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Alte Energiewelt – Neue Energiewelt Trends und Akteure in einem zunehmend digitalen Energiesystem CHRISTINE LUCHA LISA MEINECKE böll.brief GRÜNE ORDNUNGSPOLITIK #9 Februar 2019

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Alte Energiewelt – Neue EnergieweltTrends und Akteure in einem zunehmend digitalen Energiesystem

CHRISTINE LUCHA LISA MEINECKE

böll.brief GRÜNE ORDNUNGSPOLITIK #9Februar 2019

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Das böll.brief – Grüne Ordnungpolitik bietet Analysen, Hintergründe und programmatische Impulse für eine sozial-ökologische Transformation. Der Fokus liegt auf den Politikfeldern Energie, Klimaschutz, Stadtentwicklung sowie arbeits- und wirtschaftspolitische Maßnahmen zum nachhaltigen Umbau der Industriegesellschaft. Das böll.brief der Abteilung Politische Bildung Inland der Heinrich-Böll-Stiftung erscheint als E-Paper im Wechsel zu den Themen «Teilhabegesellschaft», «Grüne Ordnungspolitik» und «Demokratie & Gesellschaft».

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung 4

1 Anliegen der Studie 5

1.1 Gegenstand, Zielstellung und Aufbau 5

1.2 Grenzen der vorliegenden Studie 6

2 Einführung 8

2.1 Ausgangslage 8

2.2 Von der Alten Energiewelt zur Neuen Energiewelt 9

2.3 Gesetzliche Rahmenbedingungen und energiepolitische Ziele 10

3 Die Ambivalenz der Digitalisierung: Datenschutz und ökologische Bilanz 12

3.1 Datenschutz 12

3.2 Ökologische Bilanz 14

4 Ausgewählte digitale Technologien und ihre Potenziale 16

5 Aktuelle Trends und Akteurskonstellationen 17

5.1 Trends im Energiesystem 17

5.2 Akteursmapping: Die Transitionsphase 24

6 Akteure in der Neuen Energiewelt 28

6.1 Mögliche Auswirkungen eines digitalisierten Energiesystems 28

6.2 Akteursmapping: Die Neue Energiewelt 32

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7 Fazit 34

7.1 Schlussbetrachtungen 34

7.2 Offene Fragen 35

Literaturverzeichnis 37

Glossar I: Begriffe der Energiewirtschaft 41

Glossar II: Regulatorischer Rahmen der Energiewende 47

Die Autorinnen 49

Impressum 49

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Zusammenfassung

Welche Trends und Entwicklungen prägen das Energiesystem? Wie verändern digitale Technologien und datenbasierte Geschäftsmodelle den Energiemarkt? Wie verändert sich die gesamte Landkarte der Energieversorgung?

Diesen Fragen widmet sich die vorliegende Kurzstudie. Sie dient dem besseren Verständnis des zunehmend digitalisierten Energiesystems als Grundlage für Politikgestaltung. Sie beschreibt die drei Phasen «Alte Energiewelt», «Transition» und «Neue Energiewelt» und behandelt auch, welche Herausforderungen und Optionen sich daraus für die beteiligten Akteure – etwa Erzeuger, Prosumer oder Energieversorgungsunternehmen – ergeben.

Derzeit befinden wir uns in der Phase der Transition. Sie ist von einem zunehmenden Anteil Erneuerbarer Energien und der fortschreitenden Digitalisierung geprägt. In der Neuen Energiewelt werden sich die Strukturen von einem linearen hin zu einem vernetzten, zirku-lären System verschieben, das verstärkt auf bündelnde Akteure angewiesen sein wird. Die Rollen der verschiedenen Akteure werden weniger klar definiert sein, sondern sich mehr und mehr überschneiden. Prosumer und Konsument/innen werden einerseits steigenden Einfluss haben, andererseits aber von datenverarbeitenden Unternehmen abhängen.

Politik kann die Entwicklung der Neuen Energiewelt proaktiv gestalten und nach den Prämissen von ökologischer Nachhaltigkeit, Dezentralität und Datenschutz ausrichten. Politikgestaltung für die digitale Energiewende geht über reine Energiepolitik hinaus und müsste unter anderem Ansätze und Ansichten von Expert/innen aus angrenzenden Politikfeldern integrieren.

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1 Anliegen der Studie

1.1 Gegenstand, Zielstellung und Aufbau Die Relevanz von Daten und deren Verwertung im Energieerzeugungs- und -versorgungs-system (im Folgenden: Energiesystem) Deutschlands steigt stetig. Dies beeinflusst alle hier beteiligten Akteure. Deren Rollen, Aktivitäten, Interessen, Bedürfnisse und Einflüsse können sich mit zunehmendem Anteil Erneuerbarer Energien und mit zunehmender Digita-lisierung des Energiesystems massiv verändern. Die vorliegende Studie analysiert und erörtert die Dynamiken, denen diese Akteure unterliegen. Sie will ein Verständnis dafür schaffen, wie diese Prozesse sowie das System an sich zielorientiert gestaltet werden können.

Das Energiesystem ist ein höchst komplexes Funktionssystem. In Deutschland gibt es rund 80 Strategien, Gesetze und Verordnungen dazu. Strom wird an unterschiedlichen, teilweise regulierten Teilmärkten gehandelt. Private Haushalte, Prosumer und verschiedene Indust-rien werden als Verbraucher unterschiedlich qualifiziert. Die Digitalisierung krempelt das Energiesystem und damit auch die Energiewirtschaft massiv um.

Digitalisierung und Energieversorgung sind das Terrain hochspezialisierter Profis. Wenn beides im Sinne des Allgemeinwohls gestaltet werden soll, dann ergeben sich u.a. folgende Fragen: Welche Rahmen müssen gesetzt werden, damit die Digitalisierung möglichst sozial gerecht, inklusiv und ökologisch nachhaltig passiert? Was kann und will Politik hier gestal- ten und entscheiden? Solche Fragen sind hoch relevant, weil eine unzureichend gesteuerte Digitalisierung in sozialer und ökologischer Hinsicht ambivalent wirken kann.

Die vorliegende Kurzstudie soll einen Beitrag dazu leisten, sich diesen Fragen informierter nähern zu können. Sie beschreibt Istzustand und Veränderungen schematisch und erörtert Trends, Rahmenbedingungen und Akteursoptionen des aktuellen und eines zunehmend digitalisierten Energiesystems.

Teil der Studie ist eine akteurszentrierte Analyse dreier sich überschneidender Phasen der Veränderung des Energiesystems, die hier vereinfachend «Alte Energiewelt», «Transition» und «Neue Energiewelt» genannt werden. Die beschreibende Analyse will Verständnis und Übersichtlichkeit schaffen, um Politik gestalten zu können. Interessierte Lesende aus Politik, Wissenschaft und Verbänden sollen besser verstehen, wie Digitali- sierung wirkt – und wirken kann, wenn jeweilige politische Rahmenbedingungen angepasst werden. Die Studie beschreibt und extrapoliert mögliche Entwicklungen im Energiesystem. Sie will darlegen, wo entlang bestimmter normativer Orientierungen (ökologische, soziale und datenschutzrechtliche) ordnungspolitisches Handeln erforderlich wäre. Die Studie verzichtet gleichwohl auf Handlungsempfehlungen. Ihre Ergebnisse bilden eine Grundlage,

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aus der in einem weiteren Schritt politische Handlungsempfehlungen entwickelt werden können.

In Kapitel 2 werden Rahmenbedingungen und Status quo des Energiesystems dargelegt. Kapitel 3 widmet sich der Digitalisierung und rekapituliert Daten-(schutz-)erwägungen sowie Chancen und Risiken. Beispiele digitaler Technologien werden in Kapitel 4 aufgelistet und kurz erklärt. In Kapitel 5 werden die Trends, die den Übergang in die Neue Energie-welt prägen, beschrieben und ihre Auswirkungen auf die Akteure des Energiesystems systematisiert. Ausgewählte Akteure und ihre Verortung im Energiesystem werden in einem Mapping visualisiert. Kapitel 6 widmet sich den Veränderungen, die im Hinblick auf die Neue Energiewelt zu erwarten sind und stellt diese mit Fokus auf die Akteure in einem weiteren Mapping dar. In Kapitel 7 werden Schlussbetrachtungen angestellt und offene Anschlussfragen aufgeworfen. Das Glossar I im Anhang gibt Aufschluss über die wichtigs-ten Begriffe der Energiewirtschaft. Die im Text kursiv und blau markierten Begriffe werden dort kurz erklärt. Einen Überblick über die wichtigsten deutschen Gesetze in der Energiewirtschaft gibt Glossar II.

1.2 Grenzen der vorliegenden Studie

Auswirkungen auf Energiemärkte

Die vorliegende Studie will deutlich machen, welche Dynamiken im Energiesystem auf-grund von Digitalisierung, Dezentralisierung und dem Ausbau Erneuerbarer Energien bereits beobachtbar und noch zu erwarten sind. Im Fokus stehen die Akteure des Energie-systems; eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf Energiemärkte und deren Prozesse erfolgt nicht (vgl. hierzu etwa Reetz 2017).

Datenschutz

Digitalisierung und Datenschutzfragen gehen in politischen Debatten regelmäßig mitei- nander einher. Personen geben in vielen Kontexten unzählige, teils sensible Informationen von sich preis. Die Gesellschaft will missbräuchliche Datenverarbeitung verhindern und die Privatsphäre schützen. Der Staat soll deshalb Unternehmen (darunter viele monopol-artige Konzerne) regulieren, wenn sie Daten für ihre Geschäftsmodelle in großem Maßstab verarbeiten und z.B. Bewegungsprofile von privaten Nutzern erstellen. Datenschutz ge-winnt vor diesem Hintergrund eine der physischen Sicherheit vergleichbare Wichtigkeit (vgl. BNEF 2017: 10, 13).

Diese Kurzstudie geht auf die grundlegenden rechtlichen Rahmenbedingungen des Daten-schutzes ein, behandelt ihn jedoch nicht vertieft. Außer Betracht bleiben Besonderheiten hinsichtlich Datenschutz und Datenschutzrecht im Energiesystem. Ausgeklammert werden außerdem Fragen, die unter den Stichworten der Datensparsamkeit und der

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Datensouveränität diskutiert werden: Sowohl aus ökologischen als auch aus Datenschutz-gründen scheint es sinnvoll, nur so viele Daten wie nötig und so wenige wie möglich zu erheben und zu verarbeiten (vgl. Santarius 2018: 151 ff.). Entsprechende Anschlussfragen werden im Abschlusskapitel (Kapitel 7.2) aufgeworfen.

Ökologische Bilanz der Digitalisierung

Im Hinblick auf die Auswirkungen der Digitalisierung sind zudem Fragen zur ökologischen Bilanz von digitalen Technologien relevant. Klärungsbedürftig sind etwa der Stromver-brauch der Digitalisierung und die erforderlichen Rahmenbedingungen zur energetischen Amortisation. In diesem Zusammenhang stehen auch rechtliche und politische Regelungen zum Verhindern von Rebound-Effekten digitaler Technologien, also einer Erhöhung des Gesamtverbrauchs trotz bzw. aufgrund höherer Effektivität (vgl. Sühlmann-Faul et al. 2018: Teil 4). Die vorliegende Kurzstudie tippt diese Fragen an. Eine erschöpfende Analyse der ökologischen Bilanz des digitalisierten Energiesystems kann hier nicht geleistet werden.

Handlungsempfehlungen

Eckpunkte für politische Aktionen, die die Digitalisierung auf den Wunsch nach Daten-souveränität und positiver ökologischer Bilanz ausrichten, werden in dieser Studie ange- führt. Damit schafft die vorliegende Studie eine informierte Diskussionsgrundlage und ebnet den Weg für weitere Studien. Eine Anschlussstudie, die politische Handlungs-empfehlungen expliziert, ist von der Herausgeberin geplant.

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2 Einführung

2.1 AusgangslageAm 8. Oktober 2018 wurde ein Sonderbericht des Intergovernmental Panels on Climate Change (IPCC) über die Folgen einer globalen Erwärmung um 1,5°C gegenüber vor-industriellem Niveau vorgestellt. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die Begrenzung der Erderhitzung auf 1,5 statt 2,0°C die klimabedingten Risiken für Mensch und Natur erheblich reduzieren kann – allerdings erfordert dies weitreichende Umstellungen unter anderem im Energiesystem (vgl. IPCC 2018: 24).

Das Zieldreieck einer zuverlässigen, bezahlbaren sowie umweltschonenden Energiever-sorgung ist seit Jahren Richtschnur der Energiepolitik in Deutschland und u.a. im Energie-wirtschaftsgesetz verankert (§ 1 Abs. 1 EnWG; vgl. auch CDU/CSU/SPD 2018: Zeilen 3229 ff.). Die Umweltfreundlichkeit unserer Energieversorgung ist damit einer von drei gleichwertigen Pfeilern. Deutschland wird sein Klimaschutzziel für das Jahr 2020 deut- lich verfehlen, plant jedoch die gesetzliche Festschreibung der Ziele für das Jahr 2030 (vgl. CDU/CSU/SPD 2018: Zeilen 6741 ff.). Die Notwendigkeit einer umfassenden De-karbonisierung der Energieversorgung steht somit auch nationalpolitisch außer Frage.

