al magazine «nomaden der neuzeit»
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Issue 4, November 2009, mit Beiträgen von Marco Büchel, Thomas Feuerstein und Benjamin Quaderer.TRANSCRIPT
Magazine
Issue 4, November 2009
«Nomaden der Neuzeit»
Institut für Architektur und R
aumentw
icklungan der H
ochschule Liechtenstein
Elenore
8
Wohin die Reise geht
ist ungewiss,
dass du dich bewegst
ist bestimmt.
85
Je fremder,
je besser.
Liebe Freunde und Sympathisanten, wo auch immer ihr gerade sein mögt.
Ich bin aufgebrochen, bin losgegangen, ohne mich ein einziges Mal umzudrehen. Seit gut einer Woche bin ich unterwegs, fahre mit Schnellzügen und schlafe auf Fussböden. Ich habe meine Schuhe abgelgt und gehe barfuss,
weil ich jeden Schritt, den ich mich von meiner Heimat entferne, spüren möch-te. Meine Zehen sind blutig und meine Fussohlen zerkratzt. Und: Ich mag es. Es ist ein gutes Gefühl, die Beschaffenheit der Oberfäche, ob Asphalt, Kies oder Sand, auf meiner Haut zu spüren. Was ich mit meinen Schuhen gemacht habe? Verschenkt natürlich. An eine Obdachlose. Ich glaube sie hat sich gefreut.Wohin meine Reise mich führt, weiss ich noch nicht. Ich plane nicht gerne, aber das wisst ihr ja. Wo es mir gefällt, bleibe ich solange bis ich denke, den Ort erkundet zu haben und zu verstehen, was er bedeutet, was er mir sagen will.
Ich bin eine Archäologin, die ver-sucht Hieroglyphen zu entziffern. Ich bin eine Tiefseetaucherin, die vor Abgründen und Tiefen keinen Halt macht. Ich bin Elenore, die Unerschrockene.
Passt auf euch auf meine Allerliebsten. Bis bald!
Auszug aus «Esperanto»
AnKarl und Martha Brass
Wiesengrundstr. 131090 Wien
Liebe Oma, lieber Opa
Bestimmt habt ihr es schon von Mama und Papa gehört. Mit dieser Postkarte möchte ich es euch aber dennoch selber mitteilen: Ich habe mein Studium abgebrochen, ja ich weiss, dass du das nicht verstehst Opa. Ich begebe mich für längere Zeit auf Reisen. Keine Angst Oma, ich werde keine Süssigkeiten von Fremden annehmen. Eigentlich wollte ich euch besuchen kommen, aber ihr wohnt ja so weit weg.
Ich sende euch viele Grüße aus der Stadt der Liebe,eure Elenore
Auszug aus «Esperanto»
Foto_Buexi_01
Vielleicht ist es ein
Wirbelsturm in Australien,
vielleicht ein umfallender
Reissack in China.
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Foto_Buexi_03
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Marco Büchel ist Skirennfahrer. 17 Mal stand er bisher im Weltcup auf dem Podest, davon viermal zuoberst. «Büxi» erzählt wie er beruflich und privat mit seinem Wohnmobil quer durch Europa reist. Seinen «festen Wohnsitz» haben er und seine Frau Doris in Triesenberg (LI). Ausserdem ist er Athletenbot-schafter der Entwicklungshilfeorga-nisation «Right to Play».
∆ www.marco-buechel.li∆ www.www.righttoplay.ch
Buexi
AL Was brauchst du um dich wohl zu fühlen, wenn du mit deinem Wohn-mobil unterwegs bist? MB Wenn meine Frau und der Hund dabei sind, dann reicht das schon. Dann fühle ich mich wie Zuhause. Mehr brauche ich nicht – egal wo wir sind. AL Bleibt ihr im Wohnmobil oder geht ihr ab und zu auch ins Hotel? Kocht ihr auch im Wohnmobil? MB Wenn wir im Winter unterwegs sind, übernachte ich im Hotel, verbringen aber viel Zeit im Camper. Im Sommer sind wir dann hauptsächlich im Camper. Kochen tun wir selten, praktisch nie. Zum Essen gehen wir auswärts.
