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Markus Hansen [email protected] Aikido aus Fehlern lernen Negative Expertise und konstruktive Fehlerkultur im Aikido-Unterricht mit Fortgeschrittenen Vorgelegt für die Prüfung zum 5. Dan Aikido am 12. Oktober 2013

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Markus [email protected]

Aikido aus Fehlern lernenNegative Expertise und konstruktive Fehlerkultur

im Aikido-Unterricht mit Fortgeschrittenen

Vorgelegt für die Prüfung zum 5. Dan Aikido

am 12. Oktober 2013

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Für Ernst Schmidt

Dieses Aikido, das Du mir aufgezeigt hast, hat mich nie wieder losgelassen.

Vielen lieben Dank.

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung.......................................................................................................4

1.1 Romantische Vorstellung: Der traditionelle Budo-Lehrer........................5 1.2 Aikido-Unterricht hier und heute............................................................7

2 Negative Expertise......................................................................................10 2.1 Negative Expertise in der künstlichen Intelligenz................................11 2.2 Negatives Wissen in der pädagogischen Psychologie .........................12

2.2.1 Grundlagen aus dem Konstruktivismus.........................................13 2.2.2 Grundlagen aus der Metakognition...............................................14

2.3 Lernen aus Fehlern...............................................................................15

3 Konstruktive Fehlerkultur.............................................................................17 3.1 Grundlagen...........................................................................................17 3.2 Anwendungsfall: Peer Review...............................................................19

4 Anwendung im Aikido-Unterricht.................................................................21 4.1 Bedeutung der negativen Expertise.....................................................22 4.2 Bedeutung der konstruktiven Fehlerkultur...........................................26

4.2.1 Fehlerfreundlichkeit.......................................................................26 4.2.2 Lernorientierung............................................................................27 4.2.3 Normtransparenz..........................................................................30 4.2.4 Fehlerangst...................................................................................33

4.3 Beispiel: Peer Review in der Prüfungsvorbereitung..............................33

5 Zusammenfassung und Ausblick.................................................................37

6 Literatur.......................................................................................................39

7 Danksagung.................................................................................................41

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Einleitung

1 Einleitung

„Man darf eine Technik nie falsch zeigen“, ist eine häufig gehörteMeinung, wenn es darum geht, wie man Aikido unterrichten soll. Magdieser Satz bei Neuanfängerinnen und Neuanfängern, die ihre erstenWochen auf der Matte erleben, noch angebracht erscheinen, so wirdes danach jedoch zunehmend wichtig, von dieser Dogmatik der unbe-dingten Fehlermeidung abzurücken.

Oft sind es die gleichen Fehler, die bei mehreren Aikidokaauftauchen. Ein Aufzeigen des Fehlers, eine gemeinsame Analyse undinsbesondere eine Herausarbeitung des Unterschiedes zwischen dergewünschten und der erbrachten Ausführungsform ermöglichen es,das Wissen um eine korrekte Ausführung in den Schülerinnen undSchülern auszubilden und zu verfestigen und Fehlervermeidungs-strategien aufzubauen. Je länger Aikidoka aktiv sind, desto schwie-riger erscheint jedoch die Korrektur auftretender Fehler. Dies ist nichtnur durch den Grad der Verinnerlichung vorhandener Bewegungs-muster und die zunehmende Subtilität der Unterschiede zwischen„falsch“ und „richtig“ bedingt, sondern auch dadurch, dass dieBetroffenen dabei den emotional negativen Eindruck haben können,ihnen würde etwas weggenommen, was sie sich bereits mühsamerarbeitet haben.

Während frühe1 Zulassungsarbeiten und Lehrbriefe2 zum Themen-bereich „Fehler im Aikido“ zwar existieren und auch in der Übungs-leiter-/Trainerlizenzausbildung des DAB auf das Thema Fehlerkorrektureingegangen wird, beziehen sich diese in der Hauptsache auf dieFehler von Anfangenden. Es gibt – zumindest im Aikido – noch wenigdokumentierte Auseinandersetzung damit, wie man fortgeschritteneSchülerinnen und Schüler so ausbildet, dass sie nicht nur Formen gutnachvollziehen und nachahmen, sondern über diese hinauswachsenund durch beständige Arbeit an sich selbst und den eigenen Fehlernihr eigenes Aikido an den Tag legen und darüber hinaus auch guteAikido-Lehrerinnen und -Lehrer werden können.

Die vorliegende Arbeit soll einen Ansatz aufzeigen, diesem Idealnäher zu kommen. Nach einer historischen Betrachtung vondidaktischen Ansätzen und insbesondere Mythen der Budo-Didaktik

1 „Früh“ im Sinne der Entwicklungsgeschichte des Deutschen Aikido-Bundes (DAB) bzw. zuvor der Sektion Aikido im Deutschen Judo-Bund (DJB).

2 Zum Beispiel von Erhard Altenbrandt: Die häufigsten Fehler bei Aikido-Anfängern (Fehlerkorrektur), ohne Datum.

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Einleitung

werden sowohl Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Forschung imBereich der künstlichen Intelligenz, einem Teilbereich der Informatik,sowie aus Psychologie, Pädagogik, Methodik und Didaktik imschulischen Bereich als auch Methoden des wissenschaftlichen Dis-kurses vorgestellt und deren Anwendung im modernen Aikido-Unterricht betrachtet.

1.1 Romantische Vorstellung: Der traditionelle Budo-Lehrer

Die Annahme, wie Unterricht in den Kampfkünsten aussieht, ist beivielen Menschen mit romantischen Vorstellungen verknüpft, die durchihre Rezeption faktischer wie fiktiver Überlieferungen geprägt wurden.Als das moderne Gendai Budo3 im 20. Jahrhundert anfing, sich imWesten zu verbreiten, wurde das Phänomen „asiatische Kampfkunst“zunehmend in Fachbüchern und schließlich auch in der Populärkulturin beispielsweise Action-Filmen aufgegriffen. Sowohl in den Fach-büchern als auch in den Filmen wurden dabei diverse Mythentransportiert, die sich zum Teil bis heute erhalten haben.

Ein Beispiel ist „Zen in der Kunst des Bogenschießens“ von EugenHerrigel (1948, 1953 ins Englische übersetzt und insbesondere in denUSA populär). Dieses Buch war prägend für die Rezeption der japani-schen Kampfkünste im Westen als Methoden zur Entwicklung derPersönlichkeit, als Wege, die von spirituellen Lehren durchdrungenwaren.

Da das Buch einige Verbreitung erlangte, spielten auch in der Folgeandere Bücher auf den Titel an4 oder übernahmen Aufbau, Duktus undGrundaussagen. Die transportierten Mythen wie der des weisen undspirituell geprägten Budo-Lehrers oder der starken Verankerung dergeistigen Lehren im Zen wurden dabei erst in jüngerer Vergangenheitaufgearbeitet.

Herrigel, der sich überhaupt nur ein Dojo und einen Lehrerangesehen und diese als exemplarisch angenommen hatte, schildertin seinem Buch diverse Anekdoten über das traditionelle Lernen einersolchen Kampfkunst, um damit seine Thesen über Zen als starkesElement in den Kampfkünsten und im Unterricht derselben zubelegen.

3 Gendai Budō (現代武道): Moderne Kampfkünste, bezeichnet nach der Meiji-Restauration (1866–1869) entstandene Budo-Schulen in Japan.

4 Zum Beispiel von Robert Pirsig: Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten, 1974.

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Einleitung

Allerdings hatte Herrigels Lehrer Kenzo Awa5 selbst keine Wurzelnim Zen, viele der geschilderten Dialoge fanden in Abwesenheit einesDolmetschers statt (Herrigel selbst soll nur bedingt Japanisch gespro-chen haben), oder die bewusst sehr frei gehaltenen Übersetzungendes Dolmetschers ließen einen breiten Spielraum zu, so dass Herrigelgenau das vorfand, was zu finden er erwartete.6

Hätte Herrigel diese Erfahrungen nicht in einem Buch publiziert,wäre dies vermutlich ohne Belang geblieben. Aufgrund der Verbrei-tung des Buches und der darin enthaltenen Ansichten sahen sich abernicht wenige Anbieter von Unterricht im Gendai Budo im Westen miteiner entsprechenden Erwartungshaltung konfrontiert. Im Effekt einerselbst erfüllenden Prophezeiung7 gab es daher zunehmend Angebotefür Interessenten, die eben dem entsprachen, was Herrigel schilderte.Nachdem das Werk 1956 ins Japanische übertragen wurde, konnteman auch in Japan Anpassungen des Angebots an diese Nachfragebeobachten, die, etwa über Soldaten der amerikanischen Besatzungs-truppen, ihren Weg in den Westen (zurück) fanden. Die westlicheNachfrage führte also zu „original japanischen“ Angeboten, die dieseNachfrage befriedigten.

Auch in anderen Büchern existieren Darstellungen, wie westlicheInteressenten von japanischen Lehrern lernen. In einem dieserBücher8 schildert Dave Lowry, wie er als Jugendlicher einen japa-nischen Lehrer in den USA fand und von diesem in jahrelangemEinzelunterricht in das System der Yagyu-Shinkage-Ryu9, einer Schuledes Koryu Bujutsu10, eingewiesen wurde. Ähnliche Berichte sind nichtunbedingt selten und werden bei entsprechend erzählerischem Talent

5 Japanische Namen werden nach westlicher Konvention wiedergegeben, also zunächst der Individualname, dann der Familienname, zum Beispiel „Morihei Ueshiba“, auch wenn in Japan die umgekehrte Adressierung üblich ist.

6 Shoji Yamada: The Myth of Zen in the Art of Archery, in: Japanese Journal of Religious Studies 2001 28/1–2. https://7mh.de/herrigel

7 Vergl. Robert Merton: The self-fulfilling prophecy, in The Antioch Review, Bd. 8, 1948. 193-210. https://7mh.de/selfpro Die selbsterfüllende Prophezeiung ist demnach eine Vorhersage, die wahr wird, allein weil sie vorhergesagt bzw. erwartet wurde. Die vorhersagende Person nimmt dabei auf die Umwelt Einfluss und verändert sie entsprechend der eigenen Erwartungshaltung. Dadurch wird diese Erwartung zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Die vorhersagende Person reagiert dabei weniger auf die objektive Realität einer spezifischen Situation, als dass sie ihre Handlungen basierend auf der individuellen Bedeutung bestimmt, die sie ihr zumisst.

8 Dave Lowry: Autumn Lightning: The Education of an American Samurai, Shambhala Publications, Boston, 2001.

9 Yagyū-Shinkage-Ryū(柳生新陰流): Eine der ältesten japanischen Schwertschulen, um 1568von Nobutsuna Kamiizumi begründet.

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Einleitung

der Autoren gern rezipiert. Filme wie „Karate Kid“ (1984) haben dasBild des älteren, weisen Lehrers, der einen einzelnen jungen Schülerunterrichtet, sich ganz auf ihn einlässt, um seine Entwicklung optimalzu unterstützen, in die Erwartungshaltung des Publikums trans-portiert. Während Lowrys Buch dabei Mythen eher ausräumt, werdensie im Bereich der Populärkultur eher befördert.

1.2 Aikido-Unterricht hier und heute

Nun sieht die Realität in den meisten Aikido-Vereinen hierzulandejedoch anders aus. Einzelunterricht, wie bei Herrigel, Lowry oder inKarate Kid dargestellt, bildet vermutlich eher die Ausnahme. Nur diewenigsten Lehrer innerhalb unseres Verbandes verfügen über eineneigenen Trainingsraum, in dem ein derartiger Einzelunterricht über-haupt stattfinden könnte.

Aikido-Training findet bei uns zudem in Gruppen statt, die ingemeinnützigen Vereinen organisiert sind und in der Regel öffentlicheSportstätten für den Trainingsbetrieb nutzen. Während der Lehrer inLowrys Buch den jungen Interessenten mehrfach wegschickt und ererst die Nachhaltigkeit seines Interesses unter Beweis stellen muss,sind Vereine auf Beitragszahlungen und damit auf neue Mitgliederwirtschaftlich angewiesen. Deshalb, aber auch aus einem anderenSelbstverständnis heraus, werden Interessenten bei uns in der Regelnicht abgewiesen. Zum Grundwesen unseres Verbandes gehört derAnspruch, dass allen Aikidoka die gleichen Optionen offenstehen sol-len und dass es ebenso allen Interessenten offenstehen soll, Aikidobei uns zu erlernen.

Aus diesem Anspruch heraus resultiert unter anderem, dass derUnterrichtsansatz nicht darauf basiert, dass unter Leistungsgesichts-punkten selektierte Personen auf der Matte stehen, sondern sichausgesprochen heterogene Gruppen aus Menschen unterschiedlichersozialer Herkunft, Altersstufen, Lebenskontexte, Geschlechter etc. imAikido-Training wiederfinden. Entsprechend hat sich unser Lehrsystemdarauf eingestellt. Hatten in der Samurai-Ausbildung der KoryuBujutsu das korrekte Erlernen von Techniken und das Vermeiden vonFehlern noch lebensentscheidende Bedeutung, ist unser Systeminzwischen darauf ausgerichtet, mit unterschiedlichen Lernbegabun-gen umzugehen, im Zweifel eben mehr Zeit aufzuwenden.

