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Abschlussarbeit ÖÄK Diplomlehrgang Geriatrie Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Franz Böhmer Prim. Univ. Prof . Dr. Monika Lechleitner Rückfragen: österreichische akademie der ärzte Weihburggasse 2/5 A‐1010 Wien Tel.: +43 1 512 63 83‐40DW

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Page 1: Abschlussarbeit - arztakademie.at · ‘Karotis Sinus’ Synkope: Diese selten spontane Synkopenform ist getriggert durch mechanische Manipulation des Karotissinus. Betroffen sind

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Abschlussarbeit ÖÄK Diplomlehrgang Geriatrie

Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Franz Böhmer

Prim. Univ. Prof . Dr. Monika Lechleitner

Rückfragen: österreichische akademie der ärzte

Weihburggasse 2/5 A‐1010 Wien Tel.: +43 1 512 63 83‐40DW

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Differentialdiagnose Synkope

bei geriatrischen Patienten

Dr. Karin Zarits

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Inhalt 1. Vorwort ........................................................................................................................................................................ 1

2. Zielsetzung ............................................................................................................................................................... 1

3. Methode ...................................................................................................................................................................... 1

4. Definition.................................................................................................................................................................... 2

5. Einteilung .................................................................................................................................................................. 3

5.1 Reflexvermittelte Synkopen (neurally mediated) .......................................................................... 3

5.2 Orthostatische Hypotension (Orthostatische Intoleranz) ....................................................... 4

5.3 Kardiovaskuläre Synkope............................................................................................................................ 6

6. Diagnostik ................................................................................................................................................................. 7

6.1 Anamnese .............................................................................................................................................................. 7

6.2 Hinweise im EKG für Arrhythmien ......................................................................................................... 9

6.3 Kriterien, die bei unklarer Ursache eine sofortige Abklärung nach sich ziehen

sollten ............................................................................................................................................................................... 9

6.4 Weiterführende Diagnostik ...................................................................................................................... 10

6.4.1 Carotissinusmassage (CSM) .......................................................................................................... 10

6.4.2 Shellong Test ........................................................................................................................................... 11

6.4.3 Kipptischuntersuchung ..................................................................................................................... 11

6.4.4 EKG Monitoring ...................................................................................................................................... 12

6.4.5 Elektrophysiologische Abklärung .............................................................................................. 12

6.4.6 Echokardiographie ............................................................................................................................... 12

6.4.7 Ergometrie ................................................................................................................................................. 12

6.4.8 Herzkatheter ............................................................................................................................................. 12

6.4.9 Psychiatrische Evaluierung ............................................................................................................ 13

6.4.10 Neurologische Evaluierung.......................................................................................................... 13

7. Therapie ................................................................................................................................................................... 14

8. Schlussfolgerung mit Schwerpunkt Geriatrie ................................................................................. 15

9. Literatur ................................................................................................................................................................... 17

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1. VORWORT

Mit zunehmendem Alter steigt nicht nur die Häufigkeit von Synkopen, sondern auch

ihre Rezidivhäufigkeit. Synkopen sind die Folge sowohl degenerativer

Veränderungen des vegetativen Nervensystems als auch kardialer Erkrankungen

und iatrogener Einflüsse (z.B. Medikamente). Sie führen immer zu einer zerebralen

Minderdurchblutung. Nicht zuletzt aus diesem Grunde stellen Synkopen ein potentiell

lebensbedrohliches Ereignis dar. Des Weiteren nehmen bei jedem durch eine

Synkope verursachten Sturz neben dem Frakturrisiko auch die Verunsicherung und

Angst vor einem weiteren Sturz zu, sodass die betroffenen Personen zunehmend

unselbstständig und auf Unterstützung angewiesen sind.

2. ZIELSETZUNG

Während meiner Arbeit in der Notaufnahme machte ich die Erfahrung, dass solche

medizinischen Einrichtungen von geriatrischen Patienten mit der

Einweisungsdiagnose Sturz und fraglicher Synkope hoch frequentiert sind. Neben

der Erhebung der Vitalparameter und der Aufzeichnung eines EKGs ist die

Anamnese (sofern möglich) inklusive der Befragung von Angehörigen oder anderen

das Ereignis beobachtender Personen entscheidend um erste Hinweise bezüglich

Pathogenese der Synkope zu erhalten. Sehr oft führt jedoch ein Mangel an

Information zur stationären Aufnahme. Dies hat sicher seine Berechtigung um

lebensbedrohliche Situationen abzuwenden. Sehr häufig ist die Diagnosefindung

jedoch erfolglos und führt so zur Einschränkung der Lebensqualität der betroffenen

Person.

Die Arbeit soll - in Anlehnung an die aktuellen ESC Guidelines - neben einem

allgemeinen Überblick die Unterschiede der Häufigkeit der Synkopenarten sowie die

Diagnostik und Therapiemöglichkeiten bei geriatrischen Patienten aufzeigen.

3. METHODE

Literaturrecherche (Pubmed, ESC Guidelines, Bücher).

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4. DEFINITION Die Synkope wird definiert als ein vorübergehender, selbstlimitierter

Bewusstseinsverlust mit raschem Beginn, kurzer Dauer und spontaner vollständiger

Erholung.

