4.2.3 das zweiatomige gitter - physik.uni-oldenburg.de · n-1 n n+1 n+2 n+3 n+4 un-1 un un+1 un+2...

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n-1 n+1 n n+2 n+3 n+4 u n-1 u n+1 u n+2 u n+3 u n+4 u n K a 4.2.3 Das zweiatomige Gitter Als n¨ achstes betrachten wir die eindimensionale Kette mit zwei-atomarer Basis. Hierbei gibt es prinzipiell folgende m¨ ogliche Unterschiede: 1. die Wechselwirkung zwischen den Atomen alterniert bei gleicher Masse der Atome a d C 1 C 2 2. die Masse der beiden Atome ist unterschiedlich a C M 1 M 2 3. Wechselwirkung alterniert bei unterschiedlichen Massen 101

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n-1 n+1n n+2 n+3 n+4

un-1 un+1 un+2 un+3 un+4un

K

a

4.2.3 Das zweiatomige Gitter

Als nachstes betrachten wir die eindimensionale Kette mit zwei-atomarer Basis. Hierbei gibtes prinzipiell folgende mogliche Unterschiede:

1. die Wechselwirkung zwischen den Atomen alterniert bei gleicher Masse der Atome

a

dC1 C2

2. die Masse der beiden Atome ist unterschiedlich

a

C M1 M2

3. Wechselwirkung alterniert bei unterschiedlichen Massen

101

Wir werden den ersten der aufgezahlten Falle etwas genauer diskutieren.Die Periode des Gitters sei wieder mit a bezeichnet. Der Abstand zwischen den zwei

Atomen der Basis sei d mit d ≤ a/2. somit hangt die Kraft davon ab ob der Abstand d odera− d ist. Es werden wieder nur Nachstenachbar-Wechselwirkungen berucksichtigt. So ergibtsich fur die harmonische potentielle Energie:

Eharmpot =

C1

2

∑n

[u1(na)− u2(na)]2 +C2

2

∑n

[u2(na)− u1((n+ 1)a)]2. (4.27)

Dabei bezeichnet u1 die Verschiebung des an Position na befindlichen Atoms und u2 die desAtoms an Position na + d. Es sei o.E.d.A. C1 ≥ C2. Fur die Bewegungsgleichungen ergibtsich dann:

Mu1(na) = −∂Eharm

pot

∂u1(na)= −C1[u1(na)− u2(na)]

−C2[u1(na)− u2(n− 1a)]

Mu2(na) = −∂Eharm

pot

∂u2(na)= −C1[u2(na)− u1(na)]

−C2[u2(na)− u1(n+ 1a)] (4.28)

Wir suchen wieder Losungen mit dem Ansatz:

u1(na, t) = ε1ei(Kna−ωt)

u2(na, t) = ε2ei(Kna−ωt) (4.29)

Dabei sind ε1 und ε2 Konstanten die das Amplitudenverhaltnis und die relative Phase fest-legen. Eingesetzt in die DGL:Wir benutzen wieder die Born-von Karman Randbedingungen,wie im einatomaren Fall und somit ergeben sich auch hier N Werte fur K. Setzen wir nunden Losungsansatz Gl.(4.29) in die DGL Gl.(4.28) ein, so erhalten wir:

−Mω2ε1ei(Kna−ωt) = −C1[ε1ei(Kna−ωt) − ε2e

i(Kna−ωt)]−C2[ε1ei(Kna−ωt) − ε2e

i(K(n−1)a−ωt)]−Mω2ε2e

i(Kna−ωt) = −C1[ε2ei(Kna−ωt) − ε1ei(Kna−ωt)]

−C2[ε2ei(Kna−ωt) − ε1ei(K(n+1)a−ωt)] (4.30)

mit ε2ei(K(n−1)a−ωt) = ε2e

i(Kna−ωt)e−iKa, ε1ei(K(n+1)a−ωt) = ε1e

i(Kna−ωt)eiKa und nachDividieren durch e(iKa−ωt) ergibt sich:

−Mω2ε1 = −C1[ε1 − ε2]− C2[ε1 − ε2e−iKa]

−Mω2ε2 = −C1[ε2 − ε1]− C2[ε2 − ε1eiKa] (4.31)

102

Durch Zusammenfassen nach ε1 und ε2 folgt:

[Mω2 − (C1 + C2)]ε1 + (C1 + C2e−iKa)ε2 = 0

(C1 + C2eiKa)ε1 + [Mω2 − (C1 + C2)]ε2 = 0. (4.32)

Die DGL besitzt eine Losung, wenn die Determinate der Koeffizientenmatrix verschwindet:∣∣∣∣ [Mω2 − (C1 + C2)] (C1 + C2e−iKa)

(C1 + C2eiKa) [Mω2 − (C1 + C2)]

∣∣∣∣ = 0 (4.33)

Somit ergibt sich:

[Mω2 − (C1 + C2)]2 = |C1 + C2e−iKa|2 = C2

1 + C22 + 2C1C2 cos(Ka) (4.34)

Die Dispersionsrelation fur den zweiatomigen Fall lautet dann:

ω2 =C1 + C2

M± 1M

√C2

1 + C22 + 2C1C2 cos(Ka) (4.35)

wobei fur das Amplitudenverhaltnis gelten muss:

ε2ε1

= ∓ C1 + C2eiKa

|C1 + C2eiKa|(4.36)

Wie aus der Dispersionsrelation zu erkennen ist, existieren fur jeden K-Wert zwei Losungen,was durch den zusatzlichen inneren Freiheitsgrad der Basis verstandlich ist. Das gesamteSystem besitzt also 2N Freiheitsgrade.

-1 0 1 2

(2(C1+C2)/M)1/2

(2C2/M)1/2

K/(π/a)

(2C1/M)1/2

hier existieren keine stat. Lösungen

Den unteren Ast bezeichnet man als akustischen Zweig, da er bei kleinen K-Werten diegleiche Dispersionsrelation wie akustische Wellen aufweist (ω = cK). Den oberen Ast be-zeichnet man als optischen Zweig, da sich die langwelligen Moden (kleine K-Werte) optischanregen lassen und sie die optischen Eigenschaften der Kristalle bestimmen.

Wir betrachten zwei Spezialfalle:

103

1. Fall K π/a: Hier gilt: cos(Ka) ≈ 1− (Ka)2/2. Damit ergeben sich die Losungen ausder Dispersionsrelation:

ω1 =

√2(C1 + C2)

M−O(Ka)2, (4.37)

ω2 =

√C1C2

2M(C1 + C2)(Ka) (4.38)

So ergeben sich fur den langwellig akustischen Zweig folgende Schwingungskonfigura-tion:

und langwellig optischen Zweig:

2. Fall K = π/a: Fur diesen Fall ist cos(Ka) = −1 und somit ergeben sich die folgendenLosungen:

ω1 =

√2C1

M, mit ε1 = −ε2 (4.39)

ω2 =

√2C2

M, mit ε1 = ε2 (4.40)

Hier resultieren fur den kurzwellig akustischen Zweig folgende Schwingungskonfigura-tion:

und den kurzwellig optischen Zweig:

104

4.2.3.1 Transversale Phononen

+ -

+ -+ -

+ -

+-

+-

+ -+

-

+-

+

-+

-

+

-

+

-+ -

+

-

+

-

+

-+-

Transversale optische Phononen

Transversale akustische Phononen

Hier ist eine Darstellung zur Verdeutlichung des Unterschieds zwischen transversal akusti-schen und transversal optischen Phononen zu sehen. Es wird deutlich, dass sich bei dentransversal optische Phononen zeitlich andernde Dipolmomente ausbilden, uber die das Pho-nonensystem mit elektromagnetischer Strahlung wechselwirken kann.

105

4.2.3.2 Phononen in drei Dimensionen

(a) Hier sind experimentellen Ergebnissedargestellt, die an einem Silizium-Einkristallgemessen wurden und einer Modellrechnunggegenuber gestellt sind. An den Achsen istnicht die Wellenzahl K sondern die redu-zierte Wellenzahl ζ = Ka/2π aufgetra-gen. Die Bezeichnungen im Diagramm ste-hen fur: TA transversal akustisch, TO trans-versal optisch, LA longitudinal akustisch undLO longitudinal optisch. (b) Zu den Messun-gen aus Teil (a) sind zwei Brillouin-Zonenund die entsprechenden Pfade eingezeich-net, entlang derer gemessen wurde.

4.2.4 Quantisierung einer elastischen Welle

Die Energie eines elastischen Schwingungszustandes ist gegeben als:

E =(n+

12

)~ω (4.41)

wobei 12~ω die Nullpunktsenergie ist. Wir betrachten im Folgenden das mittlere Amplituden-

quadrat der Phononen. Die Auslenkung lasst sich schreiben:

u(x, t) = u0 cos(Kx) cos(ωt) (4.42)

Die mittlere Energie teilt sich, wie in jedem harmonischen Oszillator, zur Halfte auf die kine-tische und zur Halfte in die potentielle Energie auf. Die Energiedichte lasst sich mit Hilfe der

Massendichte ρ durch 12ρ(

∂u∂t

)2angeben. Nach Integration uber das gesamte Kristallvolumen

erhalt man:

Ekin =14ρV ω2u2

0 sin2(ωt) (4.43)

106

und somit fur die zeitgemittelte Energiedichte der kinetischen Energie:

18ρV ω2u2

0 =12

(n+

12

)~ω (4.44)

aufgelost nach dem Amplitudenquadrat u20 ergibt:

u20 =

4(n+ 1

2

)~

ρV ω. (4.45)

Auf diese Weise lasst sich eine Auslenkung mit einer Phononenbesetzungszahl verknupfen.

4.2.5 Der Impuls eines Phonons

Die Phononen verhalten sich, als ob sie einen Impuls von ~ ~K besitzen wurden, wie sich ausStreuexperimenten mit Neutronen, Elektronen und Photonen ergibt. Wir zeigen im Folgen-den, dass Phononen keinen physikalischen Impuls besitzen außer im Fall K = 0. Der gesamteImpuls berechnet sich mit:

p = Md

dt

∑n

un (4.46)

Ist ein Phonon K im Kristall mit einer Anzahl von N Atomen angeregt so gilt:

p = Mdu

dt

∑n

einKa (4.47)

mitN−1∑n=0

xn =1− xN

1− x(4.48)

ergibt sich:

p = Mdu

dt

1− eiNKa

1− eiKa(4.49)

Da der Wellenvektor nur diskrete Werte K = ±2πr/Na (mit der ganzen Zahl r) annehmenkann, ergibt sich fur eiNKa = e±i2πr = 1, weshalb die rechte Seite von Gl.(4.49) Null wird:

p = Mdu

dt

∑n

einKa = Mdu

dt

1− 11− eiKa

= 0 (4.50)

Die Große ~ ~K wird als Kristallimpuls bezeichnet.Bei der elastischen Streuung von Rontgenstrahlung haben wir gesehen, dass ein Rontgen-

reflex bei Erfullung der Bedingung ~k′ = ~k + ~G, wobei ~G ein Vektor des reziproken Gittersist. Dabei wird der Impuls −~~G auf das Gitter als Ganzes ubertragen. Dieser ist aber schwernachzuweisen, da hier naturlich die gesamte Masse des Kristalls eingeht oder aber gar derApparatur, falls der Kristall starr mit dieser verbunden ist.

Wird ein Phonon mit ~K bei der Streuung erzeugt, gilt folgende Gleichung:

~k′ + ~K = ~k + ~G. (4.51)

Wird hingegen ein Phonon bei der Streuung absorbiert gilt:

~k′ = ~k + ~G+ ~K. (4.52)

107

4.3 Der phononische Anteil an der spezifischen Warme

Der phononischen Anteil der Warmekapazitat wird als Gitteranteil der WarmekapazitatCV = (∂U/∂T )V (U ist die Energie, T die Temperatur) bezeichnet Clat. Die gesamteEnergie, die das Phononensystem bei einer bestimmten Temperatur T aufnimmt, lasst sichdurch die Energiesumme uber alle Phononenzustande ausdrucken, welche durch die Pola-risationszustand p (Ast in der Dispersionsrelation) und die verschiedenen Wellenzahlen Kgegeben sind. Somit ergibt sich fur die Gesamtenergie:

U =∑K

∑p

UK,p =∑K

∑p

〈nK,p〉~ωK,p. (4.53)

Dabei bezeichnet 〈nK,p〉 die Besetzungszahl des durch K und p charakterisierten Zustandim thermischen Gleichgewicht. Da es sich bei Phononen um Bosonen handelt, verwenden wirdie Planck-Verteilung:

〈nK,p〉 =1

e~ω

kBT − 1(4.54)

Die folgende Abbildung zeigt die Zunahme der angeregten Zustande mit steigender Tem-peratur:

0 1 2 3 4-0.50.00.51.01.52.02.53.03.54.04.5

n

x=kBT/ ω

Das Verhaltnis der Zahl von thermisch angeregten Oszillatoren im Quantenzustand (n+ 1)zu der im Zustand n entspricht dem Boltzmann-Faktor:

Nn+1

Nn= e

− ~ωkBT (4.55)

Betrachtet man die Anzahl der im Zustand n befindlichen Oszillatoren im Verhaltnis zu allenangeregten Oszillatoren so ergibt sich:

Nn∑∞s=0Ns

=e−n~ω/kBT∑∞s=0 e

−s~ω/kBT(4.56)

108

Es ergibt sich damit fur die im Mittel angeregten Zustande:

〈n〉 =∑

s se−s~ω/kBT∑

s e−s~ω/kBT

(4.57)

Zahler und Nenner der rechten Seite lassen sich mit:∑s

xs =1

1− x,

∑s

sxs = xd

dx

∑s

xs =x

(1− x)2(4.58)

umschreiben. Setzt man x = e−~ω/kBT folgt aus Gl.(4.56):

〈n〉 =∑

s sxs∑

s xs

=x(1− x)(1− x)2

=x

(1− x)=

e−~ω/kBT

1− e−~ω/kBT

=1

e~ω/kBT − 1(4.59)

4.3.1 Abzahlen der Eigenschwingungen

Setzt man nun die Planck-Verteilung in die Gl.(4.53) ein so, ergibt sich fur die Energie desPhononensystems:

U =∑K

∑p

~ωK,p

e~ωK,p/kBT − 1. (4.60)

Etwas allgemeiner lasst sich die Summe durch ein Integral ersetzen, wobei die Zustandsdichteder Phononen mit einer bestimmten Polarisation p mit Dp(ω) bezeichnet ist:

U =∑

p

∫Dp(ω)

~ωe~ω/kBT − 1

dω. (4.61)

Die spezifische Warmekapazitat erhalt man durch Differenzieren ∂U∂T der Energie nach der

Temperatur:

Clat =∂U

∂T= kB

∑p

∫Dp(ω)

(~ω

kBT

)2e~ω/kBT

(e~ω/kBT − 1)2dω. (4.62)

Die Schwierigkeit bei der Auswertung dieser Gleichung besteht in der Bestimmung der Zu-standsdichte Dp(ω).