10 Koryū Bujutsu (古流武術): Alte Schulen der Kampfkünste, bezeichnet vor der Meiji-Restauration in Japan etablierte Kampfkunst-Schulen, deren Traditionslinien teilweise mehrere Jahrhunderte zurückreichen.

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Einleitung

War es für die Samurai wichtig, eine Technik möglichst schnell so zubeherrschen, dass eine Kampfsituation zu eigenen Gunsten entschie-den werden konnte, steht im Aikido eher die Durchdringung derTechnik als die Überwindung des Angreifenden im Vordergrund. Dahersind die Unterrichtsmethoden dieser alten Schulen nicht zwingend diefür die Situation in Deutschland zum Vermitteln von Aikido passenden.Nicht nur unterscheiden sich die Lernziele von Koryu Bujutsu undAikido, auch die Mentalität von Japanern und Europäern divergiert,was unterschiedliche Unterrichtsansätze nahelegt. Die akademischeForschung im Bereich Lehren und Lernen, die über das eingangserwähnte „nichts Falsches zeigen“ längst hinaus ist, erscheint daherals geeignetere Quelle, Aikido-Unterricht zu betrachten.

Auch in den allgemeinbildenden Schulen findet sich eine starkeHeterogenität wieder, auch wenn die Durchmischung der Alters-gruppen in den Klassen deutlich geringer ist. Die in Studium undReferendariat den angehenden (Schul-)Lehrerinnen und Lehrern ver-mittelten Methoden, jungen Menschen Fertigkeiten und Kenntnissebeizubringen, sind daher vermutlich eher zur Anwendung im Aikidogeeignet als die harschen Methoden einer quasi militärischenAusbildung, bei der es in erster Linie um das Überleben geht.11

Im Aikido haben wir gegenüber den allgemeinbildenden Schulenzudem den Vorteil, dass wir keine festgelegten Zeitrahmen zurErarbeitung der Lernziele haben. Die Abschlussprüfungen finden nichtzu bestimmten Zeitpunkten statt, sondern die Aikidoka könnengeprüft werden, sobald sie jeweils individuell den Anforderungengewachsen sind. Die Prüfungen stehen in der Regel in der Bedeutungauch hinter der Freude am Aikido an sich zurück.

Außerdem nehmen die Schülerinnen und Schüler im Aikido freiwilligund aus eigenem Antrieb heraus am Training teil, was viele Problemewie Motivationsdefizite und pubertätsbedingte indifferente Trotzhal-tungen, die man im Schulunterricht antreffen kann, deutlich abmil-dert. Dennoch gibt es natürlich auch im Aikido-Unterricht Herausfor-derungen methodischer Art, zum Beispiel der Umgang mit Fehlern,die von den Übenden gemacht werden.

Neben derartigen Herausforderungen im konkreten Unterrichtexistiert auch für den Verband als Rahmenorganisation für die Weiter-gabe des Aikido die große Herausforderung, wie man nicht nur guteAikidoka, sondern insbesondere gute Aikido-Lehrende ausbildet, die

11 Anmerkung: Dies ist keine Bewertung der Koryu Bujutsu im Vergleich zu den Gendai Budo,sondern lediglich eine (grobe) Hervorhebung einiger Unterschiede.

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Einleitung

das Aikido nicht nur konservieren, sondern es ebenso wie dessenDidaktik weiterentwickeln und an folgende Generationen weitergeben.

Gute Aikidoka sind nicht notwendigerweise auch gute Aikido-Lehrende. Ein hervorragendes Beherrschen der Techniken geht nichtzwingend einher damit, die komplexen körperlichen und abstraktenKonzepte dieser Kampfkunst gut vermitteln sowie einen Rapport12 zuden Lernenden aufbauen und erhalten zu können. Gute Aikido-Lehren-de müssen in der Lage sein, eine vertrauensvolle persönlicheBeziehung zu den Lernenden aufzubauen, um nicht nur (Aikido-)tech-nisches Wissen, sondern auch die Begeisterung dafür transportierenzu können.

Zu den entscheidenden Unterschieden zwischen guten Aikidokaund guten Aikido-Lehrenden gehört die Fähigkeit, nicht nur Fehler zuerkennen, sondern auch deren Ursachen sowie das Wissen, wie mandiese Ursachen konstruktiv angeht, um die Fehler abzustellen.Desgleichen gilt für Schul- und Hochschullehrende: Fachliches Wissenist fraglos sehr wichtig, qualifiziert allein aber nicht zur Lehrperson;zusätzlich ist fachdidaktisches Wissen erforderlich. Ebenfalls zu denEigenschaften guter Aikido-Lehrender gehört die Fähigkeit, innerhalbder Lerngruppe eine Atmosphäre herstellen und pflegen zu können,die es den Lernenden ermöglicht, Fehler offen anzunehmen und ausihnen zu lernen, ohne beispielsweise eine Bloßstellung befürchten zumüssen.

Die vorliegende Arbeit soll darstellen, dass negative Expertise undkonstruktive Fehlerkultur Bausteine für diese Fähigkeiten sind. In dennächsten Kapiteln werden dafür diese Konzepte mit ihrem theoreti-schen Unterbau zunächst unabhängig vom Aikido vorgestellt, bevor inder Folge dann ein Bezug zum Aikido-Unterricht mit insbesonderefortgeschrittenen Lernenden aufgenommen wird.

12 Hier ist Rapport nicht im militärischen Kontext eines Statusberichts gemeint, sondern bezogen auf die Verwendung des Begriffs in der Psychologie. Rapport bezeichnet dabei eine gegenseitig wohlwollende und vertrauensvolle Aufmerksamkeit, die Menschen einander entgegenbringen, umgangssprachlich etwa ein „Draht zueinander“.

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Negative Expertise

2 Negative Expertise

Durch Lernen aus Fehlern kann negative Expertise aufgebaut werden,was ein wichtiger Bestandteil von Wissen ist. Das Auftreten vonFehlern wird so für den Erkenntnisgewinn genutzt.

Negative Expertise oder negatives Wissen ist eine Form des Erfah-rungswissens, also des aus erlebten eigenen oder nachvollzogenenfremden Erfahrungen Gelernten. Es ist das Wissen darüber, wie etwasnicht beschaffen ist oder nicht funktioniert, sowie gegebenenfallsdarüber, warum nicht.

Die Begriffe wurden unabhängig voneinander von verschiedenenFachleuten eingeführt, insbesondere von Marvin Minsky13 im informa-tionswissenschaftlichen Kontext der künstlichen Intelligenz14 sowievon Fritz Oser15 im Kontext der pädagogischen Psychologie16. Dereigentliche Gedankengang ist dabei älter, schon in den von Konfuziusüberlieferten Gesprächen finden sich entsprechende Aussagen: „Ein-zugestehen, dass man etwas nicht weiß, ist Wissen.“17

Für die im weiteren Verlauf nachfolgenden Kapitel, die sich mitAikido auseinandersetzen, wurde der Terminus der negativen Exper-tise gewählt, da für die später aufgeführten Folgerungen für dasAikido nicht nur theoretische Kenntnisse (Wissen) relevant sind, son-dern auch das Beherrschen von praktischen Fertigkeiten, die nicht alleverbalisierbar sind.

13 Marvin Lee Minsky (geb. 1927) ist ein US-amerikanischer Mathematiker und Informatiker, der (zusammen mit anderen) 1954 den Begriff der künstlichen Intelligenz begründete undspäter das Forschungslabor für künstliche Intelligenz am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) mitgründete, wo er heute noch tätig ist. Obschon nicht unumstritten, gilt er als Koryphäe.

14 Marvin Minsky: Negative Expertise, in: International Journal of Expert Systems, 1994, Vol. 7, No. 1, 13-19.

15 Fritz Oser (geb. 1937) ist ein Schweizer Pädagoge und Psychologe, inzwischen eremitierter Professor. Zu seinen Schwerpunkten zählen psychologische Didaktik und Methodik, insbesondere der Themenkomplex um das Lernen aus Fehlern. Zwar merkt man seinem Sprachduktus mitunter eine religiöse Vorbelastung an, dennoch sind seine Ausführungen gehaltvoll.

16 Trotz vorhergehender Arbeiten sei verwiesen auf Fritz Oser, Maria Spychiger: Lernen ist schmerzhaft, Zur Theorie des Negativen Wissens und zur Praxis der Fehlerkultur, Beltz, Weinheim, 2005. (Darin wird auch erwähnt, dass Fritz Oser den Begriff 1993/1994 einführte, jedoch konnte die entsprechende Primärquelle nicht gefunden werden.)

17 Aus den Analekten des Konfuzius (Lùn Yǔ), 2, 17, wiedergegeben nach https://7mh.de/konfuzius – das erste Wort des Lùn Yǔ ist übrigens „Lernen“.

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Negative Expertise

2.1 Negative Expertise in der künstlichen Intelligenz

In einer einführenden Publikation baut Marvin Minsky seine Über-legungen und sein Konzept der negativen Expertise auf regelbasiertenExpertensystemen18 auf, die ein Ergebnis der Forschungen zur künst-lichen Intelligenz waren. Das Wissen nahezu aller dieser Systeme istdemnach in Form positiver Regeln wie folgt abgebildet: Falls ZustandA eintritt, führe Operation B aus.

Minsky argumentiert, dass ein derartiges rein positiv formuliertesRegelsystem einen quantitativ relevanten Anteil an Expertise außerAcht lässt: Das Wissen darüber, wie etwas nicht gemacht wird, was erals negative Expertise benennt. Minsky postuliert, dass ein großerTeil19 des menschlichen Wissens negativ ist, so dass beispielsweise beizeitkritischen Operationen in Entscheidungsprozessen bestimmteOptionen nicht weiter verfolgt werden, da das Wissen, dass diesenicht zielführend sind, bereits vorhanden ist.

Ziel der wissenschaftlichen Forschung zur künstlichen Intelligenz istes unter anderem, Systeme zu entwickeln, die selbstständig lernenund Entscheidungen treffen können. Bei den genannten regelba-sierten Expertensystemen sind Systeme mit Regeln, die auchabbilden, wie ein Problem nicht gelöst werden kann, gegenüberSystemen mit rein positiv formulierten Regeln im Vorteil, da sie einereduzierte Menge an Optionen durchprüfen müssen, um zur Lösungeines Problems zu gelangen. Informationstechnische Systeme könnenalso Ressourcen wie beispielsweise Rechenzeit oder Speicherbedarfeinsparen, wenn sie über negative Expertise verfügen.

Marvin Minsky beschränkt seine Betrachtungen allerdings nicht aufinformationstechnische Systeme, sondern geht insbesondere aufmenschliche Entscheidungsprozesse ein, die wiederum als Vorbild fürSysteme der künstlichen Intelligenz dienen sollen. Damit kommt erden in Kap. 2.2 aufgeführten Konzepten aus der pädagogischenPsychologie inhaltlich wiederum nahe, führt sie allerdings in dieserRichtung nicht weiter.

So wird laut Minsky das Treffen einer Entscheidung nicht selten alspositive Handlung angesehen (nicht positiv im Sinne einer Bewertung,

18 Expertensysteme bezeichnen in der Informatik Computerprogramme, die Menschen bei der Lösung von komplexeren Problemen unterstützen können, indem Handlungs-empfehlungen aus einer Wissensbasis, zumeist einer Datenbank, abgeleitet werden. Es werden fallbasierte und regelbasierte sowie solche Expertensysteme unterschieden, die anhand von Entscheidungsbäumen Lösungsvorschläge berechnen.

19 Ein quantifizierbarer Beleg dieser Behauptung bleibt jedoch aus.

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Negative Expertise

sondern dahingehend, dass etwas gegeben wird). Er beschreibt dasTreffen einer Entscheidung jedoch als negative (wegnehmende)Handlung, da der Moment, in dem die Entscheidung getroffen wird,der Moment ist, in dem der Prozess, Alternativen zu durchdenken, be-endet wird.

Auch Kreativität, Humor und andere menschliche Aktivitäten, dieeinen emotionalen Anteil beinhalten, werden von Minsky als Ausflussnegativen Wissens charakterisiert. Insbesondere im Fall von Humor istdemnach das Wissen darüber, was eben gerade nicht mehr lustig ist,relevant, um eine Pointe zu erlangen, die möglichst nah an dieseGrenze herankommt, sie aber gerade genau nicht überschreitet, umbesonders erfolgreich zu sein.

Neben der negativen Expertise von Individuen weist er zudem aufdie kollektive negative Expertise von Gesellschaften hin, die sichrelativ trivial beispielsweise in Verkehrsschildern niederschlägt, dieetwa vor scharfen Kurven warnen. Hierbei handelt es sich um einemehrfache Transferleistung. Die Erfahrung, dass man nicht zu schnellin eine enge Kurve fahren sollte, wurde ursprünglich unabhängig vonder Kurve gemacht, die explizit durch Beschilderung gekennzeichnetist. Das Schild selbst gibt auch keine Handlungsanweisung, sondernder Kurvenhinweis an sich sorgt dafür, dass Verkehrsteilnehmendeihre negative Expertise – wie man nicht durch eine Kurve fahren sollte– zum Einsatz bringen.