Die Energiewende ist der zentrale Pfad, um die umfassende Dekarbonisierung des Energie-systems zu erreichen. Sie betrifft die Sektoren Strom, Wärme und Verkehr. Sie machen ca. 80 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs in Deutschland aus. Im Stromsektor wurde der Ausbau der Erneuerbaren Energien in den letzten Jahren stetig vorangetrieben (vgl. BMWi 2018: 29), in den übrigen Sektoren stagniert er jedoch. Die Stromwende muss durch eine Wärme- bzw. Kälte- und Verkehrswende komplettiert werden (vgl. Agora Energiewende 2017a: 9; Fischedick et al. 2018: 13). Auch der Industriesektor mit seinem enormen Energieverbrauch sollte hierein einbezogen werden. Mittels der Sektorenkopplung soll die Erreichung der Klimaschutzziele optimiert werden.

Hierbei wird der Digitalisierung ein besonders großes Potenzial zugestanden. Digitalisie-rung kann definiert werden als der Prozess der Verbindung von Geräten durch digitale Kommunikation sowie das Sammeln, Teilen und Analysieren von Daten, um Anlagen-betriebe zu verbessern (vgl. BNEF 2017: 3). Fraglich ist jedoch, ob und wie die Digitalisie-rung genutzt werden kann, um eine stärker ökologisch orientierte, verbraucherfreundliche sowie (kosten-)effiziente Energieversorgung zu erreichen. Denn unter Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit ist die Digitalisierung ein zweischneidiges Schwert: Ihrem potenziellen Beitrag zu Effizienzsteigerungen steht ein erheblicher Energiebedarf (beispielsweise für den Einsatz von Technologien wie Blockchain ) gegenüber (vgl. hierzu ausführlich Lange et al. 2018: Kapitel 3).

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2.2 Von der Alten Energiewelt zur Neuen EnergieweltDas Energiesystem entwickelt sich ständig weiter. Wenn als Bezugspunkt der Zustand vor der Liberalisierung des Energiesektors gewählt wird, lässt sich die Entwicklung des Energiesystems in drei Zeitabschnitte aufteilen. Der erste beschreibt die «Alte Energie-welt» vor der Liberalisierung des Energiesektors. Der zweite stellt den Istzustand, eine Transitionsphase, dar. Der dritte bezeichnet die «Neue Energiewelt», ein nachhaltig und digital geprägtes Energiesystem. Bislang fehlt in der Politik ein allumfassendes und detailliertes Big Picture für diese Neue Energiewelt (vgl. Reetz 2017: 5). Statt der bewuss-ten Gestaltung der Rahmenbedingungen zur Erreichung eines Zielzustandes sind eher kleinschrittige Regelanpassungen zu beobachten. Nichtsdestotrotz lassen sich feststehende Eckpunkte für die Neue Energiewelt ausmachen (vgl. beispielsweise Fischedick et al. 2018). Die folgende Abbildung stellt die Entwicklung im Überblick dar:

Abbildung 1: Übergang von der «Alten Energiewelt» zur «Neuen Energiewelt»

Quelle: eigene Darstellung.

· Liberalisierung des Energiemarktes· Phasen der Energiewende: 1. Markteinführung Erneuerbarer Energien (EE) 2. Ausbau EE und Systemintegration 3. Langzeitspeicherung und Sektorenkopplung 4. Absicht der endgültigen Verdrängung fossiler Energieträger· Netzausbau· Vorübergehend Erhöhung des Strombedarfs

TRANSITION (ab 1998)

· Monopolartige Strukturen· Fossile und nukleare Energieträger· Wenige Akteure· Hohes Maß an Regulierung

ALTE ENERGIEWELT

· Ausschließlich EE-basiert· Zentrale und dezentrale Strukturen· Stark automatisiert· Vielzahl an Akteuren· Höchst vernetzte Infrastruktur bis hin zur Mikroebene· Sektorenkopplung· Dekarbonisierung umgesetzt· Senkung des Energiebedarfs

NEUE ENERGIEWELT1998

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2.3 Gesetzliche Rahmenbedingungen und energiepolitische Ziele

Die Entwicklung des Energiesystems wird durch eine Vielzahl von Zielsetzungen auf natio-naler und europäischer Ebene geprägt, wie in folgender Tabelle dargestellt.

Tabelle 1: Energiepolitische Ziele Deutschlands und der EU

Nationale Ziele bis

Europäische Zielebis

2020 2030 2035 2050 2020 2030 2040 2050

Reduktion der Treibhausgasemissionen

mind. 40 %

mind. 55 % 80–95 %[1]

20 %

40 % 80–95 %[2]

Anteil der Erneuerbaren Energien 55–60 %

mind. 80 %[3] 32 %[4],[5]

Energieeffizienz: Reduktion des

Primärenergieverbrauchs

20 % 50 %[6] 30 %[7]

Quelle: Eigene Darstellung.

Auch der Kohle- und Atomausstieg prägen die deutsche Politik: Im Koalitionsvertrag zur 19. Legislaturperiode wurde der Einsatz der Kommission «Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung» («Kohlekommission») beschlossen, die bis Februar 2019 einen Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung erarbeiten soll (Deutscher Bundestag 2018a: 2). Im Atomausstiegsplan wurde u.a. anlässlich der nukle- aren Folgen der Erdbebenkatastrophe in Japan 2011 festgelegt, die Nutzung der Atom-energie gestaffelt bis zum 31. Dezember 2022 zu beenden (Deutscher Bundestag 2011).

1 Deutscher Bundestag 2018b: 16.

2 Gegenüber 1990; Europäische Kommission (2018b).

3 § 1 Abs. 2 Erneuerbare-Energien-Gesetz.

4 Des Bruttoendenergieverbrauchs.

5 Art. 3 Abs. 1 Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on the promo-

tion of the use of energy from renewable sources, 2016/0382 (COD), www.aib-net.org/documents/

103816/5909180/Final+text+of+RED+II+post-trilogue/fac12256-fb7c-6248-b2e8-b50dcd333715

6 Gegenüber 2008; BMWi 2014: 8.

7 Gegenüber 2007; Art. 1 Nr. 1 Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2012/27/EU

zur Energieeffizienz, COM (2016) 761 final, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/

?uri=CELEX:52016PC0761&from=EN

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Auf europäischer Ebene wird die Entwicklung derzeit vor allem durch das sogenannte Clean-Energy-Package der Europäischen Kommission geprägt. Es soll u.a. die Klima-schutzverpflichtungen der EU aufgrund des Pariser Klimaübereinkommens umsetzen und umfasst vier Richtlinien- und vier Verordnungsvorschläge, deren Texte teilweise noch verhandelt werden (vgl. Europäische Kommission 2018a).

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3 Die Ambivalenz der Digitalisierung: Datenschutz und ökologische Bilanz

Daten können definiert werden als «Gebilde aus Zeichen oder kontinuierlichen Funktionen, die aufgrund bekannter oder unterstellter Abmachungen Informationen darstellen, vor-rangig zum Zwecke der Verarbeitung oder als deren Ergebnis» (Arbeitsgruppe «Digitaler Neustart» 2017: 29). Daten werden oft als das Öl des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Sie werden bei zunehmender Digitalisierung des Energiesystems in immer größerem Umfang erhoben und spielen eine immer wichtigere Rolle. Dies verdeutlicht ein simples Beispiel: Herkömmliche Stromzähler werden einmal jährlich manuell abgelesen und geben lediglich Aufschluss über die verbrauchte Strommenge seit dem letzten Ablesedatum. Mit dem Einsatz von Smart Metern und entsprechender Software hingegen können Messerhebungen in Echtzeit durchgeführt werden. Sie können zudem genau aufschlüsseln, welches Gerät zu welcher Zeit wie viel Strom verbraucht.

Im Kern sind es drei Faktoren, die die Digitalisierung des Energiesystems vorantreiben: die schwankende Erzeugung von Solar- und Windenergie, die Sektorenkopplung zwischen den Energiebereichen sowie das Verhalten der Akteur/innen auf Erzeugungs- und Ver-brauchsseite. Diese drei Treiber werden weiter unten ausführlicher erörtert. Dreh- und Angelpunkt der Digitalisierung sind Daten, Datenauswertung und zunehmende Konnek- tivität. Im Folgenden werden zwei Bereiche beleuchtet, in denen sich die Ambivalenz der Digitalisierung des Energiesystems herauskristallisiert.

3.1 DatenschutzIm Rahmen eines digitalisierten Energiesystems sind insbesondere Stromerzeugungs- und Stromverbrauchsdaten von Interesse. Hier stellt sich zwangsläufig die Frage, wie mit den gesammelten Daten verfahren wird und wer sie nutzen darf. Die derzeitige Rechtslage in Deutschland zu Verfügungsrechten an persönlichen Daten ist ein «Flickenteppich» (Jentzsch 2018: 2). Klassisches Eigentum existiert nach derzeitiger Rechtslage nicht; die maßgebliche Frage ist, wer über die Nutzungsbefugnis an den Daten verfügt (Arbeitsgruppe «Digitaler Neustart» 2017: 34 f.).

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Grundsätzlich ist nach der Art der Daten zu unterscheiden:

Ȼ Anonyme Informationen: Informationen, die sich nicht auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen, Art. 4 Nr. 5 DSGVO.

Ȼ Pseudonymisierte Daten: Informationen, die ohne Hinzuziehung zusätzlicher Informa-tionen nicht mehr einer spezifischen Person zugeordnet werden können, Art. 4 Nr. 5 DSGVO.

Ȼ Personenbezogene Daten: Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identi-fizierbare natürliche Person beziehen, Art. 4 Nr. 1 DSGVO.

Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO, Verordnung [EU] 2016/679), die seit dem 25. Mai 2018 verbindlich gilt, setzt lediglich der Verarbeitung personenbezogener Daten Grenzen, Art. 2 Abs. 1 DSGVO. Diese ist hauptsächlich dann zulässig, wenn ein Einverständnis der Person, auf die sich die Daten beziehen, vorliegt, (Art. 6 Abs. 1 lit. a ) DSGVO; für weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen siehe Art. 6 DSGVO).

Ergänzt werden soll die DSGVO demnächst durch die ePrivacy-Verordnung, die die Verarbeitung elektronischer Kommunikationsdaten nur unter strengen Voraussetzungen erlaubt.[8] Verbände befürchten, dass dies eine Vielzahl energiewirtschaftlicher Geschäfts-modelle gefährdet.[9] Beispielsweise erfordern Smart-Home-Anwendungen die Verarbeitung von Verbrauchs- und Messdaten. Müsste hierfür jeweils ein Einverständnis des Endnutzers eingeholt werden, halten die o. a. Verbände die Anwendung für nicht praktikabel.

Eine Spezialvorschrift besteht hinsichtlich der von Smart Metern erhobenen Daten. Gemäß § 49 Abs. 1 und 2 Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) dürfen personenbezogene Daten ausschließlich von den dort aufgeführten berechtigten Stellen (Messstellenbe- treibern, Netzbetreibern, Bilanzkoordinatoren, Bilanzkreisverantwortlichen , Direkt- vermarktungsunternehmen nach dem EEG[10], Energielieferanten und Stellen, die über eine Einwilligung des Anschlussnutzers verfügen) erhoben, verarbeitet und genutzt werden.

8 Art. 8 Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council concerning the

respect for private life and the protection of personal data in electronic communications and

repealing Directive 2002/58/EC, https://iapp.org/media/pdf/resource_center/ePrivacyReg-2018-09-

20-draft.pdf.

9 Siehe hierzu das Verbändeschreiben an verschiedene Bundesminister /innen vom 1. Juni 2018, www.

bvdw.org/fileadmin/bvdw/upload/dokumente/recht/e_privacy_verordnung/Verbaendeschreiben_zur_

ePrivacy-Verordnung_vom_01.06.2018.pdf .

10 Erneuerbare-Energien-Gesetz vom 21. Juli 2014 (BGBl. I S. 1066), das zuletzt durch Artikel 1

des Gesetzes vom 21. Juni 2018 (BGBl. I S. 862) geändert worden ist.

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Die Energie-Datenerhebung erfolgt in gewissen Messperioden. So schreibt § 55 Abs. 1 MsbG vor, dass die Messerhebung von Smart Metern bei Letztverbrauchern im Viertel-stundentakt erfolgen muss, vgl. auch § 2 Nr. 27 MsbG. Technisch ist eine Erhebung be- reits in deutlich kürzeren Zeitabständen bzw. in Echtzeit möglich.

Eine gewisse Datenfülle ist notwendig, um in einem zunehmend erneuerbaren Energie-system Flexibilitäten, Verbrauch und Erzeugung aufeinander abzustimmen. Das Energie-system wandelt sich von einem Grundlast-System mit einigen hundert fossilen und nuklearen Großkraftwerken zu einem distributiven-dezentralen System mit vielen tausend Erneuerbaren-Anlagen. Das Verhalten der Akteur/innen auf Erzeugungs- und Verbrauchs-seite und die Möglichkeiten der Digitalisierung wirken wechselseitig aufeinander ein. Zum Beispiel wird das Verteilnetz durch die erwartete Zunahme von Elektrofahrzeugen und Ladeinfrastruktur vor neue Herausforderungen gestellt. Damit das Netz in den er-warteten Spitzenlast-Zeiten am Abend nicht zusammenbricht, wird an entsprechenden Smart Grids und Anreizen für gesteuertes, zeitversetztes Laden geforscht. Smart Meter in Verbindung mit dynamischen Stromtarifen können Verbraucher/innen helfen, Geld und Strom zu sparen.

Datenschutzüberlegungen führen bei der Nutzung digitaler Technologien regelmäßig zu einer Abwägung zwischen Komfort und Privatsphäre. Smart Home-Anwendungen z.B. versprechen Komfort, Energie- und Kosteneinsparungen gekoppelt mit mehr Sicherheit vor Einbruch. Gleichzeitig ermöglichen die erhobenen detaillierten Energieverbrauchsflüsse Rückschlüsse auf die private Lebensgestaltung.

