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ROHSTOFFE 44 Plastverarbeiter · April 2009 ABGESCHLEPPT ADDITIVKONZEPT ERMÖGLICHT EFFEKTIVE REDUKTION VON GERUCH UND VOC Poly- ethylen und Polypropylen besetzen im weltweiten Verbrauch von Kunststoffen die Plätze eins und zwei. Diese bedeutenden Stellungen haben die beiden Polyolefinkunststoffe ihrer beständigen Weiterentwicklung zu verdanken. Allerdings werden bei beiden Materialien auch unerwünschte Beeinträchtigungen des Geruchs und der damit verbundenen Emissio- nen beobachtet. Ein neu entwickeltes Additivkonzept schleppt während der Compoundie- rung diesen unerwünschten Anteil heraus. E missionen oder flüchtige organische Verbindungen – auch als Volatile Organic Compounds (VOC) be- zeichnet – können beim Herstellen und Verarbeiten von Kunststoffen entstehen. Sie dünsten aus dem fertigen Produkt weiter aus. Störend wird dies oft im In- nenraum von Fahrzeugen empfunden, da darin viele Spritzgussteile aus Kunst- stoff verbaut sind. Die Emissionen gelten oft als gesundheitsschädlich, weil sie zu Reizungen führen können; überdies sind toxikologische Wirkungen nicht aus- zuschließen. Oft setzen Hersteller von Kunststoff- granulaten und Recyclatverarbeiter Hilfsmittel oder Additive ein, die Emissio- nen vermindern sollen, indem sie die VOC adsorbieren. Damit sind diese zwar gebunden, bleiben aber trotzdem im Kunststoff enthalten. Es ist daher nicht auszuschließen, dass sie unter bestimm- ten Bedingungen wieder freigesetzt wer- den. Das Additivkonzept von BYK ermög- licht es, in der Compoundierung den Be- standteil von unerwünschten VOC und Gerüchen deutlich zu reduzieren. Das zu Grunde liegende Prinzip des neuen Addi- tivs ist das eines Schleppmittels. Seine Molekularstruktur ist so beschaffen, dass es bei der Compoundierung der Granula- te an deren Grenzfläche in der Schmelze aktiv wird, wodurch die VOC nahezu vollständig vom Granulat getrennt wer- den. Das entstehende Gemisch aus VOC und Additivträgersubstanz wird während der Entgasung in der Compoundierung in Form von Dampf abgeschieden. Umwelteinflüsse als Ursache für Geruch und VOC Ursachen für die Entstehung von Emis- sionen aus Bauteilen sind oft durch Um- welteinflüsse bedingt. Hier sind in erster Linie Wärme und Sonnenlicht zu nen- nen. Die Ursache für Geruch und VOC im Kunststoff-Teil selbst lässt sich durch eine Vielzahl von Einflussgrößen beschreiben, die im Wesentlichen den Gruppen Poly- merisationsprozess, Verarbeitungshilfs- mittel und Additive zugeordnet werden können. Relevant sind die unterschiedlichen Aufbereitungsschritte, die ein Kunst- stoff-Teil bis zur Fertigstellung durch- läuft: Vortrocknungsverfahren und die Prozessparameter, wie Temperaturen und Verweilzeiten. Auch Maschinenvor- gaben, beispielsweise Schneckendesign, Gestaltung der Entgasungszonen und das verfügbare Vakuum, sind in ihrem Ein- fluss nicht zu unterschätzen. Stand der Technik ist heute die Ver- wendung mikroporöser Materialien als Adsorber von VOC und Geruch. Nachteil vieler Adsorber-Produkte, wie Aktivkoh- le oder Zeolithe (Alumosilikat), ist, dass VOC oder Geruch an der Oberfläche durch physikalische Kräfte (Van-der- Waals-Kräfte) gebunden werden. Adsor- ber können Wasser und andere nieder- Autor Jörg Garlinsky , Leiter technischer Service, Byk-Chemie, Wesel, [email protected] Die Anforderungen an emissionsarme Kunststoffe steigen. Die Einflussfaktoren in der Herstellung von Kunststoffen sind vielfältig.

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ROHSTOFFE

44 Plastverarbeiter · April 2009

ABGESCHLEPPT ADDITIVKONZEPT ERMÖGLICHT EFFEKTIVE REDUKTION VON GERUCH UND VOC Poly-ethylen und Polypropylen besetzen im weltweiten Verbrauch von Kunststoffen die Plätze eins und zwei. Diese bedeutenden Stellungen haben die beiden Polyolefinkunststoffe ihrer beständigen Weiterentwicklung zu verdanken. Allerdings werden bei beiden Materialien auch unerwünschte Beeinträchtigungen des Geruchs und der damit verbundenen Emissio-nen beobachtet. Ein neu entwickeltes Additivkonzept schleppt während der Compoundie-rung diesen unerwünschten Anteil heraus.

