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H 20781 | 59. Jahrgang | 01/2008 | www.asg-goe.de A G R A R S O Z I A L E G E S E L L S C H A F T E. V. 60 Jahre Agrarsoziale Gesellschaft e. V. Frühjahrstagung 2008 in Oldenburg (Niedersachsen) Land-Schau Internationale Grüne Woche

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H 20781 | 59. Jahrgang | 01/2008 | www.asg-goe.de

A G R A R S O Z I A L E G E S E L L S C H A F T E. V.

60 JahreAgrarsoziale Gesellschaft e. V.

Frühjahrstagung 2008in Oldenburg (Niedersachsen)

Land-SchauInternationale Grüne Woche

Die Agrarsoziale Gesellschaft e.V. nimmt ihr 60-jähriges Bestehen zum Anlass für eineausführliche Standortbestimmung ländlicher Räume in Deutschland. Wo stehen ländlicheRäume heute? Welche Chancen, welche Probleme gibt es? Wie können ländliche Räumeam besten Herausforderungen wie etwa dem sich abzeichnenden demografischen Wandelbegegnen? Welche neuen Modelle der Daseinsvorsorge, der Bildung, der Mobilitätbrauchen wir, um den sich ändernden Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen?Was bedeutet die weltweit steigende Nachfrage nach Nahrungsmitteln und Biomasse zurEnergieproduktion für die verbliebenen landwirtschaftlichen Betriebe und deren Umfeld?Und schließlich, wie muss eine Politik gestaltet werden, die die ländliche Entwicklungvoranbringt und Lösungen ermöglicht für die drängendsten Probleme?

Zu diesen Fragen nehmen folgende Persönlichkeiten aus Politik und Verwaltung,Wirtschaft und Wissenschaft, Verbänden, Gewerkschaften und Kirchen Stellungund legen ihre Sichtweisen dar:

Der ländliche Raum: Vielfalt ist seine Stärke

SONDERHEFT 60 JAHRE AGRARSOZIALE GESELLSCHAFT E.V.

Heinrich Alt, Bundesagentur für ArbeitDr. Till Backhaus, Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Mecklenburg-VorpommernDr. Heinrich Becker, Institut für Ländliche Räume der Bundesforschungsanstalt für LandwirtschaftDr. Hans-Hermann Bentrup, Vorsitzender des Vorstandes der Agrarsozialen Gesellschaft e.V.Dr. Dieter Blaschke, MinDirig. a. D., ehemals BundeslandwirtschaftsministeriumLeo Blum, Bundesverbände der Landwirtschaftlichen SozialversicherungDr. Christian von Boetticher, Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-HolsteinDr. Willy Boß, Bundesverband der gemeinnützigen LandgesellschaftenLudwig Georg Braun, Deutscher Industrie- und HandelskammertagKlaus Peter Bruns, Minister a. D., Mitbegründer der Agrarsozialen Gesellschaft e.V.Claudia Busch, Agrarsoziale Gesellschaft e.V.Iris Comdühr, Bund der Deutschen LandjugendWilhelm Dietzel, Staatsminister für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz des Landes HessenJochen Dettmer, Bundesverband der RegionalbewegungenHans Jörg Duppré, Deutscher LandkreistagHans-Heinrich Ehlen, Minister für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes NiedersachsenInes Fahning, Agrarsoziale Gesellschaft e.V.Mariann Fischer Boel, EU-Kommission, Kommissarin für Landwirtschaft und ländliche EntwicklungDr. Franz Fischler, ehemaliger EU-Kommissar für Landwirtschaft und ländliche EntwicklungDr. Andreas Frangenberg, Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft e.V.Dr. Jürgen Fröhling, Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft e.V.Dr. Hans-Peter Gatzweiler, Bundesamt für Bauwesen und RaumordnungKarl-Heinz Goetz, Bundesverband der gemeinnützigen LandgesellschaftenProf. Dr. Ulrich Hamm, Universität KasselPeter Hauk, Minister für Ernährung und Ländlichen Raum des Landes Baden-WürttembergBischof Prof. Dr. Martin Hein, Evangelische Kirche Kurhessen-WaldeckProf. Dr. Alois Heißenhuber, Technische Universität München-Weihenstephan, Lehrstuhl für Wirtschaftslehre des LandbauesProf. Dr. Hans-Günter Henneke, Deutscher LandkreistagHendrik Hering, Staatsminister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau des Landes Rheinland-PfalzAdalbert Kienle, Deutscher BauernverbandDr. Gerd Landsberg, Deutscher Städte- und GemeindebundHermann Kroll-Schlüter, StS. a. D., Katholische Landvolkbewegung DeutschlandDr. Felix Prinz zu Löwenstein, Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V.Dr. Peter Mehl, Institut für Ländliche Räume der Bundesforschungsanstalt für LandwirtschaftAntonia Milbert, Bundesamt für Bauwesen und RaumordnungJosef Miller, Staatsminister für Landwirtschaft und Forsten des Freistaates BayernStefan Mörsdorf, Minister für Umwelt des SaarlandesClaudia Neu, Institut für Soziologie und Demographie der Universität RostockHans Jürgen Ploog, Landwirtschaftliche RentenbankMichael Prinz zu Salm-Salm, Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände e.V.Brigitte Scherb, Deutscher LandFrauenverbandHanns-Eberhard Schleyer, Zentralverband des Deutschen HandwerksHorst Seehofer, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und VerbraucherschutzDr. Volker Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt des Freistaates ThüringenGerd Sonnleitner, Deutscher BauernverbandArnd Spahn, Europäische Föderation der Gewerkschaften für Nahrung, Landwirtschaft und TourismusOlaf Tschimpke, Naturschutzbund Deutschland (NABU)Eckhard Uhlenberg, Minister für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-WestfalenUte Vieting, Kompetenznetzwerk der Region HesselbergDr. Peter Weingarten, Institut für Ländliche Räume der Bundesforschungsanstalt für LandwirtschaftPetra Wernicke, Ministerin für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-AnhaltHans-Joachim Wilms, Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-UmweltDr. Dietmar Woidke, Minister für ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes BrandenburgProf. Dr. Roland Wöller, Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft des Freistaates Sachsen.

Eröffnet wird die Schrift mit einem Grußwort von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Agrarsoziale Gesellschaft e.V. (Hrsg.):Sonderheft Ländlicher Raum „60 Jahre Agrarsoziale Gesellschaft e.V.“Nr. 05/06 2007, 164 Seiten, 12,00 €, ISSN: 0179-7603

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Inhaltsverzeichnis

2 Herbsttagung 2007 „Nahrung und Energie aus der Landwirtschaft“6 - Podiums- und Plenumsdiskussion7 - Klaus Peter Bruns geehrt8 - Verleihung des Tassilo Tröscher-Preises

10 - Termin der ASG-Herbsttagung 200811 Ländlicher Raum in neuem Outfit12 Internationale Grüne Woche Berlin 2008: Land-Schau „LebensTraum Dorf“12 - Ländertage16 - Land-Schau-Gespräche21 BMELV-Konferenzreihe „Zukunft ländlicher Räume“23 Frühjahrstagung 2008 in Oldenburg: Ländlicher Raum – Zukunft durch Kooperation

und Wissen24 Oldenburg – Stadt der Wissenschaft25 Exkursionsziele der ASG-Frühjahrstagung28 Neue ASG-Forschungsprojekte: „Einkommen von Frauen auf landwirtschaftlichen

Betrieben“, „Ganztagsschulen in ländlichen Räumen“

29 Neues von der agrarpolitischen Bühne: Sechs, setzen!

31 Traineeprogramm Öko-Landbau – im Netzwerk stark

32 Architekturwettbewerb der Leipziger Messe: Historische Kirchen – modern genutzt35 Ländliche Entwicklung in China39 Regionale Wertschöpfung durch Partnerschaft42 Wettbewerb „Bioenergie-Regionen“

43 Interview mit Sabine Schulz-Greve: Schulverpflegung als Beitragzu sozialer Gerechtigkeit

47 Dr. Wilhelm Peters 65 Jahre47 Almke Gerken 70 Jahre

47 Wovon Menschen leben48 Der kritische Agrarbericht 2008

48 www.waldwissen.net

Foto Titelseite: M. Busch

ASG

Agrarpolitik

Landwirtschaft

Ländlicher Raum

Ernährungswirtschaft

Personalien

Für Sie gelesen

Für Sie gesurft

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ASG

Herbsttagung 2007:

Nahrung und Energie aus der Landwirtschaft –Alternative oder Irrweg?

Das Wachstum der Bioenergiebranche und die da-mit zusammenhängende steigende Nachfrage nachagrarischen Rohstoffen könnte Landwirten neue, ein-trägliche Einkommensmöglichkeiten eröffnen, kon-statierte Dr. Hans-Hermann Bentrup, Vorsitzenderdes Vorstandes der Agrarsozialen Gesellschaft e.V.,in seiner Begrüßungsansprache. Gleichzeitig stellteer die Frage in den Raum, ob das Potenzial derLandwirtschaft für beide Bereiche – Nahrung undEnergie – ausreiche oder ob die steigende Produk-tion von nachwachsenden Rohstoffen zulasten dereigentlichen Aufgabe von Landwirten, für das „täglichBrot” zu angemessenen Preisen zu sorgen, gehe.

Bioenergieziele von EU undBundesregierung zu hoch gesteckt?

Wolfgang Reimer, Unterabteilungsleiter, Bundes-ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-braucherschutz, Bonn, bezifferte den derzeitigenAnbau von Energiepflanzen in Deutschland aufrund 1,75 Mio. ha, d. h. 10 % der landwirtschaft-lichen Fläche. Damit werde etwa 70 % der erneuer-baren Energie erzeugt und 3,6 % des deutschen Pri-märenergiebedarfs gedeckt. Die 2007 vom Europäi-schen Rat sowie von der Bundesregierung (Meseber-ger Beschlüsse) festgelegten politischen Ziele, bis2020 einen Anteil von 20 % erneuerbarer Energie amGesamtenergiebedarf zu erreichen, schätzte Reimerals anspruchsvolles Ziel ein. Allein die Beimischungder bis 2010 geplanten 6,75 % Biokraftstoff zum mi-neralischen Kraftstoff würde laut Reimer 4 - 5 Mio. halandwirtschaftliche Fläche in Anspruch nehmen,wenn dieser aus heimischen Rohstoffen produziertwerden solle. Schon damit werde sich die Flächen-konkurrenz erheblich verschärfen. Insofern würdendie Programme des BMELV zukünftig verstärkt auf

die Biomassemobilisierung ohne Flächenkonkurrenzabzielen. Während Bioenergie in der ersten Phaseauf breiter Basis gefördert worden sei, müsse sie nunaus energiepolitischer, volkswirtschaftlicher sowieagrarpolitischer Sicht differenzierter gesteuert wer-den. Mit der voraussichtlichen Einführung des Gülle-bonus in der anstehenden Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) werde dem teilweiseRechnung getragen.

Züchterische Optimierung vonEnergiepflanzen

Ohne zu verschleiern, dass die Nutzung vonBiomasse nicht alle Energieprobleme der Zukunftlösen könne, akzentuierte Dr. Andreas von Felde,Leiter Energiepflanzen, KWS Saat AG, Einbeck,dass der Erdölverbrauch seit mehreren Jahren dieFörderung überschreite und die globalen Investi-tionen in regenerative Energien beachtlich zuge-nommen hätten. Ausgehend von den bisher be-kannten technologischen Daten würden sich dieverschiedenen Anwendungsbereiche von Ener-giepflanzen deutlich in ihren Wirkungsgradenunterscheiden. Da Biogas im Hinblick auf daserreichbare energetische Input-Output-Verhältnisvon 1 zu 7,5 wesentlich besser abschneide alsz. B. Biotreibstoff aus Raps, der Werte um 1 zu 1,2aufweise (reine Nutzung des Samens), erscheinedieser Pfad für die Pflanzenzüchtung von beson-derem Interesse. Außerdem würden mehr als 3 500Biogasanlagen (in Deutschland) günstige wirtschaft-liche Voraussetzungen für den Einsatz züchterischoptimierter Pflanzen schaffen. Für die Biogas-effizienz stehe eine möglichst hohe Massebildungpro Flächeneinheit mit Energieeinlagerung durchPhotosynthese im Vordergrund.

„Die Debatte zeigt, dass man dasThema Bioenergie und nachwach-sende Rohstoffe nicht nur unterProduktionsgesichtspunkten be-trachten kann, sondern dass auf derSuche nach der optimalen Nut-zungsstrategie viele ökonomische,ökologische, ethische und sozialeFragen beantwortet werden müssen.”

Dr. Hans-Hermann Bentrup

„Wir brauchen eine ökonomischeund ökologische Priorisierungder Förderung und einen markt-wirtschaftlichen Suchprozessnach den effizientesten Lösungen.”

Wolfgang Reimer

„50 % der Energie könnten wireinsparen, von dem verbleibendenEnergiebedarf könnte die Land-wirtschaft zukünftig 1/5 liefern.”

Dr. Andreas von Felde

Fotos: M. Busch

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Bereits seit vier Jahren arbeite die KWS an derzüchterischen Verbesserung verschiedener C3- undC4-Pflanzen. Der Schwerpunkt liege auf Mais,Zuckerrübe, Roggen sowie Sorghum, eine Arten-auswahl, die typische deutsche bzw. europäischeBiogasstandorte abdecke. Zu den Züchtungszielenzählten die Optimierung der Kältetoleranz, derWassernutzungs-Effizienz und der Hitze-Stress-Toleranz. Neben der Pflanzenzüchtung würden aberauch Fruchtfolge sowie Erntezeitpunkt eine wesent-liche Rolle für den Ertrag spielen, unterstrich vonFelde.

Vom Indikator zum Zertifikat

In Bezug auf die gegenwärtige Bioenergieförderungder Bundesregierung kritisierte Prof. Dr. Jürgen Rim-pau, Vorstand der Deutschen Landwirtschaftsgesell-schaft (DLG), Mitglied im Rat für Nachhaltige Ent-wicklung und Landwirt, Halberstadt, dass es derPolitik an einer umfassenden Zielbeschreibung sowiean Instrumenten der Güterabwägung bei möglichenZielkonflikten fehle. Darüber hinaus mangele es beiden Produktionsbedingungen an Transparenz. SeineEinschätzung beruhe sowohl auf den Forschungs-ergebnissen der FAL, des Wissenschaftlichen Bei-rats des BMELV als auch des Sachverständigen-rates für Umweltfragen. Behoben werden könnten dieMängel durch die Entwicklung von Indikatoren, dieder Zielbeschreibung dienen und mit deren Hilfe sichdie Umsetzung der Ziele – auf betrieblicher undpolitischer Ebene – quantitativ verfolgen lasse. EineSchlüsselstellung nehme laut Rimpau der IndikatorCO2-Vermeidungskosten ein, mit dessen Hilfe dieverschiedenen Energiepfade abgeglichen werdenkönnten. Seit mehreren Jahren beschäftige sich dieDLG in einem Verbundforschungsprojekt mit derFormulierung von Indikatoren, aus welchen der sog.DLG-Nachhaltigkeitsstandard entstehe. Dabei habedie DLG das Drei-Säulen-Konzept der Nachhaltigkeitsowie die Debatte um Corporate Social Responsi-bility (CSR) aufgegriffen. Rimpau hob die IndikatorenEnergieeffizienz, Humusbilanz und Emissionsinven-tur aufgrund ihrer Relevanz für das Thema Biomasse-

produktion hervor, wies aber ausdrücklich darauf hin,dass der DLG-Nachhaltigkeitsstandard, mit dem sichlandwirtschaftliche Betriebe auf freiwilliger Basis zer-tifizieren lassen können, für alle Pflanzenbausyste-me gelte. Den Betrieben werde damit ein Manage-mentsystem zur Verfügung gestellt, mit dem derUnternehmer innerbetriebliche Schwächen erkennenund gezielt nacharbeiten könne.

Erhöhung der Biodiversität durchKulturarten anderer Breitengrade

Dr. Steffen Daebeler, Fachagentur Nachwachsen-de Rohstoffe (FNR), Gülzow, räumte ein, dass dieZielkonflikte bei der Biomasseproduktion verstärktberücksichtigt werden müssten. Z. B. begrenze dieAusrichtung auf wenige Arten nicht nur die Poten-ziale, sondern führe auch zu Akzeptanzproblemen.Wenn Wiesen „Maiswüsten” bzw. „Rapseinöden”weichen, gehe die landwirtschaftliche Nutzungi. d. R. mit einem im Vergleich zu vorher höherenDünge- und Pflanzenschutzeinsatz einher. Der An-bau von Mais (für die Rinder- und Biomasseproduk-tion) bzw. Raps (für Biodiesel und Pflanzenöl) hättesich 2007 jeweils auf weit mehr als 1 Mio. ha ausge-dehnt und würde laut Daebeler weiter zunehmen.

In diesem Zusammenhang wies Daebeler auf die2007 erschienene Crutzen-Studie hin, die vor einerzu niedrig angesetzten Lachgasemission bei derBiokraftstoffproduktion (RME und Ethanol aus Ge-treide) und der dadurch hervorgerufenen Gefahr,die Erderwärmung zu beschleunigen, warne. Zwarsei umstritten, dass sich die Kritik ausgerechnet aufBiokraftstoffe beziehe, zugleich werfe die Studieaber die Frage auf, ob es sich bei der Lachgas-emission nicht um ein allgemeines Agrarproblemhandle. Wichtig sei aus Sicht der FNR ein hoherNettoenergieertrag je Flächeneinheit. Neue acker-bauliche Konzepte, z. B. Agroforstsysteme und dieEinbeziehung weiterer Kulturarten (zugunsten derBiodiversität), würden hilfreich erscheinen. DasPflanzenzüchtungspotenzial sei – auch ohne Gen-technik – insbesondere im Forstbereich längst nicht

„Transparenz, Corporate SocialResponsibility und Nachhaltig-keitsstandards sind heute unab-dingbar und einer glaubwürdigenWirtschaft angemessen.”

Prof. Dr. Jürgen Rimpau

„Heute werden in Deutschland auf2 Mio. ha nachwachsende Roh-stoffe, in erster Linie Energiepflan-zen angebaut. Ich denke, dass wirim Jahr 2020 zwischen 3 und 4 Mio.ha – Herr Reimer sprach von bis zu5 Mio. ha – zur Verfügung haben.”

Dr. Steffen Daebeler

„Mit Verlaub gesagt, einer dergrößten Zweifel, den ich habe,bezieht sich auf den Bereichder Energieeinsparungen.”

Andreas Renner

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ausgeschöpft. Im Rahmen des EVA-Verbundes er-forsche die FNR zzt. verschiedene Fruchtfolge-sowie Mischanbausysteme inklusive ökologischerund ökonomischer Bewertung. Bedauerlicherweiseseien die Versuche der FNR, neue oder in Verges-senheit geratene Pflanzen wie Miscanthus, Crambeoder Euphorbia in die hiesige Landwirtschaft einzu-führen, bislang u. a. aufgrund mangelnder Wirt-schaftlichkeit gescheitert. Inzwischen hätten sichaber die Chancen, Sorghum, Hirse oder Feldgraserfolgreich zu kultivieren, verbessert.

20 % erneuerbare Energien in Baden-Württemberg bis 2020 realistisch

Aus der Perspektive eines Energieversorgungs-unternehmens referierte Andreas Renner, Leiter derSteuerungsgruppe Regenerative Energien bei derEnBW Energie Baden-Württemberg AG, Karlsruhe.Das Unternehmen befinde sich in einer Situation, inder ein noch immer steigender Energieverbrauchdem bevorstehenden Ausstieg aus der Kernenergiegegenüberstehe. Letzteres sei speziell in Baden-Württemberg von Belang, weil das Bundeslandnicht über Kohlekraftwerke verfüge und die Ener-gieerzeugung dementsprechend kernkraftlastig aus-falle. In Anbetracht der globalen Temperaturerhöhung– in Renners Augen die wichtigste Herausforderungim 21. Jahrhundert – gelte es, alternative Energie-quellen zu erschließen bzw. auszubauen. Trotz einergewissen „Desillusionierung” hinsichtlich der Bio-energieerzeugung beschrieb Renner das Potenzialder regenerativen Energien als längst nicht ausge-schöpft.

Der größte Zuwachs werde in Deutschland beiWindenergie, d. h. im Off-Shore-Bereich, erwartet.In Baden-Württemberg, wo die Erhöhung des An-teils der erneuerbaren Energien von 16 % (2006)auf 20 % (2020) angestrebt werde, spiele indessendie Wasserkraft eine große Rolle. Vielversprechendsei auch die Geothermie, wobei hier jedoch nocherhebliche kosten- sowie sicherheitstechnischeHürden bestünden.

Bei der Energieerzeugung aus Biomasse trätenneben der Notwendigkeit, die Technologien weiter-zuentwickeln, vielerorts Schwierigkeiten bei derRohstoffbeschaffung auf. Große technische Pro-bleme hätten z. B. die Betreiber von Multianlagen,die mit unterschiedlichsten Substraten wie Holzab-fällen, Laub, Ästen und Grünschnitt beschickt werdensollen. Wesentlich positivere Erfahrungen kämen ausdem Bereich Holzverbrennung mit Wärme-Strom-Kombination. Hier spiegele sich aber die Struktur desWaldbesitzes mit einer großen Zahl an Waldeigen-tümern wider, durch welche sich eine langfristige undnachhaltige Rohstofflieferung äußerst schwierig ge-stalte, sowie die nur in geringen Umfang vorhan-denen Kurzumtriebsplantagen z. B. mit Miscanthus.

Ferner stufte Renner die von der EnBW geplantedirekte Einspeisung von Biogas sowie eine ver-mehrte Nutzung von Holz in Holzvergasungsan-lagen als günstig ein. Heikel bleibe der Import vonRohstoffen wie Pflanzenöl, weil die Zertifizierungauf internationaler Ebene noch nicht ausgereift sei.

Wettbewerbskraft der Nahrungsmittelpro-duktion höher als der Bioenergieerzeugung

Die Wettbewerbskraft der Bioenergie und dement-sprechend auch die Wertschöpfungschance für Bio-masse oder Bioenergie liefernde Landwirte, hängewesentlich vom Preis der konkurrierenden Energie-träger ab, erläuterte Prof. Dr. Dr. h. c. Alois Heißen-huber, Technische Universität München, Lehrstuhlfür Wirtschaftslehre des Landbaus. In Deutschlandliege der Paritätspreis, z. B. für den Einsatz vonBiokraftstoffen, bei rd. 80 $/barrel Rohöl, in Brasilienjedoch nur bei 30 $. Die Energiepreise würden dieAgrarpreise stützen – Reimer bezeichnete sie als„Ersatzintervention” –, da der Preis der fossilenEnergieträger die Preisuntergrenze für landwirt-schaftliche Rohstoffe markiere.

Nachdem staatliche Einflüsse dem Einsatz rege-nerativer Energien in Europa zum Durchbruch ver-holfen hätten, verstärke sich inzwischen der Druck,die bisherige Politik kritisch zu hinterfragen. Diekontrovers diskutierte klimaschützende Wirkung der

„Ein wichtiges Ziel ist, möglichstviel von dem, was wir ernten, alsEndenergie zu verkaufen. Hierfürist eine Verfahrensopti-mierung,z. B. die Wärmenutzung, unbedingterforderlich.”

Prof. Dr. Dr. h.c. Alois Heißenhuber

„Regenerative Energie sollte indezentralen Anlagen erzeugtund vor Ort genutzt werden.”

Dr. Clemens Dirscherl

„Das Hauptinstrument zur Verbes-serung der Energieeffizienz wäreeine Verteuerung der Energie.Bisher haben wir einen Wustvon Instrumenten, die unserenLebensstil aber nicht wirklichtangieren.”

Prof. Dr. Felix Ekardt

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Bioenergie sowie die Forderung, dem Lebensmit-telbereich einen Vorrang einzuräumen, dürften inder Novellierung des EEG bereits Berücksichtigungfinden. Weiterhin würde der laut Heißenhuber völligunerwartete Preisanstieg auf den Agrarmärkten dieBioenergie stark belasten und dazu führen, dasslandwirtschaftliche Produkte vorzugsweise in denNahrungsmittelmarkt fließen. Ebenfalls zu beachtensei der Arbeitsplatzeffekt des Bioenergiesektors, derin der Phase des Anlagenbaus positiv ausfalle, beimBetrieb der Anlagen aber z. B. im Vergleich zur Tier-haltung deutlich geringere Arbeitszeiten beanspruche.

Zusätzliche Wertschöpfungschancen für die Land-wirtschaft sah Heißenhuber v. a. in der Doppelnut-zung von biogenen Reststoffen bzw. agrarischenRohstoffen sowie durch den Aufwuchs ungenutzter,ertragsschwacher Flächen eventuell auch mit schnell-wachsenden Hölzern, wodurch sich keine unmittel-bare Konkurrenzsituation mit der Nahrungsmittelpro-duktion einstellen würde.

Genügsamkeitals Gebot

Weder aus ethischer noch aus religiöser Sicht seidie energetische Nutzung landwirtschaftlicher Bio-masse per se verwerflich, so Dr. Clemens Dirscherl,Beauftragter des Rates der EKD für agrarsozialeFragen. Gleichwohl forderte er eine klare Priori-tätensetzung: Eindeutigen Vorrang müsse die –bereits mehrfach empfohlene – Verwertung vonRest- und Abfallstoffen aus Land- und Forstwirt-schaft, Haushalten und der Lebensmittelindustrieeingeräumt werden. Der Anbau von Biomasse dürfesich nicht ausschließlich an Energie- und Klima-bilanzen orientieren, sondern weit umfassender anNachhaltigkeitsbilanzen, welche ökologische, öko-nomische, kulturelle und soziale Aspekte einschlös-sen. Ein Hauptaugenmerk solle regionalen unddezentralen Wirtschaftskreisläufen, dem Ausbausozio-ökonomischer Partizipationspotenziale undder Sicherung von Sozialstandards zur Verhin-derung unwürdiger Arbeitsbedingungen gelten.

Dirscherl warnte vor einer Reduzierung der Dis-kussion auf Effizienz- und Substitutionsstrategien.Zweifelsohne sei eine höhere Effizienz bei Energie-erzeugung sowie -verbrauch und die Entwicklungneuer Verfahren sinnvoll, jedoch müsse – geradeunter religiösen Gesichtspunkten – zusätzlich unsergesamter Arbeits-, Wirtschafts- und Lebensstil imSinne einer Konsistenzstrategie hinterfragt werden.Ohnedies stelle sich im Hinblick auf die möglicheFlächenkonkurrenz zwischen Nahrungsmittelanbau,Futtermittelproduktion, Bioenergienutzung und öko-

logischer Ausgleichsfunktion die Frage nach einerSuffizienzstrategie, einer ethisch gebotenen Moralder Bescheidung.

