4.3.3 fluviale formung -...

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4.3.3 Fluviale Formung Quantitativ wichtigster geomorphologischer Abtragsprozess auf der Erdoberfläche Hohe Energiemenge (Potenzialenergie) im Wasserkreislauf Umsetzung in Reibungsarbeit, Erosions- und Transportvorgänge Erosion: Linearer Abtrag durch fließendes Wasser Denudation: flächige Tieferlegung des Reliefs Transport: Bewegung von Material mit dem Wasser Lösungsfracht Schwebfracht Sohlfracht Schwimmfracht Akkumulation: Ablagerung der Fracht bei nachlassender Transportkraft Begriffe dominant z.B. bei Tieflandsflüssen dominant z.B. bei Gebirgsbächen

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4.3.3 Fluviale Formung

Quantitativ wichtigster geomorphologischer Abtragsprozess auf der Erdoberfläche

Hohe Energiemenge (Potenzialenergie) im Wasserkreislauf Umsetzung in Reibungsarbeit, Erosions- und Transportvorgänge

Erosion: Linearer Abtrag durch fließendes Wasser

Denudation: flächige Tieferlegung des Reliefs

Transport: Bewegung von Material mit dem Wasser

Lösungsfracht Schwebfracht Sohlfracht Schwimmfracht

Akkumulation: Ablagerung der Fracht bei nachlassender Transportkraft

Begriffe

dominant z.B. bei Tieflandsflüssen dominant z.B. bei Gebirgsbächen

Splash- oder Planschwirkung beim Auftreffen von Regentropfen

(Zepp 2003, S. 126)

4.3.3.1 Fluvialer Hangabtrag

Kinetische Energie ausgewählter Niederschlagsarten

Intensität mittlerer Fallge- kinetische

Art Durchmesser schwindigkeit Energie

[mm/h] [mm] [m/s] [kJ/m²•h]

Sprühregen 0,2 0,10 0,20 10-3

Nieselregen 0,5 1,00 4,20 100

Leichter Regen 1,0 1,20 4,90 101

Starker Regen 15,0 2,10 6,90 103

Gewitterregen 100,0 3,00 8,40 104

(Auerswald 1998)

Oberflächenabfluss und Rillenerosion

Oberflächenabfluss führt zu flächiger Denudation

Konzentration des Abflusses:

Rillenerosion

Rinnenerosion

Rinnenerosion durch Abfluss-konzentration hpts. auf unbewachsenen Flächen

z.B. Rodung, unangepasste Landnutzung, Überweidung

Badlandbildung innerhalb weniger Jahre bis Jahrzehnte

Bodenerosion als anthropogenes

Phänomen

Intakte Vegetation verhindert Abfluss und Hangabtrag fast vollständig

auf bewirtschaften Flächen und Brachland Steigerung um Zehnerpotenzen

Bedeutung von Erosionsschutz (Mulchen, Konturpflügen etc.)

4.3.3.2 Erosion, Transport, Akkumulation

Laminares Fließen am schnellsten entlang des Stromstriches und nahe der Oberfläche (Reibung an Ufern und Grund)

Größere Erosionsleistung bei turbulentem Fließen

Tiefenerosion

Seitenerosion

Rückschreitende Erosion

Arten der Erosion

Belastungsverhältnis (BV) = Last (L) / Schleppkraft (S)

< 1: Freie Energie zur Erosion

≈ 1: Transport, evtl. Mäandrieren

> 1: Akkumulation

Das Hjulström-Diagramm

Kemo
Notiz
wichtig --> verstehen kommt wsh zu prüfung
Kemo
Notiz
erodiertes sandkorn nach hochwasser bei 10 cm/s wird transportiert wenn es weiter sinkt dann wieder ablagerung
Kemo
Notiz
bei ton nach hochwasser zb 300cm/s geht wird es td immer weiter transportiert auch bei geringster schnelligkeit außer wenn das wasser ganz still wird(zB see)