AL Seid Ihr euch ans Duschen im Wohnwagen gewöhnt? MB Die Dusche haben wir noch nie benutzt. (lacht) Bei jedem Campingplatz gibt es Duschen und im Winter habe ich immer das Hotelzimmer, wo ich das Bad benütze. Der Camper wird sozusagen als Wohn- und Schlafzimmer mit-
genommen. Bei einem Weltcu-prennen ist es natürlich schön, wenn ich viel Zeit zwischen den Rennen habe und dann im Camper verweilen kann.
AL Ist es kein Problem während dem Weltcup sein Wohnmobil im Zielgelände zu parken? MB Man muss das halt abklären. Bisher war es immer so, dass das Team Bode Miller alles organisiert hat. Die sind ja auch immer mit drei bis vier Wohnmobilen unter-
wegs. Diesen Winter sieht es so aus, als wäre Bode Miller nicht dabei und darum müssen wir das selbst in die Hand nehmen. Das wird schon wieder klappen, weil wir ja auch viel weniger Platz brauchen. (lacht) Ich muss sagen, Wintercamping ist schon speziell. Im Sommer ist es halt schön, wenn du die Tür öffnest, die Son-nenstore runter lässt und im Freien sitzen kannst. Im Winter kannst du das vergessen.
AL Das ist also der Grund, wieso du dein eigenes Schneckenhaus überall mitnimmst – ausser, dass vielleicht die Assoziation Schnecke bei dir nicht ganz passend ist. MB Doch doch... (lacht) Die Idee ist schon lange ent-standen. Früher war ich Riesenslalom-Fahrer und hatte immer eine frühe Startnummer. Wenn es gut lief bin ich im zweiten Lauf ziemlich am Schluss dran gekommen. Und was tun in der Zwischenzeit, wenn das Hotel zu weit weg ist und man nicht in eine verrauchte «Beiz» sitzen will ? Daher kam die Idee mit dem Wohnwagen. Anfangs war es schwer mei-ne Frau davon zu überzeugen, ein Wohnmobil zu kaufen. Sie wollte immer einen VW Bus mit Blumenvorhängen. (lacht) Doch jetzt würde auch sie den Camper nicht mehr hergeben. Sie ist die Fahrerin und ich kann mich voll auf sie verlassen. Ich muss ihr nur mitteilen, wann und wo...
AL Dann fliegst du von einem Ort zum anderen? MB In Europa bin ich mit dem Auto unterwegs, ausser wir müssen nach Norwegen, dann fliegen wir auch. AL Was war der ausgefallenste «Wohnort» oder ein ungewöhnliches Erlebnis mit einem Fan? Fans, die vielleicht versuchten in den Camper zu kommen? MB Ja, das passiert immer. Vor allem wenn Bode Miller nebenan haust. Dann schleichen die Fans um den Camper und klop-fen auch mal. Bode spannt immer ein Band um sein «Areal» und dann akzeptieren das die Leu-te auch und kommen nicht näher. AL Hast du keine Klingel an der Haustür? MB Nein, eben nicht. (lacht) Das Speziellste was wir mal hatten, war in Bormio. Mit anderen Skirenn-
fahrern und deren Wohnmobilen, was dann auch schon mehr Luxusbusse waren, haben wir einen Kreis gebildet und in der Mitte ein Feuer und Party gemacht. Fast wie ein Zeltlager. Das war grandios, das Schönste, was wir gemacht haben.
AL Das ist schon so eine Art Ferienlagerstimmung? MB Im Winter ist das schon eher schwierig. Bode Miller sieht man fast nie, und wenn er da ist redet er nicht viel und ich bin auch nur da, um mich vorzubereiten. Meine Frau geht schon manchmal rüber zu den Nachbarn und es gibt ein Bierchen.
Kommenden Winter werden weitere Skifahrer mit ihren Wohnmobilen dazu kommen. Leider fangen die Veranstalter an zu rebellieren. Sie wollen denen, die mit dem eigenen Camper kommen, kein Hotelzimmer mehr zu Verfügung stellen. Obwohl jeder Läufer an einem Weltcuprennen Anspruch auf ein Zimmer hat. Das finde ich ein bisschen schade.
AL Ja, dann benützt du deine Dusche im Camper dann doch noch einmal... MB (lacht) Ich hoffe nicht! Mit so viel Gepäck – alleine schon sechs Paar Skischuhe – kann ich im Camper nicht richtig wohnen.
