleotiddiversität) gemessen werden. Unter Gendiversität versteht man den durchschnittlichen prozentualen Anteil heterozygoter Genloci. Bei Drosophila beträgt die Gendiversität z. B. 14 %. Das bedeutet, dass die Fruchtfliege an ca. 86 % ihrer Genorte homozy­got ist. Die Nucleotiddiversität wird ermittelt, indem man die Nucleotidsequenzen zweier Indi­viduen miteinander vergleicht und anschließend die Daten weiterer solcher Vergleiche mitein­ander verrechnet, um einen Durchschnittswert

zu erhalten. Bei Drosophila kam man zu einer Nucleotiddiversität von ca. einem Prozent. Auch beim Menschen wurden die entsprechen­den Werte ermittelt. Es stellte sich heraus, dass wir eine Gendiversität von ca. 14 % aufweisen, also etwa genauso viel wie Drosophila. Allerdings beträgt die Nuceotiddiversität nur etwa 0,1 %. Jeder Mensch besitzt also an 999 von 1000 Stellen der DNA das gleiche Nucleotid wie ein beliebiger Nachbar.

Beispiele für VariabilitätenModifikatorische Variabilität: Pflanzen, die im Schatten wachsen, haben größere und dünnere Blätter als Artgenossen, die im Sonnenlicht gedeihen. Auch an ein und derselben Pflanze haben Schattenblätter ein flacheres Palisaden­gewebe als Sonnenblätter als Anpassung an die entsprechenden Lichtverhältnisse. Die Zellen besitzen allerdings größere Chloroplasten, in der Folge kann das schwächere Licht besser verwertet werden.Teilt man z. B. eine Löwenzahnpflanze in zwei gleich große Teile und pflanzt die eine Hälfte an einen mineralstoffreichen Standort und die andere an einen mineralstoffarmen, so kann man nach einiger Zeit deutliche Unterschiede im Phänotyp der beiden Pflanzen erkennen. Während die eine Form große Blätter, längere Stängel, aber nur eine schwach ausgeprägte Wurzel besitzt, hat die andere Form sehr kleine Blätter und Blüten, kürzere Stängel, dafür aber eine tiefreichende kräftige Wurzel.

Genetische Variabilität: Sämtliche phänotypi­schen Merkmale, die auf dem Vorhandensein unterschiedlicher Gene beruhen, beruhen auf genetischer Variabilität, z. B. die verschiedenen Blutgruppen des Menschen oder Haar­ und Augenfarben.

Zusatzinformation

In fast jeder Lerngruppe gibt es Schülerinnen und Schüler, die sich nur wenig mündlich am Unterrichtsgeschehen beteiligen. Das kann durch Schüchternheit oder durch fachliche Defizite be­gründet sein. Diese mangelnde mündliche Mit­arbeit spiegelt sich dann in einer entsprechend schlechten mündlichen Note wider. Einige dieser Schülerinnen und Schüler bitten den Lehrer bzw.

die Lehrerin um zusätzliche Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer mündlichen Note (Referate o. ä.). Eine Möglichkeit wäre es, im Vorfeld der Unterrichtsstunden Teile der zu behandelnden Themen von einem Schüler oder einer Schülerin vorbereiten zu lassen, hier z. B. die theoretischen Grundlagen der Variabilität (z. B. Meiose), um sie dann der Lerngruppe zu präsentieren.

Angebot zur Verbesserung der mündlichen MitarbeitPraktische Tipps

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433© Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2019 | www.klett.de | Alle Rechte vor-behalten. Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. Die Kopiergebühren sind abgegolten.

Illustrator: Wolfgang Herzig, EssenFoto: shutterstock (Marcos Mesa Sam Wordley), New York, NY

Hautfarbe

© Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2018 | www.klett.de | Alle Rechte vorbehalten. Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. Die Kopiergebühren sind abgegolten.

Bildquellen: shutterstock (Marcos Mesa Sam Wordley), New York, NYIllustrator: Wolfgang Herzig, Essen

Die Hautfarbe des Menschen

Der Mensch ist der einzige Primat mit sehr geringer Körperbehaarung. Die Haut eines unserer Verwandten, des Schimpansen, ist unter dem Fell hell. Die wenigen unbehaarten Körperteile des Schimpansen, wie z. B. das Gesicht und die Handaußenseiten, werden mit zuneh-mendem Alter des Affen dunkler. Man kann das als Hinweis darauf interpretieren, dass die ersten Menschen erst eine insgesamt dunklere Hautpigmentierung erhielten, als die Körperbehaarung zurückging.

Die Hautfarbe ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Welche Farbe die Haut hat, ist vor allem davon ab-hängig, wie viel des Pigments (Farbstoffs) Melanin in die Haut eingelagert ist. Es gibt zwei Arten von Melanin, die von Zellen in der Haut, den Melanocyten, gebildet werden. Zum einen ist es das braune bis schwarze Eumelanin, das hauptsächlich für die Hautfarbe verantwortlich ist, und zum anderen das Phäomelanin, welches eher bei helleren Hauttypen zu finden ist und eine gelbliche bis rötliche Färbung aufweist.

1 Pigmentierungstypen der jeweiligen Urbevölkerung

1 Geben Sie an, in welchen Erdteilen bzw. Klimazonen welche Pigmentierungstypen vorherrschen (Abb. 1).

2 Entwickeln Sie aus Abbildung 2 je eine grafische Darstellung für die Wirkung von UV-Licht auf einen helleren bzw. dunkleren Hauttyp.

3 Erörtern Sie, welche „Probleme“ bei Migration eines dunkelhäutigen bzw. hellhäutigen Menschen in eine für ihn nicht heimische Klimazone entstehen könnten (Abb. 2).

4 Diskutieren Sie, inwieweit es sich bei der Hautfarbe um genetische oder modifikatorische Variabilität handelt. Begründen Sie Ihre Entscheidung.

2 Wirkung von UV-Licht bei einem mittelhellen Hauttyp

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4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

ARBEITSBLATT Die Hautfarbe des MenschenLösungen 1 Je wärmer die Klimazonen, d. h. je mehr Sonneneinstrahlung vorliegt, also je intensiver

das UV­Licht in dem Gebiet auf die Haut einwirken kann, desto dunkler sind die Pigmen­tierungen.

2 individuelle Lösung. In der Grafik für den helleren Hauttyp soll deutlich werden, dass durch die kleinere Melanin­Konzentration mehr UV­Strahlung in die Unterhaut vordringt, beim dunkleren Hauttyp entsprechend weniger.

3 Ein dunkelhäutiger Mensch, der in ein Gebiet mit weniger Sonneneinstrahlung migriert, könnte einen Vitamin­D­Mangel und damit verbunden Probleme mit dem Immunsys­tem oder Knochenerkrankungen haben, da er durch die hohe Melanin­Konzentration in seinen Hautzellen zu viel der ohnehin wenigen UV­Strahlungen absorbiert. Damit wäre in tieferen Hautschichten zu wenig Strahlungsenergie zum Aufbau von ausreichend viel Vitamin D in seinen Zellen vorhanden. Ein hellhäutiger Mensch in einem Gebiet mit hoher Sonneneinstrahlung könnte durch die hohe UV­Belastung an Folsäure­Mangel leiden, was dann bei Frauen zur Unfruchtbarkeit oder Missbildungen an ungeborenen Kindern führen kann. Auch ein erhöhtes Hautkrebsrisiko kann genannt werden.

4 Es handelt sich sowohl um genetische als auch um modifikatorische Variabilität. Der Ge­halt an Melanin ist bezüglich des groben Bereichs genetisch festgelegt, wird also vererbt. Bis zu einem gewissen Grad ist die Menge des gebildeten Melanins beeinflussbar, da unter vermehrter Sonneneinstrahlung eine größere Menge Melanin gebildet und in die Haut eingelagert wird. Dabei handelt es sich um eine modifikatorische Anpassung.

Praktische Tipps Klären, dass die Hautfarbe kein Rassemerkmal ist!Früher wurden Menschen von Wissenschaftlern aufgrund ihrer Hautfarbe verschiedenen Rassen zugeordnet. Dieser Ansatz ist allerdings überholt, da die verschiedenen Pigmen­tierungsintensitäten nur Angepasstheiten an verschiedene Umwelten bzw. Gebiete mit unterschiedlicher UV­Strahlungsintensität darstellen. In evolutionsbiologisch relevanten Zeiträumen kann sich die Pigmentierung von Populationen relativ schnell verändern. Aus diesem Grund gehört die Hautfarbe zu den am wenigsten aussagekräftigen Merkmalen, um Verwandtschaften zwischen Menschengruppen erkennen zu können.

Sonnenbrand und HautkrebsAuf dem Arbeitsblatt wird auf die Wirkungen der UV­Strahlung in der Unter­ und Lederhaut eingegangen, nicht aber auf die Sonnenbrand­ und Hautkrebsgefahr. Es bietet sich an, diese beiden Themen vor oder nach der Bearbeitung des Arbeitsblatts zu besprechen.

Zusatzinformation Ausnahmen bestätigen die RegelNicht alle Bevölkerungsgruppen passen in die Zuordnung „UV­Einstrahlung — Pigmentie­rungsgrad“. So leben in manchen arktischen Gebieten Menschengruppen, deren Hautpig­mentierung eigentlich „zu dunkel“ für diese Breiten ist. Dazu gehören die Inuit Alaskas und Nordamerikas. Es gibt zwei Erklärungsansätze für dieses Phänomen. Zum einen sind sie erst vor ca. 5000 Jahren aus Asien und Nordamerika zugewandert, was evolutionär gesehen ein relativ kurzer Zeitraum ist, in dem die entsprechende Anpassung noch nicht stattgefunden hat. Andererseits gibt es bei den Inuit keine höheren Vitamin­D­Mangelerscheinungen wie z. B. Rachitis als bei anderen Menschengruppen. Es besteht also nur ein geringer Selektions­druck, da sich die Inuit sehr Vitamin­D­reich ernähren (viel Fisch und andere Meerestiere).

Ein weiteres Phänomen, das zunächst wie eine Ausnahme aussieht, ist die Tatsache, dass Frauen in der Regel einen drei bis vier Prozent helleren Hautton aufweisen als Männer im gleichen Gebiet. Auch hierfür existieren zwei Erklärungsansätze. Manche Evolutionsbiologen glauben, dass es sich hierbei um eine sexuelle Selektion handelt, da viele Männer Frauen mit hellerer Haut bevorzugen und dadurch die hellere Haut einen Selektionsvorteil für Frauen darstellt. Der eigentliche Hintergrund ist nach Meinung vieler Wissenschaftler aber ein anderer: Während der Schwangerschaft benötigen Frauen besonders viel Calcium und damit auch besonders viel Vitamin­D, damit das Calcium aus der Nahrung genutzt werden kann. Möglicherweise ist die etwas hellere Haut eine Angepasstheit, die dazu führt, dass etwas mehr UV­Strahlung in die Zellen gelangt, sodass das sich entwickelnde Kind ausreichend mit Calcium versorgt wird. Gerade in Gegenden mit starker UV­Strahlung scheint das eine Grat­wanderung zu sein: Einerseits darf nicht zu viel UV­Strahlung eindringen, um das Kind durch zu wenig Folsäure nicht zu gefährden, andererseits muss auch die Vitamin­D­Synthese durch ausreichend viel UV­Strahlung sichergestellt sein.

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4 Evolution 435

4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

NATURA_LB Qualifikationsphase_049334

[zu SB S. 254/255]

1 Nennen Sie drei Faktoren, die die reproduk­tive Fitness eines Lebewesens beeinflussen. Mögliche Faktoren: Fähigkeit zur Nahrungs­beschaffung, Attraktivität für Sexualpartner, Resistenz gegen Krankheitserreger, …

2 Bei der Zucht von Tieren durch den Men­schen spricht man von künstlicher Selektion. Vergleichen Sie künstliche und natürliche Selektion. Bei der Neuzüchtung einer Rasse betreibt der Mensch transformierende Selektion. Zur Erhaltung der Rasse erfolgt stabilisierende Selektion. Die Zuchtziele sind — im Gegensatz zur natürlichen Selektion — meist unabhän­gig von der Überlebenschance in natürlicher Umgebung. Durch strenge Auslese erfolgt die Veränderung der Population schneller als bei der natürlichen Selektion.

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3 Nehmen Sie an, dass in einer Finkenpopula­tion keine Selektion bezüglich der Schnabel­form stattfindet. Stellen Sie eine begründete Hypothese zur Entwicklung des Merkmals in der Population auf. Die Vielfalt der Schnabelformen nimmt zu, da durch Mutation veränderte Formen die reproduktive Fitness nicht senken. Durch die­sen Effekt und durch Rekombination wird die Verteilungskurve flacher und breiter.

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Selektion [SB S. 254/255]

So können Sie mit dem Thema arbeiten

Einstieg/Motivation Leitfrage Was versteht man unter Selektion und welche Typen gibt es?MethodenauswahlAls motivierenden Einstieg können Sie die Schülerinnen und Schüler das Bild der Kerguelen­Fliege S. 254 im Schülerbuch zunächst als stummen Impuls betrachten lassen und anschlie­ßend den Auftrag erteilen, Gedanken dazu zu äußern. Nun können Sie den Ausblick geben, dass in der folgenden Unterrichtsstunde der Frage nachgegangen werden soll, wie und warum sich bestimmte Merkmale in der Natur durchsetzen und andere wiederum nicht.

Erarbeitung • Die Schülerinnen und Schüler lesen S. 254/255 im Schülerbuch und bearbeiten anschließend die Aufgabe 1. Im Anschluss daran sollen sie die drei Selektionsformen in eigenen Worten beschreiben.

• Alternativ könnten Sie die Schülerinnen und Schüler zunächst auffordern, die Abbildung 3 auf S. 255 im Schülerbuch zu betrachten (ohne den Text vorher zu lesen) und daraufhin die drei Selektionsformen beschreiben lassen. Im Anschluss daran könnte versucht werden, den Begriff „Selektion“ allgemein zu definieren und erst anschließend mit dem Text im Schüler­buch S. 254 abzugleichen. Danach kann die Bearbeitung der Aufgabe 1 erfolgen.

• Bearbeitung des Arbeitsblatts „Lactoseintoleranz beim Menschen“ (s. Lehrerband S. 437).

Sicherung • Definition des Begriffs Selektion.• Besprechung der Lösung zu Aufgabe 1.• Besprechung der Lösungen zu den Aufgaben des Arbeitsblatts „Lactoseintoleranz beim

Menschen“ (s. Lehrerband S. 437).

Vertiefung • Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten die Aufgaben 2 und 3 im Schülerbuch S. 255.• Sprechen Sie mit Ihren Schülerinnen und Schülern darüber, warum es Krankheiten bzw.

scheinbar nachteilige Merkmale gibt, die nicht „ausselektiert“ werden (s. Zusatzinformation im Lehrerband S. 436).

Kompetenzerwerb Kompetenzbereich: Der Schwerpunkt liegt auf dem Erlangen von Fachwissen. Die Schülerinnen und Schüler erläutern Selektionsmechanismen und ihre Bedeutung für den Evolutionsprozess. Basiskonzept: Variabilität und Angepasstheit

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AlaktasieEine der erblichen Formen der Lactoseintoleranz ist die Alaktasie. Analysieren Sie den vorliegenden Stammbaum.

1

Zusatzaufgabe

Erhaltung scheinbar nachteiliger MerkmaleManche Schülerinnen und Schüler fragen sich in diesem Zusammenhang vielleicht, warum es immer noch Krankheiten wie Arteriosklerose, ge­netisch bedingte Angstzustände oder Krebs gibt, obwohl die Selektion dies langfristig eliminieren müsste. In der medizinischen Forschung geht es meistens darum, die direkten Ursachen einer Er­krankung zu finden, um dann gezielte Therapien entwickeln zu können. Dabei werden meist nur die gegebenen anatomischen und physiologi­schen Mechanismen des Körpers untersucht. In der darwinistischen Medizin geht man dagegen der Fragestellung nach, warum unser Körper so konstruiert ist, dass er z. B. für Krebs, Depres­sionen oder das Ersticken durch Verschlucken anfällig ist. Die evolutionären Erklärungen für die anscheinenden Schwachpunkte unseres Körpers lassen sich erstaunlicherweise in wenigen Punk­ten zusammenfassen:1. Viele Beschwerden (Schmerzen, Fieber, Hus­

ten, Angst, Erbrechen etc.) sind in Wirklich­keit keine Krankheiten oder Fehler, sondern Abwehr­ und Schutzmechanismen, die sich im Laufe der Evolution entwickelt haben. Erbrechen dient z. B. dazu, mit der Nahrung aufgenommene, aber noch nicht resorbierte Giftstoffe aus dem Körper zu entfernen.

2. Viele Krankheiten rühren von Konflikten mit anderen Lebewesen her und sind damit einfach Bestandteil unseres Lebens. Es ist z. B. ziemlich unwahrscheinlich, dass der Mensch durch die Evolution zu der Fähigkeit gelangt, die von bakteriellen Erregern hervorgerufene Erkrankungen zu verhindern.

Es besteht ein ständiges Wettrüsten mit diesen Krankheitserregern, deren Evolution durch die viel kürzere Generationsdauer aber in der Regel viel schneller verläuft.

3. Veränderte Umweltbedingungen: Manche Umstände und damit verbundene Erkrankun­gen des Körpers, wie z. B. fettreiche Nahrung, weniger körperliche Arbeit und damit ver­bundene Herz­Kreislauf­Erkrankungen sowie Diabetes, gibt es noch nicht lange genug, als dass die Evolutionsfaktoren schon hätten greifen können.

4. In vielen Fällen musste bzw. muss die Evolu­tion Kompromisse eingehen, da ein Merkmal zwar eine „Krankheit“ mit sich bringt, ande­rerseits aber gleichzeitig ein Selektionsvor­teil sein kann. Ein bekanntes Beispiel dafür ist das Sichelzell­Gen und die damit verbun­dene Malaria­Resistenz.

5. Die natürliche Auslese unterliegt natürlich auch gewissen konstruktiven Zwängen und Beschränkungen, die zu nicht perfekten Merkmalen führen, wie z. B. beim Großen Panda. Er ist unter den Bären die Art mit der einseitigsten Ernährung. Seine Hauptnah­rung ist Bambus. Dass der Panda eigentlich immer noch ein Raubtier ist, zeigt sich daran, dass der Verdauungstrakt des Pandas nicht ideal an diese Art der Nahrung angepasst ist. Deshalb muss der Panda sehr große Mengen dieser relativ nährstoffarmen Nahrung zu sich nehmen und verbringt 10 — 16 Stunden pro Tag mit der Nahrungsaufnahme.

Zusatzinformation

1 Stammbaum Alaktasie

Laktoseintoleranz Laktosetoleranz weiblich männlich

1

3 98754

10 11 12 13

6

2

Lösung:1 Es handelt sich um einen autosomal­rezessiven Erbgang.

Ausschluss dominant: Eltern 4 und 5 mit Kind 10. Ausschluss y­chromosomal: Anteil weiblicher Personen, z. B. 13. Ausschluss x­chromosomal: Person 2 müsste als homozygote Trägerin nur erkrankte Söhne haben, 6 ist aber nicht betroffen.

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LactoseintoleranzLactoseGlucose

Galactose

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Lactoseintoleranz beim Menschen

Lactose, auch Milchzucker genannt, ist ein in Milchprodukten enthaltenes Disaccharid, das aus den Monome-ren Glucose und Galactose aufgebaut ist. Um Lactose energetisch nutzbar zu machen, muss sie zunächst durch das Enzym Lactase in die beiden Einfachzucker zerlegt werden (Abb. 1). Dieses Enzym wird jedoch nicht bei allen Menschen in gleicher Menge synthetisiert. Während ein Teil der Menschen Lactose ein Leben lang aufspalten und verarbeiten kann, verträgt ein anderer Teil Milchprodukte nur im Säuglingsalter. Danach wird zu wenig Lactase produziert und die Lactose wird im Dünndarm nicht mehr vollständig zerlegt. Die zurückbleibende Lactose ist osmotisch wirksam, wird von Darmbakterien aufgenommen und vergoren. Beides trägt zu den typischen Symptomen der Lactoseintoleranz wie Durchfall, Blähungen und Unwohlsein bei. Für die Lactoseintoleranz gibt es prinzipiell zwei erbliche Formen. In einem Fall ist das Lactase-Gen defekt (tritt sehr selten auf), im zweiten Fall wird es fast vollständig inaktiv.

Man nimmt heute an, dass es während der Jungsteinzeit, als die Menschen überwiegend als Jäger und Sammler lebten, der Normalfall war, dass man im Erwachsenenalter keine Lactose verdauen konnte. Erst mit dem Sesshaft-Werden und dem damit verbundenen Beginn der Viehzucht gab es immer mehr Menschen, die auch nach der Säuglingszeit Milchprodukte vertrugen. In der Bevölkerung hatten Personen mit Lactosetoleranz mehr überlebende Nachkommen als Personen mit Lactoseintoleranz. Lactosetoleranz stellte also einen Selektionsvorteil dar. Die Häufigkeit der entsprechenden Allele im Genpool nahm zu, der Anteil der Lactose toleranten an der Gesamtbevölkerung stieg.

Bevölkerungsgruppe* ohne traditionelle Milchwirtschaft

Anteil der Personen mit Lactoseintoleranz (%)

Afrika Nigerianer*normadische Fulani

8720

Asien Thailänder*Koreaner*Chinesen*

97100

85Europa Dänen

FinnenDeutschePolen

3191225

Amerika Inuit*Indianer (USA)*weiße Amerikaner

928016

Australien Australier (weiße) 8

Mittelmeerregion Griechen (Athen)Griech. Cyprioten*Italiener um Neapel*Norditaliener*

19859530

1 Lactoseabbau und Häufigkeit der Lactoseintoleranz

1 Beschreiben Sie die in Abbildung 1 dargestellte Abbaureaktion der Lactose in eigenen Worten.

2 Leiten Sie aus den in Abbildung 1 dargestellten Häufigkeiten der Lactoseintoleranz Zusammenhänge ab und erklären Sie diese.

3 Erörtern Sie eine mögliche Ursache dafür, dass viele Mittelmeerländer, in denen es einen hohenBevölkerungsanteil mit Lactoseunverträglichkeit gibt, für bestimmte Milchprodukte wie z. B. Parmesan, Mozzarella, Feta, Kefir etc. bekannt sind.

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4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

ARBEITSBLATT Lactoseintoleranz beim MenschenLösungen 1 Das Disaccharid Lactose besteht aus Galactose und Glucose. Das Enzym Lactase kata­

lysiert die hydrolytische Zerlegung, indem das Disaccharid mit Wasser reagiert. Dabei wird die Bindung zwischen den beiden Monosacchariden gelöst und es entstehen die Monosaccharide Galactose und Glucose als Reaktionsprodukte.

2 In Regionen ohne traditionelle Milchwirtschaft ist Lactoseintoleranz häufiger als in den übrigen Bevölkerungsgruppen. Sind Milch und Milchprodukte wesentlicher Nahrungs­bestandteil, so stellt die Lactoseintoleranz einen Selektionsnachteil dar, da verfügbare Nahrungsmittel nicht genutzt werden können. In den übrigen Gebieten hat ein defektes Lactase­Gen keinen Nachteil, sodass es hier verbreitet auftreten kann.

3 In vielen südlichen europäischen und nichteuropäischen Ländern mit deutlich geringer verbreiteter Lactosetoleranz sind die Ernährungsweisen dem Enzymdefekt angepasst. So werden beispielsweise die genannten Milchprodukte durch besondere Fermentations­prozesse weitgehend lactosefrei hergestellt und können deshalb auch von lactoseintole­ranten Personen konsumiert werden.

Praktische Tipps Verdacht auf Lactoseintoleranz? — Selbstdiagnose in zwei SchrittenWichtig: Diese Selbstdiagnose ist keine Möglichkeit, herauszufinden, ob tatsächlich eine Lac­toseintoleranz vorliegt oder nicht. Sie kann lediglich einen bestehenden Verdacht bestätigen oder entkräften. Sollte man durch diese Selbstdiagnose zu dem Ergebnis kommen, dass evtl. eine Intoleranz vorliegen könnte, sollte man diesen Verdacht von einem Arzt überprüfen lassen. In jedem Fall muss auf das gesundheitliche Risiko bzw. die Gefahren hingewiesen werden, die mit dem Selbstversuch einher gehen!