4.3.1.1 Die Zustandsdichte im Eindimensionalen

L

n=0 n=14

Festgehalten

aun

109

Wir betrachten eine Kette aus N + 1 Atomen mit dem Abstand a und der Lange L.Werden die beiden außeren Atome festgehalten, ergeben sich nur stehende Wellen fur dieAuslenkungen un der Atome als Losungen:

un = u0e−iωK,pt sin(nKa) (4.63)

dabei ist ωK,p fur eine bestimmte Polarisation p mit uber die entsprechende Dispersionsrela-tion mit K verbunden. Durch die Randbedingung ergeben sich nur bestimmte Werte fur dieWellenzahl K:

K =π

L,2πL,3πL,4πL, . . . ,

(N − 1)πL

(4.64)

Betrachten wir nun die beiden extremen K-Werte. Es ergibt sich fur den minimalen K-Wert,K = π

L , die Losung:

un ∝ sin(nπaL

), (4.65)

welche die Forderung erfullt, dass u0 = 0 und uN = 0 ist. Fur den maximalen Wert vonK = Nπ

L = Kmax ergibt sich

un ∝ sin(nπ). (4.66)

Hier stehen alle Atome still, da sie alle auf den Knoten liegen. Somit ergeben sich N − 1erlaubte verschiedene Werte fur K. Alle K-Werte dazwischen besitzen den selben Abstand∆K = π/L. Damit lasst sich eine Zustandsdichte pro Wellenzahl K von L/π fur K ≤ π/aund 0 fur K > π/a angeben. Berucksichtigen wir die unterschiedlichen Polarisationen imEindimensionalen so ergeben sich fur jede Wellenzahl drei Polarisationen (eine longitudinalund zwei transversal).

Wir wollen die Zustandsdichte D(ω) auf ein Frequenzintervall von Eins beziehen. Somitergibt sich fur die Anzahl der Zustande im Interval dω um die Frequenz ω:

D(ω)dω =L

π

dK

dωdω =

L

π

dωdωdK

(4.67)

dabei bezeichnet dωdK die Gruppengeschwindigkeit, welche der Dispersionsrelation entnommen

werden kann. Daraus folgt, dass die Zustandsdichte immer dann eine Singularitat aufweist,wenn die Gruppengeschwindigkeit verschwindet, wenn also die Dispersionsrelation ω(K) einehorizontale Tangente aufweist.

interessante physikalische Effekte auftreten, wie z.B. die Peierls-Instabilitatbei eindimensionalen Metallen.

110

4.3.1.2 Die Zustandsdichte im Dreidimensionalen

Kx

Ky

π/a

K

Die Argumentation verlauft analog zum Eindimensionalen. Wir betrachten periodischeRandbedingungen aus N3 Einheitszellen eines kubischen Gitters mit der Kantenlange L.Damit gilt fur ~K:

ei(Kxx+Kyy+Kzz) = ei(Kx(x+L)+Ky(y+L)+Kz(z+L)). (4.68)

So ergeben sich die folgenden moglichen Werte fur die einzelnen Komponenten von K:

Kx,Ky,Kz = 0,±2πL,±4π

L, . . . ,±Nπ

L(4.69)

Somit ergibt sich genau ein Wert von ~K in einem Volumen(

2πL

)3im K-Raum. Oder anders

ausgedruckt: (L

)3

=V

8π3(4.70)

erlaubte K-Werte pro Einheitsvolumen im K-Raum (L3=V). Auch hier muss die Zahl nochmit den verschiedenen Polarisationen multipliziert werden.

Um die Gesamtzahl der Zustande mit einer Wellenzahl kleiner als | ~K| zu bestimmen, wirddie Anzahl der Zustande pro Einheitsvolumen Gl.(4.70) mit dem Volumen einer Kugel mitRadius K multipliziert:

N =(L

)3 4πK3

3(4.71)

111

wieder fur jede Polarisation. Somit betragt die Zustandsdichte fur jede Polarisation:

D(ω) =dN

dω=V K2

2π2

dK

dω(4.72)

4.3.1.3 Das Debye-Modell der Zustandsdichte

Vereinfachende Annahmen bei niedrigen Temperaturen:

1. Bei der Betrachtung bei niedrigen Temperaturen konnen die optischen Moden auch beiKristallen die eine mehratomige Basis besitzen vernachlassigt werden, da ihre Frequenznach unten begrenzt ist und somit nicht angeregt werden.

2. Es ist moglich die Dispersionsrelation ω( ~K) der drei akustischen Zweige durch die Formbei großen Wellenlangen annahern ω = cK. Dies ist korrekt, wenn kBT/~ deutlichkleiner ist als die Frequenzen, bei denen eine Abweichung von dem linearen Verhaltenauftritt.

3. Das Integral uber die erste Brillouin-Zone kann durch ein Integral uber den gesamtenk-Raum angenahert werden. Die Naherung ist gut, da der Integrand nur dann nichtvernachlassigbar klein ist, wenn ~cK die Großenordnung von kBT hat — was nur inder Nahe von K = 0 bei niedrigen Temperaturen der Fall ist.

Wie oben unter Punkt 2 erwahnt, nehmen wir eine lineare Dispersionsrelation wie beikontinuierlichen Medien an:

ω = vK, (4.73)

wobei v die Schallgeschwindigkeit in dem Medium ist. Somit ergibt sich fur die Zustands-dichte nach Gl.(4.72):

D(ω) =V ω2

2π2v3(4.74)

Sind andererseitsN Elementarzellen in der Probe vorhanden, so ist die Gesamtzahl der akusti-schen Phononenzustande ebenfalls N . Daraus kann mit Gl.(4.71) eine maximale WellenzahlKD angegeben werden, die man in der Probe antreffen kann:

KD = 3

√6π2N

V(4.75)

und mit dem Zusammenhang ω = vK ergibt sich auch eine maximale Frequenz:

ωD = 3

√6π2v3N

V. (4.76)

Somit sind im Debye-Modell keine Schwingungszustande mit K > KD zugelassen. DieAnzahl der Zustande mit K ≤ KD entspricht der des einatomigen Gitters. Die ThermischeEnergie U ergibt sich nach Gl.(4.61) fur jede Polarisation zu:

U =∫D(ω)〈n(ω)〉~ωdω =

∫ ωD

0

(V ω2

2π2v3

)(~ω

e~ω/kBT − 1

)dω. (4.77)

112

Wird vereinfachend angenommen, dass alle Ausbreitungsgeschwindigkeiten der unterschied-lichen Polarisationen gleich sind ergibt sich einfach der Faktor drei fur alle Polarisationen.Somit erhalt man:

U =3V ~2π2v3

∫ ωD

0

(ω3

e~ω/kBT − 1

)dω =

3V k4BT

4

2π2v3~3

∫ xD

0

x3

ex − 1dx. (4.78)

mit x = ~ω/kBT und xD = ~ωD/kBT = θ/T . Die Große θ = ~ωD/kB wird als Debye-Temperatur bezeichnet. Sie lasst sich auch wie folgt ausdrucken:

θ =~vkB

3

√6π2N

V. (4.79)

So dass sich damit fur die Phononenenergie ergibt:

U = 9NkBT

(T

θ

)3 ∫ xD

0

x3

ex − 1dx. (4.80)

Die spezifische Warmekapazitat erhalt man durch differenzieren der Gl.(4.78):

Cv =3V ~

2π2v3kBT 2

∫ ωD

0

(ω4e~ω/kBT(e~ω/kBT − 1

)2)dω = 9NkB

(T

θ

)3 ∫ xD

0

x4ex

(ex − 1)2dx. (4.81)

Spezifische Warmekapazitat berechnet nach dem Debye-Modell

Fur Werte T θ erreicht die Warmekapazitat ihren klassischen Wert 3NkB (Dulong-Petit).

113

Experimentell bestimmte spezifische Warmekapazitat fur Silizium und Germanium

4.3.1.4 Debyesches T 3-Gesetz

Bei tiefen Temperaturen kann die Phononenenergie aus Gl.(4.80) nahern, dabei wird dieIntegration bis ωD durch eine Integration bis unendlich genahert:

∫ xD

0

x3

ex − 1dx ≈

∫ ∞

0

x3

ex − 1dx =

∫ ∞

0x3

∞∑n=1

e−nxdx = 6∞∑

n=1

1n4

=π4

15. (4.82)

Somit gilt im Falle T θ:

U ' 3π4NkBT4

5θ3(4.83)

und somit ergibt sich fur die spezifische Warmekapazitat:

Cv '12π4

5

(T

θ

)3

NkB ' 234NkB

(T

θ

)3

(4.84)

Dies wird als Debyesche T 3-Naherung bezeichnet.

Experimentell bestimmte spezifische Warmekapazitat fur Argon bei tiefen Temperaturen

114

Fur Argon ist θ =92K. Fur die meisten Stoffe gibt es nur bis zu eine Temperatur vonT < θ/50 eine gut Ubereinstimmung mit dem Debyeschen T 3-Gesetz.

Anschaulich verstehen lasst sich das Debyeschen T 3-Gesetz mit folgendem Bild:

Ky

KxKT

KD

115

Bei niedrigen Temperaturen ist der K-Raum nur zu einem Bruchteil von ca. (ωT /ωD)3 bzw.(KT /KD)3 gefullt, deshalb konnen die angeregten Zustande mit annahernd T 3 zunehmen.

4.3.1.5 Das Einstein-Modell der Zustandsdichte

In Einsteins Naherung (1907) tragt jeder optische Zweig mit einer festen Anzahl N anZustanden bei. Es ergibt sich fur die Energie der Phononen:

U = N〈n〉~ω =N~ω

e~ω/kBT − 1. (4.85)

Damit ergibt sich fur die Warmekapazitat nach Einstein:

CV =(∂U

∂T

)V

= NkB

(~ωkBT

)2 e~ω/kBT

(e~ω/kBT − 1)2. (4.86)

Bei hohen Temperaturen nimmt die Spezifische Warmekapazitat einen konstanten Wert3NkB an. Bei tiefen Temperaturen fallt sie allerdings mit e−~ω/kBT . Dies widerspricht demExperimentell beobachteten T 3-Gesetz.

Vergleich der Zustandsdichten nach dem Debye-Modell (a) und der einestatsachlichen Kristalls (b)

116

Werte der Debye-Temperatur und die Warmeleitzahl fur einige Elemente

I II III IV V VI VII VIII

H He

Li3440,85

Be14402,00

Debye-Temperatur θ/KWarmeleitzahl

B

0,27

C22301,29

N O F Ne75

Na1581,41

Mg4001,56

Al4282,37

Si6451,48

P S Cl Ar92

K910,58

Ca230

Sc3600,16

Ti4200,22

V3800,31

Cr6300,94

Mn4100,08

Fe4700,80

Co4451,00

Ni4500,91

Cu3434,01

Zn3271,16

Ga3200,41

Ge3740,60

As2820,50

Se900,02

Br Kr72

Rb560,58

Sr147

Y2800,17

Zr2910,23

Nb2750,54

Mo4501,38

Tc

0,51

Ru6001,17

Rh4801,50

Pd2740,72

Ag2254,29

Cd2090,97

In1080,82

Snw

2000,67

Sb2110,24

Te1530,02

I Xe64

Cs380,36

Ba110

Laβ1420,14

Hf2520,23

Ta2400,58

W4001,74

Re4300,48

Os5000,88

Ir4201,47

Pt2400,72

Au1653,17

Hg71,9

Tl78,50,46

Pb1050,35

Bi1190,08

Po At Rn

Fr Ra Ac

4.3.1.6 Vergleich zwischen Phononen und Photonen

Was muss geandert werden, wenn man von Phononen zu Photonen ubergeht?

117

1. Die Schallgeschwindigkeit muss durch die Lichtgeschwindigkeit ersetzt werden.

2. Die Formel fur die Energiedichte der Schwarzkorperstrahlung enthalt den Faktor 2/3gegenuber der fur Phononen, da ein Photonen-Spektrum nur zwei transversale undkeinen longitudinale Mode aufweist (elektromagnetische Strahlung).

3. Die obere Grenze des bestimmten Integrals ist nicht ωD sondern unendlich, da es keineBeschrankung der Frequenz fur Photonen gibt.

Der Vergleich im Detail:Phononen Photonen

Anzahl der Normal-schwingungen

3p Moden fur jedes ~K ω = ωs( ~K) zwei Moden fur jedes ~k ω = ck(c = 3 · 108m/s)

Beschrankung des Wel-lenvektors

~K auf die erste Brillouin-Zone be-schrankt

~k unbeschrankt (beliebig)

Thermische Energiedich-te

∑s

∫ π/a0

1(2π)3

~ωs( ~K)

eβ~ωs( ~K)−1d ~K 2

∫∞0

1(2π)3

~ckeβ~ck−1

dk

4.4 Streuung an zeitlich veranderlichen Strukturen —Phononen-Spektroskopie

Zur Betrachtung der Streuung von Wellen an Phononen gehen wir von Gl.(2.22) auf Seite41 aus:

AB( ~B, t) ∝ e−iω0t

∫ρ(~r)ei~r(t)· ~Kd~r (4.87)

Um die Betrachtung einfach zu halten, gehen wir von einer einatomigen Basis mit δ-artigenStreuern ρ(~r, t) ∝

∑n δ(~r − ~rn(t)) aus:

AB( ~B, t) ∝ e−iω0t∑

ei~rn(t)· ~K . (4.88)

Nun lasst sich der zeitabhangig Ort des Streuers ~rn(t) durch den Gittervektor ~rn und dieAuslenkung aus der Ruhelage ~un(t):

~rn(t) = ~rn + ~un(t). (4.89)

Somit ergibt sich:

AB( ~B, t) ∝∑

ei~rn· ~Kei~un(t)· ~Ke−iω0t. (4.90)

Fur kleine Auslenkungen ~un(t) lasst sich die Exponentialfunktion entwickeln:

AB( ~B, t) ∝∑

ei~rn· ~K [1 + i~un(t) · ~K . . .]e−iω0t. (4.91)

Setzen wir fur die Auslenkungen ~un(t) ebene Wellen an:

~un(t) = ~u1√Me±i~rn·~q−ω(~q)t. (4.92)

118

Durch Einsetzen erhalten wir neben den Termen der elastischen Streuung auch die der in-elastischen:

Ainel( ~B, t) ∝∑

n

ei(~K∓q)·~rni ~K · ~u 1√

Mei[ω0±ω(~q)]t. (4.93)

Es ergibt sich eine Streuwelle, deren Frequenz gerade um die Frequenz ω bezogen auf diePrimarwelle verschoben ist. Es ist klar, dass die Amplitude nur dann von Null verschiedenist, wenn

ω = ω0 ± ω(~q) (4.94)~K ∓ ~q = ~k − ~k0 ∓ ~q = ~G (4.95)

gilt. Multipliziert man beide Seiten mit ~ so ergibt sich

~ω − ~ω0 ± ~ω(~q) = 0 (4.96)~ ~K ∓ ~~q − ~~G = ~~k − ~~k0 ∓ ~~q − ~~G = 0 (4.97)

Diese beiden Gleichungen lassen sich als die Energie- und Impulserhaltung im klassischenSinne interpretieren. Wobei ~q der Quasiimpuls eines Teilchens — Phonons — ist.