Welche Berechtigungen an den eigenen (personenbezogenen wie anonymen) Daten ab-gegeben wird und welche Konsequenzen und Langzeitfolgen sich daraus ergeben, ist für Laien sowohl in technischer als auch in rechtlicher Hinsicht kaum abschätzbar. Auch wenn es zu zivilgesellschaftlichem Widerstand datenschutzbewusster Verbraucher/innen kommen mag, so darf bezweifelt werden, dass dadurch die Ausdehnung digitaler Tech- nologien im Energiesystem begrenzt werden kann.

3.2 Ökologische BilanzSowohl unter Umwelt- als auch Datenschutzgesichtspunkten bringen digitale Technologien weitreichende Chancen wie auch Gefahren mit sich. Es ist nicht möglich, ein oder zwei allgemein gültige, einfache Urteile abzugeben, etwa «Digitalisierung ist ökologisch gut, aber datenschutzbezogen schlecht». Stattdessen müssen auch und gerade mittels ge-eigneter politischer Rahmenbedingungen negative Folgen minimiert und positive Folgen maximiert werden.

Einerseits sind Ressourcen- und Energieverbrauch digitaler Infrastrukturen aus öko-logischer Sicht problematisch. Andererseits haben smarte Infrastrukturen und IKT

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insgesamt – wenn sie gut gesteuert werden – durchaus Potenzial, die Ressourceneffizienz zu steigern, das Energiesystem zu transformieren und zu einer «Dematerialisierung» der Wirtschaft beizutragen (vgl. hierzu ausführlich Lange, Santarius 2018: Kapitel 5).

Die folgende Tabelle stellt mögliche Nutzen und Risiken der Digitalisierung im Hinblick auf Umweltschutzgesichtspunkte im Überblick dar:

Tabelle 2: Überblick über mögliche Nutzen und Risiken der Digitalisierung in der Energieversorgung

Digitalisierung

Nutzen Risiken

– Effizientere Nutzung vorhandener InfrastrukturDigitale Vernetzung erlaubt erheblichen Zubau Erneuerbarer Energien ohne Netzausbau. Beispiels-weise können Big Data und Smart Data Analysen (siehe hierzu Tabelle 3 in Kapitel 4) Prognosen zu Stromerzeugung und -verbrauch optimieren. Auch kann die Nachfrage an das Stromangebot angepasst werden, anstatt die Erzeugung etwa durch Beschaffung von Regelenergie der Nachfrage anzupassen.

– Komplexitätsmanagement durch AutomatisierungDie drastische Zunahme der Komplexität des Energie-systems ist ohne die durch digitale Technologien ge- leistete Automatisierung kaum denkbar (vgl. Fische- dick et al. 2018: 15). Durch dieses «Komplexitäts-management» ergeben sich weitere Chancen zu Dezentralisierungs- und Partizipationsprozessen, beispielsweise indem zelluläre Ansätze intensiviert werden (als Beispiel siehe Smart Grids Plattform 2018).

– Rebound-Effekte sind möglichEffizienzsteigerungen können zu erhöhter Nutzung und damit zu Mehrverbräuchen führen, die das Einspar-potenzial übersteigen.

– Enormer Energiebedarf vieler digitaler TechnologienBeispiel Blockchain -Technologie: Eine Transaktion mit der Digitalwährung Bitcoin verbraucht rund 10.000 Mal mehr Energie als eine Buchung per Kreditkarte (Santarius 2018).

– Hardware sehr ressourcenintensivBeispiel Smart Meter : Sie enthalten Konfliktrohstoffe und ihre Produktion ist so stromintensiv, dass fraglich ist, wann sie sich energetisch amortisieren wird (vgl. hierzu ausführlich Lange et al. 2018: Kapitel 3; siehe auch Groll 2018).

Quelle: Eigene Darstellung.

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4 Ausgewählte digitale Technologien und ihre Potenziale

Die Energiewende ist auf digitale Technologien angewiesen: Die drastische Zunahme der Komplexität des Energiesystems ist ohne Automatisierung kaum zu bewerkstelligen. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht, welche Technologien bedeutend für die Digitalisierung des Energiesystems sind und welches Transformationspotenzial sie entfalten können (vgl. auch die Übersicht in BNEF 2017: Appendix A, 12 f., 19, 22 f.). Tabelle 3: Überblick digitaler Technologien und ihrer Potenziale

Digitale Technologien Transformationspotenzial

Behind the Meter-Generation Energieerzeugung zur Vor-Ort-Nutzung, die sich buchstäblich hinter dem Zähler auf dem Grundstück des Eigentümers befindet. Unterstützt durch Home Energy Management-Systeme können Prosumer damit einen höheren Grad an Autonomie und Unabhängigkeit von Energieversorgungsunternehmen und Netzen erreichen. Beispielsweise kann der mittels Solaranlagen produzierte Strom auch von Privathaushalten vermarktet bzw. gehandelt werden.

Blockchain , Smart Contracts

Prosumer können sich untereinander stärker mittels Kleinstnetzen (Microgrids) und gleichrangigem Handel («peer-to-peer») vernetzen. Diese dezentrale Form des Energiehandels kann ohne Energieversorgungsunternehmen oder Märkte stattfinden. Als zentraler digitaler Wegbereiter bietet sich die Blockchain -Technologie an. Über Smart Contracts kann der Stromhandel automatisch abgewickelt werden. Die Technologien können Prosumern außerdem ermöglichen, sich Strom an Märkten zu verschaffen oder produzierten Strom zu vermarkten. Dies könnte in Form von «Smart Clients» organisiert werden, die als Software auf dem Smart Meter instal-liert sind und individuelles Portfoliomanagement betreiben (vgl. Reetz 2017: 13 f.).

Home Energy Management- Systeme,

Smart Home-Anwendungen, Internet der Dinge

Produkte, die Energieflüsse im Haus überwachen, kontrollieren oder analysieren, beispielsweise intelligente Stromzähler und Thermostate in Kombination mit entsprechender Software. Durch Kommunikation smarter Geräte untereinander – das Internet der Dinge – ermöglichen sie eine Aufschlüsselung und effiziente Steuerung des Energieverbrauchs.

Maschinenlernen, Künstliche Intelligenz

Maschinenlernen und Künstliche Intelligenz können Prozesse und Planungen optimieren. Lernalgorithmen können beispielsweise Wetter- und Kraftwerksdaten verarbeiten und Vorhersagen akkurater machen.

Big Data,Smart Data

Die intelligente Aufbereitung von Daten verbessert die Erzeugungs- und Ver-brauchsprognosen . Das Netzmanagement kann so mittels zuverlässigerer Planun-gen optimiert werden. Assoziationsanalysen z.B. werten Daten hinsichtlich der Frage aus, welche Ereignisse in der Regel zusammen bzw. nacheinander auftreten. Dies ermöglicht eine vorausschauende Auslastung und auch Wartung der Netze.

Smart Grid Smart Grids sollen der dezentralen und volatilen EE-Einspeisung gerecht werden; entscheidend ist hierfür u.a. die Flexibilisierung des Netzes. Für eine effektive Flexibilisierung bedarf es der Erhöhung der Netzkapazität sowie Möglichkeiten zur Stromspeicherung (z.B. Power-to-X sowie Speichertechnologien). Zudem soll die Abstimmung von Angebot und Nachfrage automatisiert durch die zeitgleiche Auswertung der entsprechenden Daten an Netzknotenpunkten koordiniert werden. Diese Funktionen soll das Smart Grid mittels Ausstattungen zur Messung, Kontrolle und Optimierung von Stromflüssen erbringen können.

Quelle: Eigene Darstellung.

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5 Aktuelle Trends und Akteurskonstellationen

5.1 Trends im EnergiesystemWir befinden uns mitten in der Transition zwischen Alter und Neuer Energiewelt. Dabei hat die Energiewende eine Phase erreicht, die durch einen stetig zunehmenden Anteil der Erneuerbaren Energien , insbesondere an der Stromproduktion, geprägt ist. Diese müssen einerseits in die vorhandene Infrastruktur integriert werden, andererseits muss die Infra-struktur angepasst werden.

Weiterhin ist die Digitalisierung aller Lebensbereiche in vollem Gange. In der Energiewert-schöpfungskette wird bereits eine Vielzahl digitaler Technologien eingesetzt; fast täglich kommen neue Technologien bzw. Konzepte hinzu.

5.1.1 Höherer Anteil an Erneuerbaren Energien

Die Anlagen zur Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien haben andere Grundvoraus-setzungen und Strukturen als Kraftwerke, die fossile oder atomare Energieträger ein-setzen. Daher impliziert dieser Trend weitere Entwicklungstendenzen:

Dezentralisierung

Ȼ Das Energiesystem war dafür ausgelegt, Elektrizität von wenigen zentralen Groß-kraftwerken zu Verbrauchern zu transportieren. Weil Solar- und Windenergie weni-ger konzentriert gewonnen werden können als Energie aus fossilen Energieträgern, ist die Anzahl der Energieerzeugungsanlagen exponentiell angestiegen und die Komplexität des Systems somit sehr viel größer (BNEF 2017: 7).

Ȼ Potenziell kann sich das Energiesystem über eine Vielzahl an kleinen Zellen organi-sieren. In Energiezellen findet Erzeugung, Speicherung und Verbrauch auf einem kleinen, räumlich begrenzten Gebiet statt, sodass sie bis zu einem gewissen Grad selbstversorgend sind. Dies erfordert allerdings einen erhöhten Grad an kleinteiliger Vernetzung und Koordinierung und daher gewisse Rahmenbedingungen. Die Dezent-ralisierung allein wird nicht automatisch zu einem zellulär organisierten Energie- system führen. Ein solch zellulärer Ansatz wird beispielsweise im SINTEG-Projekt C/sells erprobt: Der lokale Energieausgleich von Erzeugung und Verbrauch erfolgt in einer Energiezelle durch die sektorenübergreifende Vernetzung aller Entitäten unter Nutzung von Speichern. So soll u.a. Prosumern größtmögliche Teilhabe gewährleistet werden (Smart Grids-Plattform Baden-Württemberg e.V. 2018).

Ȼ Teilweise schließen sich kleinmaßstäbige Energieproduzenten als Virtuelle Kraft- werke zu größeren Funktionseinheiten zusammen, die über ein gemeinsames Leitsys-tem koordiniert werden. So können sie ihre Erzeugung bündeln und als stärkerer Akteur an den Strommärkten teilnehmen.

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Ȼ Insbesondere die Verteilernetze wurden bereits stark ausgebaut, um die steigenden Anteile dezentraler EE-Einspeisung aufzunehmen. Daneben bedarf es auch des Ausbaus der Übertragungsnetze, um hohe Strommengen vor allem aus Großwind-parks besser zu Lastzentren bringen zu können. Abhängig vom jeweiligen Szenario kann hier z.B. der Transport aus Offshore-Windparks zu Lastzentren in südlichen Bundesländern gemeint sein.

Ȼ Die Strominfrastrukturen müssen zudem an die Erzeugungscharakteristika ange-passt sowie engmaschiger und reaktiver werden. Sie müssen außerdem stärker auf bidirektionalen Lastfluss eingestellt werden, d.h. Energieflüsse können auch von Akteuren erfolgen, die in der Alten Energiewelt reine Konsumenten waren. Entspre-chende Datenverarbeitungssysteme sind notwendig.

Partizipation

Ȼ Erneuerbare Energien erlauben es Privatpersonen zunehmend, Strom für den Eigen-verbrauch oder auch für Verbraucher/innen in der Umgebung zu produzieren – sie werden zu Prosumern . Dies kann ökologische und wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen. Lokale Unternehmen und (Bürger-)Energiegesellschaften stärken die Wert-schöpfung vor Ort (für Beispiele siehe Hoppe et al. 2015). Zudem kann die Identifika-tion der lokalen Bevölkerung mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien erhöht werden.[11] Im Erneuerbare-Energien-Gesetz wurde im Jahr 2017 das Fördermodell weitestgehend von festen Einspeisevergütungen (Preissteuerung) auf ein Ausschrei-bungssystem (Mengensteuerung) umgestellt. Statt feste Einspeisevergütungen zu garantieren, schreibt nun die Regierung gewisse Leistungsmengen aus. Die Bieter, die am wenigsten Förderung benötigen, erhalten den Zuschlag. Da nur Projekte teilnahmefähig sind, für die bereits eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung vorliegt, besteht die Befürchtung, dass große Anbieter bevorzugt werden. Denn kleinere Akteure wie Energiegenossenschaften tragen ein hohes finanzielles Risiko, wenn sie in ein Projekt investieren und eine Genehmigung beantragen, dann aber keinen Zuschlag erhalten. Dies könnte die Investitionsneigung in solche Projekte mindern. Aus diesem Grund enthielt das EEG 2017 gewisse Privilegierungen für Bürgerenergieprojekte. Diese wurden jedoch Mitte 2018 befristet außer Kraft ge-setzt. Die Auswirkungen bleiben abzuwarten.

Ȼ Prosumer und Bürgerenergiegesellschaften fordern auch Mitspracherechte ein, weil sie die Energieversorgung mitgestalten (Agora 2017a: 18; Fischedick et al. 2018: 12). Die Positionen der Prosumer sowie der Bürgerenergiegesellschaften

11 Grundsätzlich ist in der Bevölkerung eine ambivalente Haltung zur Energiewende zu beobachten.

Einer hohen Zustimmung zu ihren grundsätzlichen Zielen steht erheblicher Widerstand gegen

einzelne Infrastrukturprojekte gegenüber, zum Beispiel was den Hochspannungsleitungsausbau

oder Windenergieanlagen an Land betrifft (vgl. Agora 2018: 11f.).