Deutlich schwieriger und langsamer

Bedeutung von Erosionswaffen

Bildung von Kolken

Erosion in Festgestein

Absetzen der Schwebfracht und Sohlfracht bei Nachlassen der Transportkraft (=Gefällsverminderung)

Schottersohlen von Tälern im Unterlauf

Endgültige Ablagerung in Seen oder an der Küste

Flussdeltas ( s. Küsten)

Verlanden von Seen

Nur feinste Korngrößen werden bis ins Meer transportiert ( Tiefseeton)

Fluviale Akkumulation

Fluviale Akkumulation

Schwemmfächer an der Ausmündung von Gebirgstälern ins Haupttal (Siedlungslagen, z.B. Hall i.T.)

Terrassen entstehen durch Wechsel von Einschneidung und Aufschüttung

Klimatische Gründe:

z.B. Kalt- und Warmzeiten (= wechselnde Sediment- und Wasserführung)

Warmzeiten: weniger Sediment, konstantere Wasserführung Einschneidung

Kaltzeiten: Höhere Sedimentfracht, stoßweise Wasserführung Aufschotterung

Veränderungen der Erosionsbasis

Tektonische Hebung oder Senkung

Meeresspiegelschwankungen

Bildung von Flussterrassen

a) bei tektonischer Senkung

b) bei tektonischer Hebung

4.3.3.3 Gerinnebettmuster

Stab

ilitä

t d

es G

run

dri

sses

Bo

den

frac

ht

Ko

rngr

öß

e

Gefälle

Hohes Gefälle gestreckt (evtl. Riffle-Pool)

Geringeres Gefälle, hpts. Suspensionsfracht mäandrierend

Hohe Bodenfracht braided river

Braided River

"braided river", Thorsmörk (Island)

Hohe Sedimentfracht, geringes Gefälle

Fluss schottert sein eigenes Bett auf

Verzweigungen, häufige Laufverlagerung

Vorkommen: Gebirgsflüsse, Gletschervorfelder...

Oft bei stoßweiser Wasserführung

Mäanderbildung

Voraussetzungen:

gemischte Frachtbedingungen

geringes Gefälle

leicht erodierbares Gestein

Stromstrich beginnt zu pendeln (Ursachen nicht völlig geklärt), Bildung von Prall- und Gleithängen

Prallhänge: Unterschneidung

Gleithänge: Akkumulation

Selbstverstärkungseffekt

Mäanderbildung

Mäanderschlingen wandern flussabwärts

Seitenerosion bewirkt immer weiteres Ausbiegen

Schließlich durchtrennen des Mäanderhalses

Verkürzung der Lauflänge

Bildung von Altwasserarm und evtl. Umlaufberg

Flussmäander:

"freie" Mäander in der Talsohle (können sich noch verlagern)

Talmäander:

mäandrierender Fluss schneidet sich ein (deutlich langsamere Verlagerung!); sehr häufig (Neckar, Mosel, Mur)

Ahnert (2009)

4.3.3.4 Längsprofil von Flüssen

Jeder Fluss strebt ein "ideales Längsprofil" an:

Oberlauf (Erosion)

Mittellauf (gemischt)

Unterlauf (Akkumulation)

Exponentialkurve

Erosionsbasis:

z.B. Felsriegel, Meer

Veränderung der Erosionsbasis Erosionsimpuls

Flusslängsprofil am Beispiel Rhein

Zepp (2003)

Antezendentes Durchbruchstal:

sehr häufig in Gebirgsgebieten

Fluss kann mit Hebung schritthalten

Epigenetisches Durchbruchstal:

Felsuntergrund wird verschüttet

Fluss schneidet sich neu ein und trifft im Untergrund auf Felsriegel

Durchbruchstäler

1. Überlaufdurchbruch 2. Rückschreitende Erosion 3. Antezendenz 4. Epigenese

Flussanzapfung

A: angezapfter Fluss B: anzapfender Fluss <: Fließrichtung RE: rückschreitende Erosion K: Anzapfungsknie T: Trockental