4.4.1 Vergleich Neutronen- und Photonen-Spektroskopie

Der Zusammenhang zwischen Energie und Impuls bei Neutronen und bei Photonen:

Neutronen

En =p2

2Mn, Mn = 1838, 65me = 1, 67 · 10−24g. (4.98)

Photonen

Eγ = pc, c = 2, 99792 · 108m/s. (4.99)

119

100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 101010-2010-1810-1610-1410-1210-1010-810-610-410-2100102104106

Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Analysemethoden besteht in der Tatsache,dass bei Vergleichbaren Energien die Neutronen deutlich mehr Impuls transportieren undsomit auch Anregungen am Rand der Brillouin-Zone ermoglichen. Photonen konnen hier nuruber so genannte virtuelle Zustande wechselwirken.

4.4.2 Die Raman-Spektroskopie

Betrachtet man sich die Frequenzen des sichtbaren Lichts, das bei der Raman-Spektroskopieverwendet wird:

2k0 =4πλ≈ 2 · 10−3A

−1 (4.100)

so wird klar, dass diese nur etwa 1/1000 des reziproken Gittervektors darstellt, d.h. es werdennur Phononen tief im Inneren der Brillouin-Zone angeregt.

Eine einfallende Welle E0 erzeugt uber den Suszeptibilitatstensor χ eine Polarisation ~P inMaterie:

~P = ε0χ ~E0 (4.101)

Diese sich zeitlich andernde Polarisation fuhrt zur Abstrahlung einer Welle. Nach der Elektro-dynamik ergibt sich pro Festkorpervolumen in Richtung ~s abgestrahlte Energiestromdichte(Pointing-Vektor) ~S im Abstand r:

~S(t) =ω4P 2 sin2(θ)16π2ε0r2c3

~s. (4.102)

Dabei bezeichnet θ den von der Beobachtungsrichtung und der Schwingungsrichtung ~P ein-geschlossene Winkel. Durch die bei Phononen entstehende Auslenkung der Atome bezuglich

120

ihrer Ruheposition beeinflusst die Suszeptibilitat. Die Anderung der Suszeptibilitat bei einerAuslenkung der Atome aus ihrer Ruheposition lasst sich entwickeln:

χ = χ0 +(∂χ

∂u

)u (4.103)

Da nur Wellenzahlen q in der Nahe von Null betrachtet werden lasst sich vereinfacht schreibenu = u0 cos(ω(~q)t) und fur das elektrische Feld der einfallenden Welle E0 = E00 cos(ω0t).Somit ergibt sich fur die Polarisation, wenn man beides in Gl.(4.101) einsetzt:

~P = ε0χ0E00 cos(ω0t) + ε0∂χ

∂uu0 cos(ω(~q)t)E00 cos(ω0t)

= ε0χ0E00 cos(ω0t) +

+ε0∂χ

∂uu0E00 cos([ω0 + ω(~q)]t) + cos([ω0 − ω(~q)]t) (4.104)

Das abgestrahlte Licht enthalt neben dem elastischen Anteil mit der Frequenz ω0 (durchRayleigh-Streuung) die so genannten Raman-Seitenbanden mit ω0±ω(~q). Dabei wurde beimZustandekommen der Linie ω0−ω(~q) ein Phonon erzeugt (Stokes-Linie) und bei der ω0+ω(~q)ein Phonon vernichtet (Anti-Stokes-Linie).

Schematische Darstellung der Verhaltnisse

Experimenteller Aufbau zu Raman-Spektroskopie

121

4.4.3 Die Neutronen-Spektroskopie

Bei der Neutronen-Spektroskopie werden thermische Neutronen aus einem Kernreaktor nachdem Durchlaufen durch eine Monochromator zur Streuung auf die probe geleitet. Es werdenthermische Neutronen verwendet, da diese ein gunstiger Impuls/Energie-Verhaltnis besitzen,welches zu dem der Phononen passt. Somit kann die gesamte Brillouin-Zone abgetastetwerden. Es werden so genannte Dreiachsenspektrometer verwendet. Die Achsen sind:

1. Um eine bestimmte Energie des einfallenden Strahls zu selektieren, muss die die Probemit Analysator und Detektor um eine Achse im Zentrum des Monochromator gedrehtwerden.

2. Um die Probe unter verschiedenen Winkel zu treffen, muss der Analysator und derDetektor auch noch um die Achse durch die Probe gedreht werden konnen.

3. Um schließlich eine bestimmte Energie zu detektieren, muss der Detektor um die Achsedurch den Analysator gedreht werden konnen.

Die verwendeten Komponenten sind:

Neutronenquelle Es kommt entweder einen Hochflussreaktor, ein Beschleuniger oder eineSpallationsquelle (Kernzertrummerung, gepulst) zum Einsatz.

Monochromator/Analysator Hier wird ein bekannter Einkristall verwendet bei dem dieBragg-Reflexion ausgenutzt wird, um eine Energie auszuwahlen (großer Verlust anFluss).

Detektor Es wird ein Szintillator mit Photomultiplier eingesetzt.

122

Schematischer Aufbau eines Dreiachsenspektrometers

Kernreaktor

Monochromator

Probe

Analysator

Detektor

Darstellung eines Dreiachsenspektrometers

123

4.5 Effekte anharmonischer Gitterwechselwirkung

Konsequenzen harmonischer Wechselwirkung in Kristallen:

• Zwei Phononen beeinflussen sich nicht gegenseitig. Sie laufen ungestort durch einanderhindurch.

• Es gibt keine Warmeausdehnung.

• Adiabatische und isotherme elastische Konstanten sind gleich.

• Die elastische Konstanten sind von Druck und Temperatur unabhangig.

• Die Warmekapazitat wird bei hohen Temperaturen (T > θ) konstant.

4.5.1 Die Warmeausdehnung

wir hatten die Wechselwirkung zwischen den Atomen eines Gitters als harmonisch genahert.Damit lasst sich die Warmeausdehnung nicht verstehen. So nehmen wir auch noch hohereTerme fur die Wechselwirkungsenergie mit hinzu. Die Wechselwirkungsenergie hange folgen-dermaßen vom Abstand x der Atome bei 0K ab:

U = cx2 − gx3 − fx4 (4.105)

Dabei sind c, g und f positive Konstanten. Der x3-Term gibt die Asymmetrie des Potentialswieder.

Der Mittelwert des Abstandes zweier Atome in diesem Potential lasst sich mit Hilfe desBoltzmann-Faktors berechnen:

〈x〉 =

∫ +∞−∞ xe

−U(x)kBT dx∫ +∞

−∞ e−U(x)

kBT dx(4.106)

Bei kleinen Auslenkungen lassen sich die Integranden wieder nahern:∫ +∞

−∞xe

−U(x)kBT dx ≈

∫ +∞

−∞e− cx2

kBT

(x+

gx4

kBT+fx5

kBT

)dx

mit egx3

kBT+ fx4

kBT ≈ 1 +gx3

kBT+fx4

kBT+ · · ·

=3√π

4g√c5

√(kBT )3, (4.107)∫ +∞

−∞e−U(x)

kBT dx ≈∫ +∞

−∞e− cx2

kBT =

√πkBT

c.

Und hieraus ergibt sich fur die Warmeausdehnung im klassischen Bereich:

〈x〉 =3g4c2

kBT. (4.108)

124

Gitterkonstante von festem Argon uber der Temperatur

Der lineare Warmeausdehnungskoeffizient ist dann schließlich wie folgt definiert:

α =1l

dl

dT(4.109)

Bei isotropen Medien ist der Volumenausdehnungskoeffizient gerade das Dreifache des linea-ren Ausdehnungskoeffizienten:

αV = 3α =1V

dV

dT(4.110)

Es lasst sich zeigen (Genaueres in Ashcroft/Mermin oder Ibach/Luth), dass der Ausdeh-nungskoeffizient bei niedrigen wie auch bei hohen Temperaturen die gleiche Temperatu-rabhangigkeit — T 3 bzw. konstant — wie die spezifische Warme hat.

4.5.2 Die Warmeleitung

Phononen konnen nur an:

• an Kristallfehlern,

• an den Oberflachen des Kristalls

• oder an anderen Phononen

streuen.Bei einer harmonischen Gitterwechselwirkung ware die Wechselwirkung unter den Phono-

nen nicht moglich. Die mittlere freie Weglange l ist der Weg den die Phononen im Mittel

125

zwischen zwei Streuprozessen zurucklegen. Die mittlere freie Weglange l nimmt mit stei-gender Temperatur ab. Dies lasst sich damit erklaren, dass bei hoheren Temperaturen mehrPhononen angeregt sind und somit die Streuwahrscheinlichkeit erhoht ist. Fall hoher Tempe-raturen gilt l ∝ 1/T , da hier die Anzahl der angeregten Zustande proportional zur Temperaturist.

So folgt aus einem klassischen Ansatz fur die Warmeleitzahl, den Anteil des Phononensy-stems:

λ =13cvsρl

[J

s m K

]=[

W

m K

], (4.111)

wobei c die Warmekapazitat, vs die Schallgeschwindigkeit, ρ die Dichte des Materials und ldie mittlere freie Weglange. Da bei niedrigen Temperaturen die Zunahme der Warmekapazitatund bei hohen Temperaturen die Abnahme der mittleren freien Weglange das Verhaltendominiert ergibt sich folgendes Bild:

Warmeleitzahl von hochreinem NaCl uber derTemperatur

Soll nun Warme durch das Phononensystem von einer Seite eines Kristalls auf die anderetransportiert werden sind eine wesentliche Voraussetzungen zu erfullen:

Die Phononen mussen lokal thermalisieren, da es sonst nicht moglich ist zwei unterschied-liche Temperaturen an den unterschiedlichen Enden des Kristalls zu definieren.

Dieses Thermalisieren kann allerdings nicht durch Stoßprozesse mit Kristallfehlern odermit der Kristalloberflache erfolgen, da hierbei keine Energie umverteilt wird. Das gestreutePhonon hat vor und nach dem Streuprozess noch die selbe Energie.

126

Allerdings auch Drei-Phononenprozesse

~K1 + ~K2 = ~K3 (4.112)

fuhren nicht zu einer Thermalisierung. Der Gesamtimpuls des Phononensystems andert sichhierbei nicht.

Eine Storung des thermischen Gleichgewichts bewegt sich mit konstanterDriftgeschwindigkeit durch den Kristall ohne zu thermalisieren.

Der Gesamtimpuls

~J =∑

~K

n ~K~ ~K (4.113)

bleibt hier ~K3− ~K1− ~K2 = 0 erhalten. n ~K ist die Anzahl der Phononen mit dem Wellenvektor~K.

Auf diese Art wurde sich nur eine Phononenquelle auf der einen Seite undeine Phononensenke auf der anderen Seite ergeben, wenn auf der einenSeite Phononen durch Strahlungabsorption erzeugt und auf der anderenSeite durch Strahlungsemission wieder vernichtet werden.

Problem!

4.5.3 Umklapp-Prozesse

Rufen wir ins Gedachtnis, dass auch ein Impuls an das Gitter ubertragen werden kann. Somitlasst sich der fur die Warmeleitung relevante Prozess durch

~K1 + ~K2 = ~K3 + ~G (4.114)

beschreiben. Dabei stellt ~G wieder den reziproken Gittervektor dar. Diese Prozesse wurdenvon Peierls entdeckt und werden Umklapp-Prozesse genannt.

127

Kx

Ky

K3K2

K1

Normal-Prozess

Kx

Ky

K2

K3K1+K2

K1

G

Umklapp-ProzessBeim Umklapp-Prozess reicht der Wellenvektor des erzeugten Phonons aus der ersten Bril-louin.Zone heraus. Die beiden beteiligten Phononen mussen einen ausreichend große Wel-lenvektor aufweisen.

4.5.4 Abschließende Bemerkungen zu Phononen

Regt man Phononen auf einer Seite des Kristalls an und beobachtet in welcher raumlichenVerteilung die Phononen auf der gegenuberliegenden Seite des Kristalls ankommt, so kannman auf de interne Struktur des Kristalls zuruck schließen, d.h. auf den Kristallaufbau schlie-ßen und sogar defekte abbilden. Einige Beispiele fur die raumlichen Verteilungen:

128

Verteilung bei Quarz

Verteilung bei Silizium bei einer [111]-Flache

129

Verteilung bei Gallium-Arsenid

TA-Mode1 TA-Mode2

130

Verteilung bei Gallium-Arsenid

131

5 Elektronen in Festkorpern

5.1 Das freie Elektronengas

Bei dieser Vorstellung werden Elektronen als frei verschiebbar zwischen den Atomrumpfenangesehen, als eine Art von Gas mit einer entsprechenden Energieverteilung (Boltzmann),das den Zwischengitterraum isotrop auffullt.

5.1.1 Das Drude-Modell(1900)

Atom

Kern

Rumpfelektronen

ValenzelektronenFestkörper

Die Dichte der Elektronen lasst sich leicht abschatzen:

n =N

V= Z

ρm

AL. (5.1)

Dabei bezeichnet Z die Zahl der Valenzelektronen, ρm die Massendichte, A das Atomgewichtund L die Loschmidtzahl/Avogadro-Konstante (=6, 02214 · 1023mol−1). Damit ergibt sichz.B. fur n einen Bereich von 1022cm−3 (Casium) bis 2 · 1023cm−3 (Beryllium).

Mit diesem Modell lasst sich recht einfach die elektrische und thermische Leitfahigkeitabschatzen.

132

5.1.1.1 Die elektrische Leitfahigkeit im Drude-Modell

~j = σ ~E = |e|n~v (5.2)

~j bezeichnet die Stromdichte, σ die elektrische Leitfahigkeit, ~E das elektrische Feld, e dieElementarladung, n die Ladungstragerkonzentration und ~v die Geschwindigkeit der Ladungs-trager.

Die Geschwindigkeit, welche die Elektronen erreichen im Mittel erreichen, lasst sich durcheine Zeit abschatzen, die den Elektronen gegeben wird um im elektrischen Feld beschleunigtzu werden.

~vm = −e~Eτ

m(5.3)

Somit ergibt sich fur die Stromdichte mit Gl.(5.2):

~j =(ne2τ

m

)~E (5.4)

und so ergibt sich fur die Leitfahigkeit σ

σ =ne2τ

m(5.5)

Die Beziehung fur die elektrische Leitfahigkeit lasst sich umkehren, um aus der Bestimmungder Leitfahigkeit auf die Relaxationszeit zuruck zu schließen:

τ =mσ

ne2(5.6)

Typische Werte fur die Relaxationszeit bei Raumtemperatur liegen in einem Bereich zwischen10−14s bis 10−15s.