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werden durch die Bestimmungen im EU-Clean-Energy-Paket erheblich gestärkt; es bleibt abzuwarten, wie diese Bestimmungen auf nationaler Ebene umgesetzt werden.

Flexibilität

Ȼ Strom ist ein leitungsgebundenes Produkt, das nach heutigem Stand der Speicher- systeme nicht in größerem Umfang und kosteneffizient gespeichert werden kann. Es muss zeitgleich erzeugt und verbraucht werden (vgl. Wawer 2007: 8). Flexibilität bezeichnet in diesem Zusammenhang die Veränderung von Einspeisung oder Entnah-me in Reaktion auf externe Notwendigkeiten, etwa zur Sicherung der Netzstabilität. Die Veränderung kann durch netz- oder marktseitige Maßnahmen erbracht werden (vgl. Bundesnetzagentur 2017: 6, dort mit Verweis auf Eurelectric: 2014). Dazu zählen für den zeitlichen Ausgleich flexible Erzeuger, flexible Verbraucher (zu- und abschaltbare sowie zeitlich verschiebbare Lasten) sowie Speicher. Für den räum- lichen Ausgleich werden die Stromnetze genutzt.

Ȼ Viele heutige Vorstellungen des Strommarkts bauen auf einer Fiktion auf: einem Stromnetz ohne Restriktionen, in das nach Belieben Strom eingespeist oder daraus entnommen werden kann. In der Realität aber muss stets eine Balance zwischen Einspeisungen und Entnahmen hergestellt werden, da das Stromnetz sonst zusam-menbricht. Es sind Maßnahmen wie Redispatch und Einspeisemanagement zum Ausgleich von Netzengpässen und -schwankungen erforderlich, deren Kosten über die Netzentgelte auf alle Verbraucher/innen verteilt werden.

Ȼ Derzeit trägt die Verbrauchsseite, und hier insbesondere die Haushalte, kaum zur Flexibilisierung des Energiesystems bei. Es bestehen kaum Anreize, etwa im Hinblick der Strompreisgestaltung, den Verbrauch dem Angebot anzupassen (vgl. Agora 2017a: 60).

Ȼ In der Politik besteht angesichts der vorhandenen Überkapazitäten im Stromsektor derzeit keine Einigkeit darüber, ob in den nächsten Jahren der Bedarf insbesondere an kurzfristiger Flexibilität zunehmen wird bzw. wenn ja, wie hoch er sein wird.

Ȼ Da der Netzausbau derzeit nur stockend vorankommt und die Redispatch-Kosten stark steigen (vgl. Agora 2017: 58; BCG 2018: 15), wird darauf hingewiesen, dass Speicher-Technologien bereits heutzutage wichtig seien, um den Strom zu nutzen, anstatt abzuregeln. Hierfür sind innovative Geschäftsmodelle von Bedeutung (siehe hierzu Ionescu; Kalny 2012).

Volatilität

Ȼ Die Stromerzeugung der Erneuerbare Energien hängt teilweise von Wetter- und Klimabedingungen ab. Zeitraum und Menge der Energieerzeugung sind daher schwieriger steuer- und vorhersehbar als bei herkömmlichen fossilen oder atomaren Großkraftwerken (BNEF 2017: 7). Es braucht daher auch auf der Erzeugungsseite Maßnahmen zur Gewährleistung der Netzstabilität.

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Ȼ Damit geht eine Volatilität des Strompreises einher, die etwaige Netzengpässe sowie Höhen und Tiefen der Stromproduktion abbildet. Hier gewinnt der Merit-Order- Effekt an Bedeutung: Als Merit Order wird die Einsatzreihenfolge der stromproduzie-renden Kraftwerke auf einer Stromhandelsplattform bezeichnet, um eine wirtschaft-lich optimale Versorgung zu erreichen. Diese orientiert sich an den niedrigsten Grenzkosten, also der Kosten, die bei einer Stromerzeugungsanlage für die letzte produzierte Megawattstunde anfallen. Erneuerbare-Energien-Anlagen haben geringe Grenzkosten, d.h. sobald eine Anlage errichtet und finanziert ist, fallen kaum noch Kosten pro produzierter Einheit Strom an. Herkömmliche Kraftwerke haben hin-gegen hohe Grenzkosten, sodass sie durch Erneuerbare-Energien-Anlagen in der Merit Order nach hinten verschoben werden (vgl. Next Kraftwerke 2018a). Aller-dings ist die Merit Order keine Vorgabe, mit der der Kraftwerkseinsatz koordiniert wird, sondern ein mögliches Erklärungsmodell dafür, wie die Preisbildung auf dem Strommarkt funktioniert.

Mögliche Auswirkungen der vorgenannten Trends auf ausgewählte Akteure werden in der folgenden Tabelle dargestellt:

Tabelle 4: Auswirkungen der Trends im Zusammenhang mit einem höheren Anteil Erneuerbarer Energien auf ausgewählte Akteure

ausgew. Akteure Dezentralisierung Partizipation Flexibilität Volatilität

Markt- und Handelsteilnehmer

– Mehr Akteure – mehr Handels- aktivitäten

– Anpassung der Bedingungen, unter denen eine Markt-/Handelsteilnahme möglich ist (Präqualifikations-bedingungen)

– Mehr Trans-aktionen notwendig

– Bedarf an neuen Märkten und Handelsplattformen

– Mehr Trans-aktionen notwendig

– Stärker schwanken-der Strompreis

Prosumer,Endverbraucher

– Erleichterte Teilnahme-bedingungen (an Märkten und am Handel)

– Höhere Anzahl, höherer Einfluss

– Teilhabemöglich-keiten

– Gefahr der Ent- solidarisierung (Partizipierende/Nicht-Partizipie-rende)

– Neue Betätigungs-felder

– Zuwachs an Risiken etwa durch flexible Stromtarife

Energieerzeuger – Wachsender Bedarf an EE

– Sinkender Bedarf an konventionell erzeugter Energie

– Neue Betätigungs-felder

– Höherer Konkurrenzdruck

– Steigende An-forderungen an EE-Anlagen (Vermarktung und Beitrag zur Netzstabilität)

– Neue Betätigungs-felder

– Weiter steigende Anforderungen an Steuerbarkeit der EE-Anlagen

– Umgang mit Schwankungen und Merit-Order-Effekt (und auch mit nega- tiven Strompreisen)

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ausgew. Akteure Dezentralisierung Partizipation Flexibilität Volatilität

Energieverteiler – Kleinmaschigere Netze

– Zunehmende Bedeutung der Verteilnetz-betreiber mit wachsenden Anforderungen

– Umstellen auf bidirektionalen Lastfluss

– Weiterer Netzaus- bau auf Verteil- und Übertragungsnetz-ebene

– Umgang mit zunehmender Anzahl an Akteuren

– Höherer Aufwand bei Netzsteuerung (abhängig vom Automatisierungs-grad)

– Systemdienste benötigt/Flex-Nachfrager

– Transparente Netzzustands-bestimmung wird gefordert

– Höherer Aufwand für Abgleich Fahrpläne Bilanz-kreisverantwort-liche – Lastfluss- berechnungen (abhängig vom Automatisierungs-grad)

Energie- versorgungs- unternehmen

– Zunehmende Nachfrage von Servicedienst-leistungen (neue Geschäftsfelder)

– Hierbei: Konkur-renz durch Digital- unternehmen

– Konkurrenz durch Prosumer bzw. durch Unter-nehmen, die diese bündeln

– Neue Betätigungs-felder

– Umgang mit Schwankungen und Merit-Order- Effekt (und auch mit negativen Strompreisen)

Intermediäre, u.a. Aggregatoren

– Neue Betätigungs-felder (kleinere Akteure bündeln; virtuelle Kraft-werke; etc.)

– Neue Betätigungs-felder (Bündelung Akteure; Direktver-marktung, etc.)

– Neue Betätigungs-felder (Bündelung Akteure, Angebot Portfolio-management, Direktvermarktung, etc.)

– Umgang mit Schwankungen und Merit-Order- Effekt (und auch mit negativen Strompreisen)

Rot = Hoher Veränderungsdruck und Risiken; Grün = Geringerer Veränderungsdruck und Chancen; Orange = Neutral Quelle: Eigene Darstellung.

5.1.2 Automatisierung

Digitalisierung ermöglicht im Energiesystem einen erhöhten Grad an Automatisierung. Sie kann dazu beitragen, dass Kosten und Aufwand von Transaktionen, vor allem im Hinblick auf den Handel von Stromprodukten, sinken, sodass sie häufiger durchgeführt werden können. Dies betrifft insbesondere Stromverbraucher, Stromverteiler und Stromversorger.

Stromverbraucher

Die Übermittlung des Stromverbrauchs wird zunehmend automatisiert. Herkömmliche Stromzähler, die einmal im Jahr manuell abgelesen werden, können durch Smart Meter ersetzt werden, die Stromerzeugungs- und -verbrauchswerte jederzeit an den Verbraucher und den Messstellenbetreiber senden können.

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In Deutschland wurde diesbezüglich das Messstellenbetriebsgesetz[12] als Kernstück des «Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende» erlassen, das eine flächendeckende Ausstattung von Energieversorgungs-Messstellen mit modernen Messeinrichtungen zum Ziel hat. Einige Messstellen müssen darüber hinaus mit intelligenten Messsystemen aus-gestattet werden, die mit einer Kommunikationseinrichtung ausgestattet sind (Smart Meter ). Diese Messstellen können den tatsächlichen Energieverbrauch in einem Haushalt nachvollziehbar machen und Nutzer/innen mittels entsprechender Software etwa ermög-lichen, «Stromfresser» zu identifizieren. Zudem können sie, etwa beim Betrieb einer Solar-anlage auf dem Hausdach, einen Überblick über Produktion und Einspeiseleistung in Echtzeit bekommen. Hieraus können wiederum Rückschlüsse auf den Wirkungsgrad der Anlage gezogen und eventuell Optimierungsmöglichkeiten gefunden werden.

Der Rollout, also der gestaffelte Einbau von Smart Metern , wird erst verpflichtend, sobald mindestens drei voneinander unabhängige Unternehmen intelligente Messsysteme am Markt anbieten (§ 29 Abs. 1 in Verbindung mit § 30 Satz 1 MsbG). Hierfür ist eine Zerti-fizierung der Geräte durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik erforderlich (§ 24 MsbG). Bislang hat noch kein Gerätehersteller einen Smart Meter zerti-fizieren lassen, sodass unklar ist, wann der Rollout abgeschlossen sein wird.

In einem flexiblen Stromnetz können Vernetzungstechnologien den Stromverbrauch hoch-fahren, sobald Strompreise wegen erhöhter Produktion niedrig sind. Das Aufladen von Elektrofahrzeugen oder anderen Batterien kann beispielsweise auf solche Zeitpunkte gelegt werden.

In Privathaushalten werden diese Vernetzungsverfahren durch Technologien wie Home Energy Management-Systeme ermöglicht. Sie können verschiedenen Zielen dienen. Für manche erschöpft sich der Zweck im Lifestyle-Effekt und Komfort, für andere bringen sie finanzielle Ersparnisse, beispielsweise in Kombination mit einem flexiblen Stromvertrag. Bei einem flexiblen Stromvertrag wird der tatsächliche Börsenstrompreis an den End-kunden weitergegeben. Er kann seinen Verbrauch anpassen, indem er beispielsweise vermehrt elektronische Geräte zu Tageszeiten nutzt, an denen der Strompreis niedrig ist.

Auch der Industrie- und Gewerbesektor profitieren von der Automatisierung – einerseits zur effizienteren Steuerung des Energiebezugs und -verbrauchs (und damit eventuell zur Senkung der Energiekosten) und andererseits zum Einsatz der Lastverschiebung bzw. des Demand-Side-Managements . Perspektivisch können die steuerbaren Lasten in größerem Maß etwa unter Nutzung virtueller Kraftwerke als Regelenergie vermarktet werden.

12 Gesetz über den Messstellenbetrieb und die Datenkommunikation in intelligenten Energienetzen vom

29. August 2016 (BGBl. I S. 2034), das durch Artikel 15 des Gesetzes vom 22. Dezember 2016

(BGBl. I S. 3106) geändert worden ist. Online: www.gesetze-im-internet.de/messbg/MsbG.pdf

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Stromverteiler

Auf der Verteilnetzebene sind viele Prozesse noch zeitaufwändig, weil sie manuell durch-geführt werden. Sensoren und Einheiten zur Phasenmessung z.B. können die Auslastung der Netze messen und melden. Anpassungsfähige, smarte Netze können darauf reagieren, indem sie z.B. in Zeiten hoher Stromproduktion Speicher ansteuern und in Zeiten niedriger Stromproduktion zusätzliche Erzeugungsanlagen aktivieren. Hier gewinnen optimierte Prognosen an Bedeutung: Durch automatisierte Datenauswertung und Maschinenlernen lassen sich Prognosen zu Energieerzeugung und -verbrauch so verbessern, dass sie als Grundlage für das Netzmanagement dienen können.