AL Wenn du unterwegs bist, was hast du dabei, damit du dich wohl fühlst? MB Zwei Sachen, die ich immer dabei habe sind mein iPod und der Laptop. Das sind die wichtigsten Begleiter. Oder sonst vielleicht noch etwas zum Lesen. Seit zwei Jahren habe ich beim Reisen ein Einzelzimmer – leistungs- und alters-bedingt. (lacht) Das geniesse ich. Mit 38 Jahren ein Zimmer teilen, fällt mir schon schwer. Ich brauche mitlerweile meine Ruhe. Ich bin sechs Monate im Jahr unterwegs und ich reise für mein Leben gerne und finde es grandios. Jährlich im Training in Argentinien sind wir in einem Hotel ein wenig oberhalb der Baumgrenze und da ist es ziemlich langweilig. (lacht) Im Fernsehen laufen natürlich nur spanische Sender und Wireless Internet gibt’s nur an der Hotelrezeption – jedoch so langsam, dass es fünf Minuten dauert eine Seite zu öffnen. Dann frage ich mich daheim natürlich immer, was ich sonst noch mitnehmen könnte, damit ich mich zu Hause fühle. DVD, was zu lesen, iPod, hab ich alles dabei. Mir fällt nie mehr ein, was ich noch mitnehmen könnte.
AL Machst du dein Training zu Hause vorwiegend im Innen- oder im Au-ssenraum? MB Früher war es wetterbedingt. War das Wetter schön, ging ich nach draussen. Jetzt habe ich von Montag bis Freitag immer vormittags Indoortraining und am Nachmittag geht’s raus – egal bei welchem Wetter. Man sagt ja, es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung. (lacht)
AL Wenn du sechs Monate unterwegs bist, dann willst du die restliche Zeit hier zu Hause verbringen und auch hier bleiben oder plagt dich das Fernweh schon nach kurzer Zeit? MB Ich bin sehr gerne zu Hause, aber nach einem Monat möchte ich wieder irgendwo hin. Der Drang nach der Ferne ist schon da. Ich geniesse es auch, spontan mit meiner Frau an den Wochenenden weg zu fahren. Wenn das Wetter gut ist, dann fahren wir mit dem Camper los. Wenn ich jetzt drei Wünsche frei hätte, dann ginge ich zuerst nach New York, dann nach Boston und dann nach Japan. Einfach hier zu sein die ganze Zeit, das behagt mir nicht. Verstehe mich nicht falsch, ich brauche die Abwechslung. Ich finde es zu Hause «u huara schööö». Das Fürstentum Liechtenstein ist ein Traum. Hier zu leben ist wirklich wunder-bar. Ich komme auch immer wieder gerne nach Hause. Aber mich kann man hier nicht anbinden, ich will gehen. (lacht)
AL Wie lange hast du dein Wohnmobil jetzt schon? MB Noch nicht lange, ungefähr zwei Jahre. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich ihn schon über zehn Jahre. (lacht) Wir geben ihn nicht mehr her.
AL Nach deiner Karriere, kannst du dir in dem Fall auch nicht vorstellen sesshaft zu werden? MB Ich habe eigentlich noch nie so darüber nachgedacht. Ich hoffe einfach, dass ich dann einen Job habe, mit dem ich viel reisen kann. Ein Journalist, der für den Skiweltcup der Damen im Winter und im Sommer für Fahrradrennen gearbei-tet hat, wurde mit 65 pensioniert – nach 40 Jahren «on the road». Er kaufte ein Weingut und zog mit seiner Frau dorthin. Nach einem Jahr waren sie geschieden. (lacht) Mal schauen, was ich dann mache. Vielleicht kann ich für das Fern-sehen arbeiten und beim Weltcup dabei sein. Das wäre traumhaft – immer noch beim Weltcup, aber ohne oben zu stehen und die Hosen voll zu haben. (lacht)
Interview_mit_Marco_Buechel
Wir könnten nicht leben,
wenn wir nicht wohnten.
Man ist frei,
aber immer ein bisschen
verloren.
Da ists gut
wo wir nicht sind.
In Zeiten, in welchen easyJet und Ryanair zum allgemeinen Vokabular gehören wie SBB und ÖBB, bekommt die Tradition des Nomadentums eine ganz neue Bedeutung. Wir wohnen einmal hier, arbei-ten ein andermal da und bewegen uns mit einer Leichtigkeit zwischen Zürich, Los Angeles und Tokyo hin und her, als ob es sich dabei um Vaduz und Feldkirch handle. Mobilität bedeutet heute Freiheit und Lebens-qualität, die Sesshaftigkeit erscheint oftmals als zu un-spektakulär.