5.1.1.2 Hall-Effekt und Magnetwiderstand

HEx

EEyy jx++++++++++++++

- - - - - - - - - - - - - -

Wenn sich Elektronen in einem Magnetfeld bewegen erfahren sie die Lorentz-Kraft:

FL = −ec~v × ~H (5.7)

Im Wesentlichen sind zwei Großen von Interesse, um den Hall-Effekt zu charakterisieren:

133

Der Magnetwiderstand

ρ(H) =Ex

jx(5.8)

Der Hall-Koeffizient

RH =Ey

jxH(5.9)

Um diese Großen im Drude-Modell ausdrucken zu konnen, betrachten wir zunachst die auf-tretenden Stromdichten ~jx und ~jy. Die auf jedes Elektron wirkende ortsunabhangige Kraft~f lasst sich wie folgt ausdrucken:

~f = −e( ~E + ~v ×~H

c) (5.10)

Damit ergibt sich fur den Impuls des Elektrons:

d~p

dt= −e( ~E +

~p

mc× ~H)− ~p

τ(5.11)

Hierbei stellt der Ausdruck in der Klammer den Impulszuwachs durch die externen Felderund der rechte Term die Relaxation auf den Gleichgewichtswert dar. Im Stationaren zustandmuss fur die einzelnen Komponenten gelten:

0 = −eEx − ωcpy −px

τ

0 = −eEy + ωcpx −py

τ(5.12)

wobei ωc = eHmc ist. Multiplizieren wir diese Gleichungen mit −neτ

m so folgt:

σ0Ex = ωcτjy + jx (5.13)σ0Ey = −ωcτjx + jy (5.14)

dabei bezeichnet σ0 die Gleichstromleitfahigkeit des Drude-Modells ohne Magnetfeld. DasHall-Feld ist dadurch bestimmt, dass der transversale Strom jy verschwindet. Durch Nullsetzen der Stromdichte jy = 0 und einsetzten ind Gl.(5.14) erhalten wir:

Ey = −ωcτ

σ0jx = − eHτm

mcne2τjx = − H

necjx (5.15)

und somit ergibt sich fur den Hall-Koeffizienten:

RH = − 1nec

(5.16)

Dies ist ein erstaunliches Ergebnis, da es bedeutet, dass keinerlei materialspezifischen Para-meter eingehen außer der Ladungstragerkonzentration.

134

5.1.1.3 Die thermische Leitfahigkeit im Drude-Modell

Ein eindrucksvoller Erfolg des Drude-Modells zu seiner Zeit bestand in der Tatsache, dass esin der Lage war das Wiedemann-Franz-Gesetz (1853) zu erklaren. Das Wiedemann-Franz-Gesetz besagt, dass der Quotient κ

σ aus thermischer und elektrischer Leitfahigkeit direktproportional zur Temperatur ist.

Das Drude-Modell erklart dieses Phanomen unter der Annahme, dass die Elektronenhauptsachlich fur die Warmeleitung in Metallen verantwortlich sind. Der Warmestrom lasstsich wie folgt darstellen:

~jq = −κ∇T (5.17)

Zur Herleitung betrachten wir die Situation in der ein eindimensionale Warmeleiter an einerSeite geheizt und auf der anderen gekuhlt wird. Dadurch stellt sich ein Temperaturgradiententlang der Raumrichtung ein. Zunachst betrachten wir die pro Elektron getragene thermi-sche Energie ε(T ). Die Elektronen nehmen ihre thermische Energie durch Stoße auf. Fandder letzte Stoß bei Position x′ statt so besitzt das Elektron die thermische Energie ε(T [x′]).Elektronen die von der heißeren Seite her kommen, hatten im Mittel ihren letzten Stoß amOrt x−vτ und tragen deshalb die thermische Energie ε(T [x−vτ ]). Der Anteil der Elektronenan der Warmeleitung ergibt sich somit als Produkt ihrer Anzahl pro Einheitsvolumen, ihrerGeschwindigkeit und der Energie pro Elektron n

2 vε(T [x− vτ ]). Analoges lasst sich uber dieElektronen von der kalten Seite sagen, somit ergibt sich hier n

2 (−v)ε(T [x+vτ ]). der gesamteWarmestrom setzt sich aus diesen beiden Anteilen zusammen:

jq =12nv[ε(T [x− vτ ])− ε(T [x+ vτ ])]. (5.18)

Unter der Annahme, dass sich die Temperatur entlang von l = vτ kaum andert lasst sichum x entwickeln:

T (x− vτ) = T − dT

dxvτ = T − l

dT

dx

ε(T + ∆T ) = ε(T ) +dε

dT∆T mit ∆T = −dT

dxvτ

jq = nv2τdε

dT

(−dTdx

). (5.19)

Durch den Ubergang in drei Dimensionen mit jeweils gleichen Geschwindigkeitskomponenten(〈v2

x〉 = 〈v2y〉 = 〈v2

z〉 = 13v

2) und ndεdT = N

VdεdT = dE/dT

V = cv der spezifischen Warmekapa-zitat der Elektronen, ergibt sich:

~jq =13v2τcv(−∇T ) (5.20)

und somit

κ =13v2τcv =

13vlcv (5.21)

hierbei ist v2 das mittlere Geschwindigkeitsquadrat der Elektronen. Dividieren wir nun diesesErgebnis durch die zuvor bestimmte Leitfahigkeit so erhalten wir:

κ

σ=

13cvmv

2

ne2(5.22)

135

Drude schatzte die spezifische Warmekapazitat des Elektronengases mit der eines klassischenrealen Gases ab cv = 3

2nkB und die kinetische Energie 12mv

2 = 32kBT . Daraus resultiert:

κ

σ=

13

32nkB3kBT

ne2=

32

(kB

e

)2

T. (5.23)

Somit ist das Verhaltnis proportional zur Temperatur mit einer Proportionalitatskonstantedie nur allgemeinen Konstanten abhangt. Die Konstante

κ

σT=

32

(kB

e

)2

= 1, 11× 10−8WΩ/K2 (5.24)

wird als Lorenz-Zahl bezeichnet. Sie ist etwa halb so groß, wie der experimentell beobachteteWert.

273K 373KElement κ [W/cmK] κ/σT [10−8WΩ/K2] κ [W/cmK] κ/σT [10−8WΩ/K2]

Li 0,71 2,22 0,73 2,43Na 1,38 2,12K 1,0 2,23Rb 0,6 2,42Cu 3,85 2,20 3,82 2,29Ag 4,18 2,31 4,17 2,38Au 3,1 2,32 3,1 2,36Be 2,3 2,36 1,7 2,42Mg 1,5 2,14 1,5 2,25Nb 0,52 2,90 0,54 2,78Fe 0,8 2,61 0,73 2,88Zn 1,13 2,28 1,1 2,30Cd 1,0 2,49 1,0Al 2,38 2,14 2,30 2,19In 0,88 2,58 0,80 2,60Ti 0,5 2,75 0,45 2,75Sn 0,64 2,48 0,60 2,54Pb 0,38 2,64 0,35 2,53Bi 0,09 3,53 0,08 3,35Sb 0,18 2,57 0,17 2,69

5.1.2 Das freie Elektronengas im Potentialkasten

In diesem Abschnitt betrachten wir die Situation, in der eine “freies” Elektronengas in einemKasten eingeschlossen ist. In der folgenden Abbildung ist die Situation in einer Dimensionskizziert, wie sie in einem Kristall herrscht.

136

+ ++++++++ +++

Ortskoordinate x

Ener

gie

Evac

h h

Da die Austrittsarbeiten (5eV entspricht ca. 50000K) sehr hoch sind, kann man das Potentialdurch einen Kasten mit ebenen Boden und unendlich hohen Wanden annahern. Damit lasstsich die stationare Schrodinger-Gleichungen in Einelektronennaherung wie folgt schreiben:

− ~2

2m4ψ(~r) + V (~r)ψ(~r) = E′ψ(~r) (5.25)

wobei das Kastenpotential die Form

V (x, y, z) =

V0 = const. fur 0 ≤ x, y, z ≤ L

∞ sonst(5.26)

besitzt. Mit E = E′ − V0 gilt:

− ~2

2m4ψ(~r) = Eψ(~r). (5.27)

Durch die Randbedingungen ergibt sich folgende Forderungen fur die Wellenfunktion:ψ = 0 fur x = 0 und x = L y,z beliebig sowie zwischen 0 und L

y = 0 und y = L x,z beliebig sowie zwischen 0 und Lz = 0 und z = L x,y beliebig sowie zwischen 0 und L

Da die Wahrscheinlichkeit Eins ist das Elektron im Kasten anzutreffen, gilt fur die Nor-mierung von ψ(~r): ∫

Kastenψ∗(~r)ψ(~r)d~r = 1. (5.28)

Es ergeben sich folgende Losungen der Schrodinger-Gleichung:

ψ(~r) =(

2L

)3/2

sin(kxx) sin(kyy) sin(kzz). (5.29)

137

Setzt man die Losungen in die Schrodinger-Gleichung Gl.(5.27) ein, so ergeben sich folgendeEnergiezustande:

E =~2k2

2m=

~2

2m(k2

x + k2y + k2

z) (5.30)

Somit sind die Energiewerte die eines freien Elektrons, wobei wegen der RandbedingungenEinschrankungen fur die k-Werte bestehen, die naturlich fur ein tatsachlich freies Elektronnicht gegeben sind:

kx =π

Lnx,

ky =π

Lny, (5.31)

kz =π

Lnz, mit nx, ny, nz = 1, 2, 3 . . .

Im Dreidimensionalen stellen Flachen konstanter Energie E = ~2k2/2m Kugeln im k-Raumdar (vergl. Herleitung der Zustandsdichte bei Phononen). Damit sind auch hier wieder — wiebei den Phononen — die moglichen Zustande diskrete Punkte im k-Raum. Jeder Zustandnimmt ein Volumen von Vk = (π/L)3 ein.

Zur Berechnung der Zustandsdichte betrachten wir das Volumen, das zwischen den beidenKugelflachen E(~k) und E(~k) + dE eingeschlossen ist. Es wird nur ein Achtel der gesamtenKugel im k-Raum betrachtet, da nx, ny und nz nur positive Werte annehmen konnen. Esmuss also das eingeschlossene Volumen durch das Volumen dividiert werden, das ein Zustandeinnimmt, um auf die Anzahl der Zustande zwischen den beiden Kugelschalen zu schließen.

kx

ky π/L

E(k)

E(k)+dE

138

Es ergibt sich:

dZ ′ =184πk2︸ ︷︷ ︸

Oberflache einer achtel Kugel

dk︸︷︷︸Schalendicke

(L

π

)3

︸ ︷︷ ︸Volumen pro Zustand

(5.32)

Wegen dE = ~2km dk, folgt fur die Anzahl der Zustande pro Kristallvolumen L3:

dZ =(2m)3/2

4π2~3E1/2dE (5.33)

Berucksichtigt man, dass ein Elektron einen Spin besitzt, ergibt sich fur jeden Zustand eineDoppelbesetzung mit Elektronen unterschiedlichen Spins:

D(E) =(2m)3/2

2π2~3E1/2. (5.34)

D(E) wird ublicherweise in Einheiten von cm−3eV−1 angegeben.

5.1.3 Das Fermi-Gas bei 0K

Wird die Temperatur auf 0K abgesenkt, so befinden sich Elektronen im Gegensatz zu Bosonennicht alle im Grundzustand, sonder mussen jeweils verschiedene Zustande einnehmen. Dieshat zur Folge, dass Elektronen Zustande bis zu einem bestimmten Energie Niveau besetzen,

139

welches als Fermi-Energie E0F bezeichnet wird. An jeder Stelle des Festkorpers gilt fur die

Elektronendichte n:

n =∫ ∞

0D(E)f(E, T )dE, (5.35)

es geht also das Produkt aus der Zustandsdichte D(E) und der Besetzungswahrscheinlichkeitin das Integral ein.

Im Modell des freien Elektronengases im Kasten stellt sich die Energie E0F (~kF ) = ~2k2

F2m

als Kugel im k-Raum dar mit einem Radius kF , welcher als Fermi-Radius bezeichnet wird.Bei einer Temperatur von 0K ist die Besetzungswahrscheinlichkeit fur E ≤ E0

F gleich Einsund fur E > E0

F gleich Null.

0

1

f(E)

E E0F

E0F

D(E

)f(E

)

E

140

kz

ky

kx

E(k)=E0

F

Somit ergeben sich einfache Zusammenhange zwischen der Ladungstragerdichte n und demFermi-Radius kF bzw. der Fermi-Energie E0

F :

nL3 =L3k3

F

3π2→ n =

k3F

3π2(5.36)

E0F =

~2

2m3√

9π4n2 (5.37)

Eine weitere Konsequenz, dass es sich bei Elektronen um Fermiionen handelt und sie somitbei T = 0 nicht in einem Grundzustand liegen, besteht in einer nicht verschwindenden innerenEnergie. Die innere Energie ist der Mittelwert uber alle Zustande:

U =∫ E0

F

0D(E)EdE =

35nE0

F . (5.38)

Es lassen sich sofort noch weitere Großen, wie die Fermi-Geschwindigkeit vF , die Fermi-Temperatur TF und der charakteristische Radius rs (dies ist der Radius einer Kugel mit demVolumen, das ein freies Elektron einnimmt), definieren:

vF =~kF

m(5.39)

TF =E0

F

kB(5.40)

rs = 3

√3

4πa30n

(5.41)

a0 ist hier der Bohrsche Radius (~2/me2 = 0,529 ×10−10m).

Einige Werte fur verschiedene Metalle

141

Metall n rs kF vF E0F TF

(1022cm−3) (a0) (106m−1) (106m/s) (eV) 104K

Li 4,62 3,27 1,11 1,29 4,70 5,45Na 2,53 3,99 0,91 1,05 3,14 3,64Cs 0,86 5,71 0,63 0,74 1,53 1,78Al 18,07 2,07 1,75 2,03 11,65 13,52Cu 8,47 2,67 1,36 1,57 7,03 8,16Ag 5,87 3,02 1,20 1,39 5,50 6,38Au 5,9 3,01 1,20 1,39 5,52 6,41

5.1.4 Die Temperaturabhangigkeit der Fermi-Dirac-Verteilung

Betrachtet man ein Fermi-Gas bei einer endlichen Temperatur und fragt nach der Besetzungs-wahrscheinlichkeit f(E, T ) der Zustande im Gleichgewicht, ist dies eine typische Fragestel-lung der Thermodynamik. Wir betrachten die große Anzahl an Energieniveaus Ei, die imFestkorper dicht liegen, mit dem Entartungsgrad gi und der Besetzungszahl ni (mit ni ≤ gi

wegen des Pauli-Prinzips). Im Gleichgewicht soll die freie Energie F stationar sein gegenubereiner Variation der Besetzungszahlen, d.h:

δF =∑

i

∂F

∂niδni = 0 (5.42)

Die Erhaltung der Teilchenzahl lasst sich wie folgt ausdrucken:∑i

δni = 0. (5.43)

Findet ein Austausch zwischen zwei Niveaus k und l statt, muss wegen der Teilchenerhaltunggelten:

∂F

∂nkδnk +

∂F

∂nlδnl = 0 (5.44)

und

δnk + δnl = 0. (5.45)

Daraus folgt:∂F

∂nk+∂F

∂nl= 0. (5.46)

Wir hatten keine speziellen Forderungen an die Niveaus gestellt und somit gilt dies fur alleNiveaus und man kann eine Konstante µ = ∂F

∂nieinfuhren, welche das chemische Potential

genannt wird. Fur die freie Energie gilt:

F = U − TS (5.47)

wobei U die innere Energie:

U =∑

i

niEi (5.48)

142

und S die Entropie ist:S = kB lnP (5.49)

dabei wiederum ist P die Anzahl der moglichen Zustande. Die Anzahl der MoglichkeitenPi ein Elektron im Zustand Ei unterzubringen ist gi, fur das zweite Elektron gi − 1 usw.Insgesamt also:

Pi = gi(gi − 1)(gi − 2) . . . (gi − ni + 1) =gi!

