ambulante suchtrehabilitation im höheren lebensalter. heidelberger... · möglich und effektiv....
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Ambulante Suchtrehabilitation im höheren Lebensalter
Dr. med. David V. Steffen
IΛNVΛ Gesellschaft für Prävention und Sozialtherapie mbHSteffen DV, Werle L, Steffen R, Steffen S: Ambulante Suchtrehabilitation im höheren Lebensalter.
Rehabilitation 2012, 51 (5), S. 623‐631
FragestellungAmbl. Suchtrehabilitation im höheren Lebensalter
Dr. med. D. V. Steffen
IΛNVΛ Gesellschaft für Prävention und Sozialtherapie mbH
• Der ist doch alt und stirbt schnell – das schont die Rentenkasse!
• Der will sich ja eh nicht mehr verändern, weil er ja schon seit 30 Jahren trinkt.
• Jetzt ist er ja eh in Rente, was soll dann eine Reha bringen?
• Der ist ja schon dement!
• Der trinkt doch nur 3‐4 Bier! (à 0,33l = 0,99‐1,32l)
• Frau und Kinder sind auch schon weggelaufen!
• Älterer Suchtkranker – da hilft eh keine Therapie und der fühlt sich bei den „Jungen“ auch nicht wohl!
Meinungen professioneller „Suchthelfer“Aussagen rund um die Tübinger Suchttherapietage 2013
„Nach der Aussage des beurteilenden MDK‐Arztes liegen die Voraussetzungen für die Verlängerung der Maßnahme nicht vor. Er schlägt als Alternative eine Weiterführung ambulanter Therapiemaßnahmen am Wohnort oder in Wohnortnähe vor, wie die psychiatrische Mitbehandlung, das Umsetzen des Erlernten in den Alltag, Alkoholkarenz sowie die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe.“
Meinungen der KrankenkassenMDK‐Stellungnahmen
„Aus sozialmedizinischer Sicht wird bei dem 73‐jährigen Versicherten keine weitere medizinische Notwendigkeit gesehen. Eine Anbindung an eine Selbsthilfegruppe erscheint ausreichend.“
• Wahrnehmungs‐/Kognitionskompetenz
• Umweltkompetenz
• Alltagskompetenz
• Bewältigungskompetenz
Erhöhte Morbidität (z. B. „Demenz“ unter
Benzodiazepinen), erhöhte Mortalität (z. B. 15fach erhöhtes Suizidrisiko), soziale Funktionsstörungen, deutlich erhöhte Gesundheits‐ und Pflegekosten
Abhängigkeitserkrankungen im höheren Lebensalter führen zu Abnahme der
Beutel & Baumann: Rehabilitation suchtkranker älterer Patienten. Suchttherapie 2002; 1: 155‐162
Hypothesen1.) Die ambulante Suchtrehabilitation bei älteren
Rehabilitanden in „gemischten“ Gruppen ist möglich und effektiv.
2.) Die ambulante Suchtrehabilitation bei älteren Rehabilitanden ist effektiver als bei jüngeren.
3.) Kompetenzdefizite können durch die ambulante Suchtrehabilitation signifikant reduziert werden.
4.) „Arbeitslosigkeit“, „alleinstehend“ sind Risikofaktoren, aber keine negativen Prädiktoren1.
5.) Der Rehabilitationserfolg (Abstinenz) ist abhängig von der erbrachten Leistungsanzahl und der fortgesetzten Auseinandersetzung mit der Sucht1.