Die ESC Guidelines 2009 grenzen die derart definierte, auf einer passageren

globalen zerebralen Hypoperfusion beruhende „Synkope“ gegen andere Formen

eines Bewusstseinsverlustes traumatischer oder nicht traumatischer Genese ab. Der

Begriff T-LOC (transient loss of consciousness) wird als Sammelbezeichnung für

diese Differentialdiagnosen neu im Vergleich zu den früheren Richtlinien

hervorgehoben.

Unterschiedliche pathophysiologische Mechanismen (Reduktion von Auswurffraktion

oder des totalen peripheren Widerstandes oder die Kombination aus beiden) führen

zu einem Abfall des systolischen Blutdruckes mit Abnahme des globalen zerebralen

Blutflusses. Ergebnisse von Kipptischuntersuchungen zeigen, dass eine Abnahme

des systolischen RR auf 60 mmHg oder darunter bzw. die plötzliche Einstellung des

zerebralen Blutflusses für 6-8s zur Synkope führt.1

Bei einigen Formen warnen Prodromalerscheinungen wie Benommenheit, Übelkeit,

Schwitzen, Schwäche und Sehstörungen vor einer bevorstehenden Synkope. Sehr

oft tritt der Bewusstseinsverlust jedoch ohne Vorwarnung auf, wobei Symptome mit

zunehmendem Alter häufiger werden. Gemäß einer 2007 veröffentlichten Studie von

Roussanov2 waren diese bei 51% der Patienten über 75 Jahre im Vergleich zu 37%

bei den 61-75jährigen aufgezeigt. Zudem besteht bei alten Menschen häufig auch

eine retrograde Amnesie, wodurch der Befragung beobachtender Personen große

Bedeutung zukommt.

1 Stephenson J. Fits and Faints. Oxford: Blackwell Scientific Publications; 1990. 41-57

2 Roussanov O. et al. New-Onset Synkope in Older Adults; 2007

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5. EINTEILUNG

5.1 REFLEXVERMITTELTE SYNKOPEN (NEURALLY MEDIATED)

Die Reflexsynkope entsteht dadurch, dass kardiovaskuläre Reflexe, welche

normalerweise für eine regelhafte Zirkulation sorgen, als Antwort auf einen Trigger

plötzlich “unpassend” sind. Daraus resultiert ein durch Vasodilatation und/oder

Bradykardie verursachter Blutdruckabfall mit zerebraler Minderperfusion.3

Die Klassifikation der Reflexsynkope bezieht sich üblicherweise auf den efferenten

Reflexbogen, d.h. sympathisch bzw. parasympathisch. So spricht man vom

‘vasodepressor type’ wenn Blutdruckabfall als Ausdruck des Verlustes von

Vasokonstriktion dominiert oder vom ‘cardioinhibitory type’ wenn Bradykardie oder

Asystolie vorliegt. Daneben gibt es aber auch Mischformen. Nicht zuletzt spielt als

Ausdruck der Komplexität dieser Synkopenform auch der afferente Reflexbogen eine

wesentliche Rolle. So muss man verstehen, dass diese Einteilung eine

Vereinfachung darstellt, jedoch jede spezielle Situation (z.B Miktions- oder

Defäkationssynkope) mehrere Mechanismen beinhaltet und auch der Trigger von

Patient zu Patient variiert.

Vasovagale Synkope (VVS):

Die auch als klassische “Ohnmacht” bekannte Synkope wird ausgelöst

durch emotionalen oder orthostatischen Stress wie z.B. langes Stehen in

warmen überfüllten Räumen. Typische Prodomi sind Schwitzen, Blässe

oder Übelkeit.

Die klassische Form der VVS tritt im Jugendalter als isolierte Episode auf

und ist deutlich von anderen Formen abgrenzbar - im Gegensatz zur VVS

beim geriatrischen Patienten mit kardiovaskulären oder neurologischen

Störungen. Hier präsentiert sich diese atypisch mit orthostatischer oder

postprandialer Hypotonie. In diesem Fall ist die Reflexsynkope Ausdruck

einer Beeinträchtigung des autonomen Nervensystems.

3 van Dijk JG, Sheldon R. Is there any point to vasovagal syncope? Clin Auton Res 2008; 18: 167-169

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Situative Synkope:

Darunter versteht man Relexsynkopen unter besonderen Umständen wie

z.B. beim jungen Sportler nach dem Training. Aber auch bei Personen

mittleren und höheren Lebensalters ist diese als frühe Manifestation von

autonomen Versagen noch vor dem Auftreten typischer orthostatischer

Hypotension möglich.

‘Karotis Sinus’ Synkope:

Diese selten spontane Synkopenform ist getriggert durch mechanische

Manipulation des Karotissinus. Betroffen sind vorwiegend ältere Menschen

mit Begleiterkrankungen wie Arteriosklerose, art. Hypertonie oder Diabetes

mellitus. Diese Synkope wird ausgelöst durch einen engen Kragen oder

Kopfdrehung, kann aber auch spontan auftreten. In den meisten Fällen ist

kein mechanischer Trigger zu erheben und die Diagnose wird durch CSM

(Carotis Sinus Massage) gestellt.4

‘Atypische Form’:

Bei nicht mit Sicherheit definierbarem oder fehlendem Trigger spricht man

von atypischer Synkope. Definitionskriterium ist dabei der Ausschluss

anderer Synkopenursachen, im Speziellen das Nichtvorhandensein von

strukturellen Herzerkrankungen und die Reproduzierbarkeit ähnlicher

Symptome durch Kipptischuntersuchung.