(gi − ni)!(5.50)

Da die Elektronen ununterscheidbar sind, reduziert sich die Anzahl nochmals um den Faktorni! und es ergibt sich dann insgesamt:

Pi =gi!

ni!(gi − ni)!(5.51)

Um alle Energien Ei zu berucksichtigen, muss das Produkt uber alle moglichen Zustandejeder Energie Ei gebildet werden:

P =∏

i

Pi =∏

i

gi!ni!(gi − ni)!

(5.52)

und damit ergibt sich fur die Entropie:

S = kB

∑i

[ln(gi!)− ln(ni!)− ln(gi − ni!)] (5.53)

Nun lassen sich die Fakultaten ln(n!) fur große n nach der Stirlingschen Naherungsformelnahern:

ln(n!) ≈ n ln(n)− n. (5.54)

Dadurch lasst sich die Ableitung der freien Energie nach der Teilchenzahl ni in einem belie-bigen Zustand i berechnen, welche dem chemischen Potential entspricht:

µ =∂F

∂ni= Ei + kBT ln

(ni

gi − ni

). (5.55)

Zur Berechnung der Besetzungszahlen losen wir nach ni auf:

ni =gi

eEi−µ

kBT + 1(5.56)

Fur die Wahrscheinlichkeit, dass ein quantenmechanischer Zustand besetzt ist, wobei auchdie entarteten Zustande als verschieden anzusehen sind, ergibt dann:

f(E, T ) =1

exp(

E−µkBT

)+ 1

(5.57)

Diese Verteilung wird als Fermi-Dirac-Verteilung bezeichnet.

143

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 100,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

1,2

1,4f(E

)

E/kB (x104K)

1K 300K 1000K 10000K 30000K

TF=EF/kB=5x104K

5.1.5 Die spezifische Warme der Elektronen

Nach dem klassischen Ansatz fur ein freien Elektronengas wurde man fur die innere Energieund damit fur die spezifische Warme erwarten:

UEl =3nkBT

2→ ∂U

∂T=

3nkB

2(5.58)

Im Experiment beobachtet man einen vollig anderen Zusammenhang. Dies lasst sich daraufzuruck fuhren, dass es fur Fermiionen wichtig ist bei einer Anregung auch einen unbesetztenPlatz vor zu finden. Somit konnen nur ein kleiner Teil der Elektronen um die Fermi-Energietatsachlich Energie aufnehmen.

144

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 100,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0D

(E)f(

E)

E/kB (x104K)

T = 1K T = 300K T = 1000K

TF=EF/kB=5x104K

2kBT

Die energetische Zone der beteiligten Elektronen liegt in einem Intervall der Breite 4kBT .So kann nur der Bruchteil 4kBT/EF der freien Elektronen Energie aufnehmen. Schatzt mandie Energie pro Elektron mit kBT ab, so ergibt sich fur die Großenordnung der innerenEnergie:

U ∼4k2

BT2n

EF(5.59)

mit TF = EF /kB ergibt sich fur die spezifische Warme der Elektronen:

cV =∂U

∂T∼ 8kBnT

TF(5.60)

Es wird deutlich, dass wirklich nur ein kleiner Teil der Elektronen an der spezifischenWarmekapazitat beteiligt sind, da TF ≈ 105K ist.

Eine genauer Ableitung der spezifischen Warme (siehe z.B. Ibach/Luth) liefert:

cv ≈π2

3D(EF )k2

BT (5.61)

Da fur die Ableitung keine Annahme fur D(E) gemacht werden musste, lasst sich dieserZusammenhang dazu benutzen, um aus der experimentellen Bestimmung der spezifischenWarme auf die Zustandsdichte D(EF ) am Fermi-Niveau zu bestimmen.

145

Insgesamt setzt sich die spezifische Warmekapazitat in Festkorpern aus zwei Anteilen,dem phononischen und dem elektronischen, zusammen. Bei kleinen Temperaturen ergibtsich somit:

cv,ges = cv,el + cv,ph = γT︸︷︷︸cv,el

+ βT 3︸︷︷︸cv,ph

(5.62)

Dies wird experimentell recht gut bestatigt:

Vergleicht man den experimentell bestimmten Koeffizienten des elektronischen Beitragsγ zur spezifischen Warme mit dem theoretischen, so fallen bei einigen Metallen deutlicheAbweichungen auf:

Metall γexp(10−3 JMol K2 ) γexp/γtheo

Li 1,7 2,3Na 1,7 1,5K 2,0 1,1Cu 0,69 1,37Ag 0,66 1,02Al 1,35 1,6Fe 4,98 10,0Co 4,98 10,3Ni 7,02 15,3

Eisen, Cobalt und Nickel sind Ubergangsmetalle deren d-Orbitale nur teilweise gefullt sind.Diese d-Elektronen sind starker an den Atomen lokalisiert, was zu einer geringerem Uberlappder Wellenfunktion und somit zu scharferen Bandern fuhrt. Damit haben sie einen großenBetrag zur Zustandsdichte.

146

Werte fur γ des Beitrags des freien Elektronen-Gases zur Warmekapazitat

I II III IV V

H

Li1,630,749

Be0,170,500

Experimentelle γ in mJmol−1 K−2

Berechnete γ fur freie Elektronen mJmol−1 K−2

B C N

Na1,381,094

Mg1,30,992

Al1,350,912

Si P

K2,081,668

Ca2,91,511

Sc10,7

Ti3,35

V9,26

Cr1,40

Mn9,20

Fe4,98

Co4,73

Ni7,02

Cu0,6950,505

Zn0,640,735

Ga0,5961,025

Ge As0,19

5.1.6 Elektrostatische Abschirmung in einem Fermi-Gas — Mott-Ubergang

Wird in ein Metall eine zusatzliche Ladung eingebracht, so tritt eine Umlagerung der Elek-tronen auf, die das elektrische Feld dieser Ladung abschirmt. Nehmen wir an, dass durch diezusatzliche Ladung ein Storpotential der Große δU (mit |eδU | EF ) auftritt.

147

Die Anderung der Elektronenkonzentration δn lasst sich dann beschreiben:

δn(~r) = D(EF )|e|δU(~r). (5.63)

Geht man davon aus, dass die Storungen δU(~r) durch die Verschiebung der Ladung δn(~r),so sind diese beiden Großen durch die Poisson-Gleichung miteinander verknupft:

∇2(δU) = −δρε0

=e

ε0δn =

e2

ε0D(EF )δU. (5.64)

Die Differentialgleichung hat eine Losung in Kugelkoordinaten, wo

∇2 =1r2

∂rr2∂

∂r(5.65)

gilt, die lautet:

δU(r) = −αe−λr

r(5.66)

mit λ2 = e2D(EF )/ε0. Fur eine Punktladung ergibt sich α = e/(4πε0), da hier fur λ → 0der Abschirmeffekt verschwindet und sich das Potential einer Punktladung ergeben muss.Die Lange rTF = 1/λ wird als Thomas-Fermi-Abschirmlange bezeichnet:

rTF =√

ε0e2D(EF )

. (5.67)

148

Eine derartig starke Abschirmung z.B. eines Coulomb-Potentials ist dafur verantwortlich,dass in einem Metall die außersten Valenzelektronen nicht mehr an die Atome lokalisiertsind, da sie nicht mehr im Feld der Rumpfpotentiale gehalten werden konnen. Je geringerdie Elektronendichte desto großer die Abschirmlange.

Man kann sich vorstellen, dass ab einer kritische Elektronenkonzentration nc Elektronenkeinen gebundenen Zustand mehr einnehmen konnen und somit metallisches Verhalten auf-tritt. Bei Konzentrationen unterhalb dieses Wertes sind noch Bindungen in der Potential-mulde moglich. Dieser Ubergang wird als Mott-Ubergang bezeichnet.

5.1.7 Gluhemission bei Metallen

Wird ein Metall stark erhitzt beginnen Elektronen auszutreten. Dies widerspricht naturlichder ursprunglichen Annahme, dass die Rander des Potentialtopfs unendlich hoch sind. DieEnergiedifferenz EV ac−EF = Φ, die benotigt wird, um ein Elektron aus dem Metall freizu-setzen, wird Austrittsarbeit genannt.

149

A

K

Ub

j

j

U

T > T2 1

Gegen- Zugspannung

js

T1

0Uh

Zur Berechnung der Temperaturabhangigkeit des Sattigungsstromes js von Elektronen,die das Metall verlassen kann, setzt man ~j = en~v an. Nun berechnet man den Anteil derElektronen, die eine ausreichende Energie besitzen den Potentialwall zu uberwinden. Stromergibt sich:

jx =e

V

∑~k

=e

(2π)3

∫E>EF +Φ,vx(~k>0)

vx(~k)d~k (5.68)

Mit der Zustandsdichte im k-Raum V/(2π)3. Die Summe ebenso wie das Integral erstrecktsich nur uber nach der Fermi-Dirac-Verteilung besetzte Zustande 5.57. Damit multipliziert,vx = ~k/m gesetzt und die zweifache Spinentartung berucksichtigt, liefert dann:

jx =2e~

(2π)3m

∫ inf

− infdkydkz

∫ inf

kx,min

dkxkxf(E(~k), T ) (5.69)

Da die Austrittsarbeit Φ groß gegenuber kBT ist lasst sich die Fermi-Dirac-Statistik durchdie Boltzmann-Statistik annahern:

jx =e~

4π3m

∫ inf

− infdkye

−~2k2y/2mkBT

∫ inf

− infdkze

−~2k2z/2mkBT

∫ inf

kx,min

dkxkxe−(~2k2

x/2mkBT−EF /kBT )

(5.70)Da die Integrale faktorisiert sind lassen sie sich auswerten. Mit der Bedingung, dass diekinetische Energie in x-Richtung großer als EF + Φ sein muss ergibt sich:∫ inf

kx,min

dkxkxe−(~2k2

x/2mkBT−EF /kBT ) =∫

(EF +Φ)2m/

inf 12dk

2xe−(~2k2

x−EF /2mkBT ) = mkBT~2 e−Φ/kBT (5.71)Es ergibt sich schließlich die so genann-

te Richardson-Dushman-Formel fur die Sattigungsstromdichte

js =me

2~3π2(kBT )2e

−ΦkBT (5.72)

150

In dieser Gleichung wurde angenommen, dass Elektronen deren Energie großer als EF + Φist, das Metall mit einer Wahrscheinlichkeit von Eins verlassen konnen. Dies ist naturlichnicht korrekt, da aus der quantenmechanischen Betrachtung folgt, dass Elektronen mit einerEnergie exakt von EF +Φ vollstandig reflektiert werden und erst Elektronen mit einer gewis-sen Uberschussenergie das Metall mit hoher Wahrscheinlichkeit verlassen konnen. So ergibt

sich noch ein zusatzlicher Faktor√

kBTEF +Φ , der den Sattigungsstrom deutlich reduziert.

Wie die Abbildung zeigt, verandert das von außen angelegte elektrische Feld E den Po-tentialverlauf und erniedrigt die Potentialbarriere. Der Verlauf des Potentials entsteht durchdie Coulomb-Bildkraft eines Elektrons vor einer Metallflache und den Potentialverlauf desexternen Felds. Damit muss die Austrittsarbeit um:

Φ′ = Φ−

√e3

4πε0= Φ−∆Φ (5.73)

korrigiert werden.

151

Austrittsarbeiten der Elemente fur polykristalline Proben

I II III IV V VI VII VIII

H He

Li2,9

Be4,98 Austrittsarbeit φ/eV

B4,45

C5,0

N O F Ne

Na2,75

Mg3,66

Al4,28

Si4,85

P S Cl Ar

K2,30

Ca2,87

Sc3,5

Ti4,33

V4,3

Cr4,5

Mn4,1

Fe4,5

Co5,0

Ni5,15

Cu4,65

Zn4,33

Ga4,2

Ge5,0

As3,75

Se5,9

Br Kr

Rb2,16

Sr2,59

Y3,1

Zr4,05

Nb4,3

Mo4,6

Tc Ru4,71

Rh4,98

Pd5,12

Ag4,28

Cd4,22

In4,12

Sn4,42

Sb4,55

Te4,95

I Xe

Cs2,14

Ba2,7

La3,5

Hf3,9

Ta4,25

W4,55

Re4,96

Os4,83

Ir5,27

Pt5,65

Au5,1

Hg4,49

Tl3,84

Pb4,25

Bi4,22

Po At Rn

Fr Ra Ac

5.1.8 Unzulanglichkeiten des freien Elektronen-Modells

5.1.8.1 Widerspruche bei den Transportkoeffizienten freier Elektronen

Hall-Koeffizient: Die Theorie des freien Elektronengases ergibt einen Hall-KoeffizientenRH = 1

nec , der unabhangig von der Temperatur, Relaxationszeit oder der Starke desMagnetfeldes ist. Die Experimente zeigen ein anderes Verhalten. So hat der Hall-Koeffizient fur Aluminium bei hohen Magnetfeldern sogar ein anderes Vorzeichen, alsdas Modell vorhersagt.

Magnetwiderstand: Der Magnetwiderstand sollte nach dem Modell unabhangig von derelektrischen Feldstarke sein. Die Experimente zeigen aber, dass der Widerstand vonEdelmetallen (wie z.B. Kupfer, Gold, Silber) mit dem elektrischen Feld unbeschranktzu wachsen scheint. Der Magnetwiderstand ist von der Praparation der Probe undderen Orientierung im Magnetfeld abhangig.

Thermoelektrisches Feld: Das Vorzeichen der Koeffizienten fur verschiedene Beitrage wirdnicht richtig wiedergegeben. Nur die Großenordnung der Beitrage stimmen.

Wiedemann-Franzsches Gesetz: Die Reproduktion ist bei hohen Temperaturen und beiniedrigen Temperaturen gut, allerdings ist im Zwischenbereich der Quotient κ/σTtemperaturabhangig.