Vision wanted: Globale Regelnfür egoistische Nationalstaaten

Prof. Dr. Felix Ekardt, Forschungsstelle für Euro-päisches Umweltrecht und Bremer Institut für Trans-nationales Verfassungsrecht, teilte die gesellschafts-kritischen Ansichten seines Vorredners und zeigtesich äußerst skeptisch bezüglich der Entwicklungeines nachhaltigen Lebensstils. So vermisse er imaktuellen EEG die Verknüpfung von Kriterien für dieErzeugung und die Subventionierung der Bioener-gie. Spielregeln könnten z. B. eine energetischeMindestergiebigkeit der verwendeten Biomasse, dieForderung nach KWK-Nutzung, verpflichtendenEnergiebilanzen, Vorschriften für den Import oderein Anbauverbot auf Regenwaldflächen vorsehen.Selbst die erwartete Nachhaltigkeitsverordnung fürBiosprit werde nur wenig zur Lösung der globalenProblematik beitragen (ein wenig Klimagaseinspa-rung und ein hoher Naturschutzwert seien nicht aus-reichend).

Dennoch dürften klare Standards nicht vom ei-gentlichen Ansatzpunkt für Klimaschutz und Res-sourcenschonung ablenken. Die Gesellschaft müssedie enormen Energieeffizienzpotenziale endlich nut-zen und begreifen, dass Energie, auch Bioenergie,ein knappes Gut sei, und ihren Preis habe. Durchdie Einführung einer drastischen, verhaltenslenken-den Ökosteuer würden Verbraucher und Unter-nehmer in kürzester Zeit ihren Energieverbrauchsenken. Angezeigt wäre ein globaler Klimagas-bzw. Kohlenstoffpreis für sämtliche Wirtschafts-bereiche, die potenziell Klimagase freisetzten.

Auf diese Weise würden Anreize geschaffen,etwa die Wärmedämmung zu verbessern oder zueruieren, ob ein aus Biokunststoff hergestelltes,wesentlich leichteres Fahrzeug nicht mehr Klima-gasausstoß erspare als die Verwendung von Bio-kraftstoff. Mit der Vision eines Weltvertrages zurEtablierung weltweit bindender Standards bzw.Steuersätze könnte z. B. die WTO weiterentwickeltwerden. Für die globale Politik, in die finanzielleAnreize bzw. Kompensationszahlungen integriertwerden müssten, könnte die EU eine Vorbildfunktionübernehmen.

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Podiums- und Plenumsdiskussion:

Welche nationalen und globalen Regelnerfordert die energetische Nutzung von Biomasse?

Skepsis in Bezug aufFlächenkonkurrenz,Arbeitsplätze undUmweltwirkungen

Zu den zentralen Themen derDiskussion zählte die Frage, auswelchen Substraten Bioenergieerzeugt werden sollte. Hinsicht-lich der zu erwartenden Gewäh-rung eines Güllebonus im Rah-men des EEG wurde die Befürch-tung geäußert, dass sich die Kon-kurrenzsituation um die heuteschon knappen Flächen in Vere-delungsregionen erheblich zuspit-zen könne. Obwohl es durch denAnbau nachwachsender Rohstof-fe bislang keinen Anstieg desdurchschnittlichen Pachtpreisesfür landwirtschaftliche Flächengegeben habe, seien Preissteige-rungen auf regionaler Ebene be-reits zu beobachten und auch fürdie Zukunft nicht auszuschließen.

Allerdings seien Betriebe auf-grund zusätzlicher Wertschöp-fung aus der Bioenergie auch in

der Lage, höhere Pachtpreise zuzahlen. Tierhaltende Landwirtekönnten darüber hinaus durch dieVergärung der Gülle ihre Methan-emissionen und Entsorgungspro-bleme verringern, wenn auch dieNitratmenge insgesamt nicht re-duziert werde. Die Errichtung ei-ner Biogasanlage sei jedoch eineAlternative zur Aufstockung desTierbestandes, die Einnahmen ineiner Größenordnung von einigenHundert Schweinemastplätzengenerieren und damit zur Verrin-gerung des Nitratproblems beitra-gen könnte. Grundsätzlich wurdeder Erhalt von Nährstoffen beider Biogaserzeugung positiv be-wertet.

In Anbetracht endlicher Vorräte,z. B. an Phospat, besitze Biogasgegenüber anderen Energiepfa-den somit Vorzüge. Neben Gülleund weiteren biogenen Rest- undAbfallstoffen stelle auch dieZuckerrübe ein leistungsfähigesSubstrat für Biog-gasanlagen dar.Erfolgversprechend sei z. B. dieBeimischung von Rübenschnit-zeln zu geschichteten Maisratio-nen. Abgesehen von ihren posi-tiven Eigenschaften bei der Ener-giegewinnung sei der im Verhält-nis zu Mais geringe Wasserbe-darf für trockenere Regionenetwa in Ostdeutschland vorteil-haft. Noch nicht ausgreift sei aberdie in der Praxis notwendigeTechnologie zur Zerkleinerungbzw. Aufbereitung der Rübensowie die Gewährleistung einerganzjährigen Versorgung.Möglicherweise könnten interes-sierte Biogasanlagenbetreibernoch innerhalb dieses Jahres vonden Ergebnissen aus laufendenForschungsprojekten profitieren.

Eine weitere Schwachstelle beider Bioenergieerzeugung sei dergeringe Arbeitskräftebedarf. DieZahl der entlohnten Arbeitsstun-den in der Milchwirtschaft über-steige die der Biogasproduktionauf Maisbasis um ein Vielfaches.Aufgrund dieser negativen Be-schäftigungseffekte müsse dieFörderpolitik der Bundesregierungzugunsten der Bioenergie, ein-schließlich der fortschreitendenEntkopplung, kritisch hinterfragtwerden. Ohne diesen Sachverhaltvöllig von der Hand zu weisen,wurden dagegen die Chancenaufgezeigt, die neue Produktions-richtungen bieten könnten, dadurch die mit der Biomassenut-zung zusammenhängenden For-schungsaktivitäten auf züchte-rischen bzw. technologischen Ge-bieten Arbeitsplätze entstünden.Bereits heute gehöre Deutschlandhinsichtlich Technologie und Exportim Bereich regenerativer Energienzu den führenden Nationen. Zudemhandele es sich bei der Biogaser-zeugung aus Mais und der Milch-wirtschaft um zwei Extrembeispie-le. Würden Produktionszweige wieSchweinezucht oder reiner Acker-bau mit der Energieerzeugungverglichen, verschiebe sich dasArbeitskräfteverhältnis zugunstender Bioenergie.

Änderung eingefahrenerVerhaltensmusterunabwendbar, aber schwer

In Bezug auf das gesellschaft-liche Ziel einer ökologisch, ökono-misch und sozial nachhaltigenEnergieversorgung wurde disku-tiert, dass es nicht ausreiche, Indi-katoren zur Beschreibung der je-weiligen Produktionsart festzule-

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Klaus Peter Bruns geehrt

Im Rahmen der Jubiläumsveranstaltung zum 60-jährigen Bestehen der Agrarsozialen Gesellschafte. V. wurde Klaus Peter Bruns für sein unbeirrbares und großes Engagement bei der Verwirklichungihrer Ziele mit einer Urkunde geehrt. Gemeinsam mit anderen, den Menschen in der Landwirtschaftund im ländlichen Raum Verpflichteten, hatte er im November 1947 in „seinem” Dorf Reinhausen dieASG gegründet.

Soziales Engagementimmer an erster Stelle

Klaus Peter Bruns, mit 94 Jah-ren einziges noch lebendes Grün-dungsmitglied der ASG, bemühtesich nach dem 2. Weltkrieg umeine neue Existenz als Landwirtund bewirtschaftete ab 1946 dieDomäne Reinhausen bei Göttin-gen. Auf dem Betrieb beschäftig-te er damals rund 100 aus demOsten vertriebene Bauern undLandarbeiter und sorgte für ihreUnterbringung. Vor diesem Hin-tergrund engagierte er sich beimAufbau der Gewerkschaft Garten-bau, Land- und Forstwirtschaft(GGLF), in deren Hauptvorstander später Mitglied war. Dort lernteer andere spätere ASG-Grün-dungsmitglieder kennen, die wie

er zum Ziel hatten, ein sozialesNetz für die gesamte bäuerlicheLandwirtschaft und deren Mitar-beiter zu schaffen sowie für eineangemessene Wertschätzungdieser Menschen zu sorgen.

Gleichzeitig engagierte er sichin der SPD, war 41 Jahre imKreistag und 27 Jahre im Land-tag. Nicht nur als Bürgermeister(27 Jahre) oder als Landwirt-schaftsminister in Niedersachsen(6 Jahre) setzte sich Bruns inVerantwortung gegenüber nach-folgenden Generationen gegendie Bedrohung der natürlichenLebensgrundlagen ein. Auch inder ASG, in der er 30 Jahre langim Vorstand arbeitete, davon 14Jahre als Vorsitzender, und heuteEhrenmitglied des Vorstands ist,

kämpfte er mit Leidenschaft fürseine Vorstellungen der Agrar-politik, den Erhalt dörflicher Struk-turen und die Ökologie. Hierbeistand immer – und steht bis heute– das Mitmenschliche, das So-ziale im Mittelpunkt seines Den-kens und Handelns. fa

gen. Es müsse eine Bewertungfolgen, bei der die unterschied-lichsten Interessenlagen in Land-wirtschaft und Gesellschaft Be-achtung fänden. Dennoch bliebedie Frage offen, ob ein freiwilligerStandard, z. B. der DLG-Nachhal-tigkeitsstandard – bestehend ausIndikatoren samt Bewertung –,von den Betrieben akzeptiert undumgesetzt werde. Kontroverswurde auch eine eventuell stei-gende Zahl von Ge- und Verbo-ten bewertet. Zweifelsohne seienSpielregeln, Reglementierungenund Zertifizierungen für die Ener-gieproduktion sowie den Importvon Rohstoffen wie z. B. Palmölunerlässlich. Sie könnten jedochfür Familienbetriebe, die es nicht

schafften, sich auf die neuen Nor-men einzustellen, und für die ge-samte Wirtschaft im internatio-nalen Wettbewerb zu Nachteilenführen.

Mehrere Tagungsteilnehmeräußerten sich skeptisch in Bezugauf die Vorstellung, der Energie-verbrauch könne mithilfe höhererEnergiepreise, z. B. durch dras-tischere Ökosteuern, gedrosseltwerden. Als Argumente führtensie die trotz erheblich gestiegenerKraftstoffkosten unvermindertanhaltende Nutzung des Autosan. Insbesondere wohlhabendeBevölkerungsschichten könntendiese Kosten ignorieren. Kritischbeurteilt wurde der westliche

Lebensstil als Leitprinzip für diesich entwickelnden Länder.Schon eine Zunahme beispiels-weise des Fleischkonsums inAsien hätte einen enormen An-stieg des Flächen- und Wasser-verbrauchs zur Folge, dem einbeträchtlicher Teil der zzt. ange-bauten Biomasse weichen müs-ste. Anstelle der Ausbildung einer„Ökodiktatur” wurde ein Bewusst-seinswandel und die vermehrteBereitschaft, Verantwortung zuübernehmen, als notwendig an-gesehen. Dazu gehöre nicht nureine effiziente Technikausstat-tung, sondern auch ein sparsa-mer Umgang mit Ressourcen,vielleicht sogar die Etablierungeiner „Verzichtskultur”. ce

„Die Forderung an jedenEinzelnen und an diePolitik muss sein, alleszu tun, um der Jugendund kommenden Genera-tionen ein Leben in einerheilen und friedlichenWelt und bewahrtenNatur zu sichern.”

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Kindertagesstätte auf dem Bauernhof in Bindfelde, Sachsen-Anhalt

Verleihung des Tassilo Tröscher-Preises 2007

Die private Initiative ‚Kindertagesstätte auf dem Bauernhof’ trägt zum Erhalt der Infrastruktur einerstrukturschwachen Region bei und wird für ihr pädagogisches Konzept der ganzheitlichen Förde-rung von Kindern sowie ihre Verbindung zur Landwirtschaft und Natur ausgezeichnet.

Seit über 100 Jahren befindet sich der Bauernhofder Familie Schulz in Bindfelde bei Stendal im Fa-milienbesitz. 1990 wurde er von Friedrich WilhelmSchulz, der bereits auf dem Betrieb geboren ist,als Wiedereinrichtungsbetrieb übernommen. EineNutzung der Gebäude war zunächst wegen desschlechten baulichen Zustandes nicht möglich. Mitteder 90er Jahre, als die Stallungen und ein Teil derScheune bereits ausgebaut waren, wuchs in der Fa-milie die Idee, in den Räumlichkeiten des ehema-ligen Kuhstalles einen Kindergarten einzurichten.Ein Teil der Scheune wurde zu einem riesigen Be-wegungsraum umgebaut, auf dem Gelände entstan-den zwei Spielplätze.

Schaffung von Arbeitsplätzen instrukturschwacher Region

1997 gründeten Dorothea Schulz und TochterMaren Völz (beide ausgebildete Pädagoginnen)eine gemeinnützige GmbH als Träger der Kinder-tagesstätte auf dem Bauernhof. Nach anfänglichverhaltenen Anmeldungen, stieg die Zahl der be-treuten Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren konti-nuierlich auf 72 an, so dass weitere Erzieher ein-gestellt und die Aufnahmekapazitäten erweitertwerden mussten.

Im Rahmen der ASG-Herbsttagung erfolgte zum7. Mal die Vergabe des Tassilo Tröscher-Preises.Den von der „Stiftung Tassilo Tröscher für die Men-schen im ländlichen Raum” im zweijährigen Rhyth-mus vergebenen Preis erhielten erstmalig dreiPreisträger.

Christel Hoffmann, Vorsitzende des Stiftungsbei-rats, verlas die Laudatio und übergab gemeinsammit Hans Jörg Tröscher, Dr. Hans-Hermann Bentrupund Heinz Christian Bär, Vorstandsmitglieder derStiftung, die Preise.

Foto

: M. B

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Fotos: Kindertagesstätte auf dem Bauernhof, D. Schulz und M. Völz gGmbH

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1999 übernahm der Schwiegersohn (als Maurervorher saisonal arbeitslos) den Landwirtschafts-betrieb. Im Jahr 2000 stieg auch die zweite Tochternach einem Jahr Arbeitslosigkeit in das Unterneh-men „Kindertagesstätte auf dem Bauernhof” ein.Sie übernahm die kaufmännischen und organisa-torischen Aufgaben der Einrichtung.

Der Familie sind der Kontakt der Kinder zumBauernhof und dessen Tieren sowie ausreichendBewegungsmöglichkeiten besonders wichtig.Erziehungsprinzipien werden in Anlehnung andie Montessoripädagogik realisiert. Das Ziel derpädagogischen Arbeit ist, die Kinder in ihrerEntwicklung ganzheitlich zu fördern und zu beglei-ten. Auf dem Bauernhof, der inmitten von Wiesen,Feldern und Wäldern, abseits des Straßenlärmsliegt, lernen die Kinder im Umgang mit der Naturverantwortungsvolles Leben und Handeln.

Neben Arbeitsplätzen für die eigene Familie wurdensechs weitere Arbeitsplätze für Erzieherinnen und einArbeitsplatz für eine Köchin in der Kindertagesstättegeschaffen. Aufgrund ihres Erfolges mit dem Betriebentschloss sich Familie Schulz, eine Montessori-Grundschule auf dem Bauernhof einzurichten. Diesewurde im September 2007 mit 15 Kindern eröffnet,angestrebt werden nach und nach ca. 70 Kinder invier Klassen. Träger ist ebenfalls die gGmbH, diedamit weitere sechs Arbeitsplätze geschaffen hat.Außer der Regelförderung lt. Kinderförderungsgesetzfür die Kindertagesstätte wurde der Familienbetriebohne staatliche Fördermittel aufgebaut.

Weitere Informationen:Kindertagesstätte auf dem BauernhofD. Schulz und M. Völz gGmbHDorfstraße 3739590 BindfeldeTel./Fax (03931) 71 47 03oder in Kürze unterwww.montessori-bindfelde.de

Stiftung für Umwelt und Kultur in Rauenthal Eltville, Hessen

Die „Stiftung für Umwelt und Kultur in Rauenthal/Eltville” wird für die Initiative ihres StiftersDr. Günter Brack, gemeinsam mit freiwilligen Helfern ehrenamtlich Landschaftspflegemaßnahmendurchzuführen und ökologische Ausgleichsprojekte zu übernehmen, ausgezeichnet. Damit könnenvielfältige Lebensräume gesichert sowie eine zuvor bereits untergegangene Kulturlandschaftwieder neu geschaffen werden.

Ein wesentliches Motiv für dieGründung der Stiftung 2002 warder Wille des Stifters, den Land-schaftsplan der Stadt Eltville zuverwirklichen, den diese nachVerabschiedung durch die Gre-mien nicht umsetzte. Brack nahmals Alarmzeichen wahr, dass al-lein für Rauenthal 100 ha schüt-zenswerte Biotope im Land-schaftsplan als in ihrem Bestandgefährdet ausgewiesen wurden.Als Folge der Spezialisierung aufden Weinbau war nach 1960 diegesamte landwirtschaftliche und

obstbauliche Fläche in Rauenthalbrachgefallen – mit negativenFolgen für Ökologie und Naher-holung. Die Einwohner von Rau-enthal nahmen die Verwilderungder Landschaft passiv hin, dieAufnahme der Arbeit durch dieStiftung wirkte jedoch in überra-schendem Maß als Initialzün-dung für eine breite ehrenamtli-che Mitarbeit in der Landschafts-pflege. Vor allem Rentner sehenin der Landschaftspflege eine loh-nenswerte und befriedigende Be-schäftigung im Dritten Lebensalter. Fo

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K. B

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Einsatzbereiche der Stiftung

Im Wesentlichen führt die Stif-tung Maßnahmen wie die Entbu-schung und Pflege brachgefal-lener Mager- und Halbtrocken-rasen oder Streuobstwiesen nachden Vorgaben des Landschafts-planes durch. Dadurch wurde be-reits ein vielfältiger Lebensraumfür Flora und Fauna geschaffen.Offene Flächen im Wechsel mitnatürlichen Gehölzgruppen undalten Streuobstbäumen bildeneine parkähnliche Landschaft miterhöhter Attraktivität für dasNaherholungsgebiet.

Eine besondere Situation ergabsich 2006, als die örtliche Flurbe-reinigungsbehörde den Winzernmitteilte, dass die neuen Förder-richtlinien für Weinbergsverfah-ren nicht mehr, wie 2002 zuge-sagt, einen Zuschuss von 75 %,

sondern nur noch von 60 % zulie-ßen. Die Winzer kapitulierten,weil ein Eigenanteil von 40 % fürsie wirtschaftlich nicht tragbargewesen wäre. Die Bereitschaftder Brackstiftung, sechs ökolo-gische Ausgleichsprojekte „alsMaßnahme Dritter” im Verfah-rensgebiet durchzuführen und zufinanzieren, half unter Nutzungeiner Zusatzbedingung der För-derrichtlinien entscheidend mit,den Fördersatz wieder auf 75 %anzuheben. Daraufhin konnte dasVerfahren unter Mitwirkung derWinzer weitergeführt werden.

Weitere Leistungen der Stiftungim Bereich des Naturschutzessind u. a. eine Mitfinanzierungder Anschaffung von Tieren derim Bestand gefährdeten Rinder-rasse „Hessisches Rotvieh”, dieUmnutzung einer Brachflächezum botanischen Schaugarten für

Schulen, die Kennzeichnung vonWanderwegen sowie die Sanie-rung einer historischen Trocken-mauer aus dem Jahr 1680.

Aus den Erträgen des Stiftungs-kapitals und mit Hilfe großzügigerSpenden sind in den ersten fünfJahren des Bestehens der Stif-tung 20 000 € für die Landschafts-pflege eingesetzt worden. Dane-ben engagierte sich die Stiftungfür die Restaurierung von Bändender historischen PfarrbibliothekRauenthal aus dem 16. bis18. Jahrhundert mit ca. 3 600 €.

Weitere Informationen:Dr. Günter BrackGartenstraße 1865345 Eltville-RauenthalTel./Fax (06123) 71 541E-Mail [email protected] in Ländlicher Raum 04/2005,S. 38 f. fa

ASG-Herbsttagungin Göttingen

13. und 14. November 2008

Foto: N. Holtkamp

Freiwillige Helfer aus Rauenthal entbuschen eine Fläche Ziegen als Landschaftspfleger Streuobstwiese nach der Entbuschung

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Veröffentlichung „Lebensraum Dorf”

Die Veröffentlichung „Lebensraum Dorf” von Prof. Dr. Ing. Joachim Grube zeigt die Dorferneuerungals ein Element der Politik für den ländlichen Raum vor dem Hintergrund sich verändernder poli-tischer Rahmenbedingungen. Sie wird als wichtige Faktensammlung zur Dorferneuerung, die Verän-derungen des ländlichen Raumes reflektiert, ausgezeichnet.

In Deutschland findet der Wan-del der dörflichen Lebensräumeangesichts der Probleme ihrerwirtschaftlichen und sozialen Ent-wicklung in der wissenschaft-lichen Aufmerksamkeit nur einenunzureichenden Platz. Eine Aus-nahmestellung nimmt die mate-rialreiche und problemorientierteVeröffentlichung von JoachimGrube ein. Seine Untersuchungbasiert auf zwei Jahrzehnten Be-gleitforschung zahlreicher Dorfer-neuerungsverfahren im Rahmenseiner Hochschullehrtätigkeit imFachbereich Architektur derFachhochschule Hannover inNienburg/Weser.

Empirische Basis der Veröffent-lichung sind 40 Fallstudien derDorferneuerung – vier Fünftel inNiedersachsen, ein Fünftel inSachsen-Anhalt – seit ihrer Pla-nung und Durchführung und inden Folgewirkungen bis zur Ge-genwart. Es handelt sich dabeium kleinere bis mittelgroße instrukturschwachen Regionen ge-legene Dörfer, überwiegend ohneeigenen Gemeindestatus. Inmehreren Fragebogenaktionenwurden etwa 1 300 Personen ein-bezogen. Ihre Aussagen und die

Experteneindrücke des Autorsboten die Grundlage für eineEvaluierung der Dorferneue-rungsmaßnahmen und eine Be-wertung der aktuellen Lebens-qualität. Von besonderem Wertsind die fallvergleichend undfallübergreifend formuliertenKonsequenzen für den „Lebens-raum Dorf” in der Gegenwart.Nach einleitenden Ausführungenüber die institutionellen Merkmaleund Einbindungen von Dorf-erneuerungsvorhaben werdenderen dorfspezifische Durchfüh-rungen und Auswirkungen imKontext der sozialen Entwicklungvorgestellt, angereichert mit einerVielzahl von Architekturskizzen,Übersichten und Tabellen, er-gänzt durch einen umfangreichenAnhang von Farbbildseiten, Fra-gebögen und Bewertungsbögen.Die inhaltliche Feinstrukturierungreicht dabei von der Landwirt-schaft über Landschaftsplanung,Verkehrsgestaltung, Grundversor-gungs- und Dienstleistungsein-richtungen bis zu den baulichenGestaltungszielen und -realisie-rungen und berücksichtigt auchdas soziale Umfeld der Dörfer.Schließlich unternimmt der Autoreine Erfolgskontrolle der Dorf-

erneuerung und den Versuch ei-nes „Rankings” der Lebensqua-lität in den Fallstudiendörfern.Gerd Vonderach

Prof. Dr. Ing. Joachim Grube:„Lebensraum Dorf”346 Seiten450 Zeichnungen, Grafikenund farbige AbbildungenBauwerk-Verlag GmbHBerlin 2006Preis: 39,00 €ISBN 978-3-89932-146-3

Ländlicher Raum in neuem Outfit und mit neuen Erscheinungsterminen„Ländlicher Raum” wird seit der Jubiläumsausgabe 05/06 2007 farbig gedruckt und erscheint zukünftig

viermal pro Jahr (jeweils zum Ende eines Quartals). Die dritte Ausgabe in jedem Jahr wird als themen-orientiertes Schwerpunktheft mit doppeltem Umfang erscheinen. In diesem Jahr steht das Schwerpunkt-heft unter dem Thema „Jugend und Bildung im ländlichen Raum”.

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Internationale Grüne Woche Berlin 2008:

Land-Schau „LebensTraum Dorf”

„LebensTraum Dorf” – so lautete das Motto der Gemeinschaftsschau von Bundesländern, Bund, EU-Kommission und Messe Berlin vom 18. bis 27. Januar 2008. Die von der Agrarsozialen Gesellschafte.V. organisierte Land-Schau in Halle 21b zeigte den Besuchern der Grünen Woche unterhaltsamund informativ, was ländliche Räume in Deutschland und Europa an Erlebnissen und Geheimnissenbereithalten. Heike Götz (NDR) und Petra Schwarz (Journalistin) moderierten Gesprächsrunden,Ländertage, Kochevents mit der IB Hoga Berlin und prominenten Gästen sowie musikalische undkünstlerische Darbietungen.

Dr. Hans-Hermann Bentrup, StS. a. D. und Vor-standsvorsitzender der ASG, eröffnete die Land-Schau mit dem Hinweis auf die gewachsene poli-tische Bedeutung, die den ländlichen Räumen zuge-sprochen werde. Metropolregionen könnten nur er-folgreich sein, wenn es im Umland attraktive länd-liche Räume gäbe. Der Trend zum Landleben seiungebrochen. Diese Entwicklung habe jedoch auchnegative Folgen wie den hohen Flächenverbrauchdurch die Ausweisung von Neubaugebieten am Randeder Dörfer.

Um den Flächenverbrauch zu verringern, sei es zumeinen notwendig, die Städte für das Wohnen attraktivzu gestalten und damit der Abwanderung entgegen-zusteuern, und zum anderen alte Bausubstanz in denDörfern so zu modernisieren, dass die Menschen dortwieder leben wollten. Doch sei es auch wichtig, dieperipheren ländlichen Räume attraktiv zu halten. Hiersei neben dem Erhalt der Infrastruktur und einerguten Verkehrsanbindung die wichtigste Aufgabe,qualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen, damit dieMenschen dem Land nicht für immer den Rückenkehrten. Eine Voraussetzung hierfür sei derAnschluss an das Breitband, welcher eine großeHerausforderung für die Zukunft darstelle.

Ländertag Berlin

Im Rahmen des Ländertages Berlin betonte KatrinLompscher, Berliner Senatorin für Gesundheit, Um-welt und Verbraucherschutz, den hohen Stellenwert,den die Landwirtschaft auch in einer Millionenstadtwie Berlin hat. Ihr besonderes Interesse gelte ge-sunden Lebensmitteln, die ökologisch produziert undzu fairen Preisen angeboten würden. Bei einem jähr-lichen Lebensmittelverbrauch von 1 400 kg pro Kopfsei es nicht möglich, die Versorgung allein durchBerliner Landwirte sicher zu stellen. Zudem hättensich diese z. T. auf Angebote wie Ponyhöfe undPferdepensionen spezialisiert. Durch den hohenNaherholungswert des Reitsports verhieß KatrinLompscher diesem Wirtschaftszweig eine positiveZukunft.

„Gesunde Städte leben davon,dass es ein gesundes Umland gibt,und das Umland lebt davon, dasses zukunftsträchtige Städte hat.”

Dr. Hans-Hermann Bentrup

„Ernährung ist ein Schlüsselfür Gesundheit und langesLeben.”

