alternate reality games - master thesis by gerolf nikolay

126
Alternate Reality Games Master Thesis zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science – MSc im Universitätslehrgang MSc Interactive Media Management 1 verfasst von Gerolf Nikolay Eingereicht am Department für Interaktive Medien und Bildungstechnologien der Fakultät für Bildung und Medien an der Donau-Universität Krems Betreuer: Rektor Univ.-Prof. Dr. Michael Wagner, MBA Tag der mündlichen Prüfung: 15.11.2011 Krems, November 2011

Upload: gerolf-nikolay

Post on 15-Jul-2015

12.915 views

Category:

Education


2 download

TRANSCRIPT

Alternate Reality Games

Master Thesis zur Erlangung des akademischen Grades

Master of Science – MSc

im Universitätslehrgang

MSc Interactive Media Management 1

verfasst von

Gerolf Nikolay

Eingereicht am Department für Interaktive Medien und Bildungstechnologien

der Fakultät für Bildung und Medien an der Donau-Universität Krems

Betreuer: Rektor Univ.-Prof. Dr. Michael Wagner, MBA

Tag der mündlichen Prüfung: 15.11.2011

Krems, November 2011

i

Abstract

Die vorliegende Master Thesis versucht einen Einblick in die Welt der Alternate

Reality Games (ARGs) zu geben und deren Einsatzgebiete aufzuzeigen. Aufgrund des

verstärkten Einsatzes von Pervasive Technology und ihres immersiven Charakters

empfiehlt es sich dieses Genre als ‚nongame‘ Phänomen, unter Berücksichtigung des

sozialen Aspekts zu betrachten. ARGs schaffen für die Teilnehmer eine Alternate

Reality in dem sie Game Mechanics in das reale Leben der Spieler integrieren.

Die Thesis versucht die Alleinstellungsmerkmale von ARGs herauszuarbeiten,

insbesondere als neue Form des Geschichtenerzählens und angewandte kollektive

Intelligenz. Anhand dieser speziellen Merkmale wird zunächst eine Begriffsdefinition

vorgenommen. Die zahlreichen Einflüsse auf dieses Genre, seit Beginn des 20.

Jahrhunderts, wurden intensiv studiert, die zum ersten ARG namens The Beast im

Jahr 2001 führten. Daraufhin folgt ein Versuch der Kategorisierung von ARGs, die

keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit hat, sondern die Vielfältigkeit der

Einsatzzwecke aufzeigen soll. Analysiert wurde das ARG 1-18-08, als Fallstudie eines

Promotional ARG zum Kinofilm Cloverfield, sowie World Without Oil, EVOKE und

Ghosts of a Chance, als Stellvertreter der sogenannten Serious ARGs, unter

Berücksichtigung des Aspekts der Bildung von Communities und als Einsatz als

Social Learning Tool.

Da die unklaren Grenzen zwischen Fiktion und Realität auch zu Problemen führen

können, werden in einem Kapitel, zudem die Ethik und der soziale Kontext

diskutiert. Zum Schluss gibt diese Master Thesis Ausblick auf die zukünftige

Entwicklung von ARGs und aktuelle technologische Einflüsse, die maßgeblich an der

Weiterentwicklung dieses Genres beteiligt sind.

ii

Inhaltsverzeichnis

Abstract .......................................................................................................................................................... i

Inhaltsverzeichnis ........................................................................................................................................ ii

1 Einführung ........................................................................................................................................... 1

2 Definition .............................................................................................................................................. 5

2.1.1 Merkmale .............................................................................................................................. 7

2.2 Definition als Spiel ..................................................................................................................... 13

2.3 Transmedia Storytelling ............................................................................................................ 15

2.4 Collective Intelligence ............................................................................................................... 23

2.4.1 Smart Mobs ....................................................................................................................... 24

2.4.2 Spoiling .............................................................................................................................. 28

3 Geschichte .......................................................................................................................................... 30

3.1 Einflüsse ..................................................................................................................................... 33

3.1.1 Orson Welles’ War of the Worlds ..................................................................................... 33

3.1.2 Paul-Is-Dead Conspiracy ................................................................................................. 34

3.1.3 Ong’s Hat: Incunabula ..................................................................................................... 35

3.1.4 Treasure Hunts .................................................................................................................. 37

3.1.5 London’s treasure hunt riots ............................................................................................ 38

3.1.6 We Lost Our Gold .............................................................................................................. 39

3.1.7 Publius Enigma .................................................................................................................. 41

3.2 The Beast .................................................................................................................................... 43

3.3 Majestic ...................................................................................................................................... 45

4 Kategorien .......................................................................................................................................... 47

4.1 Cloverfield .................................................................................................................................. 48

4.1.1 In-Game Websites .............................................................................................................. 51

4.1.2 Out of game ....................................................................................................................... 58

4.1.3 Cloverfield Communities .................................................................................................. 60

4.1.4 Weiterentwicklung der Cloverfield Communities .......................................................... 65

4.2 Serious Games ........................................................................................................................... 69

iii

4.2.1 World Without Oil .............................................................................................................. 72

4.2.2 EVOKE: A Crash Course in Changing the World ............................................................ 74

4.2.3 Ghosts of a Chance ............................................................................................................ 78

4.3 ARGs als Social-Learning Tool ................................................................................................. 81

4.4 Erfolgsmessung ......................................................................................................................... 83

4.5 Partizipation in ARGs ............................................................................................................... 84

5 Ethik und sozialer Kontext ............................................................................................................... 88

5.1 Unaware Participation ............................................................................................................. 89

5.1.1 Jackass Entführung .......................................................................................................... 89

5.1.2 Totes Mädchen auf Google Street View ........................................................................... 90

5.2 Ethik und Selbstverantwortung ............................................................................................... 90

5.3 Verantwortung der Puppet Masters ........................................................................................ 92

5.4 Kultureller Kontext .................................................................................................................... 95

5.5 Vem gråter ..................................................................................................................................97

5.6 Real World Detectives ............................................................................................................... 98

5.7 Lynch Mobs .............................................................................................................................. 100

6 Ausblick ............................................................................................................................................. 101

6.1 Location Based Gaming .......................................................................................................... 102

6.2 SCVNGR ................................................................................................................................... 104

6.3 Augmented Reality .................................................................................................................. 106

6.4 Dexter ARG - Hunt for Infinity Killer .................................................................................... 108

6.5 ARGs im deutschsprachigen Raum ......................................................................................... 110

7 Schlussfolgerungen .......................................................................................................................... 112

8 Abbildungsverzeichnis ..................................................................................................................... 116

9 Bibliographie .................................................................................................................................... 118

Einführung

1

Einführung

Gezeigt werden wackelige Videoaufnahmen einer Abschiedsparty eines jungen

Mannes namens Rob in einer New Yorker Wohnung. Plötzlich wird die Party von

einem metallischen Dröhnen und einem Stromausfall unterbrochen. Es verbreitet

sich Panik als brennende Objekte aus dem Himmel explodierend in die Straßen

stürzen. Alles flüchtet, das wilde Gewackel der Kamera verzerrt Bild und Ton, als

plötzlich der Kopf der Freiheitsstatue auf der Straße landet. Dann die Einblendung

„IN THEATERS 1-18-08“. Kein Titel, kein Star, keine Erklärung. (Reeves 2007)

Dieser Teaser wurde vor dem Kinofilm Transformers (Bay 2007) gezeigt. Zahlreiche

User analysierten diesen darauf Bild für Bild, um mehr darüber in Erfahrung zu

bringen, und nach weiterführenden Hinweisen zu suchen.

Nach und nach entdeckten die Teilnehmer eine Reihe von Websites, die mit dieser

Geschichte in Verbindung standen. Daraus entwickelte sich eine regelrechte

Schnitzeljagd im World Wide Web, über zahlreiche Websites, Videoclips, MySpace

Profile und auch Manga-Comics. Die Spieler mussten Communities bilden, um

gemeinsam die Puzzleteile zusammenzusetzen und die Rätsel lösen zu können.

„Having all the information isn't always better.” so J.J. Abrams (2009, p.2),

Produzent dieses Kinofilms. Und genau diese Geheimniskrämerei brachte auch den

gewünschten Erfolg.

1-18-08, wie es in Spielerkreisen hieß, ist eine neue Form von „Interactive Fiction“

(Rose 2011, chap.1), ein sogenanntes Alternate Reality Game (ARG).

In diesem ARG erforschten die Spieler die Vorgeschichte des Kinofilms Cloverfield,

rund um die Monsterattacke auf New York. Der Kinofilm selbst war nur ein Teil der

Geschichte und bildete den Abschluss dieses ARG. Viele Details und die gesamte

Hintergrundgeschichte kamen darin nicht vor. Dies war rein den Spielern, die am

ARG teilnahmen, vorbehalten.

Die Geburtsstunde der ARGs war aber bereits im April 2001, als aufmerksame

Zuschauer im Abspann des Trailers zu dem Kinofilm A.I. Artificial Intelligence

(Spielberg 2001) einen Eintrag namens ‚Jeanine Salla, Sentient Machine Therapist’

entdeckten. Wenn man nach ‚Jeanine Salla’ googlete, führte dies zum nächsten

Einführung

2

Hinweis. Diese Schnitzeljagd entwickelte sich über zahlreiche Websites, bei der

Tausende von Menschen daran teilnahmen. Das Ziel war herauszufinden, wer die

fiktionale Person namens Evan Chan ermordet hat.

Drei Monate später, als das Spiel endete, nahmen insgesamt ca. 7-10.000 Spieler

daran teil. Weitere Zigtausend Leute kamen, aufgrund der Berichterstattung in den

Medien und des WWW, damit in Berührung. The Beast, so wurde dieses Spiel

inoffiziell bezeichnet, legte damit den Grundstein eines neuen Spielgenres.

Drei Jahre später, im Sommer 2004, fand das zweite ARG statt, welches

richtungsweisend für dieses Genre war. I Love Bees war Teil einer Promotion

Kampagne zum Computerspiel Halo 2. Die Hinweise und Rätsel waren hier quer in

den USA verteilt, sodass es unmöglich für den einzelnen Spieler war, sämtliche

Puzzleteile auf eigene Faust zu finden.

Die Neuen Medien und der Zugang zu Technologie haben unser Verhalten verändert,

wie wir zusammenarbeiten und Probleme lösen. Insbesondere das World Wide Web

und mobile Internettechnologie in Form von Smartphones erlaubt uns, innerhalb des

Kollektivs zusammenarbeiten, auch wenn wir uns an unterschiedlichen Orten

befinden.

Digitale Spiele waren schon immer Vorreiter, wenn es darum ging, neue

Technologien einzusetzen, deren Potenzial auszuschöpfen und die damit

verbundenen Möglichkeiten und Einsatzzwecke aufzuzeigen.

Alternate Reality Games sind speziell dazu gestaltet, um kollektives Problemlösen zu

fördern, indem sie umfangreiche Game Mechanics in eine spannende Geschichte

einbetten.

Die Erfahrung der Spieler bei ARGs beschränkt sich dabei nicht nur auf die virtuelle

Welt, sondern weitet sich dabei auf die reale Welt bzw. auf das Leben der Spieler

selbst aus. Telefonnachrichten, SMS Nachrichten und auch Begegnungen mit

fiktionalen Personen im realen Leben können Bestandteile der Spielerfahrung sein.

Beschränkten sich ARGs vor 2007 noch hauptsächlich auf Promotion- und

Marketingzwecke, so ist in den letzten Jahren ein Trend Richtung Serious Games zu

erkennen, nämlich Spiele, die auch einen positiven Einfluss auf das reale Leben der

Spieler haben. Dabei setzt man auf das enorme Potenzial der Teilnehmer, als

Einführung

3

Community und deren Fähigkeiten Probleme kollektiv zu lösen, die in unserer realen

Welt von Bedeutung sind.

Alternate Reality Games sind daher mehr als nur virales Marketing und bieten sich

für zahlreiche Anwendungsgebiete an. Da es sich um ein sehr junges Genre handelt,

entdecken wir erst allmählich deren volles Potenzial.

In meiner Arbeit untersuche ich daher ARGs als Beispiel für kollektives

Problemlösen und neue Form des Geschichtenerzählens.

Die Arbeit gliedert sich in fünf Teile:

Im ersten Abschnitt befasse ich mich mit der Definition von ARGs. Aufgrund der

sehr unterschiedlichen und vielschichtigen Einflüsse ist ein Definitionsversuch

schwierig, da die Grenzen zu anderen Spielformen oft sehr fließend sind. Trotzdem

bilden gewisse Merkmale die Basis solcher Spiele, die dieses Genre einzigartig

machen und auszeichnen.

Im zweiten Teil werfe ich einen Blick auf die zahlreichen Einflüsse der ARGs, die erst

diese neue Spielform ermöglichten. Ich beschränke mich in diesem Fall auf die

Neuzeit, seit Beginn des 20. Jahrhunderts.

Im dritten Teil nehme ich den Versuch einer Einteilung der ARGs in unterschiedliche

Kategorien vor. Dies erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, sondern dient in

erster Linie dazu, aufzuzeigen, wie vielfältig deren Einsatzzweck sein kann. Zudem

lassen sich viele ARGs oft keiner eindeutigen Kategorie zuteilen, sondern sind

zumindest zwei oder sogar mehreren zuordenbar.

Dabei analysiere ich einige dieser Spiele und zeige deren Möglichkeiten auf. Das ARG

zum Kinofilm Cloverfield dient als Fallstudie eines Promotional ARG.

Anhand von Serious Games zeige ich den Trend der letzten Jahre auf, die wieder

Aufschwung in dieses Spielgenre gebracht haben. Beispiele dafür sind Fallstudien

von World Without Oil, EVOKE und Ghosts of a Chance. Abschluss bildet, als

Beispiel eines Organizational ARG, nämlich die New Yorker Charter School Quest to

Learn. Dabei werden Spiele nicht nur im Unterricht eingesetzt, sondern das Konzept

wird auf die gesamte Schule und das Leben der Schüler ausgeweitet.

Einführung

4

Im vierten Teil beleuchte ich die Ethik und den sozialen Kontext, in dem ARGs

stehen. Da die Grenze zwischen Fiktion und Realität dabei ganz bewusst verwischt

wird, wirft dies allerdings auch einige Fragen und Probleme auf.

Im fünften und letzten Teil versuche ich, einen Ausblick auf die Zukunft von ARGs zu

geben. Pervasive Technology, in Form von Smartphones und mobilem Internet,

eröffnet seit Kurzem komplett neue Möglichkeiten, um solche Spiele in das reale

Leben zu integrieren. Social Networks, wie Facebook, Twitter oder SCVNGR, spielen

dabei ebenso eine große Rolle, wie Augmented Reality Technologien. ARGs bauen in

der Regel auf bestehende Technologien auf und integrieren sich so nahtlos in das

Leben der Spieler. Noch nie gab es so viele Möglichkeiten, wie bisher, die als

Spielplattform für ARGs dienen können. Neuere ARGs schöpfen bereits aus diesem

Potenzial und zeigen deren Einsatzzwecke auf.

Definition

5

Definition

Alternate Reality Games (ARGs) sind relativ leicht zu erkennen, aber schwierig zu

definieren.

Im Grunde gehören sie im weitesten Sinn der Kategorie der Pervasive Games an, die

eine Vielzahl von Bezeichnungen haben können:

„adaptronic games, alternate reality games, ambient games, appropriative

games, augmented reality games, big games, brink games, context aware

games, crossmedia games, geogames, hybrid games, immersive games,

invasive games, location-based games, locative games, massive games,

mixed reality games, mobile games, pervasive games, reality games,

supergames, total games, transreality games, ubiquitous games, urban

games, …” (Montola et al. 2009, p.xix)

Das bekannteste Genre darunter sind die Alternate Reality Games. Viele dieser

Begriffe sind nicht immer ganz eindeutig und werden oft unterschiedlich gebraucht.

So kann es mitunter vorkommen, dass ARGs unter einer anderen Bezeichnung

auftauchen. Gemeint ist natürlich dasselbe.

Ebenso gibt es sehr unterschiedliche Definitionen um Alternate Reality Games zu

beschreiben.

Nieuwdorp (2007 cited in Montola et al. 2009, p.12) unterscheidet hierbei zwischen

einem technologischen und kulturellen Ansatz.

Aus technologischer Sicht wird untersucht, wie Pervasive-Computing-Technologie in

den Spielen verwendet wird, wohingegen der kulturelle Ansatz sich darauf

konzentriert, wie sich solche Spiele auf die reale Welt auswirken.

Sich nur auf den technologischen Aspekt zu konzentrieren hat den Nachteil, dass

manche Spiele aus dieser Kategorie herausfallen, manche andere aber wiederum

inkludiert werden.

ARGs, die anfangs ein rein nordamerikanisches Phänomen waren, werden oft mit

Pervasive Games, die hauptsächlich in Europa und Asien verbreitet sind, verglichen.

Pervasive Games kombinieren auch Web-Fiction und Multiplayer-Communities mit

Definition

6

SMS und GPS Technologie. Beispiele dafür sind das Nokia Game, Supafly und

Botfighters. Der größte Unterschied zwischen den beiden Genres besteht darin, dass

Pervasive Games in der Regel ganz klar als Spiel erkennbar sind. Das gesamte

Interface ist als Spiel aufgebaut und die Spieler interagieren zwar mit anderen

Teilnehmern, arbeiten aber in der Regel nicht als Kollektiv zusammen. (McGonigal

2003, p.5)

Daher bevorzuge ich folgende Definition von Jane McGonigal, Game Designer von

zahlreichen Alternate Reality Games, da sie ARGs als ‚nongame‘ Phänomen

betrachtet:

„An interactive drama played out online and in real-world spaces, taking

place over several weeks or months, in which dozens, hundreds, or thousands

of players come together online, form collaborative social networks, and

work together to solve a mystery or problem that would be absolutely

impossible to solve alone.” (McGonigal 2004)

Interessant ist auch bei dieser Definition, dass McGonigal es als ‚interactive drama’

und nicht als ‚game’ beschreibt, denn die wichtigste Philosophie von ARGs lautet

‚This Is Not A Game‘ (TINAG oder TING):

„[The Players] must believe “this is not a game” in order to enjoy the

immersive pleasures of its realistic aesthetic. They must disbelieve “this is not

a game” in order to maintain the ludic mindset that makes realistic murders,

apocalyptic science, cyberterrorism, and other dark plots pleasurably

playable.” (McGonigal, 2006 cited in Montola et al. 2009, p.143)

Dieses Mantra, welches Sinnbild für Spieler und Entwickler wurde, stammt aus

einem Werbespot für den Kinofilm A.I. Artificial Intelligence, als für einen

Sekundenbruchteil, in roten Buchstaben, der Satz ‚This Is Not A Game’ zu lesen war.

Dies war Teil des ARG namens The Beast, welches als Promotionkampagne für

diesen Film entwickelt wurde. The Beast wurde niemals als Spiel angepriesen, und es

wurde stets von den Entwicklern bestritten, dass es sich hierbei um ein solches

handelt. Daher gab es niemals einen offiziellen Titel für dieses ARG. ‚The Beast‘ war

der inoffizielle ‚Spitzname’.

Definition

7

Die Grundidee hinter ARGs ist die, dass Spieltechnologie dazu verwendet wird,

Aktivitäten im realen Leben zu organisieren. Dieses Konzept versucht das, was wir an

Spielen am meisten mögen mit dem was wir am meisten an unserem realen Leben

schätzen, zu kombinieren, indem eine Alternate Reality geschaffen wird. (McGonigal

2011, chap.7)

1.1.1 Merkmale Laut McGonigal (2004) gibt es sechs Merkmale die ARGs näher beschreiben:

• cross-media

• pervasive

• persistent

• collaborative

• constructive

• expressive

Definition

8

Cross-media

Die Handlung des Spiels, Hinweise, Rätsel und Missionen werden auf mehrere

Medien aufgeteilt und komplettieren sich untereinander - dies können digitale, aber

genauso gut, traditionelle Medien, wie Zeitungen oder, aber auch reale Artefakte

sein.

Folgende Medien können Bestandteil eines ARG sein:

• Websites

• Emails

• Blogs

• Telefonanrufe

• MP3s and DVDs

• USB Sticks

• Webcams

• Text-Nachrichten (SMS)

• Instant Messages/Chat

• Spielkonsolen

• GPS Geräte

• Post/Pakete

• Artefakte aus der realen Welt, die mit dem Spielgeschehen in Zusammenhang

stehen

• Zeitungsartikel, Kleinanzeigen

• Smartphones

Definition

9

Abbildung 1 Ein reales Artefakt aus dem ARG zur Fernsehserie Dexter: „This morning, a knock on my door woke me up. A package greeted me on my doorstep, addressed to me. Inside was a tiny, elegant package and a postcard with the picture of a grisly kill room and a bloody infinity sign. […] Inside the box was a realistic chocolate heart, along with a USB taped to the lid of the box containing a video message […].“ (Andersen 2010)

ARGs sind meist durch eine Vielzahl von Websites charakterisiert. Dadurch ist es

manchmal sehr schwierig zu unterscheiden, ob eine Internetseite Bestandteil des

Spiels ist oder es sich gar um eine ‚reale‘ Website handelt, die mit der Geschichte gar

nicht in Zusammenhang steht (‚Out of Game‘ – OOG). Diese Websites bilden das

Fundament des Spiels. Sie werden dazu verwendet, um die Handlung

voranzutreiben. Oben genannte Medien kommen meist zusätzlich zum Einsatz.

‚Cross-media‘ ist das einzige Merkmal, welches auch die technologische Komponente

beinhaltet. Da ARGs immer sehr eng an die technologische Entwicklung gekoppelt

sind, ist diese Liste auch ständig zu erweitern. Social Networks, wie Facebook und

Twitter, gehören ebenso dazu, wie Augmented Reality Technologien. ARGs sind so

vielschichtig, dass beinahe jedes erdenkliche Medium, Bestandteil der Geschichte

sein kann.

Diese Form des Geschichtenerzählens bezeichnet man auch als Transmedia

Storytelling.

Definition

10

Pervasive

Die Spielfläche wird dabei auf die reale Welt erweitert. ARGs können in gewohnter

Umgebung stattfinden - dies können Straßen, leer stehende Fabrikshallen,

aufgelassene Bergwerksstollen und auch Restaurants sein.

Aber auch Events und Veranstaltungen in der realen Welt, bei denen Schauspieler

mit den teilnehmenden Spielern interagieren, können Bestandteil sein.

Die Hinweise und Rätsel können auch in dieser realen Umgebung eingebettet sein.

Eine der wichtigsten Aufgaben der Spieler ist es, dabei herauszufinden, welche Orte,

Objekte, Gebäude, Fahrzeuge oder Gegenstände Bestandteil des Spiels sind. Es gibt

oft keine klaren Regeln um deren Relevanz im Spiel zu erkennen. (Montola et al.

2009, p.77) Dies ist eine ähnliche Problematik, wie man sie von ‚Out of Game‘

Inhalten bei Websites kennt. Allerdings kann dies auch Teil der Herausforderung an

die Spieler sein.

Moderne mobile Internettechnologie wird oft gerne dafür eingesetzt, um Spielern

eine Hilfestellung zu geben, indem realen Gegenständen und Plätzen eine zusätzliche

virtuelle und ludische Bedeutung verliehen wird, aber auch, um die Position der

Teilnehmer und deren Fortschritt im Spiel bestimmen zu können.

Abbildung 2 I Love Bees Payphone Gathering: Einige Spieler warten bei einer Telefonzelle auf einen Anruf. (Unfiction, 2004 cited in McGonigal 2004)

Definition

11

Persistent

Im Idealfall entfaltet sich die Geschichte eines ARG in Echtzeit, 24 Stunden am Tag,

7 Tage die Woche, und das über einen mehrwöchigen Zeitraum.

Die Ungewissheit der Spieler, nie zu wissen, wann es weitergeht, macht den

besonderen Reiz aus und trägt zu einem besonders intensiven Erlebnis bei.

Durch mobiles Internet und Smartphone Technologie lässt sich das ‚Always on’

Konzept sehr gut realisieren. Man ist immer und jederzeit erreichbar und kann von

überall aus auf die Geschehnisse im Spiel reagieren.

Dies kann aber auch zu einem erheblichen Stressfaktor für die Spieler werden, z. B.

wenn diese gerade am Arbeitsplatz befinden. Manche dieser Spielprinzipien sind oft

schlecht in den beruflichen Alltag integrierbar.

Daher haben die meisten ARGs einen inoffiziellen Zeitplan zur Veröffentlichung

neuer Hinweise, Rätsel und Aufgaben entwickelt (z. B. immer an einem bestimmten

Wochentag bzw. Uhrzeit). Eine gewisse Routine, auch wenn sie diesem Prinzip

widerspricht, ist oft sehr förderlich für das Spielgeschehen.

Auch die verschiedenen Rollen, die Spieler im Verlauf des ARG annehmen, können

Abhilfe schaffen, da diese ohnehin kollaborativ ausgelegt sind.

Collaborative

ARGs sind so gestaltet, dass es unmöglich ist, die Rätsel und Aufgaben alleine oder

als kleine Gruppe zu lösen bzw. zu entschlüsseln. Durch den sehr hohen

Schwierigkeitsgrad kann eine Lösung nur im Kollektiv gefunden werden. Eine

Zusammenarbeit mit anderen Spielern ist dabei zwingend erforderlich.

Um die komplizierten und zeitaufwendigen Puzzles zu lösen, sind oft sehr

unterschiedliche Fähigkeiten gefragt, wie das Beherrschen von verschiedenen

Programmiersprachen, Hacking, und das Wissen über Literatur, Geschichte und

Kunst. Es ist daher ein wesentliches Spielmerkmal, kollaborative Communities zu

schaffen, um sich gegenseitig austauschen zu können. Zudem verbergen sich

Hinweise oft an geographisch sehr unterschiedlichen Orten, sodass es praktisch

unmöglich ist, allen auf eigene Faust nachzugehen.

Definition

12

Constructive

Die Spielplattform muss in der Regel von den Spielern selbst entwickelt werden.

Zudem müssen sich die daraus entstandenen Communities selbst organisieren. Die

Spieler nehmen dabei im Verlauf des ARG oft unterschiedliche Rollen an, wie die der

Organizers, Detectives oder Hunters, die ihren Fähigkeiten bzw. Bedürfnissen

entsprechen.

Selbst Kommunikationssysteme werden des Öfteren auch von den Spielern selbst

entwickelt, um sich während des Spiels besser austauschen zu können.

Durch die Entwicklung der Social Networks ist allerdings vieles einfacher geworden,

da die Teilnehmer die bestehende Infrastruktur nützen und darauf aufbauen können.