Temperaturabhangigkeit der Gleichstromleitfahigkeit: Die Temperaturabhangig der Gleich-stromleitfahigkeit wird nicht wiedergegeben. Sie kann nur durch eine Temperatu-rabhangigkeit der Relaxationszeit τ in das Modell “kunstlich” eingebaut werden.

Richtungsabhangigkeit der Gleichstromleitfahigkeit: In manchen Metallen hangt die Gleich-stromleitfahigkeit von der relative Richtung des elektrischen Feldes ab. Der Strom mussin diesen Metallen nicht entlang der Feldlinien fließen.

Wechselstromleitfahigkeit: Die Frequenzabhangigkeit ist deutlich komplexer, als es daseinfache Modell der freien Elektronen wiedergeben kann. So werden die optischen

152

Eigenschaften wie die Reflektivitat schon bei Metallen wie Natrium nicht richtig be-schrieben.

5.1.8.2 Widerspruche bei den statischen thermodynamischen Voraussagen

Linearer Term in der Warmekapazitat: Die Theorie erklart den Faktor γ des linearenTerms der Warmekapazitat sehr unzulanglich. Experimenteller und theoretischer Wertunterscheidet sich fur Ubergangsmetalle um eine Großenordnung.

Kubischer Term in der Warmekapazitat: Es gibt kein Argument, welches durch das Mo-dell des freien Elektronengases begrundet ist, warum die Warmekapazitat bei tiefenTemperaturen durch den elektronischen Beitrag bestimmt sein soll. Experimente zei-gen aber, dass es bei Metallen eine deutliche Korrektur zum T 3-Gesetz gibt.

Kompressibilitat der Metalle: Die Theorie des freien Elektronengas liefert recht gute Wer-te fur den Kompressionsmodul unterschiedlicher Metalle. Dennoch ist offensichtlich,dass bei einer genaueren Elektron-Elektron-Wechselwirkung nicht der Einfluss derAtomrumpfe vernachlassigt werden kann.

5.1.8.3 Grundsatzliche Fragen

Wodurch ist die Anzahl der Leitungselektronen bestimmt: Es wurde vereinfacht ange-nommen, dass alle Valenzelektronen zu Leitungselektronen werden und alle Rumpf-elektronen am Atom verbleiben. Dies muss selbstverstandlich nicht so sein.

Warum sind einige Elemente Nichtmetalle: Eine noch deutliche Diskrepanz wird durchdiese Frage deutlich. Es ist nicht zu verstehen, warum Bor ein Isolator ist, wahrendAluminium, das der gleichen Hauptgruppe angehort und nur in der nachsten Periodesteht, einen guter Leiter darstellt.

5.1.8.4 Zusammenfassung der Annahmen des freien Elektronengases

1. Naherung der freien Elektronen: Die Atomrumpfe spielen eine untergeordnete Rolle.Die Stoße haben keine Auswirkung auf die Bewegung der Elektronen. Die Atomrumpfegewahrleisten nur die Ladungsneutralitat.

2. Naherung unabhangiger Elektronen: Wechselwirkungen unter den Elektronen werdenvernachlassigt (verdunntes Gas).

3. Relaxationszeitnaherung: Es wird vorausgesetzt, dass die Elektronenkonfiguration zumZeitpunkt des Stoßes keine Einfluss auf das Stoßergebnis hat.

153

5.2 Energiebander

5.2.1 Allgemeine Uberlegungen

Berucksichtigt man das Potential, welches durch Atomrumpfe moduliert wird, so ergibt sichfur die stationare Schrodinger-Gleichung:

Hψ =[− ~2

2m∇2 + V (~r)

]ψ(~r) = Eψ, (5.74)

wobeiV (~r) = V (~r + ~rn); ~rn = n1~a1 + n2~a2 + n3~a3. (5.75)

Auch hier beschreibt ~r einen beliebigen Translationsvektor im dreidimensionalen periodischenGitter.

Ein periodisches Potential lasst sich in eine Fourier-Reihe entwickeln:

V (~r) =∑

~G

V ~Gei ~G·~r. (5.76)

Auch hier ist ~G ein reziproker Gittervektor:

~G = h~g1 + k~g2 + l~g3 mit h, k, l ganzzahlig. (5.77)

Der Allgemeine Ansatz zur Losung der Schrodinger-Gleichung hat die Form:

ψ(~r) =∑~k

C~kei

~k·~r. (5.78)

Dabei ist ~k ein reziproker Gitterpunkt, der mit den Randbedingungen in Einklang zu bringenist. In die Schrodinger-Gleichung eingesetzt ergibt sich:∑

~k

~2k2

2mC~k′

ei~k·~r +

∑~k′ ~G

C~k′V ~Ge

i(~k′+ ~G)·~r = E∑~k

C~kei

~k·~r. (5.79)

Durch Umbenennen der Summationsindizies folgt (~k′ = ~k − ~G):

∑~k

ei~k·~r

(~2k2

2m− E

)C~k

+∑

~G

C~k− ~GV ~G

= 0. (5.80)

Die Bedingung gilt fur jeden Ort ~r, so muss der Ausdruck, der nicht von ~r abhangt, fur jedes~k verschwinden. Das bedeutet:(

~2k2

2m− E

)C~k

+∑

~G

C~k− ~GV ~G = 0. (5.81)

154

Dies ist ein Satz von Gleichungen, der die Schrodinger-Gleichung im Wellenzahlraum darstellt.Es koppeln nur Entwicklungskoeffizienten, deren ~k sich um ~G unterscheiden. Das gesamteProblem zerfallt in N Probleme (N Zahl der Elementarzellen), dabei ist jedem ein Vektor~k zugeordnet. Die N Gleichungen liefern jeweils eine Losung deren ~k sich gerade um ~Gunterscheiden, die sich als Superposition von ebenen Wellen darstellen lassen. Somit ist esmoglich, die Energieeigenwerte E mit k zu indizieren. Zu E~k

= E(~k) gehort jeweils diefolgende Wellenfunktion:

ψ~k(~r) =

∑~G

C~k− ~Gei(

~k− ~G)·~r. (5.82)

oder

ψ~k(~r) =

∑~G

C~k− ~Gei

~k·~re−i ~G·~r = u~k(~r)ei~k·~r. (5.83)

u~k(~r) ist eine Fourier-Reihe uber den reziproke Gittervektor ~G. Bei periodischen Randbedin-

gungen ergibt, dass der Wellenzahlvektor ~k folgende Werte annehmen kann:

kx = 0,±2π/L,±4π/L, . . . ,±2πnx/L

ky = 0,±2π/L,±4π/L, . . . ,±2πny/L (5.84)kz = 0,±2π/L,±4π/L, . . . ,±2πnz/L

L ist wieder die Ausdehnung des Kristalls. Nach den Quantenzahlen kx, ky, kzoder nachnx, ny, nz lassen sich die Quantenzustande indizieren. Die Losung

ψ~k(~r) = u~k

(~r)ei~k·~r (5.85)

stellt eine modulierte ebene Welle mit einem Modulationsfaktor der die Periode des Gittersaufweist:

u~k(~r) = u~k

(~r + ~rn). (5.86)

Dies wird Blochsches Theorem und die durch Gl.(5.83) - Gl.(5.86) werden als Bloch-Wellenoder als Bloch-Zustande eines Elektrons bezeichnet.

155

uk(x)

Re(ψ)

cos(kx+ϕ)

uk(x)cos(kx+ϕ)

x

Die Periodizitat des Gitterpotentials hat Konsequenzen auf die Bloch-Zustande. Aus derallgemeinen Darstellung in Gl.(5.83) kann man durch Umbenennen der Gittervektoren ~G′′ =~G′ − ~G

ψ~k+ ~G(~r) =

∑~G′

C~k+ ~G− ~G′ei(~k+ ~G)·~re−i ~G′·~r =

∑~G′′

C~k− ~G′′e−i ~G′′·~r

ei~k·~r = ψ~k

(~r). (5.87)

das bedeutet:ψ~k+ ~G

(~r) = ψ~k(~r). (5.88)

Bloch-Wellen die sich um einen reziproken Gittervektor unterscheiden sind gleich. Damitfolgt durch Anwendung der Schrodinger-Gleichung:

Hψ~k(~r) = E(~k)ψ~k

(~r). (5.89)

und im Fall eines um ~G verschobenen Zustand:

Hψ~k+ ~G(~r) = E(~k + ~G)ψ~k+ ~G

(~r). (5.90)

und damit nach Gl.(5.88) folgt:

Hψ~k(~r) = E(~k + ~G)ψ~k

(~r). (5.91)

und damit folgt wiederum aus Gl.(5.89) und Gl.(5.91):

E(~k) = E(~k + ~G). (5.92)

156

Damit sind die Eigenwerte E(~k) im k-Raum periodisch. Analog zu der Dispersionsrelationder Phononen die ja auch im Wellenzahlraum periodisch war. Die Elektronenzustande lassensich als Energieflachen E = E(~k) im reziproken Raum darstellen. Diese Energieflachen heißenBanderschema.

5.2.2 Naherung des quasi-freien Elektrons

Bei diesem Grenzfall denkt man sich das Potential beliebig klein allerdings schon mit derForderung nach der Periodizitat. Dies fuhrt zu der Dispersionsrelation der freien ElektronenE(k) = ~2k2

2m , bei dem aber die Forderung nach Periodizitat erfullt sein muss. Das heißt, esmuss gelten:

E(~k) = E(~k + ~G) =~2

2m|~k + ~G|2. (5.93)

Im eindimensionalen Fall gilt ~G→ G = 2πha .

-4π/a -2π/a 0π/a 2π/a 4π/a

E

k

Da die Dispersionsrelation die Periodizitat aufweist, ist es vollig ausreichend, die erste Brillouin-Zone zu betrachten, da sie schon die gesamte Information enthalt.

157

Reduktion auf die erste Brillouin-Zone

-1π/a 0π/a 1π/a

E

k

An den Grenzen der Brillouin-Zone (±G/2 = ±π/a) liegt eine Entartung von Zustanden vor,da sich hier jeweils zwei Parabeln schneiden. Die zugehorigen ebenen Wellen haben folgendeForm:

eiGx2 und ei[

G2−G]x = e−

iGx2 (5.94)

Unter Vernachlassigung von Termen hohere Ordnung (Beitrage von Wellen mit Vielfachen derVektoren des reziproken Gitters ~G) betrachten wir Wellen an der Zonengrenze des reziprokenGitters:

ψ+ ∼(eiGx/2 + e−iGx/2

)∼ cos

(πx

2

)(5.95)

ψ− ∼(eiGx/2 − e−iGx/2

)∼ sin

(πx

2

). (5.96)

Dabei handelt es sich um stehende Wellen mit raumlich feststehenden Nulldurchgangen.Diese kann als Uberlagerung einer einlaufenden und einer Bragg-reflektierten, ebenen Welleangesehen werden. Die jeweils zugehorigen Wahrscheinlichkeitsdichten lauten:

%+ = ψ∗+ψ+ ∼ cos2(πx

2

)(5.97)

%− = ψ∗−ψ− ∼ sin2(πx

2

)(5.98)

158

Das Bild zeigt eine schematische Darstellung der Situation. In Abbildung (a) ist das Potentialdargestellt, wobei die Positionen der Atomrumpfe durch Punkte gezeichnet sind. In Teil (b)und (c) sind jeweils die Wahrscheinlichkeitsdichte der Wellen gezeichnet, die der Situationam Brillouin-Zonenrand entspricht. Es handelt sich jeweils um stehende Wellen mit einerWellenzahl k = ±π/a. Die Welle in (b) ist bezuglich des freien Elektrons abgesenkt, da sieeine erhohte Aufenthaltswahrscheinlichkeit bei den Atomrumpfen besitzt, was einer tieferenLage im Potential entspricht. Die Welle in (c) liegt energetisch hoher als ein freies Elektron beimittlerem Potential, da sie ihr Maximum der Aufenthaltswahrscheinlichkeit gerade zwischenden Atomrumpfen besitzt.

Aus der Darstellung der Schrodinger-Gleichung im k-Raum Gl.(5.81) folgt nach einerTranslation um den Gittervektor ~G:(

E − ~2

2m|~k − ~G|2

)C~k− ~G

=∑~G′

V ~G′C~k− ~G− ~G′

mit ~G′ = ~G′′ − ~G

=∑~G′′

V ~G′′− ~GC~k− ~G′′ (5.99)

→ C~k− ~G=

∑~G′′ V ~G′′− ~G

C~k− ~G′′

E − ~2

2m |~k − ~G|2(5.100)

Um die Koeffizienten C~k− ~Gzu berechnen, geht man von kleinen Storungen aus, so dass man

in erster Naherung Eigenwert der Energie E gleich der Energie des freien Elektrons ist. Beider Entwicklung von C~k− ~G

gehen vor allem die großten Koeffizienten ein, also dann wennder Nenner des Bruchs nahezu verschwindet:

E =~2

2m|~k|2 ' ~2

2m|~k − ~G|2 → ~k2 ' |~k − ~G|2 (5.101)

159

Diese Beziehung ist aquivalent mit der Bragg-Bedingung. Das bedeutet, dass sich die stark-sten Abweichungen vom freien Elektron durch das periodische Gitter bei Erfullung der Bragg-Bedingung im Kristall auftritt. Neben dem Koeffizienten C~k− ~G

ist auch der Koeffizient C~k

wichtig wie man fur ~G = 0 aus Gl.(5.100) sieht. Somit ergeben sich folgende Gleichungenfur die beiden Koeffizienten: (

E − ~2

2mk2

)C~k− V ~GC~k− ~G

= 0 (5.102)(E − ~2

2m|~k − ~G|2

)C~k− ~G

− V− ~GC~k= 0 (5.103)

wobei V0 = 0 ist. Die Losung fur die beiden Energiewerte lassen sich aus folgender Determi-nante bestimmen: ∣∣∣∣∣∣

(~2

2mk2 − E

)V ~G

V− ~G

(~2

2m |~k − ~G|2 − E) ∣∣∣∣∣∣ = 0, (5.104)

wobei E0~k− ~G

= h2

2m |~k − ~G|2 die freie Energie der Elektronen ist. Es lassen sich die beiden

Losungen der Sakulargleichung wie folgt schreiben:

E± =12(E0

~k− ~G+ E0

~k±√

14(E0

~k− ~G− E0

~k)2 + |V ~G|2 (5.105)

Das bedeutet, die Aufspaltung der Energie am Zonenrand, an dem die Anteile der beidenWellen mit C~k

und C~k− ~Ggleich sind, betragt:

∆E = E+ − E− = 2|V ~G| (5.106)

Dadurch ergibt sich eine Dispersionsrelation wie sie im Bild dargestellt ist.

160

Es resultiert ein Energiefenster, dem keine reelle Wellenzahl zuzuordnen ist. Hier wird dieWellenzahl imaginar, was einer gedampften Welle als Losung entspricht.

Betrachtet man auch hohere Energien so ergibt sich ein Wechsel zwischen erlaubten undverbotenen Bandern.

