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Buchbesprechung K. K. Tittel: Beschreibende und funktionelle Anatomie des Menschen. 14. Aufl., 436 Seiten, 281 zum Teil mehrfar- bige Abb., 49 mehrteilige Bildtafeln, Urban & Fischer: Mfinchen, Jena 2003. EURO 49,95. ISBN 3-437-46151-6 Seit 1956 erschienen 14 Auflagen dieses Lehrbuches der funktioneUen Anatomie des Menschen. Seitdem hat das Buch eine Entwicklung yon einer vorrangig beschreiben- den Stoffgestaltung zu einer primfir funktionell ausgerich- teten Darstellung von Muskeln in Hinblick auf die von ihnen generierten Bewegungsmuster durchlaufen. Das In- teresse an und die Notwendigkeit von einem Lehrbuch, welches genau die Lticke zwischen humanmedizinischen Betrachtungsweisen des Bewegungsapparates und eher an der Praxis von Bewegungsablfiufen orientierten sport- medizinischen, sportwissenschaftlichen und biomathema- tischen Inhalten schliegt, ~iuf3ert sich nicht zuletzt in der Langlebigkeit dieses Buches. Die grundlegend tiberarbei- tete Neuautlage des Buches wurde dem derzeitigen Kenntnisstand vonder systematischen und funktionellen Anatomie angepasst und typografisch fiberarbeitet. Das Spektrum des Buches umfasst die gesamte Anato- mie vonder Zytologie und Histologie fiber die allge- meine Anatomie bis zu den Organsystemen, wobei der Schwerpunkt des Buches auf dem Bewegungsapparat liegt. Entwicklungsbiologische Aspekte des Bewegungs- apparates wurden nicht berficksichtigt. Obwohl der Schwerpunkt auf dem Bewegungsapparat liegt, sind die histologischen Abschnitte fiber Stfitz- und Muskelgewebe nicht so ausffihrlich, um der Intention des Buches gerecht zu werden. So fehlen einfache molekular- biologische und physiologische Inhalte zu diesen Ge- weben v611ig. Stattdessen werden ~iltere Arbeiten von Ranvier (1874) und Krfiger (1924) erw/ihnt, die eher von wissenschaftshistorischem Interesse sein dfirften. In dem Abschnitt fiber die allgemeine Anatomie des Be- wegungsapparates fehlen wichtige, wenn nicht zentrale Begriffe wie Freiheitsgrad, Bewegungsrichtung oder das einfache mechanische Konzept des Hebelgesetzes mit samt einer gut verst~ndlichen Abbildung. Auch eine exakte Defi- nition und Abgrenzung der Begriffe Muskelschlinge, Mus- kelkette, genetische und funktionelle Muskelgruppe findet man nicht in dem Buch, stattdessen eine etwas gew6h- nungsbedtirftige Definition yon ,,Muskelschlinge": Die sich zu gemeinsamem Handeln zusammenschliegenden Muskel- gruppen werden als ,,Muskelschlingen" bezeichnet. Die Neuaufiage des Buches weist noch zahlreiche ver- besserungswfirdige Stellen auf. Ob die bisweilen ausffihr- lichen historischen Explikationen in einem modernen Lehrbuch notwendig sind, welches in erster Linie darum bemtiht sein sollte, Sachinhalte und Sachzusammenhfinge zu vermitteln, daft angezweifelt werden. Stattdessen wfi- ren Darstellungen von neueren Einsichten in die abstrakte Beschreibung von Bewegungsabl~iufen und molekularbio- logische sowie physiologische Aspekte des Bewegungs- apparates sinnvoll. Das Buch ist Studierenden der Sportwissenschaft und Dozierenden der Anatomie zu empfehlen und kann als Erg~inzung zu Anatomielehrbfichern herangezogen wer- den, in denen hfiufig die funktionelle Anatomie des Be- wegungsapparates nur unzureichend behandelt wird. Oliver Schmitt, Rostock 270

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Page 1: 436 Seiten, 281 zum Teil mehrfarbige Abb., 49 mehrteilige Bildtafeln K.K. Tittel, ,Beschreibende und funktionelle Anatomie des Menschen EURO 49,95 14. Aufl. (2003) Urban & Fischer,Tokyo