Katrin Lompscher

Fotos: M. Busch

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Ländertag Brandenburg

Dr. Dietmar Woidke, Minister für ländliche Ent-wicklung, Umwelt und Verbraucherschutz, stellte dieFläming-Skate, eine 200 km lange Strecke im Land-kreis Teltow-Fläming, die speziell für die Bedürfnis-se von Inlineskatern konzipiert wurde, vor. 3 m brei-te Asphalt-Wege, ergänzt durch 2 m breite Radwe-ge, führten an Ortschaften mit touristischer Infra-struktur wie Skate-Verleih, Biergärten, Pensionenund Hotels, an Feldsteinkirchen, Seen, Mühlen undanderen Sehenswürdigkeiten sowie Sport- und Frei-zeitstätten vorbei.

Rollstuhlfahrer nutzten die Strecke ebenso wieBiathleten zum trainieren. Die Idee zur Fläming-Skate sei bei der Suche nach einem Alleinstel-lungsmerkmal für die Region entstanden, dennneben der Landwirtschaft als tragender Säule imländlichen Raum habe die Schaffung außerland-wirtschaftlicher Arbeitsplätze im Vordergrund ge-standen. Brandenburgs Vorgehensweise, Entschei-dungen über die Vergabe von Fördermitteln undüber neue Projekte auf Kreisebene zu fällen, habesich positiv ausgewirkt.

Anstelle von Konkurrenzdenken setzten sich Land-kreis, Gewerbetreibende wie Pensions-, Gasthof-,Café- oder Reiterhofbetreiber und interessierte Bür-ger kooperativ für den Ausbau und die Vermarktungder Fläming-Skate, die 2005 mit dem Tourismus-Preis des Landes Brandenburg ausgezeichnet wurde,ein. Woidke zeigte sich erfreut darüber, dass mitHilfe von EU-Geldern bis 2013 weitere Strecken mitvielfältigen Routen ausgebaut werden könnten, waszu einer Erhöhung der Attraktivität der Region undzur Schaffung weiterer Arbeitsplätze führe.

„Wichtig ist, den Regionendie Entscheidung über den Einsatzvon Fördermitteln zu überlassen.”

Dr. Dietmar Woidke

www.flaeming-skate.de

Während des Ländertages Berlin wurde GerdSonnleitner, Präsident des Deutschen Bauernver-bandes, durch Axel Gericke, Vorsitzender des Lan-desverbandes Gartenbau und Landwirtschaft Berline.V., zum Ehrenbürger von Lübars ernannt.

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Ländertag NRW

Im Rahmen des Ländertages Nordrhein-Westfalenbereiteten Eckhard Uhlenberg, Minister für Umweltund Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucher-schutz des Landes Nordrhein-Westfalen, und EU-Landwirtschaftskommissarin Mariann Fischer Boelgemeinsam mit Berliner Schülern im Wettbewerbzwei Obstsalate zu. Während der Koch-Show zumThema Kinder und gesunde Ernährung erläuterteUhlenberg das Motto der Nordrhein-Westfalen„Gesunde Ernährung und viel Bewegung”.

Beides gehöre zusammen und beides finde nichtmehr ausreichend statt. Viele Schulkinder kämenohne Schulbrot in die Schulen und es gäbe keinefamiliäre Esskultur mehr. Initiativen, wie die derLandfrauen in NRW, Kindern in den Schulen gesun-de Nahrungsmittel nahezubringen, förderten dasBewusstsein für eine gesunde Ernährung. Die EU-Kommissarin betonte wie wichtig es sei, dass Kinderviel Obst und Gemüse essen sowie Milch tränken.Von der EU gebe es bereits ein „Milch-Programm”und derzeit werde ein „Frucht-Programm” für Schülerin Europa entwickelt. Sie stelle sich vor, diesesgemeinsam durch Kommission und Mitgliedsstaatenzu finanzieren und eventuell Schulen einzubeziehen.

„Wir müssen denMenschen wieder einegesunde Ernährungnäher bringen.”

Eckhard Uhlenberg

„In Europa haben 22 Mio.Kinder Übergewicht,5 Mio. sind fettleibig.”

Mariann Fischer Boel

Ländertag Hessen

Karl-Winfried Seif, Hessischer Staatssekretär fürUmwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz,betonte die Notwendigkeit, den Menschen aus derStadt die besonderen Attraktionen eines Landur-laubs näher zu bringen. Aktivurlaube mit Wandern,Paddeln oder Radfahren auf gut ausgebauten Rad-wegenetzen sowie die regionalen kulinarischenBesonderheiten der ländlichen Regionen seienPotenziale, die zukünftig noch stärker ausgebautwerden sollten.

Besonders wichtig sei eine hohe Qualität derAngebote. Beides solle mit Hilfe des EU-Förder-programms „Entwicklung des ländlichen Raumes”,welches von der EU für Hessen bereits genehmigtworden sei, umgesetzt werden. Auch die LEADER+-Mittel kämen hierfür in Frage. Da die Regionenschon ausgewählt worden seien, habe zumindestein Teil der Projekte bereits begonnen.

„Der Landtourismusist entscheidendim ländlichen Raumund muss ausgebautwerden.”

Karl-Winfried Seif

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„In den nächsten Jahrenmüssen wir uns um dieWelternährung kümmern.”

Peter Harry Carstensen

„Wir haben ein großes Interesse daran,gerade auf dem Lande viele Wirtschafts-unternehmen zu haben – die müssennicht in der Stadt sein.”

Ernst-Wilhelm Rabius

„Wenn man klein und arm ist, muss manschlau und schnell sein. D. h. in diesemFall, Brüsseler Mittel zu bekommen undsie intelligent einzusetzen.”

Dr. Christian von Boetticher

Ländertag Schleswig-Holstein

Während des Ländertages Schleswig-Holsteinsprach Ministerpräsident Peter Harry Carstensenüber das Thema Ernährungssicherung als eine derwichtigsten Aufgaben der Politik eines Landes.Qualität und Vielfalt der in Deutschland von Land-wirten erzeugten Produkte seien noch nie so hochwie heute gewesen, weshalb sie den Verbrauchernauch viel wert sein sollten. In Zusammenhang mitdem Motto des Ländertages „Weite Welt – ganznah” wies Carstensen darauf hin, dass die Siche-rung der Welternährung eine wichtige Aufgabe fürdie nächsten Jahre sei.

Ernst-Wilhelm Rabius, Staatssekretär im Minis-terium für Landwirtschaft, Umwelt und ländlicheRäume, hob die Bedeutung, die die Ernährungs-wirtschaft gerade auf dem Lande neben der Land-wirtschaft habe, hervor. Vorteilhaft seien hier diekurzen Wege vom Erzeuger zu den Verarbeitern.Die Landesregierung habe ein großes Interessedaran, viele Wirtschaftsunternehmen auf demLande zu halten, weshalb die Förderung solcherUnternehmen in der Politik für den ländlichen Raumeine große Rolle spiele. Dr. Christian von Boetticher,Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländlicheRäume, erläuterte, dass sich das Motto „Weite Welt– ganz nah” in allen drei Bereichen seines Ministeri-ums wiederfinde: Die Landwirtschaft produziere Gü-ter, die vielfach in andere europäische Länder expor-tiert würden, im Umweltbereich werde das Watten-meer bald Weltnaturerbe und im ländlichen Raumfinde insbesondere im kulturellen Bereich eine engeZusammenarbeit mit Künstlern aus dem Auslandstatt.

Ländertag Thüringen

Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus lud zueinem Ausflug ins Sonneberger Land ein. Die im Sü-den Thüringens an der Grenze zu Franken gelegeneRegion liege in einer schönen Landschaft in der MitteDeutschlands. Tradition und Brauchtum, beispiels-weise die Pflege des Dialektes, spielten hier eine gro-ße Rolle. Auch kulturell und handwerklich habe dieRegion viel zu bieten – bekannt seien die LauscherGlaskunst und die Spielwarenherstellung in Sonne-berg. Nach Fertigstellung der A73 werde der Land-kreis Sonneberg zudem auch gut erreichbar sein.Dr. Volker Sklenar, Thüringens Minister für Landwirt-schaft, Naturschutz und Umwelt, betonte die Beson-derheit und Qualität der Produkte aus Thüringen, ins-besondere die Vielfalt an Speisen und Getränken.Die Menschen hätten diese Qualität regionalerProdukte wiederentdeckt und zu schätzen gelernt.

„Thüringen ist ein Land desTourismus, des Fremden-verkehrs und der Kultur.”

Dieter Althaus

„Die Grüne Woche bietet eine guteMöglichkeit, Thüringer Kultur überden Gaumen kennenzulernen.”

Dr. Volker Sklenar

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Land-Schau-Gespräche

Während Volker Blumentritt, MdB, gemeinsam mitAuszubildenden der Gastronomie kochte, erläuterteer die Vielfalt dieses Berufsfeldes und die Möglich-keiten, sich kreativ zu betätigen. Als Mitglied im Er-nährungs- und Verbraucherausschuss des DeutschenBundestages sei ihm speziell die Aufklärung übereine gesunde Ernährung bei Kindern und Jugend-lichen wichtig. Viele Eltern würden heute, weil sie esnie gelernt hätten oder beruflich zu sehr eingebundenseien, nicht kochen. Deshalb sei es wichtig, dasThema Ernährung in Kindergärten, Schulen undElternschulen aufzugreifen. Dies könne in Form vonKochkursen, einem Unterrichtsfach „Ernährung” oder„Hauswirtschaft” oder durch das spielerische Erlan-gen eines „Ernährungsführerscheines” erfolgen. GuteErnährung und Bewegung führten zur Einsparung vonFinanzmitteln, die nicht mehr für Folgekrankheitenfalscher Ernährung, z. B. Diabetes, ausgegeben wer-den müssten. Diese könnten beispielsweise in neueLehrpläne investiert werden. Wichtig sei es, die Kin-der für eine gesunde Ernährung zu begeistern unddadurch auch die Eltern zu erreichen. Während derdeutschen EU-Ratspräsidentschaft sei nachdrücklichdarauf gedrungen worden, gesunde Ernährung alseuropäisches Thema zu behandeln, da dieses Pro-blem auch in den anderen europäischen Nationenexistiere.

Die verbesserte Stimmung im Agrarsektor seiFranz-Josef Holzenkamp, Mitglied des Bundestagesund Vizepräsident des Niedersächsischen Land-volks, zufolge durch die stärkeren Investitionen derLandwirte deutlich zu spüren. In allen Bereichen,ausgenommen der Schweinehaltung, seien somitInvestitionen in den ländlichen Raum getätigt wor-den. Diese positive Entwicklung stärke regionaleUnternehmen und sichere Arbeitsplätze im länd-lichen Raum. Da insbesondere in Deutschland zuhöheren Standards produziert würde und eine nach-haltige Produktion gewährleistet werden müsse, seiauf die staatliche Unterstützung auch zukünftig nichtzu verzichten. Ausgleichszahlungen seien nötig,damit Landwirte Kulturlandschaften erhalten undpflegen. Für den Sektor der Bionahrungsmittel-produktion sieht er keine Möglichkeit sich über dieNische hinaus entwickeln zu können. Die Flächenseien zu begrenzt und die Kosten zu hoch. Dennochfreue er sich über die ebenfalls positive Entwicklungbei den Biobauern. Holzenkamp wünschte sich fürdie Zukunft eine verstärkte Nachfrage regionalerdeutscher Produkte.

„Wir Köche tragen eine großeVerantwortung für die gesundeErnährung unserer Kinder.”

Volker Blumentritt

„Landwirte stehen wieder inder Mitte der Gesellschaftund werden gebraucht.”

Franz-Josef Holzenkamp

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Estlands Landwirtschaftsminister Helir-ValdorSeeder und Dr. Ralf Niermann, Landrat des KreisesMinden-Lübbecke, berichteten von der positivenEntwicklung der seit 15 Jahren bestehenden part-nerschaftlichen Beziehungen zwischen dem Müh-lenkreis und der estnischen Region Viljandimaa.Die Partnerschaft zeichne sich u. a. durch die inten-sive Zusammenarbeit der Landfrauen aus Minden-Lübbecke mit denen aus dem Kreis Viljandi aus.Das partnerschaftliche Verhältnis werde durch ge-genseitige Besuche, den dabei stattfindenden Aus-tausch regionaler Produkte und die Teilnahme anVolksfesten gefestigt. Niermann hob das gemein-sam aufgelegte Projekt „Herrenhäuser und Parks”hervor, das sich u. a. die touristische Inwertsetzungder jeweils ca. 20 Herrenhäuser sowie ihrer Park- undGartenanlagen in Minden-Lübbecke und Viljandimaaals Ziel gesetzt habe. Kalle Küttis, Landrat des Krei-ses Viljandi, äußerte sich optimistisch in Bezug aufdie Perspektiven der Zusammenarbeit zwischen deneuropäischen Regionen. Die Dynamik der Beziehun-gen werde beispielsweise daran ersichtlich, dass die1990 in Minden-Lübbecke gegründete Organisation„Hilfe für Estland” 2005 umbenannt wurde in „Partnerfür Estland”.

Die Verbraucher müssten sich in Zukunft auf stärke-re Preisschwankungen einstellen, so Gert Lindemann,Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministeri-um. Grund hierfür sei die in ganz Europa gestiegeneMarktorientiertheit der Landwirtschaft, wodurchDeutschland stärker von den Weltmärkten und derenSchwankungen abhängig sei. Mit der Weltbevölke-rung wüchse auch die Nachfrage an Produkten, waszu erhöhten Preisen auf den Weltmärkten führe.Lindemann betonte die Notwendigkeit staatlicherUnterstützung für deutsche Bauern. Aufgrund dereuropäischen Auflagen bei Umwelt-, Gewässer- undTierschutz seien ihre Produktionskosten deutlichhöher als die der Konkurrenz auf dem Weltmarkt.Dieser wirtschaftliche Nachteil müsse ausgeglichenwerden, wenn erwartet würde, dass die Landwirtesich an diese Auflagen hielten. An die Verbraucherappellierte er, bewusst saisonal und regional einzu-kaufen, denn die europäischen Nahrungsmittel garan-tierten eine hohe Qualität. In Bioprodukten sah derStaatssekretär einen wichtigen und zukunftskräftigenWirtschaftszweig. Er sei überzeugt davon, dass sichviele Betriebe noch in der Umstellungsphase befän-den und es bald deutlich mehr Biobauern gebenwerde als heute.

„Die Welt ist global geworden, d. h.lokale Ereignisse wie z. B. Trocken-heiten haben globale Auswirkungen,beispielsweise auf die Preise.”

Gert Lindemann

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Der Landfrauenverband sei modern und vereinesowohl Mitglieder, die alte Traditionen wiederbeleb-ten, beispielsweise in den neuen Bundesländern, alsauch solche, die sich mit fortschrittlichen Ideen zurStärkung ländlicher Räume beschäftigten, so BrigitteScherb, Präsidentin des Deutschen LandFrauenver-

„Wir wollen den Interessender Frauen und ihrer Familienim ländlichen Raumeine Stimme geben.”

Brigitte Scherb

bandes e.V. (dlv). Darüber hinaus sei er die berufs-ständische Organisation der Bäuerinnen. Eine wich-tige Aufgabe des Verbandes sei die Durchführungvon Bildungsmaßnahmen und Projekten auf demLande, wie „IT-Landfrauen” und „Seniorenbeglei-tung” – ein Projekt, mit dem ältere Menschen befä-higt werden, länger selbstständig zu bleiben.

Erfreut zeigte sie sich darüber, dass die langjähri-ge Forderung der Landfrauen, Hauswirtschaft alsAlltagskompetenz anzuerkennen und wieder alsUnterrichtsfach in die Schulen zu bringen, heuteauf fruchtbaren Boden falle. Positiv sah sie die Ent-wicklung bei den grünen Berufen, da der Bedarf anjungen Fachkräften ebenso gestiegen sei wie die –inzwischen angemessenere – Bezahlung.

Die Ausbildungszahlen in landwirtschaftlichenBerufen hätten zugenommen, was in engem Zu-sammenhang mit dem positiveren und zukunfts-trächtigeren Image der Landwirtschaft und dengestiegenen Lebensmittelpreisen stehe.

Quo vadis Landleben 2020?

Perspektiven ländlichen Lebensin einer sich demografisch veränderernden Gesellschaft

Karl-Heinz Schröter, Landrat imLandkreis Oberhavel und Vize-präsident Deutscher Landkreistag(DLT), wies darauf hin, dass esein wichtiges Ziel sei, Rahmenbe-dingungen für ein Leben auf demLand zu schaffen. Hierzu gehöreein funktionierendes Gesundheits-system ebenso wie die Pendler-pauschale. Den Menschen, diebereit seien auf dem Land zu le-ben und einen längeren Anfahrts-weg zur Arbeit in Kauf zu nehmen,müsse durch die Pendlerpauschaleauch weiterhin Unterstützung zu-gesichert werden. Erforderlich seisomit ein verlässlicher Finanztrans-fer in Richtung ländlicher Raum.Auch Brigitte Scherb, Präsidentindes Deutschen LandFrauenver-bandes (dlv), ging auf die Proble-matik der Arbeitsplatzfrage aufdem Land ein. Jede junge Frau,

die aufgrund eines Arbeitsplatzesabwandere, nehme eine Familiemit, was zum Entvölkern undletztlich zum Verschwinden derDörfer führe. Chancen für dieFörderung dieser Regionen siehtScherb in der Gründung eines„Aktionsbündnisses LändlicherRaum”. Als schweren Schlag be-zeichnete sie die beschlosseneStärkung der Metropolregionen.Wenn der ländliche Raum auchals Erholungsraum für Städterdienen solle, dann müsse dieLandwirtschaft dort erhalten blei-ben. Marcus Harke, Pfarrer undVorstandsmitglied im Ausschussfür den Dienst auf dem Lande inder Evangelischen Kirche inDeutschland, bedauerte das Zu-rückbleiben alter Menschen imDorf und kritisierte den Verlustder dörflichen Identität durch die

heutige Anonymität an Schulen,an denen es keinen Heimatunter-richt mehr gäbe und auch Dia-lekte unerwünscht seien. Ehren-amtliche Tätigkeiten spielten inKirchen traditionell weiterhin einegroße Rolle und das Engagementder Einwohner sei vorbildlich, soHarke. Als Chance sieht AlfredJakoubek, Landrat im LandkreisDarmstadt-Dieburg und Vizeprä-sident Deutscher Landkreistag(DLT), den demografischen Wan-del. Notwendig sei die Unterstüt-zung der Vermarktung regionalerProdukte durch eine Änderung imVerbraucherverhalten. So erfolgein Darmstadt-Dieburg bereits eineenge Zusammenarbeit zwischendem Bauernverband und demHotel- und Gaststättenverband.Dr. Norbert Langfeldt, Amtsvor-steher und Bürgermeister im Amt

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Preetz-Land, Schleswig-Holstein,verdeutlichte, dass es wichtig sei,den Menschen in den Regionenihren Handlungsfreiraum zu las-sen und eine Begegnungsstättefür bürgerliches Engagement zuschaffen. Nur dann könne derdemografische Wandel Heraus-forderung und Chance zugleichsein.

Gesundheitscheck der gemeinsamen Agrarpolitik:

Fit für neue Herausforderungen

Ziel der für 2008 geplanten Halb-zeitbewertung der GemeinsamenAgrarpolitik (GAP), des sog. HealthCheck, sei es, Vorschläge zu prä-sentieren, die eine noch bessereAbstimmung der Agrarpolitik aufgegenwärtige und zukünftige He-rausforderungen erlaubten, soRudolf Moegele, EuropäischeKommission, GeneraldirektionLandwirtschaft und ländliche Ent-wicklung. Die Reform 2003 stelleeine gute Basis dar, jetzt gehe eslediglich darum, nachzujustieren.Bei der Überprüfung gebe es dreigroße Schwerpunkte:

- die einheitliche Betriebsprämien-regelung mit den Fragen nachMöglichkeiten der Vereinfachungdes Systems sowie der Reduzie-rung von Direktzahlungen überKappung bzw. Degression,

- die Marktpolitik, bei der es umdie Stärkung der Wettbewerbs-fähigkeit der Landwirte gehe und

- neue Herausforderungen,wie z. B. Klimawandel undEnergieprobleme.

Zu den im Rahmen der Ge-sprächsrunde kontrovers disku-tierten Themen zählte die in Er-wägung gezogene Einführungbetriebsgrößenbezogener Ober-

grenzen. Da die Agrarzahlungenab einer bestimmten Höhe zu Ak-zeptanzproblemen geführt hätten,erscheine die Berücksichtigungder wirtschaftlichen Situation vongroßen Betrieben angebracht. Aufder anderen Seite wurde die vonder Kommission vorgeschlageneDegression und Kappung auf-grund des befürchteten Verlustesvon Arbeitsplätzen und der damiteinhergehenden negativen Aus-wirkungen auf die Wirtschafts-kraft des ländlichen Raums scharfkritisiert. Bei den landwirtschaft-lichen Betrieben in von Abwande-rung bedrohten Regionen dürfenicht gekürzt werden, weil sie vie-lerorts allein für die Aufrechter-haltung des kulturellen Lebenssorgten, nachdem andere Institu-tionen wie Schulen, Post und Ge-schäfte längst verschwunden sei-en, betonte Waltraud Wolff, MdBund Sprecherin der Arbeitsgruppe„Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz” der SPD. Esmüsse Alternativen geben, um ander Obergrenze vorbeizukommen.Nach der Agrarreform von 2003habe jeder Landwirt die gleicheAusgangsposition und es seiwichtig, dass zwischen großenund kleinen Betrieben Gleichheitund Gerechtigkeit herrsche.

Dr. Jürgen Fröhling, Vorsitzen-der von EISA (European Initiativefor Sustainable Development inAgriculture) vertrat die Ansicht,dass es nichts mit der Größe desBetriebes zu tun habe, ob sich dieLandwirtschaft nachhaltig entwickle,sondern mit der Art und Weise,auf die er bewirtschaftet werde.Neben ökonomischen und ökolo-gischen Aspekten seien auch so-ziale Komponenten, wie z. B. Ein-kommen, Gesundheit und Urlaub,nicht zu vernachlässigen.

Als Problem sah Anne Hartmann,Vorsitzende Bund der DeutschenLandjugend, die Verteilung derGelder an, die bei einer Reduzie-rung der Direktzahlungen freige-setzt und in der ländlichen Ent-wicklung eingesetzt würden. An-stelle von Agenturen, die das länd-liche Entwicklungspotenzial ana-lysierten, sollten vielmehr diejeni-gen Menschen in die Förderent-scheidung einbezogen werden,die sich ehrenamtlich engagierten.

Waltraud Wolff

Dr. Jürgen Fröhling

Rudolf Moegele

Anne Hartmann

Karl-Heinz Schröter, Brigitte Scherb, Heike Götz, Alfred Jakoubek,Dr. Norbert Langfeldt, Marcus Harke

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Jan Swoboda, Florian Schöne, Udo Hemmerling, Heike Götz, Hans-Joachim Pieper, Dr. Theodor Bühner

Vielfältige Möglichkeiten der Ländlichen Entwicklungin Deutschland 2007 bis 2013

Die Möglichkeiten der Förderung und Entwicklungdes ländlichen Raums wurden in einer von der Deut-schen Vernetzungsstelle Ländliche Räume organi-sierten Diskussionsrunde vorgestellt. Dr. TheodorBühner, Bundesministerium für Ernährung, Land-wirtschaft und Verbraucherschutz, erläuterte dieSchwerpunkte des Landwirtschaftsministeriums zurEntwicklung der ländlichen Räume in der aktuellenFörderperiode. Der europäische Landwirtschafts-fonds ELER habe im Bereich Landwirtschaft dieAufgabe, neue Erwerbsalternativen aufzuzeigenund zu fördern. Im Bereich der ländlichen Entwick-lung solle ELER helfen, die Wirtschaftskraft der Un-ternehmen zu stärken, die Infrastruktur auszubauenund Bildungsmaßnahmen zu fördern. Aktuell stün-den auch Fragen zur Bioenergie sowie der Umset-zung klimafreundlicher Maßnahmen im Rahmen derländlichen Entwicklung zur Debatte. Zielsetzung al-ler Schwerpunkte sei die Verbesserung der Lebens-verhältnisse der Menschen im ländlichen Raum.

Seit der letzten Förderperiode finde eine Konzen-tration auf den LEADER-Prozess statt – so Hans-Joachim Pieper, stellvertretender Staatssekretär undAbteilungsleiter im Ministerium für Landwirtschaft,Umwelt und ländliche Räume in Schleswig-Holstein.Menschen aus den Bereichen Verwaltung, Wirt-schaft, sozialem und sonstigem Engagement orga-nisierten sich in ländlichen Regionen aus eigenerVerantwortung. Wichtig sei herauszustellen, was diejeweilige Region auszeichne, mögliche Defizite auf-zuzeigen, Ideen zu sammeln und daraus ein Strate-giepapier zu entwickeln. In Schleswig-Holstein gäbees sechs LEADER-Regionen. Die Strukturen der Ge-biete sowie der Landwirtschaft entschieden darüber,ob die Regionen Unterstützung erhielten. Auch inSchleswig-Holstein seien Themen, die den Klima-wandel beinhalteten, zukünftig wichtig. Maßnahmenin diesem Bereich erforderten allerdings die Bereit-stellung hoher finanzieller Mittel. Hier sei es entschei-dend, sich auf die besten Projekte zu konzentrieren.

Die Bedeutung des LEADER-Programms für Land-wirte, die Kooperationen bilden wollten, erläuterteUdo Hemmerling, Deutscher Bauernverband. Inte-ressant sei dies u. a. im Bereich Bioenergie. Land-wirte, die eine Biogasanlage betrieben, seien daraufangewiesen, Partner in der Gemeinde zu finden, umihr Vorhaben zu organisieren und Abnehmer für dieerzeugte Wärmeenergie zu finden. Auch beim The-ma Urlaub auf dem Bauernhof spielten Kooperati-onen eine entscheidende Rolle. Wichtig sei, dassRegionen gemeinsam in der Öffentlichkeit für ihre An-gebote werben würden. Neben den bereits genann-ten Förderbereichen der ELER-Verordnung wiesHemmerling darauf hin, dass auch die Förderung derextensiven Landbewirtschaftung, des Ökolandbausoder von Projekten der Dorferneuerung wichtigeThemen für Landwirte seien.

Auf den Einfluss der Agrarumweltprogramme aufden Naturschutz wies Florian Schöne, Naturschutz-bund Deutschland, hin. Der Beschluss der EU, dasNaturschutzgebietsnetzwerk Natura 2000 in die ge-nannten Fonds zu integrieren, sichere die Finanzie-rung des europäischen Schutzgebietsnetzes. Dieshieße aber auch, dass eine Kooperation mit derLandwirtschaft von großer Bedeutung sei. UmSchutzgebiete pflegen und erhalten zu können,stehe die Entwicklung gemeinsamer, ökologischsinnvoller Maßnahmen im Mittelpunkt. Notwendigsei, die Beteiligung der Landwirte an den Agrarum-weltprogrammen weiter zu fördern. Dadurch, dassdie Verdienstmöglichkeiten im Getreideanbau ak-tuell sehr positiv seien, stünden sie in keinem Ver-gleich zum klassischen Naturschutz. Es seien be-reits große Flächen für den Naturschutz verlorengegangen, da durch Alternativen bessere finanzielleErfolge erzielt werden könnten. Diesem Trendmüsste auf politischem Wege entgegengewirktwerden, indem die Prämien für Naturschutzmaß-nahmen durch die Landwirte erhöht würden.