Schritt 1 (Diätphase): Es handelt sich um eine zweiwöchige Diätphase, in der konsequent auf Lactose verzichtet wird, d. h. auf den Verzehr von Milch und Milchprodukten und vor allem auf „versteckte Lactose“, z. B. in Wurst, Fertigprodukten und Backwaren. In dieser Zeit sollten also alle Zutatenlisten sehr genau gelesen werden! Es ist ratsam, in dieser Zeit alle Speisen selber zuzubereiten, um sicher zu sein, dass sie völlig lactosefrei sind. Verbessern sich in dieser Zeit die vorher aufgetretenen Symptome, spricht dies für eine Lactoseintoleranz.

Schritt 2 (Exposition): Nach der Diätzeit werden 50—100 g reine Lactose (erhältlich in der Apotheke, Reformhaus oder Drogerie) in einem Glas Wasser gelöst und auf nüchternen Magen getrunken. Treten innerhalb einiger Stunden danach die typischen Beschwerden wie Unwohlsein, Durchfall und Übelkeit wieder auf, ist der Verdacht auf Lactoseintoleranz begründet und sollte von einem Arzt überprüft werden.

Zusatzinformation Ärztliche DiagnosemöglichkeitenBei den ersten beiden Tests wird jeweils im Vorfeld Milchzucker (50 g) in Wasser gelöst und dann eingenommen. Liegt eine Intoleranz vor, verbleibt die Lactose im Dünndarm und ermöglicht folgende Nachweise (1. und 2.):

1. H2­Atemtest: Im Falle einer Lactoseintoleranz gelangt die nicht gespaltene Lactose in den Dickdarm und wird dort bakteriell vergoren, wobei u. a. Wasserstoff entsteht. Dieser gelangt über die Blutbahn in die Lungen und wird ausgeatmet. Der Befund gilt als posi­tiv, wenn das Messergebnis vor und nach dem Milchzuckerbelastungstest einen Unter­schied von mindestens 20 ppm Wasserstoff anzeigt.

2. Blutzucker­Test: Hierbei wird der Glucose­Gehalt im Blut nach der Lactose­Gabe gemes­sen. Normalerweise müsste dieser ansteigen, da die durch die Spaltung der Lactose frei werdende Glucose (und Galactose) über das Blut abtransportiert wird. Bei einem Blutzuckeranstieg von weniger als 20 mg/dl gilt die Diagnose der Lactoseintoleranz als gesichert.

3. Gentest: Für diesen Test ist keine Verabreichung von Lactose notwendig. Bei Verdacht auf eine erbliche Intoleranz­Form kann ein Gentest durchgeführt werden. Als Untersuchungs­material genügt in den meisten Fällen ein Mundschleimhautabstrich, in seltenen Fällen wird eine Gewebeprobe aus dem Dünndarm entnommen.

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4 Evolution 439

4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

NATURA_LB Qualifikationsphase_049334

[zu SB S. 256/257]

1 Stellen Sie eine Hypothese auf, die eine Erklärung für die unterschiedliche Zusam­mensetzung der Birkenspanner­Populationen in England liefert. Hypothese: Die Übereinstimmung mit der Untergrundfarbe stellt einen Selektionsvorteil der Birkenspanner dar.

2 Nennen Sie zwei Möglichkeiten, wie man Ihre Hypothese überprüfen könnte. individuelle Lösung, mögliche Antworten sind: Man kann z. B. die Fänge durch Vögel beobach­ten und auszählen oder Vögel vergrämen und die Auswirkungen bestimmen oder ein Kont­rollexperiment durchführen (wie Kettlewell).

3 Werten Sie den zweiten Versuch Kettlewells aus. In Industriegebieten werden mehr dunkle Tiere zurückgefangen, in anderen Gebieten mehr helle. Das passt zu Abb. 1 und zur Hypothese aus Aufgabe 1.

4 Formulieren Sie Annahmen, die vermutlich der Planung des ersten Versuchs zugrunde lagen. Die Motten werden tagsüber von Vögeln gefressen, die sich optisch orientieren. Die Motten sitzen am Stamm und an dicken Ästen der Bäume.

Lösungen

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5 Deuten Sie die Ergebnisse der beiden Ver­suche im Zusammenhang. Die Ergebnisse von Versuch 1 passen im zwei­ten Teil zu denen von Versuch 2. Danach stellt die Übereinstimmung mit der Untergrundfarbe einen Selektionsvorteil der Birkenspanner dar, da ihre Überlebenswahrscheinlichkeit bei Anwesenheit von Fressfeinden höher ist.

6 Kritiker gaben zu bedenken, dass viele Birkenspanner nachts von Fledermäusen erbeutet werden. Erklären Sie die Auswir­kungen dieser Aussage auf die Aussagekraft der Experimente. Bei der nächtlichen Dezimierung der Birken­spanner durch Fledermäuse ist die Färbung wahrscheinlich nicht von Bedeutung. Deshalb sollten sich die Häufigkeiten der beiden Formen durch die Fänge nicht verändern. Der Effekt der nächtlichen Dezimierung ist dem­nach neutral zum Ergebnis für die Dezimierung tagsüber, verfälscht also die Ergebnisse nicht.

7 Vergleichen Sie die in Abb. 3 dargestellten Ergebnisse der beiden Untersuchungen. Die Ergebnisse zeigen Unterschiede, in der oben dargestellten Untersuchung werden Blätter nicht berücksichtigt. Nur ein Bruchteil der Tiere sitzt exponiert am Stamm.

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Material: Industriemelanismus [SB S. 256/257]

So können Sie mit dem Thema arbeiten

Einstieg/Motivation Leitfrage Wie beeinflusst natürliche Selektion die Häufigkeiten von Phänotypen in einer Population?MethodenauswahlAls motivierenden Einstieg könnten Sie — ohne vorher Informationen über den Begriff „In­dustriemelanismus“ zu geben — das Simulationsspiel zum Industriemelanismus auf S. 441 im Lehrerband durchführen lassen und damit zur eigentlichen Erarbeitung der Thematik überleiten.

Erarbeitung • Die Schülerinnen und Schüler stellen ihre Lösungsvorschläge zu den Aufgaben 1 bis 3 des Simulationsspiels zum Industriemelanismus vor, die dann besprochen werden.

• Alternativ kann auch zunächst mit den Texten und Aufgaben im Schülerbuch gearbeitet wer­den, um dann das Simulationsspiel zum Industriemelanismus im Lehrerband S. 441 später einzusetzen.

Sicherung Bearbeitung der Aufgaben 1 bis 6 im Schülerbuch S. 256 und Vergleich der Lösungen.

Vertiefung Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten die Aufgaben 7 bis 11 im Schülerbuch S. 257.

Kompetenzerwerb Kompetenzbereich: Der Schwerpunkt liegt auf der Erkenntnisgewinnung. Die Schülerinnen und Schüler entwickeln Fragestellungen und Hypothesen, planen Experimente und werten sie hypothesenbezogen aus. Sie diskutieren Fehlerquellen bei Experimenten. Im Rahmen der Arbeit mit dem Material beschreiben, analysieren und deuten sie Abbildungen, Tabellen und Diagramme. Basiskonzept: Variabilität und Angepasstheit

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Original-MaterialienEs wäre möglich, zusätzlich einen Originaltext analysieren zu lassen, z. B. eine Originalversuchs­anleitung von Kettlewell, eine Zeichnung oder

den Versuchsaufbau, um daran den Umgang mit Originalarbeiten im Unterricht zu thematisieren (s. Literatur­ und Medienhinweise).

Zusatzaufgaben

Zweifel an der TheorieIn den Grafiken der Abbildung 3 im Schülerbuch S. 257 wird deutlich, dass der Ruheplatz der Birkenspanner tagsüber keinesfalls überwie­gend der gut sichtbare Stamm ist, sondern viel häufiger die eher versteckt liegenden Teile des Baumes wie Astgabeln, Zweige und verdeckte Teile des Stammes. Diese Tatsache wird von zahlreichen Kritikern zum Anlass genommen, die Interpretation der Kettlewell’schen Versuche in Frage zu stellen bzw. abzulehnen, da die dunkel gefärbten Birkenspanner ihren Selektionsvorteil eben nur auf dem Stamm und nicht in versteck­ten Astgabeln hätten.

Zudem wurde nach der Veröffentlichung der Kettlewell­Studie die Kritik geäußert, dass Vögel nicht als relevante Fressfeinde von Nachtfaltern angesehen werden könnten. Aus diesem Grund wurde die Studie 1958 unter Mitarbeit des Etho­logen Nicolas Tinbergen (1907 — 1988) wieder­holt. Dessen Ergebnisse bestätigten, dass helle Falter auf dunkler Rinde tatsächlich häufiger von Vögeln erbeutet wurden als dunkle Artgenossen.

Der Genetiker Michael Majerus (1954 — 2009) gab als Kritikpunkte an, dass diese Experimente kein überzeugender Beleg für die natürlichen Vorgänge seien, die zur Verschiebung der Häufigkeiten von hellen zu dunkel gefärbten Individuen geführt haben können, da die Über­nachtungsplätze der Falter nicht in die Studie miteinbezogen wurden. Außerdem könnte das Beutefangverhalten der Vögel durch ein Über­angebot an Faltern verfälscht worden sein. Des Weiteren wurde die nächtliche Bejagung durch Fledermäuse außer Acht gelassen.

Im Jahr 2002 startete Majerus eine umfangrei­che Feldstudie mit dem Ziel, alle bis dahin veröf­fentlichten Kritikpunkte an der Kettlewell­Studie abzudecken. Die fünf Jahre dauernde Studie kam schließlich zu dem Ergebnis, dass es als erwiesen angesehen werden kann, dass der Fang durch Vögel als Grund ausreichend ist, die beobachte­ten Häufigkeiten der Birkenspanner­Varianten zu erklären.

Unklar ist allerdings weiterhin, welche weiteren Faktoren die Häufigkeitsverteilung beeinflussen, da es in einigen Gebieten schon immer eine höhere Zahl an dunklen Faltern gibt, obwohl es dort niemals eine besonders hohe Luftver­schmutzung gegeben hat (z. B. in East Anglia).

Zusatzinformation

Kettlewell, Henry Bernard Davis: Selection experiments in industrial melanism in the Lepidoptera. In: Heredity. Band 9, 1955, S. 323 — 342

Literatur- und Medienhinweise

Lösungen 8 Erläutern Sie den Einfluss des Aufenthalts­orts der Birkenspanner am Tag auf die Aus­sagekraft von Kettlewells Experimenten. Wenn die Tiere tagsüber versteckt oder unter Blättern sitzen, weichen die Versuchsbedingun­gen von der natürlichen Situation ab.

9 Beschreiben Sie die Probleme bei der Un­tersuchung der Frage, ob sich Birkenspanner tagsüber im Wesentlichen im Blätterdach der Baumkronen aufhalten. Die Blätter in den Baumkronen sind schwer zu erreichen, ohne die Tiere zu verscheuchen. Die Tiere sind dort schwer zu finden.

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10 Werten Sie Abb. 4 und 5 aus und setzen Sie dabei die Werte in Beziehung. Nach Rückgang der Schwefeldioxid­Belastung der Luft sinkt mit Verzögerung der Anteil der dunklen Tiere. Das passt zur Hypothese, dass die Übereinstimmung mit der Untergrundfar­be einen Selektionsvorteil der Birkenspanner darstellt, und zu Kettlewells Versuchsergeb­nissen.

11 Prüfen Sie die Übereinstimmung der Ergebnisse mit den in Abb. 1 dargestellten Befunden. Die Ergebnisse passen zu den in Abb. 1 dar­gestellten Häufigkeiten der beiden Formen in den verschiedenen Regionen.

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441© Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2019 | www.klett.de | Alle Rechte vor-behalten. Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. Die Kopiergebühren sind abgegolten.

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Industriemelanismus

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Industriemelanismus

Der Birkenspanner (Biston betularia) ist ein Nachtfalter, meist von weißer Grundfärbung mit schwarzer Zeichnung, der tagsüber u. a. Birkenstämme als Ruheplatz benutzt (Abb. 1 und 2). Es kommt auch eine genetisch bedingt dunkle Form vor, die nach dem Farbstoff Melanin als melanistisch bezeichnet wird. Im 19. Jahrhundert entdeckte man in England, dass der Anteil melanistischer Tiere in Gegenden mit ausgeprägter Industrialisierung und damit verbundener Luftverschmutzung besonders hoch war.

1 Birkenstamm

2 Helle und dunkle Form des Birkenspanners

Mithilfe des folgenden Simulationsspiels soll der Ursache der rapiden Zunahme der dunklen Form auf den Grund gegangen werden. Das Spiel kann in Gruppen zu viert durchgeführt werden.

Material:Pro Gruppe ein weißer und ein schwarzer Fotokarton DIN A2 als Unterlage, weiße und schwarze Spielchips, Tabelle zur Protokollierung der Ergebnisse

Spielablauf:I. Zwei Gruppenmitglieder (= Spieler) stellen sich mit dem Rücken zum Tisch.

II. Die beiden anderen Gruppenmitglieder (= Spielleiter) legen die Plakate auf den Tisch und verteilen auf beiden Plakate jeweils zehn weiße und zehn schwarze Spielchips.

III. Nun drehen sich die Spieler um, nehmen innerhalb von zwei Sekunden so viele Spielchips an sich wie möglich und drehen sich sofort wieder um. Dieser Vorgang wird einmal wiederholt. Dann ist die erste Runde beendet.

IV. Die Spielleiter protokollieren die Anzahl der übrig gebliebenen Chips in der Tabelle und bereiten die nächste Runde vor. Dazu werden für jeden noch auf den Plakaten liegenden Chip zwei weitere Chips der gleichen Farbe auf die Plakate gelegt und die Anzahl in der Tabelle festgehalten.

V. Schritt III. und IV. werden so lange wiederholt, bis insgesamt sechs Runden gespielt und protokolliert wurden.

1 Entscheiden Sie, für welche realen Objekte, Lebewesen bzw. Vorgänge die folgenden Spielbestandteile stellvertretend eingesetzt wurden. Legen Sie dazu eine Tabelle an: weißes Plakat, schwarzes Plakat, weiße Chips, schwarze Chips, Spieler, Wegnehmen der Chips, Hinzufügen der Chips.

2 Stellen Sie Ihre Spielergebnisse in einer geeigneten Weise grafisch dar.

3 Begründen Sie mithilfe Ihres Ergebnisses, dass in Gegenden mit starker Industrialisierung der Anteil melanistischer Falter deutlich zugenommen hat (Industriemelanismus).

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442 NATURA_LB Qualifikationsphase_049334 Illustrator: Wolfgang Herzig, Essen

4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

ARBEITSBLATT IndustriemelanismusLösungen 1 Spielbestandteil Bedeutung

weißes Plakat heller Stamm einer Birke

schwarzes Plakat verschmutzter Stamm einer Birke

weiße Chips helle Birkenspanner

schwarze Chips dunkle Birkenspanner

Spieler Fressfeinde des Birkenspanners, z. B. Vögel

Wegnehmen der Chips „Auffressen“ der Birkenspanner

Hinzufügen der Chips Vermehrung der überlebenden Birkenspanner

2 Es bietet sich eine Darstellung in einem Koordinatensystem an, wobei auf der x­Achse der Verlauf (in Runden), auf der y­Achse die Anzahl der Chips (Individuen) aufgetragen wird. Anhand der Darstellung sollte deutlich werden, dass auf dem hellen Untergrund die Anzahl der hellen Individuen annähernd konstant bleibt, während die Anzahl der dunklen Individuen schnell abnimmt (evtl. sogar bis auf Null abfällt, was bedeuten würde, dass die dunklen Falter in diesem Lebensraum komplett verschwinden). Die Individuenanzahl auf dem dunklen Untergrund verhält sich entsprechend gegenläufig. Ebenso denkbar wäre eine Darstellung als Säulendiagramm.

3 Durch Industrialisierung erhöhte sich die Luftverschmutzung, dadurch gab es mehr Ruß/Schmutz in der Luft, der die Birkenrinde dunkel färbte bzw. der Flechtenbewuchs an der Baumrinde ging zurück (dunkler und heller Untergrund). Dunkle Birkenspanner waren auf dunklem Untergrund besser getarnt und wurden weniger häufig von Räubern erbeu­tet (weniger eingesammelte Chips auf gleichfarbigem Untergrund). Deshalb konnten sie sich häufiger fortpflanzen (höhere reproduktive Fitness). Das entspricht dem Hinzufügen von Chips in Phase IV. Dadurch gab es in den Gebieten mit mehr Luftverschmutzung im Laufe der Zeit immer mehr dunkle Falter, da Phänotypen mit dieser Mutation einen Selektionsvorteil hatten (Zunahme der gleichfarbigen Chips).

Praktische Tipps SpielmaterialEs bietet sich an, für das Modellspiel Spielchips aus Kunststoff zu verwenden, die in Spielwa­ren­ oder Bastel läden und Internetshops in vielfachen Ausführungen und Größen zu erwer­ben sind. Alternativ könnten die Spielchips auch ausgedruckt und ausgeschnitten werden. Nachteile davon sind der höhere Zeitaufwand und eine kurze Haltbarkeit.Als Alternative zu den Fotokarton­Untergründen wären auch weiße bzw. schwarze Stoffstü­cke denkbar, die die natürlichen Unebenheiten des Untergrundes einer Baumrinde besser widerspiegeln würden.

1 Beispieldarstellung für einen hellen UntergrundVerauf (Runden)

1 2 3 4

5

10

5 6

Anz

ahl d

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chip

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4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

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[zu SB S. 258/259]

1 Beschreiben Sie die Entstehung einer fort­schreitenden Angepasstheit in einer Popula­tion unter Verwendung von Abb. 1. Durch Selektion haben Individuen mit einer besseren Angepasstheit als andere eine höhere reproduktive Fitness. Dadurch erhöht sich der Anteil entsprechender alleler Gene im Genpool. In der nächsten Generation erhöht sich der An­teil der besser angepassten Individuen. Durch Rekombination können sich diese Effekte für mehrere Merkmale gegenseitig verstärken.

2 Erläutern Sie die evolutiven Folgen, wenn in einer Buntspechtpopulation durch Mutation ein Allel für einen härteren Schnabel ent­steht. Phänotypen mit härterem Schnabel können leichter Bruthöhlen schlagen und vielleicht besser an Nahrung unter der Rinde gelangen. Dadurch erhöht sich ihre reproduktive Fitness. Dadurch breitet sich das allele Gen über Gene­rationen im Genpool aus.

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[zu SB S. 259: EXTRA]

Beschreiben Sie, in welcher Hinsicht Darwins Evolutionstheorie durch Weismann erweitert wurde. Weismann widerlegte durch seine Experimente die Annahme, dass erworbene Eigenschaften vererbt würden. (Hinweis: Erkenntnisse der Epigenetik werden hier nicht berücksichtigt.)

Die Synthetische Evolutionstheorie [SB S. 258/259]

So können Sie mit dem Thema arbeiten

Einstieg/Motivation LeitfragenWie lässt sich Darwins Evolutionstheorie durch molekularbiologische Erkenntnisse erweitern?Methodenauswahl• Den Schülerinnen und Schülern können (wiederholend) die wesentlichen Aussagen der

Evolutionstheorie nach Darwin vorgelegt werden. Nun kann man gemeinsam überlegen, inwieweit man die Aussagen Darwins heute mithilfe der zu Darwins Zeiten unbekannten biologischen bzw. genetischen Tatsachen erklären kann.

• Um den Einstieg motivierender und weniger abstrakt zu gestalten, können diese Schritte auch anhand eines konkreten Beispiels erfolgen. Dazu eignet sich sowohl ein neues Phä­nomen, dessen Entstehung geklärt werden soll, als auch ein bereits bekanntes (z. B. Birken­spanner oder Lactosetoleranz).

Erarbeitung • Im Plenum werden zunächst die Erklärungen der Schülerinnen und Schüler gesammelt. Anschließend wird der Begriff „Evolutionsfaktor“ definiert: Jeder Prozess, durch den der Genpool verändert wird, ist ein Evolutionsfaktor. Die Schülerinnen und Schüler werden nun in vier Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe bearbeitet einen der vier zentralen Evolutionsfaktoren: Selektion, Mutation, Rekombination und Genfluss/Gendrift. Dazu lesen zunächst alle Grup­pen die Seiten 258/259 im Schülerbuch und recherchieren anschließend zu ihrem Thema im Schülerbuch oder im Internet (s. Praktische Tipps, Lehrerband S. 444). Die Schülerinnen und Schüler erhalten zudem das Arbeitsblatt „Präsentation von Arbeitsergebnissen“ (s. Lehrer­band S. 445) und das Zusätzliche Arbeitsblatt „Bewertung von Präsentationen“ (s. Daten auf DVD, Lehrerband S. 444).

• Alternativ kann die Synthetische Evolutionstheorie auch mithilfe des Textes im Schülerbuch erarbeitet werden.

Sicherung Im Anschluss an die Erarbeitung erfolgen die Präsentationen der vier Gruppen. Während bzw. nach den vier Präsentationen notieren alle Schülerinnen und Schüler die wesentlichen Definiti­onen der einzelnen Evolutionsfaktoren. Zusätzlich könnte die Aufgabe gestellt werden, jeweils ein weiteres Beispiel für das Wirken eines Evolutionsfaktors zu finden.

Vertiefung Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten die Aufgaben 1 und 2 im Schülerbuch S. 259.

Kompetenzerwerb Kompetenzbereich: Der Schwerpunkt liegt auf dem Erlangen von Fachwissen. Die Schülerinnen und Schüler erläutern die Synthetische Evolutionstheorie.Basiskonzept: Variabilität und Angepasstheit

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Die „Konkurrenz“ zwischen Darwin und WallaceIm Zusammenhang mit Evolution kennt wohl jeder den Namen Charles Darwin (1809 — 1882) als Begründer der modernen und anerkannten Evolutionstheorie. Vergessen wird dabei bis heute immer wieder ein Mann, der im selben Zeitraum wie Darwin eine verblüffend ähnliche Evolutionstheorie aufgestellt haben soll — Alfred Russel Wallace (1823 — 1913). Von einigen Theoretikern wird Darwin sogar vorgewor­fen, wesentliche Aussagen seiner Theorie von Wallace übernommen zu haben. Die Umstände, die zur ersten Vorstellung der Selektionstheo­rie führten, gehören zu den am gründlichsten untersuchten Kapiteln der modernen Biologie. Dennoch konnten die genauen Ereignisse bis heute nicht vollständig aufgeklärt werden und die Diskussion nach dem wahren Begründer der Theorie dauert weiter an.

Ausschlaggebend für den Beginn des Zweifels daran, dass Darwin der alleinige Autor der Selektionstheorie sei, war ein Brief, den Wallace im Februar 1858 von einer Expedition durch den indomalaiischen Archipel an Darwin schickte. In diesem Brief bat er ihn um Überprüfung des von ihm aufgestellten Evolutionsmechanismus, zu dem er im Laufe seiner Expeditionen gelangt war. Das Überleben der am besten Angepassten und die Auslese durch die Umwelt waren seine zentralen Aussagen. Zwar hatte Darwin genau dieses Evolutionsprinzip lange Zeit vorher bereits entdeckt und Anfang der 1840er­Jahre hand­schriftlich skizziert, allerdings erweiterte er seine Manuskripte im Jahr 1858 um fast 40 Seiten, möglicherweise, weil er dank Wallaces klarer Darstellung bestimmte Details besser heraus­arbeiten und erst damit dann seine eigene Theorie vervollständigen konnte.

Im Juni 1858 wandte er sich dann per Brief an seinen Freund Sir Charles Lyell (1797 — 1875) mit der Bitte um Rat und Hilfe bei seiner nun fertigen Theorie, die dann in seinem Werk „Über die Entstehung der Arten“ im Jahr 1859 veröf­fentlicht wurde.

Umstritten ist und wird wahrscheinlich auch bleiben, ob Darwin nicht ganz aufrichtig war, inwieweit er Wallaces Aussagen in seiner Theorie verwendet hat, da weder die Originalmanuskripte noch die Briefkommunikation in diesem Fall auffindbar sind, obgleich sich in den Archiven von Darwin beinahe jedes Stück Papier finden lässt, das von ihm oder an ihn je geschrieben wurde. Zudem bestehen Zweifel, ob der Brief von Wallace überhaupt rechtzeitig bei ihm angekom­men sein konnte, sodass er von dessen Inhalt hätte profitieren können.