2.2 Negatives Wissen in der pädagogischen Psychologie

Der Begriff des negativen Wissens wurde in der pädagogischenPsychologie von Fritz Oser eingeführt und geprägt. Das Konzept wurdevon anderen Wissenschaftlern übernommen und weitergeführt undgilt inzwischen als etabliert. Die Anerkennung der Existenz vonnegativem Wissen und dessen Wertschätzung ist einer der Bausteinezur Errichtung einer konstruktiven Fehlerkultur.

Wie auch Minsky beschreibt Oser negatives Wissen als die Kenntnisdarüber, wie etwas nicht beschaffen ist, wie etwas nicht funktioniert,wie ein Problem nicht lösbar ist, welche Strategien nicht hilfreich oderweiterführend sind etc. Während Minsky seinen Begriff allerdingsreferenzfrei einführt, liefern Oser (und in der Folge andere) einentheoretischen Unterbau für das Konzept basierend auf Konstruk-tivismus und Metakognition.

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Negative Expertise

2.2.1 Grundlagen aus dem Konstruktivismus

Im Konstruktivismus20 wird davon ausgegangen, dass Wahrnehmen,Erleben und Lernen des Menschen Konstruktionsprozessen unter-liegen, für die sinnesphysiologische, neuronale, kognitive und sozialeProzesse beeinflussende Faktoren sind. Lernende erschaffen sich imLernprozess ein individuelles mentales Modell der von ihnen wahrge-nommenen Welt. Dadurch bedingt ist das, was jemand in einerbestimmten Situation lernt, primär in Abhängigkeit von der lernendenPerson selbst und ihren Erfahrungen geprägt. Die lernende Personkonstruiert ihre eigene Wirklichkeit also selbst. Das in anderenLerntheorien vertretene Modell der Umweltorientierung von Lern-prozessen wird im Konstruktivismus explizit nicht unterstützt.

Wissen ist in der konstruktivistischen Lerntheorie etwas, was fürjeden Lernenden individuell zu sehen ist, und insofern kein exaktesund beliebig reproduzierbares Abbild einer objektiven Realität. Wissenkann daher nicht für alle Menschen identisch sein, da es jeweilsdarauf basiert, wie sich eine Person ihre individuelle Realität undderen Sinn konstruiert hat. Wissen entspricht einer Art persönlicherLandkarte, mit der sich eine Person die Realität erschließt.21

Gartmeier et al. betonen, dass Wissen, welches bei einer Aufgaben-stellung nicht erfolgverhelfend war, nicht notwendigerweise wertlosoder überflüssig ist. Auch wenn sich Wissen als nicht direkt ziel-führend erwiesen hat, kann es als Teil einer Heuristik bei zukünftigenAufgabenstellungen von Nutzen sein, da auch das Wissen darüber,wie eine Aufgabe nicht zu lösen ist, hilfreich ist. Negatives Wissenkann demnach als Hinweis auf nachteilbehaftete oder inkorrekteLösungswege fungieren.

Gartmeier et al. veranschaulichen dieses Konstrukt am Beispieleines Taxifahrers, der nicht die geographisch kürzeste Route zumFahrtziel wählt, da er über Erfahrung dahingehend verfügt, dass zubestimmten Uhrzeiten das gesteigerte Verkehrsaufkommen die Fahrtauf dieser Route verzögert. Er wählt daher einen geographischenUmweg, um seine Fahrgäste möglichst zeitnah zu ihrem Fahrtziel zubefördern. Obwohl die gewählte Route dabei eine längere Streckebeinhaltet, ist sie zeitlich kürzer als die kürzeste Verbindung und

20 Vergl. Horst Siebert: Pädagogischer Konstruktivismus, Lernen als Konstruktion von Wirklichkeit, Luchterhand, München, 2003.

21 Vergl. Martin Gartmeier, Johannes Bauer, Hans Gruber, Helmut Heid: Negative Knowledge:Understanding Professional Learning and Expertise, in: Vocations and Learning: Studies in Vocational and Professional Education, 2008, 1, 87-103. https://7mh.de/gart2008

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Negative Expertise

damit für die Fahrgäste günstiger. Der konstruktivistische Aspekt desnegativen Wissens des Taxifahrers findet sich darin, dass er seinselbst gesammeltes und erstelltes Erfahrungswissen aus früherenFehlern (im regelmäßig wiederkehrenden Stau steckengeblieben)nutzt, um sonst gültige Lösungsmöglichkeiten auszuschließen, dadiese unter den gegebenen Umständen eben gerade nicht dieoptimale Lösung darstellen.

2.2.2 Grundlagen aus der Metakognition

Metakognition steht für die Auseinandersetzung mit den eigenenkognitiven Prozessen, bedeutet soviel wie das „Wissen über daseigene Wissen“ oder „Denken über das Denken“.22 Theorien imBereich der Metakognition gehen davon aus, dass Lernende über ihreigenes Lernen Wissen und Erkenntnisse haben, und bezeichnetStrategien, wie Lernende optimal lernen und wie dieses Lernen für sieund für andere beschrieben werden kann. Die Metakognition umfasstdabei zwei strategische Aspekte, metakognitives Wissen (deklarativ;Kenntnisse über kognitive Gegebenheit) und metakognitive Kontrolle(exekutiv; Steuerung von Planungs-, Regulierungs- und Bewertungs-aktivitäten einer Handlung).

Bei den deklarativen Aspekten des metakognitiven Wissens geht esdarum, sich eigene kognitive Prozesse bewusst zu machen, für daseigene Verstehen Aufmerksamkeit zu haben, die eigenen Kompe-tenzen zu kennen, planvolles Handeln als relevant zu erkennen, dieKomplexität von Aufgaben und Anforderungen zu erkennen und überStrategien zu verfügen.

Bei den exekutiven Aspekten der metakognitiven Kontrolle steht imVordergrund, Lernprozesse hinsichtlich des Zeitrahmens und desHerausforderungslevels einschätzen und realistisch planen zu können,vorhandenes Vorwissen zu aktivieren, Anforderungen zur Bewältigungder Aufgaben zu untersuchen, Lernprozesse zu initiieren, eine strate-gische Lernkontrolle (Prognosen über Lernerfolgsverlauf aufstellenund abgleichen, gegebenenfalls neu steuernd eingreifen) durch-zuführen und Strategien für auftretende Probleme beim Lernenvorzuhalten und anzuwenden.

Im Modell des negativen Wissens wirkt die Metakognition,insbesondere das metakognitive Wissen, dahingehend regulierend,dass Lernende ihre Handlungsstragien adaptieren, also an die in einer

22 Vergl. Armin Kaiser, Ruth Kaiser: Metakognition. Denken und Problemlösen optimieren, Luchterhand, 1999.

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Negative Expertise

Situation vorliegenden Bedingungen anpassen können. Ferner ver-fügen Lernende dadurch über eine bewusste Kenntnis ihrer eigenenFähigkeiten sowie ihres individuellen Wissens. Dadurch können siebesser einschätzen, wie gut ein Problem gelöst werden kann oderwelche Wissensbereiche dafür noch erlernt werden müssen. Nega-tives Wissen ist somit ein Werkzeug für Lernende, um effiziente undweniger effiziente Lösungsstragien für eine Aufgabenstellung vonein-ander zu unterscheiden und entsprechend auszuwählen.

2.3 Lernen aus Fehlern

Fragt man Menschen danach, was Wissen ist und wie man es erlangt,so erhält man vermutlich zumeist positiv formulierte Antworten,beispielsweise jemand habe es geschafft, durch ein Labyrinth zugelangen und kenne nun den Lösungsweg. Diese intuitive Herange-hensweise blendet allerdings aus, dass eben auch Misserfolge oderFehler lehrreiche Teile des Lösungsweges waren. Die Fehler werdenretrospektiv ausgeblendet.

Beim Lernen aus Fehlern geht es darum, sich eben diese Fehlerbewusst zu machen, sich die Frage zu stellen, warum genau einbestimmter Ansatz in einem Fehler resultierte, um so negativeExpertise bezüglich der Aufgabenstellung zu erwerben. Zur Veran-schaulichung: In die Betrachtung einer Münze fließt der zugehörigePrägestempel mit ein, der die gleiche Oberflächenstruktur aus eineranderen Perspektive abbildet. Im Prozess der Münzherstellung ist derPrägestempel dabei von essentieller Bedeutung, er ist formgebend fürden Rohling. Ebenso bestimmen die beim Lösen einer Aufgaben-stellung begangenen Fehler das innere Bild, dass Lernende vomLösungsweg als Prototyp für zukünftige Ansätze bei ähnlich gela-gerten Aufgabenstellungen ausbilden.

Es wird daher angenommen, dass der bewusste Umgang mitFehlern helfen kann, dass Lernende bei zukünftigen Aufgaben-stellungen mit einem besseren Lösungsansatz ausgerüstet sind undschnellere Lösungswege oder bessere Lösungen finden. In Unter-richtssituationen gibt es ein Verhaltensmuster, das Oser et al. als das„Bermuda-Dreieck der Fehlerkorrektur“ bezeichnen.23 Die lehrendePerson stellt dabei eine Frage an die Lerngruppe. Eine lernendePerson meldet sich, wird aufgerufen und gibt eine falsche Antwort.Die lehrende Person ruft kommentarlos die nächste lernende Person

23 Vergl. Fritz Oser, Tina Hascher, Maria Spychiger: Lernen aus Fehlern, Zur Psychologie des negativen Wissens, in: Wolfgang Althof (Hrsg.): Fehler-Welten, 1999, Leske + Budrich, Opladen, 11-41.

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Negative Expertise

auf, gegebenenfalls wiederholt sich das Muster, bis eine korrekteAntwort gegeben wird. In diesem Bermuda-Dreieck der Fehlerkor-rektur verschwinden die Chancen, die von den ersten Lernendengegebenen (falschen) Antworten zu korrigieren. In der Regel kommendiese Antworten durch eine fehlerhafte Lösungsstrategie zustande.

Durch die noch nicht einmal explizite Rückmeldung, dass es sichum eine falsche Lösung handelt, können die Lernenden hier ihreLösungsstrategie nicht korrigieren. Sie werden bei erneuterKonfrontation mit einer gleich gelagerten Aufgabenstellung alsovoraussichtlich wieder bei einem ähnlichen Ergebnis landen, sichdann aber eventuell nicht mehr trauen, es zu kommunizieren. Einegemeinschaftliche Analyse, warum die lernenden Personen zufalschen Ergebnissen gekommen sind, könnte hingegen die negativeExpertise der gesamten Lerngruppe befördern. Ein Lernen aus Fehlernund damit der Aufbau negativer Expertise ist also nicht nur auseigenen Fehlern möglich. Um die gemeinschaftliche Analyse zuermöglichen, kann es dabei sinnvoll sein, dass die Lehrperson denwahrgenommenen Fehler der gesamten Lerngruppe erneut präsen-tiert, um dann schrittweise die Ursache zu ergründen und abzustellen.

Dieses advokatorische Lernen, das heißt ein Lernen durch dasstellvertretende Hineinversetzen in andere, tritt auch bei Märchen inErscheinung. Bei Märchen wie beispielsweise denen der BrüderGrimm werden bestimmte Lebensweisheiten und -erfahrungen inGeschichten mit zur Verdeutlichung gern archetypisch überzeichnetdargestellten Protagonisten und Antagonisten kodiert und trans-portiert. Insbesondere junge Rezipienten identifizieren sich mit denProtagonisten und nehmen deren Erfahrungen als nahezu eigenewahr, erfahren so deren – zumeist überspitzt dargestellte – Fehler undErfolge und lernen daraus.

Auch für die Lehrenden ist es wichtig, aus den eigenen Fehlern inder Vermittlung von Inhalten zu lernen. Weiß man bereits, dassbestimmte Erklärungsmuster für bestimmte Lernende nicht nachvoll-ziehbar sind, kann man sich darauf einstellen, die Lehrmethode ent-sprechend adaptieren und „ihre Sprache sprechen“, um so verbes-serte Lernerfolge zu realisieren. Der durch die Lehrenden moderierteLernprozess in der Gruppe kann daher diesen helfen, Zugang zumindividuellen Lernverständnis der jeweils Lernenden zu gewinnen undihre Lösungsstrategien für unterschiedliche Aufgabenstellungen nach-zuvollziehen (was für eine Strategie wurde gewählt?) und zu ver-stehen (warum wurde diese Strategie gewählt?).

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Konstruktive Fehlerkultur

3 Konstruktive Fehlerkultur

Der konstruktive Umgang mit Fehlern im Unterricht ist inzwischen Un-tersuchungsgegenstand wissenschaftlicher Forschung. Der BegriffFehlerkultur bezeichnet eine strukturierte Methode, wie eine Orga-nisation oder (Lern-)Gruppe mit Fehlern, Fehlerrisiken und Fehler-folgen umgeht. Konstruktiv ist diese Fehlerkultur, wenn sie in ihrerAusrichtung darauf abzielt, dass durch die Behandlung eines Fehlersneue positive wie negative Expertise in den Lernenden (und Lehren-den) entsteht.