Stromversorger

Diese Ebene umfasst Energieversorgungsunternehmen , Grundversorger und Stadtwerke . Diesen Unternehmen wird im Zusammenhang mit dem Smart Meter Rollout in der Regel die Aufgabe des Messstellenbetreibers zufallen. Dies beinhaltet den Einbau und den Betrieb moderner bzw. intelligenter Messeinrichtungen. Damit verfügen sie auch über die Nutz- ungsbefugnis an den gemessenen Daten. Dies eröffnet neue Betätigungsfelder und Geschäftsmodelle wie Energiemanagementsoftware oder individualisierte Stromtarif- verträge. Gleichzeitig erfordert dies eine Bereitstellung des entsprechenden technischen Know-hows. So muss Personal für diese Aufgaben qualifiziert werden, was beispielsweise kleinere Stadtwerke finanziell überfordern könnte. Im Übrigen sind Technologien zur Prognoseoptimierung auch für Stromversorger von Bedeutung, etwa wenn sie den Verbrauch ihrer zu beliefernden Kunden kalkulieren.

Mögliche Auswirkungen dieses Trends auf ausgewählte Akteure werden in der folgenden Tabelle zusammengefasst:

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Tabelle 5: Auswirkung des Trends der Automatisierung auf ausgewählte Akteure

Automatisierung

Markt- und Handelsteilnehmer

– Transaktionen finden automatisch und kostengünstiger statt – Sinken der Transaktionskosten

Prosumer,Endverbraucher

– Können eigenständige Marktakteure mit individuellem Portfoliomanagement werden – Sinken der Transaktionskosten

Energieerzeuger – Erhöhung der Steuerbarkeit der EE-Anlagen – Teilnahme an Märkten erleichtert – Sinken der Transaktionskosten

Energieverteiler – Übertragungsnetze: Lastenausgleich und Flexibilisierung finden automatisiert statt – Perspektivisch Reduktion eines weiteren Netzausbaubedarfs – Aufgabenbereiche fallen weg

Energie- versorgungs- unternehmen

– Neue Betätigungsfelder – Allerdings Vorgaben zur Entflechtung der Netzbereiche (Unbundling ) – Konkurrenzdruck durch Digitalunternehmen

Intermediäre, u.a.

Aggregatoren,Messstellen-

betreiber, etc.

– Erleichterung Bündelung kleinerer Akteure, Vermarktung/Handel und Portfoliomanagement – Erhebung von Stromverbrauchsdaten, die detailliert aufgeschlüsselt werden können – Nutzung dieser Daten – Konkurrenz durch Digitalunternehmen

Rot = Hoher Veränderungsdruck und Risiken; Grün = Geringerer Veränderungsdruck und Chancen;

Orange = Neutral Quelle: Eigene Darstellung.

5.2 Akteursmapping: Die Transitionsphase

Die dargestellten Trends und ihre Konsequenzen prägen bereits das derzeitige Energie-marktdesign. Abbildung 2 stellt die Verortungen ausgewählter Akteure innerhalb des Energiesystems sowie deren Verbindungen dar und konzentriert sich auf den Stromsektor. Die ansatzweise bestehenden Verbindungen zu den Sektoren Wärme und Verkehr sowie zum Industriesektor werden angedeutet. Das Mapping erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und bildet nur eine Auswahl an Akteuren ab, um die Übersichtlichkeit zu wahren.

Die Akteure der Energiewirtschaft lassen sich grob folgenden Kategorien zuordnen, wobei diese sich teilweise überschneiden (sogenannte Intermediäre erbringen beispielsweise Koordinations- und Vermittlungsleistungen zwischen den unterschiedlichen Akteuren):

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Tabelle 6: Kategorien der Akteure der Energiewirtschaft

Energieerzeuger Energieverbraucher und Prosumer

Energieverteiler Staat/Governance

Energieversorger Wirtschaft und Gesellschaft

Quelle: Eigene Darstellung.

Auf der Ebene der Energieerzeuger wird die derzeitige Wertschöpfungskette der Energie-versorgung deutlich. Derzeit verläuft sie noch weitgehend linear von der Erzeugung über die Verteilung bis hin zur Versorgung der verbrauchenden Einheiten. Bei der Erzeugung spielen Erneuerbare Energien bereits eine maßgebliche Rolle. Die Refinanzierung der entsprechenden Anlagen läuft derzeit weitestgehend über das Ausschreibungsmodell nach dem EEG.

Die Energieverteiler lassen sich einteilen in die vier Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz Transmission, Amprion, Tennet TSO, transnetBW sowie zahlreiche Verteilnetzbetreiber . Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) legt die Aufgaben dieser Netzbetreiber fest (§§ 11 ff.). Dazu gehört der diskriminierungsfreie Betrieb eines sicheren, zuverlässigen und leistungsfähigen Netzes inklusive seiner Wartung und seines Ausbaus. Neuen Anlagen muss diskriminierungsfrei Netzzugang gewährt werden.

Die Energieversorgung wird vorrangig durch die Grundversorger gewährleistet. Grundver-sorger ist nach § 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG dasjenige Energieversorgungsunternehmen in einem Netzgebiet, welches die Mehrzahl der Haushaltskunden versorgt. In der Regel fällt dies den Stadtwerken zu, die die Daseinsvorsorge ihrer Bürger/innen unter anderem im Energiebereich zu decken haben.

Die Endverbraucher/innen haben jedoch das Recht, ihren Stromversorger frei zu wählen, sodass die Grundversorger im Wettbewerb mit anderen Energieversorgungsunternehmen stehen. Im Jahr 2016 lag die Quote von Verbrauchern, die ihren Stromanbieter wechseln, etwa bei 45 Prozent (Verbraucherzentrale Bundesverband 2017).

Für die Energiewirtschaft gelten die Vorschriften des EnWG zur Entflechtung (Unbund-ling ). Die Tätigkeitsbereiche von Energieversorgungsunternehmen und von Betreibern der Netze, welche natürliche Monopole darstellen, sind getrennt, um zur Liberalisierung beizutragen.

Der Handel von Strom findet auf verschiedenen Teilmärkten und Plattformen statt. Grund-sätzlich wird zwischen dem Terminmarkt als Handel mit längeren Vorlaufzeiten und dem Spotmarkt als kurzfristigem Handel unterschieden. Letzterer teilt sich in den Day-Ahead-

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Markt , der einen Tag vor der Lieferung stattfindet, und den Intraday-Markt am Tag der Lieferung selbst. Diese Handelsformen finden in Deutschland an den Strombörsen EEX und EPEX statt. Daneben findet außerbörslicher Handel, sogenannter Over-the-Counter- Handel statt, bei dem die gehandelten Preise und Volumina nur den Vertragspartnern bekannt sind (vgl. Next Kraftwerke 2018b). Ab dem Zeitpunkt der «Gate Closure» wird der Handel geschlossen; ab dann ist der Übertragungsnetzbetreiber selbst für den rei- bungslosen Ablauf verantwortlich, den er gegebenenfalls durch die Bereitstellung von Regelleistung gewährleisten muss (vgl. Wawer 2007: 23 f.).

Zahlreiche unterstützende Entitäten oder Intermediäre schließen die Lücke an der Schnitt-stelle zwischen Energieerzeugung und -verbrauch. Dies sind vor allem Aggregatoren , Messstellenbetreiber und perspektivisch Speicheranbieter. Das recht neue Geschäftsmodell der Aggregatoren beruht auf dem Konzept, dass Informationen und Bereitsteller hinsicht-lich eines bestimmten Guts an einer Stelle gesammelt bzw. gebündelt werden. Aus anderen Wirtschaftszweigen sind beispielsweise die Marken Uber für Taxen oder Airbnb für Hotels bekannt. Bezogen auf den Energiebereich besteht das Geschäftsmodell in der Bündelung dezentraler Erzeugungs- oder Lasteinheiten, um sie an Börsen und im Handel zu ver-markten. So sollen Erlöse aus den verschiedenen Teilmärkten optimiert werden. Meist geht hiermit eine Bündelung und Nutzung der entsprechenden Daten einher.

In der Gruppe der Stromverbraucher können zunächst Unternehmen und Private unter-schieden werden. In beiden Gruppen können sich Prosumer ansiedeln, die Energie zum Eigenverbrauch produzieren, aber auch Überschüsse verkaufen.

Hier besteht auch eine Verbindung zur Industrie. Hierbei handelt es sich um keinen klassi-schen Sektor der Energiewirtschaft, allerdings um einen bedeutenden Akteur in der Transi-tion des Energiesystems, da hier viele energieintensive Prozesse stattfinden. Hier kann in Zukunft vermehrt Lastverschiebung bzw. Demand-Side-Management (DSM) betrieben werden. Abschaltbare Lasten können etwa über virtuelle Kraftwerke als Regelenergie vermarktet werden. Auch ein Verkauf am Sportmarkt ist bei sinkenden Transaktionskosten sowie ansteigender Automatisierung denkbar (für Details vgl. dena 2016).

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Quelle: eigene Darstellung.

Monopol-kommission

EU

Speicher-Anbieter

Unter-nehmen

WÄRME

erneuerbar erzeugte Wärme

KWK, BHKW

fossil erzeugte Wärme

VERKEHR

INDUSTRIE

AggregatorenVirtuelle

Kraftwerke

fossil betriebene Mobilität

fossil betriebene Prozesse

Abbildung 2: Akteure in der TransitionsphaseEs handelt sich um eine Auswahl der als besonders relevant erachteten Akteure und deren Verbindungen.

Prosumer

Digitalunter-nehmen

Demand-Side-

Management

Elektro-mobilität

Zivilge-sellschaft

Verbrau-cherschutz-

verbände

Bundesrat

Landes-ebene

Bundes-ebene

BNetzA

Bundes-kartellamtBundes-

ministerien

BSI

Bundestag

Stadt-werke

Ver-sorgung

Energie-versorgungs-unternehmen

Konsu-menten

Private Haushalte

Wirtschafts-verbände

Umwelt-verbände

Verbände

ÜNB

VNBfossile/

nukleare Energien

Erneuerbare Energien

Grund-versorger

Erzeu-gung

Netz-stabilität/Verteilung

STROM-VERBRAUCH

STROM-VERSORGUNG

GOVERNANCEWIRTSCHAFT & GESELLSCHAFT

BHKW = Blockheizkraftwerk BNetzA = Bundesnetzagentur BSI = Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik EU = Europäische Union KWK = Kraft-Wärme-Kopplung OTC = Over-The-Counter ÜNB = Übertragungsnetzbetreiber VNB = Verteilnetzbetreiber

Termin-markt

Intraday-Markt

Day-Ahead-Markt

Spot-Markt

MÄRKTESTROMBÖRSEN

HandelOver-The-Counter

= Akteurs-Cluster

= Cluster

= Vernetzung

= Einflussnahme

= Zusammenhang

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6 Akteure in der Neuen Energiewelt

6.1 Mögliche Auswirkungen eines digitalisierten Energiesystems

Fraglich ist, wie sich die Rollen, Verflechtungen, Machtverhältnisse und Interessen der Akteure in der Neuen Energiewelt verschieben werden. Als Veränderungstreiber sind zunächst die in Kapitel 2.3 erwähnten regulatorischen Zielvorgaben maßgeblich. Des Weiteren ist von einer Verstärkung der in Kapitel 5 aufgeführten Trends auszugehen. Damit ergibt sich für die Neue Energiewelt folgendes Bild, das durch eine hohe Komplexität des Gesamtsystems geprägt ist (vgl. auch Fischedick et al. 2018):

Ȼ Das Energiesystem wird zunehmend vernetzt , zirkulär und integriert sein. Infrastruk-turen, technische Anlagen aus den unterschiedlichen Sektoren und Märkte werden aufeinander abgestimmt und in ein intelligentes Gesamtsystem überführt sein. Lokale, regionale und überregionale Ebene werden aufeinander abgestimmt und auch mit Hilfe der europaweiten Vernetzung ausbalanciert werden. Es werden sich neue Märkte und/oder Plattformen herausgebildet haben, die einen flexiblen Betrieb des Energiesystems erlauben und zur bestmöglichen Nutzung des Netzwerks sämtliche vorhandene Informationen und Koordinationsmöglichkeiten nutzen (vgl. Agora Energiewende 2017b: 46).

Ȼ Die Erneuerbaren Energien werden den Großteil – bis hin zur Gesamtheit – der Energieerzeugung ausmachen. Atom- und kohlebetriebene Kraftwerke werden eine geringe bis gar keine Rolle mehr spielen.

Ȼ Die Automatisierung wird so fortgeschritten sein, dass Stromerzeugung und -verbrauch flächendeckend durch intelligente Messsysteme erfasst und kommuniziert werden. Das ermöglicht Echtzeitwissen über Stromerzeugung, -nachfrage und -verbrauch. Verbraucher und Erzeuger werden über diese Messsysteme und andere Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) stärker vernetzt sein. Dadurch sinken Trans-aktions- und Prozesskosten, insbesondere im Hinblick auf einen Handel.

Ȼ Das ermöglicht automatisierte Strompreise, die jeweils Stromangebot, Netzzustand, etc. zonal abbilden. Erzeugung und Verbrauch können sich dank intelligenter Home-Management-Systeme (Haushalte) bzw. Energiemanagement-Systeme (Industrie und Gewerbe) und dynamischer Stromtarife teilweise danach ausrichten.

Ȼ Die Kopplung der Sektoren Strom, Energie und Mobilität sowie des Industriesektors wird unter der Zielvorgabe einer vollständigen Dekarbonisierung vollzogen sein. Dem mit der Sektorenkopplung einhergehenden steigenden Stromverbrauch wird durch Reduzierung des Energieverbrauches und Steigerung der Energieeffizienz in allen Sektoren entgegengewirkt.