5.2 ORTHOSTATISCHE HYPOTENSION (ORTHOSTATISCHE INTOLERANZ)

Unter einer orthostatischen Synkope versteht man definitionsgemäß einen

abnormalen systolischen Blutdruckabfall im Stehen.

Im Gegensatz zur Reflexsynkope ist hier im Rahmen des krankhaften autonomen

Nervensystems die efferente Reflexbahn im Sinne einer mangelhaften

Vasokonstriktion chronisch beeinträchtigt. Folge ist ein Abfall des Blutdrucks im

Stehen mit (Prae-)Synkope. Daneben spielt auch eine Störung des Baroreflex in der

4 Tea SH, Mansourati J., L’Heveder G., Mabin D., Blanc JJ., New insights into the pathophysiology of

carotid sinus syndrome. Circulation 1996; 93: 1411-1416

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Afferenz (an den Barorezeptoren des Aortenbogens oder im Caortissinus) oder im

Regelzentrum der Medulla oblongata eine wichtige Rolle.

Klassische Symptome der orthostatischen Intoleranz sind Schwindel und

Benommenheit, Schwäche, Müdigkeit, Trägheit, Palpitationen, Schwitzen,

Sehstörungen (Unschärfe, Tunnelsehen), Hörstörungen (inklusive Knistern, Tinnitus),

Nackenschmerzen sowie Sensationen im unteren Rücken und

Präkordialschmerzen.56

Klassische OH:

Definitionsgemäß spricht man von dieser bei Abfall des systolischen RR

> 20 mmHg und des diastolischen RR > 10 mmHg während 3 Min. aktivem

Stehen7 (oder nach passivem Aufrichten auf dem Kipptisch bei einem

Winkel von mind. 60°). Dabei muss es sich um einen mindestens 30 Sek.

andauernden Blutdruckabfall handeln.

Initiale OH:

Diese ist charakterisiert als RR Abfall von > 40 mmHg8 direkt nach dem

Aufstehen, der Blutdruck steigt aber wieder rasch an, sodass die

Hypotonie und Symptome kurz (< 30 sec.) andauern.

Progressive OH:

Darunter versteht man einen langsam fortschreitenden Abfall des

systolischen RR bei aufrechter Körperposition. Das Fehlen eines vagalen

Reflexes (Bradykardie) unterscheidet diese von einer Reflexsynkope.

Diese Form ist nicht untypisch für alte Menschen und geht einher mit

5 Mathias CJ., Mallipeddi R., Bleasdale-Barr K., Symptoms associated with orthostatic hypotension in

pure autonomic failure and multiple system atrophy. J Neurol 19999; 246: 893-898

6 Naschitz J., Rosner I., Orthostatic hypotension: framework of the syndrome. Post-grad Med J 2007;

83: 568-574

7 Consensus statement on the definition of orthostatic hypotension, pure autonomic failure, and

multiple system atrophy. J Neurol Sci 1996; 144: 218-219

8 Wieling W., Krediet P., van Dijk N., Linzer M., Tschakovsky M., Initial orthostatic hypotension: review

of a forgotten condition. Clin Sci (Land) 2007; 112: 157-165

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altersbedingter Beeinträchtigung kompensatorischer Reflexe und

Steifigkeit kardialer Strukturen mit Abfall des Preload.9

Posturales orthostatisches Tachykardie Syndrom (POTS):

Betroffen sind v.a. junge Patienten, welche mit orthostatischer Intoleranz

(jedoch nicht mit Synkope) auf eine sehr ausgeprägte

Herzfrequenzzunahme (> 30 Schläge/min oder HF>120/min) reagieren.10

POTS ist häufig mit dem Chronic fatique Syndrom assoziiert. Der

zugrundeliegende Mechanismus ist unbekannt. Man vermutet eine erhöhte

kardiale Betarezeptorsensitivität und ein erhöhtes venöses Polling in den

Beinen.

5.3 KARDIOVASKULÄRE SYNKOPE

Arrhythmien sind die häufigste Ursache für kardiale Synkopen. Sie führen zu einer

hämodynamischen Beeinträchtigung mit Abnahme von kardialen Auswurf und

cerebraler Minderperfusion. Zusätzlich beeinflussen Herzfrequenz, Art der

Arrhythmie (supraventrikulär oder ventrikulär), Linksventrikelfunktion, Körperhaltung

und vaskuläre Kompensationsmechanismen das Auftreten einer Synkope.

Im Rahmen eines Sick Sinus Syndroms ist die Synkope Folge einer langen Pause,

verursacht durch Sinusarrest oder sinusatrialen Block. Eine Pause, welche in einer

anschließenden Synkope resultieren kann, findet man auch beim Brady-

Tachysyndrom wenn diese abrupt endet.11

Des Weiteren sind AV-Block II° Mobitz, höhergradige AV-Blockierungen sowie totaler

AV-Block mit Synkopen vergesellschaftet.

