© melchior, 2006 - 1 - wirtschaftsethik wolfgang melchior rlfb 10.05.2006 pfaffenhofen (ilm)
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© Melchior, 2006 - 1 -
Wirtschaftsethik
Wolfgang Melchior
RLFB10.05.2006
Pfaffenhofen (Ilm)
© Melchior, 2006 - 2 -
Begriffliche Abgrenzungen
Deutsche Tradition
US–Tradition (angelsächsische Tradition)
Wirtschaftsethik: a) „Volkswirtschaftliche Seite“: Fragen nach den Zielen
(Wohlstand, Arbeit, Gerechtigkeit, Gleichheit)b) Frage nach der Vereinbarkeit von ökonomischer Rationalität und ethischen Prinzipien (praktischer
Vernunft)
Unternehmensethik: „Betriebswirtschaftliche Seite“
Business Ethics: Pragmatische Vereinigung beider Stränge
Corporate Governance: Kodices zur Unternehmensführung
© Melchior, 2006 - 3 -
Aristoteles: Ethik als Mitte
Glückseligkeit (eudaimonia ) als höchstes Ziel des Staates (Politik)
Tugend (arete)
Erreichbar durch
Dianoetische (=verstandesmäßige)
Tugenden
Einsicht (phronesis)
Weisheit (sophia) / Schau der
Wahrheit (theoria)
Ethische (=praktische) Tugenden: Charakter und
Gewöhnung (habituell und durch Vorbilder
erlernbar) Gerechtigkeit (dikaiosyne)
als höchste Form. Grundsatz: Gleichheit
Allgemeiner (das Gemeinwesen als
Ganzes betreffender) Maßstab: Legalität
(Gesetzlichkeit)
Besondere Maßstäbe der Beurteilung
Verteilende (distributive) Gerechtigkeit:
Verteilungsgerechtigkeit
Ausgleichende (kommutative) Gerechtigkeit
Mitte zwischen Privatinteresse und Gemeinwohl
Mitte zwischen zwei Privatinteressen
© Melchior, 2006 - 4 -
Aristoteles: Gerechtigkeit als Gleichheit und Ausgleich
Oikonomia als Maßhalten
Verteilende (distributive) Gerechtigkeit:
Verteilungsgerechtigkeit
Ausgleichende (kommutative) Gerechtigkeit
Legalität (Gesetzlichkeit)
Gemeinwohl statt Privatinteresse
Wirtschaften hat sich
a) am Gemeinwohl sowie
b) am Prinzip des Maßhaltens (weder
Gier noch Geiz)zu orientieren.
Verteilung nach dem Prinzip der
Würdigkeit (axia)
Verteilung in Ansehung der Person
Jedem das Seine
Zuteilung nach dem Prinzip des
Ausgleichs.
Zuteilung ohne Ansehung der
Person:Allen das Gleiche
Gebiet: Verteilung politischer
Ämter*
Gebiet: Wirtschaft
(Warentausch) und Rechtswesen
Gebiet: Verfassung*, individuelles Wirtschaften
© Melchior, 2006 - 5 -
Adam Smith: Liberalismus: „Das System der natürlichen
Freiheit“
Eigennutzorientiertes Handeln
AllgemeinwohlUnsichtbare Hand
Prästabilierte Harmonie (göttliche Ordnung):Ausgleich durch Gesetz von Angebot und Nachfrage.*
Optimale Allokation
Es ist rational, sich nutzenmaximierend und eigennutzorientiert zu verhalten
Kein Konflikt zwischen ökonomischer Rationalität und ethischem Handeln
Anthropologische Annahme: Selfishness („Eigenliebe“)Der Mensch ist eigennutzorientiert (nutzenmaximierend), aber nicht egoistisch.Begründung: Mensch nicht autarkes, sondern auf andere angewiesen . Mensch als handeltreibendes WesenTauschprinzip:"Gib mir, was ich wünsche, und du bekommst, was du benötigst.“
Vorteile für alle: Arbeitsteilung macht Güter a) erschwinglich b) überhaupt erst verfügbar
Basis: Staat, der Rechtssicherheit (Vertrag) und Sicherheit vor physischer Bedrohung garantiert.
© Melchior, 2006 - 6 -
„Das System natürlicher Freiheit“: Pareto–Optimalität als Prinzip von
Gerechtigkeit?
Gütermenge Individuum B
Gütermenge Individuum A T 1 T 2
Gerecht?
Die konkave Kurve zeigt Verteilungszustände der Gütermengen zweier Individuen, die alle pareto–optimal sind.Pareto-optimal sind Verteilungszustände dann, wenn jede Veränderung, die ein Individuum besser stellt als zuvor, mindestens ein Individuum schlechter stellt als vor der Veränderung.
Gerecht?
Pareto-Optimalität lässt entweder größte Ungleichverteilungen zuoder sie gibt keine Kriterien an die Hand, welche Verteilung die beste ist.
Pareto-Optimalität ist kein Kriterium für Gerechtigkeit und daher keine ethische Theorie
© Melchior, 2006 - 7 -
Von Marx zur Sozialen Marktwirtschaft
• Natürliche Freiheit bedeutet Natürwüchsigkeit: Krisen sind keine temporären, sondern systemische Ereignisse.