"Kampf um die Wasserscheide": Fluss mit höherem Gefälle (niedrigere Erosionsbasis) ist i.d.R. im Vorteil

Beispiele: Wutachschlucht, Engadin/Malojapass

Talform (im Querprofil) ist abhängig vom Verhältnis zwischen Tiefenerosion, Seitenerosion und Hangabtrag

Starke Tiefenerosion, geringer Hangabtrag steilwandige Talform

Geringe Tiefenerosion, starker Hangabtrag flachere Talform

Bei starker Tiefenerosion werden Talflanken steiler Steigerung der Hangprozesse, bis (dynamisches) Gleichgewicht erreicht ist

Achtung: Gleichgewicht wird in der Natur selten erreicht!

4.3.3.5 Talformen

Klamm: Ausgebildet in standfestem

Gestein (praktisch keine Seitenerosion)

Schnelle, starke Tiefenerosion (z.B. Hängetäler, hohes Gefälle)

senkrechte bis überhängende Wände

Schlucht: Tiefenerosion >> Seitenerosion Hänge sehr steil, aber nicht

senkrecht

Klamm und Schlucht

Sonderform der Schlucht bei horizontal lagernden, wechselnd widerständigen Gesteinsschichten Widerständige Gesteine

bilden steilere, weichere Gesteine flachere Hangteile

Bsp. Grand Canyon, Fish River, Ordesa

Canyon

Verbreitete Talform bei hoher Tiefenerosion und wenig widerständigem Gestein

Kerbtal

Steile Talhänge, flache Talsohle

Bei nachlassender Tiefenerosion und steigender Seitenerosion

oft im Unterlauf

Bei nachträglicher Aufschotterung eines anderen Taltyps (z.B. Kerbsohlental, Trogsohlental)

Sohlental

Allg. bei sehr starker Hangdenudation, (z.B. periglaziales Bodenfließen)

Oder: Flüsse mit geringer Erosionskraft (z.B. geringes Gefälle, fehlende Erosionswaffen)

Muldental

Welche Transportarten in Fließgewässern kann man unterscheiden?

Skizzieren Sie das Hjulström-Diagramm und erläutern Sie in Stichworten am Beispiel einer ausgewählten Korngröße, was es aussagt!

Ein Schluffteilchen wird laut H D ab einer Fließgeschwindigkeit über ca. 0,5 m/s erodiert. Was passiert, wenn die Geschwindigkeit wieder unter 0,5 m/s absinkt?

Was versteht man unter dem Belastungsverhältnis eines Gewässers, und was passiert, wenn es > 1 ist?

Tropische Flüsse werden trotz großer Wasserführung oft als "unfähig zur Tiefenerosion" beschrieben. Worauf ist dies zurückzuführen?

Wodurch kommt es zu dem Wechsel von Aufschotterung und Zerschneidung, der zur Bildung von Flussterrassen führt?

Was für ein Gerinnebettmuster entsteht bei geringem Gefälle und hoher Sedimentfracht?

Erläutern Sie den Unterschied zwischen Flussmäander und Talmäander!

Erläutern Sie die Entstehung eines antezendenten Durchbruchstals!

Wie ist das Verhältnis von Tiefenerosion- zu Seitenerosion a) bei einem Kerbtal, b) bei einem Muldental?

Prüfungsfragen

4.3.4.1 Aufbau und Dynamik von Gletschern

Gletscher: "Große, hauptsächlich aus Schnee, Firn und Eis bestehende Massen, welche einer aktiven Bewegung unterliegen." (Winkler, 2009)

Nährgebiet: Schneeakkumulation überwiegt im Jahresmittel die Ablation

Zehrgebiet: Ablation > Akkumulation

Beide Bereiche getrennt von der Gleichgewichtslinie

Gleichgewichtslinie ≈ Klimatische Schneegrenze

Flächenverhältnis Nährgebiet/Zehrgebiet meist 2:1

Methode Hofer: GGL auf halber Höhe zwischen Gletscherzunge und mittl. Kammumrahmung

