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Analysis PVK 2019 1 © Crameri/Grass
Analysis PVK
Fabio Crameri
facramer@student.ethz.ch
Analysis PVK 2019 2 © Crameri/Grass
Vorwort
Dieses Skript dient der Wiederholung des Stoffes von Analysis I/II für D-MAVT/D-MATL. Leider kann
ich weder für die Vollständigkeit noch für die Korrektheit der Inhalte garantieren. Es können sich
kleine Fehler eingeschlichen haben. Ich bin froh um jede Rückmeldung zu Fehlern, so dass ich
diese korrigieren kann. Auch über Verbesserungsvorschläge würde ich mich freuen.
Ich wünsche euch einen guten PVK und viel Erfolg bei der Prüfung!
Sommer 2019
Fabio Crameri facramer@student.ethz.ch
Analysis PVK 2019 3 © Crameri/Grass
Inhaltsverzeichnis
1 Folgen und Reihen ................................................................................................................................. 7
1.1 Folgen ............................................................................................................................................... 7
Definition einer Folge ................................................................................................................ 7
Monotonie .................................................................................................................................. 7
Beschränktheit ........................................................................................................................... 7
Sätze ............................................................................................................................................ 7
1.2 Grenzwerte von Folgen berechnen ........................................................................................... 8
Regeln ......................................................................................................................................... 8
Bei Brüchen: Durch die grösste Potenz des Nenners teilen ............................................... 8
Bei Wurzeln: erweitern .............................................................................................................. 8
1.3 Reihen ............................................................................................................................................... 9
Arithmetische Folge und Reihe .............................................................................................. 9
Geometrische Folge und Reihe ............................................................................................. 9
Weitere nützliche Summen ................................................................................................... 10
2 Vollständige Induktion ........................................................................................................................ 11
2.1 Vorgehen ...................................................................................................................................... 11
2.2 Beispiele ......................................................................................................................................... 11
Beispiel: Summenformel beweisen ..................................................................................... 11
Beispiel: Teilbarkeit ................................................................................................................. 11
Beispiel: Ungleichung ............................................................................................................ 12
3 Grenzwerte von Funktionen ............................................................................................................... 13
3.1 Regeln ............................................................................................................................................ 13
3.2 Regel von Bernoulli-De-L’Hôpital .............................................................................................. 13
3.3 Einige wichtige Grenzwerte ....................................................................................................... 13
3.4 Grenzwerte berechnen .............................................................................................................. 14
Bei Brüchen: Durch die grösste Potenz des Nenners teilen ............................................ 15
Bei sin/cos ................................................................................................................................ 15
Bei Wurzeln: erweitern ........................................................................................................... 15
Bei Brüchen: Ausklammern und kürzen .............................................................................. 15
Fast immer anwendbar: l’Hôpital........................................................................................ 16
Links-Rechts Grenzwerte und Betragsstriche .................................................................... 16
4 Differentialrechnung ............................................................................................................................ 17
4.1 Ableitungsregeln .......................................................................................................................... 17
4.2 Linearisieren .................................................................................................................................. 17
4.3 Fehlerrechnung ............................................................................................................................ 18
Analysis PVK 2019 4 © Crameri/Grass
5 Parameterdarstellung von Kurven ..................................................................................................... 19
5.1 Einige wichtige Kurven ............................................................................................................... 19
5.2 Steigung, Tangentialvektor, Normalenvektor ........................................................................ 20
5.3 Parametrisierung nach der Bogenlänge ................................................................................ 21
5.4 Krümmung, Krümmungskreis, Evolute ...................................................................................... 23
6 Mehrdimensionale Differentialrechnung .......................................................................................... 24
6.1 Funktionen von mehreren Variablen ....................................................................................... 24
2D .............................................................................................................................................. 24
3D .............................................................................................................................................. 24
Niveaulinien ............................................................................................................................. 24
Niveauflächen ........................................................................................................................ 24
6.2 Partielle Ableitungen................................................................................................................... 24
6.3 Satz von Schwarz & Integrabilitätsbedingung ....................................................................... 25
6.4 Gradient & Richtungsableitung ................................................................................................ 25
6.5 Tangentialebenen ....................................................................................................................... 26
Grundsätzliches zu Ebenen (Hessesche Normalform) .................................................... 26
Tangentialebene .................................................................................................................... 26
1. Methode: Mit der Formel (Linearisieren) ........................................................................ 26
2. Methode: Mit dem Gradienten ...................................................................................... 27
6.6 Extremalstellen bei Funktionen mehrerer Variablen ............................................................. 28
6.7 Fehlerrechnung ............................................................................................................................ 29
7 Integrieren ............................................................................................................................................ 30
7.1 Regeln ............................................................................................................................................ 30
7.2 Einige wichtige Integrale............................................................................................................ 30
7.3 Partielle Integration ..................................................................................................................... 30
7.4 Integration durch Substitution ................................................................................................... 31
7.5 Integration von gebrochenrationalen Funktionen ............................................................... 34
Partialbruchzerlegung ........................................................................................................... 34
7.6 Bestimmte Integrale von 𝑠𝑖𝑛𝑛 und 𝑐𝑜𝑠𝑛 ................................................................................... 38
7.7 Bestimmte Integrale von geraden und ungeraden Funktionen ........................................ 39
7.8 Ableitungen von Integralen ...................................................................................................... 39
7.9 Uneigentliche Integrale .............................................................................................................. 39
8 Mehrdimensionale Integralrechnung ............................................................................................... 41
8.1 Allgemeines .................................................................................................................................. 41
8.2 Integrationsgrenzen finden und Reihenfolge vertauschen ................................................ 41
8.3 Koordinatentransformationen ................................................................................................... 42
9 Anwendungen der Integralrechnung ............................................................................................... 44
Analysis PVK 2019 5 © Crameri/Grass
9.1 Bogenlänge .................................................................................................................................. 44
9.2 Fläche ............................................................................................................................................ 44
9.3 Volumen ........................................................................................................................................ 46
9.4 Masseschwerpunkt ...................................................................................................................... 47
9.5 Volumenschwerpunkt ................................................................................................................. 48
9.6 Flächenschwerpunkt................................................................................................................... 48
9.7 Massenträgheitsmomente ......................................................................................................... 49
9.8 Flächenträgheitsmomente ........................................................................................................ 49
9.9 Trägheitsmomente eindimensionaler Körper (Stäbe) .......................................................... 49
10 Vektoranalysis ...................................................................................................................................... 50
10.1 Begriffe ........................................................................................................................................... 50
10.2 Übersicht und Identitäten .......................................................................................................... 51
10.3 Fluss ................................................................................................................................................. 51
10.4 Satz von Gauss ............................................................................................................................. 52
10.5 Arbeit .............................................................................................................................................. 52
10.6 Satz von Stokes ............................................................................................................................. 53
10.7 Potentialfelder .............................................................................................................................. 54
10.8 Das Arbeits-Berechnen Flowchart ............................................................................................ 55
11 Komplexe Zahlen ................................................................................................................................. 56
11.1 Allgemeines .................................................................................................................................. 56
Definition .................................................................................................................................. 56
Darstellungsformen ................................................................................................................ 56
Umrechnungen ....................................................................................................................... 56
Konjugiert Komplexe.............................................................................................................. 57
11.2 Rechenarten................................................................................................................................. 57
Addition/Subtraktion ............................................................................................................. 57
Multiplikation ........................................................................................................................... 57
Division ...................................................................................................................................... 58
Potenzieren .............................................................................................................................. 58
Wurzelziehen ........................................................................................................................... 59
11.3 Quadratische Gleichungen ...................................................................................................... 60
11.4 Polynome höherer Ordnung ..................................................................................................... 60
11.5 Zusammenhang zu Sin und Cos ............................................................................................... 61
12 Potenzreihen ......................................................................................................................................... 62
12.1 Allgemeines .................................................................................................................................. 62
12.2 Rechenregeln ............................................................................................................................... 62
12.3 Konvergenz ................................................................................................................................... 62
Analysis PVK 2019 6 © Crameri/Grass
12.4 Methoden um Koeffizienten zu finden .................................................................................... 63
Taylorreihenentwicklung ....................................................................................................... 63
Ausmultiplizieren und Koeffizientenvergleich ................................................................... 64
Aus bekannten Reihen aus Tabelle umformen ................................................................ 65
Verallgemeinerter Binomialkoeffizient ............................................................................... 65
Partialbruchzerlegung ........................................................................................................... 66
Zuerst Integral oder Ableitung entwickeln ........................................................................ 66
12.5 Potenzreihenansatz für Differentialgleichungen ................................................................... 66
12.6 Tabelle ........................................................................................................................................... 67
13 Differentialgleichungen ...................................................................................................................... 68
13.1 Definitionen ................................................................................................................................... 68
13.2 Allgemeine Eigenschaften von DGL ........................................................................................ 68
Lineare DGL ............................................................................................................................. 68
13.3 DGL 1. Ordnung – Homogene Lösung .................................................................................... 69
Separation der Variablen ..................................................................................................... 69
Substitutionen .......................................................................................................................... 70
13.4 DGL 1. Ordnung – Partikuläre Lösung ...................................................................................... 70
𝒚𝒑 mittels Ansatz ..................................................................................................................... 71
Variation der Konstanten ...................................................................................................... 72
13.5 Exakte DGL .................................................................................................................................... 72
13.6 Orthogonaltrajektorien ............................................................................................................... 72
13.7 Enveloppen................................................................................................................................... 73
13.8 DGL höherer Ordnung – Homogene Lösung ......................................................................... 74
DGL mit konstanten Koeffizienten ....................................................................................... 74
Euler-differentialgleichungen............................................................................................... 74
13.9 DGL höherer Ordnung – partikuläre Lösung .......................................................................... 75
𝒚𝒑 mittels Ansatz ..................................................................................................................... 75
Variation der Konstanten 2. Ordnung ................................................................................ 76
14 Systeme von Differentialgleichungen ............................................................................................... 77
14.1 Methode 1: „Entkopplungsmethode“ („Linalg-Methode“) ............................................... 77
Beispiele DGL-Systeme mit Linalg-Methode (Nur wenn A diagonalisierbar) ............. 78
14.2 Methode 2: „Eliminationsmethode“ ........................................................................................ 79
Beispiel DGL-Systeme mit Entkopplungsmethode ............ Error! Bookmark not defined.
14.3 Stabilität und Gleichgewicht..................................................................................................... 81
14.4 Phasenportrait .............................................................................................................................. 81
Analysis PVK 2019 7 © Crameri/Grass
1 Folgen und Reihen
1.1 Folgen
Definition einer Folge
Eine Folge ist eine Abbildung von den natürlichen Zahlen ℕ auf die reellen Zahlen ℝ .
𝑎𝑛 bezeichnet man als das n-te Glied der Folge.
Eine Folge kann explizit oder rekursiv definiert werden:
Explizit: 𝑎𝑛 = 2𝑛 + 1 (𝑛 = 1, 2, 3, … )
Die gleiche Folge rekursiv: 𝑎1 = 3; 𝑎𝑛+1 = 𝑎𝑛 + 2 oder auch 𝑎𝑛 = 𝑎𝑛−1 + 2
Monotonie
Eine Folge heisst monoton wachsend, wenn die Glieder immer grösser werden, oder gleich
bleiben: 𝑎𝑛+1 ≥ 𝑎𝑛
Eine Folge heisst strikt monoton wachsend, wenn die Glieder immer grösser werden: 𝑎𝑛+1 > 𝑎𝑛
Analog dazu monoton fallend: 𝑎𝑛+1 ≤ 𝑎𝑛
Und strikt monoton fallend: 𝑎𝑛+1 < 𝑎𝑛
Beschränktheit
Eine Folge heisst nach oben/unten beschränkt, wenn alle Glieder 𝑎𝑛 (für alle n) nicht
oberhalb/unterhalb eines bestimmten Wertes liegen. Nach oben beschränkt ist gleichbedeutend
damit, dass die Folge nicht nach +∞ divergiert d.h. 𝑎∞ <∞ . Analog bedeutet nach unten
beschränkt, dass die Folge nicht nach −∞ divergiert 𝑎∞ > −∞.
Falls der Grenzwert lim𝑛→∞
𝑎𝑛 = 𝐿 existiert, so sagt man, die Folge konvergiert gegen den Grenzwert 𝐿.
Ist dieser Grenzwert 𝐿 = 0 so heisst die Folge eine Nullfolge.
Sätze
Eine konvergente Folge ist immer auch beschränkt (nach oben und nach unten).
Ist eine Folge beschränkt und monoton steigend oder fallend, so ist sie immer auch
konvergent.
Eine konvergente Folge ist nicht unbedingt monoton steigend/fallend.
Beispiel dazu: eine Folge kann sich z.B. alternierend von beiden Seiten dem
Grenzwert annähern. Beispielsweise ist 𝑎𝑛 = (−1)𝑛 ·
1
𝑛 eine Nullfolge (konvergiert also
gegen den Grenzwert 0); sie ist aber nicht monoton.
Zieht man von einer konvergenten Folge von jedem Glied den Grenzwert 𝐿 ab, so ist die
neu entstehende Folge eine Nullfolge.
Eine nicht beschränkte Folge ist immer divergent d.h. ihr Grenzwert ist ±∞. Umgekehrt ist
aber nicht jede divergente Folge nicht beschränkt (z.B. 𝑎𝑛 = (−1)𝑛 divergiert, ist aber
beschränkt).
Analysis PVK 2019 8 © Crameri/Grass
1.2 Grenzwerte von Folgen berechnen
Regeln
Falls die jeweiligen Grenzwerte lim𝑛→∞
𝑎𝑛 und lim𝑛→∞
𝑏𝑛 existieren, d.h. nicht divergieren, so gelten
folgende Rechenregeln:
Summe lim𝑛→∞
(𝑎𝑛 + 𝑏𝑛) = lim𝑛→∞
𝑎𝑛 + lim𝑛→∞
𝑏𝑛
konstanter Faktor lim𝑛→∞
(𝑐 · 𝑎𝑛) = 𝑐 · lim𝑛→∞
𝑎𝑛
Produkt lim𝑛→∞
(𝑎𝑛 · 𝑏𝑛) = lim𝑛→∞
𝑎𝑛 · lim𝑛→∞
𝑏𝑛
Quotient lim𝑛→∞
(𝑎𝑛
𝑏𝑛) =
lim𝑛→∞
𝑎𝑛
lim𝑛→∞
𝑏𝑛
Bei Brüchen: Durch die grösste Potenz des Nenners teilen
Dieses Vorgehen ist sinnvoll wenn man lim𝑛→∞
von Brüchen berechnen will.
𝑙𝑖𝑚𝑛→∞
7𝑛2 + 5
2𝑛3= 𝑙𝑖𝑚
𝑛→∞
7𝑛2
𝑛3+5𝑛3
2𝑛3
𝑛3
=0 + 0
2= 0
𝑙𝑖𝑚𝑛→∞
7𝑛3 + 5
2𝑛3= 𝑙𝑖𝑚
𝑥→∞
7𝑛3
𝑛3+5𝑛3
2𝑛3
𝑛3
=7 + 0
2=7
2
Bei Wurzeln: erweitern
Diese Methode ist oft hilfreich bei Termen mit Wurzeln. Der Trick besteht darin einen Bruch so zu
erweitern dass man die 3. Binomische Formel (𝑎 − 𝑏)(𝑎 + 𝑏) = 𝑎2 − 𝑏2 anwenden kann.
Beispiel:
𝑙𝑖𝑚𝑛→∞
𝑛(√1 +1
𝑛− 1) =?
Wenn man hier 𝑛 = ∞ einsetzt, kriegt man ∞ ∙ 0 raus, was nicht definiert ist. Darum muss man zuerst
ein wenig umformen, bevor man 𝑛 = ∞ einsetzen kann.
𝑙𝑖𝑚𝑛→∞
𝑛(√1 +1
𝑛− 1) = 𝑙𝑖𝑚
𝑛→∞𝑛(√1 +
1
𝑛− 1) ∙
(√1 +1𝑛+ 1)
(√1 +1𝑛+ 1)
= 𝑙𝑖𝑚𝑛→∞
𝑛 (1 +1𝑛− 1)
√1 +1𝑛+ 1
= 𝑙𝑖𝑚𝑛→∞
1
√1 +1𝑛+ 1
Jetzt kann man 𝑛 = ∞ einsetzen und erhält
1
√1 + 0 + 1=1
2
Analysis PVK 2019 9 © Crameri/Grass
1.3 Reihen
Eine Reihe ist eine Folge deren Glieder 𝑠𝑛 als Summen der ersten 𝑛 Glieder 𝑎𝑛 einer anderen Folge
gegeben sind. Also 𝑠𝑛 = ∑ 𝑎𝑛𝑘=𝑛𝑘=1 . Je nach Definition ist es auch möglich, dass die Summe bei 𝑘 = 0
anfängt.
Arithmetische Folge und Reihe
Zur arithmetischen Folge 𝑎𝑛 = 𝑎1 + (𝑛 − 1) 𝑑 Gehört die Reihe
𝑠𝑛 =∑𝑎1 + (𝑘 − 1) 𝑑
𝑛
𝑘=1
= 𝑛𝑎1 +𝑛(𝑛 − 1)
2𝑑 =
𝑎1 + 𝑎𝑛2
𝑛
Beispiel:
∑3𝑘
5
𝑘=2
=?
Hier könnte man jetzt ganz einfach 6 + 9 + 12 + 15 = 42 ausrechen. Wäre die Summe aber länger,
wäre dies sehr rechenaufwendig. In diesem Fall bietet es sich dann an, die Summe mittels obiger
Formeln auszurechnen. Man kann dazu z.B. die folgende Umformung machen:
∑3𝑘
5
𝑘=2
= 6 + 9 + 12 + 15 = ∑ 6⏟=𝑎1
4 }=𝑛
𝑘=1
+ (𝑘 − 1) · 3⏟=𝑑
Benutzt man jetzt die erste Formel von oben (𝑠𝑛 = 𝑛𝑎1 +𝑛(𝑛−1)
2𝑑) so erhält man:
∑3𝑘
5
𝑘=2
= 4 · 6 +4(4 − 1)
23 = 42
Alternativ kann man auch die zweite Formel von oben verwenden (d.h. 𝑠𝑛 =𝑎1+𝑎𝑛
2𝑛) damit folgt:
∑3𝑘
5
𝑘=2
=6 + 15
2· 4 = 42
Ein Spezialfall einer Arithmetischen Folge ist die Folge der natürlichen Zahlen.
∑𝑘
𝑛
𝑘=1
= 1 + 2 +⋯+ 𝑛 =𝑛(𝑛 + 1)
2
Geometrische Folge und Reihe
Zur geometrischen Folge 𝑎𝑛 = 𝑎1𝑞𝑛−1 gehört die Reihe
𝑠𝑛 =∑𝑎1𝑞𝑘−1
𝑛
𝑘=1
= 𝑎1(1 − 𝑞𝑛)
1 − 𝑞
Falls |𝑞| < 1 ist, dann konvergiert auch die unendliche Reihe: (𝑞∞ wird dann 0)
𝑠∞ = 𝑙𝑖𝑚𝑛→∞
𝑠𝑛 =∑𝑎1𝑞𝑘−1
∞
𝑘=1
= 𝑎11
1 − 𝑞 (𝑓ü𝑟 |𝑞| < 1)
Analysis PVK 2019 10 © Crameri/Grass
Beispiel:
Für 𝑎1 = 24 und 𝑞 =1
2 erhalten wir
𝑎𝑛 = 24 · (1
2)𝑛−1
𝑎1 = 24, 𝑎2 = 12, 𝑎3 = 6, 𝑎4 = 3…
𝑠4 = 24 + 12 + 6 + 3 = 24 ·1 − (
12)4
1 −12
= 45
𝑠∞ = 24 ·1
1 −12
= 48
Weitere nützliche Summen
∑𝑘2𝑛
𝑘=1
= 12 + 22 +⋯+ 𝑛2 =𝑛(𝑛 + 1)(2𝑛 + 1)
6
∑𝑘3𝑛
𝑘=1
= 13 + 𝑛3 +⋯+ 𝑛3 = (𝑛(𝑛 + 1)
2)
2
= (∑𝑘
𝑛
𝑘=1
)
2
Analysis PVK 2019 11 © Crameri/Grass
2 Vollständige Induktion
Die vollständige Induktion ist eine Beweismethode, um eine für alle natürlichen Zahlen formulierte
Aussage zu beweisen.
2.1 Vorgehen
1. Induktionsanfang: Zeige, dass die Aussage zu Beginn erfüllt ist, meist für 𝑛 = 0 oder 𝑛 = 1.
2. Induktionsschritt: Man nimmt an, dass die Aussage für irgendein 𝑛 ∈ ℕ erfüllt ist und zeige
mit dieser Annahme, dass die Behauptung dann auch für 𝑛 + 1 gilt.