3.1 Grundlagen

Eine Fehlerkultur hat vier grundlegende Aspekte: Fehlerfreundlichkeit,Lernorientierung, Normtransparenz und Fehlerangst.24

Fehlerfreundlichkeit bedeutet dabei, dass Fehlern mit einer positi-ven und offenen Haltung begegnet wird. Fehler werden beim Bear-beiten von Aufgaben erwartet und mit eingeplant. In betrieblichenKontexten bedeutet Fehlerfreundlichkeit auch, dass es allen Betei-ligten im positiven Sinne bewusst ist, dass Aufgaben mit höheren(etwa wirtschaftlichen) Risiken auch mehr Fehler mit sich bringen wer-den. Es wird angenommen, dass aufgrund dieser Erwartungshaltungmit den Auswirkungen solcher Fehler besser umgegangen werdenkann.

Lernorientierung bedeutet, dass Fehler nicht als Makel angesehenwerden, sondern als Chance, etwas zu lernen. Die Lernorientierungeines Unterrichts ist insbesondere dann beeinträchtigt, wenn dieseChance im Bermuda-Dreieck der Fehlerkorrektur (s. o.) verschwindet,wenn Lehrpersonen die Fehler zu häufig selbst korrigieren oder wennder Unterricht so aufgebaut ist, dass Fehler von vornherein vermiedenwerden.

Normtransparenz bedeutet, dass die Regeln, anhand derer sichableitet, ob etwas ein Fehler ist oder nicht, offengelegt sind. Manmuss wissen, was richtig ist, um sagen zu können, was falsch ist. Dies

24 Vergl. Vortrag von Maria Spychiger: Fehler machen und aus Fehlern lernen, in: VZL DaZ 2006, https://7mh.de/spych2006 und Maria Spychiger: Zur Rolle der Scham beim Lernen aus Fehlern und beim Aufbau von Normen und Fehlerkultur, in: Stephan Marks (Hrsg.): Scham – Beschämung – Anerkennung, LIT-Verlag, Münster, 2007, 71-88, sowie Maria Spychiger, Reto Kuster, Fritz Oser: Dimensionen von Fehlerkultur in der Schule und deren Messung. Der Schülerfragebogen zur Fehlerkultur im Unterricht für Mittel- und Oberstufe, in: Schweizerische Zeitschrift für Bildungswissenschaften 28 (2006) 1, 2006, 87-110. https://7mh.de/spykuos2006

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Konstruktive Fehlerkultur

schließt die Reproduzierbarkeit ein. Gleiche Lösungen oder gleichesVerhalten führen also auch zu gleichen Bewertungen.

Fehlerangst ist ein Aspekt, der in einer konstruktiven Fehlerkulturmöglichst abgebaut wird. Befürchten Lernende aufgrund ihrer Erfah-rungen mit der Lehrperson und der übrigen Lerngruppe, dass sie imFalle eines Fehlers nicht Hilfe, sondern etwa Bloßstellung zu erwartenhaben, werden sie versuchen, das Aufdecken des Fehlers zu vermei-den, so dass sie keine Korrektur erfahren. Damit gehen dann Optionenfür nachhaltiges Lernen aus Fehlern verlustig.

In der Fehlerforschung ist man sich nicht einig, ob Angst vor Fehlernper se schlecht ist. Spychiger et al. berichten, dass sich in einigenStudien herausstellte, dass Angst vor Fehlern und die individuelleNutzung von Fehlern nicht miteinander korrelieren. Die daraus in derForschung bisher gefolgerte Annahme lautet, dass ein bißchen Angstzwar förderliche Auswirkungen haben kann, zu viel Angst jedoch einehemmende. Diese hemmende Wirkung gilt es hier abzubauen.

Diese Grundaspekte einer Fehlerkultur werden stark beeinflusstdurch die Lehrenden und ihr Auftreten. Sind Körpersprache, Mimik undAnsprache (nicht nur) im Fehlerfall wertschätzend den Lernendengegenüber, fällt es den Lernenden leichter, sich von ihrer Fehlerangstzu lösen und ihre Fehler und deren Korrektur anzunehmen. Zudemüberträgt sich das wertschätzende Verhalten der Lehrenden zumin-dest teilweise auf die gesamte Gruppe der Lernenden, was das sozialeKlima und Gefüge der Gruppe verbessern kann, so dass die Lern-atmosphäre insgesamt qualitativ gewinnt und konstruktiv für alleBeteiligten wird.

Ebenfalls hat die konkrete Situation bzw. die Unterrichtsform, in derein Fehler behandelt wird, Einfluss darauf, ob aus einer Fehlersituationeine gute Lernsituation wird. So ist es in einer direkten Zweier-situation zwischen lehrender und lernender Person einfacher, aus demFehler in ein konstruktives Lernen überzugehen, als im Frontal-unterricht.

Zu den qualitativen Merkmalen einer konstruktiven Fehlerkulturgehören nach Spychiger et al. zudem folgende Faktoren:

• Der Lerngruppe ist die grundsätzliche Dialogbereitschaft derLehrperson bewusst.

• Die Lehrenden behandeln nicht alle Lernenden gleich, sondernstellen sich auf die Einzelpersonen ein (Individualisierung).

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Konstruktive Fehlerkultur

• Die körpersprachliche Ebene und nonverbale Kommunikationsind stimmig und signalisieren Wertschätzung.

• Fehler werden als Lerngelegenheit genutzt. Mit Fehlern wirdkreativ und lustvoll umgegangen.

• Die Lehrenden versetzen sich in die Denkprozesse derLernenden hinein und knüpfen an diese an.

• Die Lehrenden geben einen „Vertrauensvorschuss“, sie gehen inihrer Grundhaltung davon aus, dass die Aufgabenstellungen zuden Fähigkeiten der Lernenden passen und diese auftretendeFehler bewältigen können.

Eine konstruktive Fehlerkultur erscheint25 somit als eine notwendigeBedingung, unter der ein Lernen aus Fehlern und der Erwerb negati-ver Expertise möglich sind.

3.2 Anwendungsfall: Peer Review

Peer Review bezeichnet Verfahren, bei denen Personen, die in ihrerEntwicklung in einem Fachbereich ungefähr auf Augenhöhe stehen,einander gegenseitig als rückmeldend-kontrollierende Instanz unter-stützen. Der Begriff kommt aus dem Englischen und bedeutet Begut-achtung (review) durch Ebenbürtige (peer). Auch wenn es nicht expli-zit als Implementierung einer Fehlerkultur angedacht ist, werden beiPeer Review ähnliche Prinzipien auf einer abstrakten Ebene ange-wandt.

Zum Einsatz kommt das Peer Review-Verfahren insbesondere imBereich wissenschaftlicher Forschungsergebnisse, die auf einer Kon-ferenz vorgetragen oder in einem Fachbuch oder einer Fachzeitschriftpubliziert werden sollen (oder Kombinationen davon). Wird eine sol-che wissenschaftliche Abhandlung zur Publikation eingereicht, so wirdsie mehreren anderen Forschenden des gleichen Fachbereichs, diemöglicherweise ebenfalls Arbeiten eingereicht haben, zur Begutach-tung vorgelegt.

Es kann dabei vorkommen, dass Einreichende und Begutachtendein diesem Prozess einander nicht namentlich bekannt gemacht wer-den, um (negative wie positive) Voreingenommenheiten weitgehendauszuschließen.26

25 Obwohl diese Annahme naheliegt, ist sie noch nicht hinreichend eindeutig durch empirische Studien belegt. Die Formulierung erfolgt daher im Konjunktiv.

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Konstruktive Fehlerkultur

Die Begutachtenden lesen und prüfen die ihnen vorgelegten Inhal-te, kommentieren die Ausarbeitungen und geben begründete Empfeh-lungen dahingehend ab, ob eine eingereichte Abhandlung angenom-men, überarbeitet und erneut vorgelegt oder abgelehnt werden soll.Finden die Begutachtenden dabei keinen direkten Konsens, treten siemit weitergehenden Begründungen in den Diskurs ein, bis einErgebnis zustande kommt.

Insbesondere wenn eine Arbeit abgelehnt oder überarbeitet underneut vorgelegt werden soll, sind die Rückmeldungen der Begut-achtenden wichtige Hinweise auf mehr oder weniger gravierendeFehler in den Ausarbeitungen. Beispielsweise können die Inhalte alsrelevant für das Forschungsgebiet angesehen werden, die Darstel-lungsformen der Ausarbeitungen in sich jedoch nicht schlüssig seinoder nicht den formellen Anforderungen entsprechen, die in einemFachbereich üblich sind. Auf diese Weise erschließt sich den Ein-reichenden durch die Rückmeldungen der Begutachtenden, worauf siebei zukünftigen Arbeiten zu achten und welche Fehler sie zu ver-meiden haben. Die Einreichenden erwerben dabei (auch) negativesWissen im Rahmen einer strukturierten und konstruktiv konzipiertenFehlerkultur.

Die Einreichenden erhalten durch das geschilderte Verfahren qua-litative Rückmeldungen zu ihren Arbeiten, die im Falle ihrer Annahmeund Publikation dann als aufgewertet angesehen werden. Publi-kationen, die gar kein Review-Verfahren27 durchlaufen haben, geltenmeist als weniger belastbare Grundlagen für weitere Arbeiten.

26 Allerdings ist es nicht selten möglich, aufgrund der genauen thematischen Ausrichtung sowie der referenzierten Quellen den infrage kommenden Personenkreis einzugrenzen, da wissenschaftliche Arbeiten regelmäßig auf Vorarbeiten basieren.

27 Neben dem beschriebenen Peer Review-Verfahren gibt es beispielsweise das Expert Review-Verfahren, bei dem anerkannte Experten im jeweiligen Thema die Begutachtung übernehmen und nicht gleichrangige Kollegen.

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Anwendung im Aikido-Unterricht

4 Anwendung im Aikido-Unterricht

Die in den vorhergehenden Kapiteln vorgestellten Grundlagen, umaus Fehlern lernen zu können, wurden entwickelt, um effiziente Lern-Algorithmen (in der künstlichen Intelligenz) zu entwickeln bzw. um inschulischen Kontexten zum Einsatz zu kommen. Der normale Schul-unterricht unterscheidet sich vom Aikido-Unterricht allerdings insbe-sondere dadurch, dass Fehler im Aikido überwiegend nicht intellektu-eller Natur sind.

Einer der von vielen Aikidoka als angenehm empfundenen undbesonders geschätzten Aspekte des Aikido ist, dass gerade nichtalles, was vermittelt und geübt wird, verbalisiert werden muss(teilweise ist dies sogar kontraproduktiv), sondern dass man bei derAikido-Praxis (ab einem gewissen Verinnerlichungsgrad) innerlich„abschalten“ kann. Die Unterrichtsinhalte werden im Aikido in ersterLinie durch Demonstration von Bewegungsmustern und deren Nach-ahmung vermittelt.

Analog zum konstruktivistischen Ansatz erstellen auch Aikidokadabei ihre Realitätsinstanz der jeweiligen Aikido-Techniken aufgrundihrer subjektiven Wahrnehmung der demonstrierten Bewegungsvor-bilder. Verbalisierungen durch die Aikido-Lehrenden können in diesemProzess die Bewegungsvorbilder begleiten und insofern lenkend unter-stützen, diese Realitätsinstanz möglichst nah28 an derjenigen der leh-renden Person anzulehnen.

Die folgenden Abschnitte übertragen die vorgestellten theoreti-schen Grundlagen auf den Aikido-Unterricht, wobei ein Hauptaugen-merk der Unterrichtung fortgeschrittener Aikidoka gilt. Am Beispieleiner Prüfungsvorbereitung wird dann das in Kap. 3.2 vorgestelltePeer Review-Verfahren auf Aikido angewandt.

28 Eine exakte Kopie des Bewegungsvorbildes scheitert zumeist ohnehin schon an der anatomischen Heterogenität der Beteiligten.

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Anwendung im Aikido-Unterricht

4.1 Bedeutung der negativen Expertise

Nur in seltenen Fällen können neuanfangende Aikidoka ihnen gezeigteBewegungsaufgaben sofort vollumfänglich korrekt ausführen. Abergerade auch fortgeschritteneren Aikidoka fällt es mitunter schwer,sich auf neue Bewegungsvorgaben einzulassen, die von bereitsinternalisierten motorischen Mustern abweichen. Es kommt zu Ab-weichungen der Ausführungen der Lernenden vom durch die Lehren-den angestrebten Bewegungsbild – zu Fehlern.

Bei den von den Lernenden gezeigten Ausführungen kann es sichum eine korrekte, also den grundlegenden Bewegungsprinzipien desAikido nicht widersprechende Aikido-Bewegung handeln, die der an-gestrebten Bewegung zwar ähnlich ist, aber sich eben von ihr unter-scheidet (beispielsweise zwei unterschiedliche Ausführungsformender Technik Irimi-Nage oder die gleiche Ausführungsform, jedoch auseinem anderen Angriff heraus als vorgezeigt). Dieser Unterschiedzwischen „anders“ und „falsch“ ist für die Fehlerkorrektur besondersrelevant, da ein „falsch“ eine andere emotionale Auswirkung bei denLernenden, die Einfluss auf den Lernverlauf hat, auslösen kann, alsein „nicht falsch, aber anders“. Durch die Korrektur haben dieAikidoka in diesem Fall die Möglichkeit, die Formen voneinander zudifferenzieren, wobei positive (welche Form ist es?) wie negative(welche ist es nicht?) Expertise ausgebildet werden.