Auch eine internationale Vernetzung und Informationsaustausch ist somit einfacher

realisierbar. Zudem wird die Hemmschwelle an der Teilnahme für neue Spieler

herabgesetzt und eine größere Zielgruppe erreicht.

Expressive

Teilnehmende Spieler werden auch zum Selbstausdruck ermutigt.

Dies findet sich vor allem in von Spielern gestalteten Websites und Blogs wieder, die

zum Teil eine wichtige Kommunikationsplattform mit anderen Teilnehmern sind.

Aus diesem Umfeld heraus entsteht oftmals Fan-Art, Fan-Fiction aber auch Fan-

ARGs. Im Rahmen des BIOS Programs des ARG Majestic wurden Spieler sogar

ermutigt, eigene Spiele und Rätsel zu entwerfen.

Bei umfangreichen ARGs werden oft sehr ausführliche Wikis und Player Guides

entwickelt. Zum einen ermöglicht dies Quereinsteigern sich über die bisherigen

Geschehnisse zu informieren und das bisher gewonnene Wissen zentral zu sammeln,

und zum anderen, Interessierten indirekt am ARG teilzunehmen bzw. dessen

Vorgänge mitzuverfolgen:

„Over 7,000 Cloudmakers made the experience of The Beast possible for

over 3 million people, and around 10,000 players answered payphones so

that nearly two-and-a-half million people could casually trace I Love Bees. It

is because of the cultural production of grassroots communities that people

are able to watch.“ (Dena, 2008 a cited in Montola et al. 2009, p.121)

Definition

13

1.2 Definition als Spiel ARGs schöpfen auch aus seiner Vielzahl an Einflüssen, sodass alleine schon

deswegen eine Einordnung sehr schwierig ist. Auch die unterschiedlichen

eingesetzten Medien machen dies nicht leichter.

Nach Johan Huizinga prägten Katie Salen und Eric Zimmerman das Konzept des

‚Magic Circle‘. Der Magic Circle ist die Grenze, die das reale Leben vom

Spielgeschehen trennt. Nach Huizinga muss Spiel in einem bestimmten Bereich zu

einem bestimmten Zeitpunkt stattfinden.

Salen und Zimmerman sehen dagegen den Magic Circle eher metaphorisch.

(Montola et al. 2009, p.7)

Abbildung 3 Nicht immer ist es so klar, wie beim Sumo Ringen, bei dem das gesamte Spiel innerhalb des Kreises stattfindet (Montola et al. 2009, p.8)

Bei ARGs hingegen wird der Magic Circle erweitert. Die Grenzen zwischen Realität

und Spiel verschwimmen. Die Spieler nehmen den Magic Circle überall mit sich mit:

„[An ARG] is a game that has one or more salient features that expand the

contractual circle of play spatially, temporally, or socially.” (Montola et al.

2009, p.12)

Definition

14

Der Magic Circle ist keine Grenze mehr, der die ludischen Elemente von den realen

trennt, sondern eine geheime Vereinbarung, welche Aktionen sich von den normalen

Handlungen unterscheiden. Die Handlungen im Magic Circle bekommen eine

besondere soziale Bedeutung.

Sowohl das Spiel als auch das normale Leben können von dieser unklaren Grenze

profitieren:

„[ARGs] can take the pleasure of the game to ordinary life.“ und „[ARGs] can

take the thrill of immediacy and tangibility of ordinary life to the game.”

(Montola et al. 2009, p.21)

Der Magic Circle verschwimmt, das reale Leben und das Spiel ergänzen sich dabei.

Dies eröffnet Chancen, birgt aber auch einige Risiken in sich. Aus diesem Grund

sollten ARGs nicht nur als Spiel, sondern auch als ‚nongame‘ Phänomen betrachtet

werden. (Montola et al. 2009, p.19)

Definition

15

1.3 Transmedia Storytelling Traditionelle Geschichten wurden bisher immer für ein einzelnes und spezifisches

Medium geschaffen, z. B. um auf einer Theaterbühne aufgeführt, in einem Buch

abgedruckt oder als Kinofilm verfilmt zu werden. Manchmal wurden diese aber auch

im Nachhinein für ein weiteres Medium adaptiert. Diese Adaptionen wurden aber

selten im Vorfeld geplant. (Miller 2008, p.150)

Abbildung 4 Traditionelles Modell: Das einzelne Media-Artefakt ist dafür verantwortlich, die ‚Story World‘ zum Vorschein zu bringen (Watson 2010, p.5)

In den letzten Jahren hat sich eine neue Form des Geschichtenerzählens etabliert,

nämlich das ‚Transmedia Storytelling‘. Im Gegensatz zum traditionellen Modell wird

diese Geschichte gleichzeitig über unterschiedliche Medien erzählt:

„Transmedia storytelling represents a process where integral elements of a

fiction get dispersed systematically across multiple delivery channels for the

purpose of creating a unified and coordinated entertainment experience.

Ideally, each medium makes its own unique contribution to the unfolding of

the story. […]There is no one single source or ur-text where one can turn to

gain all of the information needed to comprehend the [Story World].”

(Jenkins 2007)

Definition

16

Abbildung 5 Das Transmedia Modell: Es gibt keinen ‚Ur-Text‘, der die gesamte Geschichte erzählt; die ‚Story-World‘ setzt sich dagegen aus mehreren Texten/Media-Artefakten zusammen.

Da Transmedia Storytelling noch relativ jung ist, gibt es viele Bezeichnungen dafür,

die aber nicht immer ganz richtig sind. ‚Multiplatforming‘ oder auch ‚Cross-Media

Producing‘ wird es manchmal genannt. Manche kennen es auch als ‚Networked

Entertainment‘ oder ‚Integrated Media‘. Bei Projekten, bei denen die Geschichte

eine besondere Rolle spielt, heißt es ‚Distributed Narrative‘, bei welchen mit einer

spielerischen Komponente ist es eben ein Alternate Reality Game.

Bekannt ist Transmedia Storytelling in erster Linie durch das Blair Witch Project

aus dem Jahre 1999 geworden. Es bestand aus zwei Komponenten: dem Film und

der Website.

Der Film erzählt die Geschichte von drei jungen Filmemachern, die bei Dreharbeiten

zu einer Dokumentation über eine legendäre Hexe, unter mysteriösen Umständen in

den Wäldern verschwinden.

Der Film selbst ist aus dem Material der Videokassetten geschnitten, die angeblich,

nach deren Verschwinden gefunden wurden. Es wird als Dokumentation über ein

fiktives Ereignis präsentiert, welches tatsächlich stattgefunden haben soll.

Die Website konzentriert sich auf dieselbe Geschichte, um den ‚dokumentarischen‘

Inhalt des Films zu unterstreichen. Es handelt sich hierbei um keine übliche

Promotion-Website, bei der Interviews mit Schauspielern und Backstage Fotos

präsentiert werden. Es ist nicht einmal der Hinweis zu finden, dass es sich hierbei

Definition

17

um einen Film handelt.

Stattdessen wurden Tagebuchauszüge der Filmemacher, Interviews mit deren

Verwandten, Dorfbewohnern und Polizisten präsentiert, sowie weiteres

Archivmaterial.

Dies war anscheinend so glaubwürdig, dass viele Fans dachten, The Blair Witch

Project sei tatsächlich real. Jeder konnte sich daraus seine eigene Geschichte über,

die stattgefunden Geschehnisse konstruieren. (Miller 2008, p.150)

Abbildung 6 The Blair Witch Website zeigte eine Vielzahl an ‚realem’ Material inklusive einem fiktiven Tagebuch (The Blair Witch website cited in Askwith 2008, p.16)

Selbst der Soundtrack wurde als Audiokassette aus dem verlassenen Auto

präsentiert. Statt der üblichen Kinoplakate wurden ‚Missing Person‘ Flyer verteilt

und Zeitungsanzeigen geschaltet, die jeden mit der Bitte um Hinweise über die

‚verschollenen‘ Filmemacher auf die Website blairwitch.com weiterleiteten. (Askwith

2008, p.16)

Definition

18

Als Ed Sanchez (cited in Jenkins 2008, p.103), ein Mitglied des Projekt Teams, ein

Diskussions-Forum auf der Website hinzufügte, war er überrascht, wie rasch sich

eine große Fan-Basis bildete, die von der Blair Witch Mythologie fasziniert war:

„What we learned from Blair Witch is that if you give people enough stuff to

explore they will explore. Not everyone but some of them will. The people

who do explore and take advantage of the whole world will forever be your

fans, will give you an energy you can’t buy through advertising… We ended

up exploiting the web in ways that as far as movies were concerned, nobody

had ever done before.”

The Blair Witch Project, welches an sich, noch kein echtes ARG war, ist einer der

wesentlichen Einflüsse und Grundstein für dieses Spielgenre.

Im Herbst 2002 wurde das Transmedia Projekt Push, Nevada ins Leben gerufen.

Dieses basierte auf der gleichnamigen Fernsehserie und versuchte dabei die Grenze

zwischen Fiktion und Realität verschwimmen zu lassen, in dem Geschichte und Spiel

miteinander verbunden wurden. Es hatte viele Charakteristiken eines ARG, aber da

die Geschichte, die über mehrere Medien erzählt wurde, den Mittelpunkt bildete,

lässt sich Push, Nevada eher als ‚Distributed Narrative‘ einordnen.

Dieses Projekt wurde von LivePlanet produziert, einer gemeinsamen Firma von Ben

Affleck und Matt Damon.

Die Mystery Fernsehserie war zwar ein zentrales Element, aber eben nur ein

Bestandteil der Geschichte. Komplettiert wurde diese durch zahlreiche Websites,

Wireless Applications, ein Buch und ein Telefon Nachrichten Service.

Schon in der Vorproduktion wurde großes Augenmerk auf die nahtlose Integration

der Elemente untereinander gelegt. LivePlanet konzipierte dafür eine ‚Integrated

Media Bible‘, sowie eine ‚Integrated Media Timeline‘, die die Abhängigkeiten der

unterschiedlichen Medien untereinander zeigen. (Miller 2008, pp.153–154)

Definition

19

Abbildung 7 Integrated Media Timeline (LivePlanet cited in Miller 2008, p.154)

LivePlanet bezeichnete dies als ‚Integrated Media Approach‘. Push, Nevada machte

sich dabei drei Plattformen zunutze:

• traditionelle Medien (TV, Film und Radio), der Ausgangspunkt dieses Projekts

• interaktive Medien (Internet, Wireless Devices, …), welche es erlauben den

Konsumenten an der Geschichte teilzunehmen zu lassen

• und im Endeffekt die physische Welt, welche die Geschichte in das reale

Leben der Leute integriert.

Das Ziel war es, diese drei Plattformen so zu überlappen, dass sich diese im Zentrum

‚integrieren‘. (Miller 2008, p.155)

Bailey (cited in Rose 2011, chap.13) bezeichnete dies auch als die „three-ball theory“:

“Our content lived in all three.”

Definition

20

Abbildung 8 Integrated Media Approach: three-ball-theory (LivePlanet cited in Miller 2008, p.155)

Laut dem Fernsehsender ABC nahmen ca. 600.000 Leute daran teil. Trotz der

ursprünglich hohen Erwartungen und der regen Teilnahme wurde Push, Nevada

nach nur sieben Folgen abgesetzt.

Bei dem Sequel zu The Matrix, ein Jahr nach Push, Nevada, wurde die Geschichte

wiederum über drei Kinofilme, eine animierte Kurzfilmserie, zwei Comic Book Serien

und mehrere Computerspiele transportiert. Es gibt dabei keine einzelne Quelle oder

‚Ur-Text‘, der die gesamte Information über das The Matrix Universum enthält.

Jemand der das Computerspiel spielt erlebt den Kinofilm anders, als jemand der

eben nur diesen gesehen hat. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.

(Jenkins 2008, p.102)

Die Tiefe und Umfang des The Matrix Universums macht es zudem für ein

Individuum unmöglich, sämtliche Bestandteile der Geschichte und Hinweise zu

erfassen. Daraus bildeten sich eine Reihe von Fan-Websites und Diskussionsforen,

eine sogenannte ‚Knowledge Culture‘, um diese Informationsschnipsel zu sammeln

und auszutauschen. Es wurde Hinweisen nachgegangen, Zeittafeln angefertigt,

Definition

21

Dialoge transkribiert und auch die Geschichte durch eigene Fan Fiction erweitert.

(Jenkins 2008, p.127)

Laut Murray (cited in Jenkins 2008, p.119) sprechen solche Projekte drei

verschiedene Typen von Konsumenten an:

„the actively engaged real-time viewers who must find suspense and

satisfaction in each single episode and the more reflective long-term

audience who will look for coherent patterns in the story as a whole … [and]

the navigational viewer who takes pleasure in following the connections

between different parts of the story and in discovering multiple

arrangements of the same material.“

Die große Herausforderung besteht hierin, sämtliche Typen von Konsumenten zu

befriedigen.

Die Wachowski Brüder, Regisseure der The Matrix Trilogie, machten die Spiele,

Comics und die animierte Kurzfilmserie, zu einem zentralen Kern der Geschichte,

sodass sie das Risiko ganz bewusst eingingen, traditionelle Kinobesucher

abzuschrecken, indem sie ihnen wesentliche Teile der Geschichte vorenthielten.

(Jenkins 2008, p.111)

Wenn man solche Arbeiten nach traditionellen Kriterien beurteilt, erscheinen diese

stark fragmentiert. Aber diese Fragmentierung existiert deswegen, damit die

Konsumenten die Querverbindungen selbst herstellen können. Kinobesucher, die

mit nonlinearen Medien, wie Computerspiele, aufgewachsen sind, erwarten sich

eben eine neuartige Form der Unterhaltung. (Jenkins 2008, p.119)

Das Genre der Horrorfilme war, wenn man an The Blair Witch Project zurückdenkt,

immer sehr richtungsweisend für Transmedia Storytelling. Dies mag damit zu tun

haben, dass Filme, die eine fiktive Geschichte im Dokumentarstil erzählen, um diese

glaubwürdiger zu gestalten, eine sehr gute Ausgangsbasis dafür sind, um die Grenzen

zwischen Fiktion und Realität verschwimmen zu lassen.

Dass dafür immer wieder nach neuen Medien und Möglichkeiten gesucht wird, zeigt

auch das Beispiel der Promotionkampagne zum Kinofilm The Last Exorcism (2010).

Dieses nützte dafür Chatroulette, ein Video-Chat-Service, welches Teilnehmer nach

dem Zufallsprinzip untereinander verbindet. Bekannt wurde dieses Service in erster

Definition

22

Linie durch die Nacktheit und Entblößung bestimmter Körperteile. Und genau dieses

Prinzip nützte die Kampagne zu The Last Exorcism aus.

Ein nettes Mädchen, welches den Anschein machte, sich vor laufender Webcam zu

enthüllen, zog die ahnungslosen Zuschauer zunächst in dessen Bann, bevor sie sich

in einen vom Teufel besessenen Dämonen verwandelte.

Abbildung 9 The Last Exorcism - BEST OF Chatroulette reactions (thelastexorcism 2010)

Die ‚besten‘ Reaktionen der Chatpartner wurden als Video auf YouTube hochgeladen.

Dieser Clip entwickelte sich unmittelbar zum viralen Erfolg mit über vier Millionen

Views.

Zunächst wurde vermutet, dass die gezeigten Reaktionen nicht echt seien, sondern

gestellt. Mittlerweile hat aber das dafür verantwortliche Filmstudio Lionsgate

bestätigt, dass diese in der Tat ‚real‘ sein sollen. (Tsotsis 2010)

Definition

23

1.4 Collective Intelligence Die Spielercommunity der Cloudmakers, die aus dem ARG The Beast

hervorgegangen sind, bezeichneten sich nach dem Spiel in ihren Online-Profilen,

Websites und Email Signaturen als ‘a collective intelligence unparalleled in

entertainment history’. Als Kollektiv lösten sie Rätsel, die bisher als scheinbar

unlösbar galten. (McGonigal 2003, p.1)

Elan Lee (cited in McGonigal 2003, p.2), neben Jordan Weisman einer der

Produzenten von The Beast, erklärte 2002 auf der Games Developer Conference :

„We created strings of puzzles that no single person could solve on their own

and we found to our delight it was working. The audience was forming

teams, sharing ideas, writing applications, posting theories, arranging

group meetings, programming distributed-client password crackers,

creating art.”

Sehr schnell lernten die Puppet Masters1, dass die Cloudmakers sehr viel

intelligenter waren, als sie selbst. Die erstellten Puzzles wurden in Farbkategorien

eingeteilt, die die Schwierigkeitsgrade kennzeichneten. Es gab Puzzles, die geschätzt,

einen Tag oder eine Woche in Anspruch nehmen sollten. Aber es gab auch welche,

von denen gingen die Puppet Masters aus, dass diese gar nicht zu lösen seien.

Zumindest so lange nicht, bis sie den Spielern entsprechende Hinweise gaben. Die

Cloudmakers lösten alle Rätsel an einem einzigen Tag!

Auf Antwort auf diese äußerst effiziente kollektive Zusammenarbeit wurden die

Rätsel zunehmend schwieriger. Zudem wurden die Hinweise bei Live-Events in

unterschiedlichen Städten verteilt. Die Spieler in der jeweiligen Stadt

kommunizierten mit den zu Hause gebliebenen in Echtzeit, um die einzelnen

Puzzleteile aneinanderzufügen. (McGonigal 2003, pp.2–3)

Diese neu gewonnene kollektive Identität und damit verbundene kollektive

Intelligenz war für viele Cloudmakers das Highlight dieses Spiels. Eine Erfahrung,

die sie bisher noch nicht gemacht haben.

Ein Cloudmaker (cited in McGonigal 2003, p.7) beschrieb diese Erfahrung so:

1 Ein Puppetmaster (PM) ist eine Person, die für das Gamedesign oder die Durchführung eines verantwortlich ist.

Definition

24

„The 7500+ people in this group … we are all one. We have made manifest

the idea of an unbelievably intricate intelligence. We are one mind, one voice

… made of 7500+ neurons… We sit back and look at our monitors, and our

keyboards … our window to this vast collective consciousness… we are not

alone. We are one person secluded from the rest of the world … kept apart by

the technology we have embraced. We have become part of it through the

technology. We have become a part of something greater than ourselves.”

Pierre Lévy (1999, pp.13–14) beschreibt diese Form von kollektiver Intelligenz, wie

folgt:

„It is a form of universally distributed intelligence, constantly enhanced,

coordinated in real time, and resulting in the effective mobilization of skills.

[…] No one knows everything, everyone knows something, all knowledge

resides in humanity. […] knowledge is simply the sum of what we know.”

‚Knowledge Communities‘, wie Lévy diese bezeichnet, schöpfen aus der Vielfalt ihrer

Mitglieder und deren Fähigkeiten und Wissen. Vieles was wir als einzelne Personen

nicht bewerkstelligen können, schaffen wir als Kollektiv.

Diese kollektive Intelligenz zeigt sehr gut, welches Potenzial Spieler in sich selbst

sehen, um Probleme zu lösen und gemeinsame Herausforderungen anzunehmen.

Allerdings vorwiegend in Spielen und nicht in der realen Welt

Einige Game Designer haben das Potenzial dieser kollektiven Spielergruppierungen

erkannt und möchten dieses Spielprinzip zum Lösen von Problemen in der realen

Welt anwenden. Viele ARGs, die nach 2007 entstanden sind, zählen zur Kategorie

der Serious Games und nehmen sich dieser Thematik an.

1.4.1 Smart Mobs Einen ähnlichen Ansatz wie Lévy, vertritt Howard Rheingold mit seinem Konzept der

Smart Mobs, welches kollektive Intelligenz beschreibt. Es setzt hingegen aber eine

technologische Komponente voraus.

Howard Rheingold (2003) beschreibt in seinem Buch Smart Mobs: The Next Social

Revolution, welches 2002 erstmals erschienen ist, wie vor allem ‚Pervasive

Technology’ mobähnliches Verhalten beeinflusst. Vor allem mobile Technologie ist

dafür maßgeblich verantwortlich, dass sogenannte Smart Mobs entstehen können.

Definition

25

Als Howard Rheingold 2001 dieses Buch schrieb, klang vieles noch, wie Science

Fiction. Ein Jahrzehnt später ist vieles bereits alltäglich. Informations- und

Kommunikationstechnologien dringen in die physikalische Welt vor:

„Watch smart mobs emerge when millions of people use location-aware

mobile communication devices in computation-pervaded environments.

Things we hold in our hands are already speaking to things in the world.

Using our telephones as remote controls is only the beginning. At the same

time that the environment is growing more sentient, the device in your hand

is evolving from portable to wearable. A new media sphere is emerging from

this process, one that could become at least as influential, lucrative, and

ubiquitous as previous media spheres opened by print, telegraphy,

telephony, radio, television, and the wired Internet.“ (Rheingold 2009)

Erst, als in den letzten Jahren mobile Internettechnologie in unser Leben Einzug

gehalten hat, und Smartphones allgegenwärtig sind, wissen wir, wie Facebook,

Twitter und Co. unser Leben beeinflussen können.

Diese Technologie fördert und ermöglicht die Bildung von erschwinglichen, Echtzeit

Kommunikations-Netzwerken, die die Menschen auf einfachste Art untereinander

verbinden und dabei die rasche Ausbreitung begünstigen.

Die daraus entstehenden Smart Mobs sind bei ARGs essenziell, da diese

Communities Voraussetzung für das kollektive Problemlösen sind.

Auch Flash-Mobs sind ein Abkömmling dieser Smart Mobs. Diese sind ein gutes

Beispiel dafür, wie rasch spontane Menschenaufläufe an öffentlichen oder

halböffentlichen Plätzen mittels digitaler Kommunikationslösungen organisiert

werden können.

Der Begriff Smart Mobs muss aber nicht zwangsmäßig positiv besetzt sein. So

beschreibt Rheingold (2003, p.4) eine beunruhigende Anekdote von ‚e-tribalism’ in

2001, als die Polizei fünf Teenager, die der virtuellen Motorrad-Gang ‚Mad Wing

Angels’ angehörten, festnahm. Die Mitglieder verständigten sich mittels SMS-

Technologie und versammelten sich nie an einem einzigen Ort zur selben Zeit. So

konnten sie sich lange Zeit der Verhaftung entziehen.

Definition

26

Ein weiteres Negativbeispiel sind die sogenannten Lynch-Mobs, Bürger, die das

Gesetz selbst in die Hand nehmen und betroffene Personen, nach Gutdünken,

bestrafen. Oftmals kommen hier zu Unrecht beschuldigte Personen zu schaden, da in

vielen Fällen oft vorschnell geurteilt wird.

Ein besonderer Fall wurde im August 2010 bekannt, als eine Frau, in einem YouTube

Clip Hundewelpen in den Fluss warf. Die User der Website 4chan riefen darauf die

Jagd nach dieser Person aus. Als diese glaubten, im Video eine britische Frau

identifiziert zu haben, wurde deren Name und Adresse im Forum veröffentlicht.

Daraufhin gab es zahlreiche Todesdrohungen gegen die vermeintliche Täterin, die

seitdem unter Polizeischutz steht. Vieles deutet darauf hin, dass diese Frau

unschuldig ist, und sich dieser Zwischenfall gar nicht in Großbritannien ereignete,

sondern in Bosnien Herzegowina. (Martinez 2010)

Für Rheingold zählen diese Beispiele allerdings als Anomalie.

Anhand seiner Beobachtung auf Shibuya Crossing in Japan erläutert Rheingold

(Rheingold 2003, p.2) das Konzept der Smart Mobs näher:

„The crosswalk works on the scramble system. Every time the light turns

green, 1500 people cross from 8 directions at once, performing a complex,

collective, ad hoc choreography that accomplishes the opposite of flocking;

people coordinate with immediate neighbors to go in different directions.”

Zusätzlich zur Koordination mit den sich bewegenden Menschen, führen viele

parallel dazu noch Telefongespräche mit Leuten, die sich an an anderen Orten

befinden. Und das alles zur selben Zeit.

Dieses ‚Scramble System’ zeigt die Unterschiede in Motivation, Aktion und Reaktion,

und keinesfalls unbeirrbares oder unkritisches mobähnliches Verhalten. (McGonigal

2003, p.8)

Definition

27

Abbildung 10 Shibuya Crossing Tokyo - Scramble System (TOKYOLUV 2010)

Auch waren Smart Mobs wesentlich an politischen Ereignissen beteiligt. Die ‚People

Power II‘ Demonstrationen brachen 2001 auf den Philippinen aus, als Präsident

Estradas Amtsenthebungsverfahren plötzlich von den Senatoren gestoppt wurde. Die

Demonstrationen wurden mittels SMS-Technologie organisiert und koordiniert und

führten schließlich zur Amtsenthebung des Präsidenten. (Rheingold 2003, pp.157–

159)

Ähnliches ließ sich auch 2009 im Iran bei der Revolutionsbewegung, die auch unter

‚The Green Path of Hope‘ bekannt ist, beobachten.

Die Ereignisse im Iran zeigen aber, dass der Zugang zu digitalen Medien und Social

Networks kein Garant dafür ist, die Bevölkerung von der Unterdrückung zu befreien,

aber es macht es unmöglich die gesamte Welt nicht davon wissen zu lassen.

Die Macht und der Einfluss der Smart Mobs darf nicht unterschätzt werden, und

viele diktatorische Regimes sehen diese auch als große Bedrohung.

Nicht ohne Grund, lies Präsident Mubarak 2010 in Ägypten das Internet abschalten,

um den Protesten Einhalt zu gebieten. Dies führt zu einem Abfall von 90% des

Internet-Datentransfers. Das wichtigste Kommunikationsmittel der Demonstranten

Definition

28

wurde damit massiv eingeschränkt. Online Aktivisten im In- und Ausland tauschten

aber Informationen aus, um diese ‚Abschaltung’ zu umgehen, z. B. mit Dial-Up

Connections in anderen Ländern. (Richtel 2011)

Howard Rheingold (2009) sieht aber Smart Mobs nicht als alleinige treibende Kraft

bei politischen Aufständen:

„The victory of smart mobs is not guaranteed by the power of the tools they

hold in their hands. That’s just magical thinking. However, the events I

described in my book were real. There were other forces at work in the

Philippines — there are always other forces at work — but the SMS-

organized People Power II demonstrations were a large part of what

brought down the Estrada regime.”

1.4.2 Spoiling Spoiling ist angewandte kollektive Intelligenz. Dieses Phänomen beschreibt Henry

Jenkins (2008) in seinem Buch Convergence Culture, anhand der TV-Show

Survivor. Survivor ist eine der populärsten TV-Shows des Fernsehsender CBS, in der

18 Teilnehmer gegeneinander im Wettbewerb antreten. Diese TV-Show hat nicht nur

den Trend zu Reality-TV ins Leben gerufen, sondern ist für die Internetgeneration

geschaffen. Die Zuschauer sollten über die Show diskutieren, untereinander

debattieren, die Inhalte analysieren, und über den zukünftigen Verlauf spekulieren,

denn der Gewinner dieser TV-Show ist eines der bestgehütetsten Geheimnisse in der

Fernsehgeschichte.