1 Steffen et al.: Nachhaltigkeit einer ambulanten psychoanalytisch‐interaktionellen Suchtrehabilitation. Fortschritte der Neurologie und Psychiatrie 2012, 80 (7), S. 394‐401
StudiendesignAmbl. Suchtrehabilitation im höheren Lebensalter
Dr. med. D. V. Steffen
IΛNVΛ Gesellschaft für Prävention und Sozialtherapie mbH
Studiendesign• Einschlusskriterien:
Berufsbegleitend ambulante Suchtrehabilitation in 2007‐2009 bei Ianua G. P. S. mbH, Saarlouis
Suchtdiagnose F10‐19 (ICD‐10 GM in jeweils aktueller Fassung)
• Studienprotokoll:
Prospektive Fall‐Kontroll‐Studie (keine Randomisierung oder Verblindung)
Deutscher Kerndatensatz Sucht / Katamnese Sucht (12 Monate)
MMPI2, GT, Benton, d2, WIP
Verum‐Gruppe >60 Jahre: n=40
Kontrollgruppe (matched pairs): n=122
(Berufsbegleitend) ambulante Suchtrehabilitation nach integrativer Entzugs‐ und OrientierungsphaseAmbl. Suchtrehabilitation im höheren Lebensalter
Dr. med. D. V. Steffen
IΛNVΛ Gesellschaft für Prävention und Sozialtherapie mbH
Behandlung im Studienprotokoll(= Regelbehandlung bei Ianua G. P. S. mbH)
6‐10 Wochen6‐10 Wochen Durchschnittlich 12 MonateDurchschnittlich 12 Monate
Berufsbegleitend ambulante Suchtrehabilitation
‐Wöchentlich 2x100 min. Rehabilitationsgruppe
‐ Regelmäßige 60 min. Einzelgespräche beim Bezugstherapeuten
‐ Krisenintervention, Angehörigenarbeit (Einzel‐ und Gruppenkontakt)
‐ Indikative Gruppen
‐ Ärztliche Visiten und kontinuierliche sozialmedizinische Betreuung
Insgesamt 80+8 bis 120+12 Leistungen
Insgesamt ca. 150±20 therapeutische/ärztliche Kontakte bei Regelbehandlung
Stichprobenbeschreibungund MatchingAmbl. Suchtrehabilitation im höheren Lebensalter
Dr. med. D. V. Steffen
IΛNVΛ Gesellschaft für Prävention und Sozialtherapie mbH
• Geschlecht
• Sozial‐/Erwerbsstatus (berentet = erwerbstätig?!)
• Abhängigkeitsdiagnosen
• Persönlichkeitsmerkmale
• Krankheitsschwere
• Komorbidität (Leberzirrhose etc.), auch psychiatrisch
• Negative vs. positive „Prädiktoren“
Matchingkriterien
Patientenmerkmale I
Medikamenten‐abhängigkeit
V: eine Substanz K: multiple Substanzen
Medikamenten‐abhängigkeit
V: eine Substanz K: multiple Substanzen
Patientenmerkmale II
MMPI2 ‐Matchingergebnis
Keine signifikanten Unterschiede, p>0,05
Behandlungsergebnisse und AbstinenzAmbl. Suchtrehabilitation im höheren Lebensalter
Dr. med. D. V. Steffen
IΛNVΛ Gesellschaft für Prävention und Sozialtherapie mbH
Abstinenz in der Einjahreskatamnese
>60 Jahre(n=40)
<60 Jahre ‐matched pairs(n=122)
DGSS2 DGSS4 DGSS2 DGSS4 Signifikanz
Katamn. Abstinenzquote 77,3% 67,5% 73,3% 59,8% p>0,05
Abstinent 66,7% 57,5% 62,8% 45,1% p>0,05
Abstinent nach Rückfall (3 M) 11,1% 10,0% 10,5% 14,8% p>0,05
Rückfällig, inkl. per Definition 22,2% 32,5% 26,7% 40,2% p>0,05
Katamn. Erreichungsquote 81,5% 75,0% 75,6% 62,3% p>0,05
- Berechnungsform DGSS 2: alle planmäßig entlassenen Rehabilitanden
- Berechnungsform DGSS 4: alle im Bezugszeitraum (im Original:
Bezugsjahr) entlassenen Rehabilitanden
Veränderungen im MMPI2
MMPI2‐Item Zeit‐punkt Mittelwert Differenz Sign.
Depressiont1 59,7±13,9
‐ 5,0±10,7 p<0,05t2 54,7±10,5
Hysterie und Konversionssymptome
t1 56,9±10,9‐ 6,1±9,1 p<0,01
t2 50,8±8,5
Psychastheniet1 55,9±13,8
‐ 4,7±10,9 p<0,05t2 51,2±9,2
Soziale Introversiont1 53,6±12,5
‐ 2,9±5,8 p<0,05t2 50,6±8,1
Manifeste Suchtt1 61,2±9,1
‐ 5,4±9,4 p<0,01t2 55,7±7,8
t1 = Rehabilitationsbeginn
t2 = Rehabilitationsende (planmäßig & unplanmäßig)
Veränderungen in der Leistungstestung
Leistungstestungen Zeit‐punkt Mittelwert Differenz Sign.