9 Verheyden B., Gisolf J., Beckers F., Karemaker JM., Wesseling KH., Aubert A., Wieling W., Impact

of age on the vasovagal response provoked by sublingual nitroglycerine in routine tilt testing. Clain Sci

(Land) 2007; 113: 329 - 337

10 Grubb BP., Kosinski DJ., Boehm K., Kip K., The postural orthostatic tachycardia syndrome: a

neurocardiogenic variant identified during head-up tilt table testing. Pacing Clin Electrophysiol 1997;

20: 2205 - 2212

11 Brignole M., Gianfranchi L., Menozzi C., Raviele A., Oddone D., Lolli G., Bottoni N., Role of

autonomic reflexes in syncope associated with paroxysmal atrial fibrillation. J Am Col Cardiol 1993;

22: 1123 - 1129

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Zu erwähnen ist auch, dass eine Vielzahl von Medikamenten sowohl Brady- als auch

Tachyarrhythmien verursachen können. Antiarrhythmika z.B. können durch ihren

Einfluss auf Sinusknoten und AV-Überleitung Bradykardien induzieren. Medikamente

welche eine QT Verlängerung zur Folge haben (Antiarrhythmika, Vasodilatoren,

Psychopharmaka, Antibiotika, Antihistaminika etc.) können Torsade de Pointes

Arrhythmien hervorrufen.

Strukturelle Herzerkrankungen verursachen Synkopen, wenn die zirkulatorische

Anforderung die eingeschränkte Fähigkeit des Herzens seinen Cardiac Output zu

erhöhen übersteigt. Ursachen können Klappenerkrankungen, akuter Myokardinfarkt,

hypertrophe Kardiomyopathie, atriales Myxom, Perikarderkrankungen inklusive

Perikardtamponade, kongenitale Anomalien der Koronararterien,

Prothesendysfunktionen aber auch Pulmonalarterienembolie, Aortendissektion und

pulmonaler Bluthochdruck sein.

6. DIAGNOSTIK

Bei der initialen Begutachtung von Patienten nach Synkope können durch

ausführliche Anamnese (inklusive Familienanamnese, umfassende

Medikamentenanamnese und v.a. strukturelle Erhebung der Umstände, der

Prodomalsymptome sowie Details der Synkope), physikaler Untersuchung inklusive

Blutdruck (inklusive minimaler orhtostatischer Belastung mit Aufstehen) und EKG

bereits wichtige Informationen über die stattgefundene Synkope und deren

Gefährlichkeit eingeholt werden.

6.1 ANAMNESE

Folgende Fragen sollten beantwortet werden:

War der Bewusstseinsverlust komplett?

War der Bewusstseinsverlust vorübergehend mit raschem Beginn und kurzer

Dauer?

Hat sich der Patient spontan, vollständig und ohne Folge erholt?

Bestand ein Verlust des Haltungstonus?

Können diese Fragen alle positive beantwortet werden, ist das Ereignis mit einer

Synkope zu vereinbaren. Sind eine oder mehrere Antworten negativ müssen primär

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andere Ursachen des Bewusstseinsverlustes ausgeschlossen werden, bevor man

die Synkopenevaluierung fortsetzt.

Weitere Fragen, die zu einer Diagnosefindung beitragen:

Umstände unmittelbar vor dem Ereignis wie Position (Rückenlage, sitzende

oder stehende Position), Aktivität (in Ruhe, bei Änderung der Körperposition,

während oder nach einem Training, unmittelbar nach Stuhl- oder Harnabgang,

Husten), prädisponierende Faktoren wie langes Stehen, warme und überfüllte

Räume, postprandial oder auslösende Ereignisse wie Angst und Schmerz.

Waren mit Beginn des Anfalls Symptome wie Übelkeit, Erbrechen,

Bauchschmerzen, Kältegefühl, Schwitzen, Schmerzen im Bereich

Schulter/Nacken, Verschwommensehen, Schwindel, Palpitation vorliegend.

Wie ist die Person gefallen (nach hinten gewölbt oder in die Knie gehend),

Hautfarbe (Blässe, Zyanose, Flash), Dauer des Bewusstseinsverlustes,

Atemmuster, tonisch-klonische Krämpfe, Myoklonien, Automatismen,

Zungenbiss

Harn/Stuhlabgang Verwirrung, Muskelschmerzen nach LOC.

Frage nach plötzlichem Tod in der Familie, angeborener Herzfehler, kardiale

Vorerkrankung, neurologische Erkrankungen (M. Parkinson, Epilepsie,

Narkolepsie), metabolische Erkrankungen wie Diabetes, Medikamente,

Alkohol und Drogen.

Frühere Ereignisse sowie Abstand zwischen den Synkopen.