Und genau daraus entwickelten sich sogenannte Spoiling-Communities. Ziel dieser

Gruppen ist es, den Gewinner vorauszusagen. Dabei werden einzelne Episoden Bild

für Bild analysiert, um versteckte Hinweise zu finden und Crew-Mitglieder

ausgeforscht und befragt. Auch Hotels, in denen sich die die Teilnehmer vor der

Show befinden, werden besucht und sogar Satelliten-Bilder ausgewertet.

Es entwickelt sich regelrecht zu einem Katz-und-Maus Spiel zwischen den

Mitgliedern dieser Gruppen, den sogenannten Spoilers, und den Produzenten der

TV-Show.

Diese Spoilers haben die Show komplett verinnerlicht und sind davon besessen, den

Gewinner herauszufinden, bevor dieser von den Produzenten der Sendung enthüllt

wird. Dieser Prozess nennt sich Spoiling.

Definition

29

Spoiling ist aber nicht nur auf TV-Shows beschränkt. Man denke nur an die

Hersteller zahlreicher elektronischer Gadgets, wie Apple.

Alljährlich tauschen sich tausende von Usern in Online Foren und Blogs über die

neuesten Gerüchte der nächsten Generation des iPads oder der iPhones aus. Man

versucht einzelne Bauteile oder sogar fertige Prototypen in die Hände bekommen,

die zerlegt und genauestens analysiert werden, um möglichst viel darüber zu

erfahren.

Hier sind Paralellen zu Survivor ganz klar erkennbar. Ein Spiel zwischen

Konsumenten und Produzenten. Die Herausforderung an die ‚Spieler‘ ist, die

kommende Gerätegeneration vorherzusagen, noch bevor die Produkte der

Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Dieses Prinzip von Spoiling findet sich auch in aktuellen ARGs wieder. Bei

Cloverfield war das erklärte Ziel herauszufinden, wer oder was das Cloverfield

Monster ist. Diese wesentliche Frage bildete eine breite Basis für viele Fan-Sites und

Blogs und war auch Inspiration für Fan-Art.

Geschichte

30

Geschichte

Es gibt zahlreiche Einflüsse und Beispiele, die das Genre der ARGs geprägt haben.

Viele davon reichen bis zu den prähistorischen Menschen zurück.

Martin Ericsson (2004 cited in Montola et al. 2009, p.53) untersuchte antike

ägyptische Religionsrituale nach den Kriterien eines Rollenspiels (Larp):

„The Games at Abydos were not the first participatory dramas and they

were not the last. Through the ages and across the globe we find similar

spectacles of serious role-taking creating phenomena ranging from intimate

initiatory rites to sprawling carnivals.”

Der italienische Schriftsteller Luigi Pirandello (1867-1936) schrieb einige

Theaterstücke, die die Grenze zwischen Fiktion und Realität verschwimmen ließen.

Die ‚Fourth Wall‘, die unsichtbare Grenze zwischen Schauspielern und Publikum,

wurde absichtlich durchbrochen. In seinem Theaterstück Six Characters in Search

for an Author durchbrach Pirandello diese Mauer, in dem sich Darsteller wie reale

Personen verhielten, und unter dem Publikum nach einem Autor für das

unvollendete Stück suchten. Für seine bahnbrechende Arbeit erhielt Pirandello 1934

den Literaturnobelpreis. (Miller 2008, p.16)

Aber auch ludische Literatur hatte einen wesentlichen Einfluss.

Die Asterix-Gamebooks der Alea Jacta Est Reihe, die um 1987 erschienen, weisen

bereits eine interaktive Rollenspiel Komponente und ein Kampfsystem auf.

Geschichte

31

Abbildung 11 Asterix Abenteuerspiel Band 1: Das Gipfeltreffen (Goscinny & Uderzo 1987)

In diesem Abenteuerspiel Band nimmt man die Rolle von Grautvornix an und muss

verschiedene Abenteuer bestehen. Zu Beginn stattet man die eigene Person mit

persönlichen Eigenschaften, wie Kampfgeist, Geschicklichkeit und Charme aus. Das

Heft wird dann Abschnitt für Abschnitt gelesen, wobei man jeweils am Ende eine

Entscheidung treffen muss. Daraus entwickelt sich eine nonlineare Geschichte, die

sich unterschiedlich weiterentwickeln kann. Auch Kämpfe mit römischen Legionären

sind Bestandteil dieses Spiels, die man mit seinem Kampfgeist und dem Würfel

austrägt.

Hypertext Fiction, wie Zork (Blank & Lebling 1979), und ‚online real-time gaming

environments‘, wie Everquest (McQuaid et al. 1999), trugen ebenfalls zur

Entwicklung bei.

Die Campus Kultur von Universitäten war auch ein fruchtbarer Boden für die

Entwicklung von sogenannten Pervasive Games, von denen sich zahlreiche Elemente

in ARGs wiederfinden. Hier seien als Beispiel die sogenannten ‚Assassination

Games‘, wie Killer erwähnt.

Geschichte

32

Interessant ist auch die Wechselwirkung und der gegenseitige Einfluss von

Kinofilmen und den daraus resultierenden Spielen.

Das ‚Assassination Game‘ Killer wurde z. B. vom Kinofilm La decima vittima (Petri

1965) inspiriert. Daraus resultierten wiederum weitere Filme, die den

Spielmechanismus einem breiteren Publikum zugänglich machten (Montola et al.

2009, p.66)

Stephen Sondheims The Game, eine groß angelegte Schnitzeljagd quer durch Los

Angeles, wurde wiederum von den ‚high society treasure hunts’ aus den 1920er

Jahren und dem Film The Last of Sheila (Ross 1973) inspiriert.

Diese reale Schnitzeljagd diente wiederum für The Walt Disney Company als Vorlage

für den Kinofilm Midnight Madness (Nankin 1980).

Interessanterweise waren viele Teilnehmer bei Sondheims Schnitzeljagd The Game

Angestellte von Microsoft. Jahre später wurde The Beast, welches als erstes ARG gilt,

wiederum von Microsoft produziert (Montola et al. 2009, p.68)

Als Beispiel für das Pervasive Game schlechthin wird immer wieder gerne der

Kinofilm The Game (1997) von David Fincher erwähnt, bei dem die Grenzen

zwischen Fiktion und Realität verschwimmen. In diesem integriert sich das Spiel

nahtlos in das Leben der Protagonisten:

Zu seinem 48. Geburtstag bekommt Nicholas van Orton (Michael Douglas) ein

mysteriöses Geschenk von seinem Bruder. Ein Spiel, welches von der Firma

Consumer Recreation Services (CRS) angeboten wird.

Im Büro dieser Firma muss sich Nicholas einen ganzen Tag lang physischen und

psychischen Untersuchungen unterziehen. Die einzige Information, die er von CRS

(cited in Fincher 1997) zu diesem Spiel bekommt ist diese:

„It’s a game. Specifically tailored for each participant. Think of it as great

vacation, except you don’t go to it, it comes to you.”

Am nächsten Tag wird ihm von CRS mitgeteilt, dass er für dieses Spiel nicht geeignet

sei. Darauf beginnt das Spiel erst richtig, ganz im Sinne der TINAG Ästhetik.

Viele Konzepte daraus und auch aus Midnight Madness finden sich in ARGs, wie The

Beast und I Love Bees wieder.

Geschichte

33

1.5 Einflüsse Neben den oben genannten Beispielen gibt es weitere Einflüsse, die das Genre der

ARGs geprägt haben.

Dies sind vor allem Beispiele, die von den Puppet Masters oft explizit als

wesentlicher Einfluss zitiert werden. Von Orson Welles War of the Worlds bis hin zu

Publius Enigma, einem Vorläufer der späteren ARGs, welches bereits Bulletin

Boards verwendete.

Oftmals stellt sich die Frage, ob gewisse Spiele als ARG kategorisiert werden dürfen

oder nicht. Als wesentliches Merkmal eines ARG, sollte zumindest eine Website in

den Spielablauf integriert sein.

Das Genre der ARGs ist sehr eng mit der technologischen Entwicklung des Internets

und der Neuen Medien verbunden. Alleine aus diesem Grund sind diese Beispiele als

Vorläufer und Pre-ARG zu sehen.

1.5.1 Orson Welles’ War of the Worlds Am 30. Oktober 1938 übertrug CBS Orson Welles Radioadaption von HG Welles

War of the Worlds, einem klassischen Roman, in dem eine Invasion der

Marsmenschen auf der Erde stattfindet.

Das Besondere daran war, dass es nicht als Hörspiel präsentiert wurde, sondern als

fiktive Reportage. Viele Hörer verpassten den Hinweis, dass es sich dabei um Fiktion

handelt, und glaubten, dass der Angriff der Außerirdischen tatsächlich stattfindet.

Laut einer Statistik gab es 6 Millionen Zuhörer dieser CBS-Übertragung; 1,7

Millionen glaubten es sei real und 1,2 Millionen waren richtig verängstigt. Orson

Welles nutzte damals die bestehenden Normen dieses neuen Mediums, um die

fiktiven Ereignisse, so real und immersiv, wie möglich, zu präsentieren. (Askwith

2008, p.12)

Schilderungen von landesweiter Massenpanik sind aber etwas mit Vorsicht zu

genießen, und dürften von den Zeitungen, die sich gegenseitig in der Auflage

übertrumpfen wollten, stark übertrieben worden sein. Auch das Anrufaufkommen

bei CBS dürfte wohl nur etwas höher als gewohnt gewesen sein. (Wikipedia 2010)

Geschichte

34

1.5.2 Paul-Is-Dead Conspiracy Am 12. Oktober 1969 rief ein Zuhörer bei einer Radiosendung an, und erklärte, dass

Paul McCartney bei einem Autounfall ums Leben gekommen sei.

Dieses Gerücht griff, wie ein Lauffeuer, um sich und verbreitete sich rasend schnell.

Beatles-Fans trugen ominöse Beweise zusammen – von McCartneys nackten Füßen

auf dem Abbey Road-Cover über zahlreiche Symbole auf der Sgt. Peppers-

Plattenhülle bis hin zu Ausschnitten von Songtexten und versteckten Botschaften,

die man angeblich beim Rückwärtsspielen hören konnte. Ob die Beatles selbst das

Gerücht in die Welt setzten, ist bis heute unklar. Viele vermuten dies zwar, die

Beatles selbst haben es bisher immer bestritten.

Auf jeden Fall profitierten die Beatles von dieser ernormen kostenlosen Publicity.

Jordan Weisman, einer der Puppet Masters von The Beast, gab an, dass der Paul-Is-

Dead Scherz ein wesentlicher Einfluss auf das gesamte Genre der ARGs war.

(Askwith 2008, p.14)

Dieses Beispiel zeigt sehr gut die Stärken der This Is Not A Game (TINAG) Ästhetik,

wie diese zum einen die Neugierde der Leute weckt und zum anderen zu

kollaborativen Spekulationen und Diskussionen führt.

Abbildung 12 Paul McCartney is dead (Askwith 2008, p.14)

Geschichte

35

1.5.3 Ong’s Hat: Incunabula Es lässt sich nach heutiger Sicht schwer nachvollziehen wann das interaktive Online-

Rätsel Ong’s Hat: Incunabula tatsächlich begann. Die Online-Aktivität lässt sich

durch die 1990er Jahre verfolgen. Hinweise auf dieses Spiel gab es aber bereits schon

1988, als Teile davon in diversen Science Fiction Magazinen erschienen.

Abbildung 13 Das Cover des Buchs Ong’s Hat: The Beginning (Szulborski 2005, p.86), ein Teil der Geschichte von Ong’s Hat: Incunabula

Wie es für heutige ARGs üblich ist, wurde die Geschichte, die sich über Jahre

entwickelte, in Teilen über unterschiedliche Medien erzählt und erforderte oft die

Interaktion des Spielers um weiter in die geheimnisvolle Welt einzutauchen.

(Szulborski 2005, p.83)

Es war ein ‚literary/digital crossover‘ Spiel, welches Fotokopien, BBS2, spätere

Internettechnologie, CD-ROMs und traditionelle Druckerzeugnisse, wie Bücher,

2 A Bulletin Board System, or BBS, is a computer system running software that allows users to connect and log in to the system using a terminal program.

Geschichte

36

verwendete. Auf der ursprünglichen CD-ROM befanden sich 23 Puzzles, wobei laut

Hersteller, viele nie gelöst wurden. (Szulborski 2005, p.84)

Denny Unger (2001 cited in Szulborski 2005, pp.85–87) versuchte den Ablauf des

Spiels, nachdem er jahrelang das Material von Ong’s Hat, analysierte, in fünf

einfachen Schritten zu beschreiben:

1. Create an interactive medium that immerses the public in an addictive,

tantalizing story but keep the content restricted to certain personality types.

Reveal concepts and ideas that generally represent your beliefs.

2. Along the way, feed this portion of the public information which may or may

not be true about the story. (Filtration of the idiots)

3. Those that breach the truths and untruths may pass to the next level of

information. (Further idiot filtration)

4. As this select group narrows, inject information that more specifically

reveals their personal belief systems, ideals, and goals.

5. If the users’ ideals, beliefs and goals have been properly modified by the

process or the user already fits the mold, those persons are then accepted

into the ‘fold’.

Unger schrieb diese Worte, im August 2001, also lange bevor man The Beast nach

diesen Kriterien analysierte.

Auch wenn Ong’s Hat: Incunabula nicht alle Kriterien eines ARG erfüllte, sind die

Ähnlichkeiten zu heutigen ARGs sehr stark.

Geschichte

37

Abbildung 14 Masquerades vergrabener Schatz: Ein Juwel aus 18 Karat Gold und Edelsteinen, von Kit Williams persönlich angefertigt (Askwith, Ivan 2008, p.13)

1.5.4 Treasure Hunts 1979 schrieb und illustrierte Kit Williams ein Kinderbuch namens Masquerade,

welches verborgene Hinweise auf jeder Seite und in den Bildern hatte. Diese sollten

zu einem sehr wertvollen versteckten Juwel führen, welches irgendwo in

Großbritannien vergraben ist.

Abbildung 15 Masquerade, eine der sogenannten Armchair Treasure Hunts (Askwith 2008, p.13)

Die Schatzsuche dauerte bis 1982, als ein Geschäftsmann namens Ken Thomas das

Juwel im Bedforsdhire Park entdeckte.

Sechs Jahre später stellte sich aber heraus, dass dieser Ken Thomas in Wirklichkeit

Dugald Thompson hieß, und Williams Ex-Freundin ihm den Standort des

vergrabenen Juwels verriet.

1988 wurde das Juwel bei Sotheby’s um £ 31.900 versteigert.

Masquerade war einer von vielen Wettbewerben, die als ‚Armchair Treasure Hunts‘

bekannt wurden. Diese hatten auch einen großen Einfluss auf spätere ARGs, da sie

die reale Welt als Spielfläche nutzten. (Askwith 2008, p.13)

Geschichte

38

1.5.5 London’s treasure hunt riots Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts waren sogenannte ‚Treasure Hunts‘ in

Großbritannien sehr populär.

1904 startete die britische Zeitung Weekly Dispatch The Greatest Treasure Hunt on

Record, um ihre Auflage zu steigern. Sie vergruben Medaillons, die gegen £ 50,- in

ihren Büros eingetauscht werden konnten.

Abbildung 16 Einige der glücklichen Gewinner (Slade 2006, p.6)

Trotz Hinweise und Warnungen gruben die Leute öffentliche Parks und private

Gärten um. Oftmals beschädigten sie auch Straßen und Gebäude. Dies nahm solche

Auswüchse an, dass sogar Polizei und Militär einschreiten mussten.Viele dieser

Schatzsucher wurden zwar vor Gericht bestraft, aber der Euphorie tat dies keinen

Abbruch.

„The interest taken in the treasure hunt has far surpassed the most optimistic

expectations” gab es von der Zeitung zu hören. Die Leute belagerten sogar deren

Büros, um als Erste eine aktuelle Ausgabe in die Hände zu bekommen, in der der

Geschichte

39

nächste Hinweis zu lesen war. In die Zeitungsredaktionen wurde sogar eingebrochen,

um die Standorte der Medaillons in Erfahrung zu bringen.

Es war natürlich nicht die erste, von einer Zeitung veranstaltete, Schatzsuche. Die

erste wird einem wöchentlichen Magazin namens Tib-Bits zugeschrieben. Bei dieser

gab es aber keinerlei Probleme. Dies wird darauf zurückgeführt, dass es sich hierbei

um eine intellektuellere Version des Spiels handelte und nicht für die breite Masse

konzipiert wurde.

Da die Probleme mit den Behörden stark zunahmen, beschloss die Zeitung Weekly

Dispatch im Endeffekt, deren Schatzsuche harmloser zu gestalten:

„Readers would get another serialized story full of clues to hidden booty, but

this time be asked to mark its location on a printed map. The first reader to

send in a map marked in the right place would get his prize through the post.

[...] Real-world treasure hunts caused too many headaches.” (Slade 2006)

Auf die Zeitungsauflage bezogen waren diese Schatzsuchen ein großer Erfolg und

wurden letztlich in ganz Europa kopiert.

1.5.6 We Lost Our Gold Dass Schatzsuchen noch nichts von ihrer Faszination eingebüßt haben, beweist das

ARG We Lost Our Gold, welches 2010 in New York City stattfand.

We Lost Our Gold3 ist eine ‚true modern-day treasure hunt’ quer durch New York

City um einen $ 10.000 Schatz zu entdecken, der in einem der fünf Bezirke versteckt

ist. Offizieller Start für das Spiel war am 1. August 2010. Wer dahinter steckt, ist bis

heute unklar.

Drei Piraten und ein Ninja waren die Hauptcharaktere einer achtteiligen Mini-

Webserie, wobei jede Folge neue Hinweise beinhaltete, die einem dem Schatz näher

bringen sollten.

Die Protagonisten der Serie konnten auch per Email kontaktiert werden. Der Captain

und sein ‚first mate‘ Mulligan hatten zudem einen eigenen aktiven Twitter Account.

3 www.welostourgold.com

Geschichte

40

Der Captain teilte darin Piraten-Tipps mit, und Mulligan lernte, die Stadt per U-

Bahn zu erkunden. Zudem gab es eine eigene Facebook Seite mit Updates.

Abbildung 17 We Lost Our Gold (Welostourgold 2010)

Den Puppet Masters dürften auch die einhergehenden Probleme bei Schatzsuchen

bekannt sein. Um Chaos zu verhindern, und dass der komplette Central Park

umgegraben wird, gab es folgenden Hinweis auf ihrer Website:

„…It’s buried. And it’s one of the five Boroughs of New York City. Also, don’t just

start digging randomly. You’ll know when you’ve found it. Oh, and for the record…

it’s NOT in Central Park.” (We Lost Our Gold 2010)

Der Schatz ist bisher nicht gefunden worden, und dürfte noch immer in New York

City vergraben sein.

Geschichte

41

1.5.7 Publius Enigma 1994, kurz nachdem Pink Floyd ihr Album The Division Bell veröffentlichte, postete

ein ‚Messenger‘ namens Publius kryptische Nachrichten in der Usenet

Diskussionsgruppe von Pink Floyd. Er gab an, dass ein Rätsel (Enigma) im Album

versteckt ist, und derjenige der es entziffert sollte einen Preis erhalten.

Abbildung 18 CD Cover von Pink Floyd’s Album The Division Bell (Askwith 2008, p.15)

Da viele der Fans sehr skeptisch waren, machte Publius eine Voraussage, um einen

Beweis für dessen Echtheit zu erbringen:

„Monday, July 18, East Rutherford, New Jersey. Approximately 10:30pm.

Flashing white lights. There is an enigma.”

An dem besagten Abend gaben Pink Floyd ein Konzert in East Rutherford. Um 10:30

Uhr wurden die Worte PUBLIUS und ENIGMA auf die Bühne projiziert. (Askwith

2008, p.15)

Geschichte

42

Abbildung 19 Ein Standbild aus dem Video des Pink Floyd Konzert vom 16. Juli 1994, welches das Wort ‚ENIGMA‘ zeigt. (Askwith 2008, p.15)

1997 postete Publius eine letzte Nachricht in die Usenet Gruppe.

Darauf folgte eine Nachricht eines Users, der angab, das Rätsel gelöst zu haben. An

der Authentizität der beiden Nachrichten wurde aber stark gezweifelt. (Szulborski

2005, p.90)

Erst Jahre später, im April 2005, enthüllte Nick Mason (cited in Askwith 2008, p.15),

der Drummer von Pink Floyd, dass Publius Enigma real war und von deren

Plattenlabel inszeniert wurde:

„That was a ploy done by EMI. They had a man working for them who

adored puzzles…. He was working for EMI and suggested that a puzzle be

created that could be followed on the Web. The prize was never given out. To

this day it remains unsolved.”

Auch hier gibt es zahlreiche Stimmen gegen die Klassifizierung als ARG, da keine

einzige Website im Rahmen von Publius Enigma verwendet wurde. Die

Ähnlichkeiten sind aber nach unserem heutigen Verständnis unübersehbar.

Außerdem wurden Medien und Techniken verwendet, die auch in heutigen ARGs

Anwendung finden. Es war die erste groß angelegte kommerzielle Kampagne um ein

Produkt zu bewerben, in dem man die Aufmerksamkeit auf eine mysteriöse

Geschichte lenkte, und einen Preis für die Lösung des Rätsels versprach.

Geschichte

43

1.6 The Beast Von vielen wird The Beast als erstes Alternate Reality Game bezeichnet. Es war Teil

einer Marketingkampagne für Steven Spielbergs Film A.I. Artificial Intelligence

(2001) und wurde von Microsoft für Dreamworks entwickelt.

Es kombinierte die Interaktionsmöglichkeiten des Internets mit einer fesselnden

Geschichte und legte mit seiner Umsetzung praktisch den Standard für alle

zukünftigen ARGs fest.

Jordan Weisman rief Sean Stewart im Sommer 2000 an und fragte ihn, ob er an

einem innovativen Marketing-Projekt von Microsoft für Steven Spielbergs

kommenden Film A.I.: Artificial Intelligence mitarbeiten möchte.

Deren Aufgabe sollte es sein, eine virtuelle Welt für das Jahr 2142 zu erschaffen, bei

denen unterschiedliche Aspekte zum Thema künstliche Intelligenz erforscht werden.

Es sollte keine Kopie der Geschichte des Films sein, sondern die Hintergründe

erörtern.

In seinen ‚Introductions to the A.I. Web Game’ legte Stewart (cited in Szulborski

2005, p.94) die Ziele für das Spiel fest:

1. The narrative would be broken into fragments, which the players

would be required to reassemble.

2. The game would – of necessity – be fundamentally cooperative and

collective, because of the nature of the internet.

3. The game would be cooler if nobody knew who was doing it, or why.

4. The game would be cooler if it came at you, through as many different

conduits as possible.

Aus seiner Aufzählung lässt sich schon das Leitmotiv eines jeden ARG ableiten: ‚This

Is Not A Game.‘

Ein ARG würde sich niemals als Spiel bezeichnen. Nur so ist es möglich, die fiktive

und reale Welt miteinander zu verschmelzen. Das Geheimnis bleibt dadurch gewahrt

und der Nervenkitzel erhalten:

„The mantra – this is not a game – had another meaning particularly

important to me. I didn’t want this to be a strictly intellectual experience. I

Geschichte

44

didn’t want you to be able to view the characters as …. Game tokens. I

wanted it to work like art. I wanted people to care, to laugh to cry – to be

engaged the way a novel engages. To put all this ingenuity into the

storytelling method, and then to tell a stupid story – that would be an

unbearable waste.” (Stewart cited in Askwith 2008, p.17)

Sein Wunsch war es traditionelle Erzählungen und das Medium Spiel miteinander zu

verbinden. Ziel war es, diese neue Form der Geschichten über alltägliche

Kommunikationsmittel erlebbar zu machen und dabei eine immersive und fesselnde

‚Alternate Reality‘ zu schaffen.

Die ersten Hinweise für den Einstieg in das Spiel, die sogenannten Rabbit Holes,

waren im Trailer und in den Kinoplakaten enthalten.

In den Credits im Trailer war eine Person namens ‚Jeanine Salla, Sentient Machine

Therapist‘ angeführt. Viele taten dies anfangs als harmlosen Scherz ab, der im

Zusammenhang mit dem Thema des Films stand. Nach und nach wurden weitere

Hinweise gefunden. Diesmal waren es kleine Buchstaben auf der Rückseite der

Promotion Posters. Die Silber umrandeten Zeichen ergaben den Hinweis ‚Evan Chan

was murdered’, die anderen, die goldumrandet waren, ‚Jeanine is the key’.

Wenn man nach ‚Jeanine Salla‘ googlete, gelangte man über einen Link zur

Bangalore World University, einer der ersten ‚In-Game‘ Websites.

Ein weiterer Hinweis war im Trailer in den Worten ‚Summer 2001‘ verborgen. Wenn

man diesen korrekt entzifferte, ergab dies eine Telefonnummer, die bei Anruf, den

nächsten Hinweis preisgab.

Abbildung 20 This Is Not A Game (Artificial Intelligence Trailer, 2001 cited in Askwith 2008, p.18)

Geschichte

45

Dieser Pfad entwickelte sich zu einer unglaublich komplexen Geschichte und einer

Schnitzeljagd über mehr als 30 Websites und Hunderte von anderen ‚In-Game

Assets‘, wie Email Nachrichten, Video Clips und extrem schwierige Rätsel, die man

nur kollektiv lösen konnte.

Bis zu 10.000 Spieler kamen zusammen um The Beast zu lösen, die später als ‚the

Cloudmakers‘ bekannt wurden. Alleine in den vier Monaten gab es ca. 43.000

Online-Nachrichten, um gemeinsam die Rätsel und Hinweise zu entziffern.

(Szulborski 2005, p.98)

The Beast legte den Grundstein für viele ARGs in den kommenden Jahren und

definierte gemeinsam mit dem sehr erfolgreichen I Love Bees, einem ARG zur

Promotion des Computerspiels Halo 2 von Microsoft, dieses neue Spielgenre.

1.7 Majestic Nach dem Erfolg von The Beast gab es seitens einiger Spielehersteller den Wunsch

solche ARGs zu kommerzialisieren. Sie wollten ein profitables Produkt, welches nicht

Teil einer kostenlosen Marketingkampagne ist.