Ob Darwin, Wallace, Lyell oder vielleicht noch weitere Naturforscher — viele haben zur damali­gen Zeit parallel an Theorien zur Evolution gear­beitet — die Zeit war reif und führte letztendlich zur Veröffentlichung der heute anerkannten Theorie zur Entstehung und Weiterentwicklung der Arten.

Zusatzinformation

Internet als LiteraturquelleFür die Erstellung der Präsentationen kann das Internet als Literaturquelle genutzt werden. Bei diesem Vorgehen sollte dies geplant werden. Die Schülerinnen und Schüler sollten vor Beginn der Recherche darauf hingewiesen werden, wie man Quellen aus dem Internet korrekt angibt (u.a. wichtig, dass der komplette Link in der Quelle erscheint inklusive des Datums und der Uhrzeit der Entnahme der Information). Außerdem sollte die Verlässlichkeit von Internetquellen möglichst geprüft werden, ggf. könnten gemein­same Regelungen getroffen werden oder man erarbeitet Kriterien, welche Seiten verwendet werden sollen und welche nicht.

Erstellung und Bewertung von PräsentationenAuf der DVD befindet sich ein Zusätzliches Arbeitsblatt zu den Evolutionsfaktoren und eine Tabelle, mit deren Hilfe man zur einer Beurtei­lung bzw. Benotung der Präsentation gelan­gen kann. Die Tabelle hat den Vorteil, dass die Schülerinnen und Schüler vor Beginn der Arbeit darüber Kenntnis haben, welche Leistungen von ihnen erwartet werden und, aus welchen Be­standteilen sich ihre Bewertung zusammensetzt. Außerdem können die Schülerinnen und Schüler aktiv an der Bewertung der anderen Gruppen mitarbeiten, da die Bewertungskriterien offen und für alle zugänglich sind.

Praktische Tipps

• Zusätzliches ARBEITSBLATT „Bewertung von Präsentationen“ Kapitel 4: Evolution; 4.1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolutionstheorie

Daten auf DVD &

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Präsentation

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Präsentation von Arbeitsergebnissen

Eine Präsentation hat immer zum Ziel, die Zuhörer über etwas zu informieren, das man sich selber erarbeitet

hat, sei es im Zuge eines Unterrichtsgeschehens oder in einer Prüfungssituation, z. B. im Abitur. Damit dieses

Ziel erreicht werden kann, muss die Präsentation ansprechend gestaltet sein und der Inhalt klar und

verständlich strukturiert werden.

Die Fähigkeit des Präsentierens nennt man Präsentationskompetenz. Aus folgenden Gründen ist es besonders

wichtig, an seiner Präsentationskompetenz zu arbeiten:

– Die erarbeiteten Informationen werden besonders gut eingeprägt, wenn man sie vor anderen frei vorträgt.

– Die Zuhörerinnen und Zuhörer profitieren von der Arbeit der anderen, da sie deren Arbeitsergebnisse

vorgestellt bekommen.

– Wer häufig präsentiert, wird mit der Zeit immer selbstsicherer. Dies ist in der Schule und im späteren

Leben von großer Bedeutung.

Damit eine Präsentation gelingt, sollte man sich an die folgenden fünf Regeln halten:

1 Gute Vorbereitung!

Sie ist das wichtigste bei einer guten Präsentation, da der Zuhörer sofort merkt, ob sich die

Präsentierenden gut in das Thema eingearbeitet haben oder nicht.

2 Notizzettel vorbereiten!

Wenn man versucht, die Präsentation ohne Notizen zu halten, besteht die Gefahr, dass man den Faden

verliert. Schreibt man sich alles auf, was man präsentieren möchte, kann es passieren, dass man nur

abliest und somit die Aufmerksamkeit der Zuhörer verliert. Deshalb ist es ratsam, die wichtigsten Stich-

punkte z.B. auf kleinen Karteikarten zu notieren, die man dann als Merkhilfe verwendet.

3 Frei sprechen!

Die Zuhörerinnen und Zuhörer können einem Vortrag umso besser folgen, je mehr sie vom Vortragenden

direkt angesprochen werden. Deshalb sollte man darauf achten, zum Publikum zu sprechen und möglichst

viel Blickkontakt zu den Zuhörern aufzubauen und nicht nur zur Lehrerin oder zum Lehrer.

4 Für Aufmerksamkeit sorgen!

Zu Beginn der Präsentation zunächst warten, bis Ruhe eingekehrt ist. Am Ende einen Moment warten, ob

es Fragen oder Anmerkungen gibt. Falls nötig, kann man das Publikum entsprechend dazu auffordern.

5 Die wichtigsten Punkte gesondert herausstellen!

Da die Zuhörer sich die wichtigsten Informationen einprägen sollen, sollte der Vortragende dafür sorgen,

dass es entsprechende Merkhilfen für die entsprechenden Punkte gibt. Dazu ist z. B. ein kleines Handout

hilfreich, das am Ende ausgegeben wird.

Alternativ können die wichtigsten Punkte auch schon während der Präsentation mithilfe eines Beamers

visualisiert werden. Dabei sollte man darauf achten, nur Stichpunkte und ggf. einfache Abbildungen zu

verwenden und die einzelnen Folien nicht zu überfrachten.

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446 NATURA_LB Qualifikationsphase_049334

4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

ARBEITSBLATT Präsentation von ArbeitsergebnissenPraktische Tipps Damit die Präsentation eines Arbeitsergebnisses ein erfolgreiches Ergebnis sowohl für

die Präsentierenden als auch für die Zuhörer erbringen kann, nämlich die Vermittlung des erarbeiteten Stoffs auf möglichst interessante Art und Weise, müssen sich die Vortragenden zunächst genau über die Vorgehensweise beim Erstellen und die Regeln beim Präsentieren selber bewusst sein.

Durch das Vortragen der Arbeitsergebnisse als Präsentation werden die Schülerinnen und Schüler darin geschult, ihre Lösungsvorschläge in anschaulicher Weise darzustellen und ihre Informationen klar und deutlich, gut verständlich und strukturiert zu erläutern. Mimik und Gestik spielen hierbei eine große Rolle. Auch die Einhaltung der vorher verabredeten Vortragszeit ist zu beachten.

Die Präsentationskompetenz zählt in vielen Berufsgruppen zu einer Grundkompetenz. Präsentationen gehören in der Schule in vielen Bundesländern zu den geforderten Prüfungs­formen, sei es in der Realschul­ oder Abiturprüfung. Aus diesen Gründen ist es sinnvoll und wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler im Unterrichtsgeschehen darauf vorbereitet wer­den, ihre Ergebnisse zu präsentieren, um Routine einzuüben, die notwendig ist, um Fakten in angemessener Weise an die Zuhörer weiterzugeben.

Die wichtigsten Regeln sind auf dem Arbeitsblatt zusammengefasst. Der Text auf dem Ar­beitsblatt ist bewusst allgemein formuliert und nicht fächer­ oder themenbezogen, da er so von den Schülerinnen und Schülern immer wieder verwendet werden kann. Es kann dadurch allerdings notwendig sein, zusätzliche Informationen an die Lerngruppen weiterzugeben, je nachdem, wie geübt die Schülerinnen und Schüler bereits bei der Erstellung von Präsentati­onen sind. Es kann z. B. hilfreich sein, die ersten Präsentationen anhand der vier Fragewörter (warum, wer, was und wie) zu gestalten. Damit ist gemeint, dass sich die Präsentierenden zunächst einmal selber die vier Fragen beantworten sollen• Warum wird präsentiert?• Wer ist der Zuhörer?• Was soll vorgetragen bzw. behalten werden?• Wie/mithilfe welcher Medien soll präsentiert werden?

Vor allem auf die Bedeutung der Medienunterstützung sollten die Schülerinnen und Schüler hingewiesen und entsprechend beraten werden. Auch auf die Gliederung der Präsentation in Einleitung, Hauptteil und Schluss sollte man achten.

Bewertung der PräsentationenGrundsätzlich ist es immer empfehlenswert, ein Feedback an die Vortragenden zu geben. Stärken und Schwächen der Präsentation können in respektvoller Art und Weise angemerkt werden und ermöglichen den Präsentierenden, die eigene Präsentationskompetenz zu verbessern.

Mithilfe des Zusätzlichen Arbeitsblatts „Bewertung von Präsentationen“ (s. Daten auf DVD, Lehrerband S. 350) können die Präsentationen direkt im Anschluss besprochen werden, z. B. könnte man den Bewertungsbogen präsentieren und mit den Lernenden gemeinsam die Bepunktung festlegen. Damit wird den präsentierenden Gruppen gleichzeitig eine Rück­meldung über den Verlauf ihres Vortrages gegeben und es ergibt sich am Ende dann ihre Note. Diese Note soll dann in vorher festgelegter und kommunizierter Art in die Gesamtnote einfließen.

Oft stellt es sich als ein Problem heraus, die Ergebnisse von Gruppenarbeiten fair zu be­werten, da von außen nicht ersichtlich ist, welches Gruppenmitglied welchen Teil der Arbeit geleistet hat. Daher wird es von den Schülerinnen und Schülern oft als unfair bemängelt, wenn alle Gruppenmitglieder die gleiche Note bekommen, obwohl einige einen größeren Arbeitsaufwand hatten als andere. Eine Möglichkeit, dieses Problem zu umgehen, besteht darin, den Gruppen die Möglichkeit zu geben, gruppenintern eine Differenzierung der Noten vorzunehmen: Kommt man z. B. mithilfe des Bewertungsbogens auf eine Note von 10 Punk­ten für eine präsentierende Zweiergruppe, multipliziert man das Ergebnis mit der Anzahl der Gruppenmitglieder, in diesem Fall 2. Die Gruppe erhält also als „Note“ 20 Punkte, die jetzt gruppenintern aufgeteilt werden können. Gesteht der eine Teilnehmer dem anderen einen größeren Anteil am Ergebnis zu, könnte eine Schülerin bzw. ein Schüler 12 Punkte und der andere bzw. die andere 8 Punkte erhalten oder beide gleichwertig 10 Punkte.

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4 Evolution 447

4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

NATURA_LB Qualifikationsphase_049334

[zu SB S. 260/261]

1 Erläutern Sie, nach welchem Konzept ein Wis­senschaftler, der ausgestorbene Organismen studiert (Paläobiologe), seine Funde klassifi­ziert. Ein Paläobiologe würde Funde von ausgestor­benen Organismen morphologisch klassifizie­ren, da der biologische Artbegriff, insbesondere die Kreuzungsfähigkeit, bei ausgestorbenen Organismen nicht mehr überprüft werden kann.

2 Begründen Sie die Einordnung von Zilpzalp und Fitis als eigenständige Arten im Vergleich zu Nebel­ und Rabenkrähe. Zilpzalp und Fitis zeigen kaum morphologische Unterschiede, können sich aber aufgrund ihres unterschiedlichen Balzgesangs nicht unterein­ander fortpflanzen. Daher handelt es sich um zwei verschiedene Arten. Nebel­ und Rabenkrähe unterscheiden sich zwar morphologisch in der

Lösungen

0

$

Farbe des Gefieders, trotzdem findet in der Hybridisierungszone eine Verpaarung zwischen ihnen statt, aus der fruchtbare Nachkommen hervorgehen. Aufgrund dieses Umstands spricht man hier von Unterarten.

3 Erläutern Sie, warum im Labor (erfolgreich) durchgeführte Verpaarungsversuche zweier nicht eindeutig einer Art zugeordneter Indivi­duen kein Beleg dafür sind, dass diese Indivi­duen einer Art zugeordnet werden können. Laut biologischem Artbegriff besteht eine Art aus Populationen, deren Individuen sich untereinander fortpflanzen können und von anderen Populationen reproduktiv isoliert sind. Eine reproduktive Isolierung kann jedoch z. B. auch eine physische oder zeitliche Barriere sein, die verhindert, dass die Individuen in der Natur aufeinandertreffen. Individuen, die sich in der Natur nie begegnen, kreuzen sich normalerweise

.

Was ist eine Art? [SB S. 260/261]

So können Sie mit dem Thema arbeiten

Einstieg/Motivation Leitfragen• Was ist eine Art?• Wann gehören zwei Individuen zu derselben Art?Methodenauswahl• Sie können Ihren Schülerinnen und Schülern zunächst Bilder von verschiedenen Tieren

zeigen, die zu einer Art gehören und sich dennoch phänotypisch deutlich unterscheiden (z. B. unterschiedliche Hunderassen) und im Anschluss Bilder von Tieren, die sich ähnlich sehen, aber zu verschiedenen Arten gehören (z. B. verschiedene Froscharten oder Salamander arten). Die Schülerinnen und Schüler diskutieren, ob es sich jeweils um unterschiedliche Arten handelt und entwickeln mögliche Kriterien, anhand derer Arten voneinander abge­grenzt werden können.

• Alternativ können Sie auch die Abbildung von Zilpzalp und Fitis verwenden (s. Schülerbuch S. 260) sowie die Schülerinnen und Schüler diskutieren lassen, ob es sich hierbei um ver­schiedene Arten handelt. Dabei kann der Balzgesang einbezogen werden.

Erarbeitung • Die Schülerinnen und Schüler lesen den Text im Schülerbuch S. 260/261 und bearbeiten die Aufgaben 1 und 2 im Schülerbuch S. 261.

• Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten das Arbeitsblatt „Eine Art oder zwei Arten?“ (s. Lehrerband S. 449).

Sicherung • Besprechung der Lösung der Aufgaben 1 und 2 im Schülerbuch S. 261.• Besprechung des Arbeitsblatts „Eine Art oder zwei Arten?“ (s. Lehrerband S. 449).• Gegebenenfalls abschließende Klärung, ob es sich bei den Einstiegsbeispielen um eine oder

mehrere Arten handelte, und Überprüfung der dabei aufgestellten eigenen Kriterien bezüg­lich der Artabgrenzung.

Vertiefung • Sie können Ihren Schülerinnen und Schülern Bilder von Hybriden (s. Zusatzinformation, Lehrerband S. 448) zeigen und jeweils begründen lassen, dass trotz erfolgreicher Verpaarung die Elterntiere zwei verschiedenen Arten angehören. Im Anschluss bearbeiten die Schülerin­nen und Schüler die Aufgabe 3 im Schülerbuch S. 261.

• Lassen Sie Ihre Schülerinnen und Schüler das Zitat zum Artbegriff von Charles Darwin disku­tieren (s. Lehrerband S. 448).

Kompetenzerwerb Kompetenzbereich: Der Schwerpunkt liegt auf dem Erlangen von Fachwissen. Die Schülerinnen und Schüler erläutern den Artbegriff als Vorbereitung für die Behandlung weiterer evolutiver Prozesse, die zu einer Artbildung führen können. Basiskonzept: Variabilität und Angepasstheit

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NATURA_LB Qualifikationsphase_049334448 Illustrator: Prof. Jürgen Wirth, Dreieich

ArtenanzahlInsgesamt sind derzeit ungefähr 1,8 bis 2 Millionen Arten beschrieben.

Zusatzinformation

1 Anzahlen bekannter Arten

Insekten1 000 000 sonstige Tiere

370 000

Protisten40 000 höhere Pflanzen

270 000Algen27 000

Pilze90 000

Prokaryoten5000

Viren3600

Darwins Position zum ArtbegriffDarwin (1809 — 1882) schrieb 1859: “No one definition has yet satisfied all naturalists; yet every naturalist knows vaguely what he means when he speaks of a species.” („Keine Definition hat bisher alle Naturwissenschaftler zufrieden gestellt, aber trotzdem weiß jeder Naturwissen­schaftler ungefähr was er meint, wenn er von einer Art spricht.“)

HybrideNeben Maultier und Maulesel, sind z. B. die folgenden weiteren Hybride bekannt: • Zebrapferdchen: Pferdestute/Zebrahengst • Pfebra: Ponyvhengst/Zebrastute, • Liger: männlicher Löwe/weiblicher Tiger• Töwe: männlicher Tiger/weiblicher Löwe• Schiege: weibliches Schaf/männliche Ziege• Pizzly: Braunbär (Grizzly)/Eisbär• Teichfrosch: Seefrosch/kleiner Wasserfrosch,

Besonderheit: Teichfrösche können sich fort­pflanzen.

Unfruchtbarkeit von Hybriden am Beispiel von Maultier und MauleselDa das Pferd 2n = 64 Chromosomen besitzt, der Esel aber nur 2n = 62, führt dies in den Keim­zellen zu n = 32 bzw. n = 31 Chromosomen und so bei den Nachkommen zu 2n = 63 Chromoso­men. Bei einer ungeraden Chromosomenanzahl kann die Meiose keine befruchtungsfähigen Keimzellen bilden. Außerdem befinden sich homologe DNA­Abschnitte auf unterschiedlichen Chromosomen. Dadurch wird eine Bildung und Aufteilung von gepaarten Doppelchromosomen (Chromatid­Tetraden) in der Prophase 1 der Meiose unmöglich.

Anmerkungen zum ArtbegriffDer morphologische Artbegriff orientiert sich an Gemeinsamkeiten und kann auch in der Botanik, bei sich asexuell vermehrenden Organismen und in der Paläontologie angewendet werden. Der biologische Artbegriff dagegen lässt sich nicht bei Fossilien oder sich asexuell fortpflanzenden Organismen anwenden und betont, was Arten trennt. Der ökologische Artbegriff bezeichnet eine Gruppe von Individuen mit derselben öko­

logischen Nische und denselben im Laufe der Stammesgeschichte erworbenen Eigenschaf ­ ten als eine Art. Der phylogenetische Artbegriff basiert darauf, dass es sich bei einer Art die kleinste Individuengruppe mit einem gemein­samen Vorfahren handelt, die eine einzelne Zweigspitze am phylogenetischen Stammbaum bildet, und sich somit über ein bestimmtes einzigartiges Merkmal auszeichnet.

auch nicht. Unter Laborbedingungen kann diese Barriere aufgehoben werden, sodass fruchtbare Nachkommen entstehen könnten. Trotzdem darf man an dieser Stelle nicht davon ausgehen, dass es sich bei den beiden Individuen um Angehörige derselben Art handelt.

Lösungen

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Eine Art oder zwei Arten?

Nicht immer kann einfach geklärt werden, ob zwei ähnliche Individuen zu einer Art gehören oder zu zwei nahe verwandten Arten.

Beispiel 1Gelbbauchunken und Rotbauchunken werden fünf bis sechs Zentimeter groß und leben in ähnlichen Lebensräumen. Beide ernähren sich von Wasserinsekten und pflanzen sich im Wasser fort. Die Gelbbauchunke hat eine unscheinbar lehm-bis graubraun gefärbte Oberseite, aber die Bauchseite ist intensiv gelb gefärbt und mit schwarz-grauen Flecken durchsetzt. Die Rotbauchunke ist auf der Oberseite ebenfalls grau oder graubraun gefärbt, auf ihrer Unterseite weist sie eine dunkelgrau bis schwarze Färbung auf, die von orangeroten Flecken durchsetzt wird. Die Gelbbauchunke kommt in Mittel-und Südeuropa vor, die Rotbauchunke findet man in weiten Teilen Asiens, aber auch in Mitteleuropa. Im Überschneidungs-gebiet der Lebensräume kommt es zu Paarungen zwischen den beiden verschiedenen Unkenarten, aus denen aber nur unfruchtbare Nachkommen hervorgehen.

1 Verbreitungsgebiete von Gelbbauchunke und Rotbauchunke

Beispiel 2In einer wenig erforschten Gegend wurden jeweils mehrere Exemplare dieser zwei Krabben-Varianten gefunden.

2 Zwei Krabbenvarianten

Beispiel 3Die Mönchsgrasmücke ist ein kleiner ca. 15 cm langer und ca. 20 g schwerer Vogel. Ihre Färbung ist überwiegend grau mit einem etwas dunkleren Schwanz. Charakteristisch ist jedoch bei den Männchen eine schwarze und bei den Weibchen und Jungvögeln eine rotbraune Federkappe. Bis auf den hohen Norden ist sie in fast ganz Europa verbreitet. Die Mönchsgrasmücke ist ein Zugvogel und überwintert in Nordafrika und Südspanien. Seit den 1960er-Jahren gibt es jedoch eine neue Population, die auf den Britischen Inseln überwintert. 3 Überwinterungsgebiete der Mönchsgrasmücke

1 Wenden Sie jeweils den morphologischen und den biologischen Artbegriff auf die oben genannten Beispiele an und prüfen Sie, ob es sich nach der jeweiligen Definition bei den beschriebenen Populationen um eigenständige Arten handelt oder nicht.

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450 NATURA_LB Qualifikationsphase_049334

4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

ARBEITSBLATT Eine Art oder zwei Arten?Lösungen 1 Beispiel 1: Morphologischer Artbegriff: Da die Färbung mit gelben bzw. roten Flecken

recht unterschiedlich ist, würde man von zwei Arten ausgehen. Biologischer Artbegriff: Da die beiden Unken sich unter natürlichen Bedingungen kreu­zen, könnte man zunächst denken, dass sie nach dieser Definition zu einer Art gehören. Da sie aber nur unfruchtbare Nachkommen erzeugen, sind sie jedoch reproduktiv isoliert und gehören somit zu zwei verschiedenen Arten. Beispiel 2: Morphologischer Artbegriff: Aufgrund der unterschiedlichen Färbung würde man von zwei Arten ausgehen. Biologischer Artbegriff: Zur Fortpflanzung liegen keine Informationen vor. Man müsste also prüfen, ob sich die beiden Krabben­Varianten nicht nur im Experiment im Labor kreuzen lassen, sondern sich auch unter natürlichen Bedingungen fortpflanzen und ob die Nachkommen fruchtbar wären. (Falls sich die Krabben im Labor kreuzen lassen, sich aber unter natürlichen Bedingungen nicht miteinander fortpflanzen, ist die Artbildung noch nicht abgeschlossen.) Beispiel 3: Morphologischer Artbegriff: Da zwischen den Mönchsgrasmücken, die in Südspanien und Nordafrika überwintern und denen, die auf den Britischen Inseln über­wintern, keine körperlichen Unterschiede beschrieben werden, kann man von einer Art ausgehen. Biologischer Artbegriff: Auch hier liegen keine Informationen vor und man müsste prü­fen, ob sich die Mönchsgrasmücken unter natürlichen Bedingungen paaren und frucht­bare Nachkommen hervorbringen. Falls die beiden Populationen ungefähr gleichzeitig aus ihren Überwinterungsgebieten zurückkehren (Anmerkung: Die Population, die auf den Britischen Inseln überwintert, kehrt eher zurück) ist eine Paarung wahrscheinlich, ansonsten eher nicht. (Anmerkung: Es hat sich gezeigt, dass die beiden Arten reproduktiv isoliert sind, obwohl sie sich nicht im Verhalten unterscheiden (siehe Lösung 2). Aller­dings hat die auf die Britischen Inseln ziehende Population begonnen, sich in Schnabel­, Flügelform und Färbung von der Ausgangspopulation zu unterscheiden. Es bildet sich hier also eventuell eine neue Art heraus. Hybride zwischen den beiden Populationen wählen eine intermediäre Zugroute und fliegen auf den offenen Atlantik.)

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4 Evolution 451

4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

NATURA_LB Qualifikationsphase_049334

[zu SB S. 262/263]

1 Nennen Sie drei mögliche Ursachen für die unterschiedliche Entwicklung geografisch isolierter Teilpopulationen einer Art. individuelle Lösung, mögliche Ursachen sind z. B. die Entstehung unterschiedlicher neuer alleler Gene, unterschiedliche Selektionsbedin­gungen durch verschiedene klimatische Bedin­gungen, unterschiedliche Konkurrenten oder Feinde oder ein anderes Nahrungsangebot.

Lösungen

0 2 Beschreiben Sie die sympatrische Artbildung anhand von Abb. 4 Der Genfluss zwischen einer Teilpopulation und der Ursprungspopulation wird durch eine nicht geografische Fortpflanzungsbarriere verhin­dert. Die darauf folgende getrennte Entwick­lung der Genpools führt zu einer Zunahme der Unterschiede.

3 Erläutern Sie die Folgen von Polyploidisie­rung bei Pflanzen. Drei Doppelchromosomen können keine homo­logen Paare bilden. Dadurch ist die tetraploide Form von der diploiden isoliert.