Als Hinweis für eine neurokardiogene Synkope werden nach Basisevaluierung mit

unauffälligem Status und EKG das Fehlen einer strukturellen Herzerkrankung, das

situationsspezifische Auftreten (unangenehme Gerüche, Schmerzen, Husten,

Defäkation, Mitkion etc.), das Auftreten bei längerem Stehen (z.B. in überfüllten

Räumen), das Auftreten bei oder nach dem Essen und nach körperlicher

Anstrengung sowie die Assoziation mit Übelkeit, Erbrechen und Blässe gewertet.

Synkopen unmittelbar nach dem Aufstehen und bei langem Stehen bzw. auch

Stehen nach körperlicher Anstrengung, in zeitlicher Relation zum Beginn oder

Änderung einer blutdrucksenkenden/vasodilatierenden Medikation sowie

anamnestische Hinweise auf M. Parkinson oder eine autonome Neuropathie

sprechen für eine orthostatische Intoleranz als Synkopenursache.

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An eine kardiovaskuläre Synkope sollten im Rahmen der Basisevaluierung Hinweise

auf strukturelle bzw. koronare Herzerkrankung, positive Familienanamnese bezüglich

plötzlichen Herztod, Synkope während Training oder im Liegen, Palpitationen

unmittelbar vor Auftreten einer Synkope sowie EKG Veränderungen wie unten

angeführt denken lassen.

6.2 HINWEISE IM EKG FÜR ARRHYTHMIEN

Bifaszikulärer Block (LSB oder RSB kombiniert mit linksanterior oder,

QRS > 12 sec.,

AV-Block II° Mobitz;

Bradykardie<50/min, SA-Block oder Sinusarrest > 3 sec. ohne negative

chronotrope Medikation,

Nicht anhaltende VT,

Long/Short QT,

Frühzeitige Repolarisation,

Vorzeitige QRS Komplexe,

RSB mit ST Elevation V1-3 (Brugada),

Q-Zacke als Hinweis auf stattgefundenen Myokardinfarkt.

Ist eine definitive Diagnosestellung im Rahmen der Basisevaluierung nicht möglich,

rücken die ECS Guidelines die Risikostratifizierung des Patienten in den

Vordergrund. Das weitere diagnostische Vorgehen wird an der Prognose des

Patienten ausgerichtet.

6.3 KRITERIEN, DIE BEI UNKLARER URSACHE EINE SOFORTIGE ABKLÄRUNG NACH SICH

ZIEHEN SOLLTEN

Schwere strukturelle oder koronare Herzerkrankung (Zeichen einer

Herzinsuffizienz, deutlich reduzierte Linksventrikelfunktion, Z.n.

Myokardinfarkt),

Auftreten im Liegen oder bei körperlicher Anstrengung,

Palpitationen unmittelbar vor Synkope,

Positive Familienanamnese bezüglich Sudden Cardiac Death,

Bifaszikulärer Block oder intraventrikuläre Leitungsverzögerung mit QRS> 120

ms,

Inadäquate Sinusbradykardie < 50/min,

Nicht anhaltende VT,

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Präexzitation,

Verkürzte oder verlängerte QT Dauer,

Hinweise auf Brugada oder ARVD,

Schwere Anämie,

Schwere Elektrolytverschiebungen.

Bei Niedrigrisikopatienten entscheidet die Synkopenhäufigkeit über das weitere

Procedere. Während singular bzw. sporadische Synkopen keiner weiteren Diagnostik

bedürfen, sollte bei häufig auftretenden Synkopen deren Ursache weiter abgeklärt

werden, damit ein therapeutischer Einfluss auf das Rezidivrisiko genommen werden

kann.

6.4 WEITERFÜHRENDE DIAGNOSTIK

6.4.1 CAROTISSINUSMASSAGE (CSM)

Die CSM ist indiziert bei Patienten über 40 Jahren mit Synkope unklarer Genese

nach intialer Evaluierung. Bei Patienten mit vorausgegangener TIA, Insult in den

letzten 3 Monaten oder Strömungsgeräuschen in den Caotiden (falls signifikante

Stenosen mittels Sonographie nicht ausgeschlossen wurden) sollte diese vermieden

werden.

Eine Pause über 3 Sek. und/oder ein Abfall des systolischen Blutdrucks > 50 mmHg

wird definiert als Carotissinushypersensitivität (CSH), geht die CSM mit einer

Synkope einher spricht man vom Carotissinussyndrom (CSS).

Die Diagnosestellung eines CSS erfordert die Reproduktion von Symptomen

während 10s der Reihe nach mit links- und rechtsseitiger CSM, welche in

Rückenlage als auch aufrechter Position unter kontinuierlicher Überwachung von

Herzfrequenz und Blutdruck durchgeführt wird. In über 30% der Fälle ist ein

abnormer Reflex nur in aufrechter Körperhaltung vorhanden. Zu betonen ist, dass

CSH häufig bei älteren männlichen Individuen gefunden wird. Hingegen ist das

Vorliegen eines CSS eher ungewöhnlich.12

12 Kerr SR., Pearce MS., Brayne C., Davis RJ., Kenny RA., Carotid sinus hypersensitivity in

asymptomatic older persons: implication for diagnosis of syncope and falls. Arch Intern Med 2006;

166: 515 - 520

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6.4.2 SHELLONG TEST

Dieser Test beinhaltet die Blutdruck- und Pulsmessung im Liegen und Stehen für 5-

10 Min zur Evaluierung einer orhtostatischen Hypotension. Der Test ist diagnostisch

bei symptomatischen Blutdruckabfall vom Ausgangswert von > 20 mmHg systolisch

oder > 10 mmHg diastolisch.