Durch steigenden Überlagerungsdruck wird der Schnee im Nährgebiet verdichtet und umgeformt: Schnee Firn Gletschereis

Unter Druck plastisches Fließen

4.3.4.1 Aufbau und Dynamik von Gletschern

(Winkler, 2009)

Hintereisferner, Ötztaler Alpen

Akkumulationsgebiet: Massenüberschuss

Gleichgewichtslinie: Akkumulation = Ablation

Ablationsgebiet: Massendefizit

(Bennett & Glasser 1996)

4.3.4.2 Glaziale Erosion

Detersion: abschleifende Tätigkeit - hauptsächlich durch mitgeführtes Schuttmaterial (Moräne)

Detraktion ("plucking"): Herausreißen von Gesteinsbruchstücken durch Festfrieren des Gletschers

Exaration: Ausschürfen von Lockermaterial im Bereich der Gletscherstirn

Gletscher können... - kaltbasal (= kälter als Druckschmelzpunkt) oder - warmbasal (= wärmer als Druckschmelzpunkt) sein

Warme Gletscher haben höhere Erosionsleistung! (Gleiten auf der Unterlage, Schmelzwasser)

Steuerfaktoren: Eisdicke, geothermischer Wärmestrom, Oberflächentemperatur

Detersion

Abschleifende Wirkung:

Gletscherschrammen (striation)

Sichelbrüche

Typische "Kritzung" von glazialen Geschieben

Rundhöcker

(Winkler, 2009)

Detersion und Detraktion: Rundhöcker

Bildung von Rundhöckern (roches moutonnées):

Abschleifen auf der Luvseite

Gefrieren von Schmelzwasser durch Druckentlastung und "Festfrieren" von Gesteinsbruchstücken an der Leeseite

Unterstützung durch Kluftnetz

Stromlinienförmige Erosionsformen

a

b

Kare

Großformen der Glazialerosion: Kare

"Lehnsesselartige Hohlform" am Ursprung der Gletscher

Karbecken (oft mit See)

Karschwelle

Abhängig von Vorform (Verflachung), Geologie, Temperatur, Fließdynamik

Wandrückverwitterung (?Schwarz-Weiß-Grenze?)

Trogtäler (U-Täler)

Enorme Erosionsleistung insb. von warmbasalen Gletschern

Bei größerer Mächtigkeit größere Erosion Tiefe Ausschürfung, steile Wände

Schliffbord

Hängetäler und Konfluenz-stufe beim Zusammen-fließen verschieden mächtiger Gletscher

Oft selektive Ausschürfung, weiches Material stärker

Akzentuierung des Reliefs

Schwellen, geschlossene Hohlformen

Überformung von Trogtälern

Fjord

Hängetal, Klamm

Trogsohlental

4.3.4.3 Glaziale Akkumulation

Transportiertes Material:

Landform aus abgelagertem glazialem Lockermaterial:

Moräne

Moräne

engl. till

engl. moraine

Je nach Ablagerungsraum:

Grundmoräne (Ausschmelzen unter dem Gletscher)

Seitenmoräne

Endmoräne

Stauchendmoräne

Satzendmoräne

Deformierte Stauchendmoräne (thrust moraine) an einem polythermalen Gletscherrand

Stauchendmoränen

Material wird ausgeschmolzen und zu gestaffelten Wällen zusammengeschoben

Seitenmoränen

Drumlins, Oser und Kames

Unter oder am Gletscher gebildete Formen aus Lockermaterial

Drumlins: Gletscher überfährt nochmals seine Sedimente und formt sie um

Stromlinienförmige Hügel ("Walfischrücken"), steilere Seite zum Eis hin

meist als Drumlinfelder mit gegeneinander versetzten, ovalen Hügeln

Oser: Ablagerung subglazialer Schmelzwasserbäche, in der Landschaft oft bahndammförmig