d2 – Gesamtleistungt1 289,9±73,7
+ 25,7 p<0,05t2 315,6±12,8
d2 – normierte Gesamtleistung
t1 94,8±9,1+ 3,1 p<0,05
t2 97,9±8,9
WIP – allg. Wissen [norm. T‐Werte]
t1 58,0±8,6+ 3,3 p<0,05
t2 61,3±7,9
Benton‐Test Richtige Lösungen [IQ]
t1 88,2±21,5+ 10,9 p<0,01
t2 99,1±23,8
Benton‐Test Falsche Lösungen [IQ]
t1 84,3±23,9+ 15,0 p<0,01
t2 99,3±22,7
Wahrnehmungs‐ und KognitionskompetenzWahrnehmungs‐ und Kognitionskompetenz
UmweltkompetenzAlltagskompetenzBewältigungs‐kompetenz
UmweltkompetenzAlltagskompetenzBewältigungs‐kompetenz
Kompetenzdefizite Abhängiger im Alter nach Beutel & Baumann Suchttherapie 2000; 1: 155‐162 Eskalation der Morbidität und Mortalität, aber auch sozialer Funktionsdefizite
t1 = Rehabilitationsbeginn
t2 = Rehabilitationsende (planmäßig & unplanmäßig)
Was hat Einfluss auf das Behandlungsergebnis?
Variable Stand. Koeffizient ß Signifikanz
Selbsthilfegruppenbesuch nach Rehabilitationsende + 0,734 p<0,001
Regression:
R 0,910, R2 0,829
ANOVA: F 3,329p < 0,05
MMPI2 Hypochondrie (hohe Werte) + 0,577 p<0,05
Anzahl der Gruppenkontakte + 0,517 p<0,05
d2 (norm. Gesamtleistung am Rehaende, hohe Werte) + 0,499 p<0,05
MMPI2 Soziale Introversion (hohe Werte) + 0,430 p<0,05
Behandlungsdauer + 0,449 p>0,05
Reguläre Beendigung + 0,371 p>0,05
Familienstand („stabil“) + 0,156 p>0,05
Abhängigkeitsdauer ‐ 0,135 p>0,05
Problematische Schulden >10.000€ ‐ 0,370 p>0,05
Arbeitslosigkeit ‐ 0,378 p>0,05
Binär logistische Regressionsanalyse, Multivariate Varianzanalyse zur Variablenreduktion und Clusterbildung
Nachhaltige Auseinander‐setzung mit der
Sucht 1)
Nachhaltige Auseinander‐setzung mit der
Sucht 1)
DosiseffektDosiseffekt
Ausgeprägtes Erleben von
Einschränkungen
Ausgeprägtes Erleben von
Einschränkungen
„Vereinsamung“zu Beginn als Motivator
„Vereinsamung“zu Beginn als Motivator
Erhaltene frontale Plastizität
Erhaltene frontale Plastizität
1 Steffen et al.: Nachhaltigkeit einer ambulanten psychoanalytisch‐interaktionellen Suchtrehabilitation. Fortschritte der Neurologie und Psychiatrie 2012, 80 (7), S. 394‐401
HypothesenprüfungSuchtrehabilitation im höheren Lebensalter
Dr. med. D. V. Steffen
IΛNVΛ Gesellschaft für Prävention und Sozialtherapie mbH
Hypothesen1.) Die ambulante Suchtrehabilitation bei älteren
Rehabilitanden in „gemischten“ Gruppen ist möglich und effektiv.
2.) Die ambulante Suchtrehabilitation bei älteren Rehabilitanden ist effektiver als bei Jüngeren.
3.) Kompetenzdefizite können durch die ambulante Suchtrehabilitation signifikant reduziert werden.
4.) „Arbeitslosigkeit“, „alleinstehend“ sind Risikofaktoren, aber keine negativen Prädiktoren1.
5.) Der Rehabilitationserfolg (Abstinenz) ist abhängig von der erbrachten Leistungsanzahl und der fortgesetzten Auseinandersetzung mit der Sucht1.
1 Steffen et al.: Nachhaltigkeit einer ambulanten psychoanalytisch‐interaktionellen Suchtrehabilitation. Fortschritte der Neurologie und Psychiatrie 2012, 80 (7), S. 394‐401
Zeit zur DiskussionSuchtrehabilitation im höheren Lebensalter
Dr. med. D. V. Steffen
IΛNVΛ Gesellschaft für Prävention und Sozialtherapie mbH
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