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Öffentliche Stellungnahme Showdown #LSR: Fragen und Antworten von Startups und Gründern zum Leistungsschutzrecht Köln, 29. Januar 2012 – Morgen findet im Bundestag die Anhörung des Rechtsausschusses zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger statt. Die Anbietervereinigung ADIZ.org spricht sich gegen ein #LSR aus, da dieses massive rechtliche Unsicherheiten schaffen sowie Wachstum und Neugründungen innerhalb der Internet- und Medienbranche verhindern würde. Besonders groß ist die Verunsicherung bei Gründern und Startups, weswegen im Folgenden die wichtigsten Fragen und Antworten junger Unternehmer beantwortet werden: Frage: Welche Startups und Gründer sind betroffen? Jeder Gründer ist betroffen, der Textauszüge sogenannte „Snippets“ die einmal auf einem Nachrichtenangebot waren, in seiner Software, App oder im Netz zugänglich macht. Das trifft vor allem Nachrichten-Aggregatoren, kann aber auch Blogger oder sogar Nutzer von sozialen Netzwerken treffen, die gewerblich handeln und lediglich auf einen spannenden Artikel verweisen. Hierdurch entsteht unnötige Rechtsunsicherheit, wie sie vom Gesetzgeber so nicht gewollt sein kann. In anderen Ländern wie Belgien führte ein vergleichbares Vorgehen der Verlage gegen Google dazu, dass der Suchkonzern kurzfristig alle Nachrichtenanbieter aus ihrem Index entfernte. Die Folge war, dass viele der Anbieter freiwillig Verzichtserklärungen unterzeichneten, um wieder aufgenommen zu werden. Letztlich musste man sich in Belgien wieder mit Google arrangieren. Auch in Bereichen wie bei der Störerhaftung hinkt Deutschland schon jetzt hinterher. Hier führten ähnliche Rechtsunsicherheiten dazu, dass die Pläne für ein kostenloses Hauptstadt-WLAN bis heute blockiert sind und neuere Projekte ihren Netzverkehr jetzt sogar über Slowenien umleiten müssen, um nicht von der deutschen Justiz belangt werden zu können. Frage: Was müsste ich bezahlen und an wen? Der „Anspruchsinhaber“ des Leistungsschutzrechts sollen die Presseverlage sein. Geschützt wären nicht nur die fraglichen Textauszüge, sondern unter Umständen auch schon verbundene „drum-herum Leistungen“ wie der Betrieb der Verlagswebseite auf der ein solcher Text erscheint. Die großen Medienhäuser verwalten und verfolgen die von ihren Autoren erworbenen Nutzungsrechte dabei in der Regel in separaten Geschäftsstellen, die teils sogar in eigenen GmbHs organisiert sind (z.B. die DIZ GmbH bei der Süddeutschen Zeitung oder die sogenannte „Infopool“ Abteilung bei Axel Springer). Da im Gesetzentwurf keine zentrale Verwertungsgesellschaft vorgesehen ist, könnten Betroffene also theoretisch von Verlagen und anderen Betreibern direkt einzeln in Anspruch genommen werden. Besonders prekär: Es ist sogar möglich mehrfach von unterschiedlichen Verlagen für den gleichen Text-Auszug belangt zu ADIZ.org – Anbietervereinigung für digitalen Inhalte- und Informationszugang GbR | Pressekontakt: Chérine De Bruijn | dw capital GmbH | Vogelsanger Straße 78 | D-50823 Köln | E-Mail: [email protected] | Tel: +49 221 2921 8433 | www.adiz.org

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Öffentliche Stellungnahme

Showdown #LSR: Fragen und Antworten von Startups und Gründern zum Leistungsschutzrecht

Köln, 29. Januar 2012 – Morgen findet im Bundestag die Anhörung des Rechtsausschusses zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger statt. Die Anbietervereinigung ADIZ.org spricht sich gegen ein #LSR aus, da dieses massive rechtliche Unsicherheiten schaffen sowie Wachstum und Neugründungen innerhalb der Internet- und Medienbranche verhindern würde. Besonders groß ist die Verunsicherung bei Gründern und Startups, weswegen im Folgenden die wichtigsten Fragen und Antworten junger Unternehmer beantwortet werden:

Frage: Welche Startups und Gründer sind betroffen?

Jeder Gründer ist betroffen, der Textauszüge sogenannte „Snippets“ die einmal auf einem Nachrichtenangebot waren, in seiner Software, App oder im Netz zugänglich macht. Das trifft vor allem Nachrichten-Aggregatoren, kann aber auch Blogger oder sogar Nutzer von sozialen Netzwerken treffen, die gewerblich handeln und lediglich auf einen spannenden Artikel verweisen. Hierdurch entsteht unnötige Rechtsunsicherheit, wie sie vom Gesetzgeber so nicht gewollt sein kann.