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BMELV-Konferenzreihe „Zukunft ländlicher Räume”:

Ländliche Räume – von der Nische in den FokusFörderpolitik auf dem Prüfstand – Bundeslandwirtschaftsministerium als Anwalt ländlicher Räume

Politische Hochkonjunkturfür den ländlichen Raum

Spielte das Thema Ländlicher Raum nach demRegierungswechsel zunächst bestenfalls eine kleineNebenrolle, hat sich dies inzwischen grundlegendgeändert. Die Zahl der Tagungen und Papiere zurländlichen Entwicklung nehmen zu – beides untrüg-liche Indizien für einen gewachsenen Stellenwert.Allein aus den Reihen der Bundesregierung dürftees demnächst drei Schriften geben, die sich mitgrundlegenden Fragen der ländlichen Räume be-schäftigen. Eine davon soll ein Papier der gesamtenBundesregierung sein und von mehreren Ministeriengemeinsam erarbeitet werden – klare Zuständigkeitenhierfür gibt es noch nicht.

Klar ist indes: Anwalt der ländlichen Räume ist undbleibt das Bundeslandwirtschaftsministerium. Die-sen Anspruch hat das Ressort in sein 34-seitigesKonzept zur Weiterentwicklung der Politik für länd-liche Räume geschrieben, das es als Ergebnis einereineinhalbjährigen Konferenzreihe rechtzeitig zumZukunftsforum Ländliche Entwicklung während derdiesjährigen Internationalen Grünen Woche vorge-legt hat. Das Papier enthält einige Grundpositionen,an denen sich das Ministerium künftig wird messenlassen müssen.

GAK weiterentwickeln

Beispielsweise betont das Ressort den Charakterder Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung derAgrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK) alszentrales Instrument zur Koordinierung der deut-schen Agrarpolitik sowie zur nationalen Mitfinanzie-rung der EU-Politik zur Entwicklung ländlicher Räu-me. Allerdings, so wird in dem Papier eingeräumt,könne die GAK durch den gesetzlich vorgegebenen

Agrarstrukturbezug „nicht allen Anforderungen an einezukunftsfähige Politik für ländliche Räume gerechtwerden”. Mittelfristig müssten daher Mittel und Wegegefunden werden, „um in den ländlichen Räumenverstärkt private Investitionen zu generieren sowie dieländliche Wirtschaft und Infrastruktur an dieErfordernisse der Daseinsvorsorge anzupassen”.Es gehe darum, künftig in stärkerem Maße die Ver-besserung der Lebensqualität und die Diversifizie-rung der Wirtschaft zu unterstützen.

Noch deutlicher ist BundeslandwirtschaftsministerHorst Seehofer bei einer Podiumsdiskussion imRahmen des Zukunftsforums geworden. Er plädierteüberraschend vehement dafür, die bisherige GAK ineine Gemeinschaftsaufgabe zur Zukunft der länd-lichen Räume weiterzuentwickeln. Bislang sei die-ses Förderinstrument zu eng an die Agrarstruktur-förderung angelehnt. Dies gelte es zu erweitern, umneue Spielräume in der Förderpolitik zu eröffnen.Einhergehen müsse diese Öffnung mit einer Erhö-hung der Mittel. Zudem sprach sich Seehofer füreine Stärkung des Subsidiaritätsprinzips aus. Zielmüsse es sein, „die Entscheidungs- und Finanzauto-nomie der kommunalen Ebene zu stärken”. Diepolitischen Ziele sind damit formuliert, nun bedarfes nur noch deren Umsetzung …

Handlungsfelder

In seinem Papier weist das Bundeslandwirtschafts-ministerium eine Vielzahl von Handlungsfeldern auf,die von anderen Ressorts federführend bearbeitetwerden. Dies reicht von einer verlässlichen Kinder-betreuung und der Erhaltung einer möglichst wohn-ortnahen und hochwertigen Schulversorgung übereine ausreichende ambulante medizinische Grund-versorgung sowie eine flächendeckende Kranken-hausversorgung bis zu einem flexiblen und individuell

Auf die Bedeutung der integrierten Arbeitsweise zurEntwicklung ländlicher Räume wies Dr. Jan Swoboda,Deutsche Vernetzungsstelle Ländliche Räume, hin.Es gehe darum, in den verschiedenen Bereichen wieLandwirtschaft, Umwelt oder Kultur gemeinsam Ideenzu entwickeln. Swoboda erklärte, dass der Umwelt-schutz und die Energieerzeugung wichtige Bereichefür die zukünftige Entwicklung darstellten.

Die Deutsche Vernetzungsstelle Ländliche Räumeinformiere über die Möglichkeiten einer Förderung ausden Mitteln des Landwirtschaftsfonds. Auch die Ver-mittlung von Projektideen zwischen den Bundeslän-dern gehöre zu ihren Aufgaben. Im Mittelpunkt stün-den eine kompetente Begleitung des Prozesses so-wie die Förderung des Austausches zwischen unter-schiedlichen Akteuren. ce co fa ho lü

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ausgestalteten Öffentlichen Personennahverkehr(ÖPNV) sowie neuen Ansätzen in der Trink-wasserversorgung und Abwasserbeseitigung.

Interministerielle Arbeitsgruppe

Näher ausgeführt werden sollen all diese Aspektein einer zwischen allen Ressorts abgestimmten Kon-zeption für ländliche Räume. Erarbeiten soll diesesPapier eine interministerielle Arbeitsgruppe, die wie-derum vom Agrarressort koordiniert werden und bisJahresende Ergebnisse vorlegen soll, um sie an-schließend im Kabinett zu beschließen. Dass aller-dings allein der Fahrplan für diese interministerielleArbeitsgruppe mehrwöchige Abstimmungen in An-spruch nahm, lässt erahnen, dass diesem ange-strebten Grundsatzpapier der Bundesregierungkeine leichte Geburt bevorsteht.

Höhe der Agrarförderung gerechtfertigt?

Eine entscheidende Frage der künftigen Förderpo-litik dürfte sein, wie viel Geld zur Verfügung stehtund wie es verteilt wird. Für einen Teil der Expertenist diese Frage allerdings bereits beantwortet: vonder Landwirtschaft. Dazu zählen der Leiter des Insti-tuts für Raumplanung der Universität Dortmund,Prof. Blotevogel, sowie Dr. Gerd Landsberg, Ge-schäftsführendes Präsidialmitglied des DeutschenStädte- und Gemeindebundes (DStGB). Beide kriti-sierten in der o. g. Podiumsdiskussion die gegen-wärtige Höhe der Agrarförderung als nicht mehr ge-rechtfertigt und plädierten mit Nachdruck für einestärkere Umschichtung von der 1. in die 2. Säule.Blotevogel verwies auf die positive Erlösentwicklungin der Landwirtschaft und die geringe Bedeutung derLandwirtschaft für die wirtschaftliche Entwicklungländlicher Räume.

Maßgeschneiderte Lösungen

Mit der integrierten ländlichen Entwicklung bietedie 2. Säule ein geeignetes Instrumentarium, zumaßgeschneiderten Lösungen in den Regionen zukommen. Nach Ansicht von Landsberg muss dasHauptaugenmerk in der Förderpolitik zukünftig aufdie Mobilisierung und Mitwirkung der Menschen vorOrt gelegt werden, weil dadurch die besten Ergeb-nisse erzielt werden könnten. Widerspruch bekamenBlotevogel und Landsberg vom Präsidenten desDeutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, derauf die Unverzichtbarkeit der Direktzahlungen inihrer bisherigen Höhe für die Wettbewerbsfähigkeitder landwirtschaftlichen Betriebe verwies und eben-so wie Seehofer einer Anhebung der obligatorischenModulation zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine ein-

deutige Absage erteilte. Der Vizepräsident des Bun-desamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR),Prof. Wendelin Strubelt, warnte in der Runde davor,die Situation der ländlichen Räume schwarz zu ma-len. Im internationalen Vergleich stünden die länd-lichen Räume in Deutschland immer noch gut da.Laut Strubelt ist die Landwirtschaft nicht mehr derentscheidende Faktor für die Entwicklung einerländlichen Region. Dies seien vielmehr die Städte.Deren wirtschaftliche Dynamik sei „Lokomotive fürdie umliegenden Regionen”.

Sektorbezogener Ansatz als Sackgasse

Das Thema „Förderung” spielte auch eine wesent-liche Rolle auf der Begleitveranstaltung „Die Zukunftliegt auf dem Land – Konzepte für eine integrierteländliche Entwicklung”, die die ASG zusammen mitdem Bundesverband der gemeinnützigen Landge-sellschaften (BLG), dem Deutschen Bauernverband(DBV), der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft(DLG), dem Deutschen Städte- und Gemeindebund(DStGB) sowie dem Deutschen Landkreistag (dlt) imRahmen des Zukunftsforums auf der Grünen Wo-che veranstaltet hat. Beteiligt war auch das Institutfür ländliche Räume des Johann Heinrich von Thü-nen-Instituts (vTI) in Braunschweig. Dessen Leiter,Dr. Peter Weingarten, wies darauf hin, dass dieländlichen Entwicklungsprogramme in Deutschlandauch in der neuen Förderperiode in erster Linie aufdie Landwirtschaft ausgerichtet seien. Nach einerAnalyse seines Instituts fließe in Deutschland etwadie Hälfte der Mittel im Rahmen der 2. Säule anlandwirtschaftliche Betriebe.

Der Wissenschaftler bezweifelte, dass mit einemsektorbezogenen Ansatz den Herausforderungenbegegnet werden könne, vor denen der ländlicheRaum stehe. Dazu zählten der demografische Wan-del, der zunehmende Wettbewerb zwischen Regio-nen, die Entwicklung hin zu wissensbasierten Öko-nomien oder auch der Klimawandel. Weingartensprach sich vor diesem Hintergrund für eine stärkerterritoriale, problemorientierte Förderung ländlicherRäume aus. Gleichzeitig dürfe die Rolle der Politiknicht überschätzt werden. Wie sich ländliche Räumeentwickelten hänge von vielen Faktoren ab, etwavon dem Ideenreichtum und der Kreativität seinerBewohner oder auch von den Entwicklungen aufden Märkten. Politik könne hierzu einen Beitrag leis-ten, indem sie die richtigen Rahmenbedingungensetze und unterstützend eingreife, um ländlicheRäume gezielt zu entwickeln. Rainer Münch

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Frühjahrstagung 2008 in Oldenburg (Oldenburg):

Ländlicher Raum:Zukunft durch Kooperation und Wissen

Die Teilhabe an Wissen und Bildung ist zu einer entscheidenden Voraussetzung geworden, um imglobalen und regionalen Wettbewerb bestehen zu können. Die Erschließung neuer Wissensressour-cen wird dabei immer mehr zu einem wesentlichen Faktor für die Entstehung von Innovationen, fürwirtschaftlichen Erfolg und für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Auch in ländlichen Regionen ent-scheidet der Umgang mit der Produktivkraft Wissen, ob sie ihre regionalen Potenziale kooperativweiterentwickeln und in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung Anschluss halten können. Wo stehen dieländlichen Räume in diesem Prozess? Welche Voraussetzungen und Zugangsmöglichkeiten beste-hen hier, um Partnerschaften und Wissensnetzwerke zu bilden?

Mit unserer Frühjahrstagung wollen wir in Vorträgen, Diskussionen und Exkursionen Einblick ge-winnen, wie sich die Akteure im ländlichen Raum im Umgang mit Wissen positionieren und weiter-entwickeln.

Mittwoch, 28. Mai 200815.30 Uhr Stadtführung19.00 Uhr Begrüßungsempfang der Landesregierung Niedersachsen, Oldenburger Schloss

Donnerstag, 29. Mai 20088.00 bis ca. Fachexkursionen (mit gemeinsamem Abschluss und Abendessen in Bad Zwischenahn)20.00 Uhr

Route A Land- und Ernährungswirtschaft im Oldenburger Münsterland Betriebe der Land- und Ernährungswirtschaft, Energieerzeugung aus Biomasse, Kooperation, Wissenstransfer

Route B Wirtschaftliche Entwicklung und Infrastruktur im nördlichen Emsland Betriebe der gewerblichen Wirtschaft und Logistik, Vernetzung und Kooperationen in der ländlichen Wirtschaft, Flächenmanagement, Entwicklung von Infrastrukturen

Route C Ländliche Entwicklung zwischen Regionalisierung und Globalisierung in der Wesermarsch Maritime Wirtschaftsentwicklung, regionale Kreisläufe und Zusammenarbeit, Einkommenkombination, Küstenschutz

Freitag, 30. Mai 20088.30 bis ca. Vortragstagung mit Podiumsdiskussion16.00 Uhr - Kooperation und Wissensvernetzung

- Veränderungsprozesse in der Agrar- und Ernährungswirtschaft - Innovationsbedarf in Intensivlandwirtschaftsregionen - Erschließung von Wissensressourcen

Das vollständige Tagungsprogramm wird Anfang April vorliegenund kann im Internet unter www.asg-goe.de abgerufen werden.

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ASG

Oldenburg – Stadt der Wissenschaft

Archäologischen Ausgrabungenzufolge beginnt die GeschichteOldenburgs im 8., vielleicht schonim 7. Jahrhundert. Urkundlich er-wähnt wurde die Stadt jedoch erst1108, als der regierende Graf vonOldenburg jedes Jahr 90 BundAale als Dank für kirchliche Für-bitten an eine Gesandtschaft desKlosters Iburg übergab. Nachdemes im Jahre 1676 gleichzeitig zudrei Blitzeinschlägen kam, brann-te fast die gesamte Stadt nieder.

Da die Bewohner seitens ihrerRegierung keine Unterstützungerhielten, verließen viele dieStadt, wodurch sich der Wieder-aufbau über Jahrzehnte hinzog.1733 wurde Oldenburg zum Her-zogtum. Doch erst als HerzogPeter Friedrich Ludwig die Stadtübernahm und einen Umbau imklassizistischen Stil anordnete,erhielt sie ihren, bis heute be-wahrten, Residenzstadtcharakter.

Gemächliche Entwicklung

Die in einer Niederung liegende,45 km westlich von Bremen ent-fernte Stadt, entwickelte sich rela-tiv langsam zu der heutigen Groß-stadt mit 160 000 Einwohnern undder damit viertgrößten Stadt inNiedersachsen. Den kräftigstenBevölkerungsschub erhielt Olden-burg nach Ende des Zweiten Welt-kriegs, als 42 000 Flüchtlinge auf-genommen wurden.

Auffallend ist die architektoni-sche Vielfalt, bestehend aus no-blen Villenvierteln, klassizisti-schen Bauten wie dem Peter-Friedrich-Ludwigs-Hospital, demStadthafen und dem OldenburgerSchloss, das 1607 von einer mit-telalterlichen Wasserburg zu ei-nem prächtigen Barock-Schlossumgebaut wurde. Die vielenGrünanlagen bieten Gelegenheitzum Joggen und Spazierengehen,

v. a. das Eversten Holz, ein Wald-stück am Rande der Innenstadt,besticht durch seine Ursprünglich-keit, da es dank der Geldknappheitdes Landes Niedersachsen einerArt Urwald gleicht.

Umfangreiche Kulturangebote

Da es nie bedeutende Industrie-ansiedlungen gegeben hatte, bliebOldenburg während des Kriegesvon Bomben verschont und konn-te sich so, ohne größere Wirren,langsam aber sicher zu der „klei-nen Großstadt” entwickeln, die esheute ist. Dies zeigt sich auch inder kulturellen Vielfalt der Stadt,zu der das Oldenburgische Staats-theater und die freie Theaterszenemit vielen Lesungen gehören. Dasbereits 1836 eröffnete „Landesmu-seum Natur und Mensch” umfasstneben seinen drei Dauerausstel-lungen zu den Themen Moor,Geest und Küste die AbteilungenArchäologie, Naturkunde und Völ-kerkunde. Das Degodehaus ist einFachwerkhaus, das den Stadtbrandvon 1676 überstanden hat und indem sich eine bemalte Holzdeckevon 1645 befindet, die bei Bauar-beiten zufällig entdeckt wurde.

Lebendige Universitätsstadt

Ihr lebendiges Stadtklima ver-dankt Oldenburg, u. a., der 1973gegründeten Carl von OssietzkyUniversität, die immer wiederGeist und neue Menschen in dieStadt bringt. An der Universitätstudieren zzt. um die 12 000Menschen und weitere 10 000an der vor acht Jahren neu ge-gründeten, größten Fachhoch-schule Deutschlands.

Am 28. Februar 2008 verliehder Stifterverband für DeutscheWissenschaft Oldenburg den Titel„Stadt der Wissenschaft” desJahres 2009. Der Titel soll sichbewerbende Städte motivieren,bestehende Synergien zwischenWissenschaft, Wirtschaft, Kulturund Bürgerinnen und Bürgernauszubauen.

Bei einer Umfrage der Illustrier-ten „Bunte” aus dem Jahr 1979wurden die Einwohner aller deut-schen Großstädte gefragt, wie zu-frieden sie mit ihrer Stadt sind.Oldenburg wurde zur beliebtestenStadt Deutschlands gekürt – dassoll sie auch heute noch sein. pa

Das alte Rathaus

Foto

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1Jahresinhaltsverzeichnis 2007

01 - 2 Internationale Grüne Woche Berlin 2007: Land-Schau „LebensTraum Dorf“01 - 10 - Bio-Brotbox-Aktion „Gesund an den Schulstart“01 - 12 Frühjahrstagung 2007 in Schleswig: Zur Tagungsregion: Schleswig und Umgebung02 - 2 Programm der ASG-Frühjahrstagung 200702 - 4 Blick über die Grenze: Hofübergabe in Dänemark02 - 7 Reform der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung02 - 11 Qualitätskriterien für Kinderbauernhöfe gewinnen an Bedeutung03 - 2 Frühjahrstagung in Schleswig: Kieler Landwirtschaftsministerium stärkt Bottom-up-Ansatz

04 - 2 60 Jahre Agrarsoziale Gesellschaft e.V.: Herbsttagung und JubiläumsveranstaltungExkursionen der ASG-Frühjahrstagung 2007 in Schleswig:

04 - 4 - Ländliche Entwicklung in Südtondern (Schleswig-Holstein) und Südjütland (Dänemark)04 - 8 - Land- und Ernährungswirtschaft in Südjütland04 - 12 - Ländliche Enwicklung in der Schleiregion

01 - 20 Neues von der agrarpolitischen Bühne: Klare Worte

01 - 18 Interview mit Dr. Peter Mehl: Unterschiedliche Interessen erschweren Fortschritte

02 - 14 Neues von der agrarpolitischen Bühne: Gute Karten02 - 16 EU-Regionalpolitik für die Entwicklung des ländlichen Raums 2007-201303 - 16 Neues von der agrarpolitischen Bühne: Alte Stärke und neue Schwächen

04 - 15 Neues von der agrarpolitischen Bühne: Wer rastet, der rostet04 - 17 Interview mit Gerd Billen: Verbraucher wollen informiert werden

01 - 39 Demografischer Wandel im Werra-Meißner Kreis

02 - 39 Interview mit Erika Lenz: Frauen tragen die ländliche Entwicklung02 - 42 Die Förderung des Landtourismus in Sachsen03 - 36 Interview mit Dr. Gerd Landsberg: Politik für ländliche Räume braucht Neuorientierung03 - 40 Erhalt kleiner Sparkassen wichtig für ländliche Entwicklung03 - 44 Master-Studiengang „Regionalentwicklung und Naturschutz“04 - 28 Immobilienmakler als Akteure der Entwicklung ländlicher Räume04 - 33 Ländlicher Raum profitiert vom Bundeswettbewerb „Unsere Stadt blüht auf“04 - 36 Landreform in Namibia: schwierige Startbedingungen für Neufarmer04 - 39 Der Caprivizipfel in Namibia – Wald, Wild und unberührte Natur

01 - 22 Bodenschutz so notwendig wie Klimaschutz01 - 29 Wer wird Ökobauer? Ergebnisse einer Befragung von Landwirten in Hessen, NRW

und Niedersachsen01 - 33 Europäische Studie „Change the village“:

Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten entscheidend für den Verbleib junger Menschen01 - 34 Rollenverteilung der Geschlechter in der Landwirtschaft zwischen Kontinuität und Wandel01 - 37 Bus-Unternehmertrainings für mehr Gewinn und Lebensqualität in der Landwirtschaft02 - 22 Umsetzungsorientierte Agrar- und Ernährungsforschung02 - 26 Förderpreis Ökologischer Landbau02 - 30 Landwirtschaft in Rumänien – Chancen durch Ökolandbau02 - 35 Landwirtschaftliche Kleinerzeugung in Mecklenburg-Vorpommern02 - 38 Zukünftige Ressortforschung des BMELV an vier Bundesforschungsinstituten03 - 18 Hochsauerlandkreis: Innovativer Gutachtenprozess zur Regionalentwicklung mit der

Landwirtschaft03 - 22 Existenzgründung in der Landwirtschaft durch außerfamiliäre Hofnachfolge03 - 25 Förderpreis Naturschutzhöfe

ASG

Agrarpolitik

Ländlicher Raum

Heft - Seite

Landwirtschaft

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| ASG | Ländlicher Raum | 01/2008 |

Jahresinhaltsverzeichnis 2007

Heft 60 Jahre ASG

Personalien

Für Sie gelesen

03 - 28 Förderspektrum der Gemeinschaftsaufgabe (GAK) soll erweitert werden03 - 29 Urlaub auf dem Bauernhof in Deutschland – eine Analyse des Angebots03 - 33 Schutz der Bienen notwendig03 - 34 Gebäudeumnutzung: Büdnerei Lehsten – Kulturoase in Mecklenburg-Vorpommern04 - 21 Wie kann sich der Pflanzenbau auf den Klimawandel einstellen?04 - 24 Forum „Lernort Bauernhof“ auf Bundesebene – Aufgaben und Erfolgsaussichten04 - 26 Umstellungshindernisse im Gemüsebau

01 - 46 Karl Stumpf 80 Jahre

02 - 47 BLK verabschiedet Willi Siebert, Nachfolger ist Eckhard Stüwe03 - 44 Dr. Hans-Hermann Bentrup 70 Jahre03 - 45 Dr. Ernst-Hermann Taucher 75 Jahre03 - 45 StS. a.D. Günther Wegge 75 Jahre03 - 45 Leo Blum in den Verwaltungsrat des neuen Spitzenverbandes der gesetzlichen

Krankenkassen gewählt03 - 46 Stefan Baldus neuer Staatssekretär im Thüringer Landwirtschaftsministerium03 - 46 Wechsel im Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft:

Dr. Jürgen Staupe folgt Wolf-Eberhard Kuhl

04 - 44 Günther Schartz verstorben04 - 44 Brigitte Scherb neue Präsidentin des dlv04 - 45 Hans-Thomas Sönnichsen tritt in Ruhestand, Volker Bruns übernimmt

Geschäftsführung der Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern04 - 45 Dr. Marcus Dahmen wird Vorstandssprecher bei Rentenbank

01 - 47 Verträglich Reisen 2007 – Magazin für Reisen und Umwelt01 - 47 Neue Zeitschrift „Sozialwissenschaftliches Journal“01 - 48 Der Fänger von Helgoland Gottfried Vauk – Biologe, Jäger und denkendes Säugetier02 - 47 Unterm Strich – Erbschaften und Erblasten für das Deutschland von morgen02 - 48 Tatort Wald

03 - 46 Wege zu einer blühenden Landschaft03 - 47 1 000 Fragen für die junge Landfrau03 - 47 Umweltkonflikte verstehen und bewerten

04 - 47 Wer kauft Bio?04 - 47 Menschen im Wald04 - 48 Naturkalender 2008

05 - 3 Auf die Menschen kommt es anDr. Hans-Hermann Bentrup, Vorsitzender des Vorstandes der Agrarsozialen Gesell-schaft e.V.

05 - 7 Ländliche Räume haben ZukunftGrußwort zum 60-jährigen Bestehen der Agrarsozialen Gesellschaft e.V.Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin

05 - 8 Die 2. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen UnionMariann Fischer Boel, EU-Kommission, Kommissarin für Landwirtschaft und ländlicheEntwicklung

05 -12 Landwirtschaft und Ländlicher Raum: Rückschau und PerspektivenHorst Seehofer, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

05 -18 Den Anforderungen der Gesellschaft gerecht werdenInterview mit Dr. Franz Fischler, ehemaliger EU-Kommissar für Landwirtschaft undländliche Entwicklung

05 - 21 Bedeutung und Entwicklung von Stadt und LandDr. Hans-Peter Gatzweiler und Antonia Milbert, Bundesamt für Bauwesen und Raum-ordnung

05 - 26 Politik braucht Wissen – welche Fragen zur Zukunft ländlicher Räume muss dieWissenschaft beantworten?Dr. Peter Weingarten, Institut für Ländliche Räume der Bundesforschungsanstalt fürLandwirtschaft

| ASG | Ländlicher Raum | 01/2008 |

3Jahresinhaltsverzeichnis 2007

05 - 30 Regionale Verantwortung in Zeiten der GlobalisierungInterview mit Ludwig Georg Braun, Deutscher Industrie- und Handelskammertag

05 - 34 Handwerk – Partner für einen zukunftsfähigen ländlichen RaumHanns-Eberhard Schleyer, Zentralverband des Deutschen Handwerks

05 - 38 Neue Medien sind unverzichtbar für die ländlichen RäumePeter Hauk, Minister für Ernährung und Ländlichen Raum des Landes Baden-Württemberg

05 - 42 Aufgaben und Chancen für die deutsche Landwirtschaft und den ländlichen Raum im21. JahrhundertGerd Sonnleitner, Deutscher Bauernverband

05 - 46 Sachsen-Anhalts Landwirtschaft im Zeitalter der GlobalisierungPetra Wernicke, Ministerin für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt

05 - 48 Use it or lose it: Der Wald als WirtschaftsfaktorMichael Prinz zu Salm-Salm, Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände e.V.

05 - 50 Mit Arbeitsmarktpolitik Strukturschwäche überwindenInterview mit Heinrich Alt, Bundesagentur für Arbeit

05 - 54 Der ländliche Raum auf dem Weg in die Wissensgesellschaft: Zukunft durch BildungHans-Joachim Wilms, Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt

05 - 58 Die neuen Freiheiten nutzen! Bauer und Unternehmer sein – Erwerbschancen in und um dieLandwirtschaftAdalbert Kienle, Deutscher Bauernverband

06 - 60 Zur Situation landwirtschaftlicher Arbeitnehmer in EuropaArnd Spahn, Europäische Föderation der Gewerkschaften für Nahrung, Landwirtschaft undTourismus

05 - 62 Brandenburg: neue Einkommensquellen für die Landwirtschaft unterstützenDr. Dietmar Woidke, Minister für ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz desLandes Brandenburg

05 - 64 Gründerinnen in ländlichen Räumen – was unterstützt, was hindert sie?Claudia Busch, Ines Fahning, Agrarsoziale Gesellschaft e.V.

05 - 68 Öko schafft Arbeit – warum Arbeitsplätze im Ökologischen Landbau gesellschaftliches Engage-ment lohnenDr. Felix Prinz zu Löwenstein, Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V.

05 - 71 Der Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen gerecht werdenInterview mit Klaus Peter Bruns, Minister a. D., Mitbegründer der Agrarsozialen Gesellschaft e.V.