Sind diese zwei Beweise erbracht, gilt die Aussage folglich für alle 𝑛.
2.2 Beispiele
Beispiel: Summenformel beweisen
Zu zeigen ist, dass für alle 𝑛 ∈ ℕ gilt, dass:
∑(2𝑘 − 1)
𝑛
𝑘=1
= 𝑛2
1. Induktionsanfang
Für 𝑛 = 1 ergibt die linke Seite: ∑ (2𝑘 − 1)1𝑘=1 = 2 · 1 − 1 = 1 und die rechte Seite 12 = 1 .
Die Aussage gilt somit für 𝑛 = 1.
2. Induktionsschritt
Man nimmt an, die Aussage ∑ (2𝑘 − 1)𝑛𝑘=1 = 𝑛2 gilt. Man muss nun damit zeigen dass dann
auch gilt ∑ (2𝑘 − 1)𝑛+1𝑘=1 = (𝑛 + 1)2.
Bei solchen Induktionsbeweisen beweisen mit Summenformeln schreibt man nun die neue
Summe ∑𝑛+1𝑘=1 mit Hilfe der alten Summe ∑𝑛𝑘=1 plus das (𝑛 + 1)-te Glied. Danach formt man
so um, dass die zu zeigende Gleichung resultiert:
∑(2𝑘 − 1)
𝑛+1
𝑘=1
= ∑(2𝑘 − 1)
𝑛
𝑘=1⏟ =𝑛2 (𝑙𝑎𝑢𝑡 𝐴𝑛𝑛𝑎ℎ𝑚𝑒)
+ (2(𝑛 + 1) − 1) = 𝑛2 + (2(𝑛 + 1) − 1) = 𝑛2 + 2𝑛 + 1 = (𝑛 + 1)2
Damit ist der Induktionsbeweis erbracht.
Beispiel: Teilbarkeit
Folgende Aussage ist durch Induktion zu zeigen: 32𝑛+4 − 2𝑛−1 ist durch 7 teilbar. D.h wenn man
32𝑛+4 − 2𝑛−1 durch 7 teilt, ist das Resultat eine natürliche Zahl.
1. Induktionsanfang
Für 𝑛 = 1 erhalten wir 32·1+4 − 21−1 = 728 und 728 ÷ 7 = 104. Somit gilt die Aussage für 𝑛 = 1.
Analysis PVK 2019 12 © Crameri/Grass
2. Induktionsschritt
Wir nehmen an dass 32𝑛+4 − 2𝑛−1 durch 7 teilbar ist. Damit gilt 32𝑛+4 − 2𝑛−1 = 7𝑚 für irgendein
𝑚 ∈ ℕ. Nun müssen wir zeigen, dass damit auch 32(𝑛+1)+4 − 2(𝑛+1)−1 durch 7 teilbar ist.
32(𝑛+1)+4 − 2(𝑛+1)−1 = 32𝑛+4 · 32 − 2𝑛
= (7𝑚 + 2𝑛−1) · 9 − 2𝑛
= 9 · 7𝑚 + 2𝑛−1(9 − 2)
= 7 · 9𝑚 + 2𝑛−1 · 7
= 7 · (9𝑚 + 2𝑛−1)⏟ ∈ℕ
Dieser Term ist wiederum durch 7 teilbar. Und damit ist der Induktionsbeweis fertig.
BEMERKUNG: diese Aufgaben sind meist etwas schwieriger, da man oft ein einige Tricky
Umformungen machen muss. Oft versucht man die Zahl, durch die man teilen soll irgendwie
auszuklammern.
Beispiel: Ungleichung
Zeige für alle 𝑛 ∈ ℕ ab 𝑛 ≥ 4 dass gilt: 𝑛! > 2𝑛
1. Induktionsanfang
Für 𝑛 = 4 erhalten wir 4! = 24 und 24 = 16 und weil 24 > 16 gilt die Aussage für 𝑛 = 4.
2. induktionsschritt
Wir nehmen an 𝑛! > 2𝑛 und müssen damit zeigen, dass (𝑛 + 1)! > 2𝑛+1
Dazu fangen wir links mal mit (𝑛 + 1)! an, versuchen dann nur > und = zu verwenden und
wollen schliesslich rechts 2𝑛+1 rauskriegen:
(𝑛 + 1)! = (𝑛 + 1) · 𝑛! >⏟𝐴𝑛𝑛𝑎ℎ𝑚𝑒:𝑛!>2𝑛
(𝑛 + 1) · 2𝑛 > 𝑛 · 2𝑛 >⏟𝑛≥4
2 ∙ 2𝑛 = 2𝑛+1
Damit ist die Ungleichung bewiesen.
Analysis PVK 2019 13 © Crameri/Grass
3 Grenzwerte von Funktionen
3.1 Regeln
Falls die jeweiligen Grenzwerte lim𝑥→𝑎
𝑓(𝑥) und lim𝑥→𝑎
𝑔(𝑥) existieren d.h. nicht divergieren, so gelten
folgende Rechenregeln:
Summe lim𝑥→𝑎
(𝑓(𝑥) + 𝑔(𝑥)) = lim𝑥→𝑎
𝑓(𝑥) + lim𝑥→𝑎
𝑔(𝑥)
konstanter Faktor lim𝑥→𝑎
(𝑐 · 𝑓(𝑥)) = 𝑐 · lim𝑥→𝑎
𝑓(𝑥)
Produkt lim𝑥→𝑎
(𝑓(𝑥) · 𝑔(𝑥)) = lim𝑥→𝑎
𝑓(𝑥) · lim𝑥→𝑎
𝑔(𝑥)
Quotient lim𝑥→𝑎
𝑓(𝑥)
𝑔(𝑥)=
lim𝑥→𝑎
𝑓(𝑥)
lim𝑥→𝑎
𝑔(𝑥)
3.2 Regel von Bernoulli-De-L’Hôpital
Falls lim𝑥→𝑎
𝑓(𝑥) = lim𝑥→𝑎
𝑔(𝑥) = 0 oder lim𝑥→𝑎
𝑓(𝑥) = ± lim𝑥→𝑎
𝑔(𝑥) = ±∞ dann gilt:
𝑙𝑖𝑚𝑥→𝑎
𝑓(𝑥)
𝑔(𝑥)= 𝑙𝑖𝑚
𝑥→𝑎
𝑓′(𝑥)
𝑔′(𝑥)
BEMERKUNG: Wenn nach Anwendung dieser Regel immer noch Zähler und Nenner beide gegen
Null, oder beide gegen ± unendlich streben, kann diese Regel auch mehrfach angewendet
werden.
ACHTUNG: Zähler und Nenner je separat ableiten. Keine Quotienten-Regel!
3.3 Einige wichtige Grenzwerte
Basics
𝑙𝑖𝑚𝑥→∞
𝑥 =∞; 𝑙𝑖𝑚𝑥→∞
1
𝑥= 0; 𝑙𝑖𝑚
𝑥→0+
1
𝑥=∞; 𝑙𝑖𝑚
𝑥→0−
1
𝑥= −∞
Trigonometrische
𝑙𝑖𝑚𝑥→0
𝑠𝑖𝑛 𝑥
𝑥= 𝑙𝑖𝑚
𝑥→0
𝑥
𝑠𝑖𝑛 𝑥= 1; 𝑙𝑖𝑚
𝑥→0
𝑠𝑖𝑛(𝑎𝑥)
𝑥= 𝑎 ; 𝑙𝑖𝑚
𝑥→0
𝑥
𝑠𝑖𝑛(𝑎𝑥)=1
𝑎; 𝑙𝑖𝑚
𝑥→0
𝑐𝑜𝑠(𝑥) − 1
𝑥= 0
Unterschiedlich schnell wachsende Funktionen
𝑙𝑖𝑚𝑥→∞
𝑒𝑚𝑥
𝑥𝑎 =∞ 𝑏𝑧𝑤. 𝑙𝑖𝑚
𝑥→∞
𝑎𝑎
𝑒𝑚𝑥= 0 (𝑒𝑥 𝑤ä𝑐ℎ𝑠𝑡 𝑠𝑐ℎ𝑛𝑒𝑙𝑙𝑒𝑟 𝑎𝑙𝑠 𝑗𝑒𝑑𝑒 𝑃𝑜𝑡𝑒𝑛𝑧) 𝑓ü𝑟 𝑎,𝑚 ∈ ℝ+
𝑙𝑖𝑚𝑥→∞
𝑙𝑛(𝑥)
𝑥𝑎= 0 𝑏𝑧𝑤. 𝑙𝑖𝑚
𝑥→∞
𝑥𝑎
𝑙𝑛(𝑥)=∞ (𝑙𝑛(𝑥)𝑤ä𝑐ℎ𝑠𝑡 𝑙𝑎𝑛𝑔𝑠𝑎𝑚𝑒𝑟 𝑎𝑙𝑠 𝑗𝑒𝑑𝑒 𝑃𝑜𝑡𝑒𝑛𝑧)
Analysis PVK 2019 14 © Crameri/Grass
𝑙𝑖𝑚𝑥→0
𝑥𝑎 · 𝑙𝑛(𝑥) = 0
Die Folgende Abbildung gibt eine Übersicht darüber, wie schnell unterschiedliche Funktionen
Wachsen.
𝑎 > 1 ∈ ℝ
Euler’sche Zahl
𝑙𝑖𝑚𝑥→∞
(1 +1
𝑥)𝑥
= 𝑒; 𝑙𝑖𝑚𝑥→∞
(1 −1
𝑥)𝑥
=1
𝑒; 𝑙𝑖𝑚
𝑥→∞(1 +
𝑎
𝑥)𝑥
= 𝑒𝑎
Weitere Spezielle Grenzwerte
𝑙𝑖𝑚𝑥→1
𝑙𝑛(𝑥)
𝑥 − 1= 1; 𝑙𝑖𝑚
𝑥→0
𝑒𝑥 − 1
𝑥= 1; 𝑙𝑖𝑚
𝑥→0
𝑙𝑛(1 + 𝑥)
𝑥= 1; 𝑙𝑖𝑚
𝑥→0
𝑎𝑥 − 1
𝑥 = 𝑙𝑛 𝑎
BEMERKUNG: Ein Grossteil dieser Formeln kann man ziemlich einfach mit der Regel von Bernoulli
l’Hôpital herleiten.
3.4 Grenzwerte berechnen
Bei einem Grenzwert sollte man zunächst immer versuchen einfach den Wert einzusetzen. Falls der
Term dann definiert ist, hat man den Grenzwert schon gefunden
Beispiele:
𝑙𝑖𝑚𝑥→3
𝑥2 − 2
𝑥 + 3=9 − 2
3 + 3=7
6
𝑙𝑖𝑚𝑥→3+
𝑥2 − 2
𝑥 − 3=9 − 2
0=∞
Da der letzte Grenzwert gegen unendlich strebt, sagt man der Grenzwert existiert nicht!
Meistens sind aber Grenzwertaufgaben etwas komplizierter und wenn man den Wert einsetzt,
bekommt man einen der folgenden nicht definierten Ausdrücke:
0
0,
∞
∞,
−∞
∞, 0 ·∞, ∞ −∞
In diesem Fall müssen andere Methoden verwendet werden, um den Grenzwert (falls dieser
existiert) zu berechnen. Die meisten Grenzwerte kann man mit Hilfe von l’Hôpital berechnen. Kann
oder darf man dies nicht tun, so gibt es noch einige Alternativen.
Analysis PVK 2019 15 © Crameri/Grass
Bei Brüchen: Durch die grösste Potenz des Nenners teilen
Diese Methode eignet sich für Grenzwerte mit lim𝑥→∞
von Brüchen mit Polynomen im Zähler und
Nenner
𝑙𝑖𝑚𝑥→∞
7𝑥2 + 5
2𝑥3= 𝑙𝑖𝑚
𝑥→∞
7𝑥2
𝑥3+5𝑥3
2𝑥3
𝑥3
=0 + 0
2= 0
𝑙𝑖𝑚𝑥→∞
7𝑥3 + 5
2𝑥3= 𝑙𝑖𝑚
𝑥→∞
7𝑥3
𝑥3+5𝑥3
2𝑥3
𝑥3
=7 + 0
2=7
2
Bei sin/cos
Bei Grenzwerten mit sin und cos sind die folgenden Identitäten oft hilfreich:
𝑙𝑖𝑚𝑥→0
𝑠𝑖𝑛 𝑥
𝑥= 𝑙𝑖𝑚
𝑥→0
𝑥
𝑠𝑖𝑛 𝑥= 1; 𝑙𝑖𝑚
𝑥→0
𝑠𝑖𝑛(𝑎𝑥)
𝑥= 𝑎 ; 𝑙𝑖𝑚
𝑥→0
𝑥
𝑠𝑖𝑛(𝑎𝑥)=1
𝑎; 𝑙𝑖𝑚
𝑥→0
𝑐𝑜𝑠(𝑥) − 1
𝑥= 0
Beispiel:
𝑙𝑖𝑚𝑥→0
𝑡𝑎𝑛 (6𝑥)
𝑠𝑖𝑛 (2𝑥)= 𝑙𝑖𝑚
𝑥→0
𝑠𝑖𝑛 (6𝑥)
𝑐𝑜𝑠(6𝑥) 𝑠𝑖𝑛 (2𝑥)= 𝑙𝑖𝑚
𝑥→0[𝑠𝑖𝑛(6𝑥)
6𝑥⏟ →1
·2𝑥
𝑠𝑖𝑛(2𝑥)⏟ →1
·1
𝑐𝑜𝑠(6𝑥)⏟ →1
·6
2] =
6
2= 3
TIPP: Hier sind auch oft Substitutionen hilfreich. Dabei darf man nicht vergessen auch den Wert,
gegen den die Variable strebt, anzupassen!
Bei Wurzeln: erweitern
Diese Methode ist oft hilfreich bei Brüchen mit Wurzeln. Der Trick besteht darin einen Bruch so zu
erweitern dass man die 3. Binomische Formel (𝑎 − 𝑏)(𝑎 + 𝑏) = 𝑎2 − 𝑏2 anwenden kann. Oft kann
man dann nachher etwas kürzen:
Beispiel:
𝑙𝑖𝑚𝑥→7
√𝑥 + 2 − 3
𝑥 − 7= 𝑙𝑖𝑚
𝑥→7
(√𝑥 + 2 − 3)(√𝑥 + 2 + 3)
(𝑥 − 7)(√𝑥 + 2 + 3)= 𝑙𝑖𝑚
𝑥→7
(𝑥 + 2) − 9
(𝑥 − 7)(√𝑥 + 2 + 3)= 𝑙𝑖𝑚
𝑥→7
𝑥 − 7
(𝑥 − 7)(√𝑥 + 2 + 3)
= 𝑙𝑖𝑚𝑥→7
1
√𝑥 + 2 + 3=
1
√7 + 2 + 3=1
6
Bei Brüchen: Ausklammern und kürzen
𝑙𝑖𝑚𝑥→2
𝑥2 + 𝑥 − 6
𝑥 − 2= ?
Man sieht dass, wenn man 𝑥 = 2 setzt, man 0
0 erhält, was nicht definiert ist. Dies liegt daran, dass
der Linearfaktor (𝑥 − 2) Probleme bereitet. Man versucht in so einem Fall, diesen Linearfaktor
rauszukürzen. Nützliche Dinge dafür sind: Polynomdivision, Binomische Formeln, Mitternachtsformel
für quadratische Gleichungen usw.
𝑙𝑖𝑚𝑥→2
𝑥2 + 𝑥 − 6
𝑥 − 2= 𝑙𝑖𝑚
𝑥→2
(𝑥 − 2)(𝑥 + 3)
𝑥 − 2= 𝑙𝑖𝑚
𝑥→2
𝑥 + 3
1=2 + 3
1= 5
Analysis PVK 2019 16 © Crameri/Grass
Fast immer anwendbar: l’Hôpital
𝑙𝑖𝑚𝑥→0
𝑥3 · 𝑙𝑛(𝑥2) = ?
Setzt man hier 𝑥 = 0 ein, so erhält man den undefinierten Ausdruck 0 · (−∞) . Um l’Hôpital
anzuwenden, braucht man aber einen Ausdruck der Form ±∞
±∞ oder
0
0. Der Trick besteht nun darin
einen der Beiden Faktoren in den Nenner zu bringen:
𝑙𝑖𝑚𝑥→0
𝑥3 · 𝑙𝑛(𝑥2) = 𝑙𝑖𝑚𝑥→0
𝑙𝑛(𝑥2)
𝑥−3=⏟
𝐻ô𝑝𝑖𝑡𝑎𝑙
𝑙𝑖𝑚𝑥→0
1𝑥2· 2𝑥
−3 · 𝑥−4= 𝑙𝑖𝑚
𝑥→0
2𝑥
−3𝑥4
= 𝑙𝑖𝑚𝑥→0
2𝑥3
−3
setzt man nun 𝑥 = 0 ein, so erhält man 0
−3 dieser Term ist nun definiert und ergibt 0.
Links-Rechts Grenzwerte und Betragsstriche
𝑙𝑖𝑚𝑥→1−
|𝑥 − 1|
(𝑥 − 1)(𝑥2 + 1)
Hier nähern wir uns von links dem Grenzwert 1. Man stellt sich vor, dass der Wert den wir einsetzten
ein bisschen kleiner ist als 1 (daher 𝑥 → 1−). Wir umgehen die Betragsstriche, indem wir vor den
Term der in Betrasstrichen stand das Vorzeichen so setzen, dass dieser Term positiv wird wenn wir
den Wert einsetzen, gegen den x strebt:
𝑙𝑖𝑚𝑥→1−
|𝑥 − 1|
(𝑥 − 1)(𝑥2 + 1)= 𝑙𝑖𝑚
𝑥→1
(−1) ∙ (𝑥 − 1)
(𝑥 − 1)(𝑥2 + 1)= 𝑙𝑖𝑚
𝑥→1
−1
𝑥2 + 1=
−1
1 + 1= −
1
2
Nähern wir uns von rechts an (𝑥 → 1 +) ergibt das
𝑙𝑖𝑚𝑥→1+
|𝑥 − 1|
(𝑥 − 1)(𝑥2 + 1)= 𝑙𝑖𝑚
𝑥→1
+1 ∙ (𝑥 − 1)
(𝑥 − 1)(𝑥2 + 1)= 𝑙𝑖𝑚
𝑥→1
1
𝑥2 + 1=
1
1 + 1=1
2
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4 Differentialrechnung
4.1 Ableitungsregeln
Summe: (𝑓(𝑥) ± 𝑔(𝑥))′= 𝑓′(𝑥) ± 𝑔′(𝑥)
Konstanter Faktor: (𝑐 · 𝑓(𝑥))′= 𝑐 · 𝑓′(𝑥)
Produktregel: (𝑓(𝑥) · 𝑔(𝑥))′= 𝑓′(𝑥) · 𝑔(𝑥) + 𝑓(𝑥) · 𝑔′(𝑥)
Quotientenregel: (𝑓(𝑥)
𝑔(𝑥))′
=𝑓′(𝑥)·𝑔(𝑥)−𝑓(𝑥)·𝑔′(𝑥)
(𝑔(𝑥))2
Kettenregel: 𝑓(𝑔(𝑥))′= 𝑓′(𝑔(𝑥)) · 𝑔′(𝑥)
Ableitung der Inversen: 𝑓−1′(𝑥) =
1
𝑓′(𝑓−1(𝑥))
4.2 Linearisieren
Eine Funktion 𝑓(𝑥) kann in einem kleinen Bereich um eine Stelle 𝑥0 durch Ihre lineare Ersatzfunktion
(auch Tangente genannt) approximiert werden. Die Tangente 𝑡(𝑥) ist gegeben durch die
Gleichung 𝑡(𝑥) = 𝑓(𝑥0) + 𝑓′(𝑥0)(𝑥 − 𝑥0). Für kleine |𝑥 − 𝑥0| gilt dann: 𝑓(𝑥) ≈ 𝑓(𝑥0) + 𝑓′(𝑥0)(𝑥 − 𝑥0)
𝑓′(𝑥0) stellt die Steigung der Funktion 𝑓 an der Stelle 𝑥0 dar. Das heisst wenn man das Argument
der Funktion von 𝑥0 um eine kleine Grösse 𝑑𝑥 auf 𝑥0 + 𝑑𝑥 vergrössert, so nimmt der Funktionswert
um 𝑑𝑓 zu. Daher kann man die Ableitung auch schreiben als 𝑓′(𝑥) =𝑑𝑓(𝑥)
𝑑𝑥. Die Ausdrücke 𝑑𝑥 und
𝑑𝑓 nennt man Differentiale.