Eine fehlerhafte Ausführungsform kann dadurch gekennzeichnetsein, dass grundlegende Dinge wie die kollektive Koordination derBewegung der Gliedmaßen aus dem Körperzentrum heraus miss-lingen. Dies ist insbesondere bei Neuanfangenden häufig der Fall, undzumeist ist es lediglich eine Frage der stetigen Wiederholung, bis dieerforderliche Koordinationsfähigkeit erworben ist. Die Informationendarüber, wie eine Bewegung nicht auszuführen ist und warum nicht,sind die ersten Bausteine negativer Expertise, die hier erworbenwerden. Zugleich entwickelt sich aber auch die negative Expertise derLehrperson dahingehend, welche Art von Korrektur (etwa erneutesZeigen, Verbalisieren oder Fühlenlassen) die individuelle lernendePerson eher verwirrt statt hilfreich zu wirken.

Auch bei Fortgeschrittenen ist diese Fehlervariante anzutreffen,insbesondere bei den Techniken, die nahezu vollständig auf dergenannten kollektiven Koordination beruhen. Während andere Techni-ken wie Shiho-Nage, Kaiten-Nage oder Irimi-Nage sich durch ein Mehran Muskelkraft, Hebelwirkungen oder gar Führung über Schmerzerzwingen lassen, wenn es an Koordinationsfähigkeit, Balancebeherr-

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Anwendung im Aikido-Unterricht

schung und Körpergefühl der Ausführenden mangelt, ist dies beiTenchi-Nage, Sumi-Otoshi oder Kokyu-Nage nicht ohne Weiteres mög-lich. Der Einsatz von mehr Muskelkraft kann sogar ausgesprochenkontraproduktiv sein und die Ursache des Scheiterns sein. Um dieseTechniken zu erlernen und zu beherrschen, ist daher eine deutlicheVerinnerlichung der Grundbewegungen hilfreich.

Bei fortgeschrittenen Lernenden haben die Lehrenden in der Regelbereits ein ausgeprägtes positives wie negatives Wissen über dieLernenden, die sie vor sich haben. Sie sind mit deren Vorerfahrungenvertraut und kennen häufig auftretende Fehler samt ihrer Ursachen,verfügen über individuell angepasste Instruktionsstrategien undkönnen das jeweilige Lern- und Fehlerpotential von Aufgabenstel-lungen29 einschätzen.

Machen fortgeschrittenere Aikidoka Fehler, bemerken sie sie häufigselbst und treten in eine Korrektur ein. Mitunter handelt es sich beieinem durch die Lehrperson attestierten Fehler aber auch um Aspekteder Technikausführung, die die Lernenden selbst für sich als richtigerkannt haben und die daher bereits von ihnen internalisiert wurden,beispielsweise eine Überbetonung von Schwung und Masseimpuls beider Ausführung von Kokyu-Nage. Hier ist es Aufgabe der Lehrenden,zu vermitteln, warum eine derartige Überbetonung ein Fehler ist undwie der erwünschte Effekt stattdessen etwa durch einen frühzeitigenAufbau einer Zentrumsverbindung zwischen Nage und Uke erreichtwerden kann.

Ein Beispiel für die Relevanz negativer Expertise ist die Vermittlungder ersten und zweiten Kata im Lehrgebäude des DAB. Diese Kata imAikido sind technisch eine besondere Herausforderung:30 Es gibt nureine richtige Lösung31 für die jeweils gestellte Aufgabe, der Grad anFreiheit in der Ausgestaltung ist äußerst gering. Während man sonstbei der Ausführung von Techniken eben diese Freiheitsgrade nutzt, umsich Art, Intensität oder Ausrichtung des Angriffs durch leichteÄnderungen von Ausweichwinkel, Zentrumshöhe oder Geschwindig-

29 Eine Aufgabenstellung in der Korrektur kann zum Beispiel das Übenlassen einer bereits vertrauten Form sein, von der die Lehrperson weiß, dass ein ähnlicher Fehler dort bereits aufgelöst wurde.

30 Vergl. Markus Hansen: 合氣の形 – Kata im Aikido, Blogbeitrag, 2010, https://7mh.de/t444 sowie Rolf Brand: Methodik des Kata-Unterrichts, Abschnitt 4: Das Kata-Training, ohne Datum, https://7mh.de/brandkata

31 Dies soll nicht die Akzeptabilität unterschiedlicher Interpretationen der Kata im Allgemeinen in Frage stellen, sondern die konkrete Situation für Lernende bei einer bestimmten Lehrperson im Aikido nachzeichnen.

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keit anzupassen, ist man bei der Ausführung der Kata auf einevorgegebene Musterlösung festgelegt. Für die Lernenden ist dabeiwichtig zu erfahren, warum die Lösung eben nicht anders ist (negativeExpertise), weil bei einer bestimmten Abweichung etwa die inten-dierte Gleichgewichtsverlagerung beim Uke in eine andere Richtungerfolgt und so die nachfolgenden Bewegungsphasen erschwert odergar verhindert, damit auch das zu zeigende Bewegungsprinzip nicht inder Weise ausgedrückt werden kann, wie es in der Kata an dieserbestimmten Stelle sein soll.

Um Kata zu lernen, ist daher immer auch eine kompetente Personin der Uke-Rolle unerlässlich, denn um die Musterlösung zeigen zukönnen, muss Nage eben mit genau dem jeweils zu lösenden Problemkonfrontiert werden. Praktischerweise nehmen daher fortgeschrit-tenere Aikidoka die Uke-Rolle ein (im Einzelunterricht die Lehrer-person), um eine gute Aufgabenstellung sowie ein hochwertigesFeedback zu ermöglichen, das nicht nur verdeutlicht, dass eineAusführungsform nicht der Vorgabe der Lehrperson als angestrebterNorm entspricht, sondern insbesondere, warum eine bestimmteAbweichung von dieser Norm zum Scheitern bei der Bearbeitung derAufgabenstellung führt. Dies bedeutet nicht, dass man die Kata nurmit einer bestimmten Person ausführen kann, sondern dass Nage undUke in ihren Bewegungen zueinander passen müssen – ohne dabei dieAufgabenstellung „Aikido-Technik“ aus den Augen zu verlieren und inbloßer Choreographie zu enden.

Auf dieses Feedback eines oder einer guten Uke und einer gutenLehrperson sind Aikido-Lernende angewiesen, denn sie werden ge-zwungen, genau diesen einen bestimmten Lösungsweg einzuschla-gen, ihn exemplarisch so weit zu verinnerlichen, dass sie ihn sprich-wörtlich „im Schlaf“ beherrschen. Erst diese Verinnerlichung (beiNage und Uke) erlaubt es, die Kata mit der erforderlichen Intensität zuüben: Typischerweise sind Nage und Uke nach einer konzentriertausgeführten Kata deutlich in Schweiß geraten. Die in einer Katavermittelten Prinzipien gehen durch die stetige Wiederholung desgenau gleichen Musters „in Fleisch und Blut“ über. Dieser wesentlicheErkenntnisgewinn darüber, wie eine Technikausführung erfolgen undwie sich der Kontakt zu Uke dabei anfühlen soll und wie eben nicht,landet also auf einer Ebene unterhalb des Bewusstseins, was dieAusstrahlung des Gelernten auf die Technikausführung auchaußerhalb der Kata erklärt.

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Weitere negative Expertise hinsichtlich (nicht nur) der Kata imAikido erlangt man auch durch einen Rollenwechsel. Nimmt man stattder Nage- die Uke-Rolle ein, erlebt man, wie sich verschiedeneAusführungsformen anfühlen, welche Bewegungen von Nage welcheReaktionen im Körper von Uke auslösen, welche davon der Lösungnäherkommen und insbesondere, welche die korrekte Ausführungverhindern. Durch einen weiteren Rollenwechsel in die Position desexternen Beobachters können dann – nach einer Vorbefassung mit derKata als Nage wie als Uke – ebenfalls neue Erkenntnisse hinzukom-men, weil das Gesehene mit vorherigen Erfahrungswerten zusammen-geführt und verknüpft werden kann. Aikidoka, die bereits über eineextensivere Erfahrung mit den verschiedenen Kata verfügen, sehenmeist frühzeitig in einer Bewegung, dass diese nicht zum gewünsch-ten Ergebnis führen wird. In der Regel ist ihnen dies möglich, weil sieeben diesen Fehler auch schon erlebt und sich mit ihm auseinan-dergesetzt haben.

Positive und negative Expertise hinsichtlich der Aikido-Technikenund deren Vermittlung ergänzen sich im Aikido-Unterricht wie Yin undYang in der chinesischen Philosophie: Gemeinsam bilden sie eineEinheit, jedoch erleichtert es die dualistische Differenzierung, dasGesamte wahrzunehmen, zu erfassen und zu durchdringen.

Neuanfangende Aikidoka bauen sich ihre Realitätsinstanz vonAikido Baustein für Baustein zusammen. Gerade bei der Errichtungdieses Fundaments ist eine deutliche Rückmeldung durch die Aikido-Lehrenden ausgesprochen wichtig. Dass diese Rückmeldung nicht inForm sozialer Bezugsnormorientierung („Werner hat das besser ge-macht als Du“) erfolgen darf, gehört zur negativen Expertise vonAikido-Lehrenden. Erforderlich ist vielmehr eine Korrektur in Form in-formativen, konstruktiven und individuellen Feedbacks. Fortgeschrit-tene Aikidoka verfügen bereits über ein Fundament und haben daraufaufgebaut. Auch im Unterricht mit ihnen kann es jedoch immer wiedervorkommen, dass – um in dieser Bildsprache zu verbleiben – eineroder mehrere der bereits verwendeten Bausteine einer Justage odergar eines Austauschs bedürfen. Die individuelle Realitätsinstanz„Aikido“ muss dann entsprechend dekonstruiert werden, um nach derKorrekturannahme einen Neuaufbau zu erfahren.

Insbesondere für Aikido-Lehrende sind solche erforderlichen Dekon-struktionen meist große Herausforderungen. Es gilt, die Basis des Aiki-do einer lernenden Person anzufassen, ohne dass diese lernende Per-son dies als Angriff auf ihre Persönlichkeit begreift. Für derartige

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Anwendung im Aikido-Unterricht

Schritte relevant ist eine negative Expertise bei den Aikido-Lehrendenetwa dahingehend, für welche Ansprache die betreffenden Personennicht empfänglich sind und welche Wortwahlen eher missverstandenwerden.

4.2 Bedeutung der konstruktiven Fehlerkultur

Um eine solche konstruktive Fehlerkultur in einer Aikido-Gruppe zuetablieren, bedarf es zunächst des Wissens der Aikido-Lehrenden umderartige Konzepte sowie einer entsprechenden Sicht auf die Aikido-Lernenden und sich selbst. Im theoretischen Grundlagenkapitel zurFehlerkultur (siehe Kap. 3.1) wurden die vier Aspekte einer konstruk-tiven Fehlerkultur beschrieben: Fehlerfreundlichkeit, Lernorientierung,Normtransparenz und Fehlerangst.

Im Folgenden sollen diese Aspekte unter Gesichtspunkten desAikido-Unterrichts betrachtet werden. Der Lernorientierung kommtdabei ein besonders breiter Raum zu, da dieser Aspekt sympto-matisch für das ist, was das wettkampffreie Aikido von anderenDisziplinen unterscheidet: Nicht besser zu sein als andere, sondernbeständig dazuzulernen und dadurch besser zu werden, als manselbst bereits ist. Nicht das Ergebnis, jemanden durch überlegeneTechnik überwunden zu haben, steht im Fokus, vielmehr ist sprich-wörtlich der Weg selbst das Ziel.

Da es im Aikido anders als im schulischen Unterricht, der diesenÜberlegungen zugrunde liegt, keine andauernde Testung undBenotung von Leistungen gibt, stehen die Aspekte Fehlerfreundlich-keit und Fehlerangst im Umfang zurück. Während in der Schule alleÄußerungen der Lernenden sich über die mündliche Teilnote in denZeugnisnoten niederschlagen (können), hat es im Aikido keine Rele-vanz, außerhalb einer Prüfungssituation ein Bewegungsvorbild subop-timal nachzuvollziehen, und niemand muss sich davor fürchten, etwasnachzufragen und damit zuzugeben, dass ein Konzept noch nichtverstanden wurde.

4.2.1 Fehlerfreundlichkeit

Die Fehlerfreundlichkeit im Unterricht von Aikido-Lehrenden zeigt sich,auch wenn es zunächst banal klingen mag, unter anderem darin, dassdie Lehrpersonen nicht mit den Lernenden schimpfen, wenn dieseeinen Fehler machen, sondern ihnen vielmehr mit Geduld begegnenund individuelle Hilfestellung leisten. Man merkt den Aikido-Lehren-den an, dass sie ein Interesse daran haben, Fehler auf eine Art und

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Anwendung im Aikido-Unterricht

Weise zu korrigieren, die es den Lernenden ermöglicht, nachhaltigdazulernen.