05 - 74 Abwanderung und Alterung – was blüht wirtschaftlich schwachen ländlichen Räumen?Dr. Heinrich Becker, Institut für Ländliche Räume der Bundesforschungsanstalt für Landwirt-schaft

05 - 78 Demografischer Wandel und Daseinsvorsorge im ländlichen Raum – Herausforderungen derLandkreise in dünn besiedelten Gebieten bei der Bereitstellung von FlächeninfrastrukturHans Jörg Duppré, Prof. Dr. Hans-Günter Henneke, Deutscher Landkreistag

05 - 82 Schule als Kristallisationspunkt im ländlichen RaumClaudia Neu, Institut für Soziologie und Demographie der Universität Rostock

05 - 86 Bleiben statt gehen – was junge Frauen auf dem Lande hältIris Comdühr, Bund der Deutschen Landjugend

05 - 88 Der demografische Wandel in Sachsen – Chance und Herausforderung für die ländlichenRegionenProf. Dr. Roland Wöller, Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft des Freistaates Sachsen

05 - 90 LandFrauen – aktiv für die Gestaltung des ländlichen RaumesBrigitte Scherb, Deutscher LandFrauenverband

05 - 92 Die besonderen Herausforderungen an die Kirche in ländlichen RäumenBischof Prof. Dr. Martin Hein, Evangelische Kirche Kurhessen-Waldeck

05 - 96 Zusammenarbeit zwischen ländlichen Regionen im Saarland und im benachbarten FrankreichStefan Mörsdorf, Minister für Umwelt des Saarlandes

05 - 99 Von der Wiege bis zur Bahre – welches Angebot können wir uns künftig noch leisten?Dr. Gerd Landsberg, Deutscher Städte- und Gemeindebund

05 - 102 Meilensteine der ländlichen Entwicklungspolitik in DeutschlandDr. Dieter Blaschke, MinDirig. a. D., ehemals Bundeslandwirtschaftsministerium

05 - 106 Land hat Zukunft – strategische Ansätze der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern zurEntwicklung der ländlichen Räume bis 2013 und darüber hinausDr. Till Backhaus, Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz des LandesMecklenburg-Vorpommern

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| ASG | Ländlicher Raum | 01/2008 |

Jahresinhaltsverzeichnis 2007

05 - 108 Quo vadis Gemeinschaftsaufgabe?Eckhard Uhlenberg, Minister für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucher-schutz des Landes Nordrhein-Westfalen

05 - 112 Die Entwicklung des ländlichen Raums in Deutschland – Förderinstrumente der Landwirtschaft-lichen RentenbankInterview mit Hans Jürgen Ploog, Landwirtschaftliche Rentenbank

05 - 114 Ländliche Bodenordnung zur Entwicklung ländlicher Räume in Rheinland-PfalzHendrik Hering, Staatsminister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau desLandes Rheinland-Pfalz

05 - 117 Neuordnung der Eigentumsverhältnisse in ThüringenDr. Volker Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt des FreistaatesThüringen

05 - 118 Integrierte Landentwicklung – Instrumentenmix für innovative Lösungen; GemeinnützigeLandgesellschaften – kompetente DienstleisterDr. Willy Boß und Karl-Heinz Goetz, Bundesverband der gemeinnützigen Landgesellschaften

05 - 122 Die neue hessische Kompensationsverordnung – ein modernes Kompensationsflächen-managementWilhelm Dietzel, Staatsminister für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz desLandes Hessen

05 - 124 Von Top-down zu Bottom-up – partizipative Ansätze in der RegionalentwicklungUte Vieting, Kompetenznetzwerk der Region Hesselberg

05 - 126 Schleswig-Holsteins kooperativer Weg des NaturschutzesDr. Christian von Boetticher, Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume desLandes Schleswig-Holstein

05 - 130 Bioenergie als Wertschöpfungschance für die Landwirtschaft und die Entwicklung ländlicherRäumeProf. Dr. Alois Heißenhuber, Technische Universität München-Weihenstephan, Lehrstuhl fürWirtschaftslehre des Landbaues

05 - 135 Starke ländliche Räume in BayernJosef Miller, Staatsminister für Landwirtschaft und Forsten des Freistaates Bayern

05 - 138 Niedersachsen – Agrarland und Veredlungsstandort Nummer 1 in DeutschlandHans-Heinrich Ehlen, Minister für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Ver-braucherschutz des Landes Niedersachsen

05 - 140 Wachsender Bedarf an Nahrung und Energie – bleibt die Ökologie auf der Strecke?Dr. Jürgen Fröhling und Dr. Andreas Frangenberg, Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirt-schaft e.V.

05 - 143 Wachsender Bedarf an Nahrung und Energie – bleibt die Ökologie auf der Strecke?Olaf Tschimpke,Naturschutzbund Deutschland (NABU)

05 - 146 Der Ökoboom – Strohfeuer oder nachhaltiger Trend?Prof. Dr. Ulrich Hamm, Universität Kassel

05 - 149 Regional ist erste Wahl – wirtschaftliche Chancen im kleinen KreislaufJochen Dettmer, Bundesverband der Regionalbewegungen

05 - 152 Ethische Anforderungen an eine globale LandwirtschaftHermann Kroll-Schlüter, StS. a. D., Katholische Landvolkbewegung Deutschland

05 - 154 Hat die eigenständige landwirtschaftliche Sozialversicherung eine Zukunft und wenn ja,welche?Dr. Peter Mehl, Institut für Ländliche Räume der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft

05 - 158 Hat die eigenständige landwirtschaftliche Sozialversicherung eine Zukunft und wenn ja,welche?Leo Blum, Bundesverbände der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung

ImpressumAgrarsoziale Gesellschaft e.V. (ASG), Kurze Geismarstr. 33, 37073 GöttingenFon (0551) 49 709 - 0, Fax (0551) 49 709 - 16, E-Mail [email protected], www.asg-goe.de

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Exkursionsziele der ASG-Frühjahrstagung

Das Oldenburger MünsterlandErnährungswirtschaftist wichtige Säule

Das Oldenburger Münsterland,im Nordwesten Niedersachsenszwi-schen Oldenburg, Bremenund Osnabrück gelegen, umfasstdie Landkreise Cloppenburg undVechta. In den 90er Jahren ent-wickelte sich das OldenburgerMünsterland zur BoomregionNiedersachsens. Seit 1994 wuchsdas Bruttoinlandsprodukt um 62 %und die Arbeitslosenquote gehörtmit etwa 4 % zu einer der nied-rigsten in Deutschland.

Die Ernährungswirtschaft ist miteinem Beschäftigungsanteil von35 % und einem Umsatzanteilvon 49 % die wichtigste Industrie-branche des Oldenburger Müns-terlandes. Ihr Angebot reicht vonFrisch- und Tiefkühlware bis hinzu küchen- und verzehrfertigenProdukten. Die Produktpaletteumfasst Geflügel-, Schweine-und Rindfleisch, Wurst- undSchinkenspezialitäten sowie Eierund Eiprodukte, Milch und Milch-produkte, Feinkost und Salate,Brot- und Backwaren, Kartoffel-produkte, Obst und Gemüse so-wie Säfte und Limonaden. Belie-fert werden die weiterverarbeiten-de Industrie und die Gastronomie,der Lebensmitteleinzelhandel undHeimdienste. V. a. in den Berei-chen Geflügelfleisch, Feinkostsowie Wurst- und Schinkenspe-zialitäten haben Unternehmen ausder Region hohe Marktanteile ameuropäischen Lebensmittel- undGastronomiesektor. Ein bedeuten-der Faktor ist die hohe Produkt-sicherheit und -qualität, die durchzertifizierte und integrierte Produk-tionsketten erreicht wird.

Unternehmertumund modernste Technik

Basis der regionalen Ernäh-rungswirtschaft ist eine inter-national wettbewerbsfähige Agrar-wirtschaft. Das OldenburgerMünsterland gilt traditionell alseines der produktivsten Zentrender europäischen Veredlungs-wirtschaft. Bei einem Anteil vonnur 1 % der landwirtschaftlichenNutzfläche Deutschlands wird inder Region jede dritte Pute, jedesfünfte Ei und jedes zehnte Schweinveredelt und vermarktet. Die gro-ße Zahl von Unternehmerland-wirten führt zu einem hohen An-teil der Landwirtschaft am regio-nalen Wertschöpfungsprozess.Ihr Anteil an der sozialversiche-rungspflichtigen Beschäftigungliegt mit 4 % weit über demDurchschnitt der alten Bundes-länder. Die hohe Produktivität derAgrarwirtschaft beruht auf derkonsequenten Fortentwicklungder eingesetzten Produktions-anlagen und -maschinen durchdie Agrartechnische Wirtschaft inder Region. Marktführende Unter-nehmen in der Tierhaltungs- undLandmaschinentechnik habendem Oldenburger Münsterland inaller Welt den Ruf eines Entwick-lungszentrums der Agrartechno-logie eingebracht.

VielfältigesLandschaftsbild

Das Oldenburger Münsterlandbietet vielfältige Möglichkeiten fürden sanften Tourismus. Zu denfünf wesentlichen Urlaubs- undErholungsgebieten gehören diewaldreichen Dammer Berge mitdem WassersportparadiesDümmer See, die fisch- undvogelreiche Schärenzone derThülsfelder Talsperre, die aus-gedehnten Moorgebiete im Nord-kreis Vechta, die beschaulicheFlusslandschaft des Hasetals unddas Wasserterritorium Barßel-Saterland, das mit seinen Moor-landschaften und der Fehnkultureine Station der Deutschen Fehn-route ist. Ob mit dem Fahrrad,Kanu, Pferd, Auto oder Reisemo-bil – die Landschaft kann auf er-holsame und zugleich unterhalt-same Weise entdeckt werden.

Lydia VaskeLandwirtschaftskammerNiedersachsen, OldenburgTel. (0441) 801 [email protected]

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Das EmslandDer Landkreis Emsland erstreckt

sich von der nordrhein-westfäli-schen Landesgrenze bei Rheinebis zur Grenze Ostfrieslands beiPapenburg. Er ist flächenmäßigder zweitgrößte Landkreis derBundesrepublik Deutschland.Jahrhundertelang galt das Ems-land als „Armenhaus Deutsch-lands’’, als Land der Moor- undHeidegebiete mit ausgedehntenund weitgehend unzugänglichenHochmooren. Nach dem Endedes Zweiten Weltkriegs sah sichdie Politik aus drei Gründen ge-zwungen, die Rückständigkeit desEmslandes zu beheben: Die gro-ße Zahl der aus dem deutschenOsten in das Emsland strömen-den Flüchtlinge, niederländischeGebietsforderungen und namhafteErdölfunde, die bereits seit 1942ausgebeutet wurden.

Emslandplan

Mit dem am 5. Mai 1950 vomDeutschen Bundestag verabschie-deten „Emslandplan’’ wurde eintiefgreifender Wandel im Emslandeingeleitet. Bis weit in die 70erJahre prägte die Landwirtschaftdas Erwerbsleben, heute domi-nieren mittelständische Spezial-betriebe und große Industrieunter-nehmen der Holz- und Kunststoff-verarbeitung, der Maschinen-,Fahrzeug- und Schiffbaubrancheund der Energiewirtschaft dasemsländische Wirtschaftsleben.

Unverwechselbar ist der Land-kreis Emsland durch seine viel-fältigen Landschaftstypen, wasseit einigen Jahren verstärkt zumAusbau des Fremdenverkehrsgenutzt wird. Angebote für Kurz-urlauber, Rad- und Wasserwan-derer ließen das Emsland zu ei-ner Ferienregion mit fast 1,5 Mio.Übernachtungen im Jahr werden.

In der Rückschau wird die Ems-landerschließung in drei Phasengegliedert. Kennzeichnend für dieerste Phase, die bis etwa 1965dauerte, war die Modernisierungder Landwirtschaft. Durch die Kul-tivierung von Ödland und Moorwurde eine Vergrößerung der nutz-baren Flächen und durch verbes-serte Landbaumethoden eine Stei-gerung der Erträge erreicht. Gleich-zeitig wurde mit der Flurbereini-gung, der Verbesserung der Was-serverhältnisse und der Anlagebzw. Erneuerung weiterer Infra-struktur (Elektrizität und Verkehrs-wesen) begonnen. In der 2. Phasewurde der Arbeitsschwerpunkt aufdie Ansiedlung von Industrie undGewerbe verlagert. Es galt Arbeits-plätze für die wegen der einsetzen-den Produktivitätssteigerung inder Landwirtschaft nicht mehr be-nötigten Arbeitskräfte und die aufden Arbeitsmarkt drängenden ge-burtenstarken Jahrgänge zu schaf-

fen. Zu Beginn der 3. Phase Anfangder 70er Jahre gab es die Befürch-tung eines Konjunktureinbruchsmit erheblichen Auswirkungen aufden Arbeitsmarkt. Dem sollte mitder Ansiedlung innovativer Technik-projekte entgegengewirkt werden,zu denen der 1980 begonneneBau der Versuchsstrecke zur Er-probung der Magnetschnellbahn„Transrapid’’ gehört. Der Versuchs-betrieb auf der 31,5 km langenStrecke ist seit dem Unglück mit23 Todesopfern im September2006 gegenwärtig ausgesetzt.

Ems-Achse

Aufbauend auf die gemeinsame„Ostfriesisch-Emsländische Erklä-rung” vom 4. August 1994 gründe-ten die Landkreise Aurich, Wittmund,Leer, Emsland und Grafschaft Bent-heim sowie die Stadt Emden zusam-men mit Wirtschaftsunternehmen,Kammern und Verbänden der Re-gion 2006 den Verein „Wachstums-region Ems-Achse e.V.”. Ziel desVereins ist die „Profilierung einergemeinsamen WirtschaftsregionEms-Achse bei gleichzeitiger Stär-kung des Wirtschaftswachstumsund Schaffung von zusätzlichenArbeitsplätzen”. Dies geschieht überdie Entwicklung von Projekten unddie Verbesserung der Kommuni-kation zwischen den Unternehmenmit dem Ziel, das vorhandeneWissen zu bündeln und alle amWirtschaftsprozess Beteiligten zuvernetzen. Knapp zwei Jahre nachseiner Gründung hat der Verein einesseiner zentralen Ziele – die Aufnah-me in das Landesraumordnungspro-gramm (LROP) – erreicht, womitdie Basis geschaffen wurde, sichneben den Metropolregionen ver-gleichbar entwickeln zu können.

Lydia VaskeLandwirtschaftskammerNiedersachsen, OldenburgTel. (0441) 801 [email protected]

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Die Wesermarsch – Land des Wassers und der Weite

Nordsee, Weser, Jade und20.000 km Gräben und Sielzüge,die das Binnenland durchziehen,– das ist die Halbinsel im nord-westlichen Niedersachsen na-mens Wesermarsch. Das Jahr-hunderte währende Wechselspielvon Meereseinfluss und Landge-winnung brachte das weite Mar-schenland hervor, das erst durchdie herausragende kulturtech-nische Errungenschaft des Siel-systems und des Deichbaus be-wohnbar und wirtschaftsfähigwurde. Heute schützen Deicheauf rund 150 km Länge die We-sermarsch, die als größte zusam-menhängende GrünlandregionDeutschlands gilt.

Auf 80 % der Landkreisflächebilden Milchviehwirtschaft, Vieh-zucht und extensive Formen derWeidemast die Grundlage derregionalen Landwirtschaft. Alskulinarische Besonderheitenbringt sie Spezialitäten ausLamm- und Ochsenfleisch her-vor, die v. a. während der Lamm-wochen im Sommer und derOchsenwochen im Herbst über-regional auf Begeisterung stoßen.Die weidenden Kühe und Deich-schafe sind zudem fester Be-standteil des attraktiven, natur-nahen Landschaftsbildes. DasWattenmeer der Nordsee und dieGrünland-Graben-Areale im Lan-

desinnern sind darüber hinausLebensraum für tausende vonGast- und Rastvögeln. Als welt-weit einzigartiges Naturphänom-en gilt das „Schwimmende Moor”in Sehestedt, ein außendeichsgelegener Moorkörper, der in derLage ist, bei schweren Sturmflu-ten aufzuschwimmen.

Der ländlich maritime Charmeder Wesermarsch mit seinen aus-gedehnten Fluss- und Meeres-stränden, mit den traditionsrei-chen Seehäfen Elsfleth, Brakeund Nordenham sowie den urigenFischerkaten und reetgedecktenBauernhäusern im Landesinnernmacht die Region touristisch be-sonders attraktiv. Erholungssu-chende Urlaubsgäste, Ausflüglerund Künstler schätzen insbeson-dere die Weite der Landschaftmit Blick bis zum Horizont undden grenzenlos erscheinendenHimmel. Radfahrer erschließensich die Natur- und Kulturland-schaft Wesermarsch durch dieDeutsche Sielroute – einem200 km langen Radrundweg –und suchen zur Rast gerne dieMelkhüs (Milchraststätten) aufBauernhöfen auf. In den kleinengrünen Häuschen mit rotem Dacherhalten Gäste von Mai bis Okto-ber erfrischende Milch und Milch-produkte sowie touristische Infor-mationen und Ausflugstipps, bei-

spielsweise zu den funktions-tüchtigen wesermärscher Wind-mühlen in Seefeld oder Moorsee,zu kulturhistorisch wertvollenMünstermann-Kirchen oder zu denDeichschäfereien, in denen derZusammenhang zwischen Deich-sicherheit und Schafhaltung für Altund Jung auf spannende Weisevermittelt wird.

Die Weser als Namenspatin derRegion dient jedoch nicht nur alsNaturraum und Ausflugsziel. Alswichtige seeschifftiefe Wasser-straße wird sie gesäumt von wett-bewerbsfähigen Hafen- und Produk-tionsanlagen, modernen Schiffs-und Bootswerften. In den Seeum-schlagsbetrieben der HafenstädtenBrake und Nordenham werdenStück- und Schüttgüter verladen,darunter Futtermittel, Getreide,Zellstoffe, Holz und Erze. DieWesermarsch ist eine gelungeneMischung aus Moderne und Tra-dition, aus innovativer Technolo-gie und naturnaher Landschaft –ein Gegensatz, der anzieht!

Meike LückeWirtschaftsförderungWesermarsch GmbHTel. (04401) [email protected]

Fotos: M. Lücke

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ASG

Neue ASG-Forschungsprojekte:

Einkommen von Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben

In den Jahren 2000 und 2001 hat die AgrarsozialeGesellschaft e.V. im Auftrag des niedersächsischenLandwirtschaftsministeriums mit Unterstützung derLandwirtschaftskammern und der niedersächsischenLandfrauenverbände die Studie „Frauen sind einGewinn – Beitrag der Frauen am landwirtschaftli-chen Gesamteinkommen” durchgeführt. Um ange-sichts einer sich rasch wandelnden Situation in land-wirtschaftlichen Betrieben aktuelle Daten über dieEinkommensbeiträge der Frauen in der Landwirt-schaft und Informationen über die Situation derBäuerinnen als Unternehmerinnen zur Verfügung zuhaben, erfolgt seit November 2007 eine repräsenta-tive Nachfolgeerhebung. Diese wird von der ASG inKooperation mit der Landwirtschaftskammer Nieder-sachsen und den niedersächsischen Landfrauenver-bänden bis Ende 2008 durchgeführt. Wie bei derersten Studie erfolgt die Finanzierung durch dasNiedersächsische Landwirtschaftsministerium.

Mittels eines standardisierten Fragebogens wur-den 454 auf landwirtschaftlichen Betrieben Nieder-sachsens lebende Frauen flächendeckend schriftlichbefragt. Der Fragebogen enthielt Fragen zu persön-lichen Daten, Betriebsdaten, Arbeitsbereichen, Ar-beitszeiten und Einkommensverhältnissen. In dieBefragung einbezogen waren Frauen zwischen 20und 60 Jahren, die Auswertung erfolgt nach vierAlterskohorten und drei Betriebsgrößenklassen.Darüber hinaus werden die Strukturdaten der all-gemeinen Landwirtschaftszählung 2007 für dieAuswertung herangezogen.

Der Ruf nach dem Ausbau von Ganztagsschulenist aufgrund von stetig steigenden Bildungsanforde-rungen sowie zur Gewährleistung der Vereinbarkeitvon Familie und Beruf allgegenwärtig. BisherigeForschungsarbeiten zu diesem Thema sowie mo-dellhafte Schulprojekte werden in erster Linie instädtischen Quartieren angesiedelt, so dass die be-sondere Situation ländlicher Räume aus den Augenverloren zu gehen droht.

Dem möchte die Agrarsoziale Gesellschaft e. V. ineinem Verbundprojekt mit dem Institut für Erziehungs-wissenschaften an der Universität Jena entgegen-wirken. In dem Forschungsprojekt werden sowohlder Einfluss landespolitischer Vorgaben auf Ganz-tagsschulkonzepte und regionale Umsetzungsmög-lichkeiten in ländlichen Räumen untersucht als auchdie Auswirkungen auf das dörfliche Soziallebendurch die verstärkte zeitliche Bindung von Jugend-lichen geprüft. Ziel des Forschungsprojekts ist es,Kooperationsmodelle zwischen Schule und Jugend-hilfe im Hinblick auf die Etablierung ganztägigerBildungsangebote aus einem sozialräumlichen An-satz heraus zu optimieren. Die Ansprüche kommu-nalpolitischer Akteure sollen ebenso Gehör finden

wie diejenigen berufstätiger Eltern, der Schulleiterund Jugendverbände. In ihrem Teilprojekt widmetsich die ASG vor allem der Frage, wie Ganztags-schulkonzepte gelingen können, ohne gewachseneVereinsstrukturen, die eine wichtige Funktion in derAufrechterhaltung sozialer und kultureller Angebotein Dörfern haben, oder Identitätsbeziehungen zugefährden.

Das Forschungsvorhaben „Ganztagsschule inländlichen Räumen (GaLäR)” läuft von März 2008bis Februar 2010 und wird vom Bundesministeriumfür Bildung und Forschung sowie über den Euro-päischen Sozialfonds gefördert.

Ganztagsschulen in ländlichen Räumen

LandwirschaftsministeriumNiedersachsen

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Agrarpolitik

Neues von der agrarpolitischen Bühne:

Sechs, setzen!Von einem wissenschaftlichen Gutachten, das keine Fragen offen lässt, ausbleibenden und den-noch vielsagenden Reaktionen sowie neuen agrarpolitischen Farbenspielen in Berlin

Gute Nachricht für alle Freunde einer rationalenAgrarpolitik: Die Wissenschaft lebt und kann sogarnoch beißen! Den Beweis dafür hat der Wissen-schaftliche Beirat des Bundeslandwirtschaftsminis-teriums angetreten. In seinem jüngsten Gutachtenmit dem schönen Titel „Nutzung von Biomasse zurEnergieerzeugung – Empfehlungen an die Politik”lieferten die Professoren unlängst einen 250 Seitenumfassenden Verriss der gegenwärtigen Bioenergie-förderung in Deutschland ab. Die hohe Subventio-nierung von Biokraftstoffen sowie von Biogas aufMaisbasis, heißt es da in seltener Klarheit, sei„energetisch und klimapolitisch ineffizient”. Mitanderen Worten: Viel Geld, wenig bis kein Ertrag.Selbst die regierungsseitig gerne angeführte Be-gründung, die Bioenergieförderung sichere Beschäf-tigung und Einkommen in ländlichen Räumen, las-sen die Ökonomen nur bedingt gelten. Eher treffedas Gegenteil zu: Die staatlich veranlasste Ausdeh-nung der Bioenergieerzeugung führe zur Verdrän-gung der Nahrungs- und Futtermittelproduktion undkönne zu Lasten der beschäftigungsintensiven Tier-produktion in einer Region gehen. Weil zudem derhierzulande angefachte Biospritboom nur durch Im-porte gedeckt werden kann, für deren Erzeugungmöglicherweise Regenwälder gerodet und/oder dieProduktion von Nahrungsmitteln aufgegeben wurde,fällt auch aus globaler Sicht die Bewertung negativaus. In der Schule wäre mit einer solchen Leistungdie Versetzung akut gefährdet.

Ähm ja

Insgesamt also ein klassischer Fall von wenig ge-glückter Politik: Erst bringt sie nichts und dann gehtder Schuss auch noch nach hinten los. Wer jedochgeglaubt hätte, diese Einsichten, die auch auf denzweiten Blick wenig Interpretationsspielraum lassen,lösten im verantwortlichen Bundeslandwirtschafts-ministerium eine sichtbare Reaktion, irgendeine Artvon Betriebsamkeit oder zumindest den Drang aus,sich mit dem Festgestellten ernsthaft auseinander-zusetzen, hat sich getäuscht. Die Antwort auf eineoffizielle Anfrage lautete „Ähm ja” und gibt wohl tref-fend die Position des Hauses wieder. Ein deutlicherFortschritt im Vergleich zu früher ist immerhin er-kennbar: Sollen Beiratsgutachten ehedem in einzel-

nen, zugegeben seltenen Fällen, in Schubladen ver-schwunden und dort längere Zeit ihr Dasein gefristethaben, bevor sie überhaupt irgendwann das Licht derWelt erblickten, ist dem Bioenergiegutachten diesesSchicksal erspart geblieben – Internet sei Dank. Nurganz böse Zungen behaupten, dass ein Teil derMinisterialbürokratie inzwischen ernsthafte Zweifelangemeldet hat, ob denn das Internet tatsächlicheinen Fortschritt darstelle …

Vernehmbares Unbehagen

Die Haltung erstaunt umso mehr, als selbst derDeutsche Bauernverband inzwischen sicht- und hör-bar auf die Bioenergiebremse tritt. Zwar sei es ansich gut, dass mittlerweile auf 2 Mio. ha nachwach-sende Rohstoffe angebaut würden und die Land-wirte damit eine lohnende Alternative hätten. Nichtgut sei jedoch, „dass da so viel Förderung drinsteckt”, wie Generalsekretär Born unlängst erklärte.Dies führe nämlich zu Verzerrungen auf den Märk-ten und regional zu Konflikten um zunehmend knap-pere und begehrtere Flächen. Es kann nun malnicht gut gehen, wenn der Staat sich aus dem einenBereich, der Nahrungsmittelerzeugung, nach undnach zurückzieht und den anderen, die Bioenergie,massiv unterstützt. Im Übrigen geht es weder demBauernverband noch dem Beirat eigenen Bekun-dungen zufolge um das Ob der Bioenergie. DieFrage sei nur, welche Energie wie gefördert werdeund welcher Weg unter den hiesigen Bedingungender richtige sei. Beide Seiten kommen zumindest imGrundsatz zum gleichen Ergebnis: Bioenergie solltehierzulande vornehmlich aus Rest- und Abfallstoffenproduziert werden und nicht aus Energiepflanzen.Eine solche Erkenntnis liegt nicht außerhalb jegli-cher Vorstellungskraft. Vielleicht sollte die Politik inZukunft erwägen, zuerst Gutachten zu lesen undsich deren Aussagen zu Gemüte zu führen, bevorsie förderpolitisch in die Vollen geht und über kurzoder lang wieder zurückrudern muss.