Analysis PVK 2019 18 © Crameri/Grass
4.3 Fehlerrechnung
Man stelle sich vor wir messen eine Grösse 𝑥 und berechnen damit mit irgendeiner Formel
(=Funktion) eine Grösse 𝑓, d.h. 𝑓 = 𝑓(𝑥).
Nun sei die gemessene Grösse 𝑥 mit einem kleinen Fehler 𝑑𝑥 behaftet, d.h. das gemessene 𝑥 ist
um 𝑑𝑥 grösser als das wahre 𝑥 𝑥 = 𝑥𝑤𝑎ℎ𝑟 + 𝑑𝑥. Damit wird auch die mit 𝑥 berechnete Grösse 𝑓 mit
einem Fehler behaftet sein. Diesen nennen wir 𝑑𝑓. Wir wollen nun abschätzen wie gross 𝑑𝑓 in
Abhängigkeit von 𝑑𝑥 ist. Dazu verwenden wir die lineare Eratzfunktion
Es gilt für kleine Fehler 𝑑𝑥:
𝑑𝑓 = 𝑓(𝑥) − 𝑓(𝑥𝑤𝑎ℎ𝑟) ≈ 𝑓′(𝑥) · 𝑑𝑥
Dieses 𝑑𝑓 nennt man den absoluten Fehler.
Der relative Fehler ist das Verhältnis vom absoluten Fehler 𝑑𝑓 zum Wert der Grösse 𝑓:
𝑑𝑓
𝑓=𝑓′(𝑥) ∙ 𝑑𝑥
𝑓(𝑥)
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5 Parameterdarstellung von Kurven
Eine Kurve in Parameterdarstellung ist durch einen Ortsvektor 𝑟 gegeben, der von einem
Parameter (meist 𝑡 oder 𝜑) abhängt. D.h. zu jedem Wert vom Parameter 𝑡 „gehört“ ein besimmter
Punkt in der x-y-Ebene: 𝑟(𝑡) = (𝑥(𝑡), 𝑦(𝑡)). In der Physik stellt der Parameter meist die Zeit dar, daher
𝑡. Bei uns stellt der Parameter meist eine geometrische Grösse dar (z.B. einen Winkel)
Eine explizit gegeben Kurve 𝑦 = 𝑓(𝑥) kann immer in eine Parametrisierung umgewandelt werden,
indem man einfach 𝑥 als Parameter nimmt: 𝑥(𝑡) = 𝑡 und 𝑦(𝑡) = 𝑓(𝑡).
Eine umgekehrte Umwandlung einer Parametrisierten Kurve in eine explizite oder implizite
Darstellung ist meist schwieriger und auch nicht immer möglich.
5.1 Einige wichtige Kurven
Kreis mit Mittelpunkt (𝒙𝟎, 𝒚𝟎) und Radius R
Parameterdarstellung: (𝑥(𝑡), 𝑦(𝑡)) = (𝑥𝑜 + 𝑅 cos 𝑡 , 𝑦0 + 𝑅 sin 𝑡)
Implizit: (𝑥 − 𝑥0)2 + (𝑦 − 𝑦0)
2 = 𝑅2
Ellipse mit Mittelpunkt (𝒙𝟎, 𝒚𝟎) und Halbachsen 𝒂 und 𝒃
Parameterdarstellung: (𝑥(𝑡), 𝑦(𝑡)) = (𝑥0 + 𝑎 cos 𝑡 , 𝑦0 + 𝑏 sin 𝑡)
Implizit: (𝑥−𝑥0)
2
𝑎2+(𝑦−𝑦0)
2
𝑏2= 1
Hyperbel
Parameterdarstellung: (𝑥(𝑡), 𝑦(𝑡)) = (± a cosh 𝑡 , 𝑏 sinh 𝑡)
Implizit: 𝑥2
𝑎2−𝑦2
𝑏2= 1
Hyperbel
Parameterdarstellung: (𝑥(𝑡), 𝑦(𝑡)) = (𝑡,𝑎
𝑡)
Explizit: 𝑦 =𝑎
𝑥
Parabel
Parameterdarstellung: (𝑥(𝑡), 𝑦(𝑡)) = (𝑡, 𝑎𝑡2)
Explizit: 𝑦 = 𝑎𝑥2
Analysis PVK 2019 20 © Crameri/Grass
5.2 Steigung, Tangentialvektor, Normalenvektor
Wenn man sich die Parametrisierung (𝑥(𝑡)𝑦(𝑡)
) vorstellt als Ort, an dem sich ein Teilchen zum Zeitpunkt
𝑡 befindet, so ist der Geschwindigkeitsvektor (��(𝑡)
��(𝑡)) immer Tangential zur Bahnkurve dieses
Teilchens.
D.h. der Tangentialvektor an eine Parametrisierte Kurve ist
𝑡 = (��(𝑡)
��(𝑡))
Die Steiung in einem Punkt (𝑥(𝑡), 𝑦(𝑡)):
𝑆𝑡𝑒𝑖𝑔𝑢𝑛𝑔 =��(𝑡)
��(𝑡)
Und der Normalenvektor ist
�� = (−��(𝑡)
��(𝑡))
Jedes Vielfache von 𝑡 ist natürlich auch tangential zur Kurve, sowie auch jedes Vielfache von ��
senkrecht zur Kurve ist. Die Kurve verläuft senkrecht überall dort wo �� = 0 und �� ≠ 0 . Analog
verläuft die Kurve horizontal überall wo �� = 0 und �� ≠ 0.
Benötigt man einen Tangentialvektor oder einen Normalenvektor mit Länge 1, so muss der
entsprechende Vektor noch normiert werden.
Tangentialeinheitsvektor:
𝑡0 =𝑡
|𝑡|=
±1
√��2 + ��2(��(𝑡)
��(𝑡))
Normaleneinheitsvektor:
��0 =��
|��|=
±1
√��2 + ��2(−��(𝑡)
��(𝑡))
Analysis PVK 2019 21 © Crameri/Grass
Die Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über einige wichtige Eigenschaften solcher Kurven.
Beschreibung der Kurve Normalenvektor Tangentialvektor Steigung
Explizit: 𝑦 = 𝑓(𝑥) �� = (−𝑓′(𝑥0)1
) 𝑡 = (1
𝑓′(𝑥0)) 𝑓′(𝑥0)
Implizit: 𝑔(𝑥, 𝑦) = 𝐶 �� = (𝑔𝑥 (𝑥0, 𝑦0)
𝑔𝑦 (𝑥0, 𝑦0)) 𝑡 = (
−𝑔𝑦(𝑥0, 𝑦0)
𝑔𝑥 (𝑥0, 𝑦0)) −
𝑔𝑥 (𝑥0, 𝑦0)
𝑔𝑦 (𝑥0, 𝑦0)
Parametrisiert: (𝑥(𝑡), 𝑦(𝑡)) �� = (−��(𝑡0)
��(𝑡0)) 𝑡 = (
��(𝑡0)
��(𝑡0))
��(𝑡0)
��(𝑡0)
ACHTUNG: �� ist nicht normiert (|��| ≠ 1). Um den Einheitsnormalenvektor ��0 zu erhalten muss
man �� noch durch seinen Betrag Teilen: ��0 =��
|��|; |��0| = 1
BEMERKUNG: Hat man ein Vektor in 2D und will einen Vektor der senkrecht auf diesem steht,
so muss man nur die zwei Komponenten vertauschen und bei einer der beiden das
Vorzeichen wechseln.
BEMERKUNG: Ist eine Kurve in Polardarstellung (Abstand vom Ursprung = 𝜌(𝜑)) gegeben, kann
diese in der Form (𝑥(𝜑), 𝑦(𝜑)) = (𝜌(𝜑) · cos𝜑 , 𝜌(𝜑) · sin 𝜑) als normale Parametrisierung
betrachtet werden und dann die Steigung (oder was auch immer) ausgerechnet werden.
5.3 Parametrisierung nach der Bogenlänge
Eine Kurve (𝑥(𝑡), 𝑦(𝑡)) , bei welcher der Tangentenvektor (��(𝑡), ��(𝑡)) die Länge 1 hat, d.h.
√��2 + ��2 = 1 heisst nach der Bogenlänge parametrisiert. Das bedeutet dann auch, dass die
Bogenlänge bis zum Ort mit Parameter 𝑡 genau 𝑡 entspricht:∫ √��2 + ��2𝑡
0𝑑𝑡 = 𝑡 . Eine typische
Aufgabenstellung besteht darin, dass eine Parametrisierung gegeben ist, und die
Parametrisierung nach der Bogenlänge gefragt ist. Das Vorgehen hierfür lautet:
1. Berechne den Tangentenvektor (��(𝑡), ��(𝑡))
2. Berechne die Länge 𝑙 des Tangentenvektors: 𝑙 = √��(𝑡)2 + ��(𝑡)2. Im Allgemeinen ist 𝑙 nun eine
Funktion von 𝑡. Falls 𝑙 konstant ist, ist das weitere Vorgehen ziemlich simpel. Hängt 𝑙 hingegen
von 𝑡 ab, ist das ganze etwas komplizierter
Analysis PVK 2019 22 © Crameri/Grass
Falls 𝒍 = 𝒌𝒐𝒏𝒔𝒕.:
3.a Substituiere in der ursprünglichen Parametrisierungen alle 𝑡 durch 𝑠
𝑙. Der neue Parameter ist
nun 𝑠 und es gilt √��(𝑠)2 + ��(𝑠)2 = 1, die Kurve ist also nach der Bogenlänge parametrisiert.
Falls 𝒍 = 𝒍(𝒕) von 𝒕 abhängt:
3.b Berechne die Bogenlänge 𝑠(𝑡) der Kurve von 0 bis 𝑡: 𝑠(𝑡) = ∫ 𝑙(��)𝑡
0𝑑��
4.b Bilde die Umkehrfunktion von 𝑠(𝑡): 𝑠 = 𝑠(𝑡) ↝ 𝑡 = 𝑡(𝑠)
5.b Substituiere in der ursprünglichen Parametrisierung alle 𝑡 durch 𝑡(𝑠). Der neue Parameter ist
nun 𝑠 und es gilt √��(𝑠)2 + ��(𝑠)2 = 1, die Kurve ist also nach der Bogenlänge parametrisiert.
Beispiel l=konst.
Es soll der Kreis (𝑥(𝑡), 𝑦(𝑡)) = (𝑅 cos 𝑡 , 𝑅 sin 𝑡) nach der Bogenlänge Parametrisiert werden.
1. (��(𝑡), ��(𝑡)) = (−𝑅 sin 𝑡 , 𝑅 cos 𝑡)
2. 𝑙 = √��(𝑡)2 + ��(𝑡)2 = √𝑅2 sin2 𝑡 + 𝑅2 cos2 𝑡 = 𝑅 = 𝑘𝑜𝑛𝑠𝑡.
3.a 𝑡 ersetzten durch 𝑠
𝑙=
𝑠
𝑅 also (𝑥(𝑠), 𝑦(𝑠)) = (𝑅 cos (
𝑠
𝑅) , 𝑅 sin (
𝑠
𝑅))
Überprüfen: √��(𝑠)2 + ��(𝑠)2 = √(− sin (𝑠
𝑅))2
+ (cos (𝑠
𝑅))2
= 1
Beispiel l=l(t)≠konst.
Es soll die Kurve (𝑥(𝑡), 𝑦(𝑡)) = (𝑡, cosh 𝑡) nach der Bogenlänge parametrisiert werden
1. (��(𝑡), ��(𝑡)) = (1, sinh(𝑡))
2. 𝑙(𝑡) = √��(𝑡)2 + ��(𝑡)2 = √1 + sinh2 𝑡 = cosh 𝑡
3.b 𝑠(𝑡) = ∫ cosh ��𝑡
0𝑑�� = sinh 𝑡
4.b 𝑠 = sinh 𝑡 ↝ 𝑡 = Arsinh 𝑠
5.b Ersetze 𝑡 in (𝑡, cosh 𝑡) durch Arsinh(𝑠) also (𝑥(𝑠), 𝑦(𝑠)) = (Arsinh 𝑠 , cosh(Arsinℎ 𝑠))
Mit cosh(Arsinh 𝑠) = √1 + sinh2(Arsinh 𝑠) = √1 + 𝑠2 erhält man dann
(𝑥(𝑠), 𝑦(𝑠)) = (Arsinh 𝑠 , √𝑠2 + 1).
Überprüfen: (��(𝑠), ��(𝑠)) = (1
√𝑠2+1,
2𝑠
2√𝑠2+1)
und damit √��(𝑠)2 + ��(𝑠)2 = √(1
√𝑠2+1)2
+ (2𝑠
2√𝑠2+1)2
= √1
𝑠2+1+
𝑠2
𝑠2+1= √
1+𝑠2
1+𝑠2= 1
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5.4 Krümmung, Krümmungskreis, Evolute
Die Krümmung 𝜅(𝑥) an der Stelle 𝑥 einer Funktion 𝑓(𝑥) ist gegeben durch
𝜅(𝑥) =𝑓′′(𝑥)
(1 + (𝑓′(𝑥))2)
32
Will man die Krümmung am Punkt (𝑥(𝑡), 𝑦(𝑡)) einer durch 𝑡 parametrisierten ebenen Kurve so gilt
𝜅(𝑡) =��(𝑡)��(𝑡) − ��(𝑡)��(𝑡)
(��(𝑡)2 + ��(𝑡)2)32
Die Krümmung einer Kurve in Polarkoordinaten 𝜌 = 𝜌(𝜑) ist
𝜅(𝜑) =𝜌2 + 2(𝜌′)2 − 𝜌𝜌′′
(𝜌2 + (𝜌′)2)32
Der Radius 𝜌 des Krümmungskreises Ist der Kehrwert der Krümmung
𝜌 =1
𝜅
Die Evolute beschreibt den Mittelpunkt des Krümmungskreises. Die Koordinaten davon seien 𝑥𝐸
und 𝑦𝐸 .
Falls die Kurve als explizite Funktion 𝑦 = 𝑓(𝑥) gegeben ist, gilt
𝑥𝐸(𝑥) = 𝑥 −𝑓′(𝑥)(1 + (𝑓′(𝑥))2)
𝑓′′(𝑥) 𝑢𝑛𝑑 𝑦𝐸(𝑥) = 𝑓(𝑥) +
1 + (𝑓′(𝑥))2
𝑓′′(𝑥)
Ist die Kurve hingegen durch (𝑥(𝑡), 𝑦(𝑡)) parametrisiert gilt
𝑥𝐸(𝑡) = 𝑥(𝑡) −��(𝑡)(��(𝑡)2 + ��(𝑡)2)
��(𝑡)��(𝑡) − ��(𝑡)��(𝑡) 𝑢𝑛𝑑 𝑦𝐸(𝑡) = 𝑦(𝑡) +
��(𝑡)(��(𝑡)2 + ��(𝑡)2)
��(𝑡)��(𝑡) − ��(𝑡)��(𝑡)
Für die Evolute einer Kurve in Polarkoordinaten 𝜌 = 𝜌(𝜑) schreibt man die Kurve am besten zuerst
als Parametrisierung: 𝑥(𝜑) = 𝜌(𝜑) cos𝜑 und 𝑦(𝜑) = 𝜌(𝜑) sin𝜑 und benutzt anschliessend die Formel
für die Parametrisierte Kurve, wobei 𝜑 dann 𝑡 entspricht.
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6 Mehrdimensionale Differentialrechnung
6.1 Funktionen von mehreren Variablen
Die Funktionen, die wir im Folgenden betrachten hängen nicht mehr wie früher nur von einer
Variablen ab: 𝑓 = 𝑓(𝑥), sondern von mehreren. Wir beschränken uns mehrheitlich auf Funktionen
von zwei 𝑓 = 𝑓(𝑥, 𝑦) und drei 𝑓 = 𝑓(𝑥, 𝑦, 𝑧) Variablen.
2D
Eine Funktion 𝑓(𝑥, 𝑦) ordnet jedem Pkt. in der x,y-Ebene einen Funktionswert (=eine Höhe) 𝑓(𝑥, 𝑦)
zu. Den Graphen der Funktion kann man sich anschaulich als eine Fläche über der x,y-Ebene
vorstellen.
3D
Eine Funktion 𝑓 = 𝑓(𝑥, 𝑦, 𝑧) ordnet jedem Punkt im dreidimensionalen Raum einen Funktionswert
𝑓(𝑥, 𝑦, 𝑧) zu. Als Beispiel kann man sich eine Temperaturverteilung vorstellen: 𝑓(𝑥, 𝑦, 𝑧) sagt uns, wie
warm es am Pkt. (𝑥, 𝑦, 𝑧) ist.
Niveaulinien
Die Gleichung 𝑓(𝑥, 𝑦) = 𝐶 (mit 𝐶 ∈ ℝ) beschreibt eine Kurve in der x,y-Ebene. Die Funktion 𝑓 ordnet
allen Punkten auf dieser Kurve den gleichen Funktionswert 𝑓(𝑥, 𝑦) zu. Darum heisst diese Kurve
auch Niveaulinie der Funktion 𝑓 zum Niveau C. Anschaulich: Stellt man sich eine Landkarte vor
und ist 𝑓(𝑥, 𝑦) eine Funktion, die von jedem Punkt die Höhe über dem Meer angibt, so haben alle
Punkte auf einer Niveaulinie die gleiche Höhe, d.h. die Niveaulinien sind die Höhenkurven dieser
Karte.
Niveauflächen
Niveauflächen einer Funktion 𝑓(𝑥, 𝑦, 𝑧) sind eigentlich das gleiche wie Niveaulinien einer Funktion
𝑓(𝑥, 𝑦), einfach „eine Dimension höher“. D.h. es sind Flächen im 3D-Raum, die von 𝑓(𝑥, 𝑦, 𝑧) jeweils
die gleiche Grösse zugeordnet bekommen. Man kann sich hierfür z.B. Flächen im 3D-Raum
vorstellen, auf denen überall die gleiche Temperatur herrscht.
6.2 Partielle Ableitungen
𝜕𝑓
𝜕𝑥= 𝑓𝑥 heisst Partielle Ableitung der Fkt. 𝑓 nach 𝑥 . Beim Ableiten nach 𝑥 fasst man nur 𝑥 als
Variable auf und alle anderen allfälligen Variablen (𝑦, 𝑧) als Konstanten.
Beispiel:
𝑓(𝑥, 𝑦, 𝑧) = 𝑦2 𝑠𝑖𝑛(𝑥𝑦) + 𝑧 + 𝑥2 𝑠𝑖𝑛 𝑦 + 5
𝜕𝑓(𝑥, 𝑦, 𝑧)
𝜕𝑥= 𝑓𝑥(𝑥, 𝑦, 𝑧) = 𝑦
3 𝑐𝑜𝑠(𝑥𝑦) + 2𝑥 𝑠𝑖𝑛 𝑦
Analysis PVK 2019 25 © Crameri/Grass
6.3 Satz von Schwarz & Integrabilitätsbedingung
Der Satz von Schwarz besagt, dass es nicht draufankommt, in welcher Reihenfolge man die
partiellen Ableitungen bildet:
𝑓𝑥𝑦𝑧𝑦(𝑥, 𝑦, 𝑧) = 𝑓𝑧𝑦𝑥𝑦(𝑥, 𝑦, 𝑧) = 𝑓𝑦𝑦𝑥𝑧(𝑥, 𝑦, 𝑧) = ⋯
Bei Aufgaben mit Integrabilitätsbedingung sind typischerweise die partiellen Ableitungen einer
Funktion gegeben, gesucht ist dann die Funktion.
Theoretisches Beispiel:
Gegeben sind die partiellen Ableitungen 𝑓𝑥(𝑥, 𝑦) und 𝑓𝑦(𝑥, 𝑦) gesucht ist die Funktion 𝑓(𝑥, 𝑦).
Diese Funktion existiert nur, wenn gilt 𝑓𝑥𝑦 = 𝑓𝑦𝑥; andernfalls ist die Aufgabe nicht lösbar. Die Fkt. 𝑓
erhält man dann durch bilden der unbestimmten Integrale ∫ 𝑓𝑥(𝑥, 𝑦)𝑑𝑥 und ∫ 𝑓𝑦(𝑥, 𝑦)𝑑𝑦 und
anschliessendem Vergleich der Terme.