5.2.3 Naherung der stark gebundenen Elektronen

Elektronen die Zustande besetzen die eng an das Atom im freien Zustand gebunden sind,werden durch das Zusammenfugen zu einem Kristall diese starke Bindung nicht aufgeben.Derartige Elektronen beschreibt man am Besten in der Naherung der starken Bindung. Hierbeigeht man von Orbitalen der freien Atome aus und betrachtet die Zustande im Kristall als

161

eine Uberlagerung der Zustande von Elektronen freier Atome. Man geht bei der Einelektro-nennaherung wie folgt vor:

1. Es wird von der Schrodinger-Gleichung des freien Atoms ausgegangen und angenom-men, dass deren Losung bekannt ist.

2. Der gesamte Kristall wird wird aus Einzelatomen aufgebaut angesehen. Der Hamilton-Operator eines Elektrons (Einelektronennaherung) wird nun unter Berucksichtigung derAtome, die als Storung des Potentials des freien Atoms angesetzt werden. Dies erreichtman durch eine Summation der Potentiale aller Atome außer des betrachteten.

na(n-2)a (n-1)a (n+1)a (n+2)a (n+3)a0

V

Pote

ntielle

Energ

ie

na(n-2)a (n-1)a (n+1)a (n+2)a (n+3)a0

V

Pote

ntielle

Energ

ie

3. Nun werden eine Uberlagerung von unterschiedlichen ebenen Wellen angesetzt undderen Koeffizienten im Fourier-Raum bestimmt. Die Losungen mussen naturlich wiederBloch-Wellen sein.

4. Als Losung erhalt man durch das Zusammenfugen der Atome zu einem Kristall ausdem Energieniveau Ei ein Band, wobei die mittlere Energie gegenuber Ei abgesenktist.

162

5.2.4 Anzahl der Quantenzustande im Band

Wir betrachten einen Kristall der aus N Elementarzellen aufgebaut ist. Jede primitive Ele-mentarzellen tragt einen unabhangigen Wert von k zu jedem Energieband bei — insgesamtalso N . Durch die beide unabhangigen Einstellungen des Elektronenspins ergeben sich so 2Nunabhangige Niveaus in jedem Band. Befindet sich in jeder Elementarzelle ein einwertigesAtom so ist das Band zur Halfte besetzt. Befindet sich in jeder Elementarzelle ein Atom mitzwei Valenzelektronen oder besteht jede Elementarzelle aus zwei einwertigen Atomen so istdas Band vollstandig gefullt.

163

E

k

a

Eg

Isolator

E

k

a

EF

Halbmetall

E

k

a

EF

Metall

E

EF

N(E)

E

EF

N(E)

E

Eg

N(E)

164

5.2.5 Beispiele fur Bandstrukturen

Zustandsdichte und Bandstrukturen von Kupfer

165

Zustandsdichte und Bandstrukturen von Germanium

5.2.6 Fermi-Flachen

Die Besetzung der elektronischen Zustande bei T=0 ist auf die Zustande fur die gilt E ≤ EF

beschrankt. Fur quasi-freie Elektronen (d.h. k ≈ 0 oder zumindest weit weg von k = |π/a|)lasst sich dies auf zustande im k-Raum ubertragen:

k ≤ kf =

√2mEF

~2(5.107)

mit

EF =~2

2m

(3π2N

V

)2/3

(5.108)

ergibt sich

kF =(

3π2N

V

)1/3

. (5.109)

Fur ein kubisch flachenzentriertes Gitter gilt:

N

V=

4a3

(5.110)

166

wobei a die Gitterkonstante ist. Somit ergibt sich fur kF :

kF =(

3π2

a3

)1/3

≈ 4, 91a

(5.111)

Der kurzeste Abstand zum Rand der Brillouin-Zone in einem ffc-Gitter (vom Zentrum zumMittelpunkt der Sechsecke) ergibt sich:

kmin =12

2πa

√3 ≈ 5, 44

a(5.112)

Dies hatte zur Folge, dass die Fermiflache an keiner Stelle die Grenze der ersten Brillouin-Zone beruhrt. Dies ist nicht korrekt, da bei der Uberlegung von einem rein quadratischenDispersionsrelation ausgegangen wurde. Gerade an der Brillouin-Zonengrenze ist dies abernicht korrekt. Hier verflacht die Dispersionsrelation, so dass zu einer bestimmten Energiegroßere Wellenzahlen gehoren als im quadratischen Fall. Somit beruhrt die Fermiflache dieBrillouin-Zonengrenze, wie es im folgenden Bild zu sehen ist:

Die Fermi-Flache von Kupfer

Reicht die”Besetzungs“-Kugel uber die Brillouin-Zone hinaus, so ergibt sich folgende

Situation in zwei Dimensionen:

167

Besitzt ein Atom in einer Elementarzelle mehr als ein Valenzelektron, reicht die ersteBrillouin-Zone nicht mehr aus, um die Elektronen aufzunehmen. Die hoheren Brillouin-Zonenwerden wie folgt in zwei Dimensionen konstruiert:

Zu der ersten Brillouin-Zone gehoren alle Punkte des k-Raums, die vom Ursprung aus zuerreichen sind, ohne eine Bragg-Ebene zu uberqueren. Zu der zweiten Brillouin-Zone gehorenalle diejenigen Punkte, die man aus der ersten Brillouin-Zonen erreichen kann, indem man nureine Bragg-Ebene uberquert. Alle weiteren Brillouin-Zonen lassen sich wie folgt konstruieren:zu den Punkten, die der (n + 1)-Brillouin angehoren, gelangt man aus der n-ten Brillouin-Zone durch uberqueren einer Bragg-Ebene und die nicht zur (n− 1) gehoren.

4

4

4

44 4

4 4

44

4 4

3

3

3 3

3

3

3 3

2

2

2

21

168

Die Aktualitat von Untersuchungen an Fermi-Flachen

Die Fermi-Kugel imerweiterten Zonenschema

Die selbe Situation im reduzierten Zonenschema

Die ersten drei Brillouin-Zonen haben folgende Gestalt fur kubisch raumzentrierte (bcc)und kubisch flachenzentriertes Gitter (fcc):

169

Die Aktualitat von Untersuchungen an Fermi-Flachen

Physics Today January2001

Die Fermi-Flache von Strontiumruthinat

170

5.2.7 Boltzmann-Transportgleichung

Im Folgenden soll kurz die formale Beschreibung eines Ladungstransports betrachtet werden.Man geht von folgenden Annahmen aus:

• Elektronen konnen als Fermiionen im Gleichgewicht beschrieben werden

• Energie- und Wellenzahlverteilung sind durch das angelegte außeres Feld nur wenigverandert.

• es gilt also f0(E(~k)) = 1

eE−EFkBT +1

• das externe Feld verursacht eine Storung f = f0 + δf

Betrachten wir die Verteilungsfunktion f(~r,~v), die von dem Ort und von der Geschwindig-keit abhangig ist. Das Integral der Verteilungsfunktion uber den gesamten Raum und alleGeschwindigkeiten ergibt die gesamte Teilchenzahl. Da diese naturlich unter dem Einflussaußere Felder erhalten bleibt, wird sich die Verteilungsfunktion durch diese Felder andernaber das Integral nicht. Ohne jegliche Energieverluste muss nach dem Satz von Liouville furdie Entwicklung der Verteilungsfunktion im sechs-dimensionalen Phasenraum gelten:

f(t+ dt, ~r + δ~r,~v + δ~v) = f(t, ~r,~v) (5.113)

Lasst man Stoße zu, so reduziert sich das Phasenraumvolumen in der Zeit gerade durch denEinfluss der Stoße:

f(t+ dt, ~r + δ~r,~v + δ~v)− f(t, ~r,~v) = dt

(∂f

∂t

)Stoße

(5.114)

Somit lasst sich schreiben:

dt

(∂f

∂t

)+ d~r∇~rf + d~v∇~vf = dt

(∂f

∂t

)Stoße

(5.115)

und in differentieller Darstellung, wenn man a = F/m = dv/dt ansetzt:(∂f

∂t

)+ v∇~rf + a∇~vf =

(∂f

∂t

)Stoße

. (5.116)

Dies wird als Boltzmann-Transportgleichung bezeichnet. Sie lasst sich als eine Kontinuitats-gleichung im Phasenraum auffassen. Nun lasst sich der Stoßterm als einfache Relaxation desElektronensystems Richtung Gleichgewichtslage f0 nahern:(

∂f

∂t

)Stoße

= −f − f0

τc. (5.117)

Somit ergibt sich fur eine Verteilung die durch ein externes elektrisches Feld aus der Gleich-gewichstlage gebracht wurde nachdem das externe Feld abgeschaltet wurde:

∂(f − f0)∂t

= −f − f0

τc. (5.118)

171

Fur diese Differentialgleichung ergibt sich die Losung:

(f − f0)(t) = (f − f0)|t=0 exp(t

τc

). (5.119)

Somit ergibt sich fur die Boltzmann-Transportgleichung in Relaxationszeitnaherung, wobeiim stationaren Zustand per Definition ∂f

∂t = 0 gilt:

(∂f

∂t

)+ v∇~rf + a∇~vf = −f − f0

τc. (5.120)

Durch das externe Feld verschiebt sich die Fermi-Kugel im k-Raum. Dabei besteht der folgen-de Zusammenhang zwischen angelegtem elektrischen Feld, Relaxationszeit und Verschiebungim k-Raum:

δkx =−eτEx

~(5.121)

Die Relaxationszeit hat in Metallen im wesentlichen zwei Beitrage:

1. Streuung an Phononen

2. Streuung an Gitterstorstellen

=1

τPh(T )+

1τSt

(5.122)

Dabei ist der Beitrag durch die Streuung an Phononen temperaturabhangig.

172

Widerstand von Na Widerstand vonCu-Legierungen

5.2.8 Thermoelektrische Effekte

Bisher haben wir bei der Betrachtung der Boltzmann-Transportgleichung keine Temperatur-gradienten berucksichtigt (∇T = 0). Im Folgenden sollen die sich ergebenden Konsequenzenfur ∇T 6= 0 betrachtet werden.

Im stationaren Fall E = 0, ∂(∇~rT )∂t = 0 und ∂f

∂t = 0 folgt fur die Nichtgleichgewichtsver-

teilung mit ∇~rf [~k, T (~r)] = ∂f∂T∇~rT und unter der Annahme kleiner Abweichungen von der

Gleichgewichtsverteilung (Linearisierung):

f(~k) ≈ f0(~k) +e

~τE · ∇~k

f0 − τ∂f0

∂T~v · ∇~rT. (5.123)

Daraus folgt fur den Stromfluss, wenn ein elektrisches Feld in x-Richtung angelegt wird:

~j = − e

8π3

∫v(~k)f(~k)d~k

= − e

8π3

∫v(~k)f0(~k)d~k︸ ︷︷ ︸

=0

− e

8π3

∫eτ(~k)

~v(~k)Ex

∂f0

∂kxd~k︸ ︷︷ ︸

=σEx

+e

8π3

∫τ∂f0

∂T~v2 · ∇~rTd~k

= σEx +e

8π3

∫τ∂f0

∂T~v2 · ∇~rTd~k. (5.124)

Fur die Falle von isotropen Medien und kubischen Kristallen verschwinden die y- und z-Komponenten des Stromes. Da f(~k) inversionssymmetrisch zum Ursprung (~k = 0) ist, falltdas Integral uber vxf0 weg.

Wir betrachten drei Falle:1. Fall ~j = 0

Ex =1σ

∫τ∂f0

∂T~v2 · ∇~rTd~k (5.125)

173

Bei verschwindend kleinem Strom stellt sich durch den Temperaturgradienten ∇~rT einelektrisches Feld ein. Dieser Effekt wird Seebeck-Effekt genannt.

2. Fall | ~E| ≈ 0

~j = −∫τ∂f0

∂T~v2 · ∇~rTd~k (5.126)

Bei verschwindend elektrischen Feld stellt sich durch den Temperaturgradienten ∇~rTein elektrischer Strom ein. Dieser Effekt wird Peltier-Effekt genannt.

3. Fall Der Effekt der Kopplung von elektrischer und Warmestromdichte in Anwesenheiteines Temperaturgradienten, wird Thomson-Effekt genannt.

174

6 Halbleiter

6.1 Banddiagramme und Energielucken

Banddiagramm von Silizium

Banddiagramm von Germanium

175

Beide Materialien sind so genannte indirekte Halbleiter.

Fur das Verstandnis der Richtung vergleiche Seite 106.

Banddiagramm von Galliumarsenid

Galliumarsenid ist ein direkter Halbleiter.

Werte der Bandlucke fur die gebrauchlichsten HalbleitermaterialienEg(T = 0K)[eV ] Eg(T = 300K) [eV]

Si 1,17 1,12Ge 0,75 0,67GaAs 1,52 1,43GaSb 0,81 0,7InSb 0,24 0,18InAs 0,43 0,35InP 1,42 1,35

Durch die Beziehung:

E(~k) =~2k2

2m(6.1)

motiviert, lasst sich aus der Krummung im Banddiagramm eine effektive Masse angeben.Dabei wird der Verlauf des Bands durch eine Parabel angenahert.

1m∗ =

1~2

∂E2

∂~k2(6.2)

Die effektive Masse wird ublicherweise auf die Masse des freien Elektrons bezogen. Dieeffektiven Massen sind im Allgemeinen richtungsabhangig. Die effektive Masse entlang den

176

Hauptachsen ([100] bei Silizium und [111] bei Germanium) werden als longitudinale effektiveMasse bezeichnet, wahrend sie in den orthogonalen Richtungen als transversal bezeichnetwerden.

m∗t /m m∗

l /m

Si 0,19 0,92Ge 0,082 1,57

6.1.1 Zyklotronresonanz

Die effektive Massen werde mit der Methode der Zyklotronresonanz gemessen. Betrachtetman ein Elektron am Leitungsbandminimum, lasst sich seine Energie entwickeln:

E(~k) = EL +~2

2

∑µν

kµ(M−1)µνkν (6.3)

wobei EL die Energie an der Leitungsbandunterkante ist. Legt man ein Magnetfeld ~H an,so folgt aus den semiklassischen Bewegungsgleichungen fur die Entwicklung des Ortes ~r unddie Anderung des Impulses ~~k:

~r =1~∂E(~k)

∂~k, (6.4)

~~k = (−e)1c~v(~k)× ~H (6.5)

und damit muss die Geschwindigkeit ~v(~k) die folgende Gleichung erfullen:

~Md~v

dt= ∓e

c~v × ~H. (6.6)

Diese Gleichung fuhrt auf eine Schwingungslosung:

~v = <(~v0)e−iωt (6.7)

setzt man fur die Kreisfrequenz an:

ω =eH

m∗c(6.8)

dabei ist m∗ die Zyklotronmasse fur den Fall, dass das Magnetfeld entlang der z-Richtungangelegt wurde:

m∗ =√

detMMzz

(6.9)

Oder mit Hilfe des Massetensors ausgedruckt:

m∗ =

√m1m2m3

H21m1 + H2

2m2 + H23m3

. (6.10)

Dabei sind Hi die Komponenten eines dem magnetischen Feld parallelen Einheitsvektors.Im folgenden Bild ist das Resultat eine Messung an Silizium bei einer eingestrahlten Fre-

quenz von 24GHz dargestellt. Es ist die Absorption uber dem Magnetfeld aufgetragen.