Beschrieben wurde Majestic als ‚the first Internet-based suspense thriller’ und mit

‚the game plays you!’. Hinter diesem Projekt stand der Spielehersteller EA, und

dieses Online-Spiel sollte jedem Spieler $ 10,- pro Monat kosten. Dies war einer der

ersten Versuche ein subskriptionsbasiertes Spiel auf den Markt zu bringen, lange

bevor World of Warcraft ein Welthit wurde.

Dass EA im Vorfeld Majestic als Spiel bezeichnete, war generell etwas Neues und

eigentlich verpönt im Genre der Alternate Reality Games. Es ist damit praktisch

ausgeschlossen, dass Spieler sich fragen, ob die Geschichte nun real sei oder nicht. Es

widersprach dem Grundsatz This Is Not A Game, von dem eigentlich die große

Faszination ausging.

Das Besondere an Majestic war aber, dass es sich zwar anfangs als Spiel bezeichnete,

um ein größeres Publikum anzusprechen, aber kurz nach dem Start bekamen alle

Teilnehmer eine automatisierte Nachricht, dass das Spiel auf unbestimmte Zeit

verschoben werden musste. Der Grund dafür war ein Brand im Hauptquartier des

Herstellers. Danach begann das Spiel erst wirklich. Dies war Teil der fiktiven

Geschichte und es stellte sich im Verlauf des Spiels heraus, dass es sich hierbei um

Geschichte

46

einen Terroranschlag handelte. Damit wurde Majestic auch wieder dem

Grundgedanken von This Is Not A Game gerecht. (McGonigal 2003, p.4)

Die ‚Majestic Alliance application‘ war der Mittelpunkt dieses ARGs und

benachrichtigte die Spieler über alle relevanten Neuerungen und Inhalte im Spiel.

Die Inhalte selbst wurden episodenweise aufbereitet und bestanden aus Websites,

Rätseln, Videos und Telefonanrufen, in denen Audiodateien Teile der Geschichte

erzählten.

Es war so gedacht, dass jeder Spieler täglich nur eine bestimmte Zeit in das Spiel

investieren musste. Den Großteil des Tages war das Spiel aber auf ‚Stand-by‘ - in

dieser Zeit konnten die Spieler auch nicht mit der Welt von Majestic interagieren.

Dies trug dazu bei, dass das Spiel nicht als besonders immersiv empfunden wurde.

Als die erste Saison des Spiels fortschritt, wurde die Anzahl der Episoden deutlich

verringert. Viele Spieler beschwerten sich auch wegen des geringen Umfangs der

einzelnen Episoden und erlebten dabei auch noch technische Schwierigkeiten, z. B.

beim Abspielen der Videos. Dadurch versäumten sie wichtige Hinweise, die sie in der

Geschichte weiterbringen hätten sollen.

Einer der Gründe, warum das Spiel frühzeitig endete, dürfte die Unterbrechung nach

den Terror Attacken am 11. September 2001 gewesen sein. Der Grund dafür war,

unnötige Belastungen für das nationale Telefonsystem zu vermeiden. Auch gab EA

an, dass manche fiktionale Elemente der Geschichte zur Zeit nicht angemessen seien.

Im November 2001 brachte EA eine CD-ROM mit den bisherigen 4 Episoden und der

Einführungsepisode heraus. Viele Spieler sahen dies bereits als das Ende des Spiels

und behielten damit auch recht, als am 19. Dezember Majestic eingestellt wurde.

Einiges machten die Entwickler von EA richtig, vieles aber auch falsch.

Eine der größten Errungenschaften von Majestic war, dass es die Spieler ermutigte,

im Rahmen des ‚BIOS Programs‘, selbst Minigames, Fan-Fiction, Fan-Sites und

kleine ARGs selbst zu entwickeln. (Szulborski 2005, pp.105–117)

Kategorien

47

Kategorien

Ivan Askwith (2008, pp.22–27) unterteilte die ARGs in vier Kategorien: Promotional

ARGs, Grassroots ARGs, Narrative Extension ARGs und Monetized ARGs.

Ich möchte hier noch die Kategorie der Serious Games ergänzen, die seit 2007 an

Bedeutung gewonnen haben.

Ein Promotional ARG ist z. B. The Beast oder I Love Bees, die ein konkretes Produkt

oder einen Kinofilm bewerben. Grassroots ARGs sind Spiele, die von unabhängigen

Entwicklern produziert werden. Exocog zählt zum Beispiel dazu. Mit wenig

personellen Ressourcen und beschränkten finanziellen Mitteln werden ARGs für

gleichgesinnte Spieler geschaffen. Diese entstehen aus Begeisterung für dieses Spiele

Genre oder als eine Art Fan Fiction, in der die Geschichte vorangegangener ARGs

weiterentwickelt wird. Oft stehen diese Spiele den professionellen Vorbildern um

nicht viel nach.

Zu den Narrative Extension ARGs zählt z. B. Push Las Vegas, in dem die Geschichte

der Fernsehserie vertieft und erweitert wird, und bei den Monetized ARGs ist

Majestic das bekannteste Beispiel. Monetized ARGs sind wohl die problematischte

Form von ARGs, da es den Entwicklern bisher nicht gelungen ist, dafür ein

funktionierendes Modell auf die Beine zu stellen.

Die meiner Meinung nach zukunftsträchtigste Kategorie sind aber die Serious

Games, auf die ich in diesem Teil meiner Arbeit noch näher eingehen werde. Die

kollektive Problemlösungsfähigkeit der Communities wird hierbei auf reale Probleme

angewendet. Ein Einsatzzweck für solche ARGs wäre z. B. als Social Learning Tool.

Die Einordnung von ARGs ist generell schwierig, da auf viele oft mehrere Kategorien

zutreffen. The Beast ist z. B. ein Promotional ARG, aber ebenso ein Narrative

Extension ARG, da es die Geschichte hinter dem Film vertieft.

Diese Kategorisierung sollte daher lediglich beitragen, ein größtmögliches Abbild der

Vielfalt zu schaffen und unterschiedliche Einsatzzwecke aufzuzeigen.

Kategorien

48

1.8 Cloverfield Cloverfield (2008) ist ein Filmprojekt von Produzent J.J. Abrams, der durch Serien

wie Lost, Felicity oder Alias bekannt wurde. Regie führte Matt Reeves und das

Drehbuch stammt von Drew Goddard.

Der Film selbst wurde im Dokumentarstil, mit einer ‚Handkamera‘ gedreht, und als

‚gefundenes‘ Videomaterial, ähnlich, wie bei The Blair Witch Project präsentiert, um

die Authentizität zu verstärken.

Der erste Teaser zu diesem Film wurde erstmals vor dem Kinofilm Transformers

gezeigt. Allerdings ohne Titel. Es war lediglich ein Datum zu sehen (01-18-08 oder

18. Jänner 2008). Später stellte es sich heraus, dass dies das Datum des Kinostarts

bzw. der Geschehnisse im Film ist. Da kein anderer Titel bis zum zweiten Trailer

bekannt gegeben wurde, galt 01-18-08 auch als Arbeitstitel.

Abbildung 21 Cloverfield Teaser 1-18-08 (Reeves 2007)

Gezeigt werden wackelige Videoaufnahmen einer Abschiedsparty für einen jungen

Mann namens Rob in einer New Yorker Wohnung. Plötzlich wird die Party von

einem metallischen Dröhnen und einem Stromausfall unterbrochen. Es verbreitet

sich Panik als brennende Objekte aus dem Himmel explodierend in die Straßen

stürzen. Alles flüchtet, das wilde Gewackel der Kamera verzerrt Bild und Ton, als

plötzlich der Kopf der Freiheitsstatue auf der Straße landet. Dann die Einblendung

‚IN THEATERS 1-18-08‘. Kein Titel, kein Star, keine Erklärung. (Reeves 2007)

Kategorien

49

Nur so viel lässt sich darüber in Erfahrung bringen: Es dreht sich um eine Monster-

Attacke auf New York aus der Sicht einer Handvoll Menschen.

Kurz darauf erschienen bereits die ersten mit Handy abgefilmten Kopien auf

YouTube, und amerikanischen Fernsehstationen, die darüber berichten wollten,

wurde eine Kopie des Teasers verweigert. Das Filmstudio Paramount leitete

rechtliche Schritte ein und forderte YouTube auf die Clips zu löschen. Wenige Tage

später wurde der Teaser auf Apples Quicktime Website veröffentlicht.

Am 19. November 2007 erschien der erste offizielle Trailer zum Film, in dem der

Titel Cloverfield offiziell vom Studio Paramount bestätigt wurde.

Nicht nur die Geheimhaltung seitens Paramount und J.J.Abrams verhalf dem Film

zu dem Hype, sondern auch das ARG, welches im Vorfeld zu Marketingzwecken

stattfand.

Mit einem geschätzen Budget von etwa $ 25 Millionen und einem Einspielergebnis

von über $ 170 Millionen, kann der Film durchaus als Erfolg angesehen werden.

(Wikipedia 2008)

Der Film selbst konnte zudem mit keinen bekannten Stars aufwarten. Lediglich

durch den Hype im Vorfeld konnte die hohe Erwartungshaltung geschürt werden.

Produzent J.J. Abrams hatte bereits diese Form von Marketing benutzt, um zwei

Lost-Staffeln zu überbrücken, und zwar mit dem Online-ARG The Lost Experience.

Seine dadurch gesammelten Erfahrungen haben gezeigt, wie schnell Communities

mit eigenen Theorien und Nachforschungen reagieren und für den Film Werbung

machen. Und das vor allem sehr kostengünstig:

„When the trailer hit the screens right before Transformers, people freaked

out. Not necessarily because of the content of the trailer, but because it was a

surprise—they knew nothing about it beforehand. That was the point: The

intended effect was to make a teaser trailer that actually teased. It worked

like gangbusters, all because we hadn't prepublicized the film on

entertainment shows and in magazines. It was a small experiment that

proved what most everyone knows: Having all the information isn't always

better.” (J.J. Abrams 2009, p.2)

Kategorien

50

Im Fall von Cloverfield nutzte man die Möglichkeiten des Internets und eröffnete

verschiedene Websites, die von den Fans nach und nach entdeckt wurden. Der

Teaser/Trailer wurde von zahlreichen Usern Bild für Bild analysiert, um nach

möglichen weiterführenden Hinweisen zu suchen. Manche analysierten sogar die

Tonspur.

Die Geheimnistuerei brachte den gewünschten Hype und führte zu einer

Schnitzeljagd im World Wide Web. Es gab zahlreiche In-Game Websites, YouTube

Videoclips, MySpace Profile der Hauptdarsteller und auch Mangas, welche die

Vorgeschichte zu diesem Film erzählten. Details, die im Kinofilm selbst nicht

vorkamen, und einen tieferen Einblick in die Geschichte ermöglichten.

Selbst der Soundtrack wurde im Rahmen der TINAG Ästhetik als Rob’s Party Mix

veröffentlicht. Es war das ‚Mixed-Tape‘ des Protagonisten Rob Hawkins, für den die

Abschiedsparty im Film veranstaltet wurde.

In Cloverfield selbst kam selbst, bis auf den Abspann, keine Musik vor.

Abbildung 22 Rob’s Party Mix: iTunes Has the Cloverfield Soundtrack (djspankypants 2007)

Daneben spielte der User Generated Content eine große Rolle. Dies waren Wikis, in

denen die Spieler sämtliche Hinweise austauschten, aber auch Fan-Art, um z. B. das

Aussehen des Monsters, welches das bestgehüteste Geheimnis des Films war, zu

rekonstruieren.

Kategorien

51

1.8.1 In-Game Websites

1-18-08.com

Dies gilt als die erste offizielle Seite. Unmittelbar nach Erscheinen des ersten Teasers

wurde nach 01-18-08 gegoogelt und prompt diese Seite gefunden.

Abbildung 23 Cloverfield Website (Cloverfield 2007)

Sie stellt eine Fotosammlung mit Personen des Films dar, mit denen der Zuseher

bereits aus dem Trailer vertraut ist. Die Fotos lassen sich per Mausklick drehen und

wenden und auf geheimnisvolle Hinweise untersuchen. Alle Aufnahmen sind mit

Datum- und Zeitangaben versehen und lassen sich chronologisch in zwei Kategorien

einteilen: vor dem Monsterangriff und danach.

Im ersten Fall zeigen die Fotos Partygäste mit persönlicher Botschaft an ‚Rob‘ auf der

Rückseite. Die zweite Gruppe der Fotos zeigt den Verlauf der Monsterattacke. Das

Monster selbst wird nicht gezeigt. Fast jeden Monat kam ein neues Foto hinzu.

Obwohl von J.J. Abrams ‚01-18-08‘ als einzige offizielle Website genannt wird, sind

eine Reihe von anderen Seiten entstanden, die die Vorgeschichte des Films erzählen.

Kategorien

52

MySpace.com

Alle Hauptdarsteller des Films sind mit einem eigenen Profil im sozialen Netzwerk

MySpace vertreten.

Abbildung 24 Rob Hawkins MySpace Profil (Hawkins 2008)

Es gibt zwar keine offizielle Bestätigung dieser Benutzerprofile, jedoch stellen hier

die im Film mitwirkenden Schauspieler ihre Charaktere dar. Als Beweis gelten die

jeweiligen Fotosammlungen der Charaktere.

Die Charaktere führen nicht nur einen regen Gedankenaustausch untereinander und

mit ihren Freunden. Die Besonderheit liegt in der Interaktivität dieser Profile. Fans

haben die Möglichkeit sich mit diesen fiktionalen Personen zu unterhalten, ihre

Tagebücher zu kommentieren und sogar an einer interaktiven Comic Geschichte

gemeinsam zu schreiben.

Kategorien

53

Genau diese Interaktivität erlaubt es, die Hintergründe bzw. die Beziehungen

zwischen den Charakteren kennenzulernen. Hinweise über das Monster sind keine

zu finden, da die Erzählzeit der jetzigen Zeit, also der, vor der Katastrophe glich und

der Angriff erst im Jänner 2008 stattfand.

In seinem letzten Blogeintrag am 5. Jänner 2008 berichtet Rob Hawkins (2008)

über seinen neuen Job als Marketing-Manager bei Slusho in Japan:

„So I got a job offer, and it's everything I wanted. More money, more power,

more creative freedom. I'd even have up to five people working under me,

and you know how much I've always wanted underlings. One catch -- I need

to move to freakin' JAPAN! The job is the V.P. of Marketing and Promotions

for SLUSHO! brand "happy drink." […]”

Seine Abschiedsparty ist der Beginn des Films Cloverfield. Sie findet am 18. Jänner

2008 statt (01-18-08) statt, also jenem Tag, an dem das Monster über New York

herfällt.

Im Teaser zu Cloverfield trägt er auch jenes ominöse T-Shirt mit dem Logo-Aufdruck

von Slusho, einem der ersten wichtigen Hinweise des ARG.

Slusho.jp

Diese Seite wurde kurz nach Erscheinen des ersten Teasers entdeckt. Auf den ersten

Blick steht diese in keiner direkten Verbindung zum Film. Es ist eine Werbung für

das aus Japan stammende Getränk ‚Slusho!‘. Das Getränk wurde bereits in einer

anderen J.J. Abrams Serien, wie Alias gesichtet. Auch in der Fernsehserie Fringe hat

es schon einen Gastauftritt.

Slusho ist zudem Rob Hawkins zukünftiger Arbeitsgeber, da sie am westlichen Markt

Fuss fassen möchten. Zudem ist die Firma ein Tochterunternehmen von Sagruato,

einem Erdölkonzern, der auch in dieser Geschichte eine bedeutende Rolle spielt.

Die wichtigste Zutat diese Getränks ist der Seabed's Nectar (Kaitei no mitsu). Dieser

wird nur am Boden des Ozeans gefunden, unter hohem Druck und sehr niedrigen

Temperaturen. Zudem sollte das Getränk mit dem Slogan ‚You Can’t Drink Just Six.‘

stark süchtig machen, hat aber anscheinend ansonsten keine bedeutenden

Nebenwirkungen. Daher wurde es auch von der American Food Association

zugelassen. (Cloverpedia 2007)

Kategorien

54

Abbildung 25 Slusho Website des fiktiven Getränkeherstellers (Slusho 2007)

Auf der offiziellen Slusho Website konnten auch T-Shirts bestellt werden. Und zwar

dieselben, die auch Rob Hawkins im Teaser trägt.

Spieler berichten darüber, dass diese auch im japanischen Zeitungspapier eingepackt

waren. Einige von ihnen glaubten, dass diese Zeitungsseiten auch eine bestimmte

Bedeutung hatten. Lediglich verdeutlichten diese nur die Herkunft.

Tagruato

Tagruato ist eine Firma, die auf Tiefseebohrungen spezialisiert ist und ist zugleich

Mutterkonzern der Getränkemarke Slusho.

2007 wurde eine neue Bohrinsel namens Chaui Station, in der Nähe von New York,

eröffnet.In diesem Jahr schickte Tagruato auch deren ersten Satelliten ins All.

Dieser hatte die Aufgabe den abgestürzten Satelliten ChimpanzII, der am Ende des

Kinofilms Cloverfield kurz zu sehen ist, aufzuspüren. Zumindest dürfte dies der

Vorwand dafür gewesen sein.

Tatsächlich hatte er die Aufgabe, Aufnahmen von Tiefseegräben rund um die

Bohrinsel Chaui Station zu machen. Dort dürften sie nicht nur den mysteriösen

Seabed’s Nectar entdeckt haben, sondern auch das Monster, wie Sonar Bilder

Kategorien

55

beweisen. Diese hatte der ‚Whistle Blower‘, in Informat aus dem Tagruato HQ,

einigen Spielern übermittelt. (Cloverpedia 2008a)

Abbildung 26 Tagruato Firmenwebsite (Tagruato 2007)

Am 27. Dezember 2007, also kurz vor dem Angriff in New York, wurde Chaui Station

von einer mysteriösen Explosion zerstört.

Auf YouTube berichteten zahlreiche Fernsehsender darüber. Diese bestanden aus

fiktivem Videomaterial an Bord der Bohrinsel, sowie Luftaufnahmen. Diese

Fernsehberichte wurden in zahlreichen Sprachen veröffentlicht. Die Spieler selbst

Kategorien

56

koordinierten sich untereinander und übersetzten diese Reportagen in deren

Landessprache um etwaige zusätzliche Hinweise zu finden.

Abbildung 27 Mysteriöse Explosion auf Ölplattform (26 Local 2008)

Mit etwas Fantasie ist ein dunkler Schatten unter der Meeresoberfläche zu erahnen,

der anscheinend das Cloverfield Monster sein dürfte.

Die Schuld an diesem Unglück wurde anfangs einer militanten Umweltschutzgruppe

namens TIDO zugewiesen, die den Anschlag verübt haben sollte. Tatsächlich

handelte es sich um den ersten Angriff des Cloverfield Monsters.

TIDO wave

Einer der erbittertsten Gegner von Tagruato ist eine Umweltschutz Gruppe namens

TIDO wave. Tagruato wird von ihnen beschuldigt durch ihre Bohraktivitäten die

Ozeane zu zerstören.

Auf ihrer Website verwendeten sie einen Geheimcode um untereinander zu

kommunizieren. Sie hatten das Ziel herauszufinden, wo sich die, zunächst geheime,

Chaui Station befindet, und welchen Zweck damit Tagruato verfolgte. (Cloverpedia

2008a)

Kategorien

57

Abbildung 28 T.I.D.O. WAVE (T.I.D.O. WAVE 2007)

Manga

Ein weiterer wichtiger Bestandteil dieser Transmedia Story ist das Manga zu

Cloverfield, welches monatlich online veröffentlicht wurde. Allerdings nur auf

japanisch. Die Spieler koordinierten sich online, um die jeweiligen Ausgaben ins

Englische zu übersetzen. So erfuhren sie mehr über die Vorgeschichte des Monsters

und den dunklen Machenschaften von Sagruato. Zeitlich ist dieses vor dem

Zwischenfall auf der Chaui Station einzuordnen. (Cloverpedia 2008b)

Kategorien

58

Abbildung 29 Cloverfield Manga (Togawa 2008)

1.8.2 Out of Game Der Begriff ‚Out of Game‘ (OOG) bezeichnet in der Terminologie von Alternate

Reality Games die Websites, Quellen und Themen, die zunächst von den ARG-

Teilnehmern in die Entwicklung der Hypothesen über die Alternate Reality

miteinbezogen werden, sich jedoch später als, in keinem (oder im zufälligen)

Zusammenhang stehende Elemente entpuppen.

Kategorien

59

Die Despoiler 01-18-08 Wiki (2007) hat daher einen eigenen Leitfaden für

Newcomer veröffentlicht, um In-Game und Out-Of-Game Inhalte unterscheiden zu

lernen. Auch gibt es immer wieder Trittbrettfahrer, die vom Marketing-Hype

profitieren möchten.

Das wohl prominenteste Beispiel für ein solches Missverständnis war eine Reihe von

Websites, die sich mit Ethan Haas (Mind Storm Labs 2007) beschäftigten. Eine Seite

mit animierten Rätseln, bei der im Hintergrund eine zerstörte Stadt zu sehen war.

Diese Stadt erinnerte sehr stark an die Plakate von Cloverfield. Viele Medien

brachten diese Website direkt in Verbindung mit Cloverfield. Tatsächlich entpuppte

sich diese Seite als Teil einer viralen Marketingkampagne für das Spiel Alpha

Omega.

Abbildung 30 OOG Website Ethan Haas Was Right (Mind Storm Labs 2007): www.ethanhaaswasright.com

Kategorien

60

1.8.3 Cloverfield Communities Im Rahmen von Cloverfield sind in der kurzen Zeit einige sehr umfangreiche

Communities entstanden. Mittels Blogs, Foren und Wikis wurde untereinander

kommuniziert. Aber auch Portale, wie MySpace oder YouTube fanden Verwendung.

Die Bestandteile des ARG bildeten zwar eine Basis für die Vorgeschichte zu

Cloverfield, viele Fragen blieben aber dennoch unbeantwortet. Die Spieler hatten

genügend Freiraum durch Spekulationen und deren eigene Fantasie die Geschichte

zu komplettieren.

Daher wird in den Wikis zwischen diesen Spekulationen und ‚Tatsachen‘

unterschieden. Es ist anzunehmen, dass dies von den Puppet Masters so beabsichtigt

war, den Spielern Teile dieser Geschichte bzw. Schlüsselelemente zugänglich zu

machen, aber keine komplette lineare Geschichte zu liefern.

Diese Spekulationen der Spieler waren eine wichtige Grundlage und Auslöser für die

zahlreichen Diskussionen in den Foren.

Cloverfield Clues

Ein sehr prominenter Blog zu diesem ARG war Cloverfield Clues4 (2007). Dieser

fasste die wichtigsten News zusammen, berichtete über Veränderungen auf den in

Verbindung stehenden Websites, zeigte heimlich fotografierte bzw. mit dem Handy

gedrehte Videos vom Set und vieles mehr.

Sämtliche von den Spielern gesammelten Hinweise liefen hier zusammen, wurden

ausgetauscht und analysiert. Zudem diente der Blog als Anlaufstelle für neue Spieler

um sich einen Überblick über den Verlauf der bisherigen Geschichte zu verschaffen.

Weiters wurde in einem eigenen Podcast über die neuesten Erkenntnisse berichtet.

4 http://cloverfieldclues.blogspot.com/

Kategorien

61

Abbildung 31 Cloverfield Clues (Cloverfield Clues 2007)

Aus den zunächst sehr spärlichen Hinweisen zum Cloverfield Monster, fertigten Fans

Skizzen und Zeichnungen nach deren Vorstellung an und veröffentlichten diese auf

der Website. Das Monster selbst war im Vorfeld nie zu sehen, und selbst im Trailer

nur zu erahnen. Die zusammengetragenen Erkenntnisse beflügelten deren Fantasie,

und es entstanden daraus oft richtige Kunstwerke.

Abbildung 32 This Is NOT The Monster(Cloverfield Clues 2008)

Kategorien

62

Unforums.com ARG: Cloverfield Forum

Unfiction.com, eine Website spezialisiert auf Alternate Reality Games, konnte seit

3. Juli mehr als 6000 Posts zum Thema Cloverfield verzeichnen, die bisher über

400.000-mal angesehen wurden.

Dabei steht der Meinungsaustausch und das gemeinschaftliche Rätsel lösen im

Vordergrund. Hilfestellungen gibt es für Spieleinsteiger, um ihnen eine erste

Orientierung zu bieten.

Abbildung 33Unfiction Forum zu 1-18-08 (unfiction 2007)

Kategorien

63

Cloverfield Wiki (cloverfield.despoiler.org)

Eigens für den Film wurden Wikis eingerichtet, die alle bisher gesammelten

Hinweise zusammenfassten. Inhalte konnten von einer Vielzahl an Redakteuren

gemeinschaftlich ergänzt werden.

Abbildung 34 The Despoiler 1-18-08 Wiki (Despoiler 2007)

Kategorien

64

YouTube

Auf YouTube gab es zahlreiche selbst produzierten Analysen zum Teaser und Trailer.

Teilweise wurden diese Bild für Bild analysiert um mögliche Hinweise zu finden.

Kommentare und Antworten der User ermöglichten Interaktion und

Kommunikation untereinander.

Abbildung 35 YouTube Analyse des Cloverfield Teasers (johnnylawdog 2007)

Kategorien

65

1.8.4 Weiterentwicklung der Cloverfield Communities Die rasante Entwicklung dieser Fan Communities lässt sich laut Shirky (2010, p.89)

auf die „low discovery costs“ zurückführen. Vor den Zeiten des Internets war es

extrem schwierig, Gleichgesinnte, mit denselben Interessen, zu finden („high

discovery costs“). Es geht ihnen nicht darum, das größtmögliche Zielpublikum zu

erreichen sondern um Leute, die die gleiche Leidenschaft und kulturelle Werte mit

ihnen teilen. (Shirky 2010, p.90)

Laut Jenkins (2008, p.57) sind diese Communities, die er als „emerging knowledge

cultures“ bezeichnet, durch „voluntary, temporary, and tactical affiliations“

miteinander verbunden. Da diese auf freiwilliger Basis basieren, bleiben die Leute

den Communities erhalten, solange sie deren emotionale und intellektuelle

Bedürfnisse befriedigen.

Solche Communities können sich aber auch neu definieren, in dem sie eine Plattform

für neue ARGs bieten bzw. für deren Fortsetzungen. In der Regel suchen die

Mitglieder aber nach neuen Aufgaben und Spiele, bei denen sie ihre Fähigkeiten

einsetzen können. Sie bewegen sich in viele Richtungen und probieren neue ARGs

aus. Für viele ist eine solche Community oft der Einstieg in dieses Spielgenre, wenn

sie das erste Mal mit ARGs konfrontiert werden.