Emissionen oder flüchtige organische Verbindungen – auch als Volatile Organic Compounds (VOC) be-

zeichnet – können beim Herstellen und Verarbeiten von Kunststoffen entstehen. Sie dünsten aus dem fertigen Produkt weiter aus. Störend wird dies oft im In-nenraum von Fahrzeugen empfunden, da darin viele Spritzgussteile aus Kunst-stoff verbaut sind. Die Emissionen gelten oft als gesundheitsschädlich, weil sie zu Reizungen führen können; überdies sind toxikologische Wirkungen nicht aus-zuschließen.

Oft setzen Hersteller von Kunststoff-granulaten und Recyclatverarbeiter Hilfsmittel oder Additive ein, die Emissio-nen vermindern sollen, indem sie die VOC adsorbieren. Damit sind diese zwar gebunden, bleiben aber trotzdem im

Kunststoff enthalten. Es ist daher nicht auszuschließen, dass sie unter bestimm-ten Bedingungen wieder freigesetzt wer-den.

Das Additivkonzept von BYK ermög-licht es, in der Compoundierung den Be-standteil von unerwünschten VOC und Gerüchen deutlich zu reduzieren. Das zu Grunde liegende Prinzip des neuen Addi-tivs ist das eines Schleppmittels. Seine Molekularstruktur ist so beschaffen, dass es bei der Compoundierung der Granula-te an deren Grenzfläche in der Schmelze aktiv wird, wodurch die VOC nahezu vollständig vom Granulat getrennt wer-den. Das entstehende Gemisch aus VOC und Additivträgersubstanz wird während der Entgasung in der Compoundierung in Form von Dampf abgeschieden.

Umwelteinflüsse als Ursache für Geruch und VOC Ursachen für die Entstehung von Emis-sionen aus Bauteilen sind oft durch Um-welteinflüsse bedingt. Hier sind in erster Linie Wärme und Sonnenlicht zu nen-

nen. Die Ursache für Geruch und VOC im Kunststoff-Teil selbst lässt sich durch eine Vielzahl von Einflussgrößen beschreiben, die im Wesentlichen den Gruppen Poly-merisationsprozess, Verarbeitungshilfs-mittel und Additive zugeordnet werden können.

Relevant sind die unterschiedlichen Aufbereitungsschritte, die ein Kunst-stoff-Teil bis zur Fertigstellung durch-läuft: Vortrocknungsverfahren und die Prozessparameter, wie Temperaturen und Verweilzeiten. Auch Maschinenvor-gaben, beispielsweise Schneckendesign, Gestaltung der Entgasungszonen und das verfügbare Vakuum, sind in ihrem Ein-fluss nicht zu unterschätzen.

Stand der Technik ist heute die Ver-wendung mikroporöser Materialien als Adsorber von VOC und Geruch. Nachteil vieler Adsorber-Produkte, wie Aktivkoh-le oder Zeolithe (Alumosilikat), ist, dass VOC oder Geruch an der Oberfläche durch physikalische Kräfte (Van-der-Waals-Kräfte) gebunden werden. Adsor-ber können Wasser und andere nieder-

Autor Jörg Garlinsky, Leiter technischer Service, Byk-Chemie, Wesel, [email protected]

Die Anforderungen an emissionsarme Kunststoffe steigen.

Die Einflussfaktoren in der Herstellung von Kunststoffen sind vielfältig.

Page 2: ABGESCHLEPPT - plastverarbeiter.de · de der Extrusion über eine Vakuument-gasung, die mit etwa 50 mbar eingelegt wurde. Der Prozess wurde mit einer Drehzahl von 600 U/min und mit

Plastverarbeiter · April 2009 45

ERHÖHTE MARKTCHANCEN Entfernen statt Binden Emissionen aus Kunststoff-Bauteilen sind in der Regel nicht erwünscht. Um die Aus-dünstungen zu verhindern, lassen sich Ad-sorber einsetzen, die die flüchtigen organi-schen Verbindungen (VOC) binden und im Kunststoff halten. Unter bestimmten Be-dingungen kann es jedoch passieren, dass diese Verbindungen trotzdem freigesetzt werden. Einen ganz anderen Weg beschrei-tet ein Schleppmittel als Additiv. Es ver-mischt sich mit dem unerwünschten VOC und wird während der Entgasung bei der Compoundierung zusammen ausgeschie-den. Vorteil: Was im Material nicht mehr vorhanden ist, kann später auch nicht mehr ausdünsten.

molekulare Stoffe aufnehmen und beim Erhitzen wieder abgeben, ohne dass ihre Kristallstruktur dabei zerstört wird.