In anderen Ländern wie Belgien führte ein vergleichbares Vorgehen der Verlage gegen Google dazu, dass der Suchkonzern kurzfristig alle Nachrichtenanbieter aus ihrem Index entfernte. Die Folge war, dass viele der Anbieter freiwillig Verzichtserklärungen unterzeichneten, um wieder aufgenommen zu werden. Letztlich musste man sich in Belgien wieder mit Google arrangieren. Auch in Bereichen wie bei der Störerhaftung hinkt Deutschland schon jetzt hinterher. Hier führten ähnliche Rechtsunsicherheiten dazu, dass die Pläne für ein kostenloses Hauptstadt-WLAN bis heute blockiert sind und neuere Projekte ihren Netzverkehr jetzt sogar über Slowenien umleiten müssen, um nicht von der deutschen Justiz belangt werden zu können.

Frage: Was müsste ich bezahlen und an wen?

Der „Anspruchsinhaber“ des Leistungsschutzrechts sollen die Presseverlage sein. Geschützt wären nicht nur die fraglichen Textauszüge, sondern unter Umständen auch schon verbundene „drum-herum Leistungen“ wie der Betrieb der Verlagswebseite auf der ein solcher Text erscheint. Die großen Medienhäuser verwalten und verfolgen die von ihren Autoren erworbenen Nutzungsrechte dabei in der Regel in separaten Geschäftsstellen, die teils sogar in eigenen GmbHs organisiert sind (z.B. die DIZ GmbH bei der Süddeutschen Zeitung oder die sogenannte „Infopool“ Abteilung bei Axel Springer). Da im Gesetzentwurf keine zentrale Verwertungsgesellschaft vorgesehen ist, könnten Betroffene also theoretisch von Verlagen und anderen Betreibern direkt einzeln in Anspruch genommen werden. Besonders prekär: Es ist sogar möglich mehrfach von unterschiedlichen Verlagen für den gleichen Text-Auszug belangt zu

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werden.

Auch preislich schafft der Gesetzesentwurf keinerlei Orientierung. In ähnlichen Verhandlungen, die von ADIZ.org Mitgliedern bereits geführt wurden, sprechen die Verlage teils von 1-10 Euro pro Artikel, teils von „pauschalen Crawling-Lizenzen“ in Höhen ab 10.000 Euro pro verlinkter Domain. Der sich hier entwickelnde Gebühren-Zoo und die teils extrem unrealistischen Verhandlungspositionen werden über Jahre zu einem massiven Verlust der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Startups führen, während gleichzeitig amerikanische Angebote auch deutsche Texte, von der deutschen Justiz unberührbar, einfach weiter nutzen und Marktanteile gewinnen werden.

Frage: Wie kann ich mich schützen? Ein absoluter Schutz vor dem Leistungsschutzrecht ist nur möglich, wenn man als Gewerbetreibender Inhalte etwaiger Nachrichtenanbieter generell nicht mehr entsprechend öffentlich zugänglich macht. Da selbst kleinste Textauszüge, wie z.B. der Titel und evtl. sogar einzelne Wörter, durch das Leistungsschutzrecht betroffen sein können, würde zahlreiche Publikation ein Risiko bzw. Kosten mit sich bringen. Als Alternative besteht natürlich die Zusammenarbeit mit den Verlagen, die u.U. sehr kostenintensiv sein kann, oder der komplette Ausstieg aus dem Bereich bzw. die Verlegung des Angebots in ein Land, das nicht vom Leistungsschutzrecht betroffen ist. Für IT-Startups und Gründer sind dies auf jeden Fall keine guten Aussichten.

Frage: Wie könnte ein LSR kontrolliert werden?

Auch die Frage nach den Kontrollmöglichkeiten ist nicht befriedigend beantwortet. Der Gesetzentwurf sieht z.B. vor, auch die tatsächlichen Texturheber an den zusätzlichen Einnahmen zu beteiligen. Wie hoch der Anteil ausfällt oder wie genau er verrechnet werden soll, bleibt offen. Es ist aber zu erwarten, dass die „Anspruchsinhaber“ des LSR jeder ein eigenes Monitoring einführen werden, um anschließend automatisiert Rechtsverstöße zu finden und tausendfach abzumahnen.

Ein großes Problem ist weiter, dass ein LSR pauschal über jedes Medienangebot und jeden Aggregator gleichermaßen gestülpt werden soll. Doch nicht jedes Startup-Angebot oder jede App funktioniert wie Google. Trotzdem beinhaltet der Gesetzentwurf keine Differenzierung der eine Art oder Schwere des Verstoß regeln oder überhaupt erst eine Grenze definieren würde. Z.B. ist nach wie vor völlig unklar, ab welcher Textlänge überhaupt ein Verstoß geltend gemacht werden kann. Es ist zu befürchten, dass jede Kontrolle zu einer undifferenzierten Abmahnung führen wird.

Appell von ADIZ.orgDie einhellige Meinung aller Startups und Gründer mit denen ADIZ.org gesprochen hat ist, dass ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger die Innovation und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in der Internet- und Medienwelt nachhaltig behindern würde. Wir appellieren daher an die Abgeordneten im Bundestag dieses in

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jeder Hinsicht unnötige und sehr schädliche Gesetz abzulehnen.

Ansprechpartner für (neue) Unterstützer und Presse

Chérine De Bruijndw capital GmbHVogelsanger Straße 78D-50823 Köln

E-Mail: [email protected]

Telefon: +49 221 2921 8433Fax: +49 221 2921 8599Aktuelle Medienberichte zu ADIZ.org http://www.scoop.it/t/adiz-org

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