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Ȼ Im Industriesektor wird der gezielte Einsatz von Lasten bzw. deren Verschiebung weiter zunehmen. Unter anderem mittels virtueller Kraftwerke kann ein Handel bzw. eine Vermarktung dieser Produkte erfolgen. Zudem werden neue Technologien und Produktionsverfahren eingesetzt werden, die sowohl den Treibhausgasausstoß ver- ringern als auch die Energieeffizienz steigern. So können neue, treibhausgasneutrale Produktionsverfahren, wie etwa die Wasserstoffelektrolyse für die Ammoniak- produktion, zu höherem Strombedarf führen. Dem wird durch eine Reduktion des Energiebedarfs aufgrund von Effizienzsteigerungen entgegengewirkt (vgl. dena 2018: 42 f.).

Ȼ Traditionelle Geschäftsmodelle werden um datenbasierte Geschäftsmodelle erweitert worden sein, bei denen insbesondere die aufbereiteten Smart Meter -Daten von Interesse sein werden. Beispielsweise wird es ein Angebot an Servicedienstleistungen und Produkten geben, die auf die individuellen Bedürfnisse der Energiekunden zu- geschnitten sind.

Bezogen auf einzelne ausgewählte Akteure können die in der folgenden Tabelle darge- stellten Entwicklungen erwartet werden. Die Beschreibungen sind rein deskriptiv und stellen keine Beurteilungen dar.[13] Die Grundannahme ist, dass keine einflussreichen ordnungspolitischen oder regulierenden Eingriffe seitens des Gesetzgebers erfolgen.

Tabelle 7: Akteure mit erwarteter Einflusszunahme

Zunehmend wichtigere Akteure

Intermediäre, mit den Untergruppen:

Aggregatoren, Virtuelle Kraftwerksbetreiber,

Grünstromvermarkter

– Die Wertschöpfungskette teilt sich in kleinere Elemente (vgl. Adam et al. 2018). – Intermediäre (z.B. Aggregatoren , Virtuelle Kraftwerksbetreiber ) bündeln kleinere,

meist dezentrale Erzeugungs- oder Lasteinheiten, um sie an Börsen und im Handel zu vermarkten. So sollen Erlöse aus den verschiedenen Teilmärkten optimiert werden. Meist geht hiermit eine Bündelung und Nutzung der entsprechenden Daten einher.

Neue Akteure,mit den Untergruppen:Erzeugungsmanager,

Effizienzpartner,(Direkt-)Vermarkter

– Es werden neue Geschäftsfelder hinzukommen, um die sich ändernden Kundenbedürf-nisse zu erfüllen. Zu diesen gehören u.a. (vgl. Ionescu; Kalny 2012):

· Beratung zur Eigenerzeugung; Fördermöglichkeiten und Technologien; Begleitung und Unterstützung bei Ausstattung, Planung und Wartung; effizientes lokales Energiemanagement im Bereich des Aufbaus und Betriebs dezentraler Energie-erzeugungsformen;

· Beratung zu energiesparenden Geräten und Energiemanagementsystemen; Begleitung und Unterstützung bei Ausstattung, Planung und Umsetzung von Effizienzprojekten im Bereich der Energieeffizienzsteigerung;

· Information zur Eigenerzeugung, Fördermöglichkeiten und Technologien und Vermarktung insbesondere von Strom aus Erneuerbaren Energien;

· Portfoliomanagement als Service insbesondere für Prosumer (vgl. Reetz 2017: 15f.), die hochpräzise Fahrpläne benötigen, wenn sie selbst den von ihnen erzeugten sowie benötigten Strom an den betreffenden Märkten vermarkten oder beschaffen.

– Wer diese neuen Geschäftsfelder besetzen wird, bleibt abzuwarten; in Betracht kommen u.a. die Energieversorgungsunternehmen, aber auch Start-ups oder Digitalunternehmen.

13 Bei der Einstufung sind erste Annahmen über Stärken und Schwächen der einzelnen Akteursgruppen

eingeflossen, ohne dass dies den Anspruch einer SWOT-Analyse erhebt, die im Rahmen dieser

Kurzstudie nicht möglich war.

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Zunehmend wichtigere Akteure

Digitalunternehmen – Digitalunternehmen (wie etwa Google, Facebook, Amazon, etc.) haben durch ihre Geschäftsmodelle, Netzwerke und Daten zum Verhalten ihrer Kunden (erhoben etwa über mit Künstlicher Intelligenz ausgestatteten Home-Assistenten) die Möglichkeit, in Geschäftsfelder vorzudringen, die bislang Energieversorgungsunternehmen vor-behalten waren.

Marktteilnehmer – Angesichts kleinmaßstäbiger und dezentraler Energieerzeuger und Netzbetreiber, die die volatile Energieerzeugung managen müssen, werden neue Markttypen und Flexibilitäts-plattformen bedeutender.

– Statt weniger zentraler Handelsplätze könnte es eine Vielzahl an verschiedenen, auch regionalen Märkten geben, die unterschiedliche Aufgaben erfüllen, z.B. die räumliche Allokation durch Bepreisung der Netzbelastung (vgl. Reetz 2017: 12).

Prosumer Mehrere Faktoren können zu einer Zunahme des Einflusses und der Marktmacht dieser Akteursgruppe führen:

– Automatisierung energiewirtschaftlicher Transaktionen und dadurch sinkende Transaktionskosten;

– Bündelung ihres Gewichts im Energiesystem mittels der durch Aggregatoren und Virtuelle Kraftwerksbetreiber erbrachten Bündelungsdienstleistungen.

Verbraucher – Es ist zu beobachten, dass Endverbraucher eine immer aktivere Rolle einnehmen – selbst wenn sie nicht zu Prosumern werden. Sie können ihre Anforderungen einfacher einfordern. Das zeigt sich beispielsweise im Trend der steigenden Nachfrage nach Ökostrom durch Privatkunden (vgl. Fischedick et al. 2018: 13). Der Anteil der Ver-braucher, die ihren Stromanbieter nach solchen Kriterien auswählen und ggf. wechseln, dürfte weiter steigen.

– Die Kundenorientiertheit der Anbieter wird daher zunehmen. Dies wird durch die Verfügbarkeit der Verbrauchsdaten und die dadurch eröffneten Geschäftsmodelle (beispielsweise Dienstleistungen im Rahmen von Home-Management-Systemen, die auf die individuelle Bedürfnisse zugeschnitten sind) ermöglicht. Hier sind ins-besondere die Smart Meter -Daten von Bedeutung (vgl. Fischedick et al. 2018: 14 f.).

– Die Wichtigkeit von Datenschutz ist allseits bekannt und der zivilgesellschaftliche Widerstand gegen den «gläsernen Bürger» ist groß. Trotzdem, und ungeachtet eines lückenhaften Datenschutzrechts, verbreiten sich datenhungrige Technologien noch ungebremst. Wie viele Verbraucher/innen Datenschutz ihrem Komfort überordnen werden, bleibt abzuwarten.

Unternehmen und Gewerbe

Es ergeben sich Chancen für neue Geschäftsmodelle: – Der Bedarf an innovativen Speicher-Lösungen wird insbesondere in den kommenden

Phasen der Energiewende sehr zunehmen. – Diese Speicher erfordern einerseits Technologie für das eigentliche Speichern,

andererseits für die Steuerung. – Viele digitale Technologien erfordern Hardwarekomponenten – so zum Beispiel

Smart Meter , die produziert, verkauft, installiert, betrieben und gewartet werden müssen (vgl. Fischedick et al. 2018: 14).

– Vorsicht ist geboten, da manche Geschäftsmodelle zur Monopolbildung einladen werden (ähnlich Facebook und Amazon, «The winner takes it all »).

– Auch Handwerksbetriebe und Installateurfirmen können beispielsweise zusammen mit digital-versierten Start-ups neue Geschäftsmodelle etwa im Quartiersmanagement, bei Mieterstrom oder bei der Optimierung der Prosumeranwendungen entwickeln.

Quelle: Eigene Darstellung.

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Tabelle 8: Akteure mit erwarteten großen Herausforderungen

Akteure mit großen Veränderungsherausforderungen

Verbraucher/innen – Die Zahl und der Umfang erhobener Daten zum Stromverbrauch werden exponentiell steigen. Gleichzeitig ist unklar, wie sich das Schutzniveau des Datenschutzrechts entwickelt. Verbraucher/innen werden daher oft vor die Wahl zwischen Komfort und finanziellen Anreizen einerseits und Privatsphäre andererseits gestellt werden.

– Die Weitergabe der Strompreise in Echtzeit (beispielsweise durch flexible bzw. dyna- mische Stromtarife) birgt auch Risiken für Verbraucher/innen durch eine verminderte Vorhersehbarkeit der Höhe der monatlichen Stromrechnung.

Energieversorgungs- unternehmen

– Da es in der Neuen Energiewelt nicht mehr um die reine Bereitstellung von Strom zu marktfähigen Preisen gehen wird, sondern um intelligente und individualisierte Produkte und Dienstleistungen für die verschiedenen Verbrauchergruppen, kann dies für die Energieversorger zu sinkenden Absätzen und Umsatzeinbußen im klassischen Versorgungsgeschäft führen (vgl. Ionescu; Kalny 2012).

– Die Bedürfnisse der Versorger nach Kundenbindung und Profitabilität werden sich nicht ohne Anpassungen ihrer Geschäftstätigkeit erfüllen lassen. Es gilt hier unter Nutzung des Startvorteils der bestehenden Kundenbeziehung, das Kerngeschäft durch zusätzliche Aktivitäten zu ergänzen.

– Unternehmen müssen Anpassungen an die Digitalisierung zeitnah vornehmen: Zwar erwarten mehr als 90 % der Energieversorgungsunternehmen (EVU) im Zuge der Digitalisierung eine notwendig werdende Anpassung ihrer Geschäftstätigkeit. Gleichzeitig spiegelt der Stand der Investitionen in neue Geschäftsmodelle diese Einschätzung nicht wider (vgl. Becker Büttner Held 2017: 3).

Stadtwerke – Stadtwerke sind oft Grundversorger und können in finanzielle Schwierigkeiten kommen, da sie ihren Kundenstamm zu allgemeinen, vorgegebenen Preisen versorgen müssen. Im Gegensatz zu den Wettbewerbstarifen, in denen Preissteigerungen oft eingebaut sind, passen digitale Tarife nicht zur Grundversorgung. Energieversorger können also mit der Grundversorgung keine großen Gewinne machen.

– Die steigende Komplexität des Energiesystems könnte insbesondere kleine Stadtwerke aufgrund der geringeren Personalstärke überfordern. Sie stehen vor der primär kulturellen Herausforderung, sich vom Dienstleister in der Region zum Energiemanager für die Region zu wandeln (vgl. Adam et al. 2018).

– Grundversorger, insbesondere kommunale Unternehmen, können jedoch durch gezieltes und automatisiertes Quartiersmanagement Energieeinsparungen erzielen. Durch die Be- teiligung an Digitalunternehmen können gerade Stadtwerke im Bereich Energieeffizienz erfolgreiche Konzepte entwickeln. Allerdings könnten diese ggf. durch negative Ent-scheidungen der Kommunalaufsicht zu solchen Beteiligungsmodellen gefährdet werden.

Übertragungsnetz-betreiber

– Effizientere Netznutzung und Netzausbau müssen weiterhin vorangetrieben werden, um den Erzeugungscharakteristika Erneuerbarer Energien gerecht zu werden.

– Hiermit sowie mit dem zur Kompensation von bidirektionalen und volatilen Stromflüssen notwendigen Aufbau von Speicher- und Steuerungstechnologien ist ein hoher Investitions- bedarf verbunden

Verteilnetzbetreiber – Die zunehmende Anzahl an Prosumern und Akteuren insgesamt erfordert einen erhöhten Managementaufwand.

– Die zunehmenden autarken Prosumer benötigen eine großräumige, aber engmaschige Verbindung untereinander, beispielsweise in Form von Microgrids.

– Insbesondere die Verwaltung von Verteilnetzen erfordert erhöhten Managementauf- wand, der womöglich nur geleistet werden kann, wenn er automatisiert stattfindet.

Quelle: Eigene Darstellung.

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6.2 Akteursmapping: Die Neue EnergieweltVor diesem Hintergrund ergeben sich die im zweiten Akteursmapping dargestellten Ver-schiebungen in den Akteurskonstellationen. Insgesamt haben sich die Strukturen von einem linearen hin zu einem vernetzten, zirkulären und integrierten Energiesystem verschoben. Das äußert sich unter anderem darin, dass die Sektorenkopplung verwirklicht ist. Die Infrastrukturen und Prozesse sind daher nicht mehr strikt in Strom, Wärme und Verkehr unterteilt, sondern gehen ineinander über. Die Infrastrukturen sind an den daraus resul- tierenden erhöhten Strombedarf angepasst, was sich beispielsweise in der zentraleren Stellung von Speicher-Anbietern und Microgrids äußert.

Die Infrastrukturen haben das Konzept eines Smart Grids verwirklicht, sodass Messung, Kontrolle und Optimierung von Energieflüssen vernetzt und automatisiert erfolgt. Leistungsschwankungen können dadurch flexibel ausgeglichen werden.

Unterstützende Entitäten bzw. Intermediäre, wie Aggregatoren , Virtuelle Kraftwerke und Microgrids sind zentraler, denn sie sind in dem immer komplexer werdenden System un-abdingbar. Wie oben erwähnt, kommen hier weitere Geschäftsfelder hinzu, bei denen noch nicht absehbar ist, von welchen Akteursgruppen diese besetzt werden.