$

.

Formen der Artbildung [SB S. 262/263]

So können Sie mit dem Thema arbeiten

Einstieg/Motivation LeitfrageWie kommt es zur Entstehung zweier ähnlicher Arten aus einer gemeinsamen Stammart?MethodenauswahlSie können den Schülerinnen und Schülern zunächst ein Bild eines Grünspechts und eines Grauspechts zeigen. Die Schülerinnen und Schüler vergleichen beide miteinander und stellen Vermutungen darüber auf, ob es sich um zwei Arten handelt. Hier erfolgt eine Wiederholung des Artbegriffs. Sie können dann die Zusatzinformation geben, dass beide Spechte Überschnei­dungen bezüglich ihres Verbreitungsgebietes aufweisen, sich aber fast nie paaren, man also von zwei Arten ausgehen kann. Zudem können Sie darauf hinweisen, dass beide von einer gemeinsamen Stammart abstammen. Die Schülerinnen und Schüler stellen Hypothesen über die Entstehung der beiden Arten auf.

Erarbeitung • Die Schülerinnen und Schüler erstellen ein Fließschema zur Entstehung der beiden Arten aus einer Stammart (allopatrische Artbildung). Dazu lesen sie den Text im Schülerbuch S. 262.

• Anschließend bearbeiten sie Aufgabe 1 im Schülerbuch S. 263.

Sicherung • Besprechen der Kausalketten• Besprechen der Aufgabe 1 im Schülerbuch S. 263.

Vertiefung • Zeigen Sie den Schülerinnen und Schülern Bilder verschiedener Samalanderarten, darunter auch solche, die allopatrisch entstanden sind. Lassen Sie sie Hypothesen bezüglich der Art­entstehung aufstellen. Vermutlich wird hier die allopatrische Artbildung angeführt. Weisen Sie die Schülerinnen und Schüler dann darauf hin, dass einige Salamanderarten allerdings im selben Gebiet vorkommen und auch dort entstanden sein müssen (s. Zusatzinformation, Lehrerband S. 452). Aus diesem scheinbaren Widerspruch zur vorher gelernten allopatrischen Artbildung ergibt sich die Motivation, diese weitere Artbildungsform zu verstehen.

• Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten die Aufgaben 2 und 3 im Schülerbuch S. 263. • Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten das Arbeitsblatt „Erdhörnchen am Grand Canyon“

(s. Lehrerband S. 453).• Abschließend können Sie die Schülerinnen und Schüler erklären lassen, dass es auch bei al­

lopatrischer Artbildung zu einem gemeinsamen Verbreitungsgebiet der beiden neu entstan­denen Arten kommen kann. Sie können hier ein nachträgliches Zusammentreffen der beiden neuen Arten von der sympatrischen Artentstehung abgrenzen und so beide Formen noch einmal gegenüberstellen. Dazu eignet sich Abb. 1 im Schülerbuch S. 262.

Kompetenzerwerb Kompetenzbereiche: Der Schwerpunkt liegt auf dem Erlangen von Fachwissen. Die Schülerin­nen und Schüler erläutern die allopatrische und die sympatrische Artbildung. Sie argumentie­ren dabei mithilfe genetischer Variabilität, Mutation, Rekombination, Isolation und Selektion.Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Kommunikation. Im Rahmen der Thematisierung der sympatrischen Artbildung erörtern die Schülerinnen und Schüler dabei komplexe biologische Fragestellungen, deren Lösungen strittig sind. Basiskonzept: Variabilität und Angepasstheit

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Verknüpfung mit anderen ThemenbereichenSie können bei der der allopatrischen und sym­patrischen Artbildung an verschiedenen Stellen den biologischen Artbegriff wiederholen und festigen.

Zusatzinformation

Praktische Tipps Beide Artbildungsprozesse spielen bei der adaptiven Radiation eine Rolle und können hier ggf. noch einmal angesprochen und wiederholt werden.

Grünspecht und GrauspechtDer Grünspecht kommt in Europa häufig vor und ist der dritthäufigste Specht in Deutschland nach dem Buntspecht und dem Schwarzspecht. Anders als diese beiden Arten sucht der Grün­specht seine Nahrung vor allem am Boden, wo er Jagd auf Ameisen macht, die er mit seiner lan­gen Zunge in unterirdischen Gängen erbeutet. Der Grauspecht ist in Deutschland deutlich seltener. Auch er ernährt sich von Ameisen und Insekten, die er am Boden und aus morschem Holz aufnimmt. Während der letzten Eiszeit (Würmeiszeit) wurden Populationen der Stammart der beiden Spechtarten geografisch durch die Gletscher­massen isoliert und es entstand eine westliche und eine östliche Teilpopulation. Das heutige Verbreitungsgebiet überschneidet sich wieder in weiten Teilen.

Allopatrische und sympatrische Artbildung bei SalamandernEs gibt zahlreiche Salamanderarten in Europa, weltweit sogar ca. 90. Vermutlich gehen diese Arten überwiegend auf allopatrische Artbil­dungsprozesse zurück, wie z. B. der Alpensala­mander, der Kaukasus­Salamander usw.

Der Feuersalamander ist in ganz Europa verbrei­tet, wobei man hier allerdings neun Unterarten unterscheidet. Diese sind überwiegend auch auf allopatrische Artbildungsprozesse zurückzufüh­ren. In Deutschland kommt die gebänderte und gefleckte Form des Feuersalamanders vor. In Südwestdeutschland, wo sich die Verbreitungs­gebiete überschneiden, werden auch Mischfor­men beobachtet.

Im Kottenforst, einem kleinen Waldgebiet bei Bonn, wurde 2007 von Wissenschaftlern der Universität Bielefeld ein sympatrischer Artbil­dungsprozess beim Feuersalamander beschrie­ben. Dies ist ein seltener Fall, da Artbildungspro­zesse in der Regel unter räumlicher Trennung ablaufen. Viele Wissenschaftler, so z. B. Ernst Mayr (1904 — 2005), hielten eine Artaufspaltung ohne räumliche Trennung und lange Isolation für unmöglich. Noch heute ist die sympatrische Form der Artbildung umstritten. Selbst bei einer Artbildung im gleichen Gebiet sollen demnach geografische Barrieren für die jeweiligen Indivi­duen existieren.

Die genetische Differenzierung der beiden Feuersalamanderformen im Kottenforst spiegelt dabei allerdings spezifische Fortpflanzungs­mechanismen wider: Während die sogenannte Tümpelform stehende Gewässer zur Eiablage nutzt, laicht die ursprüngliche Feuersalaman­derform in Fließgewässern. Eine geografische Barriere, welcher Form auch immer, wurde dagegen nicht beobachtet. Da man weiß, dass sich die Feuersalamander erst nach der letzten Eiszeit vor ca. 6000 Jahren im Kottenforst wieder angesiedelt haben, kann man davon ausgehen, dass sich der Artbildungsprozess noch in einem relativ frühen Stadium befindet und noch nicht abgeschlossen ist.

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Erdhörnchen am Grand Canyon

Zwei Erdhörnchenarten bewohnen die einander gegenüberliegenden Ränder des bis zu 1,8 Kilometer tiefen und ca. 450 Kilometer langen Grand Canyons im Norden des US-Bundesstaats Arizona. Der Grand Canyon entstand durch die enorme Erosionskraft des Colorado Rivers in Jahrmillionen. Die am Südrand lebende Erdhörnchenart, das Harris-Antilopenziesel, ist grau-braun gefärbt und besitzt einen weißlich gefärbten horizontalen Streifen auf beiden Körper-seiten, ihr Schwanz ist schwarz-grau. Sie ist etwas größer als die am Nordrand lebende Art, das Weißschwanz-Antilopenziesel. Dieses ist braun gefärbt und besitzt ebenfalls einen weißlich gefärbten horizontalen Streifen auf beiden Körperseiten. Es hat einen weißen Schwanz. Erdhörnchen bauen sich Gänge, in denen sie sich nachts verbergen. Tagsüber kommen sie hervor und suchen nach Samen, Früchten und Wurzeln, aber auch Insekten.

1 Harris-Antilopenziesel

2 Weißschwanz-Antilopenziesel

3 Zieselarten am Süd- und Nordrand des Grand Canyons

1 Erklären Sie das Zustandekommen der zwei verschiedenen Erdhörnchenarten.

2 Auf den verschiedenen Rändern des Grand Canyons leben außerdem viele Vogelarten, z. B. auch der Buntfalke. Stellen Sie eine begründete Vermutung auf, ob man auch unter ihnen unterschiedliche Arten erwarten kann.

3 „Beide Ziesel-Arten sind im Gebiet des Grand Canyons entstanden, es handelt sich also um sympatrische Artbildung.“ Nehmen Sie begründet Stellung zu dieser Aussage.

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4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

ARBEITSBLATT Erdhörnchen am Grand CanyonLösungen 1 Die beiden verschiedenen Erdhörnchenarten entstanden durch allopatrische Artbildung.

Früher gab es eine Erdhörnchenurart. Diese wurde durch die Talbildung des Colorado­Rivers in zwei Populationen getrennt (geografische Isolation). Durch die Trennung entstanden getrennte Genpools (Anmerkung: und eventuell auch durch Gendrift). Durch Mutation und Rekombination entstanden unterschiedliche Merkmale in den beiden Populationen. Weil in den Verbreitungsgebieten der getrennten Populationen außerdem un terschiedliche Umweltbedingungen herrschten (z. B. gibt es durch die unterschiedli­chen Waldtypen ein unterschiedliches Nahrungsangebot), stellten verschiedene Merkmale eine bessere Angepasstheit an die Umweltbedingungen dar. So entstanden durch na­türliche Selektion in den beiden Populationen unterschiedliche Merkmale. Die Genpools beider Populationen entwickelten sich stetig auseinander und mit zunehmender Dauer der Trennung nahmen die Unterschiede bei den beiden Erdhörnchenarten zu.

2 Die Vögel können die natürliche Barriere des Grand Canyons mühelos überwinden, sind folglich nicht geografisch isoliert und können sich untereinander fortpflanzen.

3 Es handelt sich trotz des scheinbar gleichen Gebiets um allopatrische Artbildung, da die beiden Teilpopulationen voneinander getrennt wurden und der Artbildungsprozess in zwei geografisch isolierten Gebieten stattgefunden hat.

Praktische Tipps Wichtige Aspekte bei der Erklärung von ArtbildungsprozessenAchten Sie auf die Fachsprache und Ausdrucksweise Ihrer Schülerinnen und Schüler. Dabei sind folgende Punkte wichtig:Achten Sie darauf, dass Ihre Schülerinnen und Schüler• von Angepasstheiten (und nicht von Anpassung) sprechen, sich also im Passiv ausdrücken;• nicht nur Mutation, sondern auch die Rekombination als wichtigen Evolutionsfaktor

nennen;• nicht nur pauschal davon sprechen, dass neue Angepasstheiten entstehen, sondern sich

überlegen, wieso bzw. aufgrund welches Selektionsfaktors (z. B. unterschiedlicher Lebens­raum, unterschiedliche Nahrung, unterschiedliche Feinde… ) diese neuen Angepasst­heiten einen Vorteil bedeuteten;

• keine finale Formulierungen mit „um zu“, „damit“ oder „muss“ verwenden. Beispiel:

Falsch Richtig

• Weil es am Nordrand des Grand Canyons kälter ist, müssen die Erdhörnchen längere Haare bekommen.

• Die Eichhörnchen bekommen längere Haare, damit sie besser vor Kälte ge­schützt sind.

• In den kalten nördlicheren Gebieten stellten zufällig ausgebildete längere Haare einen Se­lektionsvorteil dar, sodass diese Individuen eine bessere Überlebens­ und Fortpflanzungschance hatten. So bildete sich über viele Generationen ein dichteres Fell bei der am Nordrand lebenden Erdhörnchenart aus.

Zusatzaufgabe Anwenden des ArtbegriffsWenden Sie den morphologischen und den biologischen Artbegriff auf die Erdhörnchen an und beurteilen Sie, ob es sich nach der jeweiligen Definition bei den beschriebenen Populati­onen um Arten handelt oder nicht.

Lösung:1 Morphologischer Artbegriff: Ja oder Nein ist möglich. Je nachdem wie stark die unter­

schiedliche Färbung (Fell­ und Schwanzfarbe) gewichtet wird. Biologischer Artbegriff: Nein, die Erdhörnchen bilden keine gemeinsame Art, weil sich die Arten unter natürlichen Bedingungen nicht fortpflanzen können, weil sie sich normaler­weise nicht treffen.

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4 Evolution 455

4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

NATURA_LB Qualifikationsphase_049334

[zu SB S. 264]

1 Ordnen Sie das Maultier und die Befruchtung der Seeigel­Eizelle dem jeweiligen Isolations­mechanismus zu. Maultier: Hierbei handelt es sich um den postzygoten Isolationsmechanismus, dass Hybride unfruchtbar sind. Zwar entstehen aus Eselhengst und Pferdestute lebensfähige Nachkommen, diese können sich jedoch nicht weiter fortpflanzen. Befruchtung einer Seeigel­Eizelle: Proteine auf der Membranoberfläche sind arttypisch, sodass eine Verschmelzung von Spermium und Eizelle nur innerartlich nach dem Schlüssel­Schloss­Prinzip erfolgen kann. Es handelt sich hierbei um den präzygoten Isolationsmecha­nismen der gametischen Isolation.

Lösungen

0 2 Bei vielen Arten hat sich ein präzygoter Iso­lationsmechanismus ausgebildet, nachdem bereits ein postzygoter bestand. Erklären Sie den positiven Einfluss dieser Tatsache auf die reproduktive Fitness. Durch die präzygote Isolierung werden nicht zielführende Begattungen vermieden. Diese könnten bei entsprechender Häufigkeit die reproduktive Fitness von Individuen ohne präzygote Isolation senken.

.

Isolationsmechanismen [SB S. 264]

Material: Artbildung und Hybride [SB S. 265]

So können Sie mit dem Thema arbeiten

Einstieg/Motivation Leitfragen• Wie kommt es zur Unterbrechung des Genflusses zwischen Teilpopulationen?• Welche Fortpflanzungsbarrieren kommen zwischen Individuen zweier Arten vor?Methodenauswahl• Sie können den Schülerinnen und Schülern zunächst Bilder verschiedener Hybride (z. B. Liger,

Maultier, Töwe usw.) sowie von Zilpzalp und Fitis zeigen. Die Schülerinnen und Schüler sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede bezüglich der aus diesen Beispielen bereits bekannten Isolationsmechanismen nennen.

• Mit gleicher Aufgabenstellung ist auch ein Rückgriff auf die beiden Beispiele Salamander und Spechte ist hier möglich.

Erarbeitung • Die Begriffe „präzygote Isolationsmechanismen“ und „postzygote Isolationsmechanismen“ werden definiert.

• Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten das Arbeitsblatt „Isolationsmechanismen“ (s. Lehrerband, S. 457) lesen dazu im Schülerbuch S. 264.

• Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten die Aufgaben 1 und 2 im Schülerbuch S. 264.

Sicherung Besprechen der Beispiele des Arbeitsblatts „Isolationsmechanismen“ (s. Lehrerband S. 457) sowie der Aufgaben 1 und 2 im Schülerbuch S. 264.

Vertiefung • Stellen Sie Ihren Schülerinnen und Schülern das Phänomen der Fruchtfliegen­Hybride kurz vor (s. Schülerbuch S. 265).

• Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten die Aufgaben 1 bis 4 im Schülerbuch S. 265. • Bei der Sicherung sollte Wert darauf gelegt werden, dass das Beispiel keine Fehlvorstellung

über Artbildung fördert (s. Praktische Tipps, Lehrerband S. 456).

Kompetenzerwerb Kompetenzbereiche: Der Schwerpunkt liegt auf dem Erlangen von Fachwissen. Die Schülerin­nen und Schüler erläutern verschiedene Isolationsmechanismen und ihre Bedeutung für die Artbildung. Im Rahmen der Arbeit mit dem Material (Schülerbuch S. 265) liegt ein weiterer Schwerpunkt auf der Erkenntnisgewinnung. Die Schülerinnen und Schüler beschreiben, analy­sieren und deuten Tabellen und analysieren wissenschaftliche Texte. Basiskonzept: Variabilität und Angepasstheit

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Vermeidung von FehlvorstellungenViele Schülerinnen und Schüler stellen sich Artbildung intuitiv immer als Hybridisierung vor: Zwei bekannte Arten kreuzen sich, daraus entsteht eine neue Art. Ein Anliegen des Evolu­tionsunterrichtes ist es jedoch, diese intuitiven Vorstellungen durch wissenschaftlich haltbare zu ersetzen.

Zusatzinformation

Praktische Tipps Während der hier angesprochene Mechanis­mus z. T. bei Pflanzen und auch in dem hier dargestellten Beispiel zutreffend ist, so ist er insbesondere bei höher entwickelten Tieren überwiegend nicht haltbar. Es ist sinnvoll, dies noch einmal direkt zu thematisieren, damit die Schülerinnen und Schüler sich durch dieses Bei­spiel nicht in ihren ursprünglichen Vorstellungen der Artbildung generell bestätigt sehen.

Entstehung der Heckenkirschen-FruchtfliegeDie Heckenkirschen­Fruchtfliege wurde erst kurz nach der Jahrtausendwende von amerikanischen Wissenschaftlern entdeckt. Von Vorteil war hier, dass die Genome der bekannten Fruchtfliegen­arten vollständig bekannt waren und daher ein Vergleich mit der neuen Art möglich war. Es gilt heute als bestätigt, dass die Heckenkir­schen­Fruchtfliege aus den beiden Elternarten Schneebeer­Fruchtfliege und Blaubeer­Frucht­fliege entstanden ist. Fruchtfliegen sind norma­lerweise wirtsspezifisch, die Arten paaren sich daher nicht untereinander, weil die Paarung auf dem Wirt erfolgt. Ein neuer Wirt und ein damit einhergehender Wirtswechsel einiger Individuen beider Elternarten ermöglichte nun allerdings das Aufeinandertreffen zweier zuvor getrennter Arten.

Es ist denkbar, dass die Hybridisierung bei Insekten, insbesondere bei wirtsspezifischen Insekten, deutlich häufiger abläuft als bisher angenommen. Da sich die Individuen der ver­schiedenen Arten sehr ähnlich sehen, bleiben solchen Prozesse möglicherweise aber weitge­hend unbemerkt.

Lösungen [zu SB S. 265]

1 Erklären Sie, welche Form der Artbildung auf die Elternarten des vorliegenden Beispiels angewandt werden kann. Bei der Blaubeer­ und Schneebeer­Fruchtfliege handelt es sich um sympatrische Artbildung. Beide Arten kommen in gleichen Gebieten vor, sodass keine geografische Isolation vorliegt. Beide bevorzugen jedoch unterschiedliche Früchte für ihre Eiablage.

2 Ordnen Sie mithilfe der Tabelle die Frucht­fliegen­Art, die an Heckenkirschen entdeckt wurde, ein. Die neue Fruchtfliegen­Art lässt sich keiner der drei dargestellten Fruchtfliegen­Arten zuord­nen. Sie zeigt eine neue, einzigartige Mischung der getesteten Allele. Jedoch weisen die Allele der neuen Fliegen­Art darauf hin, dass es sich hierbei um eine Vermischung von Blaubeer­Fruchtfliege und Schneebeer­Fruchtfliege handelt.

0

0

3 Erklären Sie, warum Hybride meist kaum konkurrenzfähig sind. Hybride müssen ausreichend fit sein und sich relativ schnell von der Elternpopulation iso­lieren können. Sie gelten als weniger optimal angepasst. Daher gehen sie oftmals im Selek­tionswettbewerb unter und werden aussortiert. Besonders vorteilhafte Allele der Eltern können durch Rückkreuzungen mit der viel größeren El­ternpopulation schnell wieder verloren gehen.

4 Stellen Sie eine begründete Hypothese auf, unter welchen Bedingungen aus Hybriden eine eigenständige Art entstehen kann. Damit aus Hybriden eine eigenständige Art entstehen kann, muss es die Möglichkeit einer schnellen Isolation von der Elternpopulation geben. Im vorgegebenen Beispiel ist dies auf­grund des Imports der Tartaren­Heckenkirsche möglich. Es darf also weder zu einer Konkur­renzsituation noch zu Kontakt zwischen Hybrid und Elternpopulation kommen.

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© Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2019 | www.klett.de | Alle Rechte vorbehalten. Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. Die Kopiergebühren sind abgegolten.

llustratorin: Ingrid Schobel, Hannover

Isolationsmechanismen

Als „Isolationsmechanismus“ bezeichnet man jeden Mechanismus, der die Geburt fruchtbarer Nachkommen zwischen zwei Individuen verschiedener Arten verhindert und somit die Genpooltrennung aufrechterhält. Dabei unterscheidet man zwischen präzygotischen Isolationsmechanismen, die vor einer potenziellen Befruchtung einer Eizelle bzw. der Bildung einer Zygote, wirksam sind und postzygotischen Isolationsmechanismen, die erst danach wirken.

Beispiele:

Zwei Strauchschneckenarten der Gattung Bradybaena können sich nicht paaren, da ihre Gehäuse in entgegengesetzte Richtungen gewunden sind. Dadurch lassen sich die Genitalöffnungen nicht zur Deckung bringen.

Liger entstehen bei der Paarung von männlichen Löwen mit weiblichen Tigern, was jedoch aufgrund der unterschiedlichen natürlichen Habitate nur in Zoos oder Zirkussen geschieht. Männliche Liger sind steril, die weiblichen Liger können sich jedoch mit Löwen und Tigern fortpflanzen.

Obwohl sich die in Nordamerika liegenden Verbreitungsgebiete des Östlichen und des Westlichen Fleckenskunks überschneiden, findet zwischen ihnen keine Paarung statt. Der östliche Fleckenskunk paart sich nämlich im späten Winter, der Westliche dagegen im späten Sommer.

Die Hybriden, die aus der Kreuzung von Trauerschnäpper und Halsbandschnäpper entstehen, sind normal lebensfähig und fruchtbar. Die Töchter dieser Hybriden sind jedoch steril.

Die Männchen verschiedener Singzikadenarten erzeugen jeweils artspezifische Gesänge, mit denen sie Weibchen anlocken. Diese Unterschiede im Gesang lassen sich anhand von Oszillogrammen und Sonagrammen erkennen.

Die Frosch-Unterfamilien Mantelinae (Goldfröschchen, ausschließlich Madagaskar) und Rhacophorinae (Ruderfrösche, Indien/Südostasien) entwickelten sich aus einer Ursprungsart, nachdem sich das heutige Madagaskar von der indischen Landmasse gelöst hatte.

Bei einigen Unterarten der Salamandergattung Ensatina, die in denselben Gebieten leben, kommt es gelegentlich zur Hybridisierung. Die meisten Hybriden schließen ihre Entwicklung jedoch nicht ab. Individuen mit vollständiger Entwicklung weisen eine geringe körperliche Leistungsfähigkeit auf.

Seeigel entlassen ihre Spermien und Eizellen ins Wasser, wo nach der Befruchtung Zygoten daraus entstehen. Dies ist aber nur bei Keimzellen von der gleichen Art möglich, da nur dann die Proteine auf der Oberfläche der Eizellen an die der Spermien binden können. Bei unterschiedlichen Arten, wie z. B. dem Roten Seeigel und dem Purpur-Seeigel, klappt dies nicht.

1 Geben Sie für die oben vorgegebenen Beispiele an, welche der Ihnen bekannten Fortpflanzungsbarrieren jeweils vorliegt. Ordnen Sie die Beispiele nach prä- und postzygoten Isolationsmechanismen.