Kames: Glazifluviale Ablagerungen in Spalten oder am Eisrand Terrassen, steilwandige Hügel

Oser und Kames

Die Glaziale Serie

Außensaumformen Innensaumformen

Zungenbecken

Grundmoräne

Drumlins

Endmoräne

Toteislöcher

Übergangs- kegel

Schotter-/Sanderflächen

Kemo
Notiz
bitno TR= Trompetental

4.3.4.4 Verbreitung und zeitliche Stellung von Gletscherständen

Günz (Menap) (1200-820 ka)

Mindel (Elster) (420-260 ka)

... frühere Glaziale

Riss (Saale) (180-120 ka)

Würm (Weichsel) (70-15 ka)

Eem

Holstein

Cromer

Ple

isto

zän

e K

altz

eit

en

(G

lazi

ale

, In

terg

lazi

ale

)

Holozän (10-0 ka) Holozäne Gletscherstände (nächste Folie)

Spätglazial (15-10 ka) Spätglaziale Gletscherstände (nächste Folie)

jeweils mit Stadialen und Interstadialen

Moränen im Alpenvorland

Moränen in Alpentälern/Karen

Moränen in rel. Gletschernähe

Vergletscherung der Ostalpen im Würm-Hochglazial

Nordische Vereisung im Würm-Hochglazial

(Maisch 1992)

Schematische Gletscherausdehnung im Spätglazial

Gletscherzungen in den tiroler Tälern (Gschnitz, Daun) bzw. in den Hochtälern und Karen (Egesen)

"Schneegrenzdepression" angegeben vom Bezugsniveau 1850

Neuzeitlicher Gletschervorstoss um 1850 ist im ganzen Alpenraum nachweisbar ( Bezugsniveau)

Bis auf geringfügige, lokale Ausnahmen bewegten sich die holozänen Schwankungen offenbar im Rahmen dieser 1850er-Grenze

Zeitweise (holozänes Optimum) nachweislich kleinere Gletscher als heute

Zwischenhalte beim Gletscherrückgang seit 1850 (nicht überall nachweisbar): 1890, 1920, 1950

Holozäne Gletscherstände

Erläutern Sie die Begriffe Nährgebiet, Zehrgebiet und Gleichgewichtslinie!

Wovon wird es gesteuert, ob ein Gletscher kaltbasal oder warmbasal ist? Welcher Temperaturtyp erodiert den Untergrund stärker?

Erläutern Sie den Prozess der Detraktion!

Nennen Sie je eine Mikroform, Mesoform und Großform der glazialen Erosion!

Benennen Sie in der Grafik die gekennzeichneten Landformen!

Bringen Sie folgende Begriffe in eine sinnvolle Reihenfolge im Sinne der glazialen Serie: Urstromtal / Endmoräne / Drumlin / Zungenbecken / Grundmoräne / Trompetental / Sanderfläche!

oder: Skizzieren Sie eine (einfache) glaziale Serie und benennen Sie die wichtigsten Komponenten!

Wie könnten Sie in einer Kiesgrube die Ablagerungen eines Flusses von einer Moräne unterscheiden?

Bringen Sie folgende Gletscherstände in die richtige Reihenfolge und benennen Sie Gruppen davon mit Pleistozän, Spätglazial, Holozän! Gschnitz / Riss / Kleine Eiszeit / Egesen / Würm / Günz

Prüfungsfragen

4.3.5 Periglaziale Prozesse und Formen

Periglazial:

Klimabedingungen und Landformen, die durch die Vorherrschaft frostdynamischer Prozesse gekennzeichnet sind

Bereich "um das Eis herum"

Gebiete, die zwar unvergletschert sind, aber in denen der Unterboden das ganze Jahr über gefroren bleibt ( Permafrost)

4.3.5 Periglaziale Prozesse und Formen

Charakteristika:

Fehlender Sickerwasserstrom ins Grundwasser

Winterniederschläge als Schnee

Abflussspitze zur Schneeschmelze

spärliche Vegetation

Typisches Spektrum geomorphologischer Formen und Prozesse

4.3.5.1. Permafrost und seine Verbreitung

überall gefroren Flächenanteil 50-100%

Flächenanteil < 50%

Au

fbau

de

s P

erm

afro

sts

"active layer"

Thermoaktiver Permafrost

keine Jahres- schwankung mehr

begrenzt durch geothermische

Tiefenstufe

Kemo
Notiz
bitno

Verbreitung des Permafrosts

eher trockene/kontinentale Gebiete (entsprechende Lagen werden sonst von Gletschern eingenommen!)

Sibirien, Nordkanada, Alaska

Alpen ab ca. 2500 m Höhe

In den Hochglazialen: gesamter unvergletscherter Bereich Mitteleuropas!

Verbreitung Nordhalbkugel

Mächtigkeit bis 1500 m

4.3.5.2. Formenschatz des Periglazials

Solifluktion

Auftauschicht fließt ab minimaler Hangneigung (ca. 2°) auf der Permafrosttafel

Sehr effektiver Hangabtragsprozess in Periglazialgebieten: Glättung von Hängen, Verfüllung von Tälern

Freie und gebundene Solifluktion (bei Vegetationsbedeckung)

Solifluktionsloben

http://www.geographie.uni-stuttgart.de

Pingos

Isolierte Hügel in Permafrost-gebieten (bis mehrere Zehnermeter hoch)

Bestehend aus Eiskern,darüber lagerndes Erdreich wird durch die Eislinse angehoben

Bei stark wasserhaltigem Boden (z.B. verlandender See)

Wasser wandert zu zentralem Eiskern (Dampfdruckdifferenz!)

Strukturböden (Frostmusterböden)

Bildung von Eiskeilen durch wiederholtes Gefrieren ( Eiskeilnetze)

Materialsortierung zwischen Fein- und Grobmaterial durch Wechsel von Gefrieren und Auftauen

Horizontale Materialbewegung durch Aufwölbung

Selbstorganisation zu ± sechseckigen Strukturen

Typische Periglazialform des Hochgebirges

Entstehung gebunden an große Schuttansammlungen (Moränen, Schutthalden)

Niederschlagswasser gefriert in den Hohlräumen, Bildung von Eiskern (i.d.R. kein schuttbedeckter Gletscher!)

aktive, inaktive und fossile Blockgletscher

Klimaindikatoren bzw. Indikatoren für alpinen Permafrost

Blockgletscher

Exkurs: Das paraglaziale Prozesssystem

Prozesse und Erscheinungen ohne direkte Einwirkung von Gletschereis, aber beeinflusst durch vorangegangene Vereisung

z.B. eisfrei gewordene Gletschervorfelder

Im Vergleich zur "geologischen Norm" stark erhöhte Prozessrate

Gründe: Übertiefung von Tälern, umfangreiche Bereitstellung von erodierbarem Lockermaterial

Periglazial: um den Gletscher (räumlich)

Paraglazial: nach der Vergletscherung (zeitlich)

Ballantyne (2005)

Skizzieren Sie Temperaturverteilung in einem Permafrostboden und benennen Sie die wichtigsten Schichten!

Warum findet man in Norwegen deutlich weniger Periglazialgebiete als im Ural (bei gleicher Breitenlage und Höhe)?

Nennen Sie drei typische Landformen des Periglazials!

Prüfungsfragen

4.3.6 Äolische Prozesse und Formen

Transport durch strömendes Medium

ähnlich Wasser, jedoch viel geringere Dichte

relativ hohe Windgeschwindigkeit erforderlich

Feinere Korngrößen (Sand, Schluff)

Vegetation bremst die Windgeschwindigkeit und schützt den Boden äolische Prozesse hpts. in vegetationsarmen /-freien Landschaften

Wüsten, Halbwüsten, Steppen, Savannen

Küstengebiete

subpolare/polare Gebiete, Gletschervorfelder

Landwirtschaftliche Flächen!