Dabei vergisst man, dass in vielen Kulturen das Nomadentum eine Lebensform darstellt, die hauptsächlich Mittel zum Zweck ist. Familien samt Eigentum ziehen von einem Ort zum anderen, auf
der Suche nach Nahrung, Arbeit oder einem Dach über dem Kopf. Im Vergleich hierzu suchen wir aus Langeweile und Neugier das Weite, Exotische und ignorieren dabei oftmals die Qualitäten des Nahen. Sollten wir uns vielleicht für einmal glücklich schätzen, sesshaft zu sein, bevor auch bei uns das Nomadentum Mittel zum Zweck wird?
Das Redaktionsteam∆ [email protected]
P.S. Die Exkursionen des Institutes für Archi-tektur und Raumentwicklung der Hochschule Liechtenstein führten dieses Jahr nach Damaskus, Moskau, New York, Tokyo und Wien – und in den Bregenzerwald..;-)
Editorial_AL4
November/Dezember_2009
Mittwoch, 11. November, 18 UhrAndreas Bründler – CHINESE PROJECTS VORTRAg
Hörsaal 1 Hochschule LiechtensteinThe Asia Lecture Series 2009
Mittwoch + Donnerstag, 18. + 19. November, 9–17 UhrZwischenkritik der EntwurfsstudiosAtelier Auditorium Foyer Hochschule Liechtenstein
Mittwoch, 18. November 2009, 20 Uhr My Architect: A Son's Journey ARCHITEkTURfILM
Nathaniel Kahn (2004). E/d, 116 min.Urs Meister – Hochschule Liechtenstein kURZPRäSENTATION
filmreihe im Takino, Schaan kOOPERATION
∆ www.filmclub.li
Mittwoch, 25. November, 18.30 Uhr Visual Acoustics / The Modernism of Julius Shulman ARCHITEkTURfILM
Eric Bricker (2009). E, 83 min.Nils Estrich – Architekt, Triesen kURZPRäSENTATION
filmreihe im Takino, Schaan kOOPERATION
∆ www.filmclub.li
Mittwoch 2. Dezember, 8.30 Uhr Dietrich Schwarz VORTRAg
Atelier Hochschule Liechtensteinmittwochmorgen Vortragsreihe
Donnerstag, 3. Dezember, 18–20.30 UhrVision Liechtenstein 2020Wirtschafts- und Raumentwicklung. Zusammenhänge, Synergien, ReibungspunkteAuditorium Hochschule Liechtenstein∆ www.vision2020.li
18.30 UhrCarlo Scarpa ARCHITEkTURfILM
Grigor Murray (1996) OV, 57 min.Arno Bereiter – Architekt, Dornbirn kURZPRäSENTATION
filmreihe im Takino, Schaan kOOPERATION
∆ www.filmclub.li
Mittwoch 9. Dezember, 8.30 Uhr Nicole Hatz-Volpato und Marco Volpato VORTRAg
Atelier Hochschule Liechtensteinmittwochmorgen Vortragsreihe
Mittwoch 9. Dezember, 18 UhrCJ Lim VORTRAg
Hörsaal 1 Hochschule LiechtensteinThe Asia Lecture Series 2009
Donnerstag, 10. Dezember, 18 Uhr Zur Sprengung von Pruitt Igoe. PRäSENTATION UND gESPRäCH
Planungsparadigmen, Lenkungsmodelle und Rezeption des US-amerikanischen Sozialwohnungsprojektes mit Sabine Horlitz, Architektin, Berlin und Christiane Meyer-Stoll, Konservatorin Kunstmuseum Liechtenstein im kunstmuseum Liechtenstein kOOPERATION
∆ www.kunstmuseum.li
Mittwoch, 16. Dezember, 18.30 Uhr Playtime ARCHITEkTURfILM
Jacques Tati (1968). E/d, 120 min.Hugo Dworzak – Hochschule Liechtenstein) kURZPRäSENTATION
filmreihe im Takino, Schaan kOOPERATION
∆ www.filmclub.li
To live is the rarest
thing in the world.
Most people exist,
that is all./24.06.09
Du bist ein Ahornblatt
im Wind, du lässt dich
von Böen tragen.
84
Du bist die Möglichkeit,
die sich mit dem
Unendlichen multipliziert.
83
Du bist ein Schmetterling.
Du schlägst mit den Flügeln und
löst das Unvorhersehbare aus.