1 Isolationsmechanismen

Illustratorin: Ingrid Schobel, Hannover

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4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

ARBEITSBLATT IsolationsmechanismenLösung 1 Präzygote Isolationsmechanismen:

Morphologische Isolation (auch mechanische Isolation): Zwei Strauchschneckenarten der Gattung Bradybaena können sich nicht paaren, da ihre Gehäuse in entgegengesetzte Richtungen gewunden sind. Dadurch lassen sich die Geni­talöffnungen nicht zur Deckung bringen. Zeitliche Isolation: Obwohl sich die in Nordamerika liegenden Verbreitungsgebiete des Östlichen und des Westlichen Fleckenskunks überschneiden, findet zwischen Ihnen keine Paarung statt. Der Östliche Fleckenskunk paart sich nämlich im Spätwinter, der Westliche dagegen im Spätsommer. Verhaltensisolation: Die Männchen verschiedener Singzikadenarten erzeugen jeweils artspezifische Gesänge, um Weibchen anzulocken. Diese Unterschiede im Gesang lassen sich anhand von Oszillo­grammen und Sonagrammen erkennen. Geografische Isolation: Die Frosch­Unterfamilien Mantelinae (Goldfröschchen, aus­schließlich Madagaskar) und Rhacophorinae (Ruderfrösche, Indien/Südostasien) entwi­ckelten sich aus einem gemeinsamen Vorfahren, nachdem sich das heutige Madagaskar von der indischen Landmasse löste. Gametische Isolation: Seeigel entlassen ihre Spermien und Eizellen ins umgebende Wasser, wo sie miteinander verschmelzen und Zygoten bilden. Dies funktioniert aber nur bei Keimzellen der gleichen Art, da nur dann die Proteine auf der Oberfläche der Eizellen an die der Spermien binden können. Bei unterschiedlichen Arten, wie z. B. dem Roten Seeigel und dem Purpur­See­igel, klappt dies nicht. Postzygote Isolationsmechanismen: Hybride unfruchtbar: Liger entstehen bei der Paarung von männlichen Löwen mit weibli­chen Tigern, was jedoch aufgrund der unterschiedlichen natürlichen Habitate, nur in Zoos oder Zirkussen geschieht. Männliche Liger sind steril, die weiblichen Liger können sich jedoch mit Löwen und Tigern fortpflanzen. Hybride mit geringer reproduktiver Fitness: Die Hybriden, die entstehen, wenn sich Trau­erschnäpper und Halsbandschnäpper kreuzen, sind normal lebensfähig und fruchtbar. Die Töchter dieser Hybriden sind jedoch steril. Hybridsterblichkeit: Bei einigen Unterarten der Salamandergattung Ensatina, die in den­selben Gebieten leben, kommt es gelegentlich zur Hybridisierung. Die meisten Hybriden schließen ihre Entwicklung jedoch nicht ab, und diejenigen, die es tun, sind schwächlich.

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4 Evolution 459

4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

NATURA_LB Qualifikationsphase_049334

[zu SB S. 266/267

1 Erstellen Sie zum Ablauf der adaptiven Ra di­ation der Buntbarsche ein Verlaufsschema. Vermehrung einer Ursprungsform → inner­artliche Konkurrenz → erhöhte reproduktive Fitness von Phänotypen mit abweichenden Eigenschaften → Entstehung von Isolations­mechanismen → getrennte Weiterentwicklung der Genpools mit Zunahme der Unterschiede zur Ursprungsform

2 Erläutern Sie die Bedeutung der intensiven Färbung der in Abb. 1 gezeigten Fischarten. Die deutlichen Farbunterschiede stellen eine wirksame Isolation durch die sexuelle Selektion dar.

Lösungen

0

0

3 Leiten Sie aus Abb. 3 Aussagen dazu ab, wie bei den Darwinfinken­Arten Konkurrenz vermieden wird. Die Unterschiede in Schnabelform, bevorzugter Nahrung und Lebensraum tragen zur Konkur­renzvermeidung bei.

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Adaptive Radiation [SB S. 266/267]

So können Sie mit dem Thema arbeiten

Einstieg/Motivation LeitfrageWie kommt es zur Entstehung einer beträchtlichen Artenvielfalt in einem begrenzten Gebiet?MethodenauswahlZeigen Sie Ihren Schülerinnen und Schülern Bilder von einigen Buntbarscharten im Viktoriasee, z. B. Abb. 1 oder 2 im Schülerbuch auf S. 266, und lassen Sie sie die phänotypischen Unterschie­de beschreiben.

Erarbeitung • Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten mithilfe des Textes im Schülerbuch S. 266/267 die Aufgaben 1 und 2 auf S. 267.

• Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten das Arbeitsblatt „Mysterium Galapagos“ (s. Lehrer­band S. 461).

Sicherung • Besprechung der Lösungen zu den Aufgaben 1 bis 3 aus dem Schülerbuch S. 267.• Vorstellung der Ergebnisse zum Arbeitsblatt „Mysterium Galapagos“ (s. Lehrerband S. 461).

Vertiefung • Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten die Aufgabe 3 im Schülerbuch auf S. 267.• Sprechen Sie mit Ihren Schülerinnen und Schülern über weitere Beispiele zur adaptiven

Radiation (s. Zusatzinformation „Beispiele für adaptive Radiation“, Lehrerband S. 460.)• Thematisieren Sie im Kontext der adaptiven Radiation die Entstehung und das Vorkommen

endemischer Arten (s. Zusatzinformation, Lehrerband S. 460). Lassen Sie Ihre Schülerinnen und Schüler erklären, weshalb in manchen Gegenden der Welt keine, in anderen aber fast ausschließlich endemische Arten vorkommen.

Kompetenzerwerb Kompetenzbereich: Der Schwerpunkt liegt auf dem Erlangen von Fachwissen. Die Schülerinnen und Schüler erläutern die adaptive Radiation. Dabei nehmen sie Bezug auf Artbildungsprozesse. Basiskonzept: Variabilität und Angepasstheit

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GründereffektDer Gründereffekt beschreibt eine Gendrift, die auf die Besiedlung eines neuen Lebensraums durch eine kleine Anzahl von Individuen zurück­zuführen ist, die sich von einer großen Ausgangs­population abgespalten haben. Der Genpool der Gründerpopulation ist im Vergleich zu dem der Ausgangspopulation deutlich reduziert.Der Gründereffekt wird ausführlich auf den S. 268/269 im Schülerbuch thematisiert.

Endemische ArtenAls endemische Art oder Endemit wird eine Art bezeichnet, die weltweit nur in einem begrenz­ten Verbreitungsgebiet vorkommt. Das kann z. B. eine Insel, ein Gebirge, ein See, ein Flusssystem oder eine begrenzte Region sein.

Die adaptive Radiation führt in der Regel zur Ent­stehung solcher Endemiten, es sind jedoch auch andere Mechanismen möglich, z. B. eine einfache allolpatrische Artbildung. Es gibt keine Festle­gung über die Größe des Verbreitungsgebietes, das die Begriffsverwendung „Endemit” erlaubt. Meistens spricht man nur bei kleinen Gebieten von Endemiten, selbst hier gibt es aber Abstu­fungen: So sind z. B. die Lemuren auf Madagas­kar endemisch. Eine einzelne Lemurenart kann aber sogar in einem Waldstück von nur wenigen Quadratkilometern endemisch sein, wenn sie ausschließlich dort vorkommt.

Beispiele für adaptive Radiation• Darwinfinken auf den Galapagosinseln• Kleidervögel auf Hawaii• Silberschwertarten auf Hawaii• Fruchtfliegen auf Hawaii• Buntbarsche im Tanganjika­See und Malawi­

See• Hahnenfuß in Neuseeland• Aeonium­Arten auf den kanarischen Inseln• Beutelsäugetiere in Australien• Eidechsen der Gattung Anolis auf den Inseln

der großen Antillen• Lemuren auf Madagaskar• Riesenkrabbenspinnen im Himalaya• Kegelschnecken• Radiation der Säugetiere nach dem Aus­

sterben der Dinosaurier

Zusatzinformation

• Zusätzliches ARBEITSBLATT „Mysterium Galapagos (2), Mysterium Galapagos (3)“ Kapitel 4: Evolution; 4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolutionstheorie

Daten auf DVD &

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461© Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2019 | www.klett.de | Alle Rechte vor-behalten. Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. Die Kopiergebühren sind abgegolten.

© Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2018 | www.klett.de | Alle Rechte vorbehalten. Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. Die Kopiergebühren sind abgegolten.

Mysterium Galapagos

Als Charles Darwin im Jahre 1835 auf den Galapagos-Inseln ankam, fiel ihm die außergewöhnliche Vielzahl finkenähnlicher Kleinvögel auf. Diese waren sich, trotz einiger Unterschiede in Bezug auf Körper- und Flügel-form, sehr ähnlich. Darwin beschäftigte die Frage, wie es auf den isolierten Galapagos-Inseln zu so einer Vielfalt kommen konnte.

Methodenportrait Mystery

1 Suchen Sie die markierte Leitfrage und lesen Sie sich anschließend in der Gruppe die Mystery-Karten durch. Achten Sie darauf, dass alle aus der Gruppe die Karten sehen können und klären Sie Verständnisfragen untereinander.

2 Sortieren Sie die Karten sinnvoll. Das Mystery beinhaltet Karten, die wichtige Informationen zur Klärung der Leitfrage liefern und Karten, die lediglich Nebeninformationen liefern. Um die Leitfrage zu beant-worten, müssen Sie den Sachverhalt aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Formulieren Sie am Ende der Arbeitsphase mögliche Antworten auf die Leitfrage und notieren Sie diese.

Wie haben sich auf den Galapagos-Inseln so viele Finkenarten entwickelt?

Auf manchen Inseln gibt es nur dort vorkommende Arten. Solche Arten nennt man auch endemische Arten.

Die Galapagos-Inseln liegen etwa 1000 km vor der Westküste Südamerikas und damit

relativ weit vom Festland entfernt.

Die Galapagos-Inseln sind vulkanischen Ursprungs. Sie waren bei ihrer Entstehung

wüst und leer.

Eine Besiedlung von vulkanischen Inseln kann nur durch Arten erfolgen, die es zufällig durch Wind und Meeresströmungen dorthin

verschlagen hat.

Die Galapagos-Inselgruppe besteht aus 13 Inseln mit einer Fläche von mehr als 10 km2

und über 100 kleineren bis winzigen Inseln.

Die Galapagos-Inseln liegen sehr nah beieinander.

Auf den Galapagos-Inseln ist es häufig sehr windig.

Die abiotischen und biotischen Umweltfaktoren unterscheiden sich auf den

Inseln des Archipels.

Ökosysteme unterscheiden sich in der Verfügbarkeit von Nahrungsangeboten.

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8. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

ARBEITSBLATT Mysterium GalapagosLösungen 1 individuelle Lösung

(Hinweis: Der Begriff der adaptiven Radiation taucht nicht im Mystery auf. Diese Infor­mationskarte würde den Schülerinnen und Schülern zu viel vorweg nehmen. Daher muss die Definition des beobachteten Vorgangs im Anschluss an die Gruppenarbeitsphase gemeinsam mit der Lehrkraft erfolgen.)

2 Die von Charles Darwin beobachtete ungewöhnlich hohe Anzahl von Finken­Arten lässt sich mit dem Vorgang der adaptiven Radiation erklären. Die auf den Galapagos­Inseln gelandete Stammart hat sich im Laufe der Zeit in neue Finkenarten aufgespalten. Aufgrund der großen Entfernung vom Festland und des vulkanischen Ursprungs erfolgte eine Besiedlung nur durch Arten, die zufällig  durch Wind oder Meeresströmungen auf die Galapagos­Insel getrieben wurden. Durch eine starke Vermehrung der ersten Finken kam es nach und nach zu intraspezifischer und später zu interspezifischer Konkurrenz. Unterschiede in den Schnabelformen (aufgrund von Rekombination und Mutation) führten dazu, dass Träger des Merkmals in unterschiedlichen Bereichen einer Insel Futter fanden, sich dort aufhielten und mit ähnlichen Finken fortpflanzten. Im Laufe der Zeit bildeten so einzelne Populationen verschiedene ökologische Nischen mit neuen Ange­passtheiten. Manchmal gelangten Finken auf Nachbarinseln, wo sie eine eigene evolutive Entwicklung durchgemacht haben. Im Laufe der Zeit haben sich die einzelnen Finkenpo­pulationen so weit auseinanderentwickelt, dass neue Arten entstanden sind.

Praktische Tipps Material für das MysteryFür die Durchführung des Mysterys benötigen die Schülerinnen und Schüler neben dem Arbeitsblatt auch die beiden zusätzlichen Seiten von der DVD (s. Daten auf DVD S. 460). Die Mystery­Karten auf den drei Arbeitsblättern müssen im Vorfeld ausgeschnitten werden. Diese Aufgaben können die Schülerinnen und Schüler vor der Durchführung des Mysterys übernehmen. Um Zeit einzusparen, können Sie die Karten im Vorfeld laminieren, ausschnei­den und in Briefumschläge legen.

Arbeiten mit MysterysDie Arbeit mit Mystery­Karten kann dazu beitragen, dass die Schülerinnen und Schüler Infor­mationen zu einem Thema nicht nur sammeln, sondern auch deren Relevanz im Bezug auf die Leitfrage berücksichtigen. Sie können üben, durch das Ordnen der vielseitigen Informati­onen zu einer Lösung der Fragestellung zu gelangen.Die kooperative und selbstbestimmte Erarbeitung wirkt sich motivierend auf die Schülerin­nen und Schüler aus.

In einem weiteren Schritt kann dieses Vorgehen vertieft werden, wenn die Schülerinnen und Schüler selbst ein Mystery zu einem Thema erstellen und andere Gruppen dieses durchfüh­ren und evaluieren.

Für die Präsentation der Ergebnisse bietet es sich an, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Lösungsvorschläge auf Folien oder Plakaten notieren. Wenn die Mystery­Karten zusätzlich in vergrößerter Form zur Verfügung stehen, können die einzelnen Gruppen ihren Lösungsweg transparent gestalten, indem sie die für sie wichtig erscheinenden Mystery­Karten mit Mag­neten an der Tafel präsentieren. Alternativ können die Mystery­Karten auch auf Folie kopiert werden, um sie anschließend auf dem Tageslichtprojektor zu präsentieren.

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4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

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[zu SB S. 268]

1 Vergleichen Sie die Häufigkeiten der allelen Gene der Modellpopulation in Abb. 1 in der Ursprungspopulation und in der Teilpopula­tion A. Geben Sie an, welche Phänotypen in den Teilpopulationen und deren Nachkom­men auftreten können. Die Häufigkeiten von rot und gelb sind ver­gleichbar, grün kommt in der Teilpopulation häufiger vor, blau gar nicht. Bis auf Indivi­duen mit „blau“ sind alle Kombinationen der Ursprungspopulation möglich.

Lösungen

0 2 Erläutern Sie die Folgen der Trennung von Teilpopulationen durch die Anlage neuer Verkehrswege und Siedlungen. Dadurch können kleine Populationen ent­stehen, die durch Zufälle oder geringere Variabilität mit größerer Wahrscheinlichkeit aussterben.

[zu SB S. 269]

1 Vergleichen Sie die Ergebnisse aus dem Ver­such untereinander und mit der Häufigkeit der aallelen Gene der Ausgangspopulation. individuelle Lösung

2 Erläutern Sie unter Einbeziehung Ihrer Ver­suchsergebnisse die Unterschiede zwischen der Festlands­ und der Felsenpopulation der Ruineneidechsen. Der Genpool der Felsenpopulation hatte bei der Trennung des Genpools von der der Festlandpopulation zufällig einen hohen Anteil der allelen Gene für die Blau­schwarz­Färbung.

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Gendrift [SB S. 268]

Praktikum: Simulationsexperiment zur Gendrift [SB S. 269]

So können Sie mit dem Thema arbeiten

Einstieg/Motivation Leitfrage Wie beeinflussen Zufallsereignisse den Genpool einer Population?Methodenauswahl• Stellen Sie Ihren Schülerinnen und Schülern das Beispiel der Ruineneidechsen vor (s. Schü­

lerbuch S. 269) und lassen Sie Ihre Schülerinnen und Schüler Hypothesen aufstellen, wie es zur Verbreitung der blauen Ruineneidechsen auf den Felsen kam. (Mögliche Hypothesen: Die blauen Eidechsen sind besser an die Umweltbedingungen angepasst; die blaue Färbung ist durch eine Mutation entstanden; die blaue Färbung bringt keine Nachteile mit sich, weil es auf den Felsen keine Fressfeinde gibt; …)

• Nutzen Sie die Abbildung 1 im Schülerbuch S. 268, um mit Ihren Schülerinnen und Schülern darüber zu diskutieren, wie sich die Abwanderung einiger Individuen auf die gesamte bzw. die neue Population auswirkt (s. auch Aufgabe 1 im Schülerbuch S. 268).

Erarbeitung • Die Schülerinnen und Schüler lesen S. 268 im Schülerbuch und bearbeiten die Aufgabe 1.• Die Schülerinnen und Schüler führen die Simulation „Der Gründereffekt im Modell“ (s. Schü­

lerbuch S. 269) durch und bearbeiten die Aufgaben 1 bis 3.

Sicherung • Besprechung der Lösung zu der Aufgabe 1 im Schülerbuch S. 268 und zu den Aufgaben 1 bis 3 im Schülerbuch S. 269.

• Definition der Fachbegriffe „Gendrift“ und „Gründereffekt“.

Vertiefung • Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten die Aufgabe 2 im Schülerbuch S. 268 sowie die Aufgaben 4 und 5 im Schülerbuch S. 269.

• Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten das Arbeitsblatt „Pingelap — Die Insel der Far­benblinden“ (s. Lehrerband S. 465 und Praktische Tipps „Zur Arbeit mit dem Arbeitsblatt“, s. Lehrerband S. 466 und Besprechung der Lösungen).

Kompetenzerwerb Kompetenzbereich: Der Schwerpunkt liegt auf dem Erlangen von Fachwissen. Die Schülerin­nen und Schüler erläutern die Gendrift als Evolutionsfaktor. Sie unterscheiden dabei zwischen Gründereffekt und Flaschenhals­Effekt. Basiskonzept: Variabilität und Angepasstheit

Farbe Häufigkeit der allelen Gene im Ursprungs-genpool

Häufigkeit der allelen Gene im Genpool A

rot 0,36 0,33

gelb 0,50 0,50

grün 0,07 0,17

blau 0,07 0,00

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Weitere Ursachen für einen FlaschenhalseffektMit dem Begriff „Flaschenhalseffekt“ wird eine Situation bezeichnet, bei der die Größe einer Population durch Katastrophen wie zum Beispiel Erdbeben, Überschwemmungen, Feuer oder Unwetter drastisch reduziert und die Opfer nicht selektiv bzw. zufällig vernichtet werden. Dies hat zur Folge, dass die kleine überlebende Population in ihrer genetischen Ausstattung wahrscheinlich nicht die ursprüngliche Situation repräsentiert. Durch Zufall werden bestimmte allele Gene unter den Überlebenden überreprä­sentiert sein, andere dagegen unterrepräsen­tiert. Manche allele Gene gehen vielleicht sogar gänzlich verloren.

Gendrift und natürliche Selektion im VergleichAls „Gendrift“ bezeichnet man sprunghafte Ver­änderungen im Genpool einer (kleinen) Popula­tion aufgrund des Zufalls. Im Gegensatz zur natürlichen Selektion kann nur Glück dazu füh­ren, dass eine zufällige Gendrift die Angepasst­heit einer Population an ihre Umwelt erhöht.

Zusatzinformation

Da die Schülerinnen und Schüler bisher in erster Linie Veränderungen des Genpools kennen­gelernt haben, die auf natürlicher Selektion beruhen, werden sie vermutlich zu beiden Beispielen Hypothesen aufstellen, die einen Selektionsvorteil der Eigenschaft in den Fokus

stellt. Ein Selektionsvorteil ist jedoch weder bei der blauen Färbung der Eidechsen noch bei der Achromatopsie bekannt. Dies sollte am Ende der Erarbeitung noch einmal deutlich hervorge­hoben werden.

Sacks, O.: Die Insel der Farbenblinden: Die Insel der Palmfarne. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg, 1998

Achromatopsie e.V.: http://www.achromatopsie.de/index.html

Literatur- und Medienhinweise

Lösungen (Der etwas höhere Anteil bei den Männchen kann ein Hinweis auf eine sexuelle Selektion durch die Weibchen sein. Möglicherweise be­vorzugen sie blau­schwarze Männchen.)

3 Vergleichen Sie Ihre in Versuchsteil a) erziel­ten Ergebnisse mit denen aus Versuchsteil b). Leiten Sie daraus eine allgemeine Aussage über den Gründereffekt ab. individuelle Lösung. Hinweis: Je größer die Gründerpopulation, desto ähnlicher sind wahr­scheinlich die Häufigkeit der allelen Gene in der Gründer­ und der Ausgangspopulation.

4 Entwickeln Sie eine begründete Hypothese zur weiteren Entwicklung der Ruineneidech­sen für den Fall, dass die beiden Genpools wieder durch eine Landbrücke verbunden werden. Es entsteht ein gemeinsamer Genpool. Die Häufigkeit der allelen Gene ergeben sich aus den Anteilen der beiden verschmelzenden Gen­pools. Die weitere Entwicklung hängt wesent­lich davon ab, ob Selektion durch Feinddruck oder sexu elle Selektion stattfindet.

5 In Zoos werden von den meisten Arten sehr kleine Populationen gehalten. Bei Nach­zuchten werden regelmäßig Tiere zwischen verschiedenen Zoos ausgetauscht. Erläutern Sie den Sinn dieser Maßnahme. Die Zoopopulation bildet einen Genpool nach dem Gründereffekt. Neben Inzuchtnachteilen kann sich die Population untypisch für die Art entwickeln. Durch den Austausch von Zucht­tieren wird künstlich ein größerer Genpool geschaffen, der diesen Effekt verringert.

• Zusätzliches ARBEITSBLATT „Plättchen für die Simulation“ Kapitel 4: Evolution; 4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolutionstheorie

• Zusätzliches ARBEITSBLATT „Beispieleintragungen“ Kapitel 4: Evolution; 4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolutionstheorie

• Zusätzliches ARBEITSBLATT „Diagrammvorlage und Beispielergebnisse“ Kapitel 4: Evolution; 4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolutionstheorie

Daten auf DVD &Daten auf DVD &Daten auf DVD &

Hinweis zur Hypothesenbildung bei den Eidechsen und bei PingelapPraktische Tipps

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Pingelap – die Insel der Farbenblinden

Pingelap ist ein kleines Atoll, das zu den Föderierten Staaten Mikronesiens gehört und mitten im Pazifik liegt.1775 brach mit dem Taifun Lengkieki eine Katastrophe über die Insel herein. Dabei wurden fast alle Insel-bewohner getötet. Die meisten der Überlebenden starben später aufgrund einer Hungersnot, da die Vegetation der Insel zerstört war. Nur sehr wenige Menschen überlebten. Die Überlebenden bildeten die Basis für die neue Inselbevölkerung.

Heute hat Pingelap wieder ca. 700 Einwohner. In den Jahrzehnten und Jahrhunderten nach dem Taifun breitete sich im Pingelap-Atoll eine Krankheit aus, von der heute rund 10% der Inselbewohner betroffen sind –die Achromatopsie. Achromatopsie ist eine autosomal-rezessive Erbkrankheit, die auf einer Mutation in Chromosom 2 oder 8 beruht. Betroffene leiden an totaler Farbenblindheit, extremer Lichtempfindlichkeit (bei Tageslicht können sie ihre Hütten kaum verlassen), verminderter Sehschärfe (das Lesen fällt ihnen schwer) und ständigen unruhigen Augenbewegungen (Nystagmus). In Europa und den USA tritt die Krankheit mit einer Häufigkeit von 1: 30 000 auf. Das ist sehr viel seltener als auf dem Pazifik-Atoll.

Material:Pro Gruppe 1 Beutel, 50 Plättchen (s. Extrablatt)

Die Simulation:In dem Beutel befindet sich die Inselbevölkerung, wie sie vor dem Taifun ausgesehen haben könnte (ein Kärtchen entspricht einem Pingelapesen). Durch kräftiges Schütteln des Beutels wird der Taifun simuliert. Anschließend ziehen Sie 10 Kärtchen aus dem Beutel. Diese 10 Kärtchen stellen die überlebende Insel-bevölkerung dar.

Anzahl Ausgangs-population

Sim. 1

Sim. 2

Sim. 3

Sim. 4

Sim. 5

Sim. 6

Sim. 7

Sim. 8

Sim. 9

Sim. 10

der Individuen 50 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10

der Individuen mit Genotyp AA 46

der Individuen mit Genotyp Aa 3

der Individuen mit Genotyp aa 1

des allelen Gens A in der Population

95

des allelen Gens a in der Population

5

relative Häufigkeit* von ain der Population

1/20

* relative Häufigkeit von a = Anzahl des allelen Gens a in der Population : Gesamtanzahl der allelen Gene A und a (hier: erst 100, dann 20)

1 Simulieren Sie die Naturkatastrophe und ihre Folgen 10-mal mithilfe ihrer „Inselbevölkerung“. Notieren Sie ihre Ergebnisse in der Tabelle.