4.3.6.1 Äolischer Transport

Schwebfracht (Suspension)

längerfristig: ca. < 0,02 mm (Schluff)

kurzfristig: ca. < 0,1 mm

Saltation – Springen (Feinsand, Mittelsand)

Reptation – Rollen, Anstoßen von Körnern (Grobsand)

Saltation und Reptation (Leser 2003)

2

5

10

20

40

u2

m (

m/s

) b

ei z

0=0

,00

01

modifiziert nach Glawion et al. 2009

Äolischer Transport

4.3.6.2 Äolische Erosionsformen

Deflation

Ausblasen, Abheben

Typische Formen: Deflationswannen, Steinpflaster

Korrasion

Abschleifen durch mit der Luft bewegten Sand ("Sandstrahlgebläse")

Typische Formen: Windkanter, Pilzfelsen, Yardangs

Steinpflaster Press & Siever (2003)

Achtung: Verarmung des Unterbodens an Grobsteinen

Mitwirkung von Quellungs- und Schrumpfungsprozessen (ähnlich Frosthub!)

Windkanter Abschleifen von an der Oberfläche liegenden Seiten des Steins durch Korrasion

Nach Umwenden durch fluviale Prozesse Bearbeitung anderer Seite Entstehung von "Facetten" und Kanten

Korrasion in der Höhe maximaler Transportenergie (Geschwindigkeit x Sandgehalt)

Mitwirken der geologischen Schichtung

Pilzfelsen

Freie Dünen

Initiale Bildung an kleinen Hindernissen und Unregelmäßigkeiten Wachstum durch Selbstverstärkung (Akkumulation im Windschatten) Wanderung durch Abtrag an der Luv- und Akkumulation an der

Leeseite je kleiner, je schneller (bis Zehnermeter / Jahr) typische Schichtung

(AHNERT, S. 159)

Barchan

Parabeldüne

unimodal unimodal

Sterndüne

Längsdüne

bimodal

multimodal

Transversaldüne

unimodal

ne

nfo

rme

n u

nd

W

ind

rich

tun

g

www.earthobservatory.nasa.gov Großformen: Draadünen (Östl. Erg, Algerien)

Größte Dünenformen: Draa

Cooke et al.

(1993)

Spiralförmige Luftbewegung im

Bereich von Draa-Dünen

Verbreitung äolischer Prozesse 4.3.6.4 Äolischer Ferntransport

In Mitteleuropa: Starke Auswehung aus Gletschervorfeldern und Sanderflächen im Pleistozän!

4.3.6.4 Äolischer Ferntransport

Löss

verb

reit

un

g in

Mit

tele

uro

pa

• feinkörniges, homogenes, meist ungeschichtetes Lockergestein

• zwar unverfestigt, aber standfest

• gelblich-braun

• Korngröße 0,01 – 0,05 - Schluff

• in Mitteleuropa: 60-70% Quarz, 10-30% CaCO3, 10-20% Glimmer, Feldspat

• wichtiges Ausgangssubstrat für die Bodenbildung (z.B. Schwarzerden in der Ukraine)

Deposition von Löss

Prüfungsfragen

In welchen Gebieten der Erde entfalten äolische Prozesse hauptsächlich ihre Wirkung?

Welche Arten des äolischen Transports lassen sich unterscheiden, und welche Korngrößen sind davon betroffen?

Was für Dünenformen entstehen bei a) unimodaler Windrichtung und wenig Sandangebot; b) unimodaler Windrichtung und hohem Sandangebot; c) bimodaler Windrichtung und wenig Sandangebot; d) multimodaler Windrichtung und hohem Sandangebot?

In welchem ungefähren Zeitraum (keine Jahresangabe) wurden die verbreiteten Lösse in Mitteleuropa abgelagert? (Tertiär / Hochglazial / Frühholozän / Bronzezeit / Kleine Eiszeit)