81
Zeit wär's zu fliegen.
When I left my home,
the sky split open wide.
Ich fühle die Luft
von anderen Planeten.
Ich muss
nirgendwo hin.
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Podrán cortar todas
las flores pero
no podrán detener
la primavera./12.06.09
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Der Drang nach der Ferne
ist schon da.
Zitat_Marco_Buechel_2
Zitat_Marco_Buechel_3
Ich finde es zu Hause «u huara schööö». Aber ich kann mich
hier nicht anbinden, ich will gehen.
Foto_Buexi_05 © Eddy Risch
Dass Architekten und Künstler gegen die Verankerung von Architek-tur an einem Ort und womit gegen die Markierung von Stelle anlaufen, ist kein neues Phänomen und hat vielfältige Gründe. Auch die kulturellen Dynamiken, die dabei propagiert werden, entspringen unterschiedlichen Motiven. Sie reichen vom Anarchismus bis zur Perfektionierung kapitalis-tischer Strukturen. Allen Ansätzen gemeinsam ist, dass der Raum spätestens seit der Moderne nicht mehr als hermetisch abgeschlossener Bereich gedacht werden kann. Frank Lloyd Wright proklamierte eine «destruction of the box», begriff den Innenraum aber weiterhin als die eigentliche Realität des Hauses. Der klassische Raum-begriff, der auf einer zentralperspektivisch abbildbaren Raumkonzeption einer euklidischen Geometrie basiert, konnte erst nach Einführung der Zeit in die Konzeption von Architektur seine Korrektur erfahren. Statik be-zeichnete Le Corbusier als Akademismus und orientierte sich an Zeit- und
Raummaschinen, wie etwa dem Flugzeug. Die Futuristen bevorzugten die Architektur von Transitoren und forderten für Gebäude die Dynamik und Bewegung einer Maschine. Sie beschworen in ihren Ent-würfen und Manifesten die Entwurzelung des Menschen und seine Identifikation mit der Maschine.
Eine weitere Ausdehnung und Temporalisierung erfuhr der Raumbegriff unter den Konstruktivisten, wovon etwa der Entwurf für ein Columbus-Denkmal in Santa Domingo von Iwan Leonidow (1929) zeugt. Zwei 300 m hohe Sendemasten mit integrierten
Radiolaboratorien sollten eine Ton- und Bildverbindung in die gesamte Welt herstellen. Friedrich Kiesler nahm 1930 die heutigen Entwürfe zu Medien-fassaden der Dekonstruktivisten vorweg. In «Contemporary Art Applied to the Store» integrierte Kiesler Empfangsflächen für fernübertragende Bilder in den Wänden, womit sein «Telemuseum» einen Vorläufer jener Museen darstellt, die bemüht sind, ihre Sammlungen im virtuellen Raum fortzufüh-ren. Die Ankunft von Informationen aller Art beginnt die physische Orts-veränderung abzulösen, womit Immobilien zum statischen Mobil werden. Architektonischer Raum wird hier bereits über die Mauern hinaus als ein unabgeschlossener Bereich gedacht, der durch Kommunikation mit anderen Räumen bestimmt wird.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wird die formelle Anbindung an das Ma-schinenmodell manifest, indem Gebäude als am Ort stillstehende Motoren und ihre Verbindungsstrassen als Transmissionsriemen gefasst werden. In den 50er/60er Jahren entwerfen Architekten und Gruppierungen wie Archigramm, Constant oder die japanischen Metabolisten Architekturen, die Veränderung, Bewegung und Metamorphose postulieren. In Constants Utopie eines New Babylon zum Beispiel befindet sich alles in perma-
nenter Fluktuation, werden Menschen aus allen Bindungen befreit, und bildet Architektur eine möglichst autonome technische Umwelt. Constant schafft die Vision eines «variablen Sozialraums» und eines architektoni-schen Raums in Form einer «flexiblen Umwelt», in der die Freiheit besteht, jeden gewünschten Zustand künstlich herzustellen. Architektur koppelt sich von der natürlichen Welt ab und bildet eine eigene Welt, die an die virtuellen Welten heutiger Computersimula-tionen erinnert. Der Künstler und Architekt wird bei Constant zu einem homo ludens und Nomaden, dessen Aktionsradius den gesamten Globus umspannt. […] Die Auflösung starrer Architektur und das Verlangen, sie in Bewegung zu versetzen, muss aber in jedem Fall als ein Symptom für den Verlust von Öffentlichkeit und als das Bemühen der Architektur, neue Konzepte für einen sogenannten «öffentlichen Raum» zu erstellen, gewertet werden. […] Architektur, die an einem Ort steht, wird in eine «Archetektur» verwandelt, in ein Schiff, das durch einen virtuellen Raum navigiert. Jene falsche Etymologie, nach der die Arche die Urform des Gebauten darstellen soll, fordert ihren Tribut, indem das Haus sich mit dem Automobil zur indus-triellen Utopie verquickt. […]