2 Übertragen Sie Ihre relativen Häufigkeiten in das bereitgestellte Diagramm. (Für die errechnete relative Häufigkeit wird jeweils ein Punkt in das entsprechende Kästchen Ihrer Kästchenreihe des Diagramms gesetzt (siehe „Beispieleintragungen“ unter der Diagrammvorlage).

3 Erklären Sie die große Häufigkeit des Auftretens der Achromatopsie auf dem Pingelap-Atoll unterBerücksichtigung der Simulation und der oben angeführten Informationen.

AA

Aa

aa

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466 NATURA_LB Qualifikationsphase_049334

4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

ARBEITSBLATT Pingelap — die Insel der FarbenblindenLösungen 1 individuelle Lösung (s. auch Zusätzliches Arbeitsblatt “Beispieleintragungen“, s. Daten auf

DVD, Lehrerband S. 464)

2 individuelle Lösung (siehe auch Zusätzliches Arbeitsblatt “Beispieleintragungen“, s. Daten auf DVD, Lehrerband S. 464)

3 Unter den wenigen Überlebenden muss mindestens eine Person gewesen sein, die das allele Gen für die Merkmalsausprägung „farbenblind“ in sich trug oder selbst an Achromatopsie erkrankt war. Diese Person muss Nachkommen gezeugt haben. Durch die isolierte Lage und die sehr kleine Population kam es zur Verwandtenehe (Inzucht), sodass sich das allele Gen für die Merkmalsausprägung „farbenblind“ bei den Pinge­lapesen anhäufte. So dauert es trotz der Rezessivität nur wenige Generationen, bis die eigentlich seltene Farbenblindheit aufgrund der vielen Träger des allelen Gens für diese Merkmalsausprägung auf Pingelap überdurchschnittlich häufig auftaucht.

Praktische Tipps Zur Arbeit mit dem ArbeitsblattSie können mit Ihren Schülerinnen und Schülern mithilfe dieses Arbeitsblatts den naturwis­senschaftlichen Erkenntnisweg üben. Zeigen Sie Ihren Schülerinnen und Schülern zunächst das Wahrnehmbare für einen Achromaten und eines Normalsichtigen im Vergleich (passen­de Bilder bekommen Sie z. B. unter Simulation auf der Internetseite des Achromatopsie e. V., s. Literatur­ und Medienhinweise, Lehrerband S. 464). Stellen Sie Ihren Schülerinnen und Schülern anschließend die weltweite Häufigkeit von Achromatopsie im Vergleich zur Häufig­keit auf Pingelap vor. Daraus ergibt sich die Frage, wieso die Häufigkeit auf Pingelap deutlich größer ist. Bei der anschließenden Hypothesenbildung können z. B. folgende Hypothesen aufgestellt werden: Die Farbenblindheit stellt auf der Insel z. B. aufgrund der Umweltbedin­gungen einen Selektionsvorteil dar; auf der Insel treten besonders häufig Neumutationen auf; das allele Gen wurde von einer Person mit sehr vielen Nachkommen übertragen.

Anschließend können Sie das Arbeitsblatt mit der Information zu der Naturkatastrophe verteilen und die Simulation durchführen lassen. Nachdem die Simulationsergebnisse im Diagramm gesammelt wurden, können die Schülerinnen und Schüler diese auswerten, eine Erklärung formulieren und die Hypothesen vom Beginn überprüfen. Für den Fall, dass Sie kei­ne Zeit für die Simulation haben, können Sie auch die möglichen Ergebnisse einer Simulation nutzen (s. Zusätzliches Arbeitsblatt „Diagrammvorlage und Beispielergebnisse“, s. Daten auf DVD, Lehrerband S. 464).

Material für die SimulationEs bietet sich an, die Kärtchen für die Simulation zu laminieren, damit sie mehrfach benutzt werden können, oder verschiedenfarbige Spielchips zu nutzen.

Verdeutlichung des FlaschenhalseffektesAnstatt mit Beuteln und Kärtchen können Sie die Simulation auch mit 0,5 l Getränkeflaschen und 50 Holzperlen durchführen lassen, sodass beim Herausschütteln der Perlen der Fla­schenhalseffekt verdeutlich wird. Sie brauchen dazu 49 einfarbige Perlen einer Farbe, eine Perle einer anderen Farbe und einen Stift in der Farbe der einen Perle, mit dem Sie drei der 49 einfarbigen Perlen teilweise einfärben oder markieren können.

Zusatzinformation Ursachen der AchromatopsieDie Ursache für die Achromatopsie ist eine Mutation auf dem Chromosom 2 oder 8. Bei der Mutation auf dem Chromosom Nr. 2 handelt es sich um eine Punktmutation in der Sequenz für ein Protein, das Bestandteil der Membran von Photorezeptoren ist. Auf dem Chromosom Nr. 8 sind ebenfalls einzelne Basenpaare ausgetauscht. Diese Mutation führt dazu, dass die Zapfen auf der Netzhaut keine Nervenimpulse liefern. Die Zapfen sind die wellenlängenab­hängigen Lichtrezeptoren, sie ermöglichen die farbliche Wahrnehmung der Umwelt. Daher können Achromaten keine Farben erkennen. Achromaten verfügen nur über Stäbchen, die Hell­Dunkel­Rezeptoren, die bei Normalsichtigen das Dämmerungssehen ermöglichen, da sie lichtempfindlicher sind als die wellenlängenabhängigen Lichtrezeptoren. Am hellen Tage lei­den Achromaten dadurch unter einer extremen Blendungsempfindlichkeit. Auf dem Gelben Fleck befinden sich bei Normalsichtigen ausschließlich Zapfen. Bei Achromaten befinden sich hier gar keine funktionierenden Rezeptoren, sodass die Sehschärfe drastisch eingeschränkt ist. Dadurch kommt es bei den Achromaten außerdem zu einem unwillkürlichen Augenzit­tern, das die Betroffenen aber selbst nicht wahrnehmen.

Illustrator: Wolfgang Herzig, Essen

AA

Aa

aa

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4 Evolution 467

4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

NATURA_LB Qualifikationsphase_049334

[zu SB S. 270/271]

1 Erklären Sie, warum im Leopardenbeispiel in den folgenden Generationen keine Verände­rung der Phänotypenhäufigkeiten zu erwar­ten ist. In einer idealen Population kann keine Ände­rung der Häufigkeiten auftreten, da Evolution ausgeschlossen ist.

2 Ermitteln Sie mithilfe von Abb. 3 die Häu­figkeit aller Geno typen in einer Population mit dem maximalen Anteil heterozygoter Individuen. Maximum der grünen Kurve: 50 % heterozy­gote Individuen bei p = q = 0,5. Die Genotypen [AA] und [aa] haben eine Häufigkeit von 0,25 (25 %).

Lösungen

0

0

3 Errechnen Sie mithilfe des Hardy­Weinberg­Modells, in welchem Ausmaß Jäger die Häu­figkeit des Auftretens von Melanismus bei Rehen senken, wenn sie dunkle Rehe vor der Geschlechtsreife erlegen. Gehen Sie dabei von einer idealen Population aus, in der eines von hundert Tieren ein dunkles Fell hat. q2 = 0,01; q = 0,1; p = 0,9; 2 pq = 0,18. Pro 100 Tiere sind 18 heterozygote Tiere und ein homozygotes, dunkles zu erwarten. Von den 200 allelen Genen waren vor dem Abschuss 20 allele Gene (a) vorhanden, danach noch 18. 18/198 = 0,091. Quadriert ergibt sich eine Genotypenhäufigkeit von 0,0083 statt 0,01 vorher.

.

Das Hardy-Weinberg-Modell [SB S. 270/271]

So können Sie mit dem Thema arbeiten

Einstieg/Motivation Leitfrage Wie kann man von den vorhandenen Phänotypen in einer Population auf die Verteilung der Genotypen schließen?Methodenauswahl• Die Schülerinnen und Schüler werden aufgefordert, die Abbildung 2 im Schülerbuch S. 270 zu

betrachten und abzuschätzen, wie häufig die allelen Gene p und q in der Population vorhan­den sind.

• Alternativ können die Schülerinnen und Schüler auch eine Befragung bezüglich der Vertei­lung von angewachsenen und nicht angewachsenen Ohrläppchen in ihrem Kurs durchführen. Auch hier sollen die Schülerinnen und Schüler dann schätzen, wie häufig die allelen Gene p und q in der Gesamtbevölkerung vorkommen.

Erarbeitung • Die Schülerinnen und Schüler lesen die Seite 270 im Schülerbuch und überprüfen mit den Angaben im Text ihre Schätzung.

• Die Schülerinnen und Schüler lösen die Aufgabe 2 auf S. 271 im Schülerbuch.• Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten die Aufgabe 1 und lesen dazu den Text S. 271 im

Schülerbuch unter der Überschrift „Anwendungen“.• Sofern Sie über die Befragung bezüglich der Ohrläppchen eingestiegen sind, kann die Erar­

beitung direkt mit dem Arbeitsblatt „Der Genpool einer Population — das Hardy­Weinberg­Modell“ (s. Lehrerband S. 469) erfolgen. Die Schülerinnen und Schüler können dazu den Test im Schülerbuch auf S. 270/271 lesen.

Sicherung Die Schülerinnen und Schüler besprechen die Aufgaben 1 und 2 im Schülerbuch S. 271 und er­läutern, wie man von der Anzahl der Phänotypen auf die Verteilung der allelen Gene schließen kann.

Vertiefung • Im Anschluss lösen Sie gemeinsam die Aufgabe 3 im Schülerbuch S. 271.• Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten das Arbeitsblatt „Der Genpool einer Population —

Das Hardy­Weinberg­Modell“ (s. Lehrerband S. 379).Die Schülerinnen und Schüler bewerten Hypothesen zum Hardy­Weinberg­Modell und die Grenzen der Anwendbarkeit (s. Zusatzin­formation, Lehrerband S. 468).

Kompetenzerwerb Kompetenzbereiche: Der Schwerpunkt liegt auf dem Erlangen von Fachwissen und der Erkenntnisgewinnung. Die Schülerinnen und Schüler nutzen das Hardy­Weinberg­Modell zur Berechnung unbekannter Größen in Populationen. Sie erläutern dabei biologische Sachverhal­te mithilfe von Modellen und beurteilen gleichzeitig auch die Begrenztheit solcher mathemati­schen Modelle. Basiskonzept: Variabilität und Angepasstheit

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NATURA_LB Qualifikationsphase_049334468

Die Bestimmung der Phänotypen bei mehr als zwei allelen GenenDie Verteilung eines Gens für ein rezessives Merkmal lässt sich auch ermitteln, wenn mehr als zwei allele Gene existieren. So lässt sich die Häufigkeit des allelen Gens 0 beim Menschen direkt errechnen, indem man die Wurzel aus dem Anteil aller Menschen, die die Blutgruppe 0 haben, zieht. Die Anwendung auf die Verteilung der heterozygoten Menschen mit der Blutgrup­pe A bzw. B wird allerdings etwas schwieriger. Hier kann aber die Kenntnis über die Häufigkeit der Blutgruppen A, B und AB weiterhelfen.

Kritik am Hardy-Weinberg-ModellDas Modell arbeitet mit Wahrscheinlichkeiten. Für die Arbeit mit Wahrscheinlichkeiten wird eine klar festgelegte Grundmenge benötigt. Es gilt, je größer die Grundmenge, desto sicherer die Vorhersagen, die sich aus den berechneten Wahrscheinlichkeiten ergeben. Für die Betrach­tungen von Populationen wird daher dement­sprechend eine sehr große, wenig veränderliche „Idealpopulaion“ vorausgesetzt. Die klar einge­grenzten Bedingungen einer solchen, idealen Population ermöglichen Überinterpretationen. Dadurch führt die Anwendung auf reale Popula­tionen häufig zu Missverständnissen.

Daher sollte auch beim Arbeiten mit dem Schülerbuch S. 271 der Text unter der Überschrift „Anwendungen“ genau gelesen und besprochen werden. In einer anschließenden Diskussion kön­nen Hypothesen (s. Zusatzaufgaben, Lehrerband S. 470) an der Tafel wie folgt bewertet werden:Für eine Population, in der zwei Varianten eines Merkmals betrachtet werden, deren allele Gene jeweils häufiger als 5000­mal vorkommen, sind Voraussagen mit dem Hardy­Weinberg­Modell mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit möglich. Die Aussagen sind auch noch bei ge­ringer Zu­und Abwanderung oder bei geringen Unterschieden in der reproduktiven Fitness der homozygoten Individuen zulässig. Die Zuwande­rung von vielen Individuen mit einer etwas an­deren Verteilung der allelen Gene verändert die Voraussagen nur kurzeitig und nur geringfügig.

Voraussagen für kleine Population sind wenig sinnvoll, da die statistischen Schwankungen bis zur Auslöschung eines allelen Gens alle mögli­chen Entwicklungen zulassen.Wenn die beiden allelen Gene in einer Populat­ion mit einer Häufigkeit von jeweils mehr als 100 vorausgesetzt werden können, können Voraussa­gen für wenige Generationen mit einer annehm­baren Sicherheit gemacht werden.

Diese Aussagen bzw. Hypothesen lassen sich durch leichte Abwandlungen (Negationen) in streitbare Thesen umwandeln.

Zusatzinformation

Die Herleitung des Hardy-Weinberg-ModellsAm Anfang können Sie durch die Wiederholung der Kreuzungsquadrate das Thema erschließen. Die Abbildung 2 im Schülerbuch S. 270 macht die Herleitung des Modells aus einfachen, quadra­tische Zusammenhängen nachvollziehbar. Der Zusammenhang lässt sich noch weiter vereinfa­chen, wenn Sie die Verteilung der allelen Gene vorgegeben und der Anteil der Phänotypen angegeben werden soll (s. Arbeitsblatt „Der Gen­pool einer Population — Das Hardy­Weinberg­Modell“ im Lehrerband S. 469). Die Schülerinnen und Schüler können dazu auch im Vorhinein selbst Varianten bei Tieren und deren Verteilung recherchieren (z. B. Silberfuchs).

Gruppenarbeit zur Bestimmung der GenotypenDie Abbildung 3, auf die sich die Aufgabe 2 im Schülerbuch bezieht, kann auch von mehreren Schülern und Schülerinnen reflektiert werden. Sie können dazu diesmal verschiedene Fre­quenzen alleler Gene vorgeben und den jeweils Befragten die jeweilige Genotypenfrequenz be­nennen lassen. Eine Variante wäre auch, jeweils nur die Frequenz eines homozygoten Genotyps wiedergeben zu lassen.

Praktische Tipps

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469© Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2019 | www.klett.de | Alle Rechte vor-behalten. Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. Die Kopiergebühren sind abgegolten.

Illustrator: Otto Nehren, Achern

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Illustrator: Otto Nehren, Achern

Der Genpool einer Population – das Hardy-Weinberg-Modell

Für zwei allele Gene lässt sich die Vererbung über Kombinationstafeln nachvollziehen. Dabei wird betrachtet, welche Kombinationen möglich sind und wie häufig diese bei bestimmten Verpaarungen in der Elterngenera-tion auftreten. In der Regel kommen allele Gene in einer Population nicht gleich häufig vor. Die Verteilung ist nicht sofort durch Phänotypen ersichtlich, wenn eine Eigenschaft rezessiv vererbt wird. Für den autosomal dominant-rezessiven Erbgang lassen sich aber einfache Zusammenhänge ableiten, wenn man verschiedene Fälle betrachtet:

Fall 1: Die allelen Gene A und a liegen in etwa gleich häufig vor: Der Anteil von a und A beträgt jeweils 50 %. Das entspricht der Wahrscheinlichkeit von p =0,5 für das erste allele Gen A und q =0,5 für das zweite allele Gen a (q +p ist immer 1). Das Auftreten der homozygoten rezessiven Variante aa ergibt sich für zufällige Paarungen dann aus dem Produkt q ·q =q2, in diesem Fall also 0,25 bzw. 25 %.

Fall 2: Die allelen Gene A und a liegen unterschiedlich oft vor. In einer Population, in der A z. B. einen Anteil von 90 % hat, es also mit einer Wahrscheinlichkeit von p = 0,9 vorliegt, findet sich a mit einer Wahr-scheinlichkeit von 1 − p = q = 0,1. Folglich taucht der rezessive Phänotyp mit q2 noch seltener auf, er hat nur eine Wahrscheinlichkeit von 0,1·0,1, also 0,01 bzw. 1 %.

Fall 3: Die Verteilung der Phänotypen ist bekannt. Helle Fellfarben werden oft rezessiv vererbt (das entspricht q2). Schätzt man z. B. den Anteil der hellen Tiere einer Population auf 1 %, ergibt sich aus der Wahrscheinlichkeit q2 =0,01 mit der Wurzel aus 0,01 die Wahrscheinlichkeit von q =0,1 bzw. 10 %. Mit 1 −q =p folgt das dominante allele Gen mit p =0,9 oder 90 %. Es sind dann auch 0,9 ·0,9 =0,81 oder 81 % der Tiere homozygot vom Typ AA. Das entspricht p2. Es bleibt dann noch, den Anteil der heterozygoten Tiere (Aa) zu ermitteln. Das sind alle anderen, also 100 %−1 % −81 %=18 %.

1 Fallbeispiele für quantitative Analysen

Godfrey Hardy (1877–1947) und Wilhelm Weinberg (1862 –1937) haben diesen einfachen mathematischen Zusammenhang formalisiert. Insgesamt kann die Wahrscheinlichkeit nicht mehr als 1 betragen. Betrachtet man nun die Gesamtheit aller möglichen Kombinationen der allelen Gene, so ergibt sich das Hardy-Weinberg-Modell: p2 +2pq +q2 =1.

Da es sich hier um die Betrachtung von Wahrscheinlich-keiten handelt, gilt allgemein, je mehr Individuen die Popu-lation bilden, desto mehr entspricht der jeweils errechnete Wert der Realität. Eine starke Ein- oder Abwanderung kann die Verteilung der allelen Gene verändern. Ebenso beeinflusst Selektionsdruck die Verteilung langfristig.

Etwa 4 % der Menschen haben ein sogenanntes ange-wachsenes Ohrläppchen. Diese Eigenschaft wird rezessiv vererbt. nicht angewachsen angewachsen

2 Ohrläppchen

1 Berechnen Sie jeweils den Anteil der homozygot rezessiven Varianten und den Anteil der heterozygoten Genotypen für a) A =0,6; b) A =0,95 und c) a =0,7.

2 Ermitteln Sie mit dem Hardy-Weinberg-Modell den Anteil der heterozygoten Merkmalsträger für das angewachsene Ohrläppen (Abb. 2).

3 Begründen Sie, warum ihr Erwartungswert für die Gesamtpopulation des Menschen nicht unbedingt für Ihren Kurs zutreffen muss.

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470 NATURA_LB Qualifikationsphase_049334

4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

ARBEITSBLATT Der Genpool einer Population — das Hardy-Weinberg-Modell

Lösungen 1 Anteil der homozygoten, rezessiven Varianten: a)  (1 − A) = a, der Anteil der Homozygoten ist dann mit a2 gegeben, also folgt: (1 − 0,6) = 0,4

und (0,4)2 = 0,16, das entspricht 16 %. b)  Ähnlich a) folgt: (1 − 0,95) = 0,05 und (0,05)2 = 0,0025, was wiederum 0,25 % entspricht. c)  Hier muss einfach a2 bestimmt werden, mit (0,7)2 = 0,49 folgt dann schnell ein Anteil

von 49 %. Der Anteil der heterozygoten Genotypen ergibt sich jeweils aus A ∙ a und ist dann jeweils

für a) mit 48 %, für b) mit 9,5 % und für c) mit 42 % gegeben.

2 1 = p2 + 2pq + q2. Dann ergibt sich durch Umstellen: 2pq = 1 − q2 − p2. Da aus q2 = 0,04 folgt, dass q = 0,2 ist, errechnet sich für p = 0,8 und für p2 = 0,64. 1 − 0,04 − 0,64 = 0,32 (32 %)

3 Die menschliche Population ist sehr groß, sie entspricht daher annähernd einer idealen Population. Ein Klassenverband ist nur ein zufälliger, kleiner Ausschnitt. Es können hier Abweichungen bezüglich der Häufigkeit bestimmter Merkmale vorliegen. Bei kleinen Populationen von Lebewesen führen solche Abweichungen zu unsicheren Aussagen. Bei sehr kleinen Gruppen kann es sogar zur zufälligen Auslöschungen von allelen Genen über die Generationen kommen (Gendrift, Isolation).

Praktische Tipps Weitere Vereinfachung bei der Berechnung der fehlenden WerteAuf dem Arbeitsblatt wird das Modell sehr kleinschrittig eingeführt. Das dient dazu, Berüh­rungsängsten mit der mathematischen Formulierung zu begegnen. Sie können die einzelnen Schritte weiter vereinfachen, wenn Sie die Schülerinnen und Schüler dazu auffordern, einzel­ne Teilrechnungen nachzuvollziehen oder auszuformulieren. Erst der geübte Umgang mit der Formel führt zu der gewünschten Vereinfachung. Für einige ist es auch schwer nachvollzieh­bar, warum Wahrscheinlichkeiten multipliziert werden. Hier kann es helfen, Formulierungen vorzugeben. Beispiel: Wenn ein Allel mit p = 0,4 vorkommt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Elternteil dieses Allel hat, 40 % und nur 40 % von diesen Elternteilen werden auch einen Partner mit diesem Allel antreffen. 40 % von 40 % ergibt 16 % oder die Wahrscheinlichkeit 0,16. Das entspricht eben genau 0,4 mal 0,4. Das sich mit der Umkehrung die Wurzel ergibt, ist im Allgemeinen nicht schwer zu vermitteln.

Vereinfachung der Aufgaben auf dem ArbeitsblattÄhnliches gilt auch für die Lösungen der Aufgaben. Eine Schülerin oder ein Schüler kann den Lösungsweg jeweils im Detail beschreiben. Für die Errechnung der heterozygoten Anteile müssen dann verschiedene Lösungsansätze zugelassen werden.

Die zweite Aufgabe ist für viele Schülerinnen und Schüler schon zu sehr formalisiert. Wenn etwa am Anfang eine mathematisch versierte Schülerin oder ein Schüler die Aufgabe schnell löst und Sie im Stoff weitergehen, verliert man einen Teil der Klasse. Es ist daher besser, an­dere dann den Lösungsweg erklären zu lassen oder durch andere Beispiele (s. auch Zusatz­aufgaben) die Lösungsstrategie zu wiederholen.

In der Aufgabe 3 können auch konkrete Beispiele angesprochen werden. So kann hier die Verwendung von Zuchtbüchern in zoologischen Gärten zur Inzuchtvermeidung diskutiert werden. Die dahinterstehende Planung dient auch der Vermeidung der genetischen Drift und korrigiert damit zufällige Schwankungen. Sie konstruiert eine künstliche, ideale Population. Hinweise zur Bedeutung der idealen Population und der damit verbundenen Modelkritik finden Sie in dem entsprechenden Absatz auf Seite 468 im Lehrerband.

Zusatzaufgaben Beispiele rezessiver VererbungEs gibt viele Eigenschaften und Krankheiten, die rezessiv vererbt werden. Schülerinnen und Schüler können selbst recherchieren oder für vorgegebene Beispiele (Bluterkrankheit, PKU, Irisfarbe, biegsamer Daumen usw.) den Anteil der Merkmalsträger aus der Häufigkeit der entsprechenden Phänotypen berechnen. Wenn verschiedene Ergebnisse zusammengetragen werden, kann schnell eine Konsequenz des quadratischen Zusammenhangs nachvollzogen werden: Die Anzahl der Betroffenen (Quadrat) sinkt viel schneller als die Anzahl der Merk­malsträger (linear). Die Schülerinnen und Schüler können auch selbst mit einbezogen wer­den. Allerdings sollte hier bei den taxierten Eigenschaften sensibel darauf geachtet werden, dass ein direktes Schließen auf die Eltern vermieden wird.