ACHTUNG: Beim Integrieren nach 𝑥 kriegt man (wie immer bei unbestimmten Integralen)
eine „Konstante“ (sagen wir 𝐶) dazu. Da aber beim partiellen ableiten nach 𝑥, 𝑦 Konstant
ist, kann diese „Konstante“ eine Funktion von 𝑦 sein: 𝐶 = 𝐶(𝑦)
Konkretes Beispiel:
Gesucht ist 𝑓(𝑥, 𝑦) mit
𝑓𝑥 = 2𝑥 𝑠𝑖𝑛 𝑦 und 𝑓𝑦 = 𝑥2 𝑐𝑜𝑠 𝑦 − 2𝑒−2𝑦
1. Integrabilitätsbedingung überprüfen:
𝑓𝑥𝑦 = 2𝑥 · 𝑐𝑜𝑠 𝑦 𝑓𝑦𝑥 = 2𝑥 · 𝑐𝑜𝑠 𝑦 ⇒ 𝑓𝑥𝑦 = 𝑓𝑦𝑥
2. Integrieren:
∫ 𝑓𝑥 𝑑𝑥 = 𝑥2 · 𝑠𝑖𝑛 𝑦 + 𝑪𝟏(𝒚) ∫ 𝑓𝑦 𝑑𝑦 = 𝑥
2 𝑠𝑖𝑛 𝑦 + 𝑒−2𝑦 + 𝑪𝟐(𝒙)
3. Koeffizienten Vergleichen:
∫ 𝑓𝑥 𝑑𝑥 = 𝑥2 · 𝑠𝑖𝑛 𝑦 + 𝐶1(𝑦) ∫ 𝑓𝑦 𝑑𝑦 = 𝑥
2 𝑠𝑖𝑛 𝑦 + 𝑒−2𝑦 + 𝐶2(𝑥)
⇒ 𝑓(𝑥, 𝑦) = 𝑥2 𝑠𝑖𝑛 𝑦 + 𝑒−2𝑦 + 𝑪 Konstante nicht vergessen!
6.4 Gradient & Richtungsableitung
Der Gradient 𝑔𝑟𝑎𝑑(𝑓(𝑥, 𝑦, 𝑧)) = ��𝑓(𝑥, 𝑦, 𝑧) = (
𝑓𝑥𝑓𝑦𝑓𝑧
) ist eine Abbildung, die einer Funktion von
mehreren Variablen ein Vektorfeld zuordnet. Hierbei ist �� ≔
(
𝜕
𝜕𝑥𝜕
𝜕𝑦
𝜕
𝜕𝑧)
der sogenannte Nabla-
Operator. Die Richtung des Gradienten gibt an, in welcher Richtung 𝑓 die grösste
Richtungsableitung aufweist. Der Betrag |𝑔𝑟𝑎𝑑 𝑓| gibt den Betrag dieser maximalen
Richtungsableitung an. Stellt man sich z.B. vor 𝑓(𝑥, 𝑦) wäre die Funktion die jedem Punkt einer
Landschaftskarte eine Höhe zuordnet, so würde �� ≔ 𝑔𝑟𝑎𝑑(𝑓) uns für jeden Punkt sagen in welche
Richtung (Richtung von ��) es die grösste Steigung gibt, und wie steil (|��|) diese Steigung ist.
Analysis PVK 2019 26 © Crameri/Grass
HINWEIS: 𝑔𝑟𝑎𝑑 𝑓 zeigt in Richtung der stärksten Steigung, daraus folgt (– 𝑔𝑟𝑎𝑑 𝑓)
(entgegengesetzte Richtung) zeigt in Richtung des stärksten Gefälles.
Der Gradient steht immer senkrecht auf der Niveaufläche/-linie. Dies bedeutet z.B. dass die
grösste Steigung immer in Richtung senkrecht zur Tangente an die Höhenlinie zeigt.
Eine Richtungsableitung in Richtung ��0 berechnet man durch
��0 ∙ 𝑔𝑟𝑎𝑑(𝑓(𝑥, 𝑦, 𝑧))
Die Richtungsableitung sagt uns wie stark die Steigung von 𝑓 in Richtung von ��0 ist.
ACHTUNG: ��0 muss ein normierter Richtungsvektor sein, d.h. |��0| = 1.
Der Gradient steht senkrecht auf der Niveaufläche/linie, daraus folgt dass das Skalarprodukt
zwischen dem Gradienten und einem Vektor parallel zur Niveaufläche/linie immer Null ergibt. Dies
bedeutet, dass die Richtungsableitung in eine Richtung parallel zur Niveaufläche/linie Null ist und
die Funktion somit in diese Richtung konstant bleibt.
6.5 Tangentialebenen
Grundsätzliches zu Ebenen (Hessesche Normalform)
Eine Ebene im 3D-Raum wird durch eine Gleichung der Form
𝐴𝑥 + 𝐵𝑦 + 𝐶𝑧 = 𝐷 (wobei 𝐴, 𝐵, 𝐶, 𝐷 ∈ ℝ) beschrieben. Hierbei ist der Vektor �� = (𝐴𝐵𝐶) ein
Normalenvektor der Ebene. Der Vektor ��0 =��
|��|=
1
√𝐴2+𝐵2+𝐶2(𝐴𝐵𝐶) ist dann der
Einheitsnormalenvektor auf die Ebene. Dieser hat Länge 1 (|n0| = 1).
Tangentialebene
Die Tangentialebene an eine Fläche im 3D-Raum ist das Analogon zur
Tangente an eine Kurve in der 2D-Ebene. D.h. sie approximiert die Funktion
in einem nahen Umfeld eines Punktes. Es gibt grundsätzlich zwei Methoden
eine Tangentialebene zu bestimmen.
1. Methode: Mit der Formel (Linearisieren)
Ist eine Fläche im 3D-Raum explizit durch eine Gleichung 𝑧 = 𝑓(𝑥, 𝑦) gegeben, und soll die
Tangentialebene im Punkt (𝑥0, 𝑦0 , 𝑓(𝑥0, 𝑦0)) bestimmt werden, so ist die Tangentialebene
beschrieben durch die Gleichung:
𝑧 = 𝑓(𝑥0, 𝑦0) + 𝑓𝑥(𝑥0, 𝑦0)(𝑥 − 𝑥0) + 𝑓𝑦(𝑥0, 𝑦0)(𝑦 − 𝑦0)
Analysis PVK 2019 27 © Crameri/Grass
2. Methode: Mit dem Gradienten
Diese Methode ist sehr gut geeignet, wenn die Tangentialebene im Pkt. (𝑥0, 𝑦0 , 𝑧0) an eine Fläche
gesucht ist und die Fläche nur implizit durch eine Koordinatengleichung 𝑔(𝑥, 𝑦, 𝑧) = 𝐶 (mit 𝐶 ∈ ℝ)
gegeben ist.
Man kann die Fläche als Niveaufläche (zum Niveau 𝐶) einer Funktion 𝑔 = 𝑔(𝑥, 𝑦, 𝑧) auffassen. Der
Gradient 𝑔𝑟𝑎𝑑 𝑔(𝑥, 𝑦, 𝑧) = (
𝑔𝑥(𝑥, 𝑦, 𝑧)𝑔𝑦(𝑥, 𝑦, 𝑧)
𝑔𝑧(𝑥, 𝑦, 𝑧)
) steht dann in jedem Pkt. (𝑥, 𝑦, 𝑧) der Fläche, senkrecht auf
dieser Fläche. D.h. 𝑔𝑟𝑎𝑑 𝑔(𝑥0, 𝑦0, 𝑧0) = (
𝑔𝑥(𝑥0, 𝑦0, 𝑧0)𝑔𝑦(𝑥0, 𝑦0, 𝑧0)
𝑔𝑧(𝑥0, 𝑦0, 𝑧0)
) ist gerade ein Normalenvektor an die Fläche
im Pkt. (𝑥0, 𝑦0, 𝑧0) und somit auch ein Normalenvektor der gesuchte Tangentialebene. Die
Komponenten von 𝑔𝑟𝑎𝑑 𝑔(𝑥0, 𝑦0, 𝑧0) sind somit gerade die Koeffizienten A, B, C in der
Ebenengleichung 𝐴𝑥 + 𝐵𝑦 + 𝐶𝑧 = 𝐷 (siehe oben). Das 𝐷 bestimmt man indem man den Punkt
(𝑥0, 𝑦0 , 𝑧0) einsetzt.
Beispiel:
Gesucht ist die Tangentialebene im Pkt. (1,4,2) an die Fläche, die durch die Gleichung
𝑦𝑥2 = 3𝑧 − 2 beschrieben ist.
1. Methode (Formel)
Für diese Methode muss man die Ebene zuerst auf eine explizite Form ( 𝑧 =... ) bringen:
𝑧 =1
3(𝑦𝑥2 + 2) ≔ 𝑓(𝑥, 𝑦)
Funktionswert an der Stelle (𝑥0, 𝑦0):
𝑓(𝑥0, 𝑦0) =1
3(4 · 13 + 2) = 2 = 𝑧0
Dann braucht man die partiellen Ableitungen am gesuchten Punkt (𝑥 = 1, 𝑦 = 4)
𝑓𝑥(𝑥0, 𝑦0) =2
3𝑦0𝑥0 =
2
3· 4 · 1 =
8
3 𝑓𝑦(𝑥0, 𝑦0) =
𝑥02
3=12
3=1
3
Die Tangentialebene ist dann:
𝑧 = 𝑓(𝑥0, 𝑦0) + 𝑓𝑥(𝑥0, 𝑦0)(𝑥 − 𝑥0) + 𝑓𝑦(𝑥0, 𝑦0)(𝑦 − 𝑦0) = 2 +8
3(𝑥 − 1) +
1
3(𝑦 − 4)
↝ 3𝑧 = 6 + 8𝑥 − 8 + 𝑦 − 4 ↝ 8𝑥 + 𝑦 − 3𝑧 = 6
2. Methode (Gradient)
Zunächst muss man die Gleichung auf die Form 𝑔(𝑥, 𝑦, 𝑧) = 𝑐𝑜𝑛𝑠𝑡. bringen. D.h. man nimmt alle
nicht-konstanten Terme auf eine Seite:
𝑦𝑥2 − 3𝑧 ≔ 𝑔(𝑥, 𝑦, 𝑧) = −2 = 𝑐𝑜𝑛𝑠𝑡.
Man könnte auch noch das -2 auf die andere Seite nehmen, dies würde aber keinen Unterschied
machen, da es sowieso bei allen Ableitungen wegfällt. Wichtig ist, dass rechts eine Konstante
steht.
Der Gradient ist dann:
𝑔𝑟𝑎𝑑 𝑔(𝑥, 𝑦, 𝑧) = (
𝑔𝑥𝑔𝑦𝑔𝑧) = (
2𝑥𝑦
𝑥2
−3
)
Analysis PVK 2019 28 © Crameri/Grass
und in unserem gesuchten Punkt:
𝑔𝑟𝑎𝑑 𝑔(1,4,2) = (81−3) ⇒ 𝐴 = 8, 𝐵 = 1, 𝐶 = −3
Die Tangentialebene ist dann:
𝐴𝑥 + 𝐵𝑦 + 𝐶𝑧 = 8𝑥 + 𝑦 − 3𝑧 = 𝐷
D durch einsetzen von Punkt (1,4,2) bestimmen:
8 · 1 +· 2 = 6 = 𝐷
Die Tangentialebene ist damit: 8𝑥 + 𝑦 − 3𝑧 = 6
Häufig ist die zweite Variante die einfachere.
6.6 Extremalstellen bei Funktionen mehrerer Variablen
Zum Finden von Maxima und Minima von Funktionen 𝑓(𝑥, 𝑦) geht man nach folgendem Schema
vor:
1. Mache eine Skizze des Definitionsgebietes. (sehr empfehlenswert!)
2. Inneres Untersuchen: Orte im Innern, die als Extremalstellen in Frage kommen erfüllen die
Gleichung 𝑔𝑟𝑎𝑑 𝑓 = (𝑓𝑥𝑓𝑦) = (
00) . Falls dabei ein Punkt auf dem Rand oder ein Eckpunkt
herauskommt, kann man ihn vorerst weglassen, da man diese sowieso separat untersuchen
muss.
3. Rand Untersuchen: Den Rand des Gebietes kann man auf zwei Arten auf Extremalstellen
untersuchen: durch Parametrisieren oder mittels Lagrangemultiplikatoren.
3.1. Parametrisieren:
Parametrisiere den Rand des Gebietes (ist der Rand parallel zu einer Koordinaten
Achse, kann man gerade diese Koordinate als Parameter nehmen)
Setzte die Parametrisierung in die Funktion ein (ist z.B die Fkt. 𝑓(𝑥, 𝑦) und die
Parametrisierung (𝑥(𝑡), 𝑦(𝑡)) erhält man nach einsetzen 𝑓(𝑥(𝑡), 𝑦(𝑡))
Leite nach dem Parameter (in diesem Fall 𝑡) ab
Setze das ganze = 0 und löse nach dem Parameter auf
Berechne den Funktionswert für den gefundenen Parameterwert
3.2. Lagrangemultiplikatoren: Ist eine Extremalstellen auf dem Rand vorhanden, so muss der
Gradient 𝑔𝑟𝑎𝑑 𝑓 = (𝑓𝑥𝑓𝑦) dort senkrecht auf der Kurve stehen, die den Rand beschreibt. D.h:
(𝑓𝑥𝑓𝑦) ∥ �� ⇔ (
𝑓𝑥𝑓𝑦) = 𝜆 · ��
𝜆 ∈ ℝ ist der sogenannte Lagrange-multiplikator.
Man erhält aus obiger Beziehung 2 Gleichungen für die drei Unbekannten 𝑥, 𝑦, 𝜆. Die
dritte Gleichung erhält man dadurch dass das Extremum 𝑥, 𝑦 auf dem untersuchten Rand
liegen muss. Löst man diese 3 Gleichungen nach 𝑥 und 𝑦 hat man die Extremalstelle
gefunden.
Analysis PVK 2019 29 © Crameri/Grass
4. Eckpunkte Untersuchen: Die Funktionswerte für alle Eckpunkte (falls vorhanden) ausrechnen
5. Globales Maximum/Minimum bestimmen.
HINWEIS: Ganz analog geht man auch vor für eine Funktion 𝑓(𝑥, 𝑦, 𝑧), bei der man die
Extremalstellen auf einer Fläche bestimmen muss. Hierbei ist dann die Methode mit
Lagrangemultiplikatoren meist die bessere Wahl als eine Parametrisierung. Die Skizze lässt
man in 3D lieber sein.
6.7 Fehlerrechnung
Wie messen die drei Grössen 𝑎, 𝑏 und 𝑐 und wollen damit die Grösse 𝑓 berechnen. Dies tun wir
mittels einer Funktion: 𝑓 = 𝑓(𝑎, 𝑏, 𝑐) . Nun sind aber die Grössen 𝑎, 𝑏, 𝑐 mit kleinen Messfehlern
𝑑𝑎, 𝑑𝑏, 𝑑𝑐 behaftet. (ACHTUNG: 𝑑𝑎, 𝑑𝑏, 𝑑𝑐 sind die absoluten Messfehler. 𝑑𝑎
𝑎,𝑑𝑏
𝑏,𝑑𝑐
𝑐 sind die relativen
Messfehler).
Nun will man herausfinden wie sich diese Messfehler auf die zu berechnende Grösse 𝑓 auswirken.
Dazu linearisiert man die Funktion 𝑓. Der Absolute Fehler 𝑑𝑓 der Berechneten Grösse ist:
𝑑𝑓 = 𝑓𝑎(𝑎, 𝑏, 𝑐) · 𝑑𝑎 + 𝑓𝑏(𝑎, 𝑏, 𝑐) · 𝑑𝑏 + 𝑓𝑐(𝑎, 𝑏, 𝑐) · 𝑑𝑐
Der Relative Fehler 𝑑𝑓
𝑓 ist dann:
𝑑𝑓
𝑓=𝑓𝑎(𝑎, 𝑏, 𝑐) · 𝑑𝑎 + 𝑓𝑏(𝑎, 𝑏, 𝑐) · 𝑑𝑏 + 𝑓𝑐(𝑎, 𝑏, 𝑐) · 𝑑𝑐
𝑓(𝑎, 𝑏, 𝑐)
Ganz analog geht man vor falls mehr oder weniger Grössen gemessen werden.
Analysis PVK 2019 30 © Crameri/Grass
7 Integrieren
7.1 Regeln
∫(𝑓(𝑥) + 𝑔(𝑥))𝑑𝑥 =∫𝑓(𝑥)𝑑𝑥 + ∫𝑔(𝑥)𝑑𝑥
∫𝑐 · 𝑓(𝑥)𝑑𝑥 = 𝑐 · ∫𝑓(𝑥)𝑑𝑥
∫ 𝑓(𝑥)𝑑𝑥𝑏
𝑎
= −∫ 𝑓(𝑥)𝑑𝑥𝑎
𝑏
7.2 Einige wichtige Integrale
∫𝑥𝑠 𝑑𝑥 =1
𝑠 + 1𝑥𝑠+1 + 𝐶 (𝑓ü𝑟 𝑠 ≠ −1)
∫1
𝑥𝑑𝑥 = ln | 𝑥| + 𝐶
∫cos 𝑥 𝑑𝑥 = sin 𝑥 + 𝐶
∫sin 𝑥 𝑑𝑥 = −cos 𝑥 + 𝐶
∫sinh 𝑥 𝑑𝑥 = cosh 𝑥 + 𝐶
∫cosh 𝑥 𝑑𝑥 = sinh 𝑥 + 𝐶
∫1
1 + 𝑥2𝑑𝑥 = arctan 𝑥 + 𝐶
∫1
1 − 𝑥2𝑑𝑥 = Artanh 𝑥 + 𝐶
∫𝑓′(𝑥) · 𝑓(𝑥)𝑑𝑥 =1
2(𝑓(𝑥))
2+ 𝐶 𝑧. 𝐵: ∫ cos 𝑥 · sin 𝑥 𝑑𝑥 =
1
2𝑠𝑖𝑛2𝑥 + 𝐶
∫𝑓′(𝑥)
𝑓(𝑥)𝑑𝑥 = ln|𝑓(𝑥)| + 𝐶 𝑧. 𝐵: ∫
2𝑥 + 5
𝑥2 + 5𝑥 + 2𝑑𝑥 = ln |𝑥2 + 5𝑥 + 2 | + 𝐶
𝑜𝑑𝑒𝑟 ∫ tan 𝑥 𝑑𝑥 = ∫sin 𝑥
cos 𝑥𝑑𝑥 = − ln | cos 𝑥 | + 𝐶
Diese und viele weitere nützliche Integrale finden sich auf Tabellen in Formelsammlungen. Mit
diesen Tabellen kann man sich oft sehr viel Rechenaufwand ersparen!
7.3 Partielle Integration
Produkte von Funktionen lassen sich oft partiell integrieren
∫𝑢′(𝑥) · 𝑣(𝑥)𝑑𝑥 = 𝑢(𝑥) · 𝑣(𝑥) − ∫𝑢(𝑥) · 𝑣′(𝑥) 𝑑𝑥
∫ 𝑢′(𝑥) · 𝑣(𝑥)𝑏
𝑎
𝑑𝑥 = [𝑢(𝑥) · 𝑣(𝑥)]𝑎𝑏 −∫ 𝑢(𝑥) · 𝑣′(𝑥) 𝑑𝑥
𝑏
𝑎
Analysis PVK 2019 31 © Crameri/Grass
Beispiel :
∫𝑥⏟𝑣
· 𝑐𝑜𝑠(𝑥)⏟ 𝑢′
𝑑𝑥 = 𝑥 𝑠𝑖𝑛(𝑥) − ∫𝑠𝑖𝑛(𝑥) 𝑑𝑥 = 𝑥 𝑠𝑖𝑛(𝑥) + 𝑐𝑜𝑠(𝑥) + 𝐶
Beispiel: (Trick: Gleichung für das Integral)
∫𝑠𝑖𝑛2 𝑥 𝑑𝑥 = ∫𝑠𝑖𝑛 𝑥⏟𝑢′
· 𝑠𝑖𝑛 𝑥⏟𝑣
𝑑𝑥 = −𝑐𝑜𝑠 𝑥 𝑠𝑖𝑛 𝑥 + ∫𝑐𝑜𝑠2 𝑥 𝑑𝑥 = −𝑐𝑜𝑠 𝑥 𝑠𝑖𝑛 𝑥 + ∫(1 − 𝑠𝑖𝑛2 𝑥)𝑑𝑥
Daraus folgt die Gleichung
∫𝑠𝑖𝑛2 𝑥 𝑑𝑥 = −𝑐𝑜𝑠 𝑥 𝑠𝑖𝑛 𝑥 + 𝑥 − ∫𝑠𝑖𝑛2 𝑥 𝑑𝑥 𝑢𝑛𝑑 𝑑𝑎𝑚𝑖𝑡: 2∫ 𝑠𝑖𝑛2 𝑥 𝑑𝑥 = −𝑐𝑜𝑠 𝑥 𝑠𝑖𝑛 𝑥 + 𝑥
⇒ ∫𝑠𝑖𝑛2 𝑥 𝑑𝑥 =1
2(𝑥 − 𝑠𝑖𝑛 𝑥 𝑐𝑜𝑠 𝑥) + 𝐶
Beispiel: (Trick: mit 1 multiplizieren)
∫𝑎𝑟𝑐𝑡𝑎𝑛 𝑥 𝑑𝑥 = ∫ 1⏟𝑢′
· 𝑎𝑟𝑐𝑡𝑎𝑛 𝑥⏟ 𝑣
𝑑𝑥 = 𝑥 𝑎𝑟𝑐𝑡𝑎𝑛(𝑥) − ∫𝑥
1 + 𝑥2𝑑𝑥 = 𝑥 𝑎𝑟𝑐𝑡𝑎𝑛(𝑥) −
1
2∫
2𝑥
1 + 𝑥2
= 𝑥 𝑎𝑟𝑐𝑡𝑎𝑛(𝑥) −1
2𝑙𝑛(1 + 𝑥2) + 𝐶
7.4 Integration durch Substitution
Die Integration durch Substitution funktioniert, indem man einen geeigneten Term in 𝑥 (d.h. ein
Term, welcher 𝑥 als Variable enthält) durch einen geeigneten Term in 𝑢 ersetzt. Um zu sehen was
geeignete Terme sind, braucht es etwas Übung. Man kann aber die folgende Tabelle als
Hilfestellung verwenden:
Analysis PVK 2019 32 © Crameri/Grass
Wichtig ist jeweils, dass nach der Substitution das komplette Integral nur noch von 𝑢 abhängt, also
kein 𝑥 mehr enthält. Ausserdem muss auch das 𝑑𝑥 durch einen Term mit 𝑢 ersetzt werden. Dies
kann man auf zwei verschiedene Arten tun. (siehe Beispiele unten). Bei einem bestimmten Integral
müssen auch die Integrationsgrenzen angepasst werden.