Rot-schwarze Scharmützel

Zumindest äußerlich von diesem Schlachtfeld un-beeindruckt zieht die Große Koalitionskarawane inBerlin weiter. Allerdings sind zuletzt auch unter den

beleuchtet von Rainer Münch

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Agrarpolitik

Agrarpolitikern die Töne schriller und die gegensei-tigen Vorwürfe lauter geworden. War es zunächstnoch geglückt, das Minenfeld Gentechnikgesetz zwarunter vernehmbarem Murren, aber zumindest deto-nationsfrei zu durchqueren, und dafür mit der erleich-terten „Ohne Gentechnik-Kennzeichnung” sogarZustimmung der Gentechnikkritiker zu sichern, waswiederum in der CDU/CSU nicht uneingeschränktbejubelt worden sein soll, nehmen seither die koa-litionsinternen Scharmützel im Agrarbereich spürbarzu. Da geht es beispielsweise um ein vergleichswei-se harmloses Thema wie die Einführung eines„Tierschutz-TÜVs” für Stalleinrichtungen. Haben sichUnion und SPD im Koalitionsvertrag („keine Bibel”)noch auf diese Neuerung im Sinne des Tierschutzesverständigt, sehen CDU/CSU nunmehr die Geschäfts-grundlage dafür abhan-den gekommen, weil Rhein-land-Pfalz zwischenzeitlich entgegen der AbspracheVerfassungsklage gegen die neue Legehennenverord-nung („Hühner-WG” statt „Einzelzelle”) eingereichthat. Beide Seiten werfen sich seither abwechselndVertrauensbruch oder Irreführung des Partners vor.Wenn der Wurm erst mal drin ist in der Ehe …

Verweigerung oder Sozialismus?

Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichten die Zwistig-keiten im Zusammenhang mit dem bevorstehendenGesundheitscheck der Gemeinsamen Agrarpolitik.Die Union und deren Agrarsprecher Peter Bleser be-kräftigten zuletzt ihre Auffassung, dass es bei derZwischenbewertung zwar einige Nachjustierungen derBeschlüsse von 2003 geben dürfe, keinesfalls jedocheine neuerliche Reform. Dies gelte insbesondere füreine vorgeschlagene höhere Umschichtung von Mit-teln aus der 1. in die 2. Säule. War das an sich nichtneu, überraschte doch die heftige und öffentlich ge-machte Reaktion des stellvertretenden SPD-Fraktions-vorsitzenden Ulrich Kelber, der Bleser in harschenWorten eine Verweigerungshaltung vorwarf. Bleserwiederum sieht den Ursprung des Eintretens der SPDfür eine höhere Modulation in der „sozialistischen Mot-tenkiste” und daraus genährten Umverteilungsvorstel-lungen. Kaum zu erwarten, dass die Regierungskoa-lition noch zu einer gemeinsamen Positionierung vorden beginnenden Brüsseler Verhandlungen findet –das dürfte auch ein Novum in der Nachkriegsgeschi-chte der deutschen Agrarpolitik sein. Kraft Amtesböte sich vielleicht der Bundespräsident als Vermittleran. Der äußerte näm-lich unlängst die bemerkens-werte Auffassung, die Landwirtschaft könne „nichtallein deshalb aus Steuermitteln unterstützt werden,weil sie Landwirt-schaft ist.” Sie müsse vielmehrentlohnt werden für „gesellschaftlich wertvolleLeistungen”, so das Staatsoberhaupt bei einemöffentlichen Auftritt im Rahmen der Grünen Woche.

Schwarz-grüne Phantasien

Angesichts der schwarz-roten Zerwürfnisse lässteine Äußerung des Parlamentarischen Staatssekre-tärs im Bundeslandwirtschaftsministerium, GerdMüller, aufhorchen, der sich gleich in mehrerenbayerischen Zeitungen für Schwarz-Grün nach dernächsten Bundestagswahl ausgesprochen hat. Zwarist nicht davon auszugehen, dass diese Äußerungmit dem Chef abgesprochen war, der vermutet je-doch bekanntlich die eigentliche Gefahr für die deut-schen Bauern in den „Neoliberalen” und verweistauf die Kontinuität seiner Agrarpolitik zu der seinerVorgängerin. Daher dürfte Müller mit seinem Plä-doyer für Schwarz-Grün zumindest nicht im Wider-spruch zu seinem stellvertretenden Parteichef ste-hen, auch wenn der im Grunde seines Herzens alsRoter und nicht als Grüner gilt.

Indes ist die Vorstellung einer schwarz-grünenLiaison in der Agrarpolitik nicht ohne Charme. Diesgilt umso mehr, sollte auch die FDP noch zu einemderartigen Bündnis hinzustoßen. Mögliche perso-nelle Kombinationen (Ministerin Höhn, Staatssekre-tär Bleser, Minister Goldmann, Staatssekretär Trittinoder gar Ministerin Künast, Staatssekretär Fehlan-zeige, trotz doppeltem Gehalt und verlängerterRedezeit) regen ebenso die Phantasie an wie diedann gebräuchlichen Anreden („Guten Morgen, Siegrüner Spinner”, „Wie geht’s, Sie Agroindustrielob-byist”). Endlich bestünde in dieser Konstellation dieChance, seit Jahrzehnten ungelöste agrarpolitischeFragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen:Lässt sich der Kuschelerlass eins zu eins auf eineKoalition übertragen, ohne deren Wettbewerbsfähig-keit zu beeinträchtigen? Gilt für grüne Spielwiesen einUmbruchverbot, auch wenn dies hinreichend gekenn-zeichnet wird? Sollte die Grüne Gentechnik unterVermeidung von nationalen Alleingängen, aber beivollständiger Transparenz und unter Wahrung derKoexistenz in einem Großversuch auf Jamaikaerprobt werden?

Weil Reibung bekanntlich Wärme und kontro-verse Diskussionen gute Ergebnisse hervorbringen,stünden ebenso spannende wie anregende undüberaus unterhaltsame agrarpolitische Jahre bevor,auch und gerade für den Deutschen Bauernver-band. Der müsste allerdings sein Weltbild neu jus-tieren, hatte er doch vor der letzten Bundestagswahlnach fünf Jahren grüner Ministerin mit Erfolg zurBauernbefreiung aufgerufen. War das etwa nur aufBewährung?

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Landwirtschaft

Traineeprogramm Öko-Landbau – im Netzwerk starkSeit 2002 führt die Stiftung Ökologie & Landbau

(SÖL) gemeinsam mit anderen Projektpartnern1 dasTraineeprogramm Öko-Landbau durch. Damit wurdeerstmalig eine zentrale Ausbildung für Hochschulab-solventen mit einem Berufsziel im ÖkologischenLandbau angeboten. Seitdem werden jährlich etwa 20bis 25 Fach- und Führungskräfte für den Öko-Landbau, die ein abgeschlossenes Studium in denBereichen Landwirtschaft, Gartenbau oder Lebens-mitteltechnologie nachweisen können, ausgebildet.

Das Traineeprogramm besteht aus einer zwölfmo-natigen Praxiszeit in einem Unternehmen des Öko-logischen Landbaus in einem der Bereiche Erzeu-gung, Verarbeitung, Handel, Beratung, Forschung o. ä.Während dieser Zeit finden vier einwöchige zen-trale Schulungen zu fachlichen, methodischen undpersönlichkeitsbezogenen Themen sowie ein zwei-tägiger Abschlussworkshop statt. Ein individuellerAusbildungsplan, eine Projektarbeit sowie kollegialeUnterstützungsteams begleiten die Teilnehmerdurch die Ausbildung. Das Traineeprogramm soll alsBranchenprogramm sowohl die horizontale als auchdie vertikale Vernetzung und Kooperation entlangder Wertschöpfungskette ökologische Lebensmit-telwirtschaft fördern. Letztendlich soll es durch Stär-kung der menschlichen Ressourcen dazu beitragen,die Professionalität und Wettbewerbsfähigkeit desdeutschen Öko-Landbaus zu fördern.

80 % der Teilnehmer bleiben in Öko-Branche

Rückblickend ist festzustellen, dass die Traineesder ersten beiden Jahrgänge v. a. im Bereich Bera-tung und Kontrolle ausgebildet wurden. Der Wandelin der Bio-Branche führte jedoch dazu, dass dieBereiche Herstellung, Verarbeitung und Handel miteingebunden wurden. 80 % der ausgebildetenTrainees arbeiten und engagieren sich nach Ab-schluss des Programms weiterhin in der ökologi-schen Lebensmittelwirtschaft.

Die ehemaligen Trainees besetzen heute Stellenwie z. B. die Assistenz der Geschäftsführung bei derInternationalen Organisation ökologischer Landbau-bewegungen (IFOAM) oder beim Bund ÖkologischeLebensmittelwirtschaft (BÖLW), arbeiten bundesweitals Berater bei verschiedenen Öko-Verbänden oderleiten erfolgreich ein selbst entwickeltes Qualitäts-

1 Die Stiftung Ökologie & Landbau (SÖL) koordiniert die Ausbildung gemeinsam mit ihren Partnern, der Andreas-Hermes-Akademie (AHA), der Konferenzder Kontrollstellen (KdK), dem Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und dem Bundesverband Naturkost und Naturwaren Herstellung undHandel (BNN). Das Traineeprogramm Öko-Landbau wird mit Mitteln aus dem Bundesprogramm Ökologischer Landbau der Bundesanstalt fürLandwirtschaft und Ernährung (BLE) gefördert.

management System in einem Unternehmen. Durchdie Ausbildung entsteht ein Netzwerk über die ge-samte Lebensmittelkette. Das Netzwerk funktioniertsowohl im Arbeitsalltag als auch zu unternehmens-übergreifenden Projekten. Durch alljährliche Treffender Trainees aller Jahrgänge während der BioFachund des Abschlussworkshops des aktuellen Jahr-gangs wird die Zusammenarbeit gestärkt und Zu-kunftsperspektiven diskutiert.

Das 6. Traineeprogramm Öko-Landbau startet imNovember 2008. Allgemeine Informationen undInformationen zum Bewerbungsverfahren unter:

SÖL Projektbüro TraineeprogrammStiftung Ökologie & LandbauRegina KaufmannAugsburgTel. (0821) 34680 - [email protected]/projekte/trainees.html

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Es sind Menschen, die das Netzwerk der Ökologischen Lebensmittelkette gestalten

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Ländlicher Raum

Architekturwettbewerb der Leipziger Messe:

Historische Kirchen – modern genutztDie Messeakademie, ein studentischer Architekturwettbewerb, wurde anlässlich der denkmal 2006,Europäische Messe für Restaurierung, Denkmalpflege und Stadterneuerung, zum vierten Maldurchgeführt. Das Motto des Wettbewerbs, den die Leipziger Messe in Zusammenarbeit mit demFörderverein für Handwerk und Denkmalpflege e.V. – Schloss Trebsen organisiert hatte, lautete„Historische Kirchen – modern genutzt”. Unter dem Titel „Heilig? – Konzepte zur modernen Nut-zung historischer Kirchen in Ostdeutschland” wurden die zehn besten Teilnehmerbeiträge 2007 vonder Deutschen Stiftung für Denkmalschutz publiziert.

Innovative Entwürfe gesucht

Im Mittelpunkt der 4. Leipziger Messeakademiestanden elf stark versehrte Kirchen in Sachsen,Sachsen-Anhalt und Thüringen, für die nach origi-nellen Bauideen oder innovativen Umnutzungskon-zepten gesucht werden sollte. Zum Mitmachen auf-gerufen waren alle interessierten Architekturstuden-ten/-innen deutscher Universitäten und Hochschu-len. Neben der Anfertigung von Entwürfen gehörteauch eine Kostendarstellung sowie eine Wirtschaft-lichkeitsberechnung zu den Aufgaben. Nicht alleintechnisch machbare Lösungen, sondern vielmehrVorschläge, die Kirchen neu zu beleben, warengefordert. In der Kirchenprovinz Sachsen (der größ-ten evangelischen Kirche im Bundesland Sachsen-Anhalt, die sich auf Gebiete in Thüringen, Sachsenund Brandenburg ausdehnt) befindet sich jedeszehnte der knapp 2 400 Gotteshäuser in einem kri-tischen Bauzustand. Häufig fehlen die finanziellenMittel für eine Restaurierung, weil die anschließen-de Nutzung der Sakralbauten noch ungewiss ist.Aufgrund der Tatsache, dass rd. 95 % der betroffe-nen Kirchen unter Denkmalschutz stehen, ist nachAnsicht des Magdeburger KirchenoberbauratesMichael Sußmann neben Geld auch viel Kreativitätnotwendig.

Um sich vorab ein Bild von den elf Objekten ma-chen zu können, wurden Exkursionen durchgeführt.Ein Expertenteam, bestehend aus Vertretern derLandeskirchen, aus Denkmalpflegern und Jurymit-gliedern stellte den über 400 teilnehmenden Stu-denten/-innen die Besonderheiten der Bauten unddie jeweilige Planungsaufgabe vor. Das Spektrumder Objekte, die von den Landesdenkmalämterngemeinsam mit den Bauämtern der Landeskirchenund dem Regierungspräsidium Leipzig ausgewähltwurden, reichte von der einfachen Dorfkirche biszur imposanten Stadtkirche, z. T. denkmalgeschützt,seit Jahrzehnten leerstehend oder trotz baulicherMissstände noch genutzt.

Bis zum Stichtag Ende August 2006 gingen derJury unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Gerd Weiß,Landeskonservator in Hessen und Vorsitzender derVereinigung der Landesdenkmalpfleger, etwa 110Entwürfe zu. Zehn ausgewählte Arbeiten wurdenvom 25. bis 28. Oktober 2006 auf der denkmal prä-sentiert. Im Rahmen des internationalen Fachkol-loquiums der Leipziger Messe erfolgte die Prämie-rung der drei Siegerentwürfe. Auf die Gewinnerwartete ein Preisgeld von insgesamt 1 500 €.

Molmecker Kirche –ein Anker für Jugendliche

Der erste Preis ging an Eva Zimmermann von derBauhaus-Universität Weimar für ihr Konzept einerJugendbegegnungsstätte in der vom Abriss bedroh-ten Heilandskirche. Die aufgegebene Kirche be-findet sich am Stadtrand von Hettstedt im OrtsteilMolmeck (Mansfelder Land/Sachsen-Anhalt).Charakteristisch für das Objekt (erbaut 1897-99) istdie horizontale Teilung. Im Untergeschoss befanden

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sich eine Pfarrwohnung sowie Gemeinderäume, imObergeschoss der Kirchensaal. Die Ausstattung mitBänken und Emporen blieb dort erhalten. Da bereitsein Abrissantrag besteht, stellt die Belebung desKirchengebäudes wahrscheinlich den einzigen Wegdar, es für zukünftige Generationen zu erhalten.

Die Studentin begann ihre Arbeit zunächst eher„unarchitektonisch”, indem sie die Umgebung untersozialräumlichen Aspekten erkundete und die Ent-scheidungsträger in ihre Nutzungsüberlegungen ein-bezog. Die Gespräche mit den Menschen verdeut-lichten, dass es hier nicht nur um den Erhalt eineshistorischen Bauwerks ging, sondern auch um sozi-ale Bedürfnisse in der scheinbar von Perspektivlo-sigkeit geprägten wirtschaftsschwachen Region. Aufdiese Weise entwickelte sich das Konzept einer Ju-gendbegegnungsstätte. Ohne größere Eingriffe indie vorhandene Substanz können im Erdgeschoss30 Übernachtungsmöglichkeiten entstehen – genugum eine Schulklasse oder Wandergruppe unterzu-bringen. Der Kirchenraum im Obergeschoss stehtfür unterschiedliche Aktivitäten wie etwa Jugend-musik, Theater oder Malwettbewerbe zur Verfügung– möglicherweise zukünftig auch wieder für Gottes-dienste. Diese von der Jury als sehr realitätsnaheingeschätzte Nutzungsoption soll einen Treffpunktfür Jugendliche von Nah und Fern bieten.

Veranstaltungskirche St. Nikolai

Mit dem zweiten Preis wurde der Entwurf zur Um-gestaltung der Eilenburger Stadtkirche St. Nikolai(Sachsen) in eine „Veranstaltungskirche” von DanielDrewlani und Remo Wüst, ebenfalls Studenten derBauhaus-Universität Weimar, ausgezeichnet. Bei

der im Zentrum von Eilenburg gelegenen Nikolai-kirche handelt es sich um eine spätgotische drei-schiffige Hallenkirche mit rotem Backsteingemäuer.Das Bauwerk blickt auf eine 600-jährige Geschichtezurück und ist heute das älteste der Innenstadt.Deutliche Spuren hinterließ der 2. Weltkrieg. Weilbislang nur ein Teil der Schäden behoben wurde, istdie Nutzung des Turmes, der Ratsherrenloge (überder Sakristei) und des Kirchenschiffes nicht oder nureingeschränkt möglich, während im Chorraum regel-mäßig Gottesdienste stattfinden.

Demzufolge bestand die Planungsaufgabe darin,die zerstörten Bereiche zu erschließen und alsöffentlichen Raum herauszuarbeiten. Die Gewinnerdes zweiten Preises überzeugten durch ihre schlich-te sowie funktionale Gestaltungsweise. VorhandeneRaumpotenziale werden mithilfe zurückhaltenderEinbauten funktional miteinander verbunden undsomit zugänglich gemacht. Der Entwurf sieht z. B.eine frei auf einer Rahmenkonstruktion stehendeGalerie im Kirchenraum vor. Für den Turmausbauschlagen die Weimarer Studenten zwei Variantenvor. Die erste verspricht durch ihre offene Treppen-führung ein beeindruckendes Raumerlebnis, wäh-rend in Variante 2 die Ausbildung von sechs Ge-schossen vorgeschlagen wird, wodurch eine bes-sere Raumnutzung erreicht wird.

Es bietet sich an, die neu erschlossenen Innen-flächen als Kirchenbücherei, Kirchencafé, Kirchen-information oder Proberäume zu nutzen. In derKirche könnten Ausstellungen, andere kulturelleVeranstaltungen und nicht zuletzt weiterhin Gottes-dienste stattfinden.

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Im Februar 2008 fiel der Startschuss zur5. Leipziger Messeakademie. Nachdemsich der alle zwei Jahre durchgeführteWettbewerb in der Vergangenheit demErhalt von Kirchen, Schlössern, Industrie-architektur sowie dem Bauen in Altstadt-bereichen gewidmet hatte, beschäftigt ersich in diesem Jahr mit dem Leben imMehrgenerationenhaus. Umnutzungskon-zepte für fünf ausgewählte Baudenkmälersollen zeigen, wie Begegnung, Miteinanderund Austausch der Generationen architek-tonisch umgesetzt werden können.

Kirche Thurau für Fahrradtouristen

Ines Grübel und Carolin Herzog von der Hoch-schule Karlsruhe erhielten für ihren Vorschlag, dieKirche Thurau bei Köthen, Sachsen-Anhalt, als sog.Radfahrerkirche zu nutzen, den dritten Preis.

Gottesdienste wurden in der Kirche seit den 70erJahren nicht mehr abgehalten. Der neogotischeBacksteinsaal mit hohem Westturm stammt ausdem Jahr 1888, dringender Sanierungsbedarf istinsbesondere aufgrund des Hausschwammbefallsder Dachkonstruktion angezeigt.

Thurau zählt weniger als 80 Einwohner und liegt ineiner dünnbesiedelten, jedoch mit einem Netz vonRadwanderwegen durchzogenen Gegend. Daranknüpften die beiden Studentinnen mit ihrer Idee an.Sechs Übernachtungslauben sowie ein Ausflugslo-kal sollen den Kirchenbau ergänzen. Die mit Nass-zelle ausgestatteten Unterkunftsgebäude und einFahrradschuppen könnten locker zwischen denalten Baumbestand des Kirchhofes angeordnet wer-den. An der Kirche selbst sollen die erforderlichenRestaurierungsmaßnahmen ohne bauliche Ver-änderungen erfolgen. Sie würde danach für gele-gentliche Gottesdienste, Ausstellungen, Chorprobenund Jugendgruppen zur Verfügung stehen. Vor ihrerSüdwand können sich die Verfasserinnen des Ent-wurfs eine Sonnenterasse inklusive Küchenpavillonvorstellen. Das Konzept respektiert sowohl den ur-sprünglichen Charakter des Sakralbaus als auch dieBedürfnisse von Ausflüglern. Vorgesehen ist dieVermarktung durch ein neues Logo.

Chance auf Realisierung der Ideen

Die Verantwortlichen, i. d. R. die Kirchengemeindenoder die Kirchenbauämter, erhoffen sich durch denWettbewerb brauchbare Anregungen für den Umgangmit den zzt. ungenutzten oder stark sanierungsbe-dürftigen Kirchengebäuden. Nach den öffentlichenAusstellungen vor Ort und einer ausführlichen Dis-kussion der Konzepte wird sich zeigen, welche Ideensich als Handlungsanstöße erweisen. Für die Objek-te der drei ersten Preisträger bestehen folgendeAussichten:

- Der Entwurf der ersten Gewinnerin konnte imRathaus besichtigt werden. Für die Molmecker Kir-che wurde die Suche nach einem Privatinvestoraufgenommen. Ein Interessent, mit dem konkretverhandelt wird, erwägt die Umgestaltung der Kir-che für altenbetreutes Wohnen. In die Gesprächeflossen Ideen von Wettbewerbsteilnehmern ein, diesich mit diesem Nutzungskonzept beschäftigt hat-ten, jedoch nicht prämiert wurden.

- An der Stadtkirche St. Nikolai in Eilenburg, wosich ein Förderverein für die Restauration des Bau-werkes einsetzt, wird bereits seit einem halben Jahr-hundert gearbeitet. Bis 2021 soll der Wiederaufbauabgeschlossen werden, wobei die Vorschläge derStudenten Beachtung finden.

- In Bezug auf die Kirche Thurau, die als weithinsichtbare Landmarke für das Köthener Umland gilt,wurde darüber diskutiert, ob sie in ein touristischesKonzept eingebunden werden könnte. Bislang fehltaber ein Anschluss der Kirche an einen Radwander-weg. Finanzielle Mittel stehen weder für den Bau ei-nes Radweges noch für die Renovierung der Kirchezur Verfügung.

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Obwohl die endgültigen Entscheidungen erst nachund nach fallen werden, hat der Wettbewerb schonjetzt einen Beitrag dazu geleistet, insbesondere dieim ländlichen Raum der neuen Bundesländer ver-steckten, vom Verfall bedrohten „Kleinode” wiederins öffentliche Bewusstsein zu rücken und verstärktnach Lösungsansätzen zu suchen.

Weitere Informationen:Ina Malgut, Förderverein für Handwerk undDenkmalpflege e.V. – Schloss Trebsen,Thomas-Müntzer-Gasse 2, 04687 Trebsen,Tel. (034383) 92313 o. (0341) 3081143,[email protected] oder im Internet unter:www.denkmal-leipzig.de, www.leipziger-messe.de

Publikation:Deutsche Stiftung Denkmalschutz:Heilig? Konzepte zur modernenNutzung historischer Kirchenin Ostdeutschland.Bonn, Mai 2007. 64 S.

Anschrift:Deutsche Stiftung DenkmalschutzKoblenzer Str. 7553177 BonnTel. (0228) 957380Fax (0228) [email protected]. denkmalschutz.de ce

Deutsch-chinesische Tagung:

Ländliche Entwicklung in ChinaBedarf an Erfahrungsaustausch und Kooperation

Holger Magel und Anne Ritzinger*

* Univ.-Prof. Dr.-Ing. Holger Magel, Ordinarius des Lehrstuhls für Bodenordnung und Landentwicklung, TU München, Program Director des Master-studienganges Land and Environmental Risk Management, Präsident der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum und Dipl. Geogr. Anne Ritzinger,Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung, Centre of Land Management, Technische UniversitätMünchen, Fon (089) 289 - 22535, [email protected]

In Deutschland wie in China istdie Zukunft der ländlichen Räumeeines der dringendsten Themenauf der politischen Agenda. Vordiesem Hintergrund diskutiertenim Juli 2007 im Rahmen der Kon-ferenz „Nachhaltige Entwicklungländlicher Räume in Bayern undShandong” – veranstaltet von derHanns-Seidel-Stiftung und derTechnischen Universität München– 140 deutsche und chinesischeExperten aus Politik, Verwaltung,Kommunen, Wirtschaft und Wis-senschaft mögliche Lösungsan-sätze für die Probleme der länd-lichen Räume beider Länder undtauschten Erfahrungen aus. DieThemen Siedlungsentwicklung,Ressourcenschutz und Arbeits-plätze im ländlichen Raum stan-den ebenso auf der Agenda wieInstrumente der Landentwicklungund gute Projektbeispiele. Im

März 2008 erschien die Tagungs-dokumentation (vgl. Hanns-Seidel-Stiftung 2008).

China war bis ins 16. Jahrhun-dert hinein die fortschrittlichsteZivilisation der Welt, ein Land,das über die Meere herrschte undweltweiten Handel trieb. An dieseZeit scheint die VolksrepublikChina anknüpfen zu wollen, dieGroßmacht ist auf dem Weg zurSupermacht: wirtschaftlich, poli-tisch und militärisch. Die politi-schen und gesellschaftlichen Wi-dersprüche sind groß, die Kehr-seiten des explodierenden Wirt-schaftswachstums mit schwer-wiegenden Konsequenzen für dieSozialstruktur des Landes undseine Umwelt sind nicht zu über-sehen (vgl. He 2006; Sternfeld2006). Die räumlichen Dispari-täten zwischen den städtischen

und ländlichen Regionen Chinashaben sich in den vergangenenJahrzehnten immens verstärkt.Von gleichwertigen Lebensbedin-gungen, aber auch von einer„harmonischen Gesellschaft”,dem Leitbild chinesischer Politik,ist China weit entfernt.

Auch wenn die ökonomischeBedeutung der Landwirtschaft inChina sinkt (13 % des BIP und4 % der Exporte; Jahr 2006), sosind immer noch 40 % der Be-schäftigten in China in diesemSektor tätig. Dies veranschaulichtdie große Kluft zwischen derArbeitsproduktivität in der Land-wirtschaft und den übrigen Wirt-schaftszweigen und damit diesich weitende Schere zwischenländlichen und städtischen Ein-kommen (vgl. OECD 2007a).

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Viele Menschen suchen ihrGlück in den Städten oder inanderen Provinzen; die jährlicheZahl der Wanderarbeiter wirdvom UNDP (United Nations De-velopment Programme) inzwi-schen auf 150 Mio. geschätzt.Vor dem Hintergrund, dass vieleStädte bereits jetzt in sozialer,ökologischer und logistischerHinsicht an ihre Grenzen stoßen,wird die Bedeutung einer ausge-glichenen räumlichen Entwicklungdeutlich (vgl. Chang/Zhou 2006).

Reformbedarf in China

Die Notwendigkeit des Abbausregionaler Unterschiede wird vonder chinesischen Regierung durch-aus erkannt und die Unterstützungländlicher Regionen, in denen ca.800 Mio. Menschen leben, vonMinisterpräsident Wen Jiabao zueinem prioritären Ziel erklärt. För-dermittel (2006 knapp 35 Mrd. €)sollen verstärkt in den ländlichenRaum fließen und dort v. a. zur

Modernisierung der Landwirt-schaft und der Infrastrukturbeitragen.