Unter dem Diktat des Konsums mutieren Orte zu Stätten der Gleich-förmigkeit, die eine warenästhetische Identifizierung anvisieren. […] Stadtraum und in weiterer Folge auch Landschaftsraum wird in einen hyperbolischen Raum transformiert, wo anhand der Gleichförmigkeit und des konformen Angebotes unendliche Orte von unendlicher Beschränktheit zu liegen kommen: Man bekommt überall alles, aber immer ist es dasselbe. Kaufhäuser und Shopping Malls rücken zunehmend als Gestaltungsmög-lichkeiten von Freizeit in den Mittelpunkt des Konsumverhaltens. Café, Theater, Warenhaus, Galerie, Arztpraxis finden sich dort am selben Ort ein. Ihrer Funktion und Ästhetik nach werden diese Orte zu Aggregaten, wie wir es von den Unterhaltungsmustern des Fernsehens gewöhnt sind. Gesellschaft erfährt eine Inszenierung und Kultur verkommt zu einem Geschäft, dessen Preis die Ausschaltung aller Aspekte einer nichtkommerziellen Kultur ist. Es vollzieht sich eine Verfilzung von Orten hin zu einem Sprawl, das marktstrategisch orga-nisiert ist, indem es jede Stelle zum Mittelpunkt eines konsumzentrierten In-der-Welt-Seins macht und jede Regung einer kulturellen Ausdifferenzie-rung in ein statisches Floating des kapitalistischen Motors einspeist. Wohin man im Sprawl sich auch bewegt, es findet keine Ortsveränderung statt. Die Freiheit zur ständigen Veränderung des eigenen Standpunkts für die Anschauung der Welt und somit auch die Freiheit der Selbstbestimmung, […] erscheint hier verstellt. […]
Ein Leerraum als Spielraum, in dem
Platz für Möglichkeitssinn bleibt und wo Aussicht auf Veränderbarkeit und Sinnge-nerierung vorhanden ist, wird im Zement der Fundamentalisierung zur Erstarrung gebracht und verbaut. Die heutigen Kriegsstrategen sind nicht mehr Generäle, sondern Marketingfachleute und Corporate Identity-Berater, die die mediale Schnittstelle sogenannter Öffentlichkeit zur Front ihres Konsumkrieges erklären. Das Opfer dieses Kampfes ist die Demo-kratie, deren Sinnbild, der öffentliche Raum, zum Set eines hermetisch abgeschotteten Schauplatzes geworden ist.
Abgesehen von theoretischen Reflexionen wie unter anderen Virilios Dromologie, Sloterdijks Kritik am Mobilitätswahn, Flussers Vision vom Ende der Sesshaftigkeit oder Baudrillards Fatalismus, sind Architektur und Kunst in ihrer Praxis gefordert, sich gesellschaftspoliti-schen Strömungen zu stellen und ihre Positionen, Möglichkeiten und Funktionen vor dem Hintergrund einer immer komplexer erscheinen-den Realität ständig von neuem zu überprüfen. […] Im Umfeld eines omnipräsenten, Gleichförmigkeit und Indifferenz fordernden Medien-verbundes, in dem Waren und Infor-mationen in einem alles umspan-nenden Netz zirkulieren, beginnen sich Menschen wieder verstärkt in Nischen einzurichten und an schon längst überwunden geglaubte Identitäten zu klammern. Die Überschreitung geographischer und materieller Grenzen durch Techniken der Telematik scheint dabei zu einem umgekehrt proportionalen Bedürfnis zu führen, das im Verlangen nach neuen Grenzen und alten Identitäten zum Ausdruck kommt. Eine allgemeine Unsicherheit, die mit dem Gefühl des Entzuges des eigenen Ortes und damit verbunden der eigenen Identität einhergeht und als Bedrohung gefasst wird, wird zum Auslöser eines anachronistischen Be-dürfnisses nach ideologischer Positionierung. Eine ideologische Umlegung des Ortsbegriffes auf das Territorium in Form von Fremdenhass etwa ist dafür nur eines von vielen Symptomen.