Beispiel 1:
∫𝑥 · 𝑐𝑜𝑠(𝑥2 + 2) 𝑑𝑥 = ?
Eine Substitution funktioniert oft gut, wenn die Ableitung des Terms, den man substituieren will, im
Integrand vorkommt. Dieser kürzt sich dann nachher oft raus. Bei diesem Beispiel versuchen wir die
Substitution 𝑢(𝑥) ≔ 𝑥2 + 2 . Dass dies eine gute Idee sein könnte, sieht man daran, dass die
Ableitung 𝑢′(𝑥) = 2𝑥 ein Vielfaches von dem Term 𝑥 ist, der im Integrand schon vorkommt.
Es gibt nun zwei Varianten das 𝑑𝑥 zu ersetzten:
1. Variante: 𝒖′(𝒙) =𝒅𝒖
𝒅𝒙 berechnen
𝑢(𝑥) = 𝑥2 + 2 Ableiten nach x: 𝑢′(𝑥) =𝑑𝑢
𝑑𝑥= 2𝑥 ↝ 𝑑𝑥 =
𝑑𝑢
2𝑥
2. Variante: 𝒙′(𝒖) =𝒅𝒙
𝒅𝒖 berechnen
𝑢(𝑥) = 𝑥2 + 2 Umkehrfunktion: 𝑥(𝑢) = √𝑢 − 2
Ableiten nach u: 𝑥′(𝑢) =𝑑𝑥
𝑑𝑢=
1
2 · √𝑢 − 2⏟ =𝑥
=1
2𝑥 ↝ 𝑑𝑥 =
𝑑𝑢
2𝑥
Die zweite Variante ist jetzt bei diesem Beispiel unnötig kompliziert. Es gibt aber Integrale, bei
denen diese einfacher ist.
Setzt man die Substitutionen in das ursprüngliche Integral ein, so erhält man:
∫𝑥 · 𝑐𝑜𝑠(𝑥2 + 2)𝑑𝑥 = ∫𝑥 · 𝑐𝑜𝑠(𝑢) ·𝑑𝑢
2𝑥⏟=𝑑𝑥
=1
2∫𝑐𝑜𝑠 𝑢 𝑑𝑢 =
𝑠𝑖𝑛 𝑢
2=𝑠𝑖𝑛 (𝑥2 + 2)
2+ 𝐶
Wäre nun das bestimmte Integral ∫ 𝑥 · cos(𝑥2 + 2)𝑑𝑥2
0 gesucht, kann man entweder die gleichen
Integrationsgrenzen (also 0 bis 2) erst nach der Rücksubstitution einsetzen, oder man kann die
Integrationsgrenzen der Substitution anpassen und muss dann nichts mehr Rücksubstituieren.
Mit Rücksubstitution:
∫ 𝑥 · 𝑐𝑜𝑠(𝑥2 + 2)𝑑𝑥2
0
= [𝑠𝑖𝑛(𝑥2 + 2)
2]0
2
=𝑠𝑖𝑛(6)
2−𝑠𝑖𝑛(2)
2
Analysis PVK 2019 33 © Crameri/Grass
Mit Grenzen anpassen: 𝑢(𝑥) = 𝑥2 + 2 untere Grenze: 𝑢(0) = 02 + 2 = 2 obere Grenze: 𝑢(2) = 22 + 2 = 6
∫ 𝑥 · 𝑐𝑜𝑠(𝑥2 + 2)𝑑𝑥2
0
= ∫ 𝑥 · 𝑐𝑜𝑠 𝑢 ·𝑑𝑢
2𝑥
6
2
=1
2∫ 𝑐𝑜𝑠 𝑢 𝑑𝑢6
2
= [𝑠𝑖𝑛 𝑢
2]2
6
=𝑠𝑖𝑛(6)
2−𝑠𝑖𝑛(2)
2
Ein zweites etwas komplizierteres Beispiel:
Man soll folgendes Integral ohne Integraltabelle lösen.
∫√𝑥2 − 4𝑑𝑥 = ?
Bei solchen Wurzeln ist die Idee, dass man unter der Wurzel sowas wie 1 − sin2 𝑢 = cos2 𝑢 ,
1 + sinh2𝑢 = cosh2 𝑢 oder cosh2 𝑢 − 1 = sinh2 𝑢 zu stehen bekommt. Davon kann man dann leicht
die Wurzel ziehen, und das Integral wird lösbar.
Zunächst formen wir ein wenig um:
∫√𝑥2 − 4 𝑑𝑥 = ∫√4(𝑥2
4− 1)𝑑𝑥 = 2∫√
𝑥2
4− 1𝑑𝑥
Nun substituieren wir: 𝑥2
4= cosh2(u) bzw. 𝑥 = 2 cosh𝑢
BEMERKUNG: Diese Substitution wird für unser Integral auch von obiger Tabelle vorgeschlagen.
Hier geht nun die Berechnung von 𝑑𝑥 einfacher mit 𝑑𝑥
𝑑𝑢 als mit
𝑑𝑢
𝑑𝑥:
Ableiten von 𝑥 = 2 cosh𝑢 nach 𝑢 ergibt: 𝑥′(𝑢) =𝑑𝑥
𝑑𝑢= 2 sinh 𝑢 ↝ 𝑑𝑥 = 2 sinh 𝑢 · 𝑑𝑢
2∫√𝑥2
4⏟=𝑐𝑜𝑠ℎ2 𝑢
− 1 · 𝑑𝑥⏟2 𝑠𝑖𝑛ℎ 𝑢 𝑑𝑢
= 2∫√𝑐𝑜𝑠ℎ2 𝑢 − 1⏟ =𝑠𝑖𝑛ℎ 𝑢
2 𝑠𝑖𝑛ℎ 𝑢 𝑑𝑢 = 4∫𝑠𝑖𝑛ℎ2 𝑢 𝑑𝑢
Dieses Integral kann dann durch partielle Integration und mithilfe von cosh2 𝑢 − sinh2 𝑢 = 1 gelöst
werden:
∫𝑠𝑖𝑛ℎ 𝑢⏟ 𝑢′
· 𝑠𝑖𝑛ℎ 𝑢⏟ 𝑣
𝑑𝑢 = 𝑐𝑜𝑠ℎ 𝑢 𝑠𝑖𝑛ℎ 𝑢 −∫𝑐𝑜𝑠ℎ2 𝑢 𝑑𝑢 = 𝑐𝑜𝑠ℎ 𝑢 𝑠𝑖𝑛ℎ 𝑢 −∫(1 + 𝑠𝑖𝑛ℎ2 𝑢)⏟ =𝑐𝑜𝑠ℎ2 𝑢
𝑑𝑢
Formt man diese Gleichung um, so erhält man:
2∫𝑠𝑖𝑛ℎ2 𝑢 𝑑𝑢 = 𝑐𝑜𝑠ℎ 𝑢 𝑠𝑖𝑛ℎ 𝑢 − ∫ 1𝑑𝑢 = 𝑐𝑜𝑠ℎ 𝑢 𝑠𝑖𝑛ℎ 𝑢 − 𝑢 + 𝐶
Damit folgt für unser Integral
∫√𝑥2 − 4𝑑𝑥 = 4∫ 𝑠𝑖𝑛ℎ2 𝑢 𝑑𝑢 = 2 𝑐𝑜𝑠ℎ 𝑢 𝑠𝑖𝑛ℎ 𝑢 − 2𝑢 + 𝐶
Die Rücksubstitution ergibt
∫√𝑥2 − 4𝑑𝑥 = 2 𝑐𝑜𝑠ℎ (𝐴𝑟𝑐𝑜𝑠ℎ (𝑥
2)
⏟ =𝑢
)𝑠𝑖𝑛ℎ (𝐴𝑟𝑐𝑜𝑠ℎ (𝑥
2)) − 2𝐴𝑟𝑐𝑜𝑠ℎ (
𝑥
2) + 𝐶
= 𝑥 𝑠𝑖𝑛ℎ (𝐴𝑟𝑐𝑜𝑠ℎ (𝑥
2)) − 2𝐴𝑟𝑐𝑜𝑠ℎ (
𝑥
2) + 𝐶
Dies ist eigentlich schon eine Lösung. Wenn man Zeit und Lust hat, kann man das Ergebnis noch
etwas umformen. Dafür verwenden wir folgende zwei Beziehungen:
Analysis PVK 2019 34 © Crameri/Grass
𝐴𝑟𝑐𝑜𝑠ℎ(𝑎) = 𝑙𝑛 (𝑎 + √𝑎2 − 1)
𝑐𝑜𝑠ℎ2 − 𝑠𝑖𝑛ℎ2 = 1 ⇒ 𝑠𝑖𝑛ℎ (𝐴𝑟𝑐𝑜𝑠ℎ (𝑥
2)) = √𝑐𝑜𝑠ℎ2 (
𝑥
2) − 1 = √
𝑥2
4− 1
Setzen wir diese Beziehungen in die Lösung von oben ein, erhalten wir
𝑥 𝑠𝑖𝑛ℎ (𝐴𝑟𝑐𝑜𝑠ℎ (𝑥
2)) − 2𝐴𝑟𝑐𝑜𝑠ℎ (
𝑥
2) + 𝐶 =𝑥√
𝑥2
4− 1 − 2 · 𝑙𝑛 (
𝑥
2+ √
𝑥2
4− 1) + 𝐶
=𝑥
2√𝑥2 − 4 − 2 · 𝑙𝑛 (
1
2(𝑥 + √𝑥2 − 4)) + 𝐶
=𝑥
2√𝑥2 − 4 − 2 𝑙𝑛 (𝑥 + √𝑥2 − 4) − 2 · 𝑙𝑛 (
1
2) + 𝐶
⏟ ≔𝐶 (𝑛𝑒𝑢𝑒 𝐾𝑜𝑛𝑠𝑡𝑎𝑛𝑡𝑒)
=𝑥
2√𝑥2 − 4 − 2 𝑙𝑛 (𝑥 + √𝑥2 + 4) + 𝐶
7.5 Integration von gebrochenrationalen Funktionen
Gebrochenrationale Funktionen sind Brüche, deren Zähler und Nenner Polynome sind. Um diese
zu Integrieren, sollte man folgendes Schema verwenden:
1. Ist der Grad des Zählerpolynoms höher oder gleich dem Grad des Nennerpolynoms, so
muss zuerst eine Polynomdivision durchgeführt werden
2. Danach das Polynom so weit wie möglich in Partialbrüche zerlegen
3. Diese Partialbrüche können dann (evtl. durch Substitutionen, Ausklammern oder andere
Umformungen) auf eine der folgenden Standardintegrale zurückgeführt werden:
∫1
𝑥𝑑𝑥 = ln |𝑥| + 𝐶
∫1
1 + 𝑥2𝑑𝑥 = arctan 𝑥 + 𝐶 bzw. ∫
1
𝑎2 + 𝑥2𝑑𝑥 =
1
𝑎arctan (
𝑥
𝑎) + 𝐶;
∫1
1 − 𝑥2𝑑𝑥 = Artanh 𝑥 + 𝐶 bzw. ∫
1
𝑎2 − 𝑥2𝑑𝑥 =
1
𝑎Artanh (
𝑥
𝑎) + 𝐶
∫1
𝑥𝑠𝑑𝑥 =
−1
𝑠 − 1·1
𝑥𝑠−1+ 𝐶 (für s ≠ 1)
∫1
𝑥2 + 2𝑏𝑥 + 𝑐𝑑𝑥 =
1
√𝑐 − 𝑏2arctan (
𝑥 + 𝑏
√𝑐 − 𝑏2) + 𝐶
(Diese Letzte Formel gilt nur, wenn 𝑏2 − 𝑐 < 0 ⇔ 𝑥2 + 2𝑏𝑥 + 𝑐 keine reelle Nullstelle hat. )
Partialbruchzerlegung
Um eine Partialbruchzerlegung durchzuführen, muss zuerst der Nenner in Linearfaktoren zerlegt
werden. Dies bedeutet, man muss alle Nullstellen des Nenners finden. Dabei kann es sein, dass
man eine Nullstelle erraten muss und die restlichen mit Polynomdivision findet. Danach macht
man je nach Art der Nullstellen die folgenden Ansätze für die Partialbruchzerlegung:
Analysis PVK 2019 35 © Crameri/Grass
1
(𝑥 − 3)(𝑥 − 4)=
𝐴
𝑥 − 3+
𝐵
𝑥 − 4
Bei mehrfachen Nullstellen:
1
(𝑥 − 3)3(𝑥 − 4)=
𝐴
𝑥 − 3+
𝐵
(𝑥 − 3)2+
𝐶
(𝑥 − 3)3+
𝐷
𝑥 − 4
Falls es komplexe Nullstellen gibt lässt man im Nenner den quadratischen Term stehen. Für den
Zähler muss dann ein Ansatz 𝐴𝑥 + 𝐵 gemacht werden
1
(𝑥2 + 2𝑥 + 5)(𝑥 − 3)=
𝐴𝑥 + 𝐵
𝑥2 + 2𝑥 + 5+
𝐶
𝑥 − 3
Oder Falls mehrfache:
1
(𝑥2 + 2𝑥 + 5)2(𝑥 − 3)=
𝐴𝑥 + 𝐵
𝑥2 + 2𝑥 + 5+
𝐶𝑥 + 𝐷
(𝑥2 + 2𝑥 + 5)2+
𝐸
𝑥 − 3 𝑢𝑠𝑤.
Beispiel:
∫1 + 𝑥
𝑥3 − 7𝑥2 + 15𝑥 − 9𝑑𝑥 = ?
Zunächst müssen wir alle Nullstellen von 𝑥3 − 7𝑥2 + 15𝑥 − 9 finden. Da wir für Polynome 3. Ordnung
keine allgemeine Lösungsformel haben, müssen wir mindestens eine Nullstelle erraten.
Einige Tipps zum erraten von Nullstellen: Oft ist -1 oder 1 eine Nullstelle. Falls es weitere ganzzahlige
Nullstellen gibt, sind diese immer Teiler des Konstanten Glieds des Polynoms (hier also Teiler von 9).
Wir würden für dieses Polynom also zuerst mal -1, 1, -3, 3,-9 und 9 als Nullstellen ausprobieren. Wir
sehen dann durch einsetzen dass 1 und 3 tatsächlich Nullstellen sind. Die dritte Nullstelle kann
dann z.B. durch Polynomdivision gefunden werden:
(𝑥 − 3)(𝑥 − 1) = 𝑥2 − 4𝑥 + 3
(𝑥3—7𝑥2 + 15𝑥 − 9) ÷ (𝑥2 − 4𝑥 + 3) = (𝑥 − 3)
3 ist also eine doppelte Nullstelle. Die Faktorisierung des Nenners lautet:
𝑥3 − 7𝑥2 + 15𝑥 − 9 = (𝑥 − 1)(𝑥 − 3)2. Der Ansatz für die Partialbruchzerlegung ist damit
1 + 𝑥
(𝑥 − 1)(𝑥 − 3)2=
𝐴
𝑥 − 1+
𝐵
𝑥 − 3+
𝐶
(𝑥 − 3)2
Um die Konstanten 𝐴, 𝐵 und 𝐶 zu bestimmen bringt man zunächst alle Brüche auf den gleichen
Nenner
1 + 𝑥
(𝑥 − 1)(𝑥 − 3)2=
𝐴(𝑥 − 3)2
(𝑥 − 1)(𝑥 − 3)2+𝐵(𝑥 − 1)(𝑥 − 3)
(𝑥 − 1)(𝑥 − 3)2+
𝐶(𝑥 − 1)
(𝑥 − 1)(𝑥 − 3)2
Daraus folgt dann die Gleichung
1 + 𝑥 = 𝐴(𝑥 − 3)2 + 𝐵(𝑥 − 1)(𝑥 − 3) + 𝐶(𝑥 − 1)
Um daraus 𝐴, und 𝐶 zu bestimmen gibt es folgende zwei Möglichkeiten:
Möglichkeit 1: Ausmultiplizieren und Koeffizientenvergleich
Ausmultiplizieren und Zusammenfassen der Terme Gleicher Potenz bei obiger Gleichung
ergibt
𝑥 + 1 = (𝐴 + 𝐵)𝑥2 + (−6𝐴 − 4𝐵 + 𝐶)𝑥 + (9𝐴 + 3𝐵 − 𝐶)
Analysis PVK 2019 36 © Crameri/Grass
vergleicht man jeweils die Terme mit 𝑥2, und die Konstanten Terme links und recht ergibt
sich das Gleichungssystem
𝐴 + 𝐵 = 0−6𝐴 − 4𝐵 + 𝐶 = 19𝐴 + 3𝐵 − 𝐶 = 1
Dieses hat die Lösung 𝐴 =1
2, 𝐵 = −
1
2, 𝐶 = 2
Möglichkeit 2: Geeignete Werte für x einsetzten
Unsere Gleichung 1 + 𝑥 = 𝐴(𝑥 − 3)2 + 𝐵(𝑥 − 1)(𝑥 − 3) + 𝐶(𝑥 − 1) muss für alle Werte von 𝑥
erfüllt sein. Oft bekommt man sehr einfache Gleichungen wenn man „geschickte“ Werte
für 𝑥 einsetzt. Geschickte Werte sind meist die Nullstellen des Nennerpolynoms (da dann
viel wegfällt). Weitere geschickte Werte sind einfache Werte wie 0 oder 1.
Für 𝑥 = 3 wird die Gleichung zu: 4 = 𝐶 · 2 ↝ 𝐶 = 2
Für 𝑥 = 1 wird die Gleichung zu: 2 = 𝐴 · (−2)2 = 4𝐴 ↝ 𝐴 =1
2
Und für 𝑥 = 0 erhalten wir 1 = 9𝐴 + 3𝐵 − 𝐶 =9
2+ 3𝐵 − 2 ↝ 𝐵 = −
1
2
BEMERKUNG: Die 2. Variante ist oft deutlich weniger rechenaufwendig, da nicht ausmultipliziert
und kein Gleichungssystem gelöst werden muss.
Für unser Integral folgt schlussendlich
∫1 + 𝑥
𝑥3 − 7𝑥2 + 15𝑥 − 9𝑑𝑥 = ∫(
12
𝑥 − 1−
12
𝑥 − 3+
2
(𝑥 − 3)2) 𝑑𝑥 =
1
2𝑙𝑛|𝑥 − 1| −
1
2𝑙𝑛|𝑥 − 3| −
2
𝑥 − 3+ 𝐶
Beispiel:
Hat man einen quadratischen Term der sich nicht weiter faktorisieren lässt (=komplexe Nullstelle)
so hilft oft die Identität ∫1
𝑎2+𝑥2𝑑𝑥 =
1
𝑎arctan (
𝑥
𝑎). Meist muss man vorher noch etwas umformen und
substituieren.