Dies wirkt sich unter Umständen bei der Verarbeitung von Thermoplast-schmelzen negativ aus. Auch können flüchtige Bestandteile freigesetzt werden – insbesondere im Sommer in Fahrzeug-innenräumen bei Temperaturen über 70 °C. Adsorber können eine Freisetzung von gebundenen Stoffen zwar verzögern, aber nicht ausschließen. Auch bedingt die Verwendung von Adsorbern oft eine Beeinträchtigung der mechanischen Kennwerte.

Ein weiteres Verfahren zur Geruchs- und Emissionsminderung ist die direkte Einspeisung eines Schleppmittels in Form von Wasser, Stickstoff oder Koh-lendioxid geradewegs in die Schmelze während der Extrusion. Über eine geeig-nete Entgasung in der Extrusion, die vor-nehmlich über ein Vakuum erfolgen soll-te, lassen sich dann unerwünschte Gerü-che und VOC aus dem Prozess schleppen. Nachteil dieses Verfahrens ist der höhere technische Aufwand und die damit ver-bundene zusätzliche Investition in Ma-schinentechnik.

Schleppmittel in Granulatform Der Additivhersteller hat mit dem Pro-dukt BYK-P 4200 ein Additiv entwickelt, das die Idee eines Schleppmittels auf-greift. Das Additiv in Granulatform auf Basis eines Polypropylenträgers lässt sich relativ einfach, wie ein Masterbatch, über den Haupteinzug oder eine Seitenbeschi-ckung dem Extrusionsprozess zufügen. Das Produkt wirkt in der Extrusion in zwei Schritten. Im ersten Schritt der Ver-

arbeitung wird die Wirksubstanz durch Scherung und Wärme in der Schmelze freigesetzt und durch die Dispergierleis-tung des Extruders und des Additivs feinst verteilt. Hierdurch findet ein inten-siver Austausch zwischen Schleppmittel-Additiv und Polymermatrix statt. Durch den Druckaufbau im Prozess wird ver-hindert, dass das Additiv vorzeitig expan-diert.

Im zweiten Schritt führt die Verdamp-fung des Schleppmittel-Additivs in der Vakuum-Entgasungszone zum verstärk-ten Aufschäumen der Polymerschmelze. Es entstehen Gasblasen, die eine große innere Oberfläche (Phasengrenzfläche) erzeugen. Dieser Prozess wird durch die in der wässrigen Wirksubstanz des Schleppmittels enthaltenen grenzflä-

chenaktiven Additive begünstigt und verstärkt. Durch das Schleppmittel wird die Löslichkeit der leichtflüchtigen Be-standteile deutlich verringert, welche sich dann während der Entgasung extra-hieren lassen.

In einem Versuchsaufbau wurde ein Polypropylen Homopolymer mit einem MVR 25 cm³/10 min (2,16 kg) auf einem gleichläufigen Doppelschneckenextru-der (Typ Berstorff ZE 25 UT) verarbeitet. Durch Anlegen eines Vakuums, Zugabe von Zeolithe als Adsorber und durch Zu-gabe von BYK-P 4200 sollte versucht werden, den Geruch und die VOC zu re-duzieren. Die Entgasung erfolgte am En-de der Extrusion über eine Vakuument-gasung, die mit etwa 50 mbar eingelegt wurde. Der Prozess wurde mit einer Drehzahl von 600 U/min und mit einem Durchsatz von 25 kg konstant gewählt.

In einem zweiten Beispiel wurde in das gleiche Polypropylen 40 Prozent Tal-kum der Type Luzenac 1442 über die Sei-tenbeschickung direkt in die Schmelze dosiert. In diesem Fall erfolgte die Zugabe des Additivs zusammen mit dem Füll-stoff. Zusätzlich zur Vakuumentgasung am Ende der Extrusion wurde an der Zu-gabestelle des Talkums stromaufwärts ei-ne atmosphärische Entgasung ange-bracht.

Als Ergebnis waren Geruch und VOC in ungefülltem sowie mit Talkum gefüll-tem Polypropylen deutlich verringert. Die Verwendung des Additivs stellt eine einfach zu handhabende Lösung dar, die es dem Compounder erlaubt, den steigenden Anforderungen in Bezug auf Geruch und Emissionen gerecht zu werden.

Der Verarbeitungsprozess beeinflusst ebenfalls die Emission von Geruch und VOC aus Kunststoff-Teilen.

Der Druckaufbau in einer typischen Extrusion führt zum Entgasen unerwünschter VOC bei der Compoundierung.