Architektur und Kunst, deren Aufgabe es immer schon war, Orientie-rungs- und Ordnungspunkte zu setzen und Orte zu markieren, erwachsen in diesem Zusammenhang neue Funktionen, die nach neuen Taktiken verlangen, um gesellschaftlicher Realität Genüge zu leisten. Eine Kultur im Zeichen der Mobilität verlangt nach einem Denken, das Architektur weiter fasst als die «Einfalt des Gevierts» und von der Kunst mehr erhofft als die Absteckung von Grenzen, innerhalb derer Ordnung sichtbar gemacht und vereinfacht werden kann. Kunst kann nicht heissen, die Welt zu begrenzen und innerhalb dieser Grenzen sie in Ordnung zu bringen, sondern es ist ihre Aufgabe, Methoden der Aggregation und Komplexitätssteige-rung zu entwerfen, die in der Lage sind, Wahrneh-mungsprozesse innerhalb und ausserhalb von Orten und ihrer Grenzen zu provozieren.
Architekturen – Archetekturen aus «Der Künstler als Translokateur» (Auszug)1
Architektur, die an einem Ort steht,
wird in eine «Archetektur» verwandelt,
in ein Schiff: das durch einen virtuellen Raum
navigiert.
Zitat_Thomas_Feuerstein_2
Foto_Buexi_04 © Eddy Risch
Auszug aus «Esperanto»Auszug aus «Esperanto»Auszug aus «Esperanto»Auszug aus «Esperanto»
Benjamin Quaderer ist Germanistikstudent in Wien (A) und macht Slam Poetry.Die Textfragmente sind Auszüge aus seiner Arbeit «Esperanto».
Beni
Mittwoch 20. Januar, 9–16.30 UhrArchitektur Schnuppertag für Schüler Interessierte Jugendliche bekommen eine wertvolle Entscheidungshilfe und einen umfassenden Einblick in den Fachbereich und das Studium.Atelier Hochschule LiechtensteinAnmeldungen bitte per E-Mail an:∆ [email protected]
Mehr Infos zu allen Veranstaltungen ∆ www.hochschule.li/architektur
Januar_2010
Foto_Buexi_02 © Eddy Risch
Der Camper wird sozusagen als
Wohn- und Schlafzimmer mitgenommen.
Zitat_Marco_Buechel_1
Thomas feuerstein ist Künstler und Autor. Seine Arbeiten und Projekte realisieren sich in unterschiedlichen Medien und umfassen Installati-onen, Objekte, Zeichnungen, Malereien, Skulpturen, Fotografien, Videos, Hörspiele und Netzkunst. Wesentliche Aspekte bilden das Zusammenspiel sprachlicher und visueller Elemente, das Aufspüren latenter Verknüpfungen zwischen Fakten und Fikti-onen sowie die Verschränkung zwischen Kunst und Wissenschaft – wofür er die künstlerische Methode der «Konzeptuellen Narration» entwickelte.Thomas Feuerstein lebt in Wien (A).
∆ www.myzel.net
1 Thomas Feuerstein, ORT UND ALIBI – Der Künstler als Translokateur, in: Mer/Feuerstein/Strickner (Hg.), TRANSLOKATION, Wien 1994, S. 105–147
Myzel
∆ www.hochschule.li/architektur
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Die Ankunft von Informationen aller Art beginnt die physische Orts-
veränderung abzulösen, womit Immobilien
zum statischen Mobil werden.
Zitat_Thomas_Feuerstein_1
Auszug aus «Esperanto»Auszug aus «Esperanto»
Liebe Freunde, quer über den Globus verteilt.
Ich lebe immer noch, und wie! Ich spüre wie ich von Tag zu Tag leichter werde, unnötigen Ballast abwerfe, um schneller und weiter gehen zu können, um höher zu klettern und tiefer zu fallen. So soll und muss es sein. Die einzigen Werkzeuge, die ich zur Verfügung habe sind meine Sinne. Meine Augen und Ohren, die Hände und Finger, die Zunge: Mei-ne Wahrnehmung, die Aisthesis (ein wenig aus meinem Studium ist anscheinend doch hängen geblieben).
Aus...«Esperanto»