Die Cloudmakers5, die aus The Beast hervorgegangen sind, haben sich zu einer

generellen Plattform und Forum zum Austausch über ARGs weiterentwickelt. Auf

ihrer Website definieren sie ihr Mission Statement, wie folgt:

„Though the original game, The Beast, has ended, Cloudmakers now serves

as a clearinghouse for online gaming. Members can find out about new

games, find fellow players, and reminisce about and discuss The Beast.”

(Cloudmakers 2011)

Da sämtliche Forenbeiträge von damals archiviert wurden, bietet diese Website eine

sehr gute Basis um den damaligen Verlauf von The Beast zu rekonstruieren.

Bei den Cloverfield Communities lässt sich ähnliches beobachten. Viele der Foren

und Blogs zum Austausch existieren auch heute noch. Sie dienen zum Austausch

5 http://www.cloudmakers.org/

Kategorien

66

über alles, was mit dem Film zu tun hat, sowie diverse Cloverfield Merchandising

Artikel, aber auch für Spekulationen über die Fortsetzung des Films. Ein Augenmerk

wird auch auf andere ARGs von J.J. Abrams gelegt, wie z. B. für den Kinofilm Super

8 (Abrams 2011), den er gemeinsam mit Steven Spielberg produzierte. Wie auch bei

den Cloudmakers zu sehen ist, dürfte eine Loyalität zu den jeweiligen Puppet

Masters bestehen bleiben.

Wie in vielen anderen Bereichen lässt sich auch bei ARGs das Phänomen von Fan-

Fiction feststellen. Besonders Filme, Fernsehserien und Bücher sind dafür besonders

bei Fans beliebt. Oft, weil sie mit dem Ende unzufrieden sind, eine Fortsetzung

wünschen, oder Nebencharaktere und derer Geschichten weiterentwickeln möchten.

ARGs sind dabei keine Ausnahme. Bei sogenannten Fan-ARGs werden die jeweiligen

Geschichten weiterentwickelt und eigene, neue ARGs geschaffen. Das jeweilige

Medium im Original bildet dafür die Basis.

Die Ersten dieser Fan Sites lassen sich auf The Beast zurückführen. Sie spiegelten die

Themen und Geschehnisse dieses ARGs wieder. Die ersten unabhängigen ARGs

wurden von den Cloudmakers entwickelt. Ein Spiel namens Ravenwatchers, welches

2001 startete, endete aber frühzeitig.

Lockjaw war der nächste Versuch von den Cloudmakers, unabhängige ARGs zu

etablieren. Diesmal aber mit größerem Erfolg. Szulborksi (2005, p.121) hebt dabei

besonders die Geschichte und die entwickelten Charaktere hervor, die das Spiel so

glaubhaft machten und die Spieler emotional fesselten.

Lockjaw endete Mitte 2002 mit großem Erfolg. Es galt als Beweis, dass unabhängige

Produzenten ein erfolgreiches ARG gestalten konnten:

„Overall, Lockjaw successfully recaptured many of the best elements of the

Beast, with its intricate storyline and well written characters, its challenging

and thematically diverse puzzles, and its development of an active and

passionate community of players.” (Szulborski 2005, p.122)

Im April 2002 tauchte ein mysteriöses Rabbit Hole auf, welches zu dem ARG Exocog

führte. Es hatte allen Anschein, dass dieses mit dem kommenden Kinofilm Minority

Report (Spielberg 2002) in Verbindung stand. Jeder dachte, dass es sich dabei um

ein offizielles ARG handelte.

Dem war aber nicht so. Es war ein Experiment von Jim Miller und den Miramontes

Kategorien

67

Studios, um dabei zu lernen, wie immersives Marketing funktioniert.

Aufgrund der gut entwickelten Geschichte und den Websites erweckte es den

Anschein, dass es sich um eine offizielle Promotion für Minority Report handelte,

obwohl es in Realität ‚nur‘ Fan-Fiction war, die als Spiel umgesetzt wurde und nicht

von den Filmproduzenten sanktioniert wurde. (Szulborski 2005, pp.122–125)

Bei Majestic wurden die Fans sogar im Rahmen des ‚BIOS Program‘ dazu motiviert,

eigene Fan-Sites und Mini Games zu schaffen. Es wurde nicht nur akzeptiert, dass

die Fans die Geschichten weiterentwickelten, sondern sie wurden dazu ermutigt.

Am Höhepunkt dieses Programms umfasste das ‚BIOS Program‘ mehr als 30

verschiedene Websites, die sich um die Nebencharaktere drehten und entweder

Geschichten dazu lieferten oder überhaupt eigene kleine ARGs beinhalteten.

Viele wurden überhaupt dazu motiviert, zukünftig eigene unabhängige ARGs zu

produzieren. Trotz des Flops von Majestic dürfte dieses ARG einen erheblichen

Beitrag für die zukünftige Entwicklung dieses Spielgenres geleistet haben.

(Szulborski 2005, pp.116–117)

Aus Hingabe zu solchen Spielen und auch aus persönlichen Motiven schuf Bryan

Haggerty eine eigene iPhone App um Jeannie Choe einen Heiratsantrag zu machen.

Mittels einer interaktiven Karte von San Francisco wurde sie von einem Standort

zum nächsten geführt. An jedem Ort gab es ein Video mit einem Hinweis, wo der

nächste Punkt zu finden ist. Alle diese Punkte ergaben im Endeffekt auf der Karte ein

<3 Symbol, welches zum Dolores Park führte, wo Haggerty auf einem Hügel saß und

ihr den Heiratsantrag machte. (Chen 2009)

Kategorien

68

Abbildung 36 (Jea Jea/Flickr, 2009 cited in Chen 2009)

Kategorien

69

1.9 Serious Games In den letzten Jahren, seit 2007, zeichnet sich ein Trend zu sogenannten Serious

ARGs ab, verglichen mit den ARGs zwischen 2001-2006, die fast ausschließlich zu

Marketingzwecken dienten. Im Gegensatz zu den früheren ARGs zeichnen sich diese

dadurch aus, dass sie als Ziel haben, die Lebensqualität explizit zu verbessern bzw.

die Welt zu verändern. (McGonigal 2011, chap.7)

Themen können dabei z. B. Umweltschutz (World Without Oil), Armut und

Hungersnöte (Evoke) oder aber auch Bewegungsmangel (Cryptozoo) sein.

Für McGonigal sind die Computerspieler überhaupt eine wertvolle menschliche

Ressource um viele alltägliche Probleme unserer Welt in Angriff zu nehmen und

auch zu lösen. Als Kollektiv verbringen wir Menschen jede Woche mehr als drei

Milliarden Stunden mit Computerspielen. 210 Millionen Stunden alleine davon

verbringen Spieler mit dem erfolgreichsten MMORPG aller Zeiten, nämlich World of

Warcraft. Laut Clay Shirkys Schätzung betrug die Erstellung der gesamten

Wikipedia etwa 100 Millionen Stunden. Die WoW Community könnte somit zwei

komplette Wikipedias pro Woche erstellen. (McGonigal 2011, chap.11)

Zudem zeichnen diese Spieler vier ‚Superkräfte‘ aus. Und zwar „Urgent Optimism“,

„the ability to weave a tight social fabric”, „Blissful Productivity“und „Epic

Meaning” (McGonigal 2010a):

„Blissful productivity is the sense of being deeply immersed in work that

produces immediate and obvious results.” (McGonigal 2011, chap.3)

„[Epic] meaning is the feeling that we’re part of something bigger than

ourselves. It’s the belief that our actions matter beyond our own individual

lives.” (McGonigal 2011, chap.6)

„[Urgent optimism] is the moment of hope just before our success is real,

when we feel inspired to try our hardest and do our best.” (McGonigal 2011,

chap.4)

Laut McGonigal führt dies zu folgender Schlussfolgerung, dass Computerspieler

sogenannte „super-empowered hopeful individuals“ sind. Das einzige Problem dabei

Kategorien

70

ist, dass viele daran glauben, nur etwas in der virtuellen und nicht in der realen Welt

bewerkstelligen zu können. (McGonigal 2010a)

„How are we going to solve real world problems in games?“ ist die Forschungsfrage

von Jane McGonigal (2010a), die sie sich in ihrer Arbeit am Institute for the Future,

stellt. World Without Oil, EVOKE und auch Cryptozoo sind die ersten Resultate

ihrer Arbeit, für die sie sich als Creative Director verantwortlich zeichnet.

Bereits 2003 stellte sie sich aber die Frage„How collaborative play techniques can

instruct real-world problem-solving.“ (McGonigal 2003, p.1) als sie The Beast und

deren Spieler-Community untersuchte.

Speziell bei den Cloudmakers zeichnete sich schon damals ab, dass sie reale

Probleme lösen wollten, und nicht nur von den Puppet Masters vorgefertigte Rätsel.

Viele wollten die für 9/11 verantwortlichen Attentäter entlarven bzw. auch später den

Oklahoma-Schützen ausfindig machen. Auch am Beispiel von The Kitten Killer, lässt

sich sehr gut zeigen, dass eine reales Problem als Spiel und Rätsel gesehen werden

kann. Das Ziel hierbei war, die Tierquälerin ausfindig zu machen und sie zur

Rechenschaft zu ziehen.

Bislang fehlte es aber an entsprechenden Spielen, die eine Plattform für die

Teilnehmer zur Verfügung stellten und die kreative Energie in die richtige Richtung

lenkten. ARGs, wie World Without Oil waren daher richtungsweisend.

Die Motivation an solchen Spielen teilzunehmen dürfte darauf beruhen, indem ein

reales Problem als freiwillige Hürde präsentiert wird. Daher gibt es mehr ‚echtes‘

Interesse, Neugierde, Motivation, Anstrengung und Optimismus, als sonst. Spieler

werden hauptsächlich durch positiven Stress motiviert, sich in das Spiel

einzubringen. Daher fällt es ihnen leichter, deren Verhalten im realen Leben leichter

im Kontext eines fiktionalen Spiels zu verändern. Viele Spieler wollen zudem zu

einem höheren ideellen Gut beitragen, welches tatsächlich Bedeutung für die reale

Welt hat. (McGonigal 2011, chap.14)

Kategorien

71

Ein Spieler fasste seine Erfahrung bei World Without Oil so zusammen:

„Looking back at World Without Oil, I think it is the most amazing, best

multiplayer game I have experienced. Usually gaming takes time away from

accomplishing useful things in real life, but WWO taught me a lot, lowered

my electric bill, and get me more focused on doing things that matter to me.”

(WWO Player cited in McGonigal 2011, chap.14)

Dies bestätigt die Untersuchungen von Jane McGonigal. Diese zeigen, dass ARGs, die

im Kontext der realen Welt gespielt werden, beinahe immer den Nebeneffekt haben,

das reale Leben der Spieler zu verbessern. Nicht nur Serious Games, sondern

beinahe jedes ARG hat das Potenzial unsere Lebensqualität zu verbessern:

„[…] my research shows that because ARGs are played in real-world

contexts, instead of in virtual spaces, they almost have at least the side effect

of improving our real lives.” (McGonigal 2011, chap.7)

Kategorien

72

1.9.1 World Without Oil World Without Oil wurde 2007 gestartet und simulierte als Online Game eine fiktive

Knappheit von Öl. Das Ziel dieses Spiels war es, diese Krise zu überstehen.

Um das Szenario glaubhaft zu gestalten, wurde genug fiktiver Inhalt produziert.

Es gab Echtzeit-News und eine Preisanzeige, wie sich der Öl- bzw. Benzinpreis

veränderte, die darüber Auskunft gaben, was es nicht zu kaufen gab, wie die

Nahrungsversorgung davon betroffen ist, ob Schulen geschlossen sind und ob es

gewaltsame Übergriffe gab.

Die Herausforderung an die Spieler war, deren Leben so zu gestalten, als wäre dieses

Szenario real. Sie sollten darüber bloggen, Videos und Fotos hochladen.

Abbildung 37 World Without Oil (World Without Oil 2007)

Kategorien

73

Dieses sechswöchige Experiment sollte darüber Auskunft geben, wie die Menschen

sich verhalten würden, wenn der Bedarf an Öl die Nachfrage übersteigt; den

Verbrauch reduzieren oder stärker um das noch vorhandene Öl kämpfen?

Mit World Without Oil wollte man einen Blick in die Zukunft werfen.

Die zunächst sehr düsteren und apokalyptischen Voraussagen der Spieler wandelten

sich im Verlauf des Spiels zu einer vorsichtig optimistischen Einstellung mit sehr

kreativen Lösungsansätzen. Sie entwickelten Möglichkeiten, um als Gemeinschaft

weniger zu konsumieren, die lokale Community und Nachbarschaft zu verstärken

und weniger mit dem Auto zu fahren. Die Voraussagen waren laut Veranstalter hoch

qualitativ, und die Spieler konnten sich sehr gut in eine komplexe Materie

hineinversetzen. Viele von den ca. 1900 Spielern behielten ihre Gewohnheiten, die

sie aus dem ARG gelernt haben, in ihrem weiteren Leben bei.

Die gesamte Simulation lässt sich mittels einer Art Online-Zeitmaschine auf

www.worldwithoutoil.org nachvollziehen. Jeder Tag zeigt die Entwicklung des

Spiels und wie sich daraus die Zusammenarbeit der Spieler entwickelte.

Darüber hinaus gibt es einen Leitfaden, wie man heute selbst, oder mit Freunden,

Kollegen oder auch in der Schulklasse, an dieser Simulation teilnehmen kann.

(McGonigal 2011, chap.13)

Kategorien

74

1.9.2 EVOKE: A Crash Course in Changing the World Das ARG EVOKE wurde gestaltet, um jungen Menschen, vor allem in Afrika, neue

Perspektiven zu zeigen. Probleme, wie Armut, Hungersnöte, erneuerbare Energie,

Zugang zu Trinkwasser, Vorbereitung auf Naturkatastrophen und Menschenrechte

standen dabei im Mittelpunkt.

Der zehnwöchige ‚crash course in changing the world‘ wurde für das World Bank

Institute, dem Ausbildungsarm der Weltbank, produziert.

EVOKE ist ein Social Network, welches den Spielern helfen sollte, deren eigene

Unternehmungen zu starten. Es ist auf Computer als auch auf Mobiltelefonen

spielbar, dem wichtigsten Kommunikationsmittel in Afrika. Neben der normalen

Website wurde zudem eine Version für Internetzugänge mit geringer Bandbreite

entwickelt. Obwohl EVOKE in erster Linie für Spieler aus Entwicklungsländern

konzipiert war, nahmen zahlreiche Spieler aus den westlichen Ländern, wie USA und

Europa, daran teil.

Die Handlung von EVOKE wurde zehn Jahre in der Zukunft angesetzt und die

Geschichte in Form eines Comic-Buches präsentiert.

Die Geschichte handelt von einem geheimen ‚Superhero Network‘ in Afrika. Dieses

Netzwerk besteht aus sogenannten ‚stealth social innovators‘, ein Konzept, welches

das Team rund um Jane McGonigal entwickelte.

Wenn man das Spiel komplettierte, wurden man vom World Bank Institute als

‚Social Innovator, class of 2010‘ ausgezeichnet. Damit endete das Spiel aber nicht.

Aus den zahlreichen Ideen, die im Spielverlauf gesammelt wurden, entwickelten die

Teilnehmer Projekte, um reale Probleme, zu lösen. (McGonigal 2011, chap.14)

Kategorien

75

Abbildung 38 Urgent Evoke – A crash course in changing the world (Urgent Evoke 2010)

Kategorien

76

Zur Verwirklichung dieser Projekte wurden finanzielle Mittel über GlobalGiving

mittels Crowdfunding gesammelt – insgesamt ca. $ 30.000. Das ARG EVOKE

kostete hingegen etwa $ 500.000. (McGonigal 2011, chap.14)

Abbildung 39 EVOKE Challenge – GlobalGiving (GlobalGiving 2010)

Laut World Bank Institute übertraf die Teilnahme an dem Spiel die Erwartungen:

„By the time the EVOKE adventure ended on May 19, 19,324 people from 150

countries registered to play. Players had submitted over 23,500 blog posts

(about 335 each day), 4,700 photos and over 1,500 videos highlighting

challenges and solutions to the development issues featured each week.”

(World Bank Institute 2010)

Interessant ist auch, dass EVOKE, die Parodie INVOKE, einem ‚crash course in

saving capitalism‘, inspirierte, welche sich sehr kritisch über die Ansichten der

Weltbank äußerte.

Die Basis bildeten die Comics von EVOKE, die als Mashup, mit neuen Texten

versehen wurden. Auch die Aufgabestellungen wurden zugunsten des Kapitalismus

und der Globalisierung überarbeitet. (INVOKE 2010)

Kategorien

77

Abbildung 40 INVOKE – Die Comics wurden aus EVOKE verwendet und mit neuen kritischen Texten versehen (INVOKE 2010)

INVOKE ist Teil der Kritik, die an EVOKE geübt wurde. In der Blogosphäre gab es

zahlreiche Diskussionen darüber, dass EVOKE, hauptsächlich als

Kommunikationsmittel für die Weltbank diente, um vieles aus deren ideologischer

Sicht zu zeigen:

„[…] it must be a cunning PR ruse to brainwash the masses into blind

acceptance of structural adjustment, privatization, and the Washington

consensus.” (Brynen 2010)

Vieles in dieser Kritik spiegelt sich in der satirischen Website von INVOKE wider.

Für Game Designer Adrian Hon kommt bei diesen Spielen überhaupt der Spaßfaktor

zu kurz, der ein wesentliches Merkmal anderer ARGs ist. Dieser beschreibt dies so:

„On the whole, though, Urgent Evoke – and the rest of these projects [like

World Without Oil] – appear to be more like networked creative writing

exercises than games that improve the world in a direct, measurable way.

Perhaps they’ve some people have changed their behaviour as a result of

playing, but it doesn’t seem like a whole lot.” (Hon 2010)

Kategorien

78

1.9.3 Ghosts of a Chance Das ARG Ghosts of a Chance fand vom 18. Juli bis 25. Oktober 2008 im Luce

Foundation Center des Smithsonian American Art Museum statt.

Das Luce Foundation Center zeigt mehr als 3.500 Arbeiten amerikanischer Kunst.

Darunter befinden sich Skulpturen, Gemälde und Handwerkskunst.

Abbildung 41 Ghosts of A Chance (Smithsonian American Art Museum 2011)

Die Idee für dieses ARG entstand daraus, dass das Smithsonian Institute eine

neuartige Art von Mitgliedschaft für die Besucher ermöglichen wollte. Bislang nahm

das Stammpublikum nur die Angebote des Museums wahr und interagierte nicht mit

den anderen Besuchern bzw. wusste gar nicht, wer diese überhaupt sind.

Es sollte kein passiver Museumsbesuch mehr sein. Besucher sollten reale Objekte für

die Kunstsammlung entwerfen und dafür mit anderen Museumsbesuchern

zusammenarbeiten.

Die Aufgabe des Museums ist es den Besuchern aufzuzeigen, was die Kunstwerke

Kategorien

79

einem zu erzählen haben. Sie sind ein Blick in das Leben und der Epoche der

jeweiligen Künstler:

„There’s a sense in the museum that history lingers in the art objects almost

like a ghost, waiting to whisper its tale to visitors. Learning how to hear

those tales, and how to whisper our own histories through artwork, was the

inspiration for the Ghosts of a Chance game.” (McGonigal 2011, chap.9)

Die beiden Kuratoren des Museums, Daniel und Daisy kommunizieren regelmäßig

mit den Geistern, die die Galerie heimsuchen. Diese drohen damit, die kostbaren

Kunstwerke zu zerstören, wenn deren Geschichte nicht in den Glasvitrinen

dargestellt wird. Da Geister selbst keine Kunstwerke erschaffen können, bitten sie die

Besucher diese für sie anzufertigen. In der ersten Mission galt es ein Halsband

anzufertigen, welches so beschrieben wurde:

„The Necklace I want should fit perfectly around her neck, but remain there

only long enough for me to steal it right off again.” (Smithsonian American

Art Museum 2008)

Abbildung 42 Die angefertigten Kunstwerke der Museumsbesucher - NECKLACE OF THE SUBALTERN BETRAYER (Smithsonian American Art Museum 2008)

Die Spieler diskutierten die Aufgabe in Online Foren, um die darin enthaltenen

Hinweise zu entschlüsseln. Daraus resultierend wurden unterschiedliche Kunstwerke

angefertigt und dem Museum übermittelt, welches diese dann anschließend

ausstellte.

Da das ARG nicht als Wettbewerb, sondern als Spiel aufgebaut war, nahmen auch

Kategorien

80

Personen daran teil, die unter anderen Umständen Angst gehabt hätten sich mit

deren ‚Kunstwerk‘ zu blamieren. Zudem konnten neue Zielgruppen, wie in diesem

Fall, Teenager und Studenten, erschlossen werden. Auch wenn diese oft selbst keine

Kunstwerke beisteuerten, arbeiteten diese als virtuelle Kuratoren, die maßgeblich an

den Online Diskussionen und der Analyse beteiligt waren. (McGonigal 2011, chap.9)

Weitere Ziele, die sich das Smithsonian American Art Museum setzte, waren ‘To get

people talking about the museum, to get our name out there.’, ‘To bring a new

audience into the museum.’ und ‘To encourage discovery.’ All diese wurden erreicht

bzw. wurden die Erwartungen, laut Aussage des Teams, bei Weitem übertroffen.

(Bath 2008, p.17)

Obwohl das Spiel beendet ist, können Gruppen, nach Voranmeldung, an gewissen

Modulen des Spiels, nach wie vor teilnehmen. Diese beeinhalten die beliebtesten

Aufgaben des großen Abschlussevents vom 25. Oktober 2008.

Kategorien

81

1.10 ARGs als Social-Learning Tool Ganz egal, um welches Genre von ARGs es sich dabei handelt, die Spieler erbringen

während des Spielverlaufs Höchstleistungen in den unterschiedlichsten Disziplinen.

Während I Love Bees kollaborierten 9.000 ‚real-world‘ Spieler mit über 600.000

Online Spieler um eine fiktive Programmiersprache zu lernen und über 1,5 Millionen

Blog- und Foren-Beiträge zu verfassen. Zudem waren zahlreiche Fähigkeiten aus den

unterschiedlichsten Disziplinen gefragt.

Game Designer Jane Mc Gonigal (2005, p.6) fasste die gelernten Fähigkeiten

zusammen:

• interpret and analyze texts and data

• persuasive argument

• verbal expression (written and oral)

• logistical planning

• facility with new digital technologies

• construct, extend and operate successfully in social networks

• collective intelligence: large-group, differentiated collaboration

Vieles davon hat mit Ausdrucksfähigkeit und Lese- und Schreibkenntnissen zu tun.

Aber auch der Erwerb der Medienkompetenz steht im Mittelpunkt. An der

Auseinandersetzung mit den Neuen Medien führte kein Weg vorbei.

Die soziale Komponente und die erlebte kollektive Intelligenz waren für viele Spieler

das wahre Highlight dieses ARG. Es war die Erkenntnis, zu welchen großartigen

Leistungen sie als Gruppe imstande waren. Erfolge die von keinem einzigen Spieler

alleine errungen werden konnten.

Priscilla Harding (cited in Mascioni 2010), die am Institut für Advanced Media

Research der VU University in Amsterdam arbeitet, kommt zu einem ähnlichen

Schluss, dass es sich bei ARGs um das ideale „social learning tool“ handelt.

Für diesen Zweck führte sie Interviews und gestaltete einen Online-Fragebogen für

81 Teilnehmer. 45 davon waren ARG Spieler und 36 waren MMORPG Spieler. Die

Teilnehmer setzten sich aus MMORPG Foren, World of Warcraft Spielern, ARG

Kategorien

82

Chaträume und dem ARG Unfiction Forum zusammen.

Dabei kommt sie zu folgendem Schluss:

„ARG players experience a higher perceived reality while in-game compared

with MMORPG players. [Due to the] fact that physical reality is already

incorporated in ARGs, players themselves act as platforms, bringing all their

experiences and expectations into the games.” (Harding cited in Mascioni

2010)

Ein weiteres Element, welches die soziale Erfahrung verstärkt ist laut Haring, dass

das Gameplay von ARGs generell auf kollaborative Zusammenarbeit ausgelegt ist

und sich ARG Spieler hinter keinem Avatar verstecken können. Dies verstärkt die

soziale Erfahrung.

Interessant ist bei dieser Untersuchung aber vor allem, welchen Einfluss ARGs bzw.

MMORPGs auf das reale Leben der Spieler haben. In beiden Fällen werden In-Game

Erfahrungen in einem hohen Ausmaß auf das reale Leben der Spieler übertragen:

„The combination of an ARGs' perceived realism and their capacity to afford

transference of in-game experiences to real life make them a very effective

social learning tool.” (Harding cited in Mascioni 2010)

Trotz der geringen Anzahl der Teilnehmer an dieser Studie stimmen diese Aussagen

weitgehend, mit den aus anderen ARGs gewonnenen Erkenntnissen überein.

Diese neu gewonnenen Erfahrungen sind richtungsweisend für die zukünftige

Entwicklung, insbesondere der Serious Games. ARGs, wie World Without Oil und

EVOKE zeigen, dass dies ein Schritt in die richtige Richtung ist.

Noch einen Schritt weiter geht der Schulversuch Quest to Learn , ein sogenanntes

Organizational ARG. Quest to Learn ist eine öffentliche Charter School in New York

City für Schüler von der sechsten bis zwölften Schulstufe und gilt als erste ‚game-

based‘ Schule der Welt. Das Besondere daran ist, dass Spiele nicht nur den

Unterricht bereichern, sondern die gesamte Schule selbst das Spiel ist:

„Every course, every activity, every assignment, every moment of instruction

and assessment would be designed by borrowing key mechanics and

participation strategies from the most engaging multiplayer games.”

(McGonigal 2011, chap.7)

Kategorien

83

Dies hat das Ziel den negativen Schulstress zu eliminieren und das Engagement der

Studenten zu fördern.

1.11 Erfolgsmessung Speziell bei ARGs, die zu Marketingzwecken verwendet werden, stellt sich öfters die

Frage nach dem ROI. Für The Beast wurde angeblich eine Million US Dollar für die

Produktion veranschlagt (Szulborski 2005, p.100). Bei einer komplett neuen

Marketingform ist diese Frage durchaus berechtigt: Wie wird der Erfolg bei einem

ARG nun gemessen?

Generell lässt sich sagen, dass der Erfolg, wie bei anderen Social Media Marketing

Kampagnen gemessen wird: Traffic der Websites und aktive Partizipation der User

(Spieler).