∫1
𝑥2 − 2𝑥 + 3𝑑𝑥 = ∫
1
(𝑥 − 1)2 + 2𝑑𝑥
Nun substituieren wir 𝑥 − 1 = , leiten ab 𝑑𝑢
𝑑𝑥= 1 und erhalten 𝑑𝑢 = 𝑑𝑥. Damit wird das Integral zu
∫1
(𝑥 − 1)2 + 2𝑑𝑥 = ∫
1
𝑢2 + 2𝑑𝑢
Jetzt können wir die Formel ∫1
𝑎2+𝑥2𝑑𝑥 =
1
𝑎arctan (
𝑥
𝑎) mit 𝑎 = √2 und 𝑥 = 𝑢 verwenden.
∫1
𝑢2 + 2𝑑𝑢 =
1
√2𝑎𝑟𝑐𝑡𝑎𝑛 (
𝑢
√2) + 𝐶 =
1
√2𝑎𝑟𝑐𝑡𝑎𝑛 (
𝑥 − 1
√2) + 𝐶
BEMERKUNG: Dieses Integral geht auch schneller mit der oben aufgelisteten Formel
∫1
𝑥2 + 2𝑏𝑥 + 𝑐𝑑𝑥 =
1
√𝑐 − 𝑏2arctan (
𝑥 + 𝑏
√𝑐 − 𝑏2) + 𝐶
Analysis PVK 2019 37 © Crameri/Grass
Beispiel:
Hat man einen Nenner, der sich nicht faktorisieren lässt und steht im Zähler nicht nur eine
Konstante steht, sondern irgendwas nerviges mit 𝑥, können Umformungen wie die im folgenden
Beispiel hilfreich sein.
∫𝑥 + 1
𝑥2 − 2𝑥 + 3𝑑𝑥 =?
Bei solchen Integralen versuchen wir zuerst den Zähler so „herzurichten“, dass ein Teil davon der
Ableitung des Nenners entspricht, so dass wir die Formel ∫𝑓′(𝑥)
𝑓(𝑥)𝑑𝑥 = ln|𝑓(𝑥)| verwenden können:
∫𝑥 + 1
𝑥2 − 2𝑥 + 3𝑑𝑥 =
1
2∫
2𝑥 + 2
𝑥2 − 2𝑥 + 3𝑑𝑥 =
1
2∫2𝑥 − 2 + 4
𝑥2 − 2𝑥 + 3𝑑𝑥
=1
2[∫
2𝑥 − 2
𝑥2 − 2𝑥 + 3𝑑𝑥
⏟ 𝐼𝑛𝑡𝑒𝑔𝑟𝑎𝑙1
+∫4
𝑥2 − 2𝑥 + 3𝑑𝑥
⏟ 𝐼𝑛𝑡𝑒𝑔𝑟𝑎𝑙2
]
Integral1 kann mit ∫𝑓′(𝑥)
𝑓(𝑥)𝑑𝑥 = ln|𝑓(𝑥)| berechnet werden. Integral2 wird analog zum vorherigen
Beispiel berechnet.
𝐼𝑛𝑡𝑒𝑔𝑟𝑎𝑙1 = ∫2𝑥 − 2
𝑥2 − 2𝑥 + 3𝑑𝑥 = 𝑙𝑛( 𝑥2 − 2𝑥 + 3)
𝐼𝑛𝑡𝑒𝑔𝑟𝑎𝑙2 = ∫4
𝑥2 − 2𝑥 + 3𝑑𝑥 = 4∫
1
(𝑥 − 1)2 + 2𝑑𝑥 =
4
√2𝑎𝑟𝑐𝑡𝑎𝑛 (
𝑥 − 1
√2)
Daraus folgt für die Gesamtlösung
∫𝑥 + 1
𝑥2 − 2𝑥 + 3𝑑𝑥 =
1
2[𝐼𝑛𝑡𝑒𝑔𝑟𝑎𝑙1 + 𝐼𝑛𝑡𝑒𝑔𝑟𝑎𝑙2] =
1
2𝑙𝑛( 𝑥2 − 2𝑥 + 3) + √2 𝑎𝑟𝑐𝑡𝑎𝑛 (
𝑥 − 1
√2) + 𝐶
Beispiel:
Wenn der Grad des Zählerpolynoms ≥ Grad des Nennerpolynoms ist, muss zuerst Polynomdivision
durchgeführt werden.
∫𝑥2 + 1
𝑥2 − 2𝑥 + 3𝑑𝑥 =?
Mit einer Polynomdivision erhält man: (𝑥2 + 1) ÷ (𝑥2 − 2𝑥 + 3) = (1 +2𝑥−2
𝑥2−2𝑥+3)
∫𝑥2 + 1
𝑥2 − 2𝑥 + 3𝑑𝑥 = ∫1 +
2𝑥 − 2
𝑥2 − 2𝑥 + 3𝑑𝑥 = 𝑥 + 𝑙𝑛(𝑥2 − 2𝑥 + 3) + 𝐶
Analysis PVK 2019 38 © Crameri/Grass
7.6 Bestimmte Integrale von 𝑠𝑖𝑛𝑛 und 𝑐𝑜𝑠𝑛
Bestimmte Integrale der Form
∫ 𝑠𝑖𝑛𝑛 𝑥𝑠·𝜋2
𝑟·𝜋2
𝑑𝑥 𝑜𝑑𝑒𝑟 𝑎𝑢𝑐ℎ ∫ 𝑐𝑜𝑠𝑛 𝑥𝑠·𝜋2
𝑟·𝜋2
𝑑𝑥 𝑤𝑜𝑏𝑒𝑖 𝑟, 𝑠 ∈ ℤ 𝑢𝑛𝑑 𝑛 ≥ 2
Kann man mit folgenden Rekursionsformeln ziemlich effizient berechnen
∫ 𝑠𝑖𝑛𝑛 𝑥𝑠·𝜋2
𝑟·𝜋2
𝑑𝑥 =𝑛 − 1
𝑛∫ 𝑠𝑖𝑛𝑛−2 𝑥𝑠·𝜋2
𝑟·𝜋2
𝑑𝑥
∫ 𝑐𝑜𝑠𝑛 𝑥𝑠·𝜋2
𝑟·𝜋2
𝑑𝑥 =𝑛 − 1
𝑛∫ 𝑐𝑜𝑠𝑛−2 𝑥𝑠·𝜋2
𝑟·𝜋2
𝑑𝑥
ACHTUNG: Die Grenzen müssen ganzzahlige vielfache von 𝜋
2 sein und 𝑛 muss ≥ 2 sein! Die Formel
kann auch mehrfach angewendet werden.
Beispiele:
∫ 𝑠𝑖𝑛3 𝑥 𝑑𝑥
𝜋2
0
=2
3· ∫ 𝑠𝑖𝑛 𝑥 𝑑𝑥
𝜋2
0
=2
3· [− 𝑐𝑜𝑠 𝑥]0
𝜋2 =
2
3· 1 =
2
3
∫ 𝑠𝑖𝑛7 𝑥 𝑑𝑥
𝜋2
0
=6
7· ∫ 𝑠𝑖𝑛5 𝑥 𝑑𝑥
𝜋2
0
=6
7·4
5· ∫ 𝑠𝑖𝑛3 𝑥 𝑑𝑥
𝜋2
0
=6
7·4
5·2
3· ∫ 𝑠𝑖𝑛1 𝑥 𝑑𝑥
𝜋2
0⏟ =1
=16
35
Im folgenden Beispiel wird ausgenutzt, dass die Formel auch für 𝑛 = 2 gilt
∫ 𝑐𝑜𝑠4 𝑥 𝑑𝑥
3𝜋2
𝜋
=3
4· ∫ 𝑐𝑜𝑠2 𝑥 𝑑𝑥
3𝜋2
𝜋
=3
4·1
2· ∫ 𝑐𝑜𝑠0 𝑥⏟
=1
𝑑𝑥
3𝜋2
𝜋
=3
4·1
2· ∫ 1𝑑𝑥
3𝜋2
𝜋
=3
8· (3𝜋
2− 𝜋) =
3𝜋
16
7.7 Integral Tabelle sin/cos
∫ ∫
𝜋2
0
∫𝜋
0
∫2𝜋
0
∫
𝜋2
−𝜋2
∫𝜋
−𝜋
sin x 1 2 0 0 0
sin2 x 𝜋/4 𝜋/2 𝜋 𝜋/2 𝜋
sin3 x 2/3 4/3 0 0 0
sin4 x (3 𝜋)/16 (3 𝜋)/8 (3 𝜋)/4 (3 𝜋)/8 (3 𝜋)/4
cos x 1 0 0 2 0
cos2 x 𝜋/4 𝜋/2 𝜋 𝜋/2 𝜋
cos3 x 2/3 0 0 4/3 0
cos4 x (3 𝜋)/16 (3 𝜋)/8 (3 𝜋)/4 (3 𝜋)/8 (3 𝜋)/4
sin x cos x 1/2 0 0 0 0
sin2 x cos x 1/3 0 0 2/3 0
sin x cos2 x 1/3 2/3 0 0 0
Analysis PVK 2019 39 © Crameri/Grass
7.8 Bestimmte Integrale von geraden und ungeraden Funktionen
Ein bestimmtes Integral über ein symmetrisches Intervall (d.h. z.B. von -3 bis 3) von einer
ungeraden Funktion ergibt 0.
∫ 𝑢𝑛𝑔𝑒𝑟𝑎𝑑𝑒𝑓𝑘𝑡(𝑥)𝑎
−𝑎
𝑑𝑥 = 0
𝑓(𝑥) ist ungerade, wenn 𝑓(−𝑥) = −𝑓(𝑥)
Ein bestimmtes Integral über ein symmetrisches Intervall (d.h. z.B. von -3 bis 3) von einer geraden
Funktion kann man wie folgt etwas vereinfachen:
∫ 𝑔𝑒𝑟𝑎𝑑𝑒𝑓𝑘𝑡(𝑥)𝑑𝑥𝑎
−𝑎
= 2∫ 𝑔𝑒𝑟𝑎𝑑𝑒𝑓𝑘𝑡(𝑥)𝑑𝑥𝑎
0
𝑓(𝑥) ist gerade, wenn 𝑓(−𝑥) = 𝑓(𝑥)
7.9 Ableitungen von Integralen
Falls man die Ableitung von Integralen berechnen soll ist es oft einfacher den Hauptsatz der
Infinitesimalrechnung zu benutzen, anstatt das Integral auszurechnen und anschliessend
abzuleiten:
Falls eine Grenze 𝑎 des Integrals Konstant ist gilt:
𝑑
𝑑𝑥∫ 𝑓(𝑡)𝑥
𝑎
𝑑𝑡 = 𝑓(𝑥) 𝑏𝑧𝑤.𝑑
𝑑𝑥∫ 𝑓(𝑡)𝑑𝑡𝑎
𝑥
= −𝑓(𝑥)
Falls die Grenzen Funktionen von 𝑥 sind:
𝑑
𝑑𝑥∫ 𝑓(𝑡)𝑑𝑡𝑏(𝑥)
𝑎(𝑥)
= 𝑓(𝑏(𝑥)) · 𝑏′(𝑥) − 𝑓(𝑎(𝑥)) · 𝑎′(𝑥)
Im allgemeinsten Fall hängt auch der Integrand 𝑓 von 𝑥 ab. Dann gilt:
𝑑
𝑑𝑥∫ 𝑓(𝑡, 𝑥)𝑑𝑡 = 𝑓(𝑏(𝑥), 𝑥) · 𝑏′(𝑥) − 𝑓(𝑎(𝑥), 𝑥) · 𝑎′(𝑥) + ∫
𝜕
𝜕𝑥𝑓(𝑡, 𝑥)𝑑𝑡
𝑏(𝑥)
𝑎(𝑥)
𝑏(𝑥)
𝑎(𝑥)
7.10 Uneigentliche Integrale
Uneigentliche Integrale braucht man in den folgenden drei Fällen:
1. Eine oder beide Integrationsgrenzen ist/sind ∞ oder −∞
2. Die zu Integrierende Funktion ist an der einen Grenze nicht definiert. Dies ist zum Beispiel
der Fall, wenn eine Grenze bei einer Polstelle (Nullstelle des Nennerpolynoms) liegt.
3. Das integral verläuft über eine Stelle, an der die Funktion nicht definiert ist, z.B. wenn eine
Polstelle innerhalb des Integrationsbereichs liegt. In diesem Fall muss man das Integral
aufteilen.
Analysis PVK 2019 40 © Crameri/Grass
Allgemein gesagt braucht man uneigentliche Integrale immer dann, wenn ein Teil einer Fläche
„bis ins Unendliche“ reicht. In diesem Fall ersetzt man die entsprechende Grenze durch eine
Variable und bildet dann den Grenzwert dieser Variable gegen den entsprechenden Wert. Wie
man Grenzwerte bildet kannst du im Kapitel über Grenzwerte nachlesen. Existiert dieser
Grenzwert, so sagt man: das Integral konvergiert. Wird dieser Grenzwert ±∞, so ist die Funktion
nicht integrierbar.
Beispiel zu 1:
∫1
𝑥2
∞
1
𝑑𝑥 = 𝑙𝑖𝑚𝑎→∞
∫1
𝑥2
𝑎
1
𝑑𝑥 = 𝑙𝑖𝑚𝑎→∞
[−1
𝑥]1
𝑎
= 𝑙𝑖𝑚𝑎→∞
(−1
𝑎+1
1) = 0 + 1 = 1
Beispiel zu 2:
∫1
𝑥2𝑑𝑥
1
0
= 𝑙𝑖𝑚𝑎→0+
∫1
𝑥2𝑑𝑥
1
𝑎
= 𝑙𝑖𝑚𝑎→0+
[−1
𝑥]𝑎
1
= 𝑙𝑖𝑚𝑎→0+
(−1
1+1
𝑎) = −1 +∞ =∞
Somit konvergiert dieses Integral nicht.
Beispiel zu 3:
∫1
1 − 𝑥𝑑𝑥
2
0
=?
Wichtig hier ist zu erkennen, dass der Integrand eine Polstelle bei 𝑥 = 1 besitzt. Dies liegt im
Integrationsbereich. Somit muss das Integral aufgeteilt und mittels zwei uneigentlichen Integralen
gelöst werden. Ausserdem muss man beachten, von welcher Seite man sich dem Grenzwert
annähert!
∫1
(1 − 𝑥)2𝑑𝑥
2
0
= ∫1
(1 − 𝑥)2𝑑𝑥
1
0
+∫1
(1 − 𝑥)2𝑑𝑥
2
1
= 𝑙𝑖𝑚𝑎→1−
∫1
(1 − 𝑥)2𝑑𝑥
𝑎
0
+ 𝑙𝑖𝑚𝑎→1+
∫1
(1 − 𝑥)2𝑑𝑥
2
𝑎
= 𝑙𝑖𝑚𝑎→1−
[1
1 − 𝑥]0
𝑎
+ 𝑙𝑖𝑚𝑎→1+
[1
1 − 𝑥]𝑎
2
= 𝑙𝑖𝑚𝑎→1−
[1
1 − 𝑎−1
1] + 𝑙𝑖𝑚
𝑎→1+[1
1 − 2−
1
1 − 𝑎] (𝐴𝐶𝐻𝑇𝑈𝑁𝐺: 𝑙𝑖𝑛𝑘𝑠 − 𝑟𝑒𝑐ℎ𝑡𝑠𝑔𝑟𝑒𝑛𝑧𝑤𝑒𝑟𝑡𝑒 𝑏𝑒𝑎𝑐ℎ𝑡𝑒𝑛!)
= +∞ − 1 − 1 +∞ =∞
Dieses Integral konvergiert nicht.
Analysis PVK 2019 41 © Crameri/Grass
8 Mehrdimensionale Integralrechnung
8.1 Allgemeines
Bei mehrdimensionalen Integralen integriert man nicht mehr über ein Linienelement 𝑑𝑥 sondern
über ein Flächenelement 𝑑𝑥𝑑𝑦 oder ein Volumenelement 𝑑𝑥𝑑𝑦𝑑𝑧 . Mehrfachintegrale sind
ineinander „verschachtelte“ Integrale.
Zum folgenden Beispiel
∭𝑓(𝑥, 𝑦, 𝑧)𝑑𝑉 =𝐵
∫ ∫ ∫ 𝑓(𝑥, 𝑦, 𝑧)𝑏(𝑦,𝑧)
𝑎(𝑦,𝑧)
𝑑𝑥𝑑𝑦𝑑𝑧𝑑(𝑧)
𝑐(𝑧)
𝑓
𝑒
∗
beachte man die folgenden Punkte:
Die inneren Integrationsgrenzen dürfen nur von äusseren Integrationsvariablen abhängen!
(Heisst hier etwa 𝑎 und 𝑏 dürfen nur von 𝑦 und 𝑧 abhängen, nicht von 𝑥. Und 𝑐 und 𝑑
dürfen nur von 𝑧 abhängen, nicht von 𝑥, 𝑦.
Um z.B. die Integrationsgrenzen 𝑎 und 𝑏 zu bestimmen, muss man sich überlegen, welche
Werte von 𝑥 für fixe 𝑦, 𝑧 zum Integrationsbereich gehören.
Sind die Integrationsgrenzen Funktionen von äusseren Variablen, kann man die
Reihenfolge nicht einfach so vertauschen (siehe unten)
Sind die Integrationsgrenzen hingegen konstant, so kann die Integrationsreihenfolge
beliebig vertauscht werden:
∫ ∫ ∫ 𝑓(𝑥, 𝑦, 𝑧)𝑑𝑥𝑏
𝑎
𝑑𝑦𝑑
𝑐
𝑑𝑧𝑓
𝑒
= ∫ ∫ ∫ 𝑓(𝑥, 𝑦, 𝑧)𝑑𝑦𝑑
𝑐
𝑑𝑧𝑓
𝑒
𝑑𝑥𝑏
𝑎
= ⋯ (a, b, c, d, e, f = const. )
Beim Lösen von * würde man zuerst das Integral ∫ 𝑓(𝑥, 𝑦, 𝑧)𝑏(𝑦,𝑧)
𝑎(𝑦,𝑧)𝑑𝑥 lösen. Danach darf die
Variable 𝑥 nicht mehr im Integranden vorkommen!
8.2 Integrationsgrenzen finden und Reihenfolge vertauschen
Bei einigen Aufgaben ist es extrem mühsam ein Mehrfachintegral in der gegebenen Form zu
lösen. Es kann sein, dass es einfacher wird, wenn man die Integrationsreihenfolge vertauscht. Oft
muss man dafür zuerst die Umkehrfunktionen der Grenzen berechnen. Es empfiehlt sich dafür
immer eine Skizze des Integrationsgebiets zu machen. Es kann auch vorkommen, dass man das
Integral in mehrere Integrale aufteilen muss, um die Reihenfolge ändern zu können. Oft ist eine
Skizze sehr hilfreich!
Beispiel:
Gesucht ist die Fläche des Gebietes 𝐴. D.h. man muss ∬ 1 𝑑𝐴𝐴
berechnen.
Integration 𝑑𝑦𝑑𝑥:
∬𝑑𝐴𝐴
= ∫ (∫ 1 𝑑𝑦𝑥2
0
)𝑑𝑥2
−2
= ∫ 𝑥2𝑑𝑥2
−2
=16
3
Analysis PVK 2019 42 © Crameri/Grass
Falls man nun aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen die Reihenfolge vertauschen möchte
(macht hier wenig Sinn) geht man folgendermassen vor:
Umkehrfunktion: 𝑦 = 𝑥2 ↝ 𝑥 = ±√𝑦
Integration 𝑑𝑥𝑑𝑦:
∬𝑑𝐴𝐴
= ∫ (∫ 1 𝑑𝑥−√𝑦
−2
) 𝑑𝑦𝟒
𝟎
+∫ (∫ 12
√𝑦
𝑑𝑥) 𝑑𝑦𝟒
𝟎
= ∫ (−√𝑦4
0
+ 2)𝑑𝑦 + ∫ (2 − √𝑦4
0
)𝑑𝑦
= ∫ (4 − 2√𝑦4
0
)𝑑𝑦 =16
3
BEMERKUNG: Es empfiehlt sich immer (auch bei nicht kartesischen Koordinaten) in positive
Koordinatenrichtungen zu integrieren. Andernfalls muss man noch berücksichtigen, dass die
infinitesimalen Elemente 𝑑𝑥, 𝑑𝑦, 𝑑𝑧 negativ werden: ∫ 𝑓(𝑥)𝑑𝑥 = −∫ 𝑓(𝑥)𝑑𝑥𝑎
𝑏
𝑏
𝑎
8.3 Koordinatentransformationen
Oft ist es viel einfacher eine Aufgabe nicht in kartesischen, sondern in anderen Koordinaten zu
lösen. (eigentlich ist es bei solchen Aufgaben meist unmöglich, das Problem in kartesischen
Koordinaten zu lösen ;-) )
Werden die kartesischen Koordinaten 𝑥, 𝑦, 𝑧 durch neue Koordinaten 𝑢, 𝑣, 𝑤 ersetzt muss man
aufpassen, dass die infinitesimalen Flächenelemente 𝑑𝑥𝑑𝑦 oder Volumenelemente 𝑑𝑥𝑑𝑦𝑑𝑧 nicht
einfach zu 𝑑𝑢𝑑𝑣 bzw. 𝑑𝑢𝑑𝑣𝑑𝑤 werden, sondern es kommt noch ein Verzerrungsfaktor hinzu. (Man
muss ja auch beim eindimensionalen Integral das 𝑑𝑥 der Substitution anpassen.)