• Ungleiche Verteilung von Wohlstand
• Abstrakte versus konkrete Gleichheit (ungleiche Startbedingungen)
Volkswirtschaft muss die Verteilung von Ressourcen und deren Ergebnisse gesellschaftlich und von vornherein planen.
Soziale Marktwirtschaft als Ordoliberalismus (Eucken):
Staatliche Rahmenbedingungen und Regulative (Ausgleichssystem von Chancen)
Redistribution (Umverteilung) von Wohlstand nachträgliche Korrektur von Ungleichheiten
Aber nicht: Staatliche Planung von Ressourcen (Mitteleinsatz)
© Melchior, 2006 - 8 -
Soziale Marktwirtschaft als OptimierungsmodellWohlstandniveau
Gleichheit
Freier Wettbewerb lässt maximale Ungleichheiten auf hohem Wohlstandsniveau zu.Zentralwirtschaft realisiert zwar maximale Gleichheit, jedoch wegen fehlender Anreize auf einem geringen Wohlstandsniveau.Soziale Marktwirtschaft als Kompromiss-/Optimierungsmodell versucht hohen Wohlstand für möglichst viele.
Freier Wettbewerb: Smith
Soziale Marktwirtschaft: Eucken
Planwirtschaft: Marx
© Melchior, 2006 - 9 -
Ökonomische Rationalität versus Moral: Das Gefangenendilemma
Zwei Gefangene werden verdächtigt, gemeinsam eine Straftat begangen zu haben. Die Höchststrafe für das Verbrechen beträgt fünf Jahre. Beiden Gefangenen wird nun ein Handel angeboten, der beiden bekannt ist. Wenn einer gesteht, und somit seinen Partner belastet, kommt er ohne Strafe davon – der andere muss die vollen fünf Jahre absitzen. Entscheiden sich beide zu schweigen, bleiben nur Indizienbeweise, die aber ausreichen, um beide für zwei Jahre einzusperren. Gestehen aber beide die Tat, erwartet jeden eine Gefängnisstrafe von vier Jahren. Nun werden die Gefangenen unabhängig voneinander befragt. Es besteht weder vor noch während der Befragung die Möglichkeit für die beiden, sich untereinander abzusprechen.Paradox kann dieses Dilemma genannt werden, da die individuell vernünftigste Entscheidung der Gefangenen (gestehen) und die kollektiv vernünftigste Entscheidung (schweigen) auseinanderfallen. Eine eindeutige verbindliche Handlungsanweisung kann nicht ohne Weiteres angegeben werden.In einer Auszahlungsmatrix eingetragen, ergibt sich folgendes Bild:
B schweigt (kooperiert mit A) B gesteht (verrät A)
A schweigt (kooperiert mit B) A:−2 / B:−2 A:−5 / B:0
A gesteht (verrät B) A:0 / B:−5 A:−4 / B:−4
Ergebnisse:•0...„temptation” – Belohnung für einseitigen Verrat (Freiheit)•−2...„reward” – Belohnung für Kooperation von A und B (nur zwei Jahre Strafe)•−4...„punishment” – Bestrafung für gegenseitigen Verrat (vier Jahre Strafe)•−5...„sucker's payoff” – Bestrafung für getäuschtes Vertrauen
Es ist nicht rational, sich nutzenmaximierend zu verhalten
oderInnerer Konflikt der ökonomischer Rationalität
(Dilemma)b) Konflikt zwischen individueller Rationalität und
ethischer Vernunft
© Melchior, 2006 - 10 -
Homanns InstitutionenethikKein Widerspruch zwischen Moral (Ethik) und Wettbewerb (Ökonomik):
Ethik ohne Ökonomik ist leer, Ökonomik ohne Ethik ist blind.
Ordnungsethik: Normen für Institutionen
(„Rahmenbedingungen“)
Ökonomik (Volks- und Betriebswirtschaft):System optimaler
Allokation
Handlungsethik = richtiges Handeln
Ziel: „Anreizkompatible Implementierbarkeit von Regeln“
„Ethik muss in Vorteilen begründet werden“
Ordnungsethik und Handlungsethik
Implementierung
bieten Vorteile
Wir müssen moralische Normen finden, die auf Dauer individuelle Vorteile bieten.
werden wegen Vorteilen angewendet
© Melchior, 2006 - 11 -
Modelle im Überblick
„Planwirtschaft“ (Marx)
Soziale Marktwirtschaft (Eucken)
Klassisch-liberale (Smith, Bentham) und Neoliberale Ansätze (Friedman, Henckel)
Dualistische Ansätze (Katholische Soziallehre)
Institutionenethik(Homann)
Gesellschaftliche Steuerung
(staatliche Planung)
Freie Selbstregulierung
des Marktes(Laissez–faire: freier
Wettbewerb)
Ethische Regulierung
(Moral, Sittlichkeit,
Verantwortung)
Theorie der Gerechtigkeit (Rawls)
Keynsianismus
© Melchior, 2006 - 12 -
Danke für Ihre Aufmerksamkeit !
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