Laut Tuten (2008, p.135) sind die wesentlichen Indikatoren, die Anzahl der Spieler,

die Anzahl der aktiven Spieler, die Anzahl der Lurkers und Rubberneckers, die

Anzahl der Registrierungen bei Start des Spiels bzw. bei bestimmten Events, die

Anzahl der generierten Nachrichten durch die Spieler, Traffic der Websites, die mit

dem ARG in Verbindung gebracht werden, die Anzahl der Forumsbeiträge (z. B. auf

unfiction.com) und die durchschnittliche Spieldauer.

Wie Cloudmaker Eric Ng schrieb (cited in McGonigal 2003, p.8), war die Promotion

Kampagne für den Kinofilm A.I. ein durchschnittlicher, aber aus einer ‚social

engineering‘ Perspektive ein unglaublicher Erfolg.

Zusätzlich sollte der Erfolg eines ARG auch nach Media Impressions beurteilt

werden, die das Spiel durch Publicity erlangt. The Beast generierte z. B. über 300

Millionen Media Impressions in Zeitungen, Magazinen, Nachrichten und auf

Websites. In der Regel kommt es darauf an, wie diese Ziele im Vorfeld definiert

werden. Bei Audis Art of Heist waren nicht nur die Media Impressions wichtig,

sondern es ging darum tatsächliche Verkäufe für deren Händler zu erzielen. (Tuten

2008, p.136)

Es gibt viele Kriterien ein ARG zu beurteilen. In der Regel sind aber der

Enthusiasmus der Spieler sowie deren aktive Beteiligung zu wenig um den Erfolg

einschätzen zu können. Das ultimative Ziel ist es natürlich so viele passionierte und

obsessive Spieler, wie möglich zu bekommen. Diese machen zwar den geringsten Teil

Kategorien

84

der Spielergruppe aus, sind aber die treibende Kraft, da sie die Communities mit

großem persönlichen Zeitaufwand unterstützen und ihr Wissen teilen. Deren

Leidenschaft ist die beste kostenlose Werbung für das Spiel und natürlich deren

Marke, die dahinter steht.

Ein weiterer Vorteil von ARGs besteht darin, dass diese nicht direkt als Werbung

wahrgenommen werden, sondern als Erweiterung der Handlung. Sie verleihen der

Geschichte mehr Tiefe und eine persönliche Note.

1.12 Partizipation in ARGs Es gibt immer kritische Stimmen zu ARGs zu hören, die der Meinung sind, dass

solche Spiele nur eine sehr kleine Zielgruppe bzw. Nische an Spielern ansprechen.

Ähnliches gab es auch beim ARGfest 2010 in Atlanta, GA, einer jährlichen

Konferenz, die sich dem Thema Alternate Reality Games widmet, zu hören:

„ARGs are dead. But Transmedia is lightning in a jar.

ARGs have failed to break into mass media, because the interaction is in the

wrong place. Right now, the interaction is finding the story. When someone

doesn’t know what to do next, it’s easy to stop, and every time we ask

someone to change platforms, we lose audience. But the experience of

transmedia is powerful, immersive and emotional. We have to find new

ways to tell stories across multiple platforms using interactivity.

It’s evolve or die.” (McHugh, 2010 cited in May 2010)

Zum einen wird der Erfolg von ARGs nicht nur an der Anzahl der Spieler gemessen,

und zum anderen sehe ich es eher als Problematik des Game Designs, und nicht des

Genres an sich.

Viele ARGs machen den Fehler die Spielerfahrung nur auf eine ganz bestimmte

Zielgruppe zu beschränken. Die Kunst liegt darin, unterschiedliche Spielergruppen

anzusprechen. Die Gruppe der sogenannten Casual Gamer wird oft gänzlich

ausgeschlossen, da sie schlichtweg mit der Komplexität des Spiels und dem

Schwierigkeitsgrad der Rätsel überfordert ist, und so keinen Anschluss in der

Community findet.

Kategorien

85

Transmedia Storytelling ist eines der wesentlichen Elemente und Merkmale von

ARGs. Jede Komponente davon kann auch für sich alleine existieren. Jeder kann sich

an der Geschichte erfreuen, auch wenn er nicht alle Bestandteile kennt. Der

Zuseher/Fan entscheidet selbst, wie tief er in die Geschichte eintauchen möchte. Je

tiefer man jedoch eintaucht, desto mehr Vielfalt und Inhalt gewinnt die Geschichte.

Den ARG Spielern sollte es daher auch selbst überlassen sein, wie intensiv sie sich

mit dem Spiel bzw. der Geschichte auseinandersetzen möchten.

Selbst innerhalb der ARG Communities gibt es zahlreiche Rollen, die auf die

unterschiedlichen Persönlichkeiten der Spieler zugeschnitten sind. Dies

unterscheidet sich nicht wesentlich von den Konsumenten anderer Medien. Selbst

Fernsehzuschauer können gelegentliche Zuseher bis hin zu exzessiven Konsumenten

einer Fernsehserie sein. ARGs sprechen daher auch verschiedene Spielertypen an,

die sich in erster Linie durch die Art der Partizipation unterscheiden.

Game Designer Richard Bartle (Askwith 2008, p.19) klassifiziert die Spieler in

Massive Multiplayer Online Role-Playing Games (MMORPGs) in vier Rollen:

Achiever, Explorer, Socializer oder Killer. Diese Einteilung erfolgt nach Motiven, an

dem Spiel teilzunehmen, sowie dem Verhaltensmuster im Spiel selbst.

Ein ähnlicher Ansatz kann auch bei ARGs angewandt werden. Einzelne Spieler

können unterschiedliche Aufgaben in verschiedenen ARGs übernehmen, die auch

während des Spiels wechseln können. (Askwith 2008, p.19)

Askwith (2008, p.19) unterteilt die Spieler in vier Typen, je nach Aufgabe und

Intensität der Partizipation im Spiel: Organizers, Hunters, Detectives, Lurkers. Auch

wird manchmal noch zwischen ‚pure‘ Lurkers und Rubberneckers unterschieden.

Organizers: die Organizers haben, aufgrund der stark kollaborativen ARGs, eine

sehr wichtige Rolle inne. Ihre Aufgabe ist die ‚crowdcontrol‘. Sie ermöglichen den

Spieler-Communities sich zu finden, auszutauschen, um den zahlreichen Spuren und

Hinweisen nachzugehen. Organizers zeichnen in der Regel sehr gute technische

Kenntnisse aus, insbesondere die Entwicklung von Blogs, Datenbanken und anderen

kollaborativen Tools.

Obwohl manchmal Organizers an der Entschlüsselung der Rätsel mitwirken, ist

deren Hauptaufgabe die des Moderators, Mediators und Kommunikators. Erfahrene

Kategorien

86

Organizers sind auch sehr gute Networker, die entsprechende Leute kennen, falls ein

besonderes Talent gefragt ist.

Hunters: Für viele Spieler besteht der besondere Reiz von ARGs darin, neue

Hinweise zu finden. Sie verbringen oft Stunden damit zahlreiche Spielinhalte zu

durchforsten, indem sie den Quellcode analysieren, nach weiteren Websites suchen,

die mit dem Spiel in Verbindung stehen und die Ergebnisse an die Organizers

weiterzuleiten. Hunters haben auch meistens Erfahrung bei früheren ARGs

gesammelt, und wissen nach was sie suchen müssen bzw. welche Strategie für die

Puzzles anzuwenden ist.

Detectives: Viele Hunters sind auch Detectives. Dies sind Spieler, die Spaß daran

haben, Codes zu entschlüsseln, Puzzles zu lösen, und deren Bedeutung zu entziffern.

Als Basis für die Arbeit der Detectives dienen gemeinsame Diskussionen. Da die

meisten ARGs sehr unterschiedliche Qualifikationen zum Lösen der Rätsel erfordern,

ist eine Zusammenarbeit als Community unabdingbar.

Lurkers: Zugriffsstatistiken zeigen, dass Leute, die ARG-bezogene Websites

besuchen, bei Weitem die Zahl der aktiven Teilnehmer (die auch die Rätsel lösen)

übertreffen. Die größte Gruppe bei ARGs sind daher die Lurkers. Das Verhältnis von

Lurkers zu aktiven Spielern beträgt von 5:1 bis hin zu 20:1,22. Viele dieser Lurkers

sind fasziniert von der Idee der ARGs, aber wollen nicht als aktive Teilnehmer daran

teilhaben. Man kann sie am ehesten als ‚Voyeure‘ sehen. Sie suchen selbst nach

keinen neuen Hinweisen und nehmen nicht an den Rätseln teil. Viele warten, bis

eine Lösung des Rätsels gefunden wurde, und besuchen dann die relevanten

Websites und versuchen die neuen Rätsel selbst zu ‚lösen‘, als eine Herausforderung

für sich selbst. Allerdings ohne großen Erfolg, da diese Rätsel und Puzzles meist nur

als Kollektiv lösbar sind.

Erfahrene ARG Spieler unterscheiden zudem zwischen reinen ‘Lurkers’ und

‘Rubberneckers’. Rubberneckers sind Teilnehmer, die zwar an Chats und

Diskussionsforen teilnehmen und sich auch auch an der Lösung der Rätsel

beteiligen, aber direkten Kontakt mit den In-Game Characters vermeiden und sich

auch oft nicht bei In-Game Websites registrieren.

Conspiracy of Good in London, ein ARG aus einer Mischung von Schnitzeljagd mit

Puzzles, ‚pervasive interaction’ und Rollenspiel-Komponente, versuchte ein größeres

Kategorien

87

Publikum anzusprechen, in dem es verschiedene Interaktionsformen für

unterschiedliche Spielertypen anbot.

Stenros (2010) berichtet darüber, dass manche Teilnehmer nur an der Schnitzeljagd

teilnehmen wollten, und nicht an der Interaktion mit den Ractors (‚interactive

actors‘), wobei andere hingegen, gerne mit den Charakteren spielten, die sie online

kennengelernt haben und auch versuchten, die Sicherheitswachen im Spiel

auszutricksen.

Im Spiel selbst wurde daher auf die verschiedenen Spielertypen Rücksicht

genommen. Jeder entschied für sich selbst, in welchem Ausmaß er interagieren

wollte:

„The players also had wristbands that marked them as players, so in essence

there were two levels on ludic markers: the I-am-a-player wristbands and

the I-want-to-play-with-other-people logo. A great way to establish multiple

interaction patterns for different player types.” (Stenros 2010)

Ethik und sozialer Kontext

88

Ethik und sozialer Kontext

Wenn die Grenzen zwischen Spiel und Realität verschwimmen, wirft dies jede Menge

an ethischen Fragen und auch Probleme auf.

Generell unterscheiden sich Alltag und Spiel grundlegend voneinander.

DasVerhalten im ‚Magic Circle‘ ist meistens im realen Leben nicht akzeptabel oder

auch umgekehrt.

Bei einem Box-Match ist es sehr wohl erlaubt, seinem Gegner einen Schlag zu

verpassen, bei einer Begegnung im Alltag hingegen nicht:

„When the sumo wrestler enters the ‘magic circle’ or the dohyo or the

professional boxer enters the space and time of the bout, the rules of what

social behaviors are desirable and forbidden are suddenly, radically

changed. Violent and powerful physical attacks against another person,

which are normally forbidden by law and social norms, become the

obligatory mode of conduct. At the same time, polite and acceptable behavior

may become inappropriate. For a boxer in the midst of a bout to attempt

polite conversation with an opponent would be a gross breach of decorum.

As one court noted: ‘subjecting another to unreasonable risk of harm, the

essence of negligence, is inherent in the game of football…’” (Lastwoka, 2007

cited in Montola et al. 2009, p.197)

Würde ein Boxkampf außerhalb des Rings stattfinden, wäre man mit zahlreichen

Problemen konfrontiert. Bei Alternate Reality Games tritt genau diese Problematik

auf. Viele dieser ARGs erfordern daher eine doppelte Wahrnehmung von den

Spielern:

„Players need to be aware of both the game world and ordinary life. It is

difficult to make the right choice if one does not comprehend the

consequences of one’s actions.” (Montola et al. 2009, p.199)

Ethik und sozialer Kontext

89

1.13 Unaware Participation Das größte Problem bei ARGs ist die ‚Unaware Participation‘.

Dies sind Menschen, die mit dem Spiel eigentlich nichts zu tun haben, aber trotzdem

mit den Spielgegenständen, Bestandteilen des Spiels, und den Spielern selbst in

Berührung kommen. Ihnen fehlt der Kontext, um dem Verhalten und den

Gegenständen die entsprechende ludische Bedeutung zuordnen zu können. Sie

besitzen keine doppelte Wahrnehmung und nehmen nur das reale, alltägliche Leben

wahr.

Folgende zwei Beispiele verdeutlichen diese Problematik sehr gut, wenn Spiel im

öffentlichen Raum stattfindet.

1.13.1 Jackass Entführung In Tulln, Niederösterreich, stellten fünf Jugendliche eine Entführung nach Vorbild

der MTV-Fernsehserie Jackass nach, und lösten damit eine groß angelegte

Alarmfahndung der Polizei aus:

„Es sah offenbar echt aus. Mehrere Augenzeugen schilderten die

vorgetäuschte Entführung glaubwürdig der Polizei: Fünf Jugendliche

zwischen 15 und 17 entschlossen sich, eine Entführung nachzustellen - vor

einem Lokal mit einer großen Fensterfront im Zentrum von Tulln, um

besonders viel Aufmerksamkeit zu erregen.

Zwei der Jugendlichen, die die „Täter“ spielten, stülpten einem weiteren, dem

„Opfer“, einen Jutesack über den Kopf und zerrten ihn in den Kofferraum

eines Autos. Dann fuhren sie mit quietschenden Reifen davon.“ (ORF 2010)

Die Beamten gingen von einem Entführungsfall aus und konnten schließlich die

‚Täter‘ ausforschen. Da sie eine strafbare Handlung vorgetäuscht haben, wurden sie

bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten angezeigt.

Im Endeffekt entschied der Staatsanwalt jedoch, dass kein strafrechtlicher

Tatbestand erfüllt wurde, da die Entführung nicht direkt vor den Polizisten stattfand.

Dies ist bei Weitem kein Einzelfall, bei dem Spiel von unbeteiligten Personen in

einem anderen Kontext wahrgenommen wird.

Ethik und sozialer Kontext

90

1.13.2 Totes Mädchen auf Google Street View Gizmodo (Golijan 2010) berichtet über ein Mädchen, welches sie sich tot gestellt hat,

als ein Google Street View Wagen vorbeifuhr.

Dabei wollte sie nur ihre Freundinnen erschrecken. Während der Fahrer des Google

Wagens dies nicht einmal bemerkte sorgte sie für Panik bei vielen Leuten, die die

lokale Polizei verständigten.

Abbildung 43 Not quite Google Corps View (Golijan 2010)

1.14 Ethik und Selbstverantwortung Die Ethik und Selbstverantwortung der Spieler selbst spielt bei ARGs eine große

Rolle. Oftmals nimmt man im Spiel Verhaltensweisen an, die im realen Leben nicht

akzeptabel sind. Durch die fehlende Grenze zwischen Realität und Fiktion sehen

viele dies als Freibrief für andernfalls nicht tolerierbares Verhalten.

Im Bereich der Urban Exploration, wird die Stadt bzw. deren Gebäude erkundet, zu

denen man normalerweise keinen Zugang hat. Dies können Bürogebäude,

Krankenhäuser, leer stehende Fabrikhallen, aber auch Kanalisationen und

Bergwerksstollen sein.

Solche Gebäude werden von den Urban Explorers oftmals illegal betreten. Von

solchen Plätzen geht eine große Faszination aus. Es sind oft ‚mystische‘ Orte, zu

denen nur wenige Zugang haben. Dies weckt in vielen die Abenteuerlust, in dem sie

sich auf eine Art Schatzsuche begeben.

Ethik und sozialer Kontext

91

Abbildung 44 Urban Explorers in den Katakomben von Paris (Zoriah 2009)

Solche Plätze können auch Bestandteil von ARGs sein, da sie den pervasiven

Charakter des Spiels unterstreichen. Die Puppet Masters tragen jedoch Sorge dafür,

dass hierbei kein illegales Verhalten unterstützt wird, und das Betreten solcher Orte

ungefährlich ist (z. B. Einsturzgefahr).

Dass diese neu gewonnene Freiheit beim Betreten aber kein Freibrief für

untadelhaftes Verhalten ist, und bestimmte ethische Grundsätze zu befolgen sind,

beschreibt Ninjalicious (2005 cited in Montola et al. 2009, p.198), einer der

Vorreiter dieser Bewegung, so:

„Beyond the “do not enter” signs and outside the protected zone, you and

your friends are free to behave as you really are […] [A] lot of people who

usually behave well do so because they’re mindlessly obeying rules and laws,

not because they’re carefully considering which actions are helpful and right

and which are harmful and wrong. People who think laws are more

important than ethics are exactly the sorts who will wander into an

abandoned area and be so confused by their sudden freedom and lack of

supervision that they’ll start breaking windows and urinating on the floor.

Ethik und sozialer Kontext

92

[…] [I]t’s important to seek out people with positive ethics, who will show

respect for the sites by not breaking anything, taking anything, defacing

anything or even littering while exploring.”

Eine ähnliche Problematik ließ sich schon Anfang des 20. Jahrhunderts beobachten,

als die von Zeitungen veranstalteten Treasure Hunts in Großbritannien stattfanden.

Leute gruben, trotz Warnhinweise, private Gärten um, beschädigten Straßen und

öffentliche Gebäude, sodass sogar Polizei und Militär einschreiten mussten. (Slade

2006)

1.15 Verantwortung der Puppet Masters Es ist Aufgabe der Puppet Masters klare Regeln für die Teilnehmer festzulegen, um

bestimmtes Verhalten zu vermeiden, bzw. wenn gewisse Verhaltensweisen

vorherzusehen sind, eine sichere Umgebung dafür zu schaffen:

„[A]s a [puppet master] I am responsible for the safety and well-being of the

players – but up to a point: As long as the characters behave in manner that

is consistent with their character backgrounds, demeanor and reasonably

expanded goals – I am responsible. But if a player/character just goes off the

bend (decides to run naked in the middle of a street with filled cars), that is

no longer my problem as that is not a part of the game in any way. If I think

such a thing would be part of the game, I would have to arrange a place

where such behavior is possible with safety.” (Parann, 2008 cited in Montola

et al. 2009, p.200)

Trotz zahlreicher Vorsichtsmaßnahmen und Hinweise ließ sich auch folgendes

tragisches Schicksal bei Shelby Logan’s Run nicht verhindern:

„This clue, printed on a CD cover, led the players of Shelby Logan’s Run to

Argentena mines in the Nevada desert. The warning in the corner did not

stop one player from entering mine number 1296 instead. Maybe he

interpreted it as a game clue, maybe he was excited by the game, or maybe

he did not understand its context. In any case, he fell 10 meters down a mine

shaft. The accident left him permanently paralyzed and almost completely

blind. Sued for damages, five of the six game organizers settled out of court

Ethik und sozialer Kontext

93

for a $ 10.6 million dollar compensation (paid by their insurance

companies).” (Montola et al. 2009, p.202)

Abbildung 45 Shelby Logan’s Run (Montola et al. 2009, p.202)

Bei dem Assassination Game Killer gibt es auch ganz klare Regeln.

Es ist erlaubt seinen Gegner durch das Fenster auszuspionieren, aber nicht

einzubrechen. Wenn man sich vor einem Angriff schützen möchte, sollte man auch

selbst eine Waffenattrappe mit sich tragen. Anstelle von nachgebildeten Pistolen

kommen oft Alltagsgegenstände, wie auch Obst (z. B. Bananen), zur Anwendung.

(Montola et al. 2009, p.5)

Nicht auszudenken wäre der Einsatz von täuschend echten Waffennachbildungen.

Speziell auf einem amerikanischen Universitätscampus würde dies einen

Ethik und sozialer Kontext

94

Polizeieinsatz provozieren bzw. man würde das Risiko eingehen, selbst ‚real‘

erschossen zu werden. Bedingt durch die zahlreichen Amokläufe in amerikanischen

Schulen ist hier besonders auf den sozialen Kontext Rücksicht zu nehmen.

Abbildung 46 A Killer player is using a long lens camera as a sniper rifle to kill his targets from a distance. The bananas represent pistols. Picture from Deathgame, Sweden. (Montola et al. 2009, p.5)

Oft gibt es Hotlines, an die sich Spieler, die Fragen haben oder das Spiel verlassen

möchten, wenden können. Dies ist auch eine gute Anlaufstelle für Journalisten und

Interessierte. (Montola et al. 2009, p.203)

Selbst ludische Markierungen, die In-Game Content kennzeichnen, können falsch

interpretiert, wie folgendes Beispiel von Momentum zeigt. In diesem Fall

verwechselten die Spieler eine reale Person mit einem Schauspieler. Die Aufgabe war

es, ein Artefakt von einer gespielten obdachlosen Person zu bekommen. Diese Person

sollte auf einem öffentlichen Platz zu finden sein. Zusätzlich kennzeichneten die

Puppet Masters diese Person mit einem am Boden gezeichneten Kreis aus magischen

Symbolen. Es war aber nicht vorauszusehen, dass die Spieler mit stundenlanger

Verspätung eintrafen und der Schauspieler mittlerweile seinen Platz verlassen hatte.

Ethik und sozialer Kontext

95

Mittlerweile saß aber eine andere obdachlose Frau im Kreis, die ‚real‘ war. Die

Spieler meinten, dass es sich hierbei um ein hervorragendes Kostüm handelte. Sie

durchsuchten ihre Habseligkeiten und versuchten das Artefakt zu bekommen, indem

sie Reinigungsrituale ausführten. Erst eine halbe Stunde später stellte sich der

Irrtum heraus. (Montola et al. 2009, p.199)

Es gab allen Grund anzunehmen, dass es sich bei dieser Person um einen Darsteller

des Spiels handelte. Die ludischen Zeichen wurden in diesem Fall aber falsch

interpretiert. Im Spiel selbst war es selbstverständlich erlaubt, die Sachen der Frau

zu durchsuchen, im realen Leben stellt dies aber ein inakzeptables Verhalten dar.

1.16 Kultureller Kontext „WARNING: NOT EVERYONE HAS THE SAME CULTURAL CONTEXT AND

NOT EVERYONE IS RELAXED ABOUT PUBLIC SPACES” (Blade Diary

2006)

Dieser Hinweis war nach einem Vorfall auf der Website von Posterchild zu lesen, die

ein Kunstprojekt namens Mario Question Blocks in das Leben riefen.

McGonigal (2006a cited in Montola et al. 2009, pp.206–207) berichtet über diesen

Vorfall in Ravenna, Ohio, wobei 17 gelbe Würfel, inspiriert vom Computerspiel Super

Mario Bros, quer in der ganzen Stadt verteilt wurden.

Die Behörden forderten darauf ein Entschärfungskommando an, da diese

Kunstobjekte mit Bomben verwechselt wurden. Die fünf verantwortlichen Teenager

wurden angezeigt, aber die Anklage später wieder fallen gelassen. Diese Würfel

wurden zuvor an vielen verschiedenen öffentlichen Plätzen, quer in den USA und in

Europa, verteilt, und nirgends gab es dabei Probleme mit den Behörden.

Je nachdem, wie stark das Terrorbewusstsein ausgeprägt ist, werden solche

Kunstinstallationen unterschiedlich wahrgenommen. Es kommt auch hier, sehr auf

den sozialen und kulturellen Kontext an.

Ethik und sozialer Kontext

96

Abbildung 47 Mario Question Blocks als Kunstinstallation in Toronto (Blade Diary 2006)

Ein weiteres Beispiel stammt aus Schweden, bei dem Spieler des ARG Momentum

ein Ritual, welches Bestandteil des Spiels war, gegenüber der amerikanischen

Botschaft abhielten.

Ein Spieler berichtet:

„[The police] came with, you know, a whole strike force, you know, these

buses, it was a full bus, but only two people in the front came out, because the

others, they were suddenly in there prepared with submachine guns and

everything, in the car. […] And, and they came out with, you know, their

hands on the guns and walked up to us […] [T]hey were really jumpy, and

[the players] started to explain that this is a game, and, of course, that was

the easiest explanation. […] And [the police] were like, you can be shot for

having one of these things. In Israel you would’ve been dead by now.”

(Stenros et al., 2007c cited by Montola et al. 2009, p.208)

Die Spieler verlassen sich auf die Puppet Masters, dass sie keinerlei Probleme

während des Spiels bekommen, solange sie nach deren Regeln spielen.

Ethik und sozialer Kontext

97

1.17 Vem gråter Selbst wenn Behörden und verantwortliche Stellen im Vorfeld informiert werden, ist

dies noch kein Garant für die problemlose Ausführung eines Spiels, wie Vem gråter6

zeigt.

Ursprünglich als crossmediales Poltergeist Abenteuer konzipiert, erschuf dieses Spiel

eine Gruppe von Studenten gemeinsam mit Künstler und Game Designer Martin

Ericcson.

Als Vem gråter im Frühling 2005 an einer schwedischen Universität startete, lief

vieles nicht, wie geplant.

Zum einen erreichten sie das falsche Zielpublikum. Während das Spiel sicher

anderen Studenten und manchen Professoren gefallen hätte, wurden komplett

andere Leute mit den Rätseln in den Korridoren der Universität konfrontiert.

Hausmeister und Reinigungspersonal wurden zum primären Zielpublikum. Und für

diese war es weder ein Spiel noch ein Puzzle, sondern ausschließlich Vandalismus.

Zum Zweiten ist ein ‚Reality Game‘, welches mit einem glaubhaften Horrorszenario

spielt nicht lustig, sondern Furcht einflößend.

Zum Dritten mangelte es an Verständnis, wie Geschichten erzählt, weitererzählt

werden und sich entwickeln. Viele Details gingen dabei verloren und wurden aus

dem Zusammenhang gerissen, als die Geschichte dem Direktor, lokalen Zeitungen

und selbst einer Hotline für verängstigte Frauen der Polizei erzählt wurde.

Der vierte Grund war, dass das Spiel an Plätzen stattfand, an denen die Leute es

nicht vermeiden konnten, damit in Berührung zu kommen. Das Personal der

Universität war zuerst irritiert, dann verängstigt und zum Schluss zornig. Nachdem

Polizei und Direktion der Universität informiert wurden, folgten darauf

Entschuldigungen der Macher des Spiels. (Montola et al. 2009, pp.193–194)

Viele Game Designer können aus Vem gråter eine wertvolle Lektion lernen, vor

allem, wie schnell solche Spiele außer Kontrolle geraten können und welche

Vorkehrungen dafür zu treffen sind.

6 „Who is Crying.“ auf schwedisch

Ethik und sozialer Kontext

98

Abbildung 48 Vem gråter in den lokalen Zeitungsberichten (Widing, 2007 cited in Montola et al. 2009, p.195)

1.18 Real World Detectives Nur drei Stunden nach den 9/11 Attacken auf das World Trade Center und das

Pentagon meldeten sich die Cloudmakers im Forum zu Wort. Beiträge mit dem

Betreff, wie „The Darkest Puzzle“ und „Cloudmakers to the Rescue!“ waren zu lesen.