Auch eine Stärkung der Demo-kratisierung und der bäuerlichenInteressen wird angestrebt. „Lis-ten to rural voices!” mahnte Mi-nisterpräsident Wen Jiabao dielokalen Entscheidungsträger, dieBedürfnisse der Dorfbewohnerbei politischen Entscheidungenstärker zu berücksichtigen (ChinaDaily 2006). Auf allen politischenEbenen bestehen jedoch nochimmer starke Defizite in Bezugauf wesentliche Aspekte „gutenRegierens”. Die OECD fordertein ihrer Studie „Governance inChina”, die Reformbemühungenin den Bereichen Rolle desStaats, Regierungsinstrumenteund Abstimmung zwischen denRegierungsebenen zu verstär-ken und einen institutionellenRahmen zur Bändigung derKräfte des freien Marktes zuetablieren (vgl. OECD 2005).

Um die Situation der Bevölke-rung in ländlichen Regionen zuverbessern, bedarf es noch eini-ger spezifischerer Reformen. Die-se betreffen z. B. das Sozial- undKrankenversicherungssystem,das System der Wohnsitzkontrol-le (Hukou-System) oder die Be-leihung und den Verkauf landwirt-schaftlicher Grundstücke (vgl. He2006). Übertragbare und sichereEigentums- oder Nutzungsrechtean Grund und Boden können alseine der wichtigsten Grundvoraus-setzungen für eine sozial gerech-te und wirtschaftliche Nutzung desBodens gelten (Magel/Wehrmann2006). Ein wichtiger Schritt in die-se Richtung wurde 2007 durch dielang diskutierte Änderung des(Privat-)Eigentumsrechts zu-nächst v. a. im städtischen Raumgetan. Es ist abzuwarten, wie sichdiese Änderung mittel- und lang-fristig auch auf das ländlicheEigentums- und Nutzungssystemauswirken wird.

Chinas Problemesind auch unsere

Was hat das alles mit der Ent-wicklung in Deutschland zu tun?China als Global Player der Welt-wirtschaft hat einen immer stär-ker werdenden Einfluss auf dasGeschehen hier: China ist zumNettoimporteur an Lebensmittelngeworden und auch seinen Hun-ger nach Rohstoffen stillt es zu-nehmend im Ausland. In Afrikatreten chinesische Unternehmenals Abnehmer für Bodenschätzeauf, wodurch sich die Weltmarkt-preise verteuern (vgl. Grill 2006).Aus Deutschland importiert Chinaverstärkt Agrarprodukte. In jüngs-ter Zeit treten chinesische Geld-geber im Zuge der schwindendenchinesischen Holzressourcen zu-nehmend als Käufer deutscherPrivatwälder auf (vgl. Welt online2007; Seehofer 2007). BisherigeHandelsbeziehungen kehren sichum – besserte früher der Exportdeutscher Industrieprodukte die

Ganz nach dem chinesischen Sprichwort „Einmal gesehen ist besser als hundert mal gehört”:Exkursion der chinesischen Konferenzteilnehmer zur Baustelle der Bundesautobahn A7 zwi-schen Nesselwang und Füssen, die im Rahmen eines Unternehmensflurbereinigungsverfah-rens nach §§ 4 und 87 FlurbG realisiert wird. Foto: A. Ritzinger

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Ländlicher Raum

Außenhandelsbilanz auf, so wer-den gegenwärtig wertschöpfungs-intensive Produktionen zuneh-mend nach Asien verlagert.

Die Auswirkungen globaler Ver-flechtungen treten im Zuge deraktuellen Debatte um Energiever-sorgung und Klimawandel deut-lich hervor (vgl. Diffenbaugh etal. 2007). China steht aktuell ineinem rasanten Entwicklungs-prozess, wie er in Westeuropa imLaufe der vergangenen fünfzigJahre stattgefunden hat. Daherliegt es nahe, Erfahrungen auszu-tauschen und aus heutiger Sichtambivalent zu beurteilende Pro-zesse möglicherweise im Sinneeiner nachhaltigen Entwicklungzu beeinflussen. Stichworte sindmassive Automobilisierung undder Ausbau der Verkehrsinfra-struktur, die Industrialisierung derLandwirtschaft und der damit zu-nehmende Energie- und Roh-stoffeinsatz, aber auch der Um-gang mit der Kulturlandschaft unddem architektonischen Erbe länd-licher und städtischer Siedlungen(vgl. Ritzinger 2007).

Deutsch-chinesischePartnerschaft:

Dorf- und Flurentwicklungin China – mehr als reinerTechnologietransfer

Ländliche Entwicklung war be-reits von Anfang an ein Thema inder inzwischen zwanzigjährigenPartnerschaft zwischen Bayernund der Provinz Shandong: 1988startete das Projekt IntegrierteLandentwicklung im Dorf NanZhang Lou unter Beratung desTagungsleiters Prof. Holger Magel(vgl. Magel/Attenberger 2007).Ziel war die Verwirklichung einesganzheitlichen Ansatzes zur Ver-besserung der Agrarstruktur undder Arbeitsbedingungen der Land-wirte sowie die Verbesserung derLebens- und Wohnverhältnisseder 4 000 Einwohner des Dorfes.

Hierbei wurde ein für China unge-wöhnlicher Bottom-up-Ansatz mitder Gründung von Arbeitskreisendurchgeführt. Inzwischen gilt NanZhang Lou als das Vorzeigebei-spiel in China. Der damalige Bür-germeister Yuan resümierte inseinem Konferenzbeitrag, dasWichtigste, das er in zwanzigJahren Kooperation gelernt habe,sei, dass es nicht zuerst auf Geld,nicht auf Instrumente und nichtauf Methoden ankäme, sondernauf den „Change of Mind” (vgl.Hanns-Seidel-Stiftung 2008).

Auf Bitte des chinesischen Mi-nisteriums für Land und Ressour-cen wurden in den vergangenenJahren weitere gemeinsame Pro-jekte der Dorf- und Flurentwick-lung gestartet. Eines ist das vonProf. Magel angeregte und vonder Hanns-Seidel-Stiftung maß-geblich mitgestaltete Bildungs-und Forschungszentrum für Flur-neuordnung und Landentwicklung(BFL) in Qingzhou. Verwaltungs-

beamte des Ministeriums für Landund Ressourcen und aller nach-geordneten Provinz- und Kreisbe-hörden sowie Bürgermeisterwerden hier in den BereichenLandentwicklung, Flurneuordnungund Dorferneuerung geschult.

Auch in der akademischen Leh-re und Forschung in Bodenord-nung und Landentwicklung ist Ko-operation ein wichtiges Thema:Die Partnerschaft zwischen derTU München und der RenminUniversität Peking trägt ebensozu einem Wissenstransfer bei wiedie Ausbildung chinesischer Fach-kräfte im postgraduierten Master-studiengang Land Managementand Land Tenure an der TUMünchen.

Angesichts der großen Bedeu-tung, die der Landfrage in Chinazukommt, besteht hinsichtlichqualifizierter Fachkräfte ein hoherBedarf, denn im Grunde ist dasgroße China arm an fruchtbarem

Experteneinsatz in China: Prof. Magel berät Gemeindevertreter und chinesischeFlurbereinigungsexperten der Gemeinde Bake, Provinz Chongqing.Foto: S. Numberger

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Land und dessen nachhaltigeNutzung wird extrem wichtig(vgl. Kuchelmeister/Meyer 2007).Aufgrund der klimatischen Ver-hältnisse und der Bodenbeschaf-fenheit ist nur etwa ein Drittel derLandesfläche landwirtschaftlichnutzbar. Dennoch wird dieserkostbare Boden aufgrund höhererRenditen als Bauland für Gewer-be- oder Wohngebiete verbraucht.Die zu intensive Landnutzungdurch Landwirtschaft (teilweisedrei Ernten im Jahr) hat überdieszu Versalzungsproblemen ge-führt. Know-how über nachhalti-ges Ressourcenmanagement unddie Möglichkeiten einer ausglei-chenden Bodenordnung, welchedie konfligierenden Nutzungsin-teressen von Wohnbevölkerung,Landwirtschaft, Industrie undzunehmend von Natur- undUmweltschutz gleichermaßenberücksichtigt, ist nötig.

Was kann die Kooperationleisten?

Es bleibt festzuhalten, dasseine direkte Übertragbarkeit vonLeitbildern und Entwicklungszie-len im ländlichen Raum ange-sichts der kulturellen Unterschie-de nicht praktikabel ist, wohl aberder Transfer von Ideen und Me-thoden. Immer stellt sich jedochdie Frage nach den Zielen derKooperation: geht es darum bzw.ist es überhaupt möglich, in Chi-na auch auf der Bewusstseins-ebene die Voraussetzungen füreine ländliche Entwicklung nacheuropäischem Vorbild zu schaf-fen? Oder akzeptiert man, dassin China das Instrumentariumunter einem grundsätzlich ande-ren Wertesystem hinsichtlich Par-tizipation, Stellung des Individu-ums und Bedeutung historischerund ökologischer Faktoren An-wendung findet? In beiden Fällenmuss man sich als westlicher Be-trachter bewusst sein, dass sichauch in Deutschland beispiels-weise die Umweltbewegung erst

mit dem Erleben der „Grenzendes Wachstums” herausgebildethat. Letztlich gibt es auch in un-serem Land noch Defizite in derSteuerung in Richtung einernachhaltigen Entwicklung länd-licher Räume, wie der OECD-Prüfbericht zur Politik für länd-liche Räume anmerkt. In der ver-besserten Kooperation und Ko-ordination zwischen Stadt undLand wie auch v. a. zwischenden Fachressorts besteht Hand-lungsbedarf (vgl. OECD 2007b;Magel/Franke 2008).

In China bedarf es zuallererstder Schaffung eines zivilgesell-schaftlichen Rahmens, in demalle Akteure des ländlichen Raumssich gleichberechtigt in den Ent-wicklungsprozess einbringen kön-nen. Instrumente der ländlichenEntwicklung wie Dorferneuerungund Flurneuordnung können hierals wichtige Impulsgeber dienenund zur Aktivierung und Qualifi-zierung der Akteure ebenso bei-tragen wie letztlich zu einer nach-haltigeren Entwicklung. Man darfgespannt sein, zu welchen Ergeb-nissen die gegenwärtige Prüfungder ländlichen Entwicklungspolitikdurch die OECD kommt.

Die Dokumentation der Tagung„Nachhaltige Entwicklung ländli-cher Räume in Bayern und Shan-dong” kann bezogen werden über:

Hanns-Seidel-Stiftung e.V.China ReferatLazarettstrasse 3380636 Mü[email protected]

Literatur

Chang, Jiang/Zhou, Xiaoyu (2006):Stadtentwicklung in China. Xuzhou –eine zukünftige Großstadt in China. In:Flächenmanagement und Bodenordnung(FUB), Heft 6, S. 268-276.

China Daily (2006): Listen to rural voices.03. November 2006.

Diffenbaugh, Noah et al. (2007):Indicators of 21st century socioclimaticexposure. In: Proceedings of theNational Academy of Sciences, Nr. 104,pp. 20195-20198.

Grill, Bartholomäus (2006): Die neuen Ko-lonialherren. In: Die Zeit, 14.09.2006 Nr. 38.

Hanns-Seidel-Stiftung e.V. (2008):Nachhaltige Entwicklung ländlicher Räumein Bayern und Shanding. Tagungsdoku-mentation. München.

He, Qinlian (2006): China in derModernisierungsfalle. Hamburg.

Kuchelmeister, Guido/Meyer, Nils (2007):Desertification control in China – a formulafor success? In: Agriculture and ruraldevelopment, Heft 1, S. 16-18.

Magel, Holger/Attenberger, Josef (2007):Eine ländliche Erfolgsgeschichte ausChina. In: Bayerische Landeszentrale fürpolitische Bildung (Hrsg.): 20 JahrePartnerschaft Bayern – Shandong.München. S. 84-105.

Magel, Holger/Franke, Silke (2008): ZumStellenwert von Good Governance in derPolitik für die ländlichen Räume. In:Berichte über Landwirtschaft, Sonderheft(im Druck).

Magel, Holger/Wehrmann, Babette (2006):It’s all about Land oder Wie internationaleNetzwerke die Landfrage angehen. In:Zeitschrift für Geodäsie, Geoinformationund Landmanagement (ZfV), Heft 5, S.287-291.

OECD (2005): China in the globaleconomy. Governance in China. Paris.

OECD (2007a): Agricultural Policies inNon-OECD-Countries: Monitoring andEvaluation 2007. Paris.

OECD (2007b): Prüfbericht zur Politik fürländliche Räume Deutschland. Paris.

Ritzinger, Anne (2007): SchönereHeimat – Gedanken über die Zukunftunserer Dörfer: der Zyklus der Medien-aufmerksamkeit. In: Schönere Heimat,Heft 1, S. 3-8.

Seehofer, Horst (2007): Landwirtschaftund ländlicher Raum: Rückschau undPerspektiven. In: Ländlicher Raum Nr.5/6. Jubiläumsausgabe 60 Jahre Agrar-soziale Gesellschaft e. V. S. 12-16.

Sternfeld, Eva (2006): Umweltsituation undUmweltpolitik in China. In: China. Aus Poli-tik und Zeitgeschichte, Nr. 49, S. 27-34.

Welt online (2007): Forstgeschäfte.Chinesen kaufen in Deutschland ganzeWälder. 12. Juni 2007.

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Ländlicher Raum

Regionale Wertschöpfung durch Partnerschaft:

Mehr Ökonomie in integrierten Ansätzen,mehr integrierte Ansätze in der Ökonomie

Sebastian Elbe und Dirk Schubert*

* Dr. Sebastian Elbe, SPRINT (GbR), Darmstadt, Tel. (06151) 66 77 801, Fax (06151) 46 00 960, [email protected], www.sprintconsult.de.Dirk Schubert, nova-Institut, Bonn, Tel. (0228) 538 8438, Fax (0228) 538 8439, [email protected], www.nova-Institut.de

Verarbeitung der Erfahrungenaus LEADER und Regionen aktiv

Im Bereich der ländlichen Entwicklung findet der-zeit eine Zusammenführung von zwei bisher ehergetrennt betrachteten und vor allem umgesetztenHandlungssträngen statt. Dabei handelt es sich zumeinen um die integrierte ländliche Entwicklung. Sieist gekennzeichnet durch einen integrierten, räum-lichen sowie partizipativen Ansatz und folgt einemneuen Steuerungsansatz regionaler Entwicklungs-prozesse: weg von zentralen Programmen undEinzelmaßnahmen hin zu integrierten regionalenEntwicklungskonzepten und der Förderung ihrerUmsetzung durch lokale oder regionale Partner-schaften. Eine wesentliche Triebfeder hierfür istvor allem die ehemalige GemeinschaftsinitiativeLEADER, die zunächst Anfang der 90er Jahre alsExperimentierlabor gestartet worden war und nunseit 2007 in der Regelförderung zur Entwicklung desländlichen Raums angekommen ist (ELER Achse 4).Zum anderen werden seit einigen Jahren sog. „Valuechains” (Wertschöpfungsketten) gefördert. DieserAnsatz wird vor allem im Bereich von „Agri-Value-Chains” sowie in der Entwicklungszusammenarbeit(GTZ, WorldBank, USAID ...) genutzt. Es handeltsich dabei um einen sektoralen, funktionalen, öko-nomisch und zumeist global ausgerichteten Ansatz.Weitere Kennzeichen sind das Denken aus Sichtder Kunden/Endverbraucher, die Unternehmens-orientierung, die Fokussierung auf die Kernkompe-tenzen sowie neue Formen von Zusammenarbeitund Steuerung (Governance) über die gesamte Ket-te im Sinne eines Netzwerkes, um bspw. steigendeQualitätsanforderungen der Verbraucher im Lebens-mittelbereich zu erfüllen. Schnittstellen und Syner-gien beider Stränge werden bisher zu wenig syste-matisch gesucht und in Wert gesetzt:

- Im Fokus der Wertschöpfungsketten stehenökonomische und unternehmerische Ziele, nichtjedoch systematisch regionale Bezüge. Diesesind, wenn überhaupt, produktbedingt, werden

aber verstärkt neu entdeckt. Beleg hierfür sindzahlreiche Veröffentlichungen, die sich mit Aufbau,Management und Potenzialen von Wertschöp-fungsketten auseinandersetzen, die regionaleAuswirkungen und Verknüpfungen jedoch kaumthematisieren.

- Bei regionalen Partnerschaften stehen demgegen-über die Gesamtentwicklung der Region und somitim Wesentlichen gesamtgesellschaftliche Ziele imFokus. Ein Problem bei LEADER war und istbspw. die schwache oder sogar fehlende systema-tische Einbindung von Unternehmen, was zuSchwierigkeiten bei der Verstetigung der Partner-schaften, insbesondere hinsichtlich der Frage derFinanzierung regionaler Strukturen und Projektenach dem Auslaufen der öffentlichen Förderungführte.

Auch das Modellvorhaben Regionen Aktiv desBundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaftund Verbraucherschutz stand am Ende der erstenFörderphase 2005 vor diesen Fragen. Reagiert wur-de darauf mit dem Versuch, die beiden Handlungs-stränge zu verknüpfen, d. h. die Schnittstellen zwi-schen der ökonomischen Orientierung und dem in-tegrierten Ansatz zu identifizieren und die Synergienzu heben. Die Besonderheit war hier, dass die regio-nalen Partnerschaften in den 18 Modellregionen undnicht die Unternehmen der Ausgangspunkt waren.Die Frage war dementsprechend nicht nur, wie undob Unternehmen kooperieren, sondern viel mehr,wie Unternehmen über Wertschöpfungsketten ineine integrierte Entwicklung eingebunden werdenkönnen.

Regionale Wertschöpfungspartnerschaften

Entwickelt wurde das Konzept der regionalenWertschöpfungspartnerschaft (RWP)1. Bei einerRWP handelt es sich um eine strategische Allianzzwischen einer regionalen Entwicklungspartner-schaft bestehend aus den zentralen Akteuren der

1 Bundesgeschäftsstelle Regionen Aktiv (2007): Regionale Wertschöpfungspartnerschaften (RWP) in der ländlichen Entwicklung. Hintergrund, Ziele,Steuerung und Potenziale. Als Download verfügbar unter www.modellregionen.de.

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Ländlicher Raum

Region aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschafteinerseits und den Unternehmen einer regionalenWertschöpfungskette bzw. eines -netzes anderer-seits. Ziel der RWP ist die Generierung einer nach-haltigen regionalen Wertschöpfung durch die Inwert-setzung der regionalen Potenziale zum wechselsei-tigen Nutzen aller Beteiligten. Kennzeichnend füreine Regionale Wertschöpfungspartnerschaft ist

- die enge partnerschaftliche Zusammenarbeitinnerhalb und zwischen wirtschaftlichen und nicht-wirtschaftlichen Akteuren, ohne die jeweilige Selbst-ständigkeit und Eigenständigkeit zu verlieren,

- die konsequente Orientierung der Produkte undLeistungen am Kundennutzen sowie den regio-nalen Kernkompetenzen und

- das professionelle und systematische Manage-ment der Partnerschaft.

Die ökonomische Grundlage einer RWP bildenfunktionierende regionale Liefer- und Wertschöp-fungsketten. Gleichzeitig geht eine RWP aber da-rüber hinaus: Durch die Kooperation zwischen Un-ternehmen und Akteuren aus Politik, Verwaltungund Zivilgesellschaft handelt es sich um eine public-private partnership, die sich bei entsprechenderAusgestaltung bis zum Cluster entwickeln kann.

Regionale Partnerschaften können ihre wirtschaft-lichen Ziele – Arbeitsplätze schaffen, Einkommengenerieren, regionale Wertschöpfung steigern, neueQualitätsprodukte entwickeln und vermarkten – nurdurch Einbindung von Unternehmen erreichen.Durch die Fokussierung auf die Förderung von aus-gewählten WSK kann die regionale Entwicklungs-

gruppe zudem die Effizienz und Dauerhaftigkeit desMitteleinsatzes erhöhen, da gezielt Engpässe derWSK beseitigt werden. Gleichzeitig stärkt die Ein-bindung der Unternehmen sowie eine erfolgreicheFörderung einer WSK und die Entwicklung hoch-wertiger regionaler Produkte und Dienstleistungendie Wahrnehmung und den Einfluss der Entwick-lungsgruppe in der Region. Den Chancen einerRWP stehen jedoch auch Risiken gegenüber.Hierzu sind insbesondere zu zählen:

- hohe Kosten für Abstimmung und Netzwerk-management durch komplexe Entscheidungs-abläufe und eine Vielzahl von Beteiligten;

- unklare Verteilung von Rechten und Pflichten;

- Trittbrettfahrer und Mitnahmeeffekte;

- Verlust von Unabhängigkeit und Flexibilitätfür den Einzelnen;

- Abfluss von Wissen und Know-how;

- Gefahr der Verkrustung (lock-in);

- große Abhängigkeit von Personen;

- Verfolgung von (politischen) Wunschvorstellungenund -produkten ohne Marktchancen.

Funktionierende regionale Wertschöpfungspartner-schaften tragen zur regionalen Profilbildung bei undsind ein Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb derRegionen. Sie können zur Stärkung der regionalenKernkompetenzen sowie der Lern- und Innovations-fähigkeit im Sinne lernender Regionen, innovativerMilieus oder der Clusterpolitik beitragen. Von einerfunktionierenden RWP profitieren sowohl die Regioninsgesamt, die beteiligten Unternehmen als auch

Abbildung: Regionale Wertschöpfungspartnerschaft

Quelle: Bundesgeschäftsstelle Regionen Aktiv (2007): Regionale Wertschöpfungspartnerschaften (RWP) in der ländlichen Entwicklung. Hintergrund,Ziele, Steuerung und Potenziale. Als Download verfügbar unter www.modellregionen.de.

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Ländlicher Raum

die Kunden. Es handelt sich also um eine Win-win-win-Situation, wobei der konkrete Nutzen und dieverfolgten Ziele für die verschiedenen Beteiligtennicht identisch sein müssen. Während es der regio-nalen Entwicklungspartnerschaft eher um gesamt-gesellschaftliche Fortschritte geht, steht bei den Un-ternehmen der ökonomische Nutzen im Vorder-grund. Aus Sicht der Kunden steht der Wunsch nachRegionalität und Qualität zusammen mit dem Preisim Zentrum des Interesses. Aus Sicht der regionalenPartnerschaft kann die Entwicklung einer RWP mitden folgenden drei Stufen beschrieben werden:

1. Die regionale Partnerschaft fördert im Rahmeneiner Projektförderung gezielt die Beseitigung einesEngpasses in einer Lieferkette, bspw. eine fehlendeVerarbeitungsstufe. Die beteiligten Unternehmensind aber nicht partnerschaftlich miteinander ver-bunden, sondern kommunizieren in erster Linie überden Preis.

2. Die Unternehmen der Wertschöpfungskette ko-operieren gezielt miteinander und bilden ein Netz-werk. Die regionale Partnerschaft unterstützt dieEntwicklung des gesamten Unternehmensnetz-werks durch übergreifende Förderung bspw. durchdie Förderung eines Netzwerkmanagements.

3. Nicht nur die Unternehmen kooperieren unter-einander, sondern das gesamte Unternehmens-netzwerk kooperiert mit der regionalen Partner-schaft über die Frage der finanziellen Förderunghinaus. So wird die regionale Partnerschaft bspw. indie Definition von Produktstandards und Qualitäts-kriterien im Lebensmittelbereich einbezogen.

Die drei Stufen unterscheiden sich also im Hinblickauf die Intensität der Kooperation bzw. der Partner-schaft sowohl innerhalb der Unternehmen als auchzwischen den Unternehmen und der regionalenPartnerschaft. Dabei beschreibt Stufe 3 eine Regio-nale Wertschöpfungspartnerschaft mit der höchstenKooperationsintensität.

Praktische Erfahrungen

Die praktische Erprobung des RWP-Ansatzes beiRegionen Aktiv in den Themenfeldern Tourismus,Dachmarken, Regionalvermarktung/Ernährung undBioenergie hat gezeigt, dass der Ansatz mit neuenHerausforderungen und verstärktem Arbeitseinsatzverbunden ist, jedoch zum Erfolg führt. So haben inder Mittelgebirgsregion Eifel die regionalen Interes-sengruppen gemeinsam eine Dachmarke für regio-nale Produkte und touristische Angebote geschaffen.Unter dem Signet „Eifel – Qualität ist unsere Natur”werden heute 200 verschiedene Qualitätsprodukteangeboten. Rund 80 bäuerliche und handwerklicheUnternehmen sowie mehr als 100 Beherbergungs-und Gastronomiebetriebe profitieren von den funk-tionierenden Wertschöpfungsketten. Das Eifel-Logowird nur dann vergeben, wenn strenge Qualitäts-standards eingehalten und die garantierte Herkunftaus dem Naturraum Eifel für den Verbraucher nach-gewiesen wird. Die Regionalmarke EIFEL vereinteine Reihe von Wertschöpfungsketten und Partner-schaften unter einem Dach und ermöglicht durch einprofessionelles Management eine effiziente Organi-sation und Synergieeffekte: Regionale Spezialitätentragen zum Image der Eifel als Tourismusregion beiund Regionalprodukte finden Abnehmer bei den Be-suchern; die gemeinsame Marke fördert das positi-ve Bild der Region in der Öffentlichkeit. Die betei-ligten Betriebe entrichten für die Nutzung eine Li-zenzgebühr und profitieren von den Effekten undArbeitsstrukturen des Markenzeichens.

Weitere Erfolgsgeschichten für den Aufbau vonRWP und die systematische Entwicklung von WSKwie bspw. „Historische Poststraßen” in der Sächsi-schen Schweiz oder „Bliesgau-Bio-Milch” im Saar-land sind auf der Internetseite www.modellregionen.dezu finden. Betrachtet man zusätzlich die Abschluss-berichte der Modellregionen wird deutlich, dass alleRegionen den RWP-Ansatz befürworten und dessenweitere Anwendung empfehlen.

Abbildung: Die Wertschöpfungskette

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Ländlicher Raum

Mit dem Wettbewerb „Bioener-gie-Regionen” will das Bundesmi-nisterium für Ernährung, Landwirt-schaft und Verbraucherschutz(BMELV) Regionen in Deutsch-land unterstützen, die die Bio-energie als Chance für sich se-hen. Gefördert werden regionaleNetzwerke und innovative Kon-zepte, die den Regionen langfris-tig zu mehr Eigenständigkeit beider Erzeugung und beim Einsatzvon Bioenergie verhelfen.

Effektive Kommunikationskon-zepte sind die Grundlage für denspäteren Einsatz neuer Technolo-gien und den Bau von neuen An-lagen. Der Wettbewerb bietet zu-sätzlich die Chance einer wirt-schaftlichen Entwicklung im länd-lichen Raum mit neuen Arbeits-

plätzen und gleichzeitig mehrAufschwung für ländliche Regionen.Am Wettbewerb teilnehmen kön-nen Landkreise und Regionenjeder Größe. Vorgelegt werden sollvorerst ein Kurzkonzept (5 Seiten)zur Umsetzung der Bioenergiege-winnung in der Bewerberregion.Nach einer Vorauswahl werdenhieraus die besten 30 Vorschlägein die zweite Auswahlrunde derBewerbung treten, von denen biszu 16 Siegerregionen durch eineunabhängige Jury ermittelt werden.