Auch im Umgang mit den eigenen Fehlern drückt sich die Fehler-freundlichkeit aus: Versucht eine Lehrperson, eigene Fehler oderUnzulänglichkeiten zu überspielen, oder gibt sie diese offen zu? Dieszeigt sich insbesondere bei Lehrenden, die in Bezug auf im Aus-bildungs-Curriculum höher angesiedelte Bewegungsformen selbstnoch Lernende sind, diese aber bereits unterrichten. Verfügen sieüber die Selbstsicherheit, zuzugeben, dass sie bezüglich einigerAspekte noch unsicher sind, und verweisen darauf, externen Rateinzuholen? Die negative Expertise, zu wissen, was man nicht weiß(und wie man damit umgeht), kommt hier zum Tragen.

4.2.2 Lernorientierung

Während die Fehlerfreundlichkeit vorrangig durch die Lehrendengeprägt wird, findet die Lernorientierung in der gesamten Aikido-Gruppe Niederschlag. Um Aikido zu lernen, sind Lernende immer aufdie anderen Mitglieder der Gruppe als Übungspartnerinnen und-partner angewiesen.

In einer Gruppe mit einer guten Lernorientierung verhalten diesesich (nicht nur) in der Rolle als Uke kooperativ-konstruktiv und fühlensich für den Lernerfolg von Nage mitverantwortlich.32 Kooperativ istdabei nicht falsch zu verstehen: Ein/eine Uke, der/die den Angriffdarauf beschränkt, mit erhobener Hand in die Nähe von Nages Kopfzu laufen, um sich dann in beliebige Richtungen führen und verdrehenzu lassen, ist aus seiner/ihrer Sicht womöglich kooperativ. Tatsächlichist dieses Verhalten allerdings genauso unkooperativ wie das, erst garkeine Bewegungsenergie in den Angriff zu geben und dann allesauszublockieren.

Die Intention beider Verhaltensmuster ist zwar diametral (das einewill alles ermöglichen, das andere alles verhindern), aber beide behin-dern Nage zunächst darin, etwas zu lernen, da es unerheblich ist, obNage viel zu wenig oder viel zu viel an gegen sich gerichtetem Impulsbekommt: In beiden Fällen wird Nage die Chance genommen, überden Kontakt das Körpergefühl auszubilden, mit dem sowohl Position,Balance, Ausrichtung und Bewegung des eigenen Körpers als auchPosition, Balance, Ausrichtung und Bewegung des Körpers von Ukebewusst und unterbewusst wahrgenommen werden. Damit kann sich

32 Vergl. Markus Hansen: Kooperatives Lernen im Aikido, Blogbeitrag, 2009, https://7mh.de/t429

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ebensowenig das Gefühl für die gemeinsame Interaktion entwickeln,das einem ermöglicht, das passende Maß an Energie im passendenMoment passend einzubringen.

Um dieses Gefühl für die passende gemeinsame Interaktion ausbil-den zu können, ist es erforderlich, mit möglichst vielen unterschied-lichen Menschen zu üben, die jeweils andere Voraussetzungen in Kör-perbau, Temperament und Vorwissen mitbringen. In Aikido-Gruppenmit einer guten Lernorientierung ist es daher üblich, häufig dieÜbungspartnerinnen und -partner zu wechseln. So kommen alle malsowohl in die Rolle der Person, die etwas mehr Erfahrung mitbringt,als auch in die Rolle der Person, die etwas mehr Anfangsfrischemitbringt.33 Zudem lernen sich auf diese Weise alle etwas besserkennen, was dem sozialen Klima im Dojo sehr zuträglich ist undAnfangenden den Einstieg in die Gruppe erleichtert, die so auchschneller zu Übungspartnerinnen und -partnern werden, deren Feed-back weiterhilft. Nage und Uke befinden sich also in einem dauer-haften, gegenseitigen und nonverbalen Peer Review, das auf einenkonstruktiven Lernprozess ausgerichtet ist.

Dieses lernorientierte körperliche Feedback kann Uke nur geben,wenn seine/ihre Angriffe so ausgestaltet sind, dass Nage durch dasAngriffsverhalten jeweils genug Angriffsenergie gegeben wird, so dasser/sie sich mit dieser auseinandersetzen muss, aber nur so viel, dasser/sie es auch noch kann. Es ist wie in der Schule – gute Partnerinnenund Partner in einer Lerngruppe stimmen weder allen Vorschlägen zu,um ihre Ruhe zu haben, noch lösen sie die Aufgaben allein, sondernerörtern in einem konstruktiv-kritischen Diskurs mit allen gemeinsamdie vorliegende Problemstellung. Diesen konstruktiv-kritischen Diskursmüssen auch Uke und Nage im Aikido suchen, nur findet er dortvorrangig auf einer nonverbalen Ebene statt, was sich bei derAuswertung naturwissenschaftlicher Versuche oder der Interpretationeiner Literaturstelle im Unterricht in der Schule üblicherweise nichtanbietet.

Um als Angreifende konstruktiv-kritisch sein zu können, müssen dieUke über den Erstkontakt hinaus Angreifende bleiben. Ebenso wie dieNage versuchen, in die Uke hineinzufühlen, um diese zu kontrollieren,

33 Im Japanischen werden diese Rollen mit Senpai (先輩) und Kōhai (後輩) bezeichnet: Senpai ist die Person, die länger zu einer Gruppe gehört als man selbst, Kōhai ist die Person, die nach einem selbst zu einer Gruppe gestoßen ist. Senpai übernehmen dabei Mitverantwortung für die Kōhai und deren Lernfortschritt. Da beiden Begriffen im japanischen Kontext noch mehr an Konnotation beischwingt, was hier unerheblich (und hierzulande unüblich) ist, wird auf die Verwendung im weiteren Text verzichtet.

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Anwendung im Aikido-Unterricht

müssen die Uke versuchen, sich umgekehrt in die Nage und derenBewegungen hineinzufühlen, um Löcher in der (Aus-)Führung auf-spüren und entsprechende Rückmeldung geben zu können. Dies istnur möglich, wenn die Uke beständig darum bemüht sind, ihrenAngriff aufrecht zu erhalten und dafür sich und ihre Angriffsenergieimmer wieder in Richtung von Nage ausrichten.

Uke sind also nur dann kooperative (Lern-)Partner/-innen, wenn siein der Bewegung auch mal nicht – im Sinne von „geschehen lassen“ –kooperieren. Auch für Uke ist volle Aufmerksamkeit bis zum Schlussgefordert. Selbst wenn die Uke mitunter vielleicht schon etwas müdegeworden sind, dürfen sie sich nicht verleiten lassen, auf Autopilot zuschalten und sich quasi „im Schlaf“ werfen zu lassen, denn das wäreunfair Nage gegenüber, für dessen/deren Lernerfolg Uke als Partnermitverantwortlich sind. Nur „wachbleibende“ Uke können gehaltvolleRückmeldung geben.

Derartig Feedback geben und annehmen zu können, gehört mit zuden wichtigsten Kompetenzen, die sich Aikidoka erarbeiten müssen.Dieser Aspekt der gegenseitigen Unterstützung ist ein wichtiger Fak-tor für das Miteinander in der Gruppe und ein deutlicher Indikator fürderen Lernorientierung. Wird eine Bewegung ungeschickt ausgeführt,so wird dies als Gelegenheit wahrgenommen, daraus zu lernen, undauftretende Fehler helfen, tiefer in den Lerngegenstand vorzudringenund es später besser zu machen.

Dieser Aspekt hat insbesondere für fortgeschrittenere Aikidoka einezunehmend wichtigere Bedeutung. Da es ab einem gewissen Stadiumder eigenen Entwicklung kaum noch neue Formen gibt, durch die manin die Breite dazulernen kann, wird die Erforschung der Bewegungenin die Tiefe hinein immer bedeutsamer, da nur so weitere Lern-fortschritte zu erreichen sind.

Um ein größeres Verständnis für die Abläufe einer Aikido-Bewegungzu erlangen, können Lehrende nicht nur ein einzelnes Bewegungs-vorbild zur Nachahmung geben, sondern beispielsweise auch zwei(oder mehrere) Bewegungsbilder präsentieren oder präsentierenlassen, um dann die Lernenden die Unterschiede herausfinden undbenennen zu lassen. Hierbei können auch falsche Bewegungsformengezeigt werden, um die Lernenden dann die Abweichung von derrichtigen Bewegungsform herausarbeiten zu lassen, damit ihnen sodas Kompetenzdelta, also die Abweichungsbreite, deutlicher bewusstwird. Sofern allen Lernenden klar ist, dass es sich bei der

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dargestellten Bewegung nicht um ein nachzuahmendes Vorbildhandelt, sondern es um „Finde den Fehler“ geht, ist diese Methodegeeignet, Ursachen für wiederkehrende Fehler gemeinsam auf denGrund zu gehen und diese als negative Expertise in den Lernenden zuverankern.

Auch für Aikido-Lehrende ist die Lernorientierung wichtig. Nebenbeständiger Fortbildung im Aikido zum Beispiel auf Lehrgängen oderbei Besuchen anderer Gruppen ist es wichtig, dass auch sie ihrenUnterricht selbst als Lerngelegenheit wahrnehmen und nutzen. Aikido-Lehrende müssen die Fehler, die sie im Unterricht machen, erkennen,und bereit sein, diese für sich als Chance zum Lernen zu begreifen.Insbesondere ist jede lernende Person anders, so dass die Lehrendendie passenden Ansätze herausfinden müssen, um ihnen dieUnterrichtsinhalte nahezubringen. Auch hier gilt es, verschiedeneLösungswege auszuprobieren, Misserfolge als Zugewinn negativerExpertise zu begreifen und aus den Fehlern zu lernen, statt Aikido-Bewegungen nach immer gleichem Muster zu erläutern und ob dermangelnden Erfolge bei den Lernenden womöglich zu resignieren.Nicht zuletzt wird auch durch das Nachvollziehen der Bewe-gungsbilder der Aikido-Lernenden ein adaptorischer Lernprozess inder Lehrperson ausgelöst.

Aikido ist sowohl hinsichtlich der Ausführung als auch des Unter-richtens lebenslanges Lernen. Dafür ist im Unterricht wie in derpersönlichen Einstellung zum eigenen Handeln eine stete Lernorien-tierung erforderlich. Im Dreiergespann aus Lehrperson und denbeiden Lernenden in den Rollen von Nage und Uke haben dabei allestets die Möglichkeit, sich in eine der anderen Rollen (zumindestabstrakt, meist auch konkret) hineinzuversetzen und aus der anderenPespektive ebenfalls zu lernen.

4.2.3 Normtransparenz

Fehler im Sinne dieser Arbeit sind Abweichungen von einer gegebe-nen Regel oder Norm, üblicherweise dem Bewegungsvorbild derAikido-lehrenden Person, ebenso aber der Etikette, die im jeweiligenDojo und der jeweiligen Aikido-Gruppe gilt, und dem sozialenKonstrukt, das die Gruppe auch in der Interaktion außerhalb der Matteausmacht. Um an Fehlern arbeiten, aus ihnen lernen und sie abstellenzu können, ist es daher wichtig, dass diese Normen klar sind und dasssie transparent, also für alle erkennbar, durchdringbar und hinter-fragbar sind. Dazu gehört zum Beispiel, dass unsere Prüfungspro-

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gramme mit den Bewertungsmaßstäben kein geheim gehaltenesHerrschaftswissen sind, sondern von allen abgerufen und eingesehenwerden können.

Diese Normen sind jedoch mitunter nicht stabil.34 Insbesondereentwickeln sich auch die Aikido-Lehrenden technisch weiter, so dasssich das Bewegungsvorbild über die Zeit ändert. Ein deutlichesBeispiel hierfür sind die unterschiedlichen Generationen engererSchüler35 des Aikido-Begründers Morihei Ueshiba. Insbesondere zwi-schen den Vor- und den Nachkriegsgenerationen kann man deutlicheUnterschiede erkennen, die sich unter anderem auf die Betonungmartialischer Elemente beziehen. Stehen diese in der erstenGeneration noch stark im Vordergrund, sind sie in der letztenGeneration zwar nicht verschwunden, haben aber anderen Aspektenwie dem Führen über Körpergefühl Raum geben müssen. Auch im DABist es inbesondere nach der Abspaltung der Aikido-Union Deutschland(AUD), aber auch schon davor, wiederholt zu mehr oder wenigerausgeprägten Änderungen von Ausführungsformen, Curriculum undPrüfungsprogrammen gekommen.

Derartige Instabilitäten der Bezugsnormen sind dann unproblema-tisch, wenn die vorgenommenen Änderungen klar und begründetkommuniziert werden, wenn die Änderungen nicht unnötig36 sind undwenn die von den Änderungen betroffenen Lernenden in derAusprägung ihrer Lernorientierung so weit fortgeschritten sind, dasssie auch den Lehrenden und Normgebenden eine Weiterentwicklungzugestehen, statt einzufordern, dass die Lerninhalte unverändertbleiben. Nicht jede Abweichung von einem Bewegungsmuster, das als„richtig“ präsentiert wurde, ist schließlich ein Fehler (nicht selten gibtes ohnehin mehrere gültige Lösungen37 für die Aufgabenstellung

34 Vergl. Stefanie Rach, Stefan Ufer, Aiso Heinze: Lernen aus Fehlern im Mathematik-unterricht – kognitive und affektive Effekte zweier Interventionsmaßnahmen, in Unterrichtswissenschaft, 40(3), 2012, 212-233.