Akteure, die an Wichtigkeit gewinnen, nehmen eine zentralere Position innerhalb dieses zirkulären Systems ein. Den Prosumern kommt eine wesentlich wichtigere Stellung und Rolle zu. Gleichzeitig bleibt ein Teil der Verbraucher/innen aus verschiedenen Gründen in der reinen Konsumentenrolle – die Größe und das politische Gewicht dieser Gruppe bleiben abzuwarten.

Der Einsatz fossiler sowie atomarer Energieträger ist nicht mehr Bestandteil des Systems.

Insgesamt stellt das Mapping keine Prognose oder ein auf Daten berechnetes Szenario dar. Vielmehr geht es darum, wahrscheinliche Entwicklungen zu antizipieren und zu sortieren. Dies dient als Grundlage für die Erarbeitung gegenwärtigen Handlungsbedarfs.

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WÄRME

STROM-VERSORGUNG

STROM-VERBRAUCH

INDUSTRIE

VERKEHR

Abbildung 3: Akteure in der Neuen EnergieweltEs handelt sich um eine Auswahl der als besonders relevant erachteten Akteure und deren Verbindungen.

BHKW = Blockheizkraftwerk BNetzA = Bundesnetzagentur BSI = Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik EU = Europäische Union KWK = Kraft-Wärme-Kopplung OTC = Over-The-Counter ÜNB = Übertragungsnetzbetreiber VNB = Verteilnetzbetreiber

= Akteurs-Cluster

= Cluster

= Vernetzung

= Einflussnahme

= Zusammenhang

Monopol-kommission

EU

Speicher-Anbieter

AggregatorenVirtuelle

Kraftwerke

Bundesrat

Landes-ebene

Bundes-ebene

BNetzA

Bundes-kartellamtBundes-

ministerien

BSI

Bundestag

Stadt-werkeVer-

sorgung

Energie-versorgungs-unternehmen

ÜNB

Erzeu-gung

Smart Contracts

GOVERNANCE

Netz-stabilität/Verteilung

Microgrids

VNB

Grund-versorger

Erneuerbare Energien

Messstellen-betreiber

Zivilge-sellschaft

Verbrau-cherschutz-

verbände Wirtschafts-verbände

Umwelt-verbände

Verbände

WIRTSCHAFT & GESELLSCHAFT

Quelle: eigene Darstellung.

Digitalunter-nehmen

Unter-nehmen

Effizienz-partner

Konsu-menten

MÄRKTEPLATTFORMEN

Flex-plattformen

o.ä.

Block-chain

lok./reg.Märkte

OTCPeer-2-peer

Handel

Prosumer

Demand-Side-

Management

Elektro-mobilität

KWK, BHKW

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7 Fazit

Die Digitalisierung des Energiesystems ist bereits in vollem Gange, die Anwendung digita-ler Technologien wird noch zunehmen. Wie in allen gesellschaftlichen Teilbereichen – sei es Bildung, Gesundheit oder Verwaltung – ist die Digitalisierung auch im Energiesystem ein ambivalentes Phänomen. Es bringt sowohl in ökologischer als auch in sozialer Hinsicht Chancen und Risiken mit sich. In welche Richtung das Pendel der Digitalisierung schlägt, hängt entscheidend von den politischen Rahmenbedingungen ab.

Digitalisierung ist kein Selbstläufer. Politisch-normative Vorgaben können daher weg-weisend wirken. Die in der vorliegenden Studie beschriebenen Trends und Entwicklungen können einerseits regulierend «eingefangen» werden, andererseits regulierend herbei-geführt werden. Dies verdeutlicht das Beispiel der Dezentralisierung: Energieerzeugung erfolgt durch eine steigende Anzahl an kleinmaßstäbigen Anlagen. Dies beinhaltet die Möglichkeit, dass lokale kleine Anbieter die regionale Stromversorgung übernehmen, das geschieht aber nicht automatisch. Genauso gut kann sie in der Hand großer Konzerne verbleiben. Ist die Partizipation kleinerer Anbieter gewollt, sind entsprechende Rahmen-bedingungen zu schaffen.

Die Energiewende in ihrer jetzigen Form kommt um Digitalisierung nicht herum. Gemein-wohlorientierte Politik hat daher ein Interesse an Rahmenbedingungen, die digitale Techno-logien befördern. Gleichzeitig sollen die Rahmenbedingungen klimapolitische Lenkungs- wirkung entfalten, um ein ökologisches Energiesystem sicherzustellen. Es muss ein regulatorisches Optimum gefunden werden, sodass innovative Konzepte ihr volles Poten- zial entfalten können und gleichzeitig Treibhausgasemissionen und Ressourcenverbrauch verringert werden.

7.1 SchlussbetrachtungenEs ergeben sich folgende Überlegungen:

Ȼ Datenschutz: Daten, die im Zusammenhang mit Energieerzeugung und -verbrauch erhoben werden, ermöglichen Rückschlüsse auf die private Lebensgestaltung. Es ist jeweils zu prüfen, inwieweit Eingriffe in Privathaushalte notwendig sind, wenn die Potenziale der größten Energieverbraucher, insbesondere in den energieintensiven Industrien, in Bezug auf das Demand-Side-Management noch gehoben werden können.

Ȼ Klimapolitische Anreize: Es müssen Instrumente diskutiert werden, die externe Kosten internalisieren und so finanzielle Anreize zu ökologischem Verhalten setzen. Denkbar ist etwa die Einführung einer Abgabe auf Treibhausgase (vgl. Reetz 2017: 18, 22).

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Ȼ Smart Meter Rollout: Ein zügiger Smart Meter Rollout ist unabdingbar. Fraglich bleibt, ob politische Vorgaben zur Begrenzung der Datenerhebung im Sinne der Datensparsamkeit machbar und sinnvoll sind.

Ȼ Stärkung von Prosumern und Bürgerenergiegesellschaften: Durch die jüngeren Änderungen im EEG (insbesondere die Umstellung auf Mengensteuerung) sind diese Akteursgruppen einem stärkeren Konkurrenzdruck ausgesetzt. Good Practice- Beispiele geben Orientierung, welche Rahmenbedingungen kleine Akteure stärken.

Ȼ Durch alle mit der Dezentralisierung einhergehenden Entwicklungen werden zu- nehmend energieautarke Zellen möglich. Interessant ist hier die Frage einer «Datenautarkie», bei der energierelevante Daten ein lokales Netz nicht verlassen müssen und so vor Zugriffen stärker geschützt sind.

Ȼ Die quantitative Entwicklung des Stromverbrauchs allgemein ist in vielerlei Hinsicht bedeutend, z.B.:

– Der mit der Sektorenkopplung voraussichtlich einhergehende Anstieg des Strombedarfs muss u.a. im Rahmen des Netzausbaus einkalkuliert werden. Allerdings muss diesem auch mittels Effizienzsteigerungen entgegengewirkt werden.

– Effizienzsteigerungen allein können eine völlige Dekarbonisierung der Energie-wirtschaft voraussichtlich nicht stemmen; es bedarf einer absoluten Senkung des Energieverbrauchs. Hier gewinnen Suffizienzpolitiken und -geschäftsmodelle an Bedeutung (vgl. Griese et al. 2016). Auch administrative Regelungen gegen Rebound-Effekte wären ggf. möglich.

7.2 Offene FragenHieraus ergeben sich folgende offene Fragen, die in der politischen Diskussion oder in Anschlussstudien zu klären sind:

Ȼ Welche Datenflüsse sind für eine erfolgreiche Energiewende zwingend erforderlich? Welche nicht? Sind gesetzliche Vorgaben sinnvoll, die die Erhebung und Verarbeitung «überflüssiger» Daten verbieten? Sind zelluläre, datenautarke Systeme erstrebens-wert, weil sie zuverlässigen Datenschutz bieten?

Ȼ Wie können Datennutzungsrechte gesetzlich ausgestaltet werden, sodass Verbraucher/ innen größtmögliche Souveränität über ihre Daten im Zusammenhang mit Strom-erzeugung und -verbrauch haben?

Ȼ Derzeit verfügt eine Stelle, die Daten erhebt, auch über die Nutzungsbefugnis an diesen Daten. Im Hinblick darauf, dass mit zunehmender Digitalisierung die Masse an erhobenen Daten exponentiell zunehmen dürfte, und diese oft die persönliche Lebens-gestaltung betreffen, müssen die Fragen des Dateneigentums und der

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Nutzungsbefugnis auch rechtlich geklärt und überdacht werden. Die Frage nach der Nutzungsbefugnis schließt die Frage mit ein, wer mit Daten Geld verdienen darf.

Ȼ In welcher Form können suffiziente Geschäftsmodelle den absoluten Energiever-brauch von Stromverbrauchern verringern und so zur echten Ökologisierung des Energiesystems beitragen? Wie lassen sich hier digitale Technologien nutzbar machen?

Ȼ Wie können ökologische Potenziale an der Schnittstelle verschiedener Sektoren gehoben werden? Ist es möglich, ein Angebot zu schaffen, welches beispielsweise Mobilität, Stromerzeugung und Effizienz (gerade auch in Bezug auf die Industrie, nicht nur Privathaushalte) bündelt? Hieraus ergäben sich Möglichkeiten für verschie-dene Marktakteure, ihre Stärken auszuspielen.

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Glossar I: Begriffe der Energiewirtschaft

Aggregatoren Als Aggregatoren werden Akteure bezeichnet, die Energie handeln und liefern ohne dabei eigene Bilanzkreise zu bewirt-schaften. Ihr Geschäftsmodell besteht vor allem darin, Erzeugungsanlagen, flexible Verbraucher und Speicher-systeme zu poolen und zu vermarkten. Sie skalieren damit kleine Anlagen auf ein handelbares Volumen.

Bilanzkreis Der Bilanzkreis ist die kleinste Einheit des Energiemarkt-modells und bezeichnet in der Energiewirtschaft ein virtuelles Energiemengenkonto. Dieses Konto dient als Instrument zum Ordnen des Strom- und Gasmarktes und wird von einem Bilanzkreisverantwortlichen geführt. Dieser hat für eine Ausgeglichenheit der Energieeinspeisungen und -ausspeisungen zu sorgen. Dies verhindert Über- sowie Unterproduktion weitestgehend und macht Energie effizient nutzbar. Das Ziel besteht also darin, den Bilanzkreis durch Fahrplanmanagement übereinstimmend zu saldieren, so dass die in das Netz eingespeiste Energiemenge der gleich-zeitig aus dem Netz verbrauchten Energiemenge entspricht. Der Bilanzkreis ermöglicht zusätzlich die Abwicklung von Handelsgeschäften.

Blockchain Digitale Technologie, mit deren Hilfe Transaktionen über dezentrale Netzwerke statt über eine zentrale Instanz (z.B. Banken, Provider) abgewickelt werden können. Hierzu werden verschlüsselte «Kassenbücher» bei allen Teilnehmenden geführt, die die Gültigkeit einer Transaktion bestätigen können. Blockchain kann so etwa die Ausfüh- rung von Smart Contracts in Peer-to-Peer-Netzwerken ermöglichen. Ihre grundlegenden Eigenschaften (unveränderlich, transparent und sicher) sollen die Auto-matisierung der Vertragsabwicklung erleichtern.

Bürgerenergiegesellschaft Zusammenschluss von Bürger/innen, häufig mit dem Ziel der Errichtung und des Betriebs von Anlagen zur Gewinnung von Erneuerbaren Energien oder Blockheizkraftwerken.

Day-ahead-Markt Der Handel von Strom für den folgenden Tag; auch als Auktionsmarkt bezeichnet. Findet an der EEX statt.

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Demand-Side-Management DSM bezeichnet die gezielte Steuerung der Stromnachfrage;(DSM) Industrie und Gewerbe können durch einen gezielten Einsatz

von DSM Energiekosten senken sowie zusätzliche Erlöse erwirtschaften. Dies erfolgt beispielsweise durch eine zeit-liche Verschiebung der Stromnachfrage, etwa Verschiebung des Verbrauchs in Zeiten hoher EE-Erzeugung, oder die gezielte Beeinflussung der Nachfragehöhe, etwa eine kurz-fristige Änderung der Lastkurve zur Netzstabilisierung.

Digitalunternehmen Unternehmen, die personenbezogene Informationen in gro-ßem Umfang auswerten oder an Dritte weitergeben und sich dabei digitaler Medien bedienen; zeichnen sich durch einen fortgeschrittenen Grad an Digitalisierung aus.

Einspeisemanagement Instrument der Netzbetreiber zum Netzengpassmanagement. Hier werden Einspeise-Anlagen (z.B. Windräder) gedrosselt, um das Netz zu entlasten. Die Kosten für diese Maßnahmen (insbesondere Entschädigung der Anlagenbetreiber) werden mithilfe der Netzentgelte über alle Verbraucher verteilt.

Energieversorgung Die Versorgung privater und gewerblicher Endkunden mit Energieträgern (Elektrizität/Strom, Ferngas, Flüssiggas, Fern- und Nahwärme). Dies erfolgt vorwiegend über Leitungsnetze unterschiedlicher Dimensionen.

Erneuerbare Energien Energieträger, die sich im Gegensatz zu fossilen Energie-quellen schnell erneuern oder unbegrenzt zur Verfügung stehen; z.B. Solarenergie, Windenergie, Bioenergie (Bio-masse), Geothermie, Wasserkraft und Meeresenergie.

European Energy Exchange Strombörse für den Terminmarkt für derzeit 33 Länder mit (EEX) Sitz in Leipzig, etabliert 2002.

European Power Exchange Strombörse für den Spotmarkt in Deutschland, Frankreich, (EPEX) dem Vereinigten Königreich, den Niederlanden, Belgien,

Österreich, der Schweiz und Luxemburg mit Sitz in Paris, etabliert 2008.