6.4.3 KIPPTISCHUNTERSUCHUNG

Die Kipptischuntersuchung erlaubt eine Reproduktion von neuronal vermittelten

Synkopen in einem klinischen Setting. Venöses Pooling und Abnahme des venösen

Rückstroms durch orhtostatischen Stress und Immobilisierung triggert den Reflex.

Der Blutdruckabfall und die üblicherweise folgende Herzfrequenzabnahme ist

Ausdruck beeinträchtigter vasokonstriktorischer Kompetenz gefolgt von

überschießender vagaler Aktivität.

Indiziert ist dieser Test zum Nachweis von Reflexsynkopen bei Patienten bei welchen

die Diagnose vermutet wird, aber in der initialen Evaluierung nicht bestätigt werden

konnte. D.h. auch nach einmalig aufgetretener Synkope bei Personen, die einem

besonderen Risiko ausgesetzt sind bzw. bei welchen berufliche Konsequenzen

daraus folgen wie z.B. bei Piloten.

Falls der Bewusstsseinsverlust mit ruckartigen Körperbewegungen einhergeht, d.h.

bei fraglichen Krampfgeschehen, kann die Untersuchung hinsichtlich der

Unterscheidung von Synkope und Epilepsie hilfreich sein. Ebenso soll der Kipptisch

die Gutartigkeit bei häufigen Anfällen und Verdacht auf psychiatrischen Problemen

aufzeigen.13 14

Bei geriatrischen Patienten ist prinzipiell die Durchführung einer

Kipptischuntersuchung anzudenken um Synkopen von Stürzen

auseinanderzuhalten.15 Bei hohem kardiovaskulären Risiko sollte zuvor eine

umfassende Abklärung erfolgen. Kontraindikation (v.a. wegen der Verabreichung von

Isoproterenol) sind KHK, unkontrollierte Hypertonie, linksventrikuläre

13 Zaidi A., Clough P., Cooper P., Scheepers B., Fitzpatrick AP., Misdiagnosis of epilepsy: many

seizure-like attacks have a cardiovascular cause. J Am Coll Cardiol 2000; 36: 181 - 184

14 Petersen ME., Williams TR., Sutton R., Psychogenic syncope diagnosed by prolonged head-up tilt

testing. QJM 1995; 88: 209 - 213

15 Heitterachi E., Lord SR., Meyerkort P., McCloskey I., Fitzpatrick R., BP changes on upright tilting

predict falls in older people. Age Ageing 2002; 31: 181 - 186

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Ausflusstraktobstruktion und signifikante Aortenstenose. Vorsicht geboten ist bei

bekannten Arrhythmien., prinzipiell ist die Kipptischuntersuchung aber sicher.

Ein negativer Test schliesst aber die Diagnose einer Reflexsynkope nicht aus.

6.4.4 EKG MONITORING

Die telemetrische Überwachung im Spital ist angezeigt bei hohem Risiko einer

lebensbedrohlichen Arrhythmie.

Holter Monitoring (üblich für 24-48h) ist sinnvoll, wenn Symptome sehr häufig sind.

Erfahrungsgemäß handelt es sich bei Patienten mit sehr häufigen Symptomen um

psychogene Pseudosynkopen. Somit ist ein negatives Langzeit-EKG nützlich um die

zugrundeliegende Ursache zu beweisen.

Implantierbare Loop Recorder werden in den aktuellen ESC Guidelines aufgewertet,

sodass basierend auf klinische Studien deren Einsatz bei V.a. arrhythmogene

Synkope ohne den früher konventionellen Diagnosegang indiziert ist. Dies gilt

wohlgemerkt nur für Niedrigrisikopatienten mit häufigen Synkopen.

6.4.5 ELEKTROPHYSIOLOGISCHE ABKLÄRUNG

Die Sensitivität und Spezifität ist generell nicht gut, sodass bei hochgradig

eingeschränkter Linksventrikelfunktion ein ICD unabhängig von der Arrythmie,

welche die Synkope hervorruft, implantiert wird.

6.4.6 ECHOKARDIOGRAPHIE

Diese sollte Basis der erweiterten Diagnostik sein, um strukturelle Herzerkrankungen

zu diagnostizieren.

6.4.7 ERGOMETRIE

Die Ergometrie ist indiziert bei Patienten mit Synkope während oder kurz nach

körperlichem Training. Die Synkope während einer Belastung hat meist eine kardiale

Ursache (AV-Block II° Typ Mobitz oder AV-Block III°) während eine Synkope in der

Erholungsphase fast ausnahmslos durch reflexmediierte Mechanismen

hervorgerufen wird.

6.4.8 HERZKATHETER

Die Angiographie ist angezeigt bei vermuteter Myokardischämie bzw. um ischämie-

getriggerte Arrhythmien auszuschließen.