Den Verzerrungsfaktor berechnet man durch die Jacobideterminante:
𝑑𝑉 = 𝑑𝑥𝑑𝑦𝑑𝑧 = 𝑑𝑒𝑡(𝐽) · 𝑑𝑢𝑑𝑣𝑑𝑤 = |
𝑥𝑢 𝑥𝑣 𝑥𝑤𝑦𝑢 𝑦𝑣 𝑦𝑤𝑧𝑢 𝑧𝑣 𝑧𝑤
| 𝑑𝑢𝑑𝑣𝑑𝑤
Oder in 2D:
𝑑𝐴 = 𝑑𝑥𝑑𝑦 = 𝑑𝑒𝑡(𝐽) 𝑑𝑢𝑑𝑣 = |𝑥𝑢 𝑥𝑣𝑦𝑢 𝑦𝑣
| 𝑑𝑢𝑑𝑣
Dafür muss man zuerst die alten Koordinaten 𝑥, 𝑦, 𝑧 mithilfe der neuen ausdrücken: 𝑥 = 𝑥(𝑢, 𝑣, 𝑤),
𝑦 = 𝑦(𝑢, 𝑣, 𝑤), 𝑧 = 𝑧(𝑢, 𝑣, 𝑤) , dann alle partiellen Ableitungen bilden und die Determinante
berechnen. (Kann sehr mühsam sein)
Beispiel: Zylinderkoordinaten
𝑟 = √𝑥2 + 𝑦2; 𝜑 = 𝑎𝑟𝑐𝑡𝑎𝑛 (𝑦
𝑥) ; 𝑧 = 𝑧
⇒ 𝑥 = 𝑟 · 𝑐𝑜𝑠 𝜑 ; 𝑦 = 𝑟 · 𝑠𝑖𝑛 𝜑 ; 𝑧 = 𝑧
Jacobideterminante:
|𝐽| = |
𝑥𝑟 𝑥𝜑 𝑥𝑧𝑦𝑟 𝑦𝜑 𝑦𝑧𝑧𝑟 𝑧𝜑 𝑧𝑧
| = |𝑐𝑜𝑠 𝜑 −𝑟 𝑠𝑖𝑛 𝜑 0𝑠𝑖𝑛 𝜑 𝑟 𝑐𝑜𝑠 𝜑 00 0 1
| = 1 · (𝑟 𝑐𝑜𝑠2(𝜑) + 𝑟 𝑠𝑖𝑛2(𝜑)) = 𝑟
Das ergibt: 𝑑𝑉 = 𝑑𝑥𝑑𝑦𝑑𝑧 = 𝑟 · 𝑑𝑟𝑑𝑧𝑑𝜑
Analysis PVK 2019 43 © Crameri/Grass
Für die gängigsten Koordinaten lohnt es sich, das Ganze auf die Zusammenfassung zu schreiben:
Zylinder/Polar (𝑟, 𝜑, 𝑧) Kugel (𝑟, 𝜑, 𝜃) Ellipse/Ellipsenzylinder
(𝑟, 𝜑, 𝑧)
𝑥 = 𝑟 ∙ cos𝜑
𝑦 = 𝑟 ∙ sin𝜑
𝑧 = 𝑧
𝑑𝐴 = 𝑟 𝑑𝑟 𝑑𝜑
𝑑𝑉 = 𝑟 𝑑𝑟 𝑑𝜑 𝑑𝑧
𝑑𝑂 = 𝑅 𝑑𝜑𝑑𝑧
𝑥 = 𝑟 sin 𝜃 cos 𝜑
𝑦 = 𝑟 sin 𝜃 sin𝜑
𝑧 = 𝑟 𝑐𝑜𝑠𝜃
𝑑𝑉 = 𝑟2 sin 𝜃 𝑑𝑟𝑑𝜑𝑑𝜃
𝑑𝑂 = 𝑅2 sin 𝜃 𝑑𝜑𝑑𝜃
𝑥 = 𝑎 ∙ 𝑟 ∙ cos 𝜑
𝑦 = 𝑏 ∙ 𝑟 ∙ sin𝜑
𝑧 = 𝑧
𝑑𝐴 = 𝑎 𝑏 𝑟 𝑑𝑟 𝑑𝜑
𝑑𝑉 = 𝑎 𝑏 𝑟 𝑑𝑟 𝑑𝜑 𝑑𝑧
𝑑𝑂 = 𝑎𝑏𝑑𝑧𝑑𝜑
ACHTUNG: Falls der Winkel 𝜃 bei den Kugelkoordinaten von der 𝑥, 𝑦-Ebene aus nach oben
gemessen wird, ist das Volumenelement 𝑑𝑉 = 𝑟2 cos(𝜃) 𝑑𝑟𝑑𝜑𝑑𝜃 und auch gilt z.B.
𝑥 = 𝑟 cos 𝜃 cos 𝜑!
Das 𝑑𝑂 in obiger Tabelle bezeichnet ein infinitesimales Stück der Oberfläche eines
dreidimensionalen Kreiszylinders/Kugel/Ellipsenzylinders (siehe Abschnitt Berechnung von
Oberflächen: 𝑑𝑂 = |𝑟𝑢 × 𝑟𝑣| 𝑑𝑢𝑑𝑣) Das R (als Grossbuchstabe) steht dabei für den fixen Radius des
Zylinders / der Kugel. Das R ist also eine konstante, im Gegensatz zu r das eine koordinate
bezeichnet.
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9 Anwendungen der Integralrechnung
Im Folgenden werden einige typische Anwendungen von Mehrfachintegralen dargestellt. Am
Ende jedes Unterkapitels sind jeweils noch Formeln aufgelistet, auf die man zwar auch mit
Mehrfachintegralen kommen kann, die es sich aber lohnt direkt zu verwenden, um Zeit zu sparen.
Nachfolgend steht 𝑓(𝑥) jeweils für eine explizit gegebene Kurve in der 2D-Ebene, also 𝑦 = 𝑓(𝑥).
𝑓′(𝑥) sei deren Ableitung und 𝑥 = 𝑓−1(𝑦) die Umkehrfunktion. Des Weiteren stehen 𝑥(𝑡) und 𝑦(𝑡) für
eine Parametrisierung einer ebenen Kurve, also 𝑟(𝑡) = (𝑥(𝑡), 𝑦(𝑡)).Es sind dann ��(𝑡) und ��(𝑡) die
Ableitungen nach dem Parameter 𝑡. Ausserdem steht 𝜌 = 𝜌(𝜑) für eine Kurve in Polarkoordinaten
und �� = 𝜌′(𝜑) wiederum für die Ableitung.
Es gelten dann die folgenden Zusammenhänge:
Will man eine explizit gegebene Kurve 𝑓(𝑥) als Parameterdarstellung schreiben, so geht
dies am einfachsten, wenn man 𝑥 als Parameter nimmt: 𝑟(𝑥) = (𝑥, 𝑓(𝑥)). Die Ableitung
nach dem Parameter 𝑥 ist dann: ��(𝑥) = (1, 𝑓′(𝑥))
Will man eine Kurve in Polarkoordinaten in eine Parameterdarstellung mit Parameter 𝜑
überführen, so ergibt sich: 𝑟(𝜑) = (𝜌 ∙ cos 𝜑 , 𝜌 ∙ sin𝜑) und für die Ableitung mit der
Produktregel: ��(𝜑) = (�� cos 𝜑 − 𝜌 sin𝜑 , �� sin𝜑 + 𝜌 cos𝜑)
Die Formeln sind nachfolgend jeweils für diese drei Darstellungsarten von Kurven angegeben.
9.1 Bogenlänge
𝐿 = ∫ |��(𝑡)|𝑡2
𝑡1
𝑑𝑡 = ∫ √��(𝑡)2 + ��(𝑡)2𝑑𝑡𝑡2
𝑡1
= ∫ √1 + (𝑓′(𝑥))2𝑑𝑥
𝑥2
𝑥1
= ∫ √𝜌2 + ��2𝑑𝜑𝜑2
𝜑1
9.2 Fläche
Um eine Teilfläche 𝐵 der 2D-Ebene zu berechnen Integriert man einfach die Funktion 𝑓 ≡ 1 über
das interessierende Gebiet 𝐵:
𝐴 =∬1 𝑑𝐴𝐵
Verzerrungsfaktor nicht vergessen, falls nicht in kartesischen Koordinaten gerechnet wird!
Fläche zwischen Kurve und x-Achse: (𝑑𝑥 =𝑑𝑥
𝑑𝑡∙ 𝑑𝑡 = ��(𝑡)𝑑𝑡)
𝐴 = ∫ 𝑓(𝑥)𝑑𝑥𝑥2
𝑥1
= ∫ 𝑦(𝑡) ��(𝑡) 𝑑𝑡𝑡2
𝑡1
Analysis PVK 2019 45 © Crameri/Grass
Fläche zwischen Kurve und y-Achse: (𝑑𝑦 =𝑑𝑦
𝑑𝑡∙ 𝑑𝑡 = ��(𝑡)𝑑𝑡 = 𝑓′(𝑥)𝑑𝑥)
𝐴 = ∫ 𝑥(𝑡)��(𝑡)𝑑𝑡𝑡2
𝑡1
= ∫ 𝑓−1(𝑦)𝑑𝑦𝑦2
𝑦1
= ∫ 𝑥 ∙ 𝑓′(𝑥)𝑑𝑥𝑥2
𝑥1
Sektorfläche (siehe Skizze) einer ebenen Kurve:
𝐴 = | 1
2∫ (𝑥(𝑡)��(𝑡) − ��(𝑡)𝑦(𝑡)) 𝑑𝑡𝑡2
𝑡1
| =1
2∫ (𝜌(𝜑))
2𝑑𝜑
𝜑2
𝜑1
Falls die Kurve geschlossen ist, d.h. (𝑥(𝑡1)𝑦(𝑡1)) = (𝑥(𝑡2), 𝑦(𝑡2)) kann auch die folgende Formel für
die Sektorfläche verwendet werden:
𝐴 = |∫ ��(𝑡)𝑦(𝑡)𝑑𝑡𝑡2
𝑡1
| = |∫ ��(𝑡)𝑥(𝑡)𝑑𝑡𝑡2
𝑡1
|
Etwas komplizierter wird es, falls eine zweidimensionale Oberfläche in einem 3D Raum berechnet
werden muss. In diesem Fall muss man die Fläche zuerst mit zwei Parametern (z.B. 𝑢, 𝑣 )
parametrisieren. D.h. man stellt alle Punkte 𝑟 der Fläche als Fkt. von 𝑢 und 𝑣 dar (𝑟 = 𝑟(𝑢, 𝑣)). Das
infinitesimale Oberflächenelement ergibt sich dann zu:
𝑑𝑂 = |𝑟𝑢 × 𝑟𝑣| 𝑑𝑢𝑑𝑣
Man muss also die partiellen Ableitungen bilden, das Kreuzprodukt ausrechnen und dann den
Betrag des resultierenden Vektors berechnen. (kann ziemlich mühsam sein)
Die Oberfläche ist dann:
𝐴 = ∬|𝑟𝑢 × 𝑟𝑣|𝐵
𝑑𝑢𝑑𝑣
Auf die gleiche Art können auch Funktionen über Oberflächen im 3D-Raum integriert werden
(kommt allerdings eher selten vor):
∬𝑓(𝑢, 𝑣) 𝐵
|𝑟𝑢 × 𝑟𝑣| 𝑑𝑢𝑑𝑣
HINWEIS: Bei einer Kugel mit Radius 𝑅 ist die Parametrisierung
𝑟 = 𝑟(𝜃, 𝜑) = (𝑅 sin 𝜃 cos𝜑𝑅 sin 𝜃 sin 𝜑𝑅 cos 𝜃
) und 𝑑𝑂 = |𝑟𝜃 × 𝑟𝜑|𝑑𝜃𝑑𝜑 = 𝑟2 sin 𝜃 𝑑𝜃𝑑𝜑 (𝜃 von oben gemessen)
Analysis PVK 2019 46 © Crameri/Grass
Ist die Oberfläche explizit durch eine Funktion 𝑓(𝑥) gegeben, ist deren Parametrisierung
𝑟(𝑥, 𝑦) = (
𝑥𝑦
𝑓(𝑥, 𝑦)) und die Oberfläche wird zu:
𝐴 =∬ √𝑓𝑥2 + 𝑓𝑦
2 + 1𝐵
𝑑𝑥𝑑𝑦
Oberfläche von Rotationskörper einer Kurve um die x-Achse:
𝐴 = 2𝜋∫ 𝑦(𝑡)√��(𝑡)2 + ��(𝑡)2𝑡2
𝑡1
𝑑𝑡 = 2𝜋∫ 𝑓(𝑥)√1 + 𝑓′(𝑥)2𝑥2
𝑥1
𝑑𝑥
Oberfläche von Rotationskörper einer Kurve um die y-Achse:
𝐴 = 2𝜋∫ 𝑥(𝑡)√��(𝑡)2 + ��(𝑡)2𝑡2
𝑡1
𝑑𝑡 = 2𝜋∫ 𝑥√1 + 𝑓′(𝑥)2𝑥2
𝑥1
𝑑𝑥
9.3 Volumen
Bei Volumen gilt das analoge zu Flächen. Man integriert die Funktion 𝑓 ≡ 1 über den
interessierenden Bereich 𝐵:
𝑉 =∭1 𝑑𝑉𝐵
Volumen des Rotationskörpers einer ebenen Kurve um die x-Achse (𝑑𝑥 =𝑑𝑥
𝑑𝑡𝑑𝑡 = ��(𝑡)𝑑𝑡):
𝑉 = 𝜋∫ 𝑦(𝑡)2��(𝑡) 𝑑𝑡𝑡2
𝑡1
= 𝜋∫ 𝑓(𝑥)2𝑑𝑥𝑥2
𝑥1
Analysis PVK 2019 47 © Crameri/Grass
Volumen des Rotationskörpers einer ebenen Kurve um die y-Achse (𝑑𝑦 =𝑑𝑦
𝑑𝑡∙ 𝑑𝑡 = ��(𝑡)𝑑𝑡 = 𝑓′(𝑥)𝑑𝑥)
𝑉 = 𝜋∫ 𝑥(𝑡)2��(𝑡)𝑑𝑡𝑡2
𝑡1
= 𝜋∫ (𝑓−1(𝑦))2𝑑𝑦
𝑦2
𝑦1
= 𝜋∫ 𝑥2 𝑓′(𝑥) 𝑑𝑥𝑥2
𝑥1
Oder falls der „äusserer Bereich“ um die y-Achse rotiert (𝑑𝑥 =𝑑𝑥
𝑑𝑡∙ 𝑑𝑡 = ��(𝑡)𝑑𝑡):
𝑉 = 2𝜋∫ 𝑥(𝑡)𝑦(𝑡)��(𝑡)𝑑𝑡𝑡2
𝑡1
= 2𝜋∫ 𝑥 𝑓(𝑥)𝑑𝑥𝑥2
𝑥1
9.4 Masseschwerpunkt
Der Schwerpunkt eines Körpers 𝐵 ist der Mittelpunkt aller Massenelemente. Man muss jede
Schwerpunktkoordinate separat ausrechnen. Zunächst berechnet man das Integral über alle
Massenelemente 𝑑𝑚 gewichtet mit der jeweiligen Koordinate (∭ 𝐾𝑜𝑜𝑟𝑑𝑖𝑛𝑎𝑡𝑒 · 𝑑𝑚𝐵
), dieses teilt
man dann durch die Gesamtmasse 𝑀 (∭ 𝑑𝑚𝐵
):
𝑀 =∭ 𝜌(𝑥, 𝑦, 𝑧) 𝑑𝑥𝑑𝑦𝑑𝑧⏟ =𝑑𝑉⏟
=𝑑𝑚
𝐵
𝜌 = 𝐷𝑖𝑐ℎ𝑡𝑒
𝑥𝑠 =
∭ 𝑥 · 𝜌(𝑥, 𝑦, 𝑧)𝑑𝑥𝑑𝑦𝑑𝑧⏟ =𝑑𝑚
𝐵
𝑀; 𝑦𝑠 =
∭ 𝑦 · 𝜌(𝑥, 𝑦, 𝑧)𝑑𝑥𝑑𝑦𝑑𝑧⏟ =𝑑𝑚
B
𝑀; 𝑧𝑠 =
∭ 𝑧 · 𝜌(𝑥, 𝑦, 𝑧)𝑑𝑥𝑑𝑦𝑑𝑧⏟ =𝑑𝑚
𝐵
𝑀
BEACHTE: Falls der Körper und die Dichteverteilung Symmetrien besitzen muss man nicht alle diese
Intergrale ausrechen. Der Schwerpunkt liegt dann auf der Symmetrieachse. Solche Symmetrien
gibt es eigentlich bei fast allen Aufgaben.
ACHTUNG: Falls der Körper zwar symmetrisch ist, aber die Dichteverteilung nicht, muss man
trotzdem das Integral berechnen!
Hat man mehrere Körper, berechnet man zunächst deren einzelne Schwerpunkte 𝑥𝑠 𝑖 und Massen
𝑀𝑖. Der Gesamtschwerpunkt ist dann:
𝑥𝑠 =∑ 𝑥𝑠 𝑖 · 𝑀𝑖𝑖
∑ 𝑀𝑖𝑖
Analysis PVK 2019 48 © Crameri/Grass
9.5 Volumenschwerpunkt
Der Volumenschwerpunkt ist der Mittelpunkt aller Volumenelemente. Hier bildet man zuerst das
Integral über die Koordinaten gewichtet mit den Volumenelemente 𝑑𝑉 und teilt dieses dann
durch das Gesamtvolumen 𝑉:
𝑉 =∭ 𝑑𝑥𝑑𝑦𝑑𝑧⏟ =𝑑𝑉𝐵
𝑥𝑠 =∭ 𝑥 · 𝑑𝑥𝑑𝑦𝑑𝑧
𝐵
𝑉; 𝑦𝑠 =
∭ 𝑦 · 𝑑𝑥𝑑𝑦𝑑𝑧𝐵
𝑉 ; 𝑧𝑠 =
∭ 𝑧 · 𝑑𝑥𝑑𝑦𝑑𝑧𝐵
𝑉
Bei mehreren Körpern wieder:
𝑥𝑠 =∑ 𝑥𝑠 𝑖 · 𝑉𝑖𝑖
∑ 𝑉𝑖𝑖
Auch hier unbedingt Symmetrien ausnutzen
Ist die Dichte konstant, fallen der Masseschwerpunkt und der Volumenschwerpunkt zusammen!
9.6 Flächenschwerpunkt
Hier wird der Mittelpunkt aller Flächenelemente in einer 2D-Ebene gesucht. Die Koordinaten
werden mit dem Flächenelement 𝑑𝐴 = 𝑑𝑥𝑑𝑦 gewichtet:
𝐴 =∬𝑑𝑥𝑑𝑦𝐵
𝑥𝑠 =∬ 𝑥 · 𝑑𝑥𝑑𝑦𝐵
𝐴; 𝑦𝑠 =
∬ 𝑦 · 𝑑𝑥𝑑𝑦𝐵
𝐴
Bei mehreren Flächen:
𝑥𝑠 =∑ 𝑥𝑠 𝑖 · 𝐴𝑖𝑖
∑ 𝐴𝑖𝑖
Der Schwerpunkt (𝑥𝑠, 𝑦𝑠) eines ebenen Körpers mit Fläche 𝐴 = ∫ 𝐻(𝑥)𝑑𝑥𝑥2𝑥1
= ∫ 𝐵(𝑦)𝑦2𝑦1
𝑑𝑦 ist gegeben
als:
𝑥𝑠 =1
𝐴∫ 𝑥𝐻(𝑥)𝑑𝑥 𝑥2
𝑥1
𝑦𝑠 =1
𝐴∫ 𝑦𝐵(𝑦)𝑑𝑦𝑦2
𝑦1
Hierbei ist 𝐻(𝑥) die „Höhe“ der Fläche im Abstand 𝑥 zur y-Achse und analog 𝐵(𝑥) die „Breite“ der
Fläche im Abstand 𝑦 zur x-Achse. 𝐻(𝑥)𝑑𝑥 und 𝐵(𝑦)𝑑𝑦 sind dann jeweils infinitesimale
Flächenelenente.