(McGonigal 2003, p.1)

Beflügelt durch ihren Erfolg als Kollektiv im ARG The Beast, Rätsel und Aufgaben zu

lösen, die anfangs schier unmöglich schienen, nahmen sie in diesem Fall ‚real world

problems‘ in Angriff.

Dies mag auch mit der ‚This Is Not A Game‘ (TINAG) Ästhetik von The Beast zu tun

gehabt haben. Dadurch war ihr Verstand derartig geschärft, dass sie im Alltag nach

Ethik und sozialer Kontext

99

Rätseln und verborgenen Hinweisen suchten. Sie sahen überall Rabbit Holes um in

neues Spiel einzusteigen.

Ihre Erfahrung als Gruppe beschränkte sicher aber bisher nur auf virtuelle Rätsel des

ARG namens The Beast.

Jane McGonigal (2003, p.1) fasste die Geschehnisse so zusammen:

„We can solve the puzzle of who the terrorists are," one member wrote.

Another agreed: "We have the means, resources, and experience to put a

picture together from a vast wealth of knowledge and personal intuition".

One Cloudmaker suggested: "Let's become a resource. Utilize your computer

& analytical talents to generate leads". Someone else implored: "We like to

flout [sic] our 7,000 members and our voracious appetite for difficult

problems, but when the chips are down can we really make a difference?”.

The Cloudmakers, who proudly identified themselves in member profiles,

home pages and email signatures as "a collective intelligence unparalleled in

entertainment history," were on the case— a very real case".”

Zwei Tage später wurde aber von den Gründern der Cloudmakers Einhalt geboten:

Es handle sich hierbei um die Realität: ‚This is not a game.‘ Dieses tragische

Ereignis als Puzzle zu sehen sei nicht angebracht. (McGonigal 2003, p.1)

Ähnliche Geschehnisse ereigneten sich auch bei der Suche nach dem D.C. Sniper im

Oktober 2002. Mittels gebündelten technologischen Ressourcen und kollektiver

Intelligenz begaben die Cloudmakers sich auf die Suche nach dem Attentäter. Im

Endeffekt wurde dieser aber dennoch von der Polizei verhaftet. (McGonigal 2003,

p.6)

Im März 2003 schlossen sich erneut 70 Spieler zu einem Think Tank zusammen um

‚real world problems’ zu lösen. Die Collective Detectives hatten folgende Absicht:

„[...] unleashing the collective effort of real world issues and challenging

conventional problem-solving methods.“ (Fuzzymelon2K , 2003 cited in McGonigal

2003, p.7)

Auch wenn diese Bemühungen damals nicht erfolgsgekrönt waren, war dies ein

erster Ansatz, die kollektive Intelligenz zur Lösung von ‚real world problems‘

heranzuziehen.

Ethik und sozialer Kontext

100

1.19 Lynch Mobs Lynch Mobs des 21. Jahrhunderts, die aus den sogenannten Smart Mobs

hervorgegangen sind, sind auch ein gutes Beispiel für ‚real-world problem solving

communities‘. Sie nehmen Probleme, bei denen Politik und Justiz versagen, selbst in

die Hand.

Im Februar 2006 stellte eine Frau, die durch den Namen ‚Kitten Killer of Hangzhou‘

bekannt wurde, ein Video auf YouTube online, in dem sie ein Kätzchen mit einem

Stöckelschuh umbrachte.

Abbildung 49 Kitten Killer of Hangzhou (China Daily cited in Kramer 2009)

Zahlreiche aufgebrachte chinesische Bürger analysierten den Hintergrund des

Videos, um den Standort zu bestimmen, und die verwendeten Schuhe führten zu

dem Online-Shop, bei dem sie einkaufte. Mit diesen Informationen ließ sich ihre

Identität und Wohnadresse bestimmen. Tausende Telefonanrufe und Drohungen

folgten. Im Endeffekt verlor sie ihre Anstellung und musste ein Video mit ihrer

Entschuldigung online stellen, obwohl Tierquälerei in China keine strafbare Tat ist.

(Alex Lightman cited in Kramer 2009)

Diesmal führte die kollektive Detektivarbeit zum Erfolg. Dies wirft aber wiederum

eine Menge neuer ethischer Fragen auf, ob und in welchen Fällen, Selbstjustiz

überhaupt gerechtfertigt ist.

Ausblick

101

Ausblick

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass ARGs immer sehr eng mit der technologischen

Entwicklung verbunden waren. Das Internet hat dieses Spielgenre überhaupt erst

möglich gemacht.

Im letzten Jahrzehnt, seit The Beast, wurde die Social Layer auf das Internet

aufgebaut. Die Konstruktion dieser Ebene ist nun abgeschlossen und das

‚Framework for Connections‘ heißt Facebook. (Priebatsch 2010)

Seth Priebatsch, Gründer von SCVNGR, möchte nun basierend auf dieser mit dem

Aufbau der Game Layer beginnen:

„The game layer is all about influence. It's not about adding a social fabric to

the Web and connecting you to other people everywhere you are and

everywhere you go. It's actually about using dynamics, using forces, to

influence the behavior of where you are, what you do there, how you do it.

That's really, really powerful, and going to be more important than the

social layer. It's going to affect our lives more deeply and perhaps more

invisibly.“ (Priebatsch 2010)

ARGs können Teil dieser Game Layer sein. Die bestehende Social Layer eröffnet

nicht nur ungeahnte Möglichkeiten, sondern macht dieses Spielgenre einer breiten

Öffentlichkeit zugänglich. Die Infrastruktur ist bereits vorhanden, jetzt gilt es, diese

Basis auch zu nutzen. Das ARG Dexter ist bereits ein Schritt in die richtige Richtung.

Dieses Spiel will ein größeres Publikum erreichen und setzt dabei auf diese neuen

Möglichkeiten. Smartphones, Location-based und Augmented Reality Technologien,

reifen langsam aus und werden zunehmend zum Einsatz kommen, wie aktuelle ARGs

zeigen. Epidemic Menace (Montola et al. 2009, p.160) wurde 2007 noch mit teuren

Forschungs-Prototypen gespielt. Heutzutage trägt fast jeder diese Technologie in

Form eines Smartphones mit sich. Diese sind bereits fix in den Alltag integriert und

eröffnen damit komplett neue Möglichkeiten der Kommunikation, über Texting

(SMS) hinaus. Die Nutzung des mobilen Internets ist alltäglich geworden. Vieles was

vor zehn Jahren noch futuristisch schien, ist jetzt möglich.

Ausblick

102

Social Networks bieten eine ideale Infrastruktur auf der eine Game Layer überlagert

werden kann. SCVNGR ist nur ein Schritt in diese Richtung, aber zeigt, wie man eine

breite Öffentlichkeit erreichen kann. Ziel sollte es sein, ARGs einem viel breiteren

Publikum zugänglich machen, auch den Casual Gamers.

1.20 Location Based Gaming Diese Technologien erklären auch den Trend zu Location-Based-Services in den

letzten Jahren. Foursquare und Gowalla waren die Vorläufer, und mit Facebook

Places werden diese Dienste noch bekannter.

Grundidee ist mittels Checkin, indem man anderen Leuten seine Position mitteilt,

sogenannte Badges zu lukrieren und Mayor eines gewissen Standorts, Geschäfts

oder Lokals zu werden. Dies ist derjenige, der z. B. ein Lokal am öftesten besucht. Als

Mayor genießt man gewisse Privilegien, wie z. B. besondere Vergünstigungen oder

einfach einen Gratis-Kaffee.

Solche Location-Based-Services sind mehr als nur ein Spiel, sondern ermöglichen

für lokale Betriebe und Lokale neuartige Formen des Marketings und der

Kundenbindung. Negativ-Schlagzeilen machten Gowalla und Foursquare, indem

Einbrecher, diese Information nutzten, und feststellen konnten, wann jemand nicht

zu Hause anzutreffen war.

Lionsgate versuchte eine spielerische Komponente in Foursquare einzubringen,

indem Followers in bestimmten Lokalen Tipps, die das Expendables Motto hatten,

entdecken konnten. Propaganda Tattoo in San Diego hatte dafür folgenden Hinweis

„Ask for Thad! The most bad ass tattoo artist in SD! Brought to you by THE

EXPENDABLES opening August 13!”

Ausblick

103

Abbildung 50 The Expendables – Location Based Gaming (Van Grove 2010)

Wenn man in Santa Monica im The Shack eincheckte und zum Barkeeper sagte „Sly

sent me” bekam man sein Glas Bier um $2 günstiger. (Van Grove 2010)

Auch versuchen Spielehersteller, die in die Smartphones integrierten GPS

Empfänger zu nutzen, und traditionelle Brettspiele in die reale Welt zu portieren.

Basierend auf dem Brettspiel Scotland Yard wurde Mister X für die reale Welt, als

Location-Based Multiplayer Game, portiert.

Ausblick

104

Abbildung 51 Mister X Mobile, ein Location-Based Multiplayer Game (Gamesload 2010)

„Das Spielfeld ist die ganze Stadt. Die Spieler bewegen sich in der realen Welt

und übernehmen selbst die Rollen der Spielfiguren. Ein Spieler ist Mister X®

und begibt sich auf die Flucht vor den anderen Mitspielern. Diese sind die

Detektive und müssen zusammenarbeiten, um Mister X® einzukreisen und

zu stellen.„ (Gamesload 2010)

Viele dieser Elemente finden sich in ARGs wieder bzw. sind eine technologische

Weiterentwicklung der Spielprinzipien.

1.21 SCVNGR Seth Priebatsch möchte mit SCVNGR7 (sprich Scavenger) eine Game Layer auf die

reale Welt aufbauen. Statements, wie „blur a line between digital interactivity and

real-world interaction" und „a massive experiment in building a mobile game

together" klingen sehr verdächtig nach einem ARG. (SCVNGR 2010)

Es ist allerdings eine technologische Plattform, auf der Geschäfte, Lokale und

Institutionen, wie Museen, sogenannte Challenges erstellen können.

Im Gegensatz zu reinen Location-Based-Services, wie Foursquare oder Gowalla,

reicht es bei SCVNGR nicht aus, bloß einzuchecken.

Um sich eine Belohnung zu verdienen, wie z. B. besondere Vergünstigungen (Gratis-

Eis, Gratis-Kaffee, Rabatte, usw.), müssen Challenges an bestimmten Orten

absolviert werden, um die dafür notwendigen Punkte zu bekommen.

7 www.scvngr.com

Ausblick

105

Abbildung 52 SCVNGR für iPhone (SCVNGR 2010)

Diese Challenges können quer in der ganzen Stadt verteilt sein; gespielt wird über

das Smartphone. Die Aufgaben können ganz unterschiedlich sein. Manchmal reicht

ein Checkin aus oder man muss etwas fotografieren, Texte vervollständigen oder

sonstige Rätsel lösen.

Im Gegensatz zu klassischen Scavenger Hunts ist dies ein ‚short-form casual game’,

welches sich in das Leben integriert. (SCVNGR 2010)

Im Gegensatz zu Rabatten, die den Wert einer Ware oder Dienstleistung

herabsetzen, ist dies eine vor allem sehr interessante Möglichkeit des Marketings für

Betriebe, die eine bestimmte lokale Zielgruppe erreichen möchten. Aber auch in

anderen Bereichen, wie Tourismus und Museen, eröffnet eine Game Layer sehr

interessante Möglichkeiten. Der Vorteil besteht in SCVNGR, dass diese Plattform

bereits die passenden Applikationen mit sich bringt und gleichzeitig ein eigener

Builder verfügbar ist, um solche Challenges einfach und großen Aufwand selbst zu

erstellen. Die gesamte technische Infrastruktur wird zur Verfügung gestellt.

Vieles mag für hartgesottene ARG Fans viel zu rudimentär klingen. Und tatsächlich

ist man in vielen Bereichen sehr stark eingeschränkt. Das volle Potenzial eines

immersiven ARGs kann man damit kaum ausnützen. Aber diese Plattform bringt das

Genre der ARGs einer breiten Masse näher, und dient oft als Einstiegspunkt, um in

die Materie tiefer einzutauchen. Die Integration mit Facebook Places schafft zudem

Ausblick

106

eine noch ein größere Game Layer. Daher nutzte auch das erste Kapitel des ARG

Dexter, SCVNGR als Einstiegsplattform.

1.22 Augmented Reality Als 2005 das erste Mal Epidemic Menace gespielt wurde, ging für die Teilnehmer

besonders von den High-Tech Prototypen eine große Faszination aus. Das Szenario

war Folgendes: Von einem Forschungslabor wurde ein tödlicher Virus freigesetzt.

Die jeweiligen Teams hatten die Aufgabe diesen wieder einzufangen, bevor die

gesamte Bevölkerung damit infiziert wird. Mittels Augmented Reality Brillen

konnten die Spieler den unsichtbaren Virus visualisieren und mit einem Rucksack

voll Elektronik und einem modifizierten Smartphone konnte dieser auch eingefangen

werden. (Montola et al. 2009, p.160)

Abbildung 53 Promotion Bild zu Epidemic Menace. So erschien der ‚unsichtbare‘ Virus den Spielern. (Montola et al. 2009, p.160)

Das Spiel war adaptronic, das heißt, dass Ereignisse in der realen Welt, die virtuelle

Welt beeinflussten. Bei Epidemic Menace bestimmte z. B. das Wetter, wie und vor

allem, wie schnell, sich der Virus verbreitete. (Montola et al. 2009, p.161)

Ausblick

107

Seit Smartphone Apps, wie Wikitude, hat Augmented Reality auch in den Alltag

Einzug gehalten. Über das Kamerabild werden zusätzliche Informationen, wie Points

of Interest, eingeblendet. Viele Hersteller haben das Potenzial erkannt und sind

dabei, Lösungen für Spiele zu entwickeln.

KA-BOOM ist ein sogenanntes Augmented Reality based Game. Eine Art Real-Life

Bomberman, bei dem die Stadt bzw. deren Straßen als Spielfeld dienen. Technisch

basiert es auf der Sekai Camera Plattform von Tonchidot. (Toto 2010)

Abbildung 54 KA-BOOM (Toto 2010)

Vieles ist zwar technisch noch nicht ganz ausgereift, aber nachdem die Smartphone

Technologie immer leistungsstärker wird, können wir damit rechnen, dass

Augmented Reality Gaming in ein paar Jahren allgegenwärtig sein wird.

Man stelle sich nur vor, dass dadurch Fabelwesen und Monster zum Leben erweckt

werden können. Gegenstände in der realen Welt können mit einer zusätzlichen

ludischen Bedeutung versehen werden, die nur für die Teilnehmer sichtbar ist. Hier

gibt es noch sehr viel Potenzial zu entdecken.

Ausblick

108

Zudem löst dies in vielen Fällen das Problem mit der Unaware Participation, da

unbeteiligte Personen, zwar mit den Spielern, aber nicht mit den virtuellen

Spielgegenständen, in Berührung kommen.

1.23 Dexter ARG - Hunt for Infinity Killer Dexter Game On8 ist ein ARG, welches Teil der viralen Marketingkampagne zum

Start der neuen Staffel von Dexter war. Dies alleine macht das ARG noch nicht

außergewöhnlich. Das Besondere daran war, wie Dexter Game On, auf der Social

Layer aufbaute, um ein größtmögliches Publikum zu erreichen.

Abbildung 55 Integration von Facebook und SCVNGR (Showtime Dexter Game On 2010a)

8 www.dextergameon.com

Ausblick

109

Für das erste Kapitel des ARGs gab es zwei Möglichkeiten daran teilzunehmen, zum

einen online, indem man sein Foto mit einem ‚Dexter Cheek Slash‘ versah und es

Flickr stellte, zum anderen über SCVNGR. Hier mussten unterschiedliche Challenges

in bestimmten Städten absolviert werden. Zudem gab es noch eine eigene Facebook

App, um sein Gesicht, mit dem oben genannten, Slash zu verzieren. Jeder Upload

zählte als ‚Kill‘. Nachdem 100.000 Kills erreicht wurden, wurde ein exklusiver

Content zur neuen Staffel, in Form eines Videoclips freigeschalten.

Abbildung 56 Der freigeschaltene Videoclip nach 100.000 Kills (Showtime Dexter Game On 2010b)

Zukünftige Kapitel der Jagd nach dem Infinity Killer, spielten sich dann wieder

traditioneller ab. Reale Artefakte, Puzzles, Telefonanrufe und vieles mehr tragen zu

dem immersiven Erlebnis bei, damit auch hartgesottene Fans auf ihre Kosten

kommen.

Die Hemmschwelle in das Spiel einzusteigen war anfangs extrem niedrig und

Komplexität und Schwierigkeitsgrad steigerten sich erst allmählich mit dem

Fortschreiten von Dexter Game On.

Ob ARGs dadurch in den Mainstream einziehen werden bleibt dahingestellt. Sicher

ist aber, dass die Zahl der Spieler durch die Einbindung der Social Layer stark

erhöht wurde. Es wird damit nicht nur das Interesse an dem Genre der ARGs

geweckt, sondern die Spieler werden ermuntert weiterzuspielen und tiefer in die

Geschichte einzutauchen.

Ausblick

110

1.24 ARGs im deutschsprachigen Raum Bis auf wenige Ausnahmen scheint das Genre der ARGs auf den englischsprachigen

Raum beschränkt zu sein. Dies mag zu einem mit der Sprachbarriere zu tun haben,

aber auch mit der kritischen Masse an Spielern, die dafür notwendig ist. So wie jedes

Social Network brauchen auch ARGs eine bestimmte Anzahl an User bzw. Spieler,

um erfolgreich zu sein. Viele der Spielabschnitte erfordern oft ein Mindestmaß an

Interaktion der Spieler untereinander. Die kollektive Komponente spielt dabei die

größte Rolle.

Um dieses Problem zu vermeiden, gibt es im Game Design selbst mehrere

Möglichkeiten um die kritische Masse an Spielern zu erhalten (Montola et al. 2009,

p.154):

• Limit the time and space of play

• Reward extensive play

• Provide single player content

• Provide two player content

• Conceal the lack of critical mass

Als österreichisches Beispiel sei aber Schwellenland (2010) erwähnt, welches im

Frühjahr 2010 in Wien stattfand. Zehn Tage musste man sich bei diesem Projekt, im

Rahmen der Wiener Festwochen, als illegaler Flüchtling um seine neue Identität und

Einbürgerung kämpfen. Ausweis, E-Card und Bankomatkarte mussten zu Beginn des

Spiels abgegeben werden.

Hauptsächlich wurden SMS und Email zur Kommunikation mit den Spielern

eingesetzt. Es gab zwar eine Website und ein Forum für die Teilnehmer, aber der

Online-Teil wurde nur sehr rudimentär umgesetzt. Außerhalb von Wien gab es so

gut, wie keine Möglichkeit, an diesem Spiel teilzunehmen.

Und tatsächlich gibt es wenige ARGs, die international gespielt werden. Speziell im

Rahmen der Promotional ARGs spielen die unterschiedlichen Starttermine im Kino

eine Rolle. Europa startet in der Regel einige Monate später. Prinzipiell kann jeder

daran teilnehmen, aber oft sind nur bestimmte Online-Kapitel spielbar.

Ausblick

111

Auch die Spachbarriere spielt dabei eine Rolle. Evoke, mit Schwerpunkt auf Afrika,

war englischsprachig und für Länder bestimmt in denen Englisch gesprochen oder

zur Kommunikation verwendet wird. Nicht immer liegt es aber an der Sprache.

Fremdsprachige Charaktere sind bei weitem nicht so glaubwürdig, sodass sie sich in

vielen Fällen nicht nahtlos in das Leben der Spieler integrieren können. Die

Spielerfahrung ist daher wenig immersiv.

Eine Ausnahme bildete The Lost Ring, ein ARG, welches Bestandteil der

Marketingkampagne von McDonalds zu den Olympischen Spielen 2008 in Beijing,

China, war. Es fand auf sechs Kontinenten in sieben Sprachen statt und lief über

sechs Monate. Auf der Suche nach einer vergessenen Sportart, die einmal eine

olympische Disziplin gewesen sein sollte, mussten die Spieler u. a. reale Artefakte in

Johannesburg, Rio de Janeiro und Bangalore finden. Virtuelle Hinweise fanden sich

z. B. auf einem argentischen Social Network, einer chinesischen Video-Sharing

Website und auf Skyrock, einer populären Blogging Community aus Frankreich.

Weltweit formten sich zahlreiche Teams, die die Aufgabe hatten, diese Sportart

wieder zum Leben zu erwecken. Die besten Teams wurden zu dem Finale dieses

Spiels nach Beijing eingeladen. (McGonigal 2011, chap.13)

Schlussfolgerungen

112

Schlussfolgerungen

Beinahe 40 Jahre hat es gedauert, bis uns bewusst geworden ist, für welchen Zweck

das Internet eigentlich bestimmt war. Bis zum Platzen der Dotcom-Blase im Jahr

2000 dachten wir, das WWW sei in erster Linie für das Publizieren von Inhalten da.

Die Rolle der Internet-User war auf die Rolle des passiven Konsumenten beschränkt.

Nach und nach wurde uns bewusst, dass es eigentlich um aktive Partizipation und

Kommunikation untereinander geht.

Daher kann es kein Zufall sein, dass 2001 als Geburtsjahr der ARGs gilt, als im

frühen Sommer The Beast stattfand. Es nutzte dabei intensiv die Möglichkeiten der

Neuen Medien, wie Websites, Wikis und Blogs, um die Spieler an dem immersiven

und kollaborativen Erlebnis teilhaben zu lassen.

ARGs haben bisher noch nicht ihr volles Potenzial ausgeschöpft und werden stetig

weiterentwickelt. Man denke nur an die zahlreichen Plattformen, wie Foursquare,

Facebook oder SCVNGR, die als technologische Basis und Social Layer für diese

Spiele dienen können. ARGs können darauf aufbauen, ohne, dass Game Designer die

Infrastruktur dafür erst entwickeln müssen. Zudem vergrößert sich die Zielgruppe

solcher ARGs dadurch immens. Alleine auf Facebook gibt es 500 Millionen

potenzielle Spieler. Davon sind viele Erwachsene bereits mit Computerspielen

aufgewachsen. Von Super Mario Bros über Minesweeper, Solitaire bis hin zu World

of Warcraft, beinahe jeder kennt die Faszination, die von solchen Spielen ausgeht.

Urgent Optimism, Blissful Productivity und Epic Meaning sind Prinzipien um

Spieler zu fesseln und die zum Weiterspielen zu ermutigen. Gaming ist keine

Randerscheinung mehr, sondern Mainstream.

Schlussfolgerungen

113

ARGs sind aber mehr als nur ein Spiel oder virales Marketing. Henry Rose

bezeichnet ARGs als neue Form von ‚Interactive Fiction‘(Rose 2011, chap.1), bei der

Spiel und Realität miteinander verschwimmen:

„It's all part of the blur. It isn't just stories and games that are blurring

together, its author and audience, fiction and nonfiction, advertising and

entertainment. Because the Internet is so relentless about dissolving

boundaries, this is pretty much inevitable.” (Rose cited in Jenkins 2011)

Mobile Internettechnologie, in Form von Smartphones, bis hin zu Augmented

Reality Technologien, die Spielgegenstände in der realen Welt abbilden können,

eröffnen ungeahnte Chancen, um das Spielerlebnis pervasiv und immersiv zu

gestalten.

Es ist aber nicht die Technologie die ARGs so einzigartig macht, sondern der soziale

Aspekt. Spieler kommen online und offline zusammen, nicht nur um die Geschichte

zu teilen, sondern vor allem um sie mitzugestalten. Medientheoretiker Rushkoff

(cited in Doh 2010) bringt es auf den Punkt:

„I came to realize that it was the social element that made it work. It’s not

solving the puzzle that’s so much fun; it’s working on it with other people,

solving elements, and seeing everyone else react to what you’ve brought to

the table.”

Und genau dieses soziale Element verstärkt auch die Partizipation. Spieler haben die

Möglichkeit, je nach Fähigkeit und Talent, sich in die Gruppe einzubringen und

etwas zum Verlauf der Geschichte beizutragen. Sie werden Teil von ‚etwas

Größerem’. Ein ähnliches Phänomen lässt sich bei Wikipedia beobachten, wobei

zahlreiche Freiwillige ihre Freizeit opfern und komplett unentgeltlich mitarbeiten.

Da die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen, werden zudem In-

Game Erfahrungen in einem hohen Ausmaß auf das reale Leben der Spieler

übertragen. Die Teilnehmer können sich hinter keinem Avatar verstecken. Dies

macht ARGs zu einem idealen ‚Social Learning Tool’ (Harding cited in Mascioni

2010).

Und genau in diesem Bereich der Serious Games sehe ich das größte Potenzial von

ARGs. Dieser Trend zeigt sich auch verstärkt in den letzten Jahren. In den

Schlussfolgerungen

114

Anfangsjahren beschränkten sich viele ARGs auf Marketing. Seit 2007 zeigen

Beispiele, wie World Without Oil oder EVOKE, dass es sehr wohl weitere

Einsatzzwecke gibt. Laut McGonigal (2011, chap.7), hat aber beinahe jedes ARG

einen positiven Einfluss auf das Leben der Teilnehmer, bedingt durch den sozialen

Aspekt. Aber bei den vorhin genannten Beispielen werden alltägliche Probleme in

Angriff genommen und Lösungsmöglichkeiten gesucht, unter Zuhilfenahme der

Collective Intelligence. All dies sind Experimente, die uns neue Möglichkeiten und

Formen aufzeigen.

Neben diesem positiven Einfluss auf das eigene Leben sind es zahlreiche

Fähigkeiten, die sich Spieler bei bei ARGs aneignen. Zum einen ist es

Medienkompetenz, der Umgang mit Neuen Medien und Technologien, die

Teamworkfähigkeit, ad hoc Netzwerke zu bilden und Zusammenarbeit in Echtzeit,

durch die sie sich intensiv mit anderen Teilnehmern vernetzen.