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6.4.9 PSYCHIATRISCHE EVALUIERUNG

Einerseits können eine Vielzahl an psychiatrischen Medikamenten (eine große

Anzahl an geriatrischen Patienten weist eine solche Medikation auf!) Synkopen

durch orthostatische Hypotension und QT Verlängerung verursachen.

Andererseits gilt es Synkopen von funktionellen Anfällen abzugrenzen, wenn eine

somatische Ursache nicht gefunden werden kann. Zwei Typen werden

unterschieden. Einerseits die sogenannte “Pseudoepilepsie” mit Körperzuckungen

ähnlich dem epileptischen Anfall, andererseits die “Psychogene Synkope” ohne

Krampfgeschehen, welche wie eine Synkope imponieren kann. Sie dauert aber

gewöhnlich länger als eine wirkliche Synkope. Manche Patienten liegen bis 15 Min.

am Boden oder imponieren mit einer außergewöhnlich hohen Anzahl an Ereignissen

pro Tag ohne Trigger. Die Augen sind im Gegensatz zur Synkope häufig offen.

6.4.10 NEUROLOGISCHE EVALUIERUNG

Diese ist angezeigt bei vermuteten Erkrankungen, welche das autonome

Nervensystem beeinträchtigen wie z.B. Multisystematrophie, Parkinsonerkrankung,

Lewy Body Demenz. Warnsymptome sind frühe Impotenz und gestörte Miktion.

Natürlich fordert auch immer der Verdacht auf eine TIA eine neurologische

Untersuchung. Voraussetzung sind hier immer neben dem Bewusstseinsverlust

Herdzeichen wie Paresen, Ataxie, occulomotorische Lähmungen und

oropharyngeale Dysphagie.

Und nicht zuletzt gilt es epileptische Anfälle von einer Synkope abzugrenzen.

Synkope Grand Mal

Begünstigende Faktoren Anämie, Antihypertensiva,

Stehen

Schlafmangel, Alkohol,

Fieber, Neuroleptika

Unmittelbarer Auslöser Ca. 50 % Keine

Dauer < 30Sek. 1-3 Min.

Prodromi Nausea, Schwitzen,

Schwarzsehe, von weitem

Hören

Wenn vorhanden, dann

stereotype kurze Aura.

Myoklonien In 80 %, meist unter 30

Sek., arrhythmisch,

multifokal

In 100 %, 1-2 Min.,

rhythmisch, generalisiert

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Urinverlust Gelegentlich Häufig, aber nicht obligat

Zungenbiss Sehr selten Häufig, aber nicht obligat

(typisch lateral)

Verletzungen Möglich Möglich

Gesichtsfarbe im Anfall Blass Rot-bläulich

Atmung Flach Apnoisch, stertorös

Orientierung postiktal Sofort Verzögert (5-30 Min.)

7. THERAPIE

Die größte Änderung in der Therapie der Reflexsynkopen ist das besondere

Augenmerk auf Lebensstilmaßnahmen. Meilenstein in der nicht-medikamentösen

Therapie der Reflexsynkope ist neben Beruhigung des Patienten durch Aufklärung

über die Gutartigkeit der Synkope, die Schulung der Betroffenen in Wahrnehmung

und möglicher Vermeidung von Triggern als auch der Erlernung von Manövern um

die drohende Synkope abzuwenden. Hierzu zählen z.B. Rückenlage oder

Gegendruckmanöver (PCMs – Physical counterpressure manoeuvres) wie

Beinkreuzen oder Arme anspannen. Diese haben bei häufiger auftretenden

Synkopen oder Reflexsynkopen in einer Hochrisikoumgebung eine Klasse I-

Indikation. Zwei klinische Studien haben gezeigt, dass mittels PCMs ein signifikanter

Blutdruckanstieg bei unmittelbar bevorstehender Reflexsynkope induziert werden

kann, welcher es dem Patienten ermöglicht, einen drohenden Bewusstseinsverlust

abzuwehren.16 Limitierend sind die Studien in Bezug auf die geriatrische

Bevölkerungsgruppe, da die Studienpopulation im Alter 38 +- 15 Jahre war.

Für eine Schrittmacherimplantation ist als Klasse IIa- Indikation die

kardioinhibitorische Antwort (Pausen > 3 Sek.) im Karotisdruckversuch oder bei

Personen über dem 40. Lebensjahr eine dokumentierte spontane kardioinhibitorische

Antwort im EKG Monitoring anzusehen. Eine solche Antwort während der

Kipptischuntersuchung wird nur als Klasse IIb- Indikation zur

Schrittmacherimplantation gewertet, wenn alternative Therapieversuche wirkungslos

waren.

16 van Dijk N., Quartieri F., Blanc JJ., Garcia-Civera R., Brignole M., Moya A., Wieling W., PC-Trial

Investigators. Effectiveness of physical counterpressure Manoeuvres Trial (PC-Trial). J Am Coll

Cardiol 2006, 48: 1652 - 1657

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Ebenfalls als Klasse IIb Empfehlung werden laut den ESC Guidelines 2009 das

Kipptischtraining und als einzige medikamentöse Therapie Midodrine angeführt.