177

6.2 Ladungstragerdichte im intrinsischen Halbleiter

Unter intrinsischen Halbleitern versteht man ideales Material, das keinerlei Verunreinigun-gen durch andere Elemente aufweist. In diesen Materialien kann nur Stromleitung dadurchzustande kommen, dass Elektronen aus dem Valenzband in das Leitungsband stattfindet.

Bei Halbleitern tragen nicht nur die uber die Bandlucke angeregten Elektronen im Lei-tungsband zur Leitfahigkeit bei, sondern auch durch die Anregung entstandenen Lucken —so genannte Locher. Damit ergibt sich fur die Leitfahigkeit:

σ = |e|(nµn + pµp) (6.11)

wobei n und p die Konzentration von Elektronen und Lochern wahrend µn und µp dieBeweglichkeit von Elektronen und Lochern angibt.

Die Konzentrationen von Elektronen und Lochern lassen sich wie folgt bestimmen:

n =∫ ∞

EL

DL(E)f(E, T )dE (6.12)

p =∫ EV

−∞DV (E)[1− f(E, T )]dE (6.13)

Fur den Fall parabolischer Naherung, d.h. m∗ = const. ergibt sich fur die ZustandsdichtenD mit Gleichung (5.34):

DL(E) =(2m∗

n)3/2

2π2~3

√E − EL, (E > EL); (6.14)

DV (E) =(2m∗

p)3/2

2π2~3

√EV − E, (E < EV ) (6.15)

178

EV

EL

EF

D (E)L

D (E)V

f(E)

E

f(E) D(E)

E

f(E)D (E)L

[1-f(E)]D (E)V

dpdE

dndE

Im verbotenen Band ist die Dichte naturlich gleich Null. Da die Zone in der die Fermi-Energie von Eins und Null verschieden ist, d.h. ungefahr von der Große kBT ist und dies somitklein gegenuber der Bandlucke ist (∼1eV), lasst sich die Fermi-Verteilung f(E, T ) innerhalbder Bander durch die Boltzmann-Besetzungswahrscheinlichkeit annahern, somit ergibt sichim Fall des Leitungsbandes:

1

eE−EFkBT + 1

∼ e−E−EF

kBT 1 fur E − EF 2kBT (6.16)

Fur die Elektronenkonzentration im Leitungsband folgt damit:

n =(2m∗

n)3/2

2π2~3e

EFkBT

∫ ∞

EL

√E − ELe

− EkBT dE. (6.17)

Es ergibt sich fur die Elektronen- und Lochkonzentration nach einer Substitution und Inte-gration:

n = 2(

2πm∗nkBT

h2

) 32

exp(−EL − EF

kBT

)= NL

eff exp(−EL − EF

kBT

)(6.18)

p = 2(

2πm∗pkBT

h2

) 32

exp(EV − EF

kBT

)= NV

eff exp(EV − EF

kBT

)(6.19)

Die Konstanten NLeff und NV

eff bezeichnen die effektiven Zustandsdichten. Diese Situationkann so interpretiert werden, dass Leitungsband und Valenzband durch jeweils ein Energie-niveau darstellt mit den temperaturabhangigen Zustandsdichten. Die Besetzungsdichte wirddurch den Boltzmann-Faktor bestimmt. Diese Naherung hat haufig Gultigkeit und wird die

179

Naherung der Nichtentartung. Durch starke Dotierung konnen sehr viele Ladungstrager in denHalbleiter eingefuhrt werden, der Halbleiter entartet und somit bricht diese Naherung zusam-men. Bildet man das Produkt aus Gl.(6.18) und Gl.(6.19) so ergibt sich mit Eg = EL−EV :

np = NLeffN

Veffe

−EgkBT = 4

(kBT

2π~2

)3

(m∗nm

∗p)

32 e

−EgkBT (6.20)

Hier wird deutlich, dass sich die Konzentrationen von Elektronen und Locher nach Art eines

”Massenwirkungsgesetzes“ einstellen werden, d.h. das Produkt der beiden ist konstant bei

einer bestimmten Temperatur. Im Folgenden gehen wir von einem intrinsischen Halbleiter aus,das heißt, alle freie Elektronen im Leitungsband hinterlassen jeweils ein Loch im Valenzband.Das hat zur Konsequenz, dass n = p gilt und damit:

n = p =√NL

effNVeffe

−Eg2kBT = 2

(kBT

2π~2

) 32

(m∗nm

∗p)

34 e

−Eg2kBT (6.21)

Einige Werte fur die gebrauchlichsten Halbleitermaterialien bei Zimmertemperatur:

Eg [eV] ni [cm−3]

Ge 0,67 2, 4× 1013

Si 1,1 1, 5× 1010

GaAs 1,43 5× 107

Aus der Ladungsneutralitat in intrinsischen Halbleitermaterialien lasst sich das Fermi-Niveauableiten:

n = p = NLeffe

− ELkBT e

EFkBT = NV

effeEVkBT e

− EFkBT (6.22)

auflosen nach den Exponentialfunktionen in EF liefert:

e2EFkBT =

NVeff

NLeff

eEV +EL

kBT (6.23)

somit ergibt sich fur das Fermi-Niveau und schließlich mit den Gln. (6.18) und (6.19):

EF =EV + EL

2+kBT

2ln

(NV

eff

NLeff

)=EV + EL

2+

34kBT ln

(m∗

p

m∗n

)(6.24)

Sind effektive Zustandsdichten oder effektive Massen gleich liegt das Fermi-Niveau genau inder Bandmitte. Dies ist im Allgemeinen naturlich nicht der Fall, wodurch sich eine Asymmetrieergibt und das Fermi-Niveau schwach temperaturabhangig ist.

6.3 Dotierung von Halbleitern

Durch zusatzliches Einfugen von Atomen der dritten oder vierten Hauptgruppe ergibt sich einUberschuss oder ein Defizit an Elektronen. In diesem Fall spricht man von einem dotiertenHalbleiter. Wird ein Atom der dritten Hauptgruppe (Br,Al,Ga, In, T l) eingefugt spricht

180

man von einer Akzeptordotierung. Da hier ein Elektron fehlt um alle Bindungen abzusattigen,entsteht hier eine Stelle im Kristall, die bevorzugt Elektronen aufnehmen (akzeptieren) wird.Wird hingegen mit Atomen der funften Hauptgruppe (P,As, Sb,Bi) dotiert, ist pro Atomein Elektron nicht in der Lage eine Bindung einzugehen und somit kann dieses Elektron leichtdurch den Kristall wandern. Hier spricht man von einem Donator.

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

B

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

P

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

Si

-

n-dotiertes Silizium p-dotiertes Silizium

Durch das Dotieren werden neue Energieniveaus in der Bandlucke erzeugt, die je nach Cha-rakter der Dotierung naher am Valenzband (Akzeptoren) oder naher am Leitungsband (Do-natoren) sind.

n-Halbleiter p-Halbleiter

x x

Ele

ktr

onenenerg

ie E

EL

EV

ED

Ei

EL

EDEV

Ed

Ea

Einige exemplarische Werte fur Storstellenniveaus fur Silizium und Germanium:

DonatorenP [meV] As [meV] Sb [meV] Bi [meV]

Si 44 49 39 69Ge 12 12,7 9,6 –

181

AkzeptorenB [meV] Al [meV] Ga [meV] In [meV] Tl [meV]

Si 45 67 74 153 260Ge 10,4 10,2 10,8 11,2 10

Die Storstellenverteilung lasst sich recht gut durch spektroskopische Methoden bestimmen.Das folgende Bild zeigt das Absorptionsspektrum von einem Antimon dotierten Germanium-kristall.

6.3.1 Ladungstragerdichten in dotierten Halbleitern

182

x

Ele

ktr

onenenerg

ie E

EL

EV

ED

EA

+

-

-

+

-

-

+

-

- n

p

-NA

+ND

0ND

0NA

NA

0=NA

ND

0=ND

Dabei bezeichnen:

ND die Dichte aller vorhandenen Donatoren,

N+D die Dichte der positiv geladenen Donatoren,

N0D die Dichte der ungeladenen Donatoren,

NA die Dichte aller vorhandenen Akzeptoren,

N−A die Dichte der negativ geladenen Akzeptoren und

N0A die Dichte der ungeladenen Akzeptoren.

Es lasst sich ausgehend vom”Massenwirkungsgesetz“ Gl.(6.20) und unter Ausnutzung der

Ladungsneutralitat zeigen, dass sich fur die Elektronenkonzentration folgendes ergibt:

n ≈ 2ND

1 +√

1 + 4 ND

NLeff

eEd

kBT

(6.25)

Fur diese Gleichung lassen sich drei Temperaturbereiche unterscheiden:

1. Fur niedrige Temperaturen wenn

4ND

NLeff

eEd

kBT 1 (6.26)

gilt, dann ergibt sich:

n ≈√NDNL

effe− Ed

2kBT (6.27)

In diesem Bereich sind noch nicht alle Storstellen ionisiert, so dass bei jeder Tempe-raturerhohung weitere Storstellen ionisiert werden konnen. Man spricht hier von einerStorstellenreserve.

183

2. Fur mittlere Temperaturen bei denen gilt

4ND

NLeff

eEd

kBT 1 (6.28)

gilt, dann ergibt sich:

n ≈ ND = const. (6.29)

Hier sind alle Storstellen ionisiert und die Konzentration von Ladungstrager bleibt ineinem Temperaturbereich konstant.

3. Fur hohe Temperaturen wenn Elektronen genugend thermische Energie besitzen umdie Energielucke zu uberwinden, dann verhalt sich der Halbleiter wie ein intrinsischerHalbleiter.

Schematische Darstellung der Ladungstragerdichten in den unterschiedlichen Bereichen

Steigung -E /2kg B

Steigung -E /2kd B

-1reziproke Temperatur T

intr

insis

ch

ReserveErs

chöpfu

ng

EL

EV

ED

Ei

log n

E

Fermi-Niveau E (T)F

Eg

Ed

184

Die Ladungstragerdichte fur Germanium mit unterschiedlichen Donatorkonzentrationen(1018 bis 1013cm−3, Proben (1) bis (6))

6.4 Leitfahigkeit von Halbleitern

Fur den Zusammenhang zwischen Stromdichte und elektrischen Feld lasst sich angeben:

~j = e(nµn + pµp) ~E (6.30)

Hier bezeichnen µn und µp die Elektronen- bzw. die Locherbeweglichkeit. Unter Anwendungder Naherung fur nichtentarteten Halbleitern und somit der Verwendung der Boltzmann-Statistik ergibt sich fur die Elektronenbeweglichkeit:

µn =1m∗

n

〈τ(~k)v2(~k)〉〈v2(~k)〉

e. (6.31)

v(~k) und τ(~k) bezeichnet die Geschwindigkeit und die Relaxationszeit an einem bestimmtenPunkt im k-Raum. Es folgt, dass die Beweglichkeit proportional zur Relaxationszeit τ ist.Fur die Streurate, d.h. den Kehrwert der Relaxationszeit, lasst sich schreiben:

1τ∝ 〈v〉Σ (6.32)

185

Σ bezeichnet den Streuquerschnitt fur Elektronen und Locher an einem Streuzentrum. Wegender Boltzmann-Statistik gilt im Halbleiter:

〈v〉 ∝√T . (6.33)

Es lassen sich zwei wesentliche Streumechanismen feststellen:

1. Streuung an akustischen Phononen; dabei gilt ΣPh ∝ T und damit ergibt sich mitGl.(6.32) und Gl.(6.33):

µph ∝ T−32 (6.34)

2. Streuung an geladenen Storstellen; dabei gilt Σst ∝ 〈v〉−4 und mit 〈v〉 ∝√T ergibt

sich mit Gl.(6.32) und Gl.(6.33):

1τSt

∝ Nst

T32

(6.35)

Damit ergibt sich fur die Beweglichkeit

µSt ∝ T32 (6.36)

log T

log m

3/2~T

-3/2~T

Streuung an Phononen

Streuung an ionisierten Störstellen

186

Die Ladungstragerbeweglichkeit fur Germanium mit unterschiedlichenDonatorkonzentrationen

(1018 bis 1013cm−3, Proben (1) bis (6))

187

Die Leitfahigkeit fur Germanium mit unterschiedlichen Donatorkonzentrationen(1018 bis 1013cm−3, Proben (1) bis (6))

Die Driftgeschwindigkeit fur verschiedene Halbleiter

188

6.5 Der pn-Ubergang

Bringt man ein p- und ein n-dotiertes Material in elektrischen Kontakt werden Elektronenvom n-dotierten Material in das p-dotierte fließen, bis sich das Fermi-Niveau (das chemischePotential) in beiden Materialien so angeglichen haben, dass dies keine Gradienten mehr auf-weist. Dadurch bildet sich eine so genannte Raumladungszone aus. Diese Raumladungszonefuhrt zu einem Driftstrom, der den Diffusionsstrom kompensiert, so dass im Gleichgewichtkeine effektiver Strom mehr fließt.

Schema des pn-Ubergangs

Energiebander des pn-Ubergangs ohne undmit dem Kontakt

189

Raumladungszone undLadungstragerkonzentrationen

6.5.1 Der pn-Ubergang im thermischen Gleichgewicht

Jedem Punkt im Kristall lasst sich ein elektrisches Potential zuordnen, fur das die Poisson-Gleichung erfullt sein muss:

∂2V (x)∂x2

= −%(x)εε0

(6.37)

Elektronen werden in einem p-dotierten Material als Minoritatsladungstrager und Locherin diesem Material als Majoritatsladungstrager. Entsprechendes gilt in n-dotierten Material:Locher sind Minoritatsladungstrager und Elektronen Majoritatsladungstrager. So sind die inder Raumladungszone befindlichen Ladungstrager Minoritatsladungstrager, da sie aus dementsprechend dotierten Material in das gegenuberliegende diffundieren.

Fur die Majoritatsladungstrager lasst sich schreiben:

nn = NLeffe

−EnL−EFkBT (6.38)

pp = NVeffe

−EF−E

pV

kBT (6.39)

Die Indizes n und p geben an wie das Material dotiert ist, in dem die Große betrachtet wird.Außerdem lasst sich schreiben:

n2i = nnpn = NV

effNLeffe

−EnL−En

VkBT (6.40)

Damit kann die sich maximal einstellende Diffusionsspannung VD, welche der maximalenDifferenz des Makropotentials entspricht, mit der Ladungstragerkonzentration in Verbindunggebracht werden:

eVD = −(EnV − Ep

V ) = kBT ln(ppnn

n2i

)(6.41)

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