Flexibilität Bezeichnet die Veränderung von Einspeisung oder Entnahme in Reaktion auf externe Notwendigkeiten, etwa zur Sicherung der Netzstabilität. Die Veränderung kann durch netz- oder marktseitige Maßnahmen erbracht werden. Dazu zählen für den zeitlichen Ausgleich flexible Erzeuger, flexible

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Verbraucher (zu- und abschaltbare sowie zeitlich verschieb-bare Lasten) sowie Speicher. Für den räumlichen Ausgleich werden die Stromnetze genutzt.

Grundversorger Laut § 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG dasjenige Energieversor- gungsunternehmen in einem Netzgebiet, welches die Mehr-zahl der Haushaltskunden versorgt (häufig Stadtwerke ). Der Grundversorger ist verpflichtet, die Kunden gemäß den rechtlichen Bedingungen der Grundversorgung mit Elektri- zität oder Gas zu versorgen.

Intraday-Markt Der kontinuierlichen Kauf und Verkauf von Strom, der noch am gleichen Tag geliefert wird; auch als kurzfristiger Strom-großhandel bezeichnet.

Liberalisierung Gesamteuropäische Entwicklung, die 1996 durch die erstedes Energiesektors EU-Richtlinie zur Elektrizitätsmarktliberalisierung (96/92/EG)

in Gang gesetzt wurde. In Deutschland wurde der Strom-markt durch das EnWG 1998 liberalisiert. Seitdem sind die Funktionen der Stromerzeugungs- und -vertriebsunternehmen und die der Netzbetreiber getrennt. Dies ermöglicht End-kunden die freie Wahl ihres Stromversorgers, während die Belieferung in jedem Fall über das Netz des ortsansässigen Verteilnetzbetreibers erfolgt.

Marktdesign Die Spielregeln und das Zusammenwirken aller Märkte und Mechanismen im Energiesystem, nach denen das Energie-system als Ganzes gelenkt wird.

Merit-Order-Effekt Die Einsatzreihenfolge der stromproduzierenden Kraftwerke auf einem Stromhandelsplatz, um die wirtschaftlich optimale Stromversorgung zu gewährleisten. Die Kraftwerke, die fort- laufend sehr preisgünstig Strom produzieren, werden als erstes zur Einspeisung zugeschaltet.

Messstellenbetreiber Der Betreiber von Energieversorgungsnetzen, dem nach § 3 MsbG die Aufgabe zugewiesen wird, intelligente Messein-richtungen einzubauen, zu betreiben und zu warten sowie die form- und fristgerechte Übertragung der gemessenen Daten zu gewährleisten.

Mieterstrom Auch Quartierstrom genannt; lokal produzierter Strom, der Wohnungs- oder Gewerbeflächenmietern angeboten wird.

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Weil er in räumlicher Nähe zum Mietobjekt produziert wird, muss er nicht über die öffentlichen Netze geleitet werden. Deshalb entfallen Netznutzungsentgelte und Konzessions- abgabe.

Moderne Messeinrichtung Digitaler Stromzähler im Gegensatz zu den derzeit noch hauptsächlich genutzten mechanischen Stromzählern. Verfügt über keinen Kommunikationsadapter oder Daten-fernübertragung. Wenn eine solche Kommunikationseinheit hinzugefügt wird, spricht man von einem Smart Meter .

Over-the-Counter-Handel Der außerbörsliche Handel von Strom ohne zwischen-geschaltete Instanzen oder Clearingstellen. Im OTC-Handel müssen sich die Geschäftspartner kennen bzw. über Online- Handelsplattformen oder Broker Kontakt aufnehmen. Die Beteiligten vereinbaren die Stromhandelserträge individuell und bilateral.

Portfoliomanagement Portfolio im Energiesystem bezeichnet einen Bestand an Verträgen für den Kauf von benötigter und den Verkauf von erzeugter Energie. Das Management bezeichnet die Zusam- menstellung dieses Bestands mit Blick auf die erwarteten Marktentwicklungen. Mit fortschreitender Digitalisierung kann dies automatisiert erfolgen und sich so auch für kleine Akteure rechnen.

Prosumer Privatpersonen und Unternehmen, die in kleinem Maßstab für den Eigenverbrauch produzieren, jedoch je nach Situation auch Energie beziehen oder abgeben können.

Redispatch Eine Maßnahme der Netzbetreiber zum Ausgleich räum- licher Netzengpässe. Kraftwerke vor dem Engpass werden heruntergeregelt und Kraftwerke hinter dem Engpass hochgeregelt.

Regelleistung Gewährleistet die Versorgung der Stromkunden mit genau der benötigten elektrischen Leistung bei unvorhergesehenen Ereignissen im Stromnetz, z.B. durch schnell anlaufender Kraftwerke.

Sektorenkopplung Die Vernetzung der Sektoren Strom, Wärme und Verkehr sowie des Industriesektors, die in einem holistischen Ansatz optimiert werden sollen: Mit Erneuerbaren Energien soll

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sämtlicher privater, gewerblicher und industrieller Energie-konsum dekarbonisiert werden.

Smart Contracts Digitale Verträge, die auf der Blockchain-Technologie basie-ren und vollautomatisch und weitestgehend manipulations-sicher abgewickelt werden können. Sie ermöglichen eine Großzahl an Transaktionen ohne menschliche Intervention.

Smart Meter Besteht aus zwei Komponenten: einer modernen Messein-(auch : intelligentes richtung und einer Kommunikationseinheit, dem sogenannten Messsystem, iMSys) Smart Meter Gateway .

Smart-Meter-Gateway- Ist entweder der Messstellenbetreiber (grundzuständig oder Administrator wettbewerblich) oder ein Unternehmen, das vom Messstellen-

betreiber beauftragt wurde. Er ist für den sicheren techni-schen Betrieb des intelligenten Messsystems verantwortlich.

Spotmarkt Handelsplatz für kurzfristig lieferbaren Strom im Gegensatz zum Terminmarkt . Teilt sich auf in:

Ȼ Day-ahead-Markt: Der Handel von Strom für den folgen-den Tag; auch als Auktionsmarkt bezeichnet. Findet an der EEX statt.

Ȼ Intraday-Markt: Der kontinuierlichen Kauf und Verkauf von Strom, der noch am gleichen Tag geliefert wird; auch als kurzfristiger Stromgroßhandel bezeichnet.

Stadtwerke Kommunale Unternehmen, die im öffentlichen Auftrag technische Dienstleistungen und Versorgungsleistungen, insbesondere im Bereich der Grundversorgung der Be-völkerung, erbringen.

Standardlastprofil Das Lastprofil bezeichnet in der Energieversorgung den Ver- lauf der abgenommenen Leistung über eine zeitliche Periode. Diese sind für Energieversorgungsunternehmen und Netzbe- treiber wichtig, da sie zu jeder Zeit genau die abgenommene Leistung liefern müssen. Sie verwenden unterschiedliche Arten von Lastprofile für Verbrauchsprognosen. Ein Stan- dardlastprofil dient der Vorhersage des Verbrauchs von Kleinverbrauchern und legt den geschätzten Jahresverbrauch zugrunde. Der tatsächliche Verbrauch einzelner Abnehmer weicht oft erheblich vom Standardlastprofil ab.

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Systemintegration Prägende Herausforderung für die zweite Phase der Energie-wende. Der wachsende Anteil an Erneuerbaren Energien muss in die bestehenden Infrastrukturen aufgenommen werden. Dazu gehört die Reaktion auf die volatile Strom-erzeugung und die Entwicklung eines flexiblen Netzes.

Terminmarkt Handelsplatz für langfristige Stromlieferverträge im Gegen-satz zum Spotmarkt .

Übertragungsnetzbetreiber Dienstleistungsunternehmen, die die überregionalen Stromnetze operativ betreiben und Stromlieferanten dis-kriminierungsfrei Zugang zu diesen Netzen gewähren müssen; sie übertragen Strom über große Entfernungen in Hoch- und Höchstspannungsnetzen. Im Bereich ihrer Regelzone sind sie für den sicheren Betrieb des Netzes ver-antwortlich.

Unbundling Entflechtung; hat das Ziel, die Unabhängigkeit des Netz-betriebes von anderen Tätigkeitsbereichen der Energiever-sorgung sicherzustellen. In Deutschland im EnWG geregelt.

Verteilnetzbetreiber Unternehmen, die Strom- bzw. Gasnetze zur Verteilung an Endverbraucher betreiben; die Stromnetze werden im Nieder- spannungs-, Mittelspannungs- und im Hochspannungsbereich zur regionalen Stromversorgung unterhalten; die Verteilnetz-betreiber sind somit den Übertragungsnetzbetreibern nach-gelagert.

Virtuelles Kraftwerk Kein Kraftwerk im Wortsinn, sondern ein Zusammenschluss von dezentralen produzierenden Einheiten im Stromnetz, die über ein gemeinsames Leitsystem koordiniert werden. Diese Funktion übernehmen etwa Aggregatoren . Zweck ist die gemeinsame Vermarktung von Strom und Flexibilitäts-angeboten.

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Glossar II: Regulatorischer Rahmen der Energiewende

Siehe auch SINTEG-Gesetzeskarte unter: www.sinteg.de/fileadmin/media/Publikationen/SINTEG_ Gesetzeskarte.pdf

BBPlG Bundesbedarfsplangesetz; regelt seit 2013 den beschleunig- ten Ausbau von mehreren Höchstspannungsleitungen im Übertragungsnetz.

EEG Erneuerbare-Energien-Gesetz; regelt die bevorzugte Ein-speisung von Strom aus erneuerbaren Quellen ins Stromnetz und garantiert deren Erzeugern feste Einspeisevergütungen, um den Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromversor- gung bis zum Jahr 2025 auf 40 bis 45 % und bis 2035 auf 55 bis 60 % zu erhöhen. Das EEG 2017 stellt das Fördersystem von Einspeisevergütungen auf ein Ausschreibungssystem um, bei dem die Regierung eine feste Menge an Leistung aus-schreibt und anschließend die günstigsten Gebote den Zu-schlag bekommen.

EEWärmeG Erneuerbare Energien-Wärmegesetz; betrifft den Ausbau Erneuerbarer Energien im Wärme- und Kältesektor bei der energetischen Gebäudeversorgung und bezweckt insgesamt die Weiterentwicklung von Technologien zur Erzeugung von Wärme und Kälte aus Erneuerbaren Energien.

EmoG Elektromobilitätsgesetz; fördert die Nutzung elektrisch betriebener Fahrzeuge wie Batterieelektrofahrzeugen, Plug-in-Hybrid- oder Brennstoffzellenfahrzeugen.

EnLAG Energieleitungsausbaugesetz; regelt seit 2009 den beschleu- nigten Ausbau von Höchstspannungs-Freileitungen im Über-tragungsnetz.

EnWG Energiewirtschaftsgesetz; hat die «sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche» leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Strom und Gas zum Gegenstand; zentrales Gesetz zum Recht der leitungsgebundenen Energieversorgung; regelt auch

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Eingriffsbefugnisse der BNetzA. Der Gesetzesinhalt wird in zahlreichen Verordnungen konkretisiert, z.B. in der Strom-netzentgeltverordnung und der Anreizregulierungsver-ordnung .

KWKG Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz; regelt seit 2002 die Ein-speisung und Vergütung des Stroms aus Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung; wie beim EEG wird die Förderung, die Betreiber von KWK-Anlagen erhalten, auf den gesamten Stromverbrauch umgelegt.

MsbG Messstellenbetriebsgesetz; regelt die Ausstattung der leitungsgebundenen Energieversorgung mit modernen Mess-einrichtungen und intelligenten Messsystemen; 2016 durch das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende eingeführt.

NABEG Netzausbaubeschleunigungsgesetz; dient der Förderung des Ausbaus der grenzüberschreitenden Höchstspannungs-leitungen.

WindSeeG Windenergie-auf-See-Gesetz; regelt die Förderung von Offshore-Windenergie-Anlagen, um die installierte Leistung dieser Anlagen auf 15 Gigawatt bis zum Jahr 2030 zu steigern; auch hier wird das Ausschreibungssystem genutzt.

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Die AutorinnenChristine Lucha arbeitet seit 2003 als Senior Fellow für Ecologic Legal am Ecologic Institut mit den Schwerpunkten internationale, europäische und nationale Energiepolitik, Recht der Erneuerbaren Energien und Partizipation. Sie interessiert sich insbesondere für die Beantwortung der rechtlichen, sozio-politischen, technischen und ökonomischen Fragen im Zusammenhang mit der Umsetzung der Energiewende in Deutschland.

Lisa Meinecke arbeitet als Junior Researcher für das Legal Team des Ecologic Instituts. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im deutschen und europäischen Umwelt- und Ver-waltungsrecht, wobei sie sich auch mit den rechtlichen und politischen Fragen der Energie-wende befasst. Hier gilt ihr Interesse insbesondere der ökologisch nachhaltigen Digitalisierung sowie der Akzeptanz von Erneuerbaren Energien.

ImpressumHerausgeberin: Heinrich-Böll-Stiftung e.V., Schumannstraße 8, 10117 Berlin Kontakt: Referat Ökologie und Nachhaltigkeit, Dr. Stefanie Groll E [email protected]

Erscheinungsort: www.boell.de Erscheinungsdatum: Februar 2019 Lizenz: Creative Commons (CC BY-NC-ND 4.0) https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0 Verfügbare Ausgaben unter: www.boell.de/de/boellbrief Abonnement (per E-Mail) unter: boell.de/news Die vorliegende Publikation spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der Heinrich-Böll-Stiftung wider.