Bei orthostatischer Intoleranz ist die Vermeidung von blutdrucksenkenden Agens

(wie Medikamente, Alkohol etc.) ebenso relevant wie die Expansion von

Extrazellularvolumen. D.h. eine ausreichende Zufuhr von Salz (10g NaCl) und

Flüssigkeit (2-3l) wird empfohlen (Klasse I). Rasches Trinken von kaltem Wasser soll

die orthostatische Intoleranz ebenso wie die postprandiale Hypotension bessern.

Schlafen mit erhöhtem Kopfteil 10°(Klasse IIb) verhindert nächtliche Polyurie und

fördert somit eine bessere Verteilung der Körperflüssigkeiten mit Verhinderung

nächtlicher Hypotension. Venöses Pooling v.a. bei alten Menschen soll durch

Kompressionsstrümpfe (Klasse IIb) verhindert werden. Auch wird die Verordnung

des Alphaagonisten Midodrine oder von Fludrocortisone (beide Klasse IIa) als

zusätzliche Therapiemöglichkeit angeführt.

Bei gesicherten kardiovaskulären Synkopen ist das therapeutische Vorgehen klar

durch die Guidelines zur Schrittmacher und ICD Implantation geregelt. Aber auch im

Falle ungeklärt bleibender Synkopen bei Hochrisikopatienten wie z.B.

Kardiomyopathie oder KHK wird zur ICD Implantation geraten.

8. SCHLUSSFOLGERUNG MIT SCHWERPUNKT GERIATRIE

Zusammenfassend sind die orthostatische Hypotension, die Reflexsynkope, im

besonderen das Carotissinussyndrom und kardiale Arrhythmien die häufigsten

Ursachen für Synkopen des alten Menschen.

Die Hospitalisierung wegen orthostatischer Hypotension steigt prozentuell mit dem

Alter. Sie beträgt 4,2 % bei den 65-74 Jährigen und 30,5 % bei Patienten über 75

Jahre.17

Bei symptomatischen Patienten leiden 25 % an einer altersabhängigen

orthostatischen Hypotension, in den übrigen Fällen steht eine medikamentöse

Beeinflussung aber auch z.B. Vorhofflimmern im Vordergrund. Überhaupt ist nach

17 Linzer M., Pontinen M., Gold DT, Divined GW., Felder A., Brooks WB., Impairment of physical and

psychosocial function in recurrent syncope. J Clin Epidemiol 1991; 44: 1037 - 1043

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einer Studie von Roussanov et al. in der Altersgruppe der 61-75 Jährigen der Anteil

der kardialen Synkopen am höchsten.

Das Carotissinussyndrom ist in 20 % der Fälle Ursache der Synkope des Patienten

über 75 Jahre.

In der diagnostischen Evaluierung kann durch Folge eines standardisierten

Algorithmus in über 90 % der Fälle eine definitive Diagnose gestellt werden18.

Bei der initialen Begutachtung ist jedoch aufgrund der weniger eindeutigen

Symptomatik und der Überschneidung verschiedener Ursachen im Vergleich zu den

vasovagalen Synkope der jungen Patienten die Ursachenklärung erschwert.

Trotz der oft eingeschränkt erhebbaren Anamnese (5 % der 65 Jährigen und 20 %

der 80 Jährigen sind kognitiv beeinträchtigt) sind verschiedene Fakten wesentlich

hinweisend. Z.B. morgendliche Synkopen sind typisch für orthostatische

Hypotension. 1/3 der Patienten über 65 Jahre haben 3 oder mehr Medikamente als

Dauertherapie, welche Ursache der Synkope sein können, ein Absetzten reduziert

häufig das Wiederauftreten von Synkopen. Weiters zu erheben sind alle

Begleiterkrankungen, körperliche Gebrechlichkeit und Bewegungseinschränkung.

Bei 20-50 % der Patienten, die in einer Pflegeeinrichtung wohnen, sind Gang- und

Gleichgewichtsstörungen sowie verzögerte Schutzreflexe vorliegend.

“Alt zu sein” ist keine Kontraindikation für Abklärung und Behandlung von Synkopen,

obwohl der Erfolg sicherlich stark von Compliance und Prognose abhängig ist. Auf

jeden Fall muss die Evaluierung mobiler, selbstständiger und kognitiv nicht

eingeschränkter Personen höheren Lebensalters genauso wie bei jungen Menschen

durchgeführt werden.

18 Galizia A., Abete P., Mussi C., Noro A., Morrione A., Langellotto A., Landi A., Cacciatore F., Masotti

G., Rengo F., Marchionni N., Ungar A., Role of the early symptoms in assessment of syncope in the

elderly people . Results from the Italian Group for the Study of Syncope in the elderly (GIS STUDY). J

Am Geriatr Soc 2009; 57: 18-23

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15. Heitterachi E., Lord SR., Meyerkort P., McCloskey I., Fitzpatrick R., BP

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16. van Dijk N., Quartieri F., Blanc JJ., Garcia-Civera R., Brignole M., Moya A.,

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19. Weitere Quellen:

ESC Guidelines for diagnosis and management of syncope

Stürze im Alter, K.H. Tragl

Geriatrische Krankheitslehre, Teil II, M. Hafner, A. Meier

Gerontoneurologie, G. Deuschl, H. Reichmann