35 Uchi-Deshi (内弟子): Inner/e Schüler/in. Bezeichnet Lernende, die in Vollzeit bei einem Lehrer oder einer Lehrerin Unterricht nehmen und im Dojo leben. Von Morihei Ueshiba sind vier Generationen an Uchi-Deshi überliefert, je zwei vor und nach dem zweiten Weltkrieg.

36 Unnötig wären etwa Änderungen, die von einer Person oder einem Gremium mit Normie-rungsautorität durchgeführt werden, nur um diese Autorität zu nutzen und damit zu zeigen oder gar eigene Kompetenzmängel zu verdecken, oder solche, die keine inhaltlicheVerbesserung gegenüber dem vorherigen Stand bedeuten.

37 Diese Erkenntnis spiegelt sich auch in den im DAB nach dem Generationswechsel und derdamit verbundenen Abspaltung vorgenommenen Änderungen im Prüfungsprogramm für Dan-Grade wieder. So wurden beispielsweise die vormals festgelegten Formen zur Abwehrbewaffneter Angriffe wieder wahlfrei gestellt.

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„Aikido-Technik“), sondern mitunter einfach ein Indiz für eine Weiter-entwicklung der Lehrpersonen.

Eine solche Weiterentwicklung der Lehrpersonen, damit im Kontexteiner Aikido-Gruppe der Normgebenden, ist nicht der einzige Grund,warum die Bezugsnormen im Aikido-Unterricht aus Sicht der Lernen-den einer inhärenten Dynamik unterliegen. Während die Korrektur vonbei Neuanfangenden auftretenden Fehlern besonders wichtig ist, dadie ersten Lernfortschritte die Grundlage ihres Aikido bilden, sinddiese Fehler in der Regel auch eher grober Natur und lassen sichdaher mit geringem Aufwand als Abweichung vom Bewegungsvorbildkommunizieren und korrigieren.

Mit zunehmender Aikido-Erfahrung und damit verbundenem Kom-petenzerwerb der Lernenden werden die Korrekturen immer feiner,die über das Bewegungsvorbild kommunizierten Lernziele und moto-rischen Anforderungen immer komplexer. Eine Ausführungsform, fürdie Lernende noch wenige Monate vorher ein Lob als Rückmeldungerhalten haben, bedarf plötzlich der Nachbesserung. Hier ist eswichtig, dass die Aikido-Lehrenden signalisieren und kommunizieren,dass es sich bei der neuen Kritik nicht um einen Rückschritt derLernenden handelt, sondern dass diese im Gegenteil im Spiral-curriculum des Lehrgebäudes Aikido die nächste Ebene erreichthaben. Die „neuen“ Fehler sind also eine neue Chance, an sich zuarbeiten und etwas dazuzulernen, und sollten daher von den Lernen-den freudig begrüßt werden.

Diesen Effekt neuer Fehler und neuer Herausforderungen trifft manauch an, wenn man einen Lehrgang bei Aikido-Lehrenden besucht, dieeine andere Entwicklung durchlaufen haben. Plötzlich sind alleFormen ein klein wenig anders. Hier hilft es den Aikidoka, ihre Bewe-gungen zwar als „falsch“ im Sinne von „anders als gezeigt“ zubegreifen, nicht zwangsläufig allerdings im Sinne von „widersprichtden Bewegungsprinzipien des Aikido“. Lässt man sich mit dieserHaltung auf die Andersartigkeit der nun gezeigten Norm ein, kannman dadurch unter Umständen eine neue Perspektive auf eigeneBewegungsmuster und damit auf die in der heimischen Gruppegeltende eigene Aikido-Norm hinzugewinnen, die einem das Verständ-nis für den Gesamtkomplex Aikido erschließen hilft.

Einen formalen Normabgleich haben wir im Rahmen von Graduie-rungsprüfungen. Hier sind die Aikido-Lernenden gefordert, ihre durchbeständiges Üben internalisierten „Aufgabenlösungen“ vor fachkun-

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Anwendung im Aikido-Unterricht

digen Augen zu präsentieren und bewerten zu lassen. In vielen Fällenerhalten sie dabei als Rückmeldung lediglich ein „bestanden“ (norm-konform oder Normabweichung innerhalb der Toleranz) oder „nichtbestanden“ (Normabweichung außerhalb der Toleranz). Der Grad derAbweichung von der Norm entscheidet38 also darüber, ob eine Gradu-ierung zuerkannt wird oder nicht.

Für den weiteren Lernprozess der Lernenden ist es dabei vonInteresse, dass Grad und Inhalt der Normabweichung kommuniziertund auch in dem der Prüfung dann folgenden Unterricht aufgegriffenwerden. Dafür ist es wichtig, dass die Prüfenden über die Fähigkeitverfügen, Fehler nicht nur intuitiv zu erfassen, sondern diese struk-turiert den Lernenden und nach Möglichkeit auch den Lehrenden, diediese vorbereitet haben, zu kommunizieren.

4.2.4 Fehlerangst

In einer Aikido-Gruppe mit einer konstruktiven Fehlerkultur wissen dieLernenden, dass sie keine Angst haben müssen, etwas vorzuzeigen,da das Vorführen eben kein Vorgeführt-Werden ist, sondern eineChance, an den eigenen Fehlern zu arbeiten und so in der eigenenEntwicklung im Aikido voranzukommen. Fehler werden als Chance„umarmt“, einen Schritt auf dem Weg weitergehen zu können, anihnen zu wachsen. Niemand muss Scham empfinden oder sich bloß-gestellt sehen, weil er oder sie eine Korrektur erfährt – auch wenn mitder Feststellung, dass ein Fehler vorliegt, mitunter die „bittere“ Er-kenntnis einhergeht, dass man die entsprechende Bewegung dieganze Zeit vorher falsch ausgeführt und womöglich auch anderenungünstig gezeigt hat. Dies ist insbesondere für Lernende vonRelevanz, die selbst in der Rolle als Aikido-Lehrende agieren.

Das vermutlich nicht ganz schädliche Restquantum Fehlerangstkommt jedoch bei der Vorbereitung auf Prüfungen zum Tragen, da diePrüflinge dann in der Prüfung nicht die Option haben, Bewegungenmehrfach zu zeigen und in Ruhe Korrekturen einzuarbeiten.

4.3 Beispiel: Peer Review in der Prüfungsvorbereitung

In der Vorbereitung auf eine Graduierungsprüfung im Aikido, insbe-sondere bei Dan-Prüfungen, ist es für die Lernenden wichtig, mög-

38 Tatsächlich sind die Bewertungskriterien bei Prüfungen in der Praxis komplexer, was auch die Prüfungsordnungen wiedergeben, in denen beispielsweise eine angemessene Berück-sichtigung von Alter und Geschlecht der Anwärterinnen und Anwärter gefordert wird. Für die vorliegende Betrachtung ist dies jedoch nicht erheblich.

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Anwendung im Aikido-Unterricht

lichst umfangreiches und detailliertes Feedback zu bekommen. Diesist in erster Linie Aufgabe der jeweiligen Lehrperson, die die Ausbil-dung dieser Lernenden leitet und begleitet.

Aikido-Lehrende können sich dabei die in einer Aikido-Gruppe kol-lektiv vorhandene positive wie negative Expertise zunutze machenund in Anlehnung an Peer Review-Verfahren (siehe Kap. 3.2) einbe-ziehen. Die „Peers“ sind hierbei die anderen Aikidoka der Gruppe,unabhängig davon, ob sie höher, gleich oder niedriger graduiert sind.

Dabei zeigen die Lernenden, die eine Prüfung anstreben, einen Teilder Prüfungsinhalte vor der gesamten Gruppe, die dann im Anschlussstrukturiert Feedback dazu gibt. Dieser Prozess wird von der Lehr-person angeleitet und moderiert.

Es gelten folgende Regeln für den Ablauf:39

• Alle an der Unterrichtseinheit teilnehmenden Aikidoka beobach-ten die Darbietung und sagen anschließend, was ihnen jeweilspositiv wie negativ aufgefallen ist (oder ihnen wertungsfreibemerkenswert erschien).

• Das geäußerte Feedback wird zur Kenntnis genommen,Nachfragen zur Klärung, was genau gemeint ist, sindzugelassen, jedoch keine Replik.

• Die Aikidoka mit der niedrigsten Graduierung beginnen mit demFeedback, die jeweils nächsthöhergraduierten Aikidoka folgendann der Reihe nach.

• Haben alle zuschauenden Aikidoka sich geäußert, gibt zunächstUke seine/ihre Eindrücke wieder, dann Nage.

• Abschließend fasst die Lehrperson die geschilderten Aspektezusammen, fügt die eigenen hinzu und gewichtet alle nachRelevanz für die nächsten Lernschritte, führt gegebenenfalls zurIllustration die festgestellten Fehler überzeichnet vor, damitdiese für alle erkennbar sind.

Wichtig ist, dass die Vorzeigenden dabei nicht den Eindruck erhalten,sich rechtfertigen zu müssen (daher auch das Replik-Verbot). Vielmehr

39 Das Verfahren wurde wie in diesem Kapitel beschrieben vom Verfasser zur Dan-Vorberei-tung in einer Übungsgruppe ab 3. Kyu mit ca. zehn Teilnehmenden, davon drei in Vorbereitung auf Shodan, angewandt. Es ist rein exemplarisch zu verstehen und enthält diverse Stellschrauben, an denen es modifiziert werden kann.

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Anwendung im Aikido-Unterricht

geht es darum, möglichst viele Perspektiven auf das Gezeigte ange-boten zu bekommen, um gegebenenfalls Fehler und vor allem derenUrsachen zu identifizieren. Dies ist von der Lehrperson vorher deutlichzu kommunizieren – auch hier gilt die Normtransparenz. Die Beobach-tenden sollten sich daher um konstruktive, zumindest aber nicht-angreifende Formulierungen bemühen.

Das Abgeben von Kommentaren müssen Aikidoka, die mit dieserMethode noch nicht vertraut sind, erst lernen. Gerade junge Aikidoka(im Sinne des Fortschreitens auf dem Weg, nicht des Lebensalters)ziehen sich gern darauf zurück, dass sie sich keine Meinung über dasDargebotene erlauben dürfen, weil sie selbst die gezeigten Formennoch nicht zeigen können.

Derartige Argumentationen blenden allerdings aus, dass schonPersonen, die noch gar kein Aikido betreiben, eine Wahrnehmung übergesehene Bewegungen haben und sich darüber auch eine Meinungerlauben dürfen. Aikidoka bilden sich unabhängig von Ausbil-dungsstand und Graduierung meist eine Meinung über geseheneBewegungsvorbilder, beispielsweise beim Besuch von Aikido-Lehrgängen mit anderen Lehrpersonen. Sie trauen sich nur oft nicht,diese zu äußern, weil sie es als vermessen empfinden. Allerdings istes zum Sehen und Einschätzen von Bewegungsbildern nichterforderlich, diese selbst zu beherrschen, auch wenn die Ein-schätzungen dadurch anzunehmenderweise qualitativ gewinnen kön-nen.

Hier ist durch die Lehrperson wiederum zu kommunizieren, dass dieAufforderung, auch aus dieser Perspektive Feedback zu geben,mehrere Zwecke verfolgt. So geht es darum, dass die Vorzeigendeninsbesondere auch „frische“ Eindrücke als Feedback erhalten, derenPerspektiven noch nicht so stark durch langjährige Aikido-Praxiskonditioniert sind, dass alle das Gleiche bemerken.

Von Interesse ist aber auch, diese jungen Aikidoka frühzeitig daranzu gewöhnen, gezeigte Aikido-Bewegungen konstruktiv kritisch zuanalysieren und das, was ihnen aufgefallen ist, strukturiert zumAusdruck40 zu bringen. Diese Kompetenz kommt schließlich mit-telfristig der gesamten Aikido-Gruppe zugute. Das Verfahren hilftzudem, frühzeitig Lernende zu erkennen, die das Potential dazuhaben, gute Aikido-Lehrende zu werden.

40 Dies muss nicht notwendigerweise verbal erfolgen; die Aikidoka können die Bewegungs-aspekte, die sie herausstellen wollen, auch demonstrieren.

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Anwendung im Aikido-Unterricht

Damit diese exemplarisch geschilderte Methode einen nachhaltigenEffekt erreichen kann, ist es nicht ausreichend, sie einmalig zurAnwendung zu bringen. Zum einen wird die Qualität der Rück-meldungen der Beobachtenden über die Zeit besser, da die Lernen-den sich daran gewöhnen und Formulierungssicherheit gewinnen.Zum anderen entfalten sich erst in der Wiederholung bestimmteAspekte wie beispielsweise das Erkennen von Zusammenhängen vondefizitären Bewegungsmustern, die sich über mehrere unterschied-liche Techniken hinweg bemerkbar machen. Kommentare etwa dahin-gehend, dass der bei Technik A verfolgte Lösungsansatz auch beiTechnik B helfen könnte, sind nicht nur hilfreiches Feedback für dieVorführenden, sondern haben auch die erfreuliche Nebenwirkung,dass die Beobachtenden Aikido zunehmend als Gesamtkomplexwahrnehmen und so für sich auch Lernfortschritte verbuchen können.