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4 Evolution 471

4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

NATURA_LB Qualifikationsphase_049334

[zu SB S. 272/273]

1 Beschreiben Sie die Ergebnisse der Simulation (Abb. 1). Die Häufigkeit von (a) nimmt ab, und zwar zunehmend langsamer. Der Genotyp [aa] tritt ab ca. 30 Generationen nur noch selten auf. Auch nach 100 Generationen kommt das Allel (a) noch vor.

2 Erklären Sie die Tatsache, dass nach 100 Generationen das Allel a immer noch in der Population vorhanden ist. Die Häufigkeit des Genotyps [aa] nimmt stark ab. Da gegen den dazu gehörenden Phänotyp die Selektion wirkt, nimmt der Einfluss auf die Zusammensetzung des Genpools ab. Das Allel (a) kommt überwiegend in heterozygoten Le­bewesen vor, deren reproduktive Fitness nicht gemindert ist.

Lösungen

0

$

3 Stellen Sie eine Hypothese zur weiteren Ent­wicklung der Population für den Fall auf, dass sich die Lebensbedingungen so verändern, dass der Phänotyp mit dem Genotyp aa einen Selektions vorteil hat. Wenn die Selektion gegen Phänotypen mit den Genotypen [AA] und [Aa] wirkt, wird der Anteil des Allels (A) abnehmen, und zwar schneller als im vorigen Fall, da die Selektion auch gegen die heterozygoten Träger wirkt.

4 Erklären Sie die Ergebnisse der Auszählungen in Frühjahr und Herbst (Abb. 3) mit populati­onsgenetischen Ursachen. Da die Häufigkeiten der Phänotypen abwech­selnd steigen und sinken, müssen die Selekti­onsbedingungen für die beiden Generationen unterschiedlich sein. Sie wirken im Winter gegen schwarz und im Sommer gegen rot.

.

$

Material: Genpool und Evolution [SB S. 272/273]

So können Sie mit dem Thema arbeiten

Einstieg/Motivation LeitfrageWie wirkt sich die Selektion spezieller Phänotypen auf den Genpool einer Population aus?MethodenauswahlDie drei Themengebiete im Schülerbuch (s. 272/273) können unabhängig voneinander bearbei­tet werden. Je nach gewähltem Thema können Sie wie folgt einsteigen:• Sie stellen eine rezessiv vererbbare Krankheit (z. B. Bluterkrankheit, s. Praktische Tipps,

Lehrerband S. 472) kurz vor und lassen die Schülerinnen und Schüler diskutieren, wie es dazu kommt, dass solche Eigenschaften auch dann immer wieder in Populationen auftreten, wenn sie große Nachteile für die Träger darstellen.

• Sie zeigen eine Abbildung des Zweipunktmarienkäfers mit beiden Farbvarianten (s. Schüler­buch S. 272). Die Schülerinnen und Schüler sollen Hypothesen darüber aufstellen, weshalb beide Varianten innerhalb einer Population auftreten.

• Sie stellen Malaria als Erkrankung vor (kann auch als Kurzvortrag von Schülerinnen und Schülern vorbereitet werden) und thematisieren, dass in den betroffenen Gebieten nicht alle Menschen gleichermaßen anfällig für die Erkrankung sind.

Erarbeitung Die Erarbeitung erfolgt mit den jeweiligen Materialien und Aufgaben im Schülerbuch S. 272/273.

Sicherung Besprechung der Lösung der jeweiligen Aufgaben.

Vertiefung • Sie können den Film „Euthanasie im Dritten Reich“ zeigen (s. Literatur­ und Medienhinweise, Lehrerband S. 472).

• Alternativ können Sie auch die Abbildung auf dem Arbeitsblatt „Genpool und Eugenik“ (s. Lehrerband S. 473) zeigen und von Schülerinnen und Schülern diskutieren lassen.

• Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten das Arbeitsblatt „Genpool und Eugenik“ (s. Lehrer­band S. 473).

• Bei der Beurteilung der wissenschaftlichen Sinnhaftigkeit (Aufgabe 1) der nationalsozialisti­schen Euthanasie sollte eine deutliche Distanzierung sowohl aus wissenschaftlicher Sicht als auch aus ethischer Sicht erfolgen.

Kompetenzerwerb Kompetenzbereiche: Der Schwerpunkt bei der Arbeit mit dem Material (s. Schülerbuch S. 272/273) liegt vor allem auf der Erkenntnisgewinnung und Kommunikation. Die Schüle­rinnen und Schüler beschreiben, analysieren und deuten komplexe Abbildungen, Tabellen, Diagramme sowie grafische Darstellungen und erklären die entsprechenden Zusammenhänge strukturiert unter Verwendung der Fachsprache. Basiskonzept: Variabilität und Angepasstheit

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Malaria und SichelzellanämieEs gibt verschiedene Unterarten der Malaria. Tatsächlich findet man in den Gebieten der besonders gefährlichen Malaria tropicana auch häufiger das Sichelzellallel. Auch tritt in den

Gebieten die Erkrankung unter schiedlich häufig auf. Beides zusammen erklärt die unterschied­liche Verteilung der Sichelzellallele in Afrika (Abb. 5 im Schülerbuch S. 273).

Zusatzinformation

Vereinfachte Betrachtung der SelektionFür den Anfang eignet sich ein Beispiel, das das Problem der Selektion auf ausschließlich wenig Homozygote verdeutlicht. (Hier kann man für seltene genetisch bedingte Krankheiten eine Häufigkeit von unter 1 : 1 000 000 annehmen). So wird schnell klar, dass in diesem Fall das Allel in der nächsten Generation fast genauso häufig vorkommt, wenn Merkmalsträger keine Nach­kommen haben.Dafür kann z. B. auf die Bluterkrankheit zurück­gegriffen werden. Mit dieser Motivation ergibt sich die Notwendigkeit einer Betrachtung über viele Generationen und damit ist der Vorteil einer Simulation offensichtlich.

Übersetzung von Diagrammen in die Sprache der Schülerinnen und SchülerBei der Lösung der Aufgabe 1 auf S. 272 im Schü­lerbuch ist es hilfreich, die beiden Diagramme zunächst erstmal in Worte fassen zu lassen. Bei der Beschreibung sollte herausgearbeitet wer­den, dass die Abnahme der Merkmalsträger und Homozygoten am Anfang am stärksten ausfällt und dann nachlässt, da der Anteil der Homozy­goten im Verhältnis zu den Merkmalsträgern immer kleiner wird. So können die Schülerinnen und Schüler später eher nachvollziehen, dass bei einer geringen Quote an Homozygoten die Selektion zum Erliegen kommt.

Praktische Tipps

Lösungen 5 Messungen der Körpertemperatur von Tieren der beiden Formen ergaben bei gleicher Umgebungstemperatur einen höheren Wert für die schwarzen Tiere. Leiten Sie daraus eine mögliche Erklärung für die Häufigkeit der Phänotypen in den Jahreszeiten ab. Die höhere Temperatur bei der schwarzen Form wirkt beschleunigend auf den Stoffwechsel der poikilothermen Tiere. Das kann zum vorzeiti­gen Verbrauch der Nährstoffreserven bei der Wintergeneration führen. Im Herbst kann die höhere Körpertemperatur ein Vorteil bei den Aktivitäten zur Nahrungssuche sein.

6 Erläutern Sie, welche Häufigkeit für das Sichelzell allel in einer Bevölkerung ohne medizinische Be treuung außerhalb von Malariagebieten vorgelegen hat. Bei starker Selektionswirkung gegen Sichler und ohne Heterozygotenvorteil sollte die Allelhäufigkeit gering sein (im Bereich der Mutationsrate).

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7 Vergleichen Sie die Ergebnisse der beiden Simulationen (Abb. 6) und ziehen Sie Schluss­folgerungen daraus. Sehr unterschiedliche Häufigkeiten der Allele zu Beginn führen in der Simulation nach ca. 15 Generationen zu den gleichen Häufigkeiten der Allele und Genotypen. Das bedeutet, die Zu­sammensetzung des Genpools wird langfristig nicht durch die Anfangshäufigkeiten von Alle­len, sondern ausschließlich durch die Größe der Selektionsvorteile bzw. ­nachteile bestimmt.

8 Unter medizinischer Betreuung erreichen etwa 85 % der homozygoten Träger des Sichelzellallels das Erwachsenenalter. Erläu­tern Sie die Auswirkungen auf den Genpool. Wenn sich auch die homozygoten Träger des Sichelzellallels fortpflanzen, steigt langfristig die Allelfrequenz im Genpool.

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Selektion von ErbkrankheitenEine Agentur verspricht Ihnen, Ihre Kinder im Vorhinein auf Erbkrankheiten zu untersuchen und nur reinerbig gesunde Embryonen zur Entwicklung zu bringen. Welche wissenschaftlich begründeten Bedenken bestehen dabei?

Lösung:1 Mittlerweile sind auch über 100 Erbkrank­

heiten oder Störungen bekannt, die nur bei Homozygoten auftreten. Nach Hardy und Weinberg lässt sich also vermuten, dass jeder oder zumindest fast jeder Mensch das Allel für mindestens eine Erbkrankheit trägt (nähere Ausführung s. Arbeitsblatt „Genpool und Eugenik“, Lehrerband S. 383).

Zusatzaufgabe

Buselmaier, W.: Biologie für Mediziner. Springer­Verlag, Heidelberg 2012

www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/planet­wissen­swr/video­euthanasie­im­dritten­reich­100.html

Literatur- und Medienhinweise

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Bildquellen: BPK, Berlin

Genpool und Eugenik

Eugeniker behaupteten seit den 80iger-Jahren des 19. Jahrhunderts, dass man positive Eigenschaften von Menschen durch Zucht verdichten kann. Besonders wichtig war den Vertretern der Eugenik immer, dass durch das Verhindern von „minderwertigen“ Verbindungen eine erbgesunde Bevölkerung geschaffen werden könnte. Besonders in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war das in vielen Staaten Realpolitik. In einigen Länderngab es Eheverbote und Zwangsterilisationen. Besonders traurige Berühmtheit hat das Euthanasieprogramm der deutschen Nationalsozialisten erlangt (Abb. 1).

1 Propaganda im Dritten Reich

Eugeniker behaupteten auch, sie würden nach wissenschaftlichen Erkenntnissen handeln. Nun greift die Selektion von „Minderwertigen“ immer die Betroffenen und nicht die Merkmalsträger an. Die Wirksamkeit dieser Methode lässt sich durch das Hardy-Weinberg-Modell (1 =p2 +2pq +q2) leicht überprüfen. Die meisten Erbkrankheiten betreffen weniger als 1 von 10 000 Menschen. Wir können für eine solche rezessive Krankheit die Häufigkeit durch q2 also mit 0,0001 gut abschätzen. Die Wahrscheinlichkeit q ist für die erste Zeile in der Tabelle in Abbildung 2 durch q2 vorgegeben. Durch die Selektion werden nur die Allele der Betroffenen (q2)entfernt, wobei jeder Betroffene 2 Allele besitzt. Für die folgenden Generationen ergibt sich so q immer als Ergebnis der Selektion (Verminderung um q−2q2) in der Generation davor (Pfeil in Abb. 2).Bezogen auf eine Bevölkerung von 80 Millionen Menschen kann man nun die fehlenden Werte für die folgenden Generationen berechnen:

Generationq q2 p 2pq

Selektionq − 2q2

Merkmalsträger80 Mio mal 2pq

Betroffene80 Mio mal q2

1 0,01 0,0001 0,99 0,0198 0,0098 1,584 Mio 80002 0,00986

2 Tabelle zur Berechnung der Allelverteilung bei Ausselektion

1 Vervollständigen Sie die Tabelle und beurteilen Sie damit wissenschaftlich die Sinnhaftigkeit der nationalsozialistischen Euthanasie.

2 Behauptung: „Bei mehr als 100 rezessiv vererbten Krankheiten dürfte kaum noch jemand da sein, der nicht Merkmalsträger ist.“ Begründen Sie diese Behauptung durch eine Abschätzung mithilfe des Hardy-Weinberg-Modells.

3 Die Eugenik ist heute keineswegs verschwunden. Immer wieder werden Ideen diskutiert, werdenden Eltern durch pränatale Selektion von Embryonen erbgesunde Kinder zu garantieren. Erläutern Sie auf Grundlage ihrer bisherigen Erkenntnisse die damit verbundenen Grenzen einer pränatalen Selektion.

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474 NATURA_LB Qualifikationsphase_049334

4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

ARBEITSBLATT Genpool und EugenikLösungen 1 Tabelle:

Genera-tion

q

q2

p

2pq

Selektionq − 2q2

Merkmalsträger 80 Mio mal 2pq

Betroffene 80 Mio mal q2

1 0,01 0,0001 0,99 0,0198 0,0098 1,584 Mio 8000

2 0,0098 0,0000964 0,99 0,0194 0,0097 1,552 Mio 7712

6 0,0093 0,0000865 0,99 0,0184 0,0093 1,47 Mio 6920

Rechnung: Nach Übertrag von 0,0098 als Ergebnis der Selektion q − 2q2 (Zeile 1) in die nächste Zeile ergibt sich mit (0,0098)2 = 0,0000964. Da p mit 1 − q (also 1 − 0,0098) fast un­verändert bei 0,99 liegt, kann 2pq mit 2 mal 0,99 mal 0,0098 berechnet gleich 0,0194 be­rechnet werden. Die Tötung von Erbkranken hat in der nächsten Generation daher kaum einen Effekt (Merkmalsträger 80 Mio. mal 0,0194 = 1,552 Mio. und Betroffene mit 80 Mio. mal 0,0000964 = 7712 sind fast unverändert im Vergleich zur ersten Zeile). Selbst wenn man an dieser perfiden Methode über 5 Generationen (Rechnungsschritte noch dreimal weiter fortführen) festhält, kann man nur einen geringen Einfluss erwarten (5. Zeile). Solche Methoden sind daher neben der ethischen Verwerflichkeit auch wissenschaftlich nicht haltbar.

2 In unserem Beispiel sind knapp 2 % der Bevölkerung Merkmalsträger. Bei 100 solcher Krankheiten kommt man, trotz der anzunehmenden Überschneidungen, sehr dicht an 100 %.

3 Auch bei der Selektion von Embryonen muss man dieselben Regeln beachten. Um die Weitervererbung ungewollter Merkmale zu verhindern, würde auch hier das Entfernen aller Merkmalsträger eine sehr geringe Erfolgsaussicht haben.

Praktische Tipps Berechnung der fehlenden Werte in der TabelleFür die Errechnung der fehlenden Werte kann auch der folgende Text mit vorgegeben werden, der die einzelnen Rechenschritte ausformuliert: „Aus dem Anteil der Betroffen q2 = 0,0001 ergibt sich für q = 0,01 und für p = (1 − q) = 0,99. Der wahrscheinliche Anteil der Merk­malsträger errechnet sich dann mit 2 pq = 0,0198. Für eine solche Erkrankung sind dann also etwa 1,98 % Merkmalsträger, knapp jeder Fünfzigste. Für den jeweiligen Zahlenwert muss man nur mit der angenommenen Bevölkerungszahl von 80 Millionen multiplizieren. Es muss jetzt also überprüft werden, inwieweit die Beseitigung von Betroffenen den Genpool beein­flusst. Dazu müssen wir für die nächste Generation bedenken, dass sich die Merkmalsträger weiter fortpflanzen können. Um jetzt das q in der neuen Generation zu errechnen, zieht man von den 0,01 (q­Gesamt) die Betroffenen (entspricht 0,0001) ab (hier hat jeder zweimal q im Genotypen), also rechnen wir 0,01 − 0,0002 = 0,0098. Dann ergibt sich in der nächsten Genera­tion mit q2 ein Betroffenenanteil von 0,000096.“ Zur zeitlichen Begrenzung der Erarbeitung kann auch nur eine dritte Zeile berechnet und die Ergebnisse für die Zeile 6 vorgegeben werden. Die Diskussion kann die Berechnung nachvollziehen.

Widerspruch Elternwunsch und SelektionMit der Diskussion der Aufgabe 3 auf dem Arbeitsblatt soll der Widerspruch zwischen dem legitimen Wunsch der Eltern nach gesundem Nachwuchs und den Folgen für die Gesamt­population, die eine pränatale Selektion mit sich bringt, deutlich werden. Damit können die Schülerinnen und Schüler für die ethischen Fragen der Zukunft, die sie selbst betreffen können, sensibilisiert werden.

Zusatzinformation Ethische Aspekte der EugenikDie ethischen Aspekte der Eugenik überwiegen die naturwissenschaftlichen Begründungen. Eugeniker beziehen sich aber immer auf die Wissenschaft. Darüber hinaus haben Mediziner und Biologen immer wieder für die Eugenik argumentiert. Daher ist es wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler an diesem Beispiel üben, wie man wissenschaftliche Hypothesen prüfen kann. Das Hardy­Weinberg­Modell macht konkrete Aussagen zur Vererbung rezessi­ver Merkmale und kann daher auch genutzt werden, die Wissenschaftlichkeit der Eugenik kritisch zu prüfen.

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4 Evolution 475

4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

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[zu SB S. 274/275]

1 Erläutern Sie mithilfe der embryonalen Entwicklung von Zähnen, Haaren und Federn (Abb. 2) den Begriff Präadaptation. Zähne, Haare und Federn sind Bildungen des Hautgewebes. Haare und Federn bilden sich in Einsenkungen des oberen Hautgewebes. An der Bildung der Haare und Federn ist die untere Hautschicht beteiligt. Zähne sind das Produkt eines vom unteren Hautgewebe abgeschnürten Bläschens. Sie durchbrechen dann die obere Hautschicht. Die Grundstruktur ermöglicht die Erfüllung unterschiedlicher Funktionen (Mehrfacheignung).

2 Erklären Sie anhand von Abb. 4, um welche Form der Präadaptation es sich bei der Schwimmblase handelt. Die Schwimmblase geht aus der Fischlunge hervor. Es findet ein Funktionswechsel von der Atmung zur Auftriebsregulierung statt.

Lösungen

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[zu SB S. 275: EXTRA]

Erläutern Sie die biologische Bedeutung der Resistenzbildung bei Bakterien unter natürli­chen Bedingungen. Die Fähigkeit zur Bildung von Resistenzen gegen Antibiotika um Nahrung konkurrieren­der Bakterien und Pilze stellt einen Selektions­vorteil dar.

Präadaptation [SB S. 274/275]

So können Sie mit dem Thema arbeiten

Einstieg/Motivation LeitfrageWie entsteht durch ein Merkmal ein Selektionsvorteil?Methodenauswahl• Zeigen Sie Ihren Schülerinnen und Schülern ein Bild eines gleitenden Flugfrosches (z. B. Wal­

lace­Flugfrosch) und lassen Sie sie Vermutungen zur Entstehung dieser Fähigkeit aufstellen.• Alternativ können Sie auch direkt über das Beispiel der Antibiotikaresistenz einsteigen und

die Schülerinnen und Schüler hier von ihren Vorkenntnissen berichten lassen.

Erarbeitung • Die Schülerinnen und Schüler lesen die Seiten 274/275 im Buch und bearbeiten die Aufgaben 1 und 2 im Schülerbuch S. 275.

• Wenn Sie über die Antibiotikaresistenz eingestiegen sind, bearbeiten die Schülerinnen und Schüler zunächst das Arbeitsblatt „Die Evolution geht weiter!“ (s. Lehrerband S. 477). Im Anschluss lesen sie die EXTRA­Box im Schülerbuch S. 275 und bearbeiten die Aufgabe.

Sicherung • Besprechung der Aufgaben 1 und 2 im Schülerbuch S. 275 und Klärung des gewählten Ein­gangsbeispiels.

• Beim Einstieg über Antibiotika: Besprechung der Aufgaben auf dem Arbeitsblatt „Die Evolu­tion geht weiter!“ (s. Lehrerband S. 477) und der Aufgabe in der EXTRA­Box im Schülerbuch S. 275.

• Es bietet sich an, an dieser Stelle eine Definition für den Begriff „Präadaption“ festzuhalten und über die Problematik dieses Begriffs zu sprechen (s. Praktische Tipps und Zusatzinforma­tion, Lehrerband S. 476).

Vertiefung • Wenn nicht in der Erarbeitung erfolgt, können die Schülerinnen und Schüler das Arbeitsblatt „Die Evolution geht weiter!“ (s. Lehrerband S. 477) nun bearbeiten und die EXTRA­Box im Schülerbuch S. 275 lesen.

• Erfolgte die Erarbeitung über die Antibiotika­Resistenz, lesen die Schülerinnen und Schüler nun die Seiten 274/275 im Schülerbuch und bearbeiten die Aufgaben 1 und 2 im Schülerbuch S. 275.

• Sprechen Sie mit Ihren Schülerinnen und Schülern über weitere Beispiele der Präadaption oder lassen Sie sie nach eigenen Beispielen suchen (s. Zusatzinformation, Lehrerband S. 476).

Kompetenzerwerb Kompetenzbereiche: Der Schwerpunkt liegt auf dem Erlangen von Fachwissen und der Erkennt - nisgewinnung. Die Schülerinnen und Schüler vertiefen noch einmal ihr Wissen zu Selektions­prozessen einschließlich der zugrundeliegenden molekularbiologischen Zusammenhänge. Sie werten dabei grafische Darstellungen aus und deuten Versuchsergebnisse. Basiskonzept: Variabilität und Angepasstheit

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Exaptation — ein neuer Begriff für Präadapta-tion?Der Begriff „Präadaptation“ hat den Nachteil, dass er den Eindruck hervorrufen kann, als würden im Laufe der Evolution gezielt Merk­male entstehen, die sich irgendwann einmal als vorteilhaft erweisen. Deshalb wird in der Fachliteratur nun teilweise von Exaptation (lat. ex = aus, aptus = passend) gesprochen. Geprägt wurde dieser Begriff durch Stephen Gould und Elisabeth Vrba im Jahr 1982. Mit Exaptationen bezeichnen sie Strukturen und Merkmale, die jetzt eine andere biologische Funktion erfüllen als in der Vergangenheit. Diese Definition macht deutlich, dass neue Strukturen nie zielgerichtet und zu einem bestimmten Zweck entstehen, sondern sich zufällig als Nebenprodukte z. B. aufgrund einer Mutation ergeben.

Präadaptation an bereits bekannten und weiteren BeispielenDer Birkenspanner: Bei dem häufigen Auftreten der dunklen Form des Birkenspanners (s. Schü­lerbuch S. 256/257) spielt ebenfalls Präadaptati­on eine Rolle. Die Mutation, die zur vermehrten Produktion des Farbstoffes Melanin und somit zu der dunklen Form führt, trat auch vor dem

19. Jahrhundert immer wieder auf. Allerdings bot diese Färbung erst mit der fortgeschrittenen Industrialisierung und mit der Zunahme von dunkleren Baumstämmen aufgrund des Flech­tensterbens und der Rußablagerungen insofern einen Selektionsvorteil, als dass die dunkle Form an den Bäumen besser getarnt war (Exaptation).

Wallace­Flugfrosch: Dieser Frosch ist ein Baum­bewohner, der mithilfe seiner Häute zwischen den Zehen aus Baumkronen hinabgleiten kann. Die Flughäute sind aus Schwimmhäuten hervor­gegangen und bieten einen Vorteil bei der Flucht vor Fressfeinden, z. B. Baumschlangen.

Der Fluktuationstest von Luria und Delbrück (s. Lehrerband S. 477): Auch bei dem Fluktuati­onstest ist die bei einigen Bakterien entstan­dene Resistenz gegen die Bakteriophagen eine Präadaptation, da dieses Merkmal bereits vor dem Kontakt mit den Bakteriophagen immer wieder auftrat, dort aber noch keinen Selektions­vorteil darstellte. Dieser ergab sich erst mit dem Kontakt mit den Bakteriophagen, da diejenigen Bakterien mit der Resistenz nun überleben konn­ten (Präadaptation).

Zusatzinformation

„Übersetzung“ für PräadaptationAuch wenn Präadaptation richtig mit Voran­passung übersetzt wird (s. Schülerbuch S. 452), bietet es sich an, stattdessen von Vorangepasst­

heit zu sprechen. So wird zumindest der aktive Faktor, der in diesem Wort steckt, ins Passive verwandelt und entspricht damit eher dem evolu tiven Prozess.