B u c h b e s p r e c h u n g

K. K. Tittel: Beschreibende und funktionelle Anatomie des Menschen. 14. Aufl., 436 Seiten, 281 zum Teil mehrfar- bige Abb., 49 mehrteilige Bildtafeln, Urban & Fischer: Mfinchen, Jena 2003. EURO 49,95. ISBN 3-437-46151-6

Seit 1956 erschienen 14 Auflagen dieses Lehrbuches der funktioneUen Anatomie des Menschen. Seitdem hat das Buch eine Entwicklung yon einer vorrangig beschreiben- den Stoffgestaltung zu einer primfir funktionell ausgerich- teten Darstellung von Muskeln in Hinblick auf die von ihnen generierten Bewegungsmuster durchlaufen. Das In- teresse an und die Notwendigkeit von einem Lehrbuch, welches genau die Lticke zwischen humanmedizinischen Betrachtungsweisen des Bewegungsapparates und eher an der Praxis von Bewegungsablfiufen orientierten sport- medizinischen, sportwissenschaftlichen und biomathema- tischen Inhalten schliegt, ~iuf3ert sich nicht zuletzt in der Langlebigkeit dieses Buches. Die grundlegend tiberarbei- tete Neuautlage des Buches wurde dem derzeitigen Kenntnisstand v o n d e r systematischen und funktionellen Anatomie angepasst und typografisch fiberarbeitet.

Das Spektrum des Buches umfasst die gesamte Anato- mie v o n d e r Zytologie und Histologie fiber die allge- meine Anatomie bis zu den Organsystemen, wobei der Schwerpunkt des Buches auf dem Bewegungsapparat liegt. Entwicklungsbiologische Aspekte des Bewegungs- apparates wurden nicht berficksichtigt.

Obwohl der Schwerpunkt auf dem Bewegungsapparat liegt, sind die histologischen Abschnitte fiber Stfitz- und Muskelgewebe nicht so ausffihrlich, um der Intention des Buches gerecht zu werden. So fehlen einfache molekular- biologische und physiologische Inhalte zu diesen Ge-

weben v611ig. Stattdessen werden ~iltere Arbeiten von Ranvier (1874) und Krfiger (1924) erw/ihnt, die eher von wissenschaftshistorischem Interesse sein dfirften.

In dem Abschnitt fiber die allgemeine Anatomie des Be- wegungsapparates fehlen wichtige, wenn nicht zentrale Begriffe wie Freiheitsgrad, Bewegungsrichtung oder das einfache mechanische Konzept des Hebelgesetzes mit samt einer gut verst~ndlichen Abbildung. Auch eine exakte Defi- nition und Abgrenzung der Begriffe Muskelschlinge, Mus- kelkette, genetische und funktionelle Muskelgruppe findet man nicht in dem Buch, stattdessen eine etwas gew6h- nungsbedtirftige Definition yon ,,Muskelschlinge": Die sich zu gemeinsamem Handeln zusammenschliegenden Muskel- gruppen werden als ,,Muskelschlingen" bezeichnet.

Die Neuaufiage des Buches weist noch zahlreiche ver- besserungswfirdige Stellen auf. Ob die bisweilen ausffihr- lichen historischen Explikationen in einem modernen Lehrbuch notwendig sind, welches in erster Linie darum bemtiht sein sollte, Sachinhalte und Sachzusammenhfinge zu vermitteln, daft angezweifelt werden. Stattdessen wfi- ren Darstellungen von neueren Einsichten in die abstrakte Beschreibung von Bewegungsabl~iufen und molekularbio- logische sowie physiologische Aspekte des Bewegungs- apparates sinnvoll.

Das Buch ist Studierenden der Sportwissenschaft und Dozierenden der Anatomie zu empfehlen und kann als Erg~inzung zu Anatomielehrbfichern herangezogen wer- den, in denen hfiufig die funktionelle Anatomie des Be- wegungsapparates nur unzureichend behandelt wird.

Oliver Schmitt, Rostock

270