Das BMELV fördert die 16 Ge-winner, die jeweils 400 000 € För-dergelder für die Umsetzung ihrerKonzepte erhalten, über drei Jah-re im Zeitraum von 2009 bis 2011.Begleitet werden sie in dieserZeit durch Workshops und For-

schungsvorhaben. Zum Abschlussdes Wettbewerbs wird 2012 dieRegion prämiert, die ihr Konzeptam effektivsten umsetzten konnte.

Bewerbungen können bis zum30. Juni 2008 gesendet werden an:

Geschäftsstelle Wettbewerb„Bioenergie-Regionen”Fachagentur NachwachsendeRohstoffe e.V. (FNR)Daniela RätzHofplatz 118276 Gülzow

Weitere Informationen:Tel. (038 43) 69 30-245info@bioenergie-regionen.dewww.bioenergie-regionen.dewww.fnr.de

Wettbewerb „Bioenergie-Regionen”

Vorteile werden insbesondere

- in der Identifizierung und Nutzung der Schnittstel-len zwischen regionaler Partnerschaft, Produktket-ten und der systematischen Einbindung von Unter-nehmen,

- in der Fokussierung auf regionale Kernkompe-tenzen und

- im gezielteren Mitteleinsatz und der Erhöhung derWirtschaftlichkeit gesehen.

Auch nach Ablauf der Förderung werden der An-satz und insbesondere die überbetriebliche und re-gionale Denkweise der Akteure beibehalten. Proble-me verursacht dieser Ansatz vor allem dann, wenn– wie bei Regionen Aktiv – aufgrund der knappenzur Verfügung stehenden Mittel ausschließlich aufRWP gesetzt wird, d. h. nur für diesen Bereich För-dermittel fließen. Dies betrifft vor allem die mögli-che Einschränkung des Themenspektrums und damitdes integrierten Ansatzes, indem Beteiligungsmög-lichkeiten und die Förderung von Projekten außer-halb der RWP sinken oder nicht mehr erfolgen.Können keine weiteren Mittel für diese Aktivitäten

akquiriert werden, kann der integrierte Ansatz nichtmehr in voller Breite aufrechterhalten werden, sodass Akteure und Inhalte verloren gehen. Diese undviele weitere praktischen Erfahrungen aus den Re-gionen werden derzeit in einen RWP-Leitfadenüberführt, der den Weg zur Initiierung und Etablie-rung einer RWP aufzeigt.3

Schlussfolgerungen

Der Aufbau regionaler Wertschöpfungspartner-schaften ist eine anspruchsvolle Aufgabe für Regio-nen. Bei Regionen Aktiv erfolgte die Umsetzung in-nerhalb von zwei Jahren, wobei nicht vergessenwerden darf, dass die Regionen vorher bereits einenmindestens vierjährigen Entwicklungsprozess hintersich hatten. Deutlich geworden ist aber auch, dasssich die Anstrengungen zur Umsetzung eines RWP-Ansatzes auszahlen: Mehr Ökonomie in integriertenAnsätzen und mehr integrierte Ansätze in der Öko-nomie generieren Nutzen für alle Beteiligten: „Infact, promoting a regional economy without using avalue chain perspective to address the local eco-nomic potential may not be very effective.”4 FürInitiativen wie LEADER bedeutet dies im Grundeden Start einer RWP-Offensive.

3 Der Leitfaden von der Bundesgeschäftsstelle Regionen Aktiv wird im zweiten Quartal 2008 fertig gestellt und auf www.modellregionen.de alsDownload zur Verfügung stehen.

4 GTZ (2007): ValueLinks Manual. The Methodology of Value Chain Promotion. First Edition.

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Ernährungswirtschaft

Schulverpflegung als Beitrag zu sozialer Gerechtigkeit

Frau Schulz-Greve, in Deutschland gibt es schät-zungsweise 1,9 Mio. übergewichtige Kinder zwi-schen 3 und 17 Jahren, 800 000 davon sind adipös.Gut ein Fünftel der Kinder zwischen 11 und 17 Jah-ren zeigen Auffälligkeiten im Essverhalten. Dies giltinsbesondere für Kinder und Jugendliche aus sozialbenachteiligten Familien und solchen mit Migrations-hintergrund. Was ist da schief gelaufen?

Schulz-Greve: Es gibt sicher nicht die eine Ursa-che. Vielmehr müsste ein ganzes Bündel angeführtwerden, um die beschriebenen Probleme zu erklä-ren, beispielsweise der veränderte Lebensstil undein damit einhergehender Bewegungsmangel. Einewichtige Rolle spielt jedoch der Wandel in den Fa-milien. In immer weniger Familien werden Alltags-kompetenzen wie die Zubereitung und Gestaltungvon Mahlzeiten vermittelt, sei es, weil beide Eltern-teile berufstätig sind und die Zeit fehlt, sei es aberauch, dass dieses Wissen bei den Eltern selbstnicht mehr oder zumindest nicht mehr hinreichendvorhanden ist. Das Problem stellt sich in vielenFamilien, quer durch alle sozialen Schichten.

Dies gilt für städtische und ländliche Gebietegleichermaßen?

Schulz-Greve: Meines Erachtens gibt es indiesem Punkt keine grundsätzlichen Unterschiedezwischen Stadt und Land.

Kann oder muss sogar die Schule an die Stelleder Familie treten und deren Funktion im Hinblickauf die Vermittlung von Ernährungswissen über-nehmen?

Schulz-Greve: Ja, in einem zunehmenden Maße.Das Schulalter ist nun einmal entscheidend für dieAusprägung des Ernährungsverhaltens und die Ent-wicklung von gesunden Lebensstilen. Die Schulenund übrigens auch die Kindergärten tragen dahereine besondere Verantwortung, der sie sich stellenmüssen. Hinzu kommt, dass der Trend zu Ganz-tagsschulen bundesweit ungebremst ist, auch inländlichen Gebieten. Ganztagsschulen sind perSchulgesetz verpflichtet, ihren Schülern jeden Tag

Interview mit Sabine Schulz-Greve, Vernetzungsstelle Schulverpflegung Berlin e.V., über gesundesSchulessen, Ernährung als Teil des Bildungsauftrages und Erwartungen an die Politik

Sabine Schulz-Greve ist Lehrerin für Sekun-darstufe I, seit geraumer Zeit nicht mehr imSchuldienst tätig. Die Mutter zweier Söhne istGründungsmitglied und 1. Vorstand des Vereins„Vernetzungsstelle Schulverpflegung Berlin e.V.”Sie gehört verschiedenen Gremien im BereichErnährung und Bildung an. Die gebürtige Nieder-sächsin war viele Jahre als Moderatorin der Land-Schau im Rahmen der Internationalen GrünenWoche für die ASG tätig. Sie ist heute als freieMitarbeiterin der Agentur UF Konzeption +Management Berlin u. a. an den Sonderschauendes BMELVs auf der Grünen Woche beteiligt.

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Ernährungswirtschaft

ein warmes Mittagessen anzubieten. ZusätzlicheDynamik erhält die Nachfrage nach Schulverpflegungdurch die nahezu von allen Ländern beschlosseneVerkürzung der Gymnasialzeit. Das Abitur bereitsnach 12 Schuljahren statt wie bislang nach 13 Jahren– das geht nicht ohne Nachmittagsunterricht unddamit eine entsprechende Mittagsverpflegung.

Wie weit reicht die Verpflichtung des Staates beider Schulverpflegung? Geht dies Ihrer Auffassungnach so weit, ein „gesundes Essen” anbieten zumüssen?

Schulz-Greve: Jedes Kind hat ein Recht auf ge-sunde Ernährung, und zwar unabhängig von seinersozialen Herkunft. Dem muss gerade in der SchuleRechnung getragen werden. Jeder Euro, der dafürausgegeben wird, beispielsweise um Kindern aussozial schwachen Familien ein gesundes Mittag-essen zu ermöglichen, ist zudem gut angelegt undeine Investition in die Zukunft. Ein Essverhalten,das die Gesundheit fördert, liegt im Interesse derGesellschaft, weil es dazu beiträgt, die Folgekosteneines falschen Essverhaltens zu senken und damitdie Volkswirtschaft entlastet. Deswegen halte ichauch eine angemessene Subventionierung derSchulverpflegung, wie sie in Berlin, aber auch inanderen Ländern vorgenommen wird, für gerecht-fertigt. Chancengleichheit darf nicht am Mittagstischenden. Die Kostenbeteiligung am Mittagessen musssozial gerecht geregelt sein!

Was ist ein gesundes Essen?

Schulz-Greve: Basierend auf Empfehlungen desForschungsinstituts für Kinderernährung in Dort-mund hat die Vernetzungsstelle gemeinsam mit derSenatsverwaltung für Bildung und der AOK Berlinbereits 2003 Kriterien entwickelt, nach denen dieQualität von Schulverpflegung beauftragt und be-wertet werden kann. Die sog. „Berliner Qualitätskri-terien” enthalten konkrete Empfehlungen zu Einkaufund Verarbeitung, Menüzusammenstellung und De-klaration sowie Transport und Ausgabe des Essens.Darüber hinaus wird ausdrücklich die Einbeziehungvon Lebensmitteln aus ökologischem und vorzugs-weise regionalem Anbau empfohlen. Beispielsweisemüssen den Kriterien zufolge mindestens 10 % dereingekauften Lebensmittel aus ökologischer Land-wirtschaft stammen, und zwar bezogen auf dengeldwerten Anteil der Bio-Produkte.

Die Berliner Qualitätskriterien stellen offenbar keineverbindlichen Vorgaben dar. Wie relevant sind sie?

Schulz-Greve: Bereits jetzt werden die Qualitäts-standards in zehn von zwölf Bezirken als Richt-schnur und Orientierungsrahmen eingesetzt. Wirgehen davon aus, dass bis Ende dieses Jahresauch die beiden verbleibenden dazu kommenwerden.

Was macht die Vernetzungsstelle Schulverpfle-gung außer der Erarbeitung von Qualitätskriterien?

Schulz-Greve: Wie der Name schon sagt: wirvernetzen und unterstützen seit Frühjahr 2004 dieBerliner Akteure im Bereich Schulverpflegung. Dasheißt, wir vermitteln Fachinformationen und Exper-tenwissen und organisieren die Kommunikation derBeteiligten untereinander: Eltern, Lehrer, Schullei-tung, Schulträger und Anbieter von Schulverpfle-gung. Die Schaffung nachhaltiger Kommunikations-strukturen ist der Kern unserer Tätigkeit. Wir mode-rieren dazu u. a. Informationsveranstaltungen fürEltern, Schulen und Schulträger im Vorfeld von Aus-schreibungen, um möglichst für jede Schule das fürsie optimale Verpflegungsangebot zu entwickeln.Wir bieten ferner Fortbildungsveranstaltungen fürLehrer, Erzieherinnen und Eltern an, um die Akzep-tanz für Schulverpflegung zu erhöhen.

Wie wird die Schulverpflegung in Berlinangenommen?

Schulz-Greve: In den Grundschulen nimmt inzwi-schen die weit überwiegende Zahl der Kinder amGemeinschaftsessen teil. Dabei spielt eine wichtigeRolle, dass bereits jetzt Eltern von Kindern derKlassen 1 bis 4 einkommensunabhängig nur 23 €monatlich für das Mittagessen zahlen müssen unddie Differenz zum Vollpreis vom Land und denjeweiligen Bezirken getragen wird. Darüber hinausplant das Land die Einrichtung eines zusätzlichenHärtefallfonds, der insbesondere Kindern ohne Hort-platz im Einzelfall eine Essenteilnahme ermöglichensoll. Ich halte die gezielte Hilfe für sozial schwacheFamilien für außerordentlich wichtig. Nach derGrundschulzeit, wenn die Eltern selbst die Verträgeabschließen und die Kosten voll zu tragen haben,bricht die Beteiligung ab. Dem muss auch mit ge-zielten Informationen v. a. an die Eltern begegnetwerden, um das Bewusstsein für den Stellenwerteiner gesunden Mittagsverpflegung zu wecken oderzu stärken.

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Ernährungswirtschaft

Wer außer Ihnen ist „die Vernetzungsstelle”?

Schulz-Greve: Die Vernetzungsstelle ist seit 2006ein gemeinnütziger Verein. Dessen Ursprünge rei-chen einige Jahre zurück. Verärgert über dasschlechte Essen, das unseren Kindern in ihrerGrundschule angeboten wurde, haben wir, zunächstals Initiative engagierter Eltern, begonnen, nach denUrsachen der schlechten Qualität der Gemein-schaftsverpflegung zu forschen. Wir haben dabeisehr schnell festgestellt, dass ein Grundproblem imfehlenden Austausch der Beteiligten untereinanderlag. Wir fanden keine gewachsenen Strukturen, dieim Sinne von Mitsprache und Mitverantwortungeinen regelmäßigen Austausch von Schulträgern,Schulleitungen, Lehrkräften, Eltern, Schülern undCaterern ermöglichen. Diese fehlende Kommuni-kation zu Fragen von Qualität, schulinterner Orga-nisation und Akzeptanz des Verpflegungsangeboteszu überwinden, war eine unserer wichtigsten Auf-gaben, die wir meines Erachtens gut erfüllt haben.Gleichzeitig ist es uns gelungen, Kooperationspart-ner ins Boot zu holen und sie in unser Netzwerk ein-zubinden. Dies waren zunächst die Senatsverwal-tung für Bildung in Berlin und die AOK. Später, imRahmen eines von uns initiierten und im Rahmendes Bundesprogramms Ökologischer Landbaugeförderten Modellvorhabens „Gesunde Schulver-pflegung an Berliner Ganztagsschulen”, kamen bun-desweit agierende Partner hinzu, etwa die CentraleMarketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft(CMA), der Verbraucherzentrale Bundesverband(vzbv) und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung(DGE).

Ist das „Berliner Modell” übertragbar auf andereRegionen in Deutschland?

Schulz-Greve: Eindeutig ja. Bund und Länderhaben vor wenigen Wochen entschieden, die Ein-richtung von Vernetzungsstellen für die Schulver-pflegung in den Nationalen Aktionsplan Ernährungund Bewegung aufzunehmen und bereits in diesemJahr damit zu beginnen. Dabei geht es darum,Schulen bei der Umsetzung von Qualitätsstandardsfür die Schulverpflegung zu unterstützen, sie mitden maßgeblichen Akteuren zu vernetzen und zugewährleisten, dass Ernährungsbildung und dasSchulessen miteinander verknüpft werden. Die An-schubfinanzierung übernehmen Bund und Ländergemeinsam.

Ganztagsschulen, Schulessen – in Westdeutsch-land hat dies in der Vergangenheit kaum eine Rollegespielt. Macht sich das bemerkbar?

Schulz-Greve: Ja. Die Skepsis im Westteil Ber-lins, aber auch in den alten Bundesländern war an-fangs groß. Es herrschte die Vorstellung vor, Essengehört in die Familie, Gemeinschaftsverpflegungkann da nicht heranreichen, es muss daher auf we-nige Ausnahmen beschränkt bleiben. Inzwischen hataber ein Umdenken eingesetzt, nicht zuletzt mit derÄnderung des schulischen Angebots. In den östli-chen Landesteilen war das ganz anders. Hier verfü-gen nahezu alle Schulen – auch die weiterführen-den – zumindest über Ausgabeküchen und Speise-räume. Die Aufgeschlossenheit der Eltern und Kin-der war traditionell sehr groß. Woran es mangelte,war eine zeitgemäße Qualität des Verpflegungsan-gebotes. Schulverpflegung ist ein Beispiel dafür,dass der Westen vom Osten lernen kann.

Ist das Berliner Modell einer gesundheitsförder-lichen Schulverpflegung auch auf ländliche Räumeübertragbar?

Schulz-Greve: Grundsätzlich ja. Wobei wir durchAustausch mit anderen Bundesländern durchausauch die besonderen Probleme der ländlichen Räu-me kennen: weniger Auswahl an geeigneten, aufSchulverpflegung spezialisierten Anbietern, höherePreise aufgrund der geringeren Portionszahlen,längere Lieferwege und damit verbunden längereStandzeiten des Essens. Hier bieten sich nach mei-ner Einschätzung auch lohnende Betätigungsfelderetwa für Landfrauen mit Qualifikationen für dieAußer-Haus-Verpflegung an. Es gibt genügend Bei-spiele, in denen es Landfrauen geschafft haben,über Partyservices und in Zusammenarbeit mitlandwirtschaftlichen Betrieben in der Region wirt-schaftlich tragfähige Unternehmungen aufzubauen.Warum sollte das nicht beim Schulcatering gelin-gen, auch wenn die Ansprüche in der Außer-Haus-Verpflegung zweifellos andere sind? Ich denke,dass dies ein Wachstumsbereich ist, dem sichLandfrauen, Landwirte und Verarbeiter gemeinsamin Zukunft verstärkt widmen sollten. Dies ist zugleicheine Chance, Einkommen und Wertschöpfung inländlichen Räumen zu erzielen.

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Ernährungswirtschaft

Gibt es Beispiele, die zeigen, dass dies gelingenkann?

Schulz-Greve: Im Rahmen des Bundespro-gramms Ökologischer Landbau wurde ein Modell-vorhaben im nordhessischen Schwalm-Eder-Kreiszum Aufbau einer regional-biologischen Schulver-pflegung gefördert. Über eine Vernetzung der Bio-Erzeuger und -Verarbeiter und durch das Interessedes Schulträgers ist es dort mit Begleitung der Uni-versität Kassel gelungen, ein praxistaugliches Ge-samtkonzept zu entwickeln, das gute Chancen hat,auch nach Auslaufen der Förderung Bestand zuhaben.

Es gibt immer wieder Forderungen, nicht zuletztvom Deutschen LandFrauenverband (dlv), das FachHauswirtschaft in die Lehrpläne allgemeinbildenderSchulen aufzunehmen, um der auch von Ihnen be-klagten fehlenden Alltagskompetenz gerade beiKindern und Jugendlichen entgegenzuwirken.Ist das für Sie ein gangbarer Weg?

Schulz-Greve: Die Frage lässt sich nicht allge-mein, sondern nur differenziert für die verschiede-nen Schulstufen beantworten. Im Grundschulbereich,und das gilt insbesondere für Ganztagsschulen, be-darf es nicht eines weiteren Unterrichtsfaches, son-dern einer fächerübergreifenden Ernährungs- undVerbraucherbildung, die eng mit der Lebenswelt derKinder verknüpft ist: eine gesundheitsförderlicheSchulverpflegung unter Einbeziehung von Schülerngemeinsam zu organisieren – von der Speiseplan-gestaltung, über das Tischdecken bis hin zur Ver-arbeitung von Grundnahrungsmitteln für das Pau-senfrühstück oder den Imbiss am Nachmittag – ist„gelebte” Ernährungsbildung und bietet ausreichendAnknüpfpunkte, um fächerübergreifend die nötigenKompetenzen zu vermitteln. In der Sekundarstufe Iwerden, nicht nur in Berlin, hauswirtschaftlicheKenntnisse, z. B. im Rahmen des Arbeitslehre-Unterrichts an Haupt-, Real- und Förderschulenvermittelt. Ein gewisser „Bildungsnotstand” in Sa-chen Ernährungs- und Verbraucherbildung ist ein-deutig im Gymnasium zu beobachten. Aber vor demHintergrund der bereits angesprochenen Verkürzungder Schulzeit auf zwölf Jahre scheint es mir auchdort sinnvoller, den Fokus auf die Einführung oderOptimierung der Schulverpflegung zu legen undSchülerinnen und Schüler daran aktiv zu beteiligen.

Wie beurteilen Sie den Ernährungsführerschein,den der aid gemeinsam mit Landfrauen in drittenSchulklassen im gesamten Bundesgebiet anbietet?

Schulz-Greve: Dies ist ein guter „Baustein”, spe-ziell für die 3. Klasse konzipiert, mit dem Lehrkräfte,wenn möglich unterstützt von geschulten Land-frauen, Kompetenzen im Bereich „Ernährung” ver-mitteln können. Er darf aber nicht isoliert stehenbleiben, sondern sollte eingebunden werden inweitere Maßnahmen, die geeignet sind, ein Be-wusstsein für Ernährung bei den Kindern zu schaf-fen. Andernfalls könnte die Wirkung schnell ver-puffen.

Die Koalition streitet gegenwärtig darum, dasKindergeld um 10 € pro Kind und Monat zu erhöhen.Aus Ihrer Sicht sinnvoll eingesetztes Geld?

Schulz-Greve: Ich bin grundsätzlich dafür, Fami-lien zu unterstützen und dies auch auszubauen.Allerdings halte ich einen zielgerichteten Einsatz derMittel für sinnvoller. Die Verwendung von öffent-lichen Geldern, um dadurch allen Kindern einequalitativ hochwertige Schulverpflegung zu ermög-lichen, ist nach meinem Dafürhalten sinnvoll.

Welche Erwartungen haben Sie im Hinblick aufSchulernährung ganz allgemein an die Politik?

Schulz-Greve: Ich erwarte, dass die Politik,nachdem sie die Bedeutung des Themas gesundeErnährung gerade für Kinder und Jugendliche er-kannt hat, einen langen Atem hat, an dem Themableibt, auf die vielfältigen Erfahrungen zurückgreift,die inzwischen vorliegen und ganz allgemein weni-ger das Schwergewicht auf pressewirksame Einzel-aktionen und populistische Forderungen, die weit ander Schulrealität vorbeigehen, legt, sondern darauf,den Aufbau von tragfähigen Strukturen zu befördernund zu unterstützen. Dies ist die entscheidende Vor-aussetzung, nachhaltige Fortschritte auf dem Wegzur „guten gesunden Schule” zu erzielen.

Rainer Münch

Weitere Informationen zum ThemaSchulverpflegung sind erhältlich bei der

Vernetzungsstelle Schulverpflegung Berlin e.V.Beuthstraße 6 - 810117 BerlinTel. (030) 9026-5455Fax (030) 9026-5443s.schulz.greve@vernetzungsstelle-berlin.dewww.vernetzungsstelle-berlin.de

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Dr. Wilhelm Peters 65 Jahre Almke Gerken 70 JahreAm 24. Februar 2008 feierte Dr. Wilhelm Peters,

langjähriger Leiter der Abteilung Agrarstruktur imLandwirtschaftsministerium von Mecklenburg-Vorpommern, seinen 65. Geburtstag.

Der in Eickstüve bei Hamburg geborene und ge-lernte Landwirt studierte in Göttingen Agrarwissen-schaften. Nach seiner Promotion war er ca. zehnJahre am Institut für Strukturforschung der Bundes-forschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) in Braun-schweig tätig. 1983 folgte der Wechsel ins Bundes-landwirtschaftsministerium und 1991 nach Schwerin,wo Peters die Leitung der Abteilung Agrarstruktur imLandwirtschaftsministerium übernahm. In den fol-genden 14 Jahren beeinflusste der Ministerialbe-amte durch sein Engagement entscheidend dieAgrarstrukturpolitik im nordöstlichen Bundesland.

In der Agrarsozialen Gesellschaft e.V. war Petersvon 1999 bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2005Mitglied des Kuratoriums und hat sich mit seinenFähigkeiten stets gewinnbringend für die Belangeder Menschen in Landwirtschaft und ländlichemRaum eingesetzt.

Am 1. März 2008 feierte Almke Gerken ihren 70.Geburtstag. Die in Friesland geborene und gelernteländliche Hauswirtschaftsleiterin, setzte sich ab1961 für die Bedürfnisse der Landfrauen ein undtrat 1978 das Amt der zweiten Stellvertreterin derVorsitzenden des LandFrauenverbandes Weser-Ems an.

1981 übernahm sie für die folgenden 15 Jahre denVorsitz des Verbandes und wurde von 1986 bis1991 zusätzlich zur ersten Vizepräsidentin desdeutschen Landfrauenverbandes gewählt.

Die enge Verbundenheit zur Agrarsozialen Gesell-schaft e.V. zeichnet sich unter anderem durch ihre13-jährige Tätigkeit als Vorstandsmitglied aus.

Von 1993 bis 1998 übernahm sie das Amt derstellvertretenden Vorsitzenden und bereicherte dieASG in vielfacher Hinsicht mit ihrem hohen Sach-verstand.

Die ASG gratuliert Almke Gerken und Dr. Wilhelm Peters herzlich zum Geburtstagund wünscht Ihnen noch viele aktive und gesunde Jahre.

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ISSN 0179-7603

HerausgeberAgrarsoziale Gesellschaft e.V.Postfach 114437001 GöttingenTelefon (0551) 4 97 09-0Fax (0551) 4 97 [email protected]

GeschäftsführerDr. Dieter Czech

RedaktionDipl.-Ing. agr. Ines FahningTelefon (0551) 4 97 [email protected]

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Die Herausgabe von „Ländlicher Raum“ erfolgt mit der Förderung desBundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Informationsmaterialien über den ökologischenLandbau – AgrarwirtschaftUmfangreiches Unterrichtsmaterial zum ökologischen Landbau bietetdiese CD-ROM für die Schwerpunktbereiche Landwirtschaft, Gartenbau,Obst- und Weinbau. Die CD-ROM enthält überwiegend PDF-Dateien miteiner sehr großen Zahl von Arbeits- und Lösungsblättern sowie Folien,Powerpoint-Präsentationen, methodisch-didaktischen Hinweisen undHintergrundinformationen.

Bestell-Nr.: 5-4143, 2005

Öko-Landbau für ernährungswirtschaftliche SchulenWie die CD-ROM für die Agrarwirtschaft sind hier Unterrichtsmate rialienin großer Zahl und Materialvielfalt von Lehrern für Lehrer erarbeitet worden.Sie eignen sich ebenfalls vor allem für die Berufs- und Fachschulen imFleischerhandwerk, Molkereiwesen, für Brauer und Mälzer, in derFruchtsafttechnik, der Hauswirtschaft und Ernährung sowie imLebensmittelfachverkauf. Auch in den höheren Jahrgangsstufen derSekundarstufe I sowie in der Sekundarstufe II können die Unterlagenunterrichtsergänzend eingesetzt werden.

Bestell-Nr.: 5-4144, 2005

Öko-Landbau für allgemein bildende SchulenDie Informationsmaterialien sind speziell für den Unterricht anGrundschulen und allgemein bildenden Schulen der Sekundarstufen I undII erstellt worden. Auf der CD-ROM enthalten sind Projektvorschläge undUnterrichtseinheiten als PDF-Dateien nach Altersstufen sortiert.Zusätzlich im Lieferumfang sind: Grundwissen Ökolandbau, eininteraktiver Bauernhof und eine Bibliothek mit Audio- und Bilddateiensowie Postern zum Thema Ökolandbau. Ein hoher Anteilhandlungsorientierter Elemente bietet Ideen für einen interessanten,altersgerechten Unterricht.

Bestell-Nr.: 5-4146, 2005

Mindestvoraussetzungen für alle dreiCD-ROMs sind: Windows 98/ME/2000/XP, Pentium 166 MHz, 64 MB RAM,Soundkarte, Grafikkarte 1024 x 768 bei16 Bit Farbtiefe, Acrobat Reader 4.0

Bestellmöglichkeitenaid infodienst, Verbraucherschutz, Ernährung, Landwirtschaft e.V.Projekteinheit Ökologischer LandbauFriedrich-Ebert-Straße 3, 53177 Bonn

oder direkt unter: www.aid-medienshop.de oder www.schule-oekolandbau.de