Ferner führt das Wissen, dass das Beobachten des gezeigtenBewegungsbildes mit einer Aufgabe verbunden ist, die im Anschlussabgefragt wird, dazu, dass die Beobachtung deutlich aktiver erfolgt.Die Beobachtenden versuchen, sich in die Lage der Vorführendenhineinzuversetzen, die Bewegungen mental nachzuvollziehen. Dabeirekapitulieren sie auch ihre eigenen Bewegungsmuster, gleichen siesowohl mit dem Gesehenen als auch dem Erwarteten ab. Das schongeschilderte advokatorische Lernen (vergl. Kap. 2.3) aus den Erfah-rungen anderer ist daher ebenfalls ein Effekt, der bei dieser Methodezutage tritt.

Damit die geschilderte Methode bei allen Beteiligten zu Lerner-folgen führen kann, ist es erforderlich, dass eine konstruktive Lern-kultur durch die Lehrperson bereits in der Gruppe implementiert undetabliert wurde. Nur wenn die Vorführenden keine übersteigerte Feh-lerangst haben und ihnen bewusst wie unterbewusst klar ist, dass alleabgegebenen Kommentare wohlwollend erfolgen, können sie sichauch emotional darauf einlassen, diese inhaltlich für sich anzu-nehmen, und von dem Fundus der vorhandenen Perspektiven pro-fitieren.

Für die Lehrperson ist dabei spannend, dass sie durch die Gesamt-heit der Rückmeldungen einen Eindruck davon bekommt, inwieweitbestimmte Erkenntnisse bereits oder noch nicht in der Lerngruppeverankert sind oder wo eventuell sogar falsche Vorstellungen undinnere Bilder von Techniken mehrfach vorkommen. Dies ist dann einFeedback, das zu einer Anpassung und Verbesserung des eigenenLehrverhaltens führen kann.

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Zusammenfassung und Ausblick

5 Zusammenfassung und Ausblick

Da die Unterrichtssituation in den gemeinnützigen Aikido-Vereinenheutzutage eher mit schulischen Begebenheiten vergleichbar ist alsmit den militärischen Ausbildungsmethoden der Samurai, lassen sichals Orientierungshilfen für eine Verbesserung des Aikido-UnterrichtensTheorien aus der Lehr-Lern-Forschung auf das Aikido übertragen.Dabei haben Aikido-Gruppen gegenüber der schulischen Situationdahingehend Vorteile, dass diese den Lehrenden eine stärkereIndividualisierung der Lerninhalte und -methoden erlauben undzudem kein Zeitdruck durch Schuljahre und darin einzuhaltendeLehrpläne besteht.

Die vorliegende Arbeit stellt die theoretischen Grundlagen vonnegativer Expertise und konstruktiver Fehlerkultur aus verschiedenenwissenschaftlichen Perspektiven vor und wendet sie auf modernenUnterricht in einer Aikido-Gruppe an. Dabei werden Vorschläge zurinhaltlichen Ausgestaltung und praktischen Umsetzung der theore-tischen Konzepte mit Fokus auf das Unterrichten fortgeschrittenerAikidoka skizziert.

Das Konzept einer konstruktiven Fehlerkultur bedingt, dassLehrende sich selbst als lebenslang Lernende betrachten, sowohl ihreFach- als auch ihre Lehrkompetenz dafür selbst beständig hinter-fragen und sich dahingehend Feedback von anderen einholen. Dadieser Aspekt der unablässigen Arbeit an sich selbst dem Aikidoinhärent ist, erscheint die Nutzung des Konzeptes in Aikido-Gruppenbesonders angemessen.

Zu den Schwächen dieser Ausarbeitung aus wissenschaftlicherSicht gehört es, dass einige Folgerungen in der praktischen Anwen-dung nur in empirisch zu vernachlässigenden Größenordnungen über-prüft werden konnten. Dies geschah zudem nur in Aikido-Gruppen, indenen der Verfasser selbst als Lehrperson agiert, was subjektiveEffekte nahelegt.

Allerdings hat der Verfasser aus seiner praktischen Erfahrung denEindruck gewonnen, dass die vorgestellten Konzepte und Methodenvon negativer Expertise und konstruktiver Fehlerkultur auch inanderen Gruppen zumindest implizit zur Anwendung kommen, jedochohne dass dies den dortigen Lehrpersonen sowie den Lernendenbewusst wäre. Bezüglich des Lernens aus Fehlern ist hier also nocheiniges an bisher ungenutztem Potential erschließbar, da sich bei

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Zusammenfassung und Ausblick

bewusster Kenntnis der Konzepte und gezielter methodischerAnwendung noch mehr positive Effekte erreichen ließen.

Der Fragestellung, inwieweit sich negative Expertise und konstruk-tive Fehlerkultur lerngruppenübergreifend anwenden lassen, gehtdiese Arbeit nicht nach. Die erforderlichen umfangreichen Überlegun-gen und Untersuchungen dahingehend, was in einer inzwischen rechtheterogenen Landschaft der Aikido-Interpretationen wie dem DABeigentlich so eindeutig als Fehler zu betrachten sein soll, hätten hierden Rahmen gesprengt.

Ferner lassen sich die vorgestellten Konzepte und Methoden nichtnur auf die Aikido-Technik anwenden, sondern auch auf einen Vereinoder Verband übertragen. Nicht nur Personen, auch Organisationenkönnen aus Fehlern lernen. Aufgegriffen wird dies im Begriff derlernenden Organisation41. Dieser entstammt dem organisations-theoretischen Konzept der Organisationsentwicklung.

In einer lernenden Organisation werden Ereignisse zum Anlassgenommen, Organisationskonzept, Wissensbasis und Handlungsspiel-räume an veränderte Situationen und Erfordernisse anzupassen. Teileder Mechanismen, die Lernprozesse von Organisationen ermöglichen,zeigen Analogien zur konstruktiven Fehlerkultur. Ebenso kann einenegative Expertise aus Erfahrungen im organisatorischen Bereich desAikido gewonnen werden.

Auch in der Historie des DAB gab es Ereignisse, die Anlass boten,Änderungen in Organisation und Ausrichtung vorzunehmen. Es wärefür den gesamten Verband, der nicht zuletzt aufgrund seiner positivenEntwicklung in absehbarer Zeit erneut vor Herausforderungen dahin-gehend stehen wird, wie mit veränderten Bedingungen umzugehenist, überlegenswert, sich mit dem Konzept der lernenden Organisationauseinanderzusetzen.

Unabhängig davon wäre es erfreulich, wenn diese Arbeit anderenAikido-Lehrenden als Ausgangspunkt für eigene Überlegungen zurUnterrichtsgestaltung diente und dazu anregte, mit den Konzeptenund Methoden von negativer Expertise und konstruktiver Fehlerkulturin deren Aikido-Unterricht zu experimentieren – auch, wenn dabeizunächst Fehler gemacht werden.

41 Für einen Einstieg ins Thema dieses kurzen Exkurses sei verwiesen auf den Wikipedia-Artikel „Lernende Organisation“. https://7mh.de/lowiki

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Literatur

6 Literatur

• Rolf Brand: Methodik des Kata-Unterrichts, Abschnitt 4: Das Kata-Training, ohne Datum, https://7mh.de/brandkata

• Martin Gartmeier, Johannes Bauer, Hans Gruber, Helmut Heid: Negative Knowledge: Understanding Professional Learning and Expertise, in: Vocations and Learning: Studies in Vocational and Professional Education, 2008, 1, 87-103. https://7mh.de/gart2008

• Markus Hansen: 合氣の形 – Kata im Aikido, Blogbeitrag, 2010, https://7mh.de/t444

• Markus Hansen: Kooperatives Lernen im Aikido, Blogbeitrag, 2009, https://7mh.de/t429

• Eugen Herrigel: Zen in der Kunst des Bogenschießens. Weller, Konstanz, 1948.

• Armin Kaiser, Ruth Kaiser: Metakognition. Denken und Problemlösen optimieren, Luchterhand, München, 1999.

• Dave Lowry: Autumn Lightning, The Education of an American Samurai, Shambhala Publications, Boston, 2001.

• Robert Merton: The self-fulfilling prophecy, in: The Antioch Review, Bd. 8, 1948. 193-210. https://7mh.de/selfpro

• Marvin Minsky: Negative Expertise, in: International Journal of Expert Systems, 1994, Vol. 7, No. 1, 13-19. https://7mh.de/minsky

• Fritz Oser, Tina Hascher, Maria Spychiger: Lernen aus Fehlern,Zur Psychologie des negativen Wissens, in: Wolfgang Althof (Hrsg.): Fehler-Welten, Leske + Budrich, Opladen, 1999, 11-41.

• Fritz Oser, Maria Spychiger: Lernen ist schmerzhaft, Zur Theorie des Negativen Wissens und zur Praxis der Fehlerkultur, Beltz, Weinheim, 2005.

• Fritz Oser: Aus Fehlern lernen, Wie „negatives Wissen“ hilft, es besser zu machen, in: profi-L 1/09, 2009, 4-6. https://7mh.de/oser2009

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Literatur

• Stefanie Rach, Stefan Ufer, Aiso Heinze: Lernen aus Fehlern imMathematikunterricht – kognitive und affektive Effekte zweier Interventionsmaßnahmen, in: Unterrichtswissenschaft, 40(3), 2012, 212-233.

• Horst Siebert: Pädagogischer Konstruktivismus, Lernen als Konstruktion von Wirklichkeit, Luchterhand, München, 2003.

• Maria Spychiger: Fehler machen und aus Fehlern lernen, Vortrag auf der VZL DaZ, 2006. https://7mh.de/spych2006

• Maria Spychiger, Reto Kuster, Fritz Oser: Dimensionen von Fehlerkultur in der Schule und deren Messung. Der Schülerfra-gebogen zur Fehlerkultur im Unterricht für Mittel- und Ober-stufe, in: Schweizerische Zeitschrift für Bildungswissenschaften 28 (2006) 1, 2006, 87-110. https://7mh.de/spykuos2006

• Maria Spychiger: Zur Rolle der Scham beim Lernen aus Fehlernund beim Aufbau von Normen und Fehlerkultur, in: Stephan Marks (Hrsg.): Scham – Beschämung – Anerkennung, LIT-Verlag, Münster, 2007, 71-88.

• Shoji Yamada: The Myth of Zen in the Art of Archery, in: Japanese Journal of Religious Studies, 2001, 28/1–2. https://7mh.de/herrigel

Hinweis: Sofern die genannten Texte online verfügbar sind, sind URLs mitangegeben, über die sie abgerufen werden können. Um ein Abtippen zu erleichtern, wurde dafür der Linkverkürzungsdienst7mh.de genutzt, der von mir selbst betrieben wird. Die URLs wurden zum Zeitpunkt der Einreichung dieser Arbeit geprüft.

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Markus Hansen – Aikido aus Fehlern lernen – Danksagung

7 Danksagung

Als ich 12 Jahre alt war, kam ich das erste Mal mit Aikido in Kontakt.Die (einigen Leuten in meinem Umfeld fast schon unheimliche)Begeisterung dafür ist seitdem nie wieder in mir erloschen. Aikido hatmein Leben nachhaltig geprägt.

Dafür danke ich allen, von und mit denen ich Aikido lernen durfteoder die mich anderweitig dabei unterstützt haben, insbesondereErnst Schmidt, der diese Begeisterung in mir entfachte und der nachwie vor ein Grund ist, warum sie nicht erlischt, sowie Rolf Brand,Martin Glutsch und Roger Zieger, die mir alle wichtige Hinweisgeberund Orientierungspunkte auf dem Weg waren und sind, und nichtzuletzt meinen Eltern, ohne deren Unterstützung ich kaum so früh sointensiv hätte loslegen können.

Wie ich Aikido nicht allein lernen konnte, so ist auch diese Arbeitnicht ohne Hilfe von anderen entstanden. Mein besonderer Dank gehtan Stefanie Rach, die mir wichtige Quellen zur Verfügung stellte undviele wertvolle Hinweise und Kommentare gab, an Céline Richtarski,deren Beobachtungen meines Unterrichts den Ausschlag für dasThema gaben, sowie an Sandra Mittelstedt, Ina Schiering und MaritHansen für Lektorat und Feedback.

An Marit geht zudem ein ganz herzliches und liebevolles Danke-schön dafür, dass ich den Freiraum hatte und habe, um meinergroßen Leidenschaft Aikido nachgehen zu können – mit allen Seltsam-keiten, die ich dabei mitunter an den Tag lege.

Ein weiteres Dankeschön richtet sich an all die ehrenamtlich Aktiven der Freeand Open Source Community, die mir mit insbesondere LibreOffice und den freienSchriftarten DejaVu Sans und IPAexGothic die Werkzeuge an die Hand gaben, meineGedanken in diese Form zu bringen.

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