Analysis PVK 2019 49 © Crameri/Grass
9.7 Massenträgheitsmomente
Masseträgheitsmoment bezüglich x-Achse des Körpers 𝐵 mit Dichte 𝜌:
𝐼𝑥 =∭ (𝑦2 + 𝑧2)⏟ =𝐴𝑏𝑠𝑡𝑎𝑛𝑑2
· 𝜌(𝑥, 𝑦, 𝑧)𝑑𝑥𝑑𝑦𝑑𝑧⏟ =𝑑𝑚𝐵
Analog: 𝐼𝑦 =∭ (𝑥2 + 𝑧2) · 𝜌(𝑥, 𝑦, 𝑧)𝑑𝑥𝑑𝑦𝑑𝑧𝐵
; 𝐼𝑧 =∭ (𝑥2 + 𝑦2) · 𝜌(𝑥, 𝑦, 𝑧)𝑑𝑥𝑑𝑦𝑑𝑧𝐵
Massenträgheitsmoment bzgl. x-Achse des Rotationskörpers der expliziten Fkt. 𝑦 = 𝑦(𝑥) um die x-
Achse mit konstanter Dichte 𝜌:
𝐼𝑥 =1
2𝜌𝜋∫ 𝑦(𝑥)4
𝑥2
𝑥1
𝑑𝑥
Bei Rotation der parametrisierten Kurve (𝑥(𝑡), 𝑦(𝑡)) um die x-Achse:
𝐼𝑥 =1
2𝜌𝜋∫ 𝑦(𝑡)4 |��(𝑡)| 𝑑𝑡
𝑡2
𝑡1
9.8 Flächenträgheitsmomente
Flächenträgheitsmoment der Fläche 𝐵 bzgl. x-Achse resp. y-Achse:
𝐼𝑥 =∬𝑦2 𝑑𝑥𝑑𝑦𝐵
; 𝐼𝑦 =∬𝑥2 𝑑𝑥𝑑𝑦𝐵
ACHTUNG: Falls zu Polarkoordinaten gewechselt wird, wird z.B. 𝑥2 zu 𝑟2 cos2 𝜑 und 𝑑𝐴 = 𝑑𝑥𝑑𝑦 zu
𝒓𝑑𝑟𝑑𝜑. D.h. man hat dann insgesamt 𝑟𝟑!
Polares Flächenträgheitsmoment:
𝐼𝑝 = 𝐼𝑥 + 𝐼𝑦 =∬(𝑥2 + 𝑦2)𝑑𝑥𝑑𝑦𝐵
=∬𝑟3𝑑𝑟𝑑𝜑𝐵
9.9 Trägheitsmomente eindimensionaler Körper (Stäbe)
Es sei ein dünner Stab gegeben, der auf der x-Achse liegt und von 𝑥1 bis 𝑥2 ausgedehnt ist. Seine
Längendichte sei 𝜆(𝑥) [𝑘𝑔
𝑚] . (Oft ist 𝜆 = 𝑘𝑜𝑛𝑠𝑡. oder sogar ganz vernachlässigbar: 𝜆 = 1 ) Das
Trägheitsmoment des Stabes bezüglich der y-Achse ist dann:
𝐼𝑦 = ∫ 𝑥2𝜆(𝑥)𝑥2
𝑥1
𝑑𝑥
Analysis PVK 2019 50 © Crameri/Grass
10 Vektoranalysis
10.1 Begriffe
Im Folgenden werden als anschauliche Beispiele eine strömende Flüssigkeit im dreidimensionalen
Raum sowie eine Landschaftskarte (2D) verwendet.
Ein Skalarfeld 𝑓 = 𝑓(𝑥, 𝑦, 𝑧) ist eine Funktion die jedem Punkt im Raum eine Skalare Grösse
zuordnet. Dies könnte in unserem Beispiel die Temperatur der Flüssigkeit an einem Ort sein,
oder z.B. die Kinetische Energie eines Wasserpartikels an diesem Ort. Oder bei der Karte
wäre z.B. 𝑓(𝑥, 𝑦) ein Skalarfeld, das jedem Ort in der Ebene eine Höhe über dem Meer
zuordnet.
Ein Vektorfeld �� = (
𝑣1(𝑥, 𝑦, 𝑧)𝑣2(𝑥, 𝑦, 𝑧)
𝑣3(𝑥, 𝑦, 𝑧)) ordnet jedem Punkt im Raum ein Vektor, also eine Grösse in
eine gewisse Richtung zu. Das wäre z.B. die Geschwindigkeit eines Wasserpartikels in
jedem Punkt.
Ein Skalarfeld oder ein Vektorfeld heissen stationär, wenn ihre Werte nur vom Ort
(𝑥, 𝑦, 𝑧) und nicht von der Zeit 𝑡 abhängen. Wir werden uns eigentlich nur mit solchen
Vektorfeldern beschäftigen.
Die Divergenz 𝑑𝑖𝑣(��(𝑥, 𝑦, 𝑧)) = ∇ ∙ �� =𝜕��1
𝜕𝑥+𝜕��2
𝜕𝑦+𝜕��3
𝜕𝑧 ist eine Abbildung, die einem Vektorfeld
ein Skalarfeld zuordnet. Die Divergenz sagt etwas über die Quellstärke eines Vektorfeldes
aus. D.h. bei unserer Flüssigkeit, wo �� das Vektorfeld der Geschwindigkeit wäre, würde die
Divergenz (𝑑𝑖𝑣 ��) uns sagen, wie viel Flüssigkeit an einem Ort „produziert“ wird.
Die Rotation 𝑟𝑜𝑡(��(𝑥, 𝑦, 𝑧)) = ∇ × �� =
(
𝜕𝑣3
𝜕𝑦−𝜕𝑣2
𝜕𝑧
𝜕𝑣1
𝜕𝑧−𝜕𝑣3
𝜕𝑥𝜕𝑣2
𝜕𝑥−𝜕𝑣1
𝜕𝑦)
ist eine Abbildung,
die einem Vektorfeld
eine neues Vektorfeld zuordnet. Die Rotation sagt etwas über die Verwirbelung eines
Vektorfeldes aus. D.h. bei unserer Flüssigkeit wo �� das Vektorfeld der Geschwindigkeit
wäre, würde uns die Rotation 𝑟𝑜𝑡 �� sagen, ob es Wirbel gibt, wie stark diese sind, und in
welche Richtung sie zeigen. Die Rotation steht in jedem Punkt senkrecht auf der
Verwirbelung, wobei deren Umlaufsinn durch die Rechte-Hand-Regel gegeben ist. D.h.
der Rotationsvektor ist sozusagen die Rotationsachse der Verwirbelung und bildet mit
dieser eine Rechtsschraube.
Analysis PVK 2019 51 © Crameri/Grass
10.2 Übersicht und Identitäten
Gradient: 𝑔𝑟𝑎𝑑(𝑓(𝑥, 𝑦, 𝑧)) =
(
𝜕
𝜕𝑥𝜕
𝜕𝑦
𝜕
𝜕𝑧)
⏟ =��
𝑓(𝑥, 𝑦, 𝑧) = (
𝑓𝑥𝑓𝑦𝑓𝑧
) SkalarfeldVektorfeld
Divergenz: 𝑑𝑖𝑣(��) =
(
𝜕
𝜕𝑥𝜕
𝜕𝑦
𝜕
𝜕𝑧)
∙ (
𝑣1𝑣2𝑣3) =
𝜕��1
𝜕𝑥+𝜕��2
𝜕𝑦+𝜕��3
𝜕𝑧 VektorfeldSkalarfeld
Rotation: 𝑟𝑜𝑡(��) =
(
𝜕
𝜕𝑥𝜕
𝜕𝑦
𝜕
𝜕𝑧)
× (
𝑣1𝑣2𝑣3) =
(
𝜕𝑣3
𝜕𝑦−𝜕𝑣2
𝜕𝑧
𝜕𝑣1
𝜕𝑧−𝜕𝑣3
𝜕𝑥𝜕𝑣2
𝜕𝑥−𝜕𝑣1
𝜕𝑦)
Vektorfeld Vektorfeld
𝑔𝑟𝑎𝑑(𝑓𝑔) = 𝑓 𝑔𝑟𝑎𝑑(𝑔) + 𝑔 𝑔𝑟𝑎𝑑(𝑓)
𝑟𝑜𝑡(𝑓��) = 𝑓 𝑟𝑜𝑡(��) + 𝑔𝑟𝑎𝑑(𝑓) × ��
𝑑𝑖𝑣(𝑓��) = 𝑓 𝑑𝑖𝑣(��) + 𝑔𝑟𝑎𝑑(𝑓) ∙ ��
𝑑𝑖𝑣(�� × ��) = −�� ∙ 𝑟𝑜𝑡(��) + �� ∙ 𝑟𝑜𝑡(��)
𝑑𝑖𝑣(𝑔𝑟𝑎𝑑(𝑓)) = 𝑓𝑥𝑥 + 𝑓𝑦𝑦 + 𝑓𝑧𝑧 =: 𝛥𝑓 𝛥 =Laplaceoperator
𝑑𝑖𝑣(𝑟𝑜𝑡 ��) = 0 (Wirbelfelder sind quellenfrei)
𝑟𝑜𝑡(𝑔𝑟𝑎𝑑(𝑓)) = 0 (Potentialfelder sind wirbelfrei/konservativ)
𝑟𝑜𝑡(𝑟𝑜𝑡 ��) = 𝑔𝑟𝑎𝑑(𝑑𝑖𝑣 ��) − (𝛥𝑣1, 𝛥𝑣2, 𝛥𝑣3)𝑇
10.3 Fluss
Bei einem Vektorfeld kann man dessen Fluss durch eine Fläche berechnen. Im Beispiel einer
strömenden Flüssigkeit sagt der Fluss z.B. aus wie viel Liter Wasser pro Sekunde durch eine Fläche
fliessen. Der Fluss eines Vektorfelds ist definiert als:
𝛷 =∬ �� ∙ 𝑑𝐴 = ∬�� ∙ ��0 𝑑𝐴𝐴𝐴
Wobei ��0 hier ein normierter Normalenvektor auf die Fläche ist d.h. |𝑛0| = 1 . Diese Art der
Berechnung brauchen wir allerdings nur wenn die betrachtete Fläche eine Ebene ist. Ansonsten
müssen wir die betrachtete Fläche durch 𝑟 = 𝑟(𝑢, 𝑣) parametrisiere. Der Fluss ist dann:
𝛷 =∬ ��(𝑢, 𝑣) ∙ 𝑟𝑢(𝑢, 𝑣) × 𝑟𝑣(𝑢, 𝑣)⏟ =��𝐴
𝑑𝑢 𝑑𝑣
ACHTUNG: hier muss �� = 𝑟𝑢 × 𝑟𝑣 nicht normiert werden. Da der Betrag von �� gerade der
Korrekturfaktor des Oberflächenelementes ist (𝑑𝑂 = |𝑟𝑢 × 𝑟𝑣| 𝑑𝑢𝑑𝑣)
ACHTUNG: beachte die Richtung von 𝑟𝑢(𝑢, 𝑣) × 𝑟𝑣(𝑢, 𝑣)
Analysis PVK 2019 52 © Crameri/Grass
MERKE: Der Fluss durch eine Fläche in eine Richtung ist genau das negative wie der Fluss durch die
gleiche Fläche in die entgegengesetzte Richtung:
∬�� ∙ ��𝐴
= −∬�� ∙ (−��𝐴
)
10.4 Satz von Gauss
Der Satz von Gauss besagt, dass der Fluss durch eine geschlossene Fläche von innen nach aussen
das gleiche ist wie die Divergenz integriert über das Volumen, das diese Fläche einschliesst:
𝛷 =∯�� ∙ ��0 𝑑𝐴 =∭𝑑𝑖𝑣(��)𝑉
𝑑𝑉
Was im Volumen an Flüssigkeit produziert wird fliesst aussen raus
Bei Aufgaben wo der Fluss durch komplizierte Flächen gesucht ist, ist es oft gut zuerst mit dem Satz
von Gauss den Fluss durch ein Volumen zu berechnen und danach die nichtgewollten Teile
abzuziehen!
Beispiel:
Berechne den Fluss von unten nach oben (innen nach aussen) des
Vektorfledes �� = (𝑥 + 1, 3𝑦, 2𝑧 − 2) durch den Mantel (ohne Boden, der
rote Fluss in der Skizze) des Kreiskegels mit Grundfläche 𝑥2 + 𝑦2 < 4 bei
𝑧 = 0 und Spitze in (0,0,3).
Der Fluss von innen nach aussen durch das gesamte Volumen (Mantel und Boden) lässt sich mit
dem Satz von Gauss berechnen
𝛷𝐺𝑒𝑠𝑎𝑚𝑡 =∭ 𝑑𝑖𝑣(��)𝑑𝑉𝐾𝑒𝑔𝑒𝑙
=∭ 6 𝑑𝑉𝐾𝑒𝑔𝑒𝑙
= 6 ∙ 𝑉𝑜𝑙𝑢𝑚𝑒𝑛(𝐾𝑒𝑔𝑒𝑙) = 6 ∙1
3∙ 22𝜋 ∙ 3 = 24𝜋
Den Fluss von oben nach unten (innen nach aussen) durch den Boden erhält man mit der
Definition des Flussintegrals (Aufpassen muss man hier auf das Voreichen! Da wir den Fluss von
oben nach unten suchen, muss der Normalenvektor (0,0, −1) sein und nicht (0,0,1)
𝛷𝐵𝑜𝑑𝑒𝑛 =∬ �� ∙ (00−1)
𝐵𝑜𝑑𝑒𝑛
𝑑𝐴 = ∬ (−2𝑧 + 2)𝑑𝐴𝐵𝑜𝑑𝑒𝑛
=⏟𝑧=0
∬ 2𝑑𝐴𝐵𝑜𝑑𝑒𝑛
= 2 ∙ 𝐹𝑙ä𝑐ℎ𝑒(𝐵𝑜𝑑𝑒𝑛) = 2 ∙ 22𝜋
= 8𝜋
Der Gesuchte Fluss ist dann
𝛷𝑀𝑎𝑛𝑡𝑒𝑙 = 𝛷𝐺𝑒𝑠𝑎𝑚𝑡 − 𝛷𝐵𝑜𝑑𝑒𝑛 = 24𝜋 − 8𝜋 = 16𝜋
10.5 Arbeit
Die Arbeit W, die ein Vektorfeld entlang eines Weges 𝛾 verrichtet, ist gegeben durch das
Wegintegral entlang 𝛾 vom Start- bis zum Endpunkt:
𝑊 = ∫��(𝑟) ∙ 𝑑𝑟𝛾
Analysis PVK 2019 53 © Crameri/Grass
Um dieses Integral konkret auszurechnen parametrisiert man den Weg 𝛾 . Es ist dann 𝑟(𝑡) die
Parametrisierung von 𝛾 mit Parameter 𝑡 . 𝑑𝑟 wird dann zu 𝑑𝑟
𝑑𝑡𝑑𝑡 = �� 𝑑𝑡 und ��(𝑟) zu ��(𝑟(𝑡)). Das heisst
falls �� vorher von 𝑥, 𝑦, 𝑧 abhängig war, hängen jetzt 𝑥, 𝑦, 𝑧 entlang von 𝛾 vom Parameter 𝑡 ab. D.h.
�� hängt jetzt auch nur noch von 𝑡 ab. Das Integral wird dann zu (der Anfangsort von 𝛾 sei 𝑟(𝑡1) und
das Ende 𝑟(𝑡2)):
𝑊 = ∫ ��(𝑟(𝑡)) ∙𝑡2
𝑡1
�� 𝑑𝑡
Beispiel:
Berechne die Arbeit des Vektorfeldes �� = (𝑦, 3, 𝑒𝑦 ∙ 𝑧) entlang des geraden Weges von (1,1,2) nach
(3,5,2).
Die Parametrisierung der Geraden erhält man durch
𝑟(𝑡) = (112) + 𝑡 ((
352) − (
112)) = (
1 + 2𝑡1 + 4𝑡2
) ��(𝑡) = (240) 𝑡 ∈ [0,1]
Die Arbeit lässt sich dann folgendermassen berechnen.
𝑊 = ∫ (𝑦(𝑡)
3𝑒𝑦(𝑡)𝑧(𝑡)
)
⏟ =��(𝑟(𝑡))
∙ ��(𝑡)𝑑𝑡1
0
= ∫ (1 + 4𝑡3
𝑒1+4𝑡 ∙ 2 )
1
0
∙ (240)𝑑𝑡 = ∫ (14 + 8𝑡)𝑑𝑡
1
0
= 18
10.6 Satz von Stokes
Der Satz von Stokes besagt, dass die Arbeit eines Vektorfeldes entlang eines geschlossenen
Weges 𝜕𝐴 das gleiche ist wie die Rotation dieses Vektorfeldes über die eingeschlossene Fläche 𝐴
integriert. (𝜕𝐴 ist der Rand von 𝐴)
𝑊 = ∮ �� ∙ 𝑑𝑟 = ∬𝑟𝑜𝑡 �� · 𝑑𝐴𝐴𝜕𝐴
=∬𝑟𝑜𝑡 �� · ��0𝐴
𝑑𝐴
Wobei der Normaleneinheitsvektor ��0 Länge 1 haben muss und mit der Orientierung des Weges
eine Rechtsschraube bilden muss.
Beispiel:
Berechne die Arbeit des Vektorfeldes �� = (𝑒𝑦𝑧 + 5𝑥, 2𝑥 + 𝑦2, 5) entlang des Kreises 𝑥2 + 𝑦2 = 4 bei
𝑧 = 0 im Uhrzeigersinn.
Die Rotation des Vektorfeldes ist
𝑟𝑜𝑡(��) =
(
𝜕
𝜕𝑥𝜕
𝜕𝑦𝜕
𝜕𝑧)
× (𝑒𝑦𝑧 + 5𝑥2𝑥 + 𝑦2
5
) = (0𝑒𝑦
2 − 𝑒𝑦𝑧)
Da der Weg (ein Kreis) geschlossen ist, kann der Satz von Stokes angewendet werden. (Achtung:
da man die Arbeit im Uhrzeigersinn berechnen will muss der Normalenvektor hier (0,0, −1) sein,
damit die Orientierung mit dem Normalenvektor eine Rechtsschraube bildet!
Analysis PVK 2019 54 © Crameri/Grass
𝑊 =∬ 𝑟𝑜𝑡(��) ∙ ��𝐾𝑟𝑒𝑖𝑠
𝑑𝐴 =∬ (0𝑒𝑦
2 − 𝑒𝑦𝑧) ∙ (
00−1)𝑑𝐴
𝐾𝑟𝑒𝑖𝑠
=∬ (−2 + 𝑒𝑦𝑧)𝑑𝐴𝐾𝑟𝑒𝑖𝑠
=⏟𝑧=0
∬ (−2)𝑑𝐴 = (−2) ∙ 𝐹𝑙ä𝑐ℎ𝑒(𝐾𝑟𝑒𝑖𝑠)𝐾𝑟𝑒𝑖𝑠
= −2 ∙ 22𝜋 = −8𝜋
10.7 Potentialfelder
Erfüllt ein Vektorfeld die Bedingung 𝑟𝑜𝑡(��) = 0 für jeden Ort (𝑥, 𝑦, 𝑧) (und ist das Definitionsgebiet
von �� einfach zusammenhängend), dann sagt man �� ist ein Gradientenfeld eines Potentialfeldes
𝑃. D.h. es gilt
𝑔𝑟𝑎𝑑(𝑃) = �� (
𝑣1𝑣2𝑣3) = (
𝑃𝑥𝑃𝑦𝑃𝑧
)
Das Potential 𝑃 findet man durch Integrieren von ∫ 𝑣1𝑑𝑥, ∫ 𝑣2𝑑𝑦 und ∫ 𝑣3𝑑𝑧 und anschliessendes
vergleichen der Terme (siehe Kapitel Integrabilitätsbedingung).
Da 𝑟𝑜𝑡 (��) überall Null ist, ist das Integral ∬ 𝑟𝑜𝑡 �� · 𝑑𝐴𝐴
immer Null und somit die Arbeit entlang jedes
geschlossenen Weges Null. Daraus folgt, dass die Arbeit eines Weges zwischen zwei Punkten nur
vom