Viele Branchen können davon lernen, wie man Game-Mechanics in das reale Leben

integriert, und man kollektive Intelligenz zur Problemlösung heranzieht. Dies zeigt

vor allem Gamification, der Trend Game Mechanics auf alltägliche Probleme und

Aufgaben anzuwenden, die andernfalls eher als mühsam und beschwerlich definiert

werden. Unter Gamification versteht man:

„The process of game-thinking and game mechanics to engage users and

solve problems.” (Zichermann & Cunningham 2011, chap.Introduction)

Noch hat kein ARG die Welt verändert. Oft sind es nur kleine Schritte im Leben der

Spieler. Sei es mit Energie sparsam umzugehen, mehr Strecken zu Fuß

zurückzulegen, oder mit dem Rad in die Arbeit zu fahren, wie bei World Without Oil,

oder reale Projekte, um die Lebensqualität von vielen Menschen auf dem

afrikanischen Kontinent zu verbessern, die aus EVOKE hervorgegangen sind, oder

einfach mehr Sport zu betreiben, wie Cryptozoo, welches von der American Heart

Association inszeniert wurde:

„Omg just ran into 1 of 1st cryptozoo playtesters, 1 yr later, 20 lbs lighter and

running regularly, total change. He credits the game! Yay!!“ (McGonigal

2010b)

Schlussfolgerungen

115

Dennoch ist für viele Spieler die Teilnahme an einem ARG eine lebensverändernde

Erfahrung. Die Cloudmaker, die aus The Beast hervorgegangen sind, haben dies

mehrfach bewiesen. Vor allem die Autorität, die sie als Community hatten. Selbst 10

Jahre nach The Beast besteht diese Community immer noch und blickt wehmütig

zurück:

„We’re about to break up the most intelligent group of folks ever assembled –

we could have built the atomic bomb if the solution was put to us in code….

I’m going to catch myself still looking for patterns and riddles in my daily life

months from now” (Jackson 2001, cited in McGonigal 2003, p.9)

Bei ARGs geht es nicht darum, dass man als einzelne Person das Spiel gewinnt. Es ist

vielmehr ein kollektiver Erfolg. Der Sieg ist nicht das Ziel:

„Great games teach people how to work together for common goals, and

make sure people understand that winning the game is not the object – for

that just ends the game.” (Rushkoff cited in Doh 2010)

Vieles dürften die Puppet Masters von The Beast richtig gemacht gemacht haben,

denn die Cloudmaker haben dies verstanden:

„The game is now over… the game has just begun.” (Ng, Eric cited in

McGonigal 2003, p.9)

Let the games begin!

Abbildungsverzeichnis

116

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Ein reales Artefakt aus dem ARG zur Fernsehserie Dexter: „This morning, a knock on my door woke

me up. A package greeted me on my doorstep, addressed to me. Inside was a tiny, elegant package and a postcard

with the picture of a grisly kill room and a bloody infinity sign. […] Inside the box was a realistic chocolate heart,

along with a USB taped to the lid of the box containing a video message […].“ (Andersen 2010) ............................. 9

Abbildung 2 I Love Bees Payphone Gathering: Einige Spieler warten bei einer Telefonzelle auf einen Anruf. ...... 10

Abbildung 3 Nicht immer ist es so klar, wie beim Sumo Ringen, bei dem das gesamte Spiel innerhalb des Kreises

stattfindet (Montola et al. 2009, p.8) ........................................................................................................................... 13

Abbildung 4 Traditionelles Modell: Das einzelne Media-Artefakt ist dafür verantwortlich, die ‚Story World‘ zum

Vorschein zu bringen (Watson 2010, p.5) .................................................................................................................... 15

Abbildung 5 Das Transmedia Modell: Es gibt keinen ‚Ur-Text‘, der die gesamte Geschichte erzählt; die ‚Story-

World‘ setzt sich dagegen aus mehreren Texten/Media-Artefakten zusammen. ...................................................... 16

Abbildung 6 The Blair Witch Website zeigte eine Vielzahl an ‚realem’ Material inklusive einem fiktiven Tagebuch

(The Blair Witch website cited in Askwith 2008, p.16) ............................................................................................... 17

Abbildung 7 Integrated Media Timeline (LivePlanet cited in Miller 2008, p.154) .................................................... 19

Abbildung 8 Integrated Media Approach: three-ball-theory (LivePlanet cited in Miller 2008, p.155) ................... 20

Abbildung 9 The Last Exorcism - BEST OF Chatroulette reactions (thelastexorcism 2010) ................................... 22

Abbildung 10 Shibuya Crossing Tokyo - Scramble System (TOKYOLUV 2010) ....................................................... 27

Abbildung 11 Asterix Abenteuerspiel Band 1: Das Gipfeltreffen (Goscinny & Uderzo 1987) .................................... 31

Abbildung 12 Paul McCartney is dead (Askwith 2008, p.14) ..................................................................................... 34

Abbildung 13 Das Cover des Buchs Ong’s Hat: The Beginning (Szulborski 2005, p.86), ein Teil der Geschichte von

Ong’s Hat: Incunabula ................................................................................................................................................. 35

Abbildung 14 Masquerades vergrabener Schatz: Ein Juwel aus 18 Karat Gold und Edelsteinen, von Kit Williams

persönlich angefertigt (Askwith, Ivan 2008, p.13) ..................................................................................................... 37

Abbildung 15 Masquerade, eine der sogenannten Armchair Treasure Hunts (Askwith 2008, p.13) ...................... 37

Abbildung 16 Einige der glücklichen Gewinner (Slade 2006, p.6) ............................................................................ 38

Abbildung 17 We Lost Our Gold (Welostourgold 2010) ............................................................................................. 40

Abbildung 18 CD Cover von Pink Floyd’s Album The Division Bell (Askwith 2008, p.15)........................................ 41

Abbildung 19 Ein Standbild aus dem Video des Pink Floyd Konzert vom 16. Juli 1994, welches das Wort

‚ENIGMA‘ zeigt. (Askwith 2008, p.15) ........................................................................................................................ 42

Abbildung 20 This Is Not A Game (Artificial Intelligence Trailer, 2001 cited in Askwith 2008, p.18) ................... 44

Abbildung 21 Cloverfield Teaser 1-18-08 (Reeves 2007) ........................................................................................... 48

Abbildung 22 Rob’s Party Mix: iTunes Has the Cloverfield Soundtrack (djspankypants 2007) .............................. 50

Abbildung 23 Cloverfield Website (Cloverfield 2007) ................................................................................................. 51

Abbildung 24 Rob Hawkins MySpace Profil (Hawkins 2008) ................................................................................... 52

Abbildung 25 Slusho Website des fiktiven Getränkeherstellers (Slusho 2007) ........................................................ 54

Abbildung 26 Tagruato Firmenwebsite (Tagruato 2007) .......................................................................................... 55

Abbildung 27 Mysteriöse Explosion auf Ölplattform (26 Local 2008)...................................................................... 56

Abbildung 28 T.I.D.O. WAVE (T.I.D.O. WAVE 2007) ................................................................................................57

Abbildung 29 Cloverfield Manga (Togawa 2008) ...................................................................................................... 58

Abbildung 30 OOG Website Ethan Haas Was Right (Mind Storm Labs 2007): www.ethanhaaswasright.com ..... 59

Abbildung 31 Cloverfield Clues (Cloverfield Clues 2007) ........................................................................................... 61

Abbildungsverzeichnis

117

Abbildung 32 This Is NOT The Monster(Cloverfield Clues 2008) ............................................................................. 61

Abbildung 33Unfiction Forum zu 1-18-08 (unfiction 2007) ...................................................................................... 62

Abbildung 34 The Despoiler 1-18-08 Wiki (Despoiler 2007) .................................................................................... 63

Abbildung 35 YouTube Analyse des Cloverfield Teasers (johnnylawdog 2007) ....................................................... 64

Abbildung 36 (Jea Jea/Flickr, 2009 cited in Chen 2009) .......................................................................................... 68

Abbildung 37 World Without Oil (World Without Oil 2007) .................................................................................... 72

Abbildung 38 Urgent Evoke – A crash course in changing the world (Urgent Evoke 2010) .....................................75

Abbildung 39 EVOKE Challenge – GlobalGiving (GlobalGiving 2010) .................................................................... 76

Abbildung 40 INVOKE – Die Comics wurden aus EVOKE verwendet und mit neuen kritischen Texten versehen

(INVOKE 2010) ............................................................................................................................................................. 77

Abbildung 41 Ghosts of A Chance (Smithsonian American Art Museum 2011)........................................................ 78

Abbildung 42 Die angefertigten Kunstwerke der Museumsbesucher - NECKLACE OF THE SUBALTERN

BETRAYER (Smithsonian American Art Museum 2008) ......................................................................................... 79

Abbildung 43 Not quite Google Corps View (Golijan 2010) ...................................................................................... 90

Abbildung 44 Urban Explorers in den Katakomben von Paris (Zoriah 2009) .......................................................... 91

Abbildung 45 Shelby Logan’s Run (Montola et al. 2009, p.202) ............................................................................... 93

Abbildung 46 A Killer player is using a long lens camera as a sniper rifle to kill his targets from a distance. The

bananas represent pistols. Picture from Deathgame, Sweden. (Montola et al. 2009, p.5) ...................................... 94

Abbildung 47 Mario Question Blocks als Kunstinstallation in Toronto (Blade Diary 2006) ................................... 96

Abbildung 48 Vem gråter in den lokalen Zeitungsberichten (Widing, 2007 cited in Montola et al. 2009, p.195) .. 98

Abbildung 49 Kitten Killer of Hangzhou (China Daily cited in Kramer 2009) ....................................................... 100

Abbildung 50 The Expendables – Location Based Gaming (Van Grove 2010) ....................................................... 103

Abbildung 51 Mister X Mobile, ein Location-Based Multiplayer Game (Gamesload 2010) ................................... 104

Abbildung 52 SCVNGR für iPhone (SCVNGR 2010) ................................................................................................ 105

Abbildung 53 Promotion Bild zu Epidemic Menace. So erschien der ‚unsichtbare‘ Virus den Spielern. (Montola et

al. 2009, p.160) .......................................................................................................................................................... 106

Abbildung 54 KA-BOOM (Toto 2010) ........................................................................................................................ 107

Abbildung 55 Integration von Facebook und SCVNGR (Showtime Dexter Game On 2010a) ............................... 108

Abbildung 56 Der freigeschaltene Videoclip nach 100.000 Kills (Showtime Dexter Game On 2010b) ................ 109

Bibliographie

118

Bibliographie

26 Local, 2008. YouTube - Cloverfield Monster First Attack. Available at: http://www.youtube.com/watch?v=UfKqIMX8nMM&feature=related [Accessed February 26, 2011].

Abrams, J.J., 2011. Super 8, USA: Paramount.

Andersen, M., 2010. F8 Comes Knocking at My Door: Dexter ARG Hits Close to Home | ARGNet: Alternate Reality Gaming Network. Available at: http://www.argn.com/2010/09/f8_comes_knocking_at_my_door_dexter_arg_hits_close_to_home/ [Accessed September 6, 2010].

Askwith, I., 2008. This Is Not (Just) An AdvertisementUnderstanding Alternate Reality Games.

Bath, G., 2008. Ghosts of a Chance - Final Report. Available at: http://ghostsofachance.com/GhostsofaChance_Report2.pdf [Accessed January 31, 2011].

Bay, M., 2007. Transformers, USA: DreamWorks SKG, Paramount Pictures.

Blade Diary, 2006. Posterchild Mario Question Blocks! Available at: http://www.bladediary.com/questionblocks/index.html [Accessed August 26, 2010].

Blank, M. & Lebling, S., 1979. Zork, Infocom.

Brynen, R., 2010. Reflections on EVOKE « PaxSims. Available at: http://paxsims.wordpress.com/2010/06/19/reflections-on-evoke/ [Accessed January 24, 2011].

Chen, B.X., 2009. Geek Proposes With “Romantech” iPhone App | Gadget Lab | Wired.com. Available at: http://www.wired.com/gadgetlab/2009/02/geek-proposes-w/ [Accessed August 28, 2010].

Cloudmakers, 2011. cloudmakers.org. Available at: http://www.cloudmakers.org/ [Accessed February 13, 2011].

Cloverfield, 2007. --. Available at: http://www.1-18-08.com/ [Accessed February 27, 2011].

Cloverfield Clues, 2007. Cloverfield Clues. Available at: http://cloverfieldclues.blogspot.com/ [Accessed February 27, 2011].

Cloverfield Clues, 2008. Cloverfield Clues: This Is NOT The Monster, Part 2. Available at: http://cloverfieldclues.blogspot.com/2007/09/fan-made-cloverfield-monster-art.html [Accessed February 15, 2011].

Cloverpedia, 2008a. Cloverfield Wiki - Cloverfield Monster, Slusho, J.J. Abrams. Available at: http://cloverfield.wikia.com/wiki/Cloverfield_Wiki [Accessed February 27, 2011].

Cloverpedia, 2008b. Cloverfield/Kishin - Cloverfield Wiki - Cloverfield Monster, Slusho, J.J. Abrams. Available at: http://cloverfield.wikia.com/wiki/Cloverfield/Kishin [Accessed February 27, 2011].

Cloverpedia, 2007. Seabed’s Nectar - Cloverfield Wiki - Cloverfield Monster, Slusho, J.J. Abrams. Available at: http://cloverfield.wikia.com/wiki/Seabed%27s_Nectar [Accessed February 27, 2011].

Despoiler, 2007. Main Page - Despoiler - Cloverfield. Available at: http://cloverfield.despoiler.org/index.php?title=Main_Page [Accessed February 27, 2011].

djspankypants, 2007. View topic - iTunes Has the Cloverfield Soundtrack. Available at: http://forums.unfiction.com/forums/viewtopic.php?t=24178 [Accessed February 26, 2011].

Bibliographie

119

Doh, J., 2010. Media Theorist Douglas Rushkoff on Alternate Reality Games | ARGNet: Alternate Reality Gaming Network. Available at: http://www.argn.com/2010/12/media_theoris_douglas_rushkoff_on_alternate_reality_games/ [Accessed December 28, 2010].

Fincher, D., 1997. The Game, USA: Polygram Filmed Entertainment.

Gamesload, 2010. Mister X Mobile, Deutsche Telekom AG. Available at: http://itunes.apple.com/at/app/mister-x-mobile/id373751016?mt=8 [Accessed September 5, 2010].

GlobalGiving, 2010. EVOKE Challenge - GlobalGiving. Available at: http://www.globalgiving.org/leaderboards/evoke/ [Accessed January 31, 2011].

Golijan, R., 2010. Girl Causes Panic By Playing Dead On Google Street View. Available at: http://gizmodo.com/5611668/girl-causes-panic-by-playing-dead-on-google-street-view [Accessed August 25, 2010].

Goscinny, R. & Uderzo, A., 1987. Asterix Abenteuerspiel Band 1 Das Gipfeltreffen, EHAPA VERLAG GMBH.

Van Grove, J., 2010. Lionsgate Uses “Bad Ass” Foursquare Tips and Specials to Promote “The Expendables.” Available at: http://mashable.com/2010/07/01/lionsgate-foursquare-promotion/ [Accessed August 30, 2010].

Hawkins, R., 2008. Rob Hawkins bei Myspace. Available at: http://www.myspace.com/robbyhawkins [Accessed February 26, 2011].

Hon, A., 2010. Can a Game Save the World? | Mssv. Available at: http://mssv.net/2010/03/09/can-a-game-save-the-world/ [Accessed January 24, 2011].

INVOKE, 2010. Invoke – An ARG to Save The World Bank. Available at: http://urgentinvoke.com/ [Accessed January 31, 2011].

J.J. Abrams, 2009. J.J. Abrams on the Magic of Mystery. Available at: http://www.wired.com/techbiz/people/magazine/17-05/mf_jjessay?currentPage=2 [Accessed August 25, 2010].

Jenkins, H., 2011. Confessions of an Aca/Fan: Archives: “Deep Media,” Transmedia, What’s the Difference?: An Interview with Frank Rose (Part Two). Available at: http://henryjenkins.org/2011/01/deep_media_transmedia_whats_th_1.html [Accessed January 30, 2011].

Jenkins, H., 2007. Confessions of an Aca/Fan: Archives: Transmedia Storytelling 101. Available at: http://www.henryjenkins.org/2007/03/transmedia_storytelling_101.html [Accessed October 20, 2010].

Jenkins, H., 2008. Convergence Culture: Where Old and New Media Collide Revised., NYU Press.

johnnylawdog, 2007. 1-18-08 The Mystery Uncovered. Available at: http://www.youtube.com/watch?v=OWCuw-2g-RA&NR=1 [Accessed July 12, 2007].

Kramer, M.A.M., 2009. Smart Mobs » Blog Archive » 21st Century Lynchmobs: Bringing Accountability to Foolish Actions Posted on the Internet. Available at: http://www.smartmobs.com/2009/06/10/21st-century-lynchmobs-bringing-accountability-to-foolish-actions-posted-on-the-internet/ [Accessed August 27, 2010].

Levy, P., 1999. Collective Intelligence: Mankind’s Emerging World in Cyberspace, Basic Books.

Martinez, E., 2010. Girl Throws Puppies in River in Video, 4chan Users on the Hunt - Crimesider - CBS News. Available at: http://www.cbsnews.com/8301-504083_162-20015154-504083.html [Accessed February 15, 2011].

Bibliographie

120

Mascioni, M., 2010. Internet Evolution - Michael Mascioni - How Alternate Reality Games Affect Real Life. Available at: http://www.internetevolution.com/author.asp?section_id=709&doc_id=202342 [Accessed December 29, 2010].

May, G., 2010. ARGFest 2010: Hotlanta Recap | ARGNet: Alternate Reality Gaming Network. Available at: http://www.argn.com/2010/08/argfest_2010_hotlanta_recap/ [Accessed August 28, 2010].

McGonigal, J., 2004. Alternate Reality Gaming: “Life Imitates ARG”. PowerPoint from a presentation for the MacArthur Foundation Board of Directors. Available at: http://www.avantgame.com/McGonigal%20ARG%20MacArthur%20Foundation%20NOV%2004.pdf [Accessed August 22, 2010].

McGonigal, J., 2010a. Jane McGonigal: Gaming can make a better world | Video on TED.com. Available at: http://www.ted.com/talks/jane_mcgonigal_gaming_can_make_a_better_world.html [Accessed February 1, 2011].

McGonigal, J., 2010b. Omg just ran into 1 of 1st cryptozoo playtesters, 1 yr later, 20 lbs lighter and running regularly, total change. He credits the game! Yay!! [Twitter post]. Available at: http://twitter.com/#!/avantgame [Accessed June 26, 2010].

McGonigal, J., 2011. Reality Is Broken: Why Games Make Us Better and How They Can Change the World Kindle., Penguin Press HC, The.

McGonigal, J., 2003. This Is Not a Game: Immersive Aesthetics & Collective Play. In Digital Arts & Culture 2003 Conference Proceedings. Available at: http://www.seanstewart.org/beast/mcgonigal/notagame/paper.pdf.

McGonigal, Jane, 2005. “Alternate Reality Learning.” PowerPoint from the Creative Design panel at the E3 Education Arcade. Available at: http://www.avantgame.com/McGonigal_ILOVEBEES_education%20arcade_May%202005.pdf [Accessed August 22, 2010].

McQuaid, B., Clover, S. & Trost, B., 1999. Everquest, Sony Online Entertainment.

Miller, C.H., 2008. Digital Storytelling, Second Edition: A creator’s guide to interactive entertainment 2nd ed., Focal Press.

Mind Storm Labs, 2007. Ethan Haas Was Right. Available at: http://www.ethanhaaswasright.com/ [Accessed February 27, 2011].

Montola, M., Stenros, J. & Waern, A., 2009. Pervasive Games: Theory and Design, Morgan Kaufmann.

Nankin, M., 1980. Midnight Madness, USA: Walt Disney Pictures.

ORF, 2010. Großeinsatz: Eine Entführung wie in “Jackass” - oesterreich.ORF.at. Available at: http://noe.orf.at/stories/432623/ [Accessed August 25, 2010].

Petri, E., 1965. La decima vittima, Italy, France: Compagnia Cinematografica Champion, Les Films Concordia, Titanus - Appia.

Priebatsch, S., 2010. The game layer on top of the world. Available at: http://www.ted.com/talks/seth_priebatsch_the_game_layer_on_top_of_the_world.html?awesm=on.ted.com_8W1C [Accessed March 19, 2011].

Reeves, M., 2008. Cloverfield, USA: Paramount Pictures, Bad Robot.

Reeves, M., 2007. Cloverfield - Movie Trailers - iTunes - Teaser, Available at: http://trailers.apple.com/trailers/paramount/cloverfield/ [Accessed February 27, 2011].

Rheingold, H., 2009. Smart Mobs » Blog Archive » Toward the era of (printed?) sentient things…. Available at:

Bibliographie

121

http://www.smartmobs.com/2009/07/22/toward-the-era-of-printed-sentient-things/ [Accessed September 5, 2010].

Rheingold, H., 2003. Smart Mobs: The Next Social Revolution, Basic Books.

Richtel, M., 2011. Egypt Cuts Off Most Internet and Cellphone Service - NYTimes.com. Available at: http://www.nytimes.com/2011/01/29/technology/internet/29cutoff.html?_r=1 [Accessed February 8, 2011].

Rose, F., 2011. The Art of Immersion: How the Digital Generation Is Remaking Hollywood, Madison Avenue, and the Way We Tell Stories, W. W. Norton & Company.

Ross, H., 1973. The Last of Sheila, USA: Warner Bros. Pictures.

Schwellenland, 2010. SCHWELLENLAND. Available at: http://schwellenland.at/ [Accessed September 5, 2010].

SCVNGR, 2010. SCVNGR - Press & media resources. Available at: http://www.scvngr.com/press [Accessed September 5, 2010].

Shirky, C., 2010. Cognitive Surplus: Creativity and Generosity in a Connected Age, Penguin Press HC, The.

Showtime Dexter Game On, 2010a. Anywhere: DEXTER Game On. Available at: http://www.dextergameon.com/play-anywhere/#fbid=B29HI3zWvV1 [Accessed September 2, 2010].

Showtime Dexter Game On, 2010b. DEXTER Game On. Available at: http://www.dextergameon.com/#fbid=B29HI3zWvV1 [Accessed September 2, 2010].

Slade, P., 2006. London’s Treasure Hunt Riots | Paul Slade - Journalist. Available at: http://www.planetslade.com/treasure-hunt-riots1.html [Accessed August 24, 2010].

Slusho, 2007. Slusho! - You Can’t Drink Just Six. Available at: http://www.slusho.jp/ [Accessed February 27, 2011].

Smithsonian American Art Museum, 2011. GHOSTS OF A CHANCE. Available at: http://www.ghostsofachance.com/ [Accessed January 31, 2011].

Smithsonian American Art Museum, 2008. GHOSTS OF A CHANCE. Necklace of the Subaltern Betrayer. Available at: http://ghostsofachance.com/main_site/index.php?p=object&id=1 [Accessed January 31, 2011].

Spielberg, S., 2001. A.I. Artificial Intelligence, USA: Warner Bros.

Spielberg, S., 2002. Minority Report, USA: Twentieth Century Fox Film Corporation.

Stenros, J., 2010. Action One Interaction « Pervasive Games: Theory and Design. Available at: http://pervasivegames.wordpress.com/2010/07/23/action-one-interaction/ [Accessed September 2, 2010].

Szulborski, D., 2005. This Is Not A Game: A Guide to Alternate Reality Gaming, New-Fiction Publishing.

T.I.D.O. WAVE, 2007. T.I.D.O. Available at: http://tidowave.com/blog/ [Accessed February 26, 2011].

Tagruato, 2007. TAGRUATO CORP. Available at: http://www.tagruato.jp/index2.php [Accessed February 26, 2011].

thelastexorcism, 2010. The Last Exorcism - BEST OF Chatroulette reactions, Available at: http://www.youtube.com/watch?v=CNSaurw6E_Q&feature=player_embedded#! [Accessed August 28, 2010].

Bibliographie

122

Togawa, Y., 2008. Cloverfield Manga. Available at: http://lh5.google.com/dennisacevedo/R48bXaPwoXI/AAAAAAAACe4/ZN9Z-4qauZE/s1600-h/012-je.jpg [Accessed February 26, 2011].

TOKYOLUV, 2010. Shibuya Crossing Tilt Shift | Tokyo Luv. Available at: http://www.tokyoluv.com/shibuya-crossing-tilt-shift/ [Accessed February 16, 2011].

Toto, S., 2010. Augmented Reality App Sekai Camera Goes Multi-Platform. Adds API And Social Gaming. Available at: http://techcrunch.com/2010/07/14/augmented-reality-app-sekai-camera-goes-multi-platform-adds-api-and-social-gaming/ [Accessed September 5, 2010].

Tsotsis, A., 2010. Horror Film Finds Actual Business Use For Chatroulette. Available at: http://techcrunch.com/2010/08/20/cashroulette/ [Accessed October 26, 2010].

Tuten, T.L., 2008. Advertising 2.0: Social Media Marketing in a Web 2.0 World, Praeger.

unfiction, 2007. View Forum - Archive: Cloverfield (1-18-08). Available at: http://forums.unfiction.com/forums/index.php?f=227 [Accessed February 27, 2011].

Urgent Evoke, 2010. Urgent Evoke - A crash course in changing the world. Available at: http://www.urgentevoke.com/ [Accessed August 27, 2010].

Watson, J., 2010. A brief history of transmedia world-building. Available at: http://remotedevice.net/presentations/a-brief-history-of-transmedia-world-building/ [Accessed October 20, 2010].

We Lost Our Gold, 2010. We Lost Our Gold :: FAQs. Available at: http://www.welostourgold.com/faqs.html [Accessed August 31, 2010].

Welostourgold, 2010. August 1st Unleashes Pirate Mystery and Ten Thousand Dollars. Available at: http://multivu.prnewswire.com/mnr/welostourgold/44579/ [Accessed August 25, 2010].

Wikipedia, 2008. Cloverfield - Wikipedia, the free encyclopedia. Available at: http://en.wikipedia.org/wiki/Cloverfield [Accessed February 27, 2011].

Wikipedia, 2010. Krieg der Welten – Wikipedia. Available at: http://de.wikipedia.org/wiki/Krieg_der_Welten [Accessed August 24, 2010].

World Bank Institute, 2010. WBI in Action: WBI’s Online Game, EVOKE, Engages Nearly 20,000 in 10 Weeks | World Bank Institute (WBI). Available at: http://wbi.worldbank.org/wbi/stories/wbi%E2%80%99s-online-game-evoke-engages-nearly-20000-ten-weeks [Accessed January 24, 2011].

World Without Oil, 2007. World Without Oil :: Document Your Life In The New Reality. Available at: http://worldwithoutoil.org/default.aspx?week=1 [Accessed August 31, 2010].

Zichermann, G. & Cunningham, C., 2011. Gamification by Design Kindle., OReilly Media - A.

Zoriah, 2009. ZORIAH - A PHOTOJOURNALIST AND WAR PHOTOGRAPHER’S BLOG: Catacombs of Paris - The Real French Underground. Available at: http://www.zoriah.net/blog/2009/02/catacombs-of-paris-the-real-french-underground.html [Accessed February 20, 2011].