Praktische Tipps

Schützende Wirkung der Resistenz-GeneEs gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, wie Resistenz­Gene ihre schützende Wirkung entfal­ten. Gemeinsam haben alle Mechanismen, dass das Bakterium durch das zusätzlich vorhandene Gen eine Veränderung im Phänotyp aufweist, durch die es in die Lage versetzt ist, trotz Vorhandensein des Antibiotikums zu überleben. In der Abbildung 1 werden die vier häufigsten Wirkmechanismen dargestellt. a) Die Bakterien können sich schützen, indem

sie den Antibiotikum­Molekülen den Eintritt in die Zelle verwehren. Das Resistenz­Gen bewirkt in diesem Fall also den Umbau einer Schleuse (Carrier­ bzw. Kanalprotein).

b) In einem anderen Fall kann es zur Neubil­dung von Carriern bzw. Pumpen kommen, die die eingedrungenen Moleküle aktiv wieder aus der Zelle entfernen.

c) Das Resistenz­Gen führt häufig zur Bildung von speziellen Enzymen, die Antibiotikum­Moleküle spalten und damit unschädlich machen.

d) Der vierte Mechanismus zeigt, dass die bak­teriellen Strukturen, die im Normalfall durch das Antibiotikum angegriffen werden, derart verändert sein können, dass das Antibioti­kum keine Angriffsfläche mehr findet.

Illustrator: Wolfgang Herzig, Essen

1 Schutzmechanismen gegen Antibiotika

Zell-membran

a b c d

geschlosseneSchleuse

Zellplasma

offeneSchleuse

Antibiotika-Molekül

Zell-wand

Pumpe

Spaltenzym

Zielmolekül gespaltenes Antibiotikum

abgewandeltes Zielmolekül

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Illustrator: Wolfgang Herzig, Essen

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Illustrator: Wolfgang Herzig, Essen

Die Evolution geht weiter!

Im Jahr 1926 entdeckte der britische Bakteriologie Sir Alexander Fleming (1881 – 1955) durch Zufall, dass der Schimmelpilz Penicillium notatum eine Substanz absondert, die Bakterien abtötet. Später fand man heraus, dass er deren Zellwand zerstört. Damit begann das Antibiotika-Zeitalter. Bereits einige Jahre später wurde der „Sieg über die Seuchen“ angekündigt – leider ein Irrtum, wie man heute weiß. Unsere wichtigste Waffe gegen bakterielle Infektionen wird zunehmend stumpf.

Anhand dieses Beispiels kann gezeigt werden, dass die Evolution keineswegs abgeschlossen ist, sondern stetig voranschreitet. Mit dem folgenden Experiment, dem sogenannten Fluktuationstest, soll die Frage beantwortet werden, wie bereits vorhandene Merkmale plötzlich zum Vorteil werden und wie dadurch Antibiotika-Resistenzen entstehen.

1 Fluktuationstest

Hypothese IDie Bakterien werden durch den Kontakt mit dem Antibiotikum resistent, d. h. sie erlangen die Fähigkeit, den Wirkstoff unwirksam werden zu lassen und geben diese Fähigkeit an ihre Nachkommen weiter.

Hypothese IIEs gab bereits vor dem Einsatz des Antibiotikums dagegen unempfindliche (resistente) Bakterien. Diese Eigenschaft beruht auf zufälligen Mutationen und zeigt sich erst beim Einsatz des Stoffes, indem die nicht resistenten Bakterien abgetötet werden und sich nur die resistenten Bakterien weiter vermehren können.

2 Hypothesen zur Resistenzentstehung

1 Beschreiben Sie die Durchführung und das Ergebnis des Fluktuationstests (Fluktuation = Schwankungen).

2 Entscheiden Sie, ob Hypothese I oder Hypothese II für den Erwerb der Antibiotikaresistenz zutrifft (Abb. 2) und begründen Sie Ihre Entscheidung.

3 Stellen Sie dar, wie das Versuchsergebnis aussehen müsste, wenn die andere Theorie korrekt wäre.

4 Erläutern Sie, dass es sich bei diesem Beispiel um Präadaptionen handelt.

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4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

ARBEITSBLATT Die Evolution geht weiter!Lösungen 1 Durchführung: Von einer Bakterienkultur, in der keine Resistenzen gegen ein bestimm­

tes Antibiotikum vorkommen, werden 100 ml auf zwei Versuchsansätze verteilt: Beim Ansatz A werden 50 ml in einem Kulturgefäß belassen. Beim Ansatz B werden 50 ml auf 10 Kulturröhrchen zu je 5 ml Lösung verteilt. Dann werden die Ansätze ca. 24 Stunden bebrütet, sodass sich die Bakterien vermehren. Danach werden vom Ansatz A jeweils Proben auf 10 Nährböden mit Antibiotikum aufgebracht, ebenso von den 10 Einzelproben von Ansatz B. Ergebnis: Bei Ansatz A sind insgesamt 43 Kolonien entstanden, die auf allen Nährböden etwa gleichmäßig verteilt sind. Bei Ansatz B sind insgesamt 44 Kolonien entstanden (also etwa gleich viele wie bei Ansatz A), allerdings ungleichmäßig verteilt; auf einige Nährböden finden sich gar keine Kolonien, während auf anderen unverhältnis­mäßig viele (bis zu 10) zu finden sind.

2 Die starke Streuung („Fluktuation“) der Anzahl resistenter Bakterienkolonien bei An­satz B widerlegt die Annahme, dass die Resistenz durch den Kontakt mit dem Antibioti­kum zustande kommt. Die resistenten Bakterien entstehen während der Vermehrungs­phase zufällig durch ungerichtete Mutationen; die unterschiedliche Anzahl resultiert aus der zufällig unterschiedlichen Häufigkeit dieses Prozesses — es trifft also eindeutig die Hypothese II zu.

3 Würde Hypothese I zutreffen, müssten die resistenten Kolonien auch bei Ansatz B auf allen Nährböden etwa gleich häufig vorkommen (wie bei Ansatz A).

4 Unter Präadaption versteht man, dass ein Merkmal zufällig durch eine ungerichtete Mutation entstanden ist und erst später einen Selektionsvorteil darstellt. Bei der Ver­mehrung der Bakterien sind eben solche zufälligen Mutationen aufgetreten. Diese stell­ten jedoch zunächst keinen Vorteil dar. In Anwesenheit eines Antibiotikums können sich jedoch die nicht­resistenten Bakterien nicht mehr vermehren und sterben ab. Die vorher zufällig entstandene Mutation stellt nun durch die Resistenz gegenüber dem Antibioti­kum einen Vorteil dar. Nach Eintreten des Selektionsfaktors (Antibiotikum) kommt es zu einer verstärkten Vermehrung der resistenten Bakterien aufgrund der fehlenden Konkur­renz durch die nicht resistente Form. Das führt zu einer Veränderung des Genpools.

Zusatzaufgabe Ordnen Sie die Hypothesen I und II jeweils begründet den Evolutionstheorien von Lamarck und Darwin zu.

Lösung:1 Instruktionstheorie: Theorie von Lamarck. Durch den inneren Drang nach Anpassung an

die Lebensbedingungen kommt es zum stärken Gebrauch bzw. Nichtgebrauch eines Kör­perteils, wodurch sich dieser stärker ausprägt bzw. zurückbildet. Diese Eigenschaft wird dann an die Nachkommen weitergegeben. Im Experiment bedeutet das, die Bakterien passen sich aktiv an das Vorhandensein des Antibiotikums an und entwickeln die Resis­tenz, die sie dann an Ihre Nachkommen weitervererben. Selektionshypothese und Theorie von Darwin: Durch zufällige Mutationen gibt es ver­schiedene Varianten aller Lebewesen. Im vorliegenden Fall entstand durch Mutationen die Resistenz gegen das Antibiotikum und damit ein Selektionsvorteil auf den Nährbö­den mit Antibiotikum. Sie konnten sich weiter vermehren, während die nicht resistenten Bakterien abstarben.

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4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

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[zu SB S. 276/277]

1 Nennen Sie die Vorteile, die Orchidee und Fal­ter durch ihren ungewöhnlichen Bau haben. Vorteil für die Pflanze: Durch exklusive Bestäu­ber wird nur arteigener Pollen übertragen. Vor­teil für den Schmetterling: Er hat eine exklusive Nahrungsquelle, die er ohne Konkurrenz durch andere Arten nutzen kann.

2 Nehmen Sie Stellung zu der Aussage, dass weder die Pflanze noch der Falter ohne die andere Art in der Evolution das lange Organ entwickelt hätte. Ein langer Sporn hätte alle potenziellen Be­stäuber ausgeschlossen. Ein langer, zerbrechli­cher Rüssel hätte ohne die exklusive Nahrungs­quelle einen Selektionsnachteil bedeutet. Die Aussage stimmt also.

3 Erläutern Sie an diesem Beispiel das Prinzip der Koevolution. Zwei Arten wirken jeweils bezüglich mindes­tens eines Merkmals als Selektionsfaktor aufeinander. Im Beispiel wirkt die Spornlänge selektierend auf die Saugrüssellänge beim Falter und die Rüssellänge auf die Spornlänge.

Lösungen

0

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4 Werten Sie das Material zu Standort und Wuchs aus. Durch die Verwebung mit der anderen Pflanze entsteht ein Tarneffekt, der die Schädigungsge­fahr durch den Falter senkt.

5 Werten Sie das Material zur Bedeutung der Nektarien aus. Die Falter zögern bei der Eiablage auf „besetz­ten“ Blättern. Die Bevorzugung freier Blätter erhöht das Nahrungsangebot der Falter­nachkommen. Die gelben Nektarien haben im Vergleich mit Eiern denselben Effekt. Die Nektarien wirken als Eiattrappen und senken die Gefahr der Schädigung durch Fraß.

6 Erstellen Sie eine Übersicht zur Koevolution von Passionsblume und Heliconiusfalter nach folgendem Muster.

0

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Bildung von Giftstoffen

Passionsblume

Nektarien als Eiattrappen

Heliconiusfalter

Eiablage auf Blättern

Resistenz gegen das Gift

Material: Koevolution [SB S. 276/277]

So können Sie mit dem Thema arbeiten

Einstieg/Motivation LeitfrageInwiefern beeinflussen sich verschiedene Arten bei ihrer evolutiven Entwicklung gegenseitig?MethodenauswahlZeigen Sie Ihren Schülerinnen und Schülern ein Bild einer Blüte (z. B. Apfel) und eines typischen Bestäubers (z. B. Biene). Alternativ eignet sich auch ein kurzes Video. Lassen Sie Ihre Schülerin­nen und Schüler die gegenseitige Bedeutung der beiden Lebewesen füreinander darstellen. Hier können Sie einen Bezug zur Ökologie herstellen (Symbiose, s. Schülerbuch S. 182).

Erarbeitung • Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten die Aufgaben 1 bis 3 im Schülerbuch S. 276.• Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten das Arbeitsblatt „Brutparasitismus beim Kuckuck“

(s. Lehrerband S. 481).

Sicherung • Besprechung der Lösungen zu den Aufgaben 1 bis 3, Schülerbuch S. 276.• Definition des Begriffs Koevolution.

Vertiefung • Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten die Aufgaben 4 bis 6 im Schülerbuch S. 276. • Sprechen Sie mit Ihren Schülerinnen und Schülern über den Einfluss von Krabbenspinnen

auf die Evolution von Schmetterling und Orchidee (s. Zusatzinformation „Beeinflussung der Evolution des Schmetterlings durch die Existenz von Krabbenspinnen“, Lehrerband S. 480).

• Diskutieren Sie mit Ihren Schülerinnen und Schülern über die Grenzen des „Wettrüstens“ bei der Koevolution (s. Praktische Tipps „Grenzen des „Wettrüstens“ bei der Koevolution“, Lehrerband S. 480).

• Sammeln Sie mit Ihren Schülerinnen und Schülern weitere Beispiele für Koevolution (s. Zusatzinformation „Weitere Beispiele für Koevolution“, Lehrerband S. 480).

• Sprechen Sie mit Ihren Schülerinnen und Schülern über Symbiose und Parasitismus als Ergebnis von Koevolution.

Kompetenzerwerb Kompetenzbereiche: Der Schwerpunkt liegt auf dem Erlangen von Fachwissen und der Erkenntnisgewinnung. Die Schülerinnen und Schüler beschreiben, analysieren und deuten Ab­bildungen, Tabellen, Diagramme sowie grafische Darstellungen unter Beachtung der untersuch­ten Größen und Einheiten. Basiskonzept: Variabilität und Angepasstheit

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NATURA_LB Qualifikationsphase_049334480 Illustrator: Wolfgang Herzig, Essen

Beeinflussung der Evolution des Schmetterlings durch die Existenz von KrabbenspinnenDer lange Saugrüssel des Schmetterlings bietet einen weiteren Selektionsvorteil, der bei der Entstehung eines langen Rüssels vermutlich eine zusätzliche Rolle gespielt haben könnte und so­mit auch erklären könnte, dass ein langer Rüssel zunächst auch ohne Orchideen mit langem Blü­tensporn einen Selektionsvorteil darstellte. Auf Blüten lauern oft gut getarnte Krabbenspinnen auf ihre Beute, Nektar trinkende Insekten, die sie dann mit ihren kräftigen Vorderbeinen packen und durch einen Biss lähmen. Ein Schmetterling mit einem langen Saugrüssel kann den Nektar im Schwirrflug aus einiger Entfernung aus den Blüten saugen, ohne dass er auf diesen landet. Dadurch ist die Gefahr geringer, eine Beute der Krabbenspinnen zu werden. Dieser Schmetter­ling hat eine höhere Überlebenswahrscheinlich­keit und kann mehr Nachkommen zeugen.

Weitere Beispiele für Koevolution• Mimikry, Nachahmung von Warnsignalen bei

Wespen und Schwebfliegen, Korallenschlan­gen

• Mimese, Nachahmung von Strukturen aus der Umwelt eines Organismus (z. B. Wandelndes Blatt)

• Parasitismus und Symbiose (s. Schülerbuch S. 181 — 183)

• Endosymbiose bei Plastiden und Mitochon­drien (s. Schülerbuch S. 312/313)

Zusatzinformation

Grenzen des „Wettrüstens“ bei der KoevolutionSprechen Sie mit Ihren Schülerinnen und Schü­lern über die Grenzen des „Wettrüstens“ bei der Koevolution. Dies bedeutet, dass sich Merkmale nur so lange ins Extreme weiterentwickeln, wie der Nutzen die Kosten übersteigt. Beim Beispiel des Schmetterlings bedeutet dies, dass ein noch

längerer Rüssel nicht mehr vorteilhaft ist, wenn er zu schwer wird und der Schmetterling somit zu viel Energie zum Fliegen aufwenden muss. Dann stellt der Rüssel also keinen Selektionsvor­teil, sondern einen Selektionsnachteil dar, und die reproduktive Fitness der jeweiligen Individuen sinkt.

Praktische Tipps

Risiken der KoevolutionErläutern Sie, dass Koevolution auch zu einem Risiko für das Überleben der beiden aneinander angepassten Arten werden kann.

LösungWenn eine Koevolution (z. B. wie bei dem Schmetterling Xanthopan und der Orchidee Angraecum) zu einer starken Spezialisierung beider Arten geführt hat, dann steht die Existenz beider Arten auf dem Spiel, wenn eine der beiden z. B. aufgrund veränderter Umweltbe­dingungen ausstirbt oder die Population stark dezimiert wird. Im Fall des Schmetterlings und der Orchidee bedeutet dies, dass bei Wegfall des Schmetterlings für die Orchidee kein Bestäuber mehr vorhanden ist und sie sich dadurch auch nicht mehr fortpflanzen kann.

Zusatzaufgabe

1 Krabbenspinne in Lauerstellung

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481© Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2019 | www.klett.de | Alle Rechte vor-behalten. Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. Die Kopiergebühren sind abgegolten.

Illustrator: Otto Nehren, Achern; Fotos: 23rf (Piotr Krzélak), Nidderau; By Per Harald Olsen ­ Own work, CC BY­SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1887345 (Per Harald Olsen), siehe *3

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Bildquellen: Wolfgang Herzig, Essen; Fotos: 123rf (Piotr Krzelak), Nidderau; By Per Harald Olsen — Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/ index.php?curid=1887345 (Per Harald Olsen), siehe *3

Brutparasitismus beim Kuckuck

Der europäische Kuckuck zeigt eine extreme Form des Brutparasitismus. Das Weibchen legt jeweils nur ein Ei in das Nest einer bestimmten Wirts-vogelart und überlässt dem Brutpaar dann die Aufzucht der Jungen. Ca. 45 Vogelarten kommen als Wirte vor, darunter Rotkehlchen, Hecken-braunellen oder Teichrohrsänger. Alle diese Vogelarten sind kleiner als der Kuckuck, bauen offene oder halboffene Nester, ernähren ihre Jung-vögel mit Insekten und sind in dem jeweiligen Gebiet häufig.

Man geht davon aus, dass der Vorfahr des Kuckucks selbst Brutfürsorge betrieben und seine Jungen ebenfalls mit Insekten ernährt hat. Im Erbeuten geeigneter Insekten für die Jungenaufzucht war er anderen Singvögeln jedoch deutlich unterlegen.

Als Wirt wählt das Kuckucksweibchen die Vogelart, bei der es selbst aufgezogen wurde. Während es nach der Begattung einige Tage das fremde Nest beobachtet, reift in seinem Eileiter das Ei heran, das in einem günstigen Moment im Nest der Wirtsvögel abgelegt wird. Gleichzeitig entfernt das Kuckucksweibchen ein Ei der Wirtsvögel aus dem Nest und frisst es. Dieses Vorgehen wiederholt das Kuckucksweib-chen bis zu 25-mal. Wird das fremde Ei von den Wirtsvögeln erkannt, wird es aus dem Nest entfernt oder das Nest wird aufgegeben. Attrappenversuche haben gezeigt, dass die Akzeptanz eines Kuckucks-eis sowohl von der Größe und Färbung als auch von der Anzahl der bereits im Nest vorhandenen Eier abhängt. Wird das Kuckucksei als erstes ins Nest gelegt oder befindet sich bereits erst ein weiteres Ei darin, dann wird das Ei entfernt oder das Nest aufgegeben. Kuckuckseier werden vor allem dann akzeptiert, wenn sich bereits schon mindestens zwei Wirtsvogeleier im Nest befinden. Wird das Ei bebrütet, schlüpft nach ca. 12 Tagen das Kuckucksküken. Kurz nach dem Ausschlüpfen befördert dies dann durch starke Bewegungen die übrigen Eier oder bereits geschlüpften Jungvögel des Wirts aus dem Nest. Es wird dann die nächsten 19 bis 24 Tage von den Wirtsvögeln ständig gefüttert.

1 Kuckuck

2 Kuckuckjunges mit Wirt

3 Eier verschiedener Kuckuckspopulationen und Wirtsarten

1 Vergleichen Sie die Eier von Kuckuck und Wirt und fassen Sie Ihre Beobachtungen zusammen.

2 Erläutern Sie, wie sich der Brutparasitismus bei den Kuckucken entwickelt haben könnte.

3 Analysieren Sie den Text und die Abbildungen 2 und 3 hinsichtlich Angepasstheiten des Kuckucks, die Brutparasitismus ermöglichen.

4 Begründen Sie, dass es sich bei den Einflüssen zwischen Kuckuck und Wirtsvogel um Koevolution handelt.

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4. 1 Vom Evolutionsgedanken zur Evolution

ARBEITSBLATT Brutparasitismus beim KuckuckLösungen 1 Beim Vergleich der Eier fällt auf, dass Kuckucke Eier produzieren, die im Hinblick auf

Größe, Form, Musterung und Farbe mit den Eiern der Wirte im Wesentlichen überein­stimmen (Eimimikry).

2 Die Urart der Kuckucke betrieb eigene Brutfürsorge. Da Kuckucksweibchen bei der Brut­fürsorge anderen Singvögeln im Hinblick auf das Erbeuten geeigneter Insekten unterle­gen waren, stellte es einen Vorteil dar, Eier aus fremden Nestern zu entnehmen und zur Aufzucht der eigenen Nachkommen zu nutzen. Dieses Verhalten stellte eine Vorstufe zum Brutparasitismus dar. Aufgrund von Rekombinationen und Mutationen traten bei den Gelegen unterschiedlich gefärbte Eier auf. Da die Wirtsvögel im Erbeuten von Insekten erfolgreicher waren, stellte dieses Verhalten einen Selektionsvorteil dar, da die Ernäh­rung der Nachkommen bei den Wirtsvögeln eher gesichert war als beim Kuckuck selbst. Auch im Verhalten der Kuckucke gab es Variationen. Einige Weibchen legten ihre Eier in fremde Nes ter. Die Wirtsvogelarten, die weiße Eier produzierten, akzeptierten die frem­den weißen Eier, Wirtsvogelarten, die gefärbte oder gesprenkelte Eier legten, akzeptier­ten häufig ähnlich gemusterte Kuckuckseier. Die Eier der Nachkommen dieser Kuckucke verfügten aufgrund der genetischen Festlegung dieser Merkmale über ähnliche Eigen­schaften. So setzte sich das Prinzip des Brutparasitismus in der Population der Kuckucke durch.

3 individuelle Lösung. Mögliche Aspekte sind:• Die Eier des Kuckucks sind den Eiern des Wirtsvogels in Größe und Färbung ähnlich.• Das Kuckucksküken schlüpft vor den Jungvögeln der Wirtsvögel, obwohl das Ei erst

später gelegt wurde. (Dies ist möglich, da sich der Kuckucksembryo bereits im Ei entwi­ckelt, während dieses noch durch den Eileiter wandert.)

• Der Jungkuckuck zeigt ein Verhalten, das die Wirtsvögel zum Füttern animiert. (An­merkung: Dies geschieht in erster Linie durch das Nachahmen der Bettelrufe der jeweiligen Wirtsvogelart. Besonders ist dabei, dass nicht der Bettelruf eines Jungvogels imitiert wird, sondern die Bettelrufe mehrerer Jungtiere, die gemeinsam betteln.)

• Das Kuckucksweibchen entfernt ein Ei aus dem Wirtsvogelnest, wodurch es weniger wahrscheinlich wird, dass das fremde Ei entdeckt wird.

• Das Kuckucksweibchen legt sein Ei in extrem kurzer Zeit (Anmerkung: ca. 10 Sekun­den) ab, sodass es dazu die kurzen Phasen, in denen der Wirtsvogel das Nest verlässt, nutzen kann.

• Die Weibchen geben die Gene zur Eigestaltung an den Nachwuchs weiter, da sie sich auch mit Männchen paaren, die von anderen Wirtsvogelarten aufgezogen wurden.

4 Der Kuckuck hat nur dann Erfolg, wenn seine Eier von den Wirtsvögeln akzeptiert wer­den. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies geschieht, ist meistens höher, wenn die Eier der Kuckucke den Eiern der Wirte ähneln. Hier gibt es also einen Selektionsdruck in Bezug auf die Ähnlichkeit der Kuckuckseier. Umgekehrt haben die Wirtsvögel nur dann einen Bruterfolg, wenn sie in der Lage sind, die fremden Kuckuckseier zu erkennen und zu entfernen. „Kritische“ Wirtsvögel hatten somit einen Selektionsvorteil und eine höhere reproduktive Fitness. Je besser die Wirtsvögel im Erkennen der fremden Eier wurden, desto wichtiger war die Ähnlichkeit der Eier. Kuckucksweibchen mit noch ähnlicheren Eiern hatten einen Selektionsvorteil. Hier liegt ein für Koevolution typisches „Wettrüsten“ vor.

Zusatzaufgabe Elterliches Investment1 Finden Sie eine Erklärung dafür, dass der Kuckuck kein eigenes Nest baut, obwohl das

Risiko für die Brut beim Brutparasitismus hoch ist.2 Findet ein Kuckucksweibchen bereits ein anderes Kuckucksei in einem Wirtsvogelnest

vor, entfernt es dieses anstatt ein Ei des Wirtsvogels. Erläutern Sie dieses Verhalten.

Lösungen:1 Das Kuckucksweibchen legt in einer Brutperiode ca. 25 Eier. Auch wenn nicht alle Eier

akzeptiert werden, überleben vermutlich mehr Jungkuckucke als die Kuckucke selbst aufziehen könnten. Dies erhöht die reproduktive Fitness der Kuckucke.

2 Die Entfernung eines fremden Kuckuckseis reduziert die intraspezifische Konkurrenz und erhöht die Überlebenschance für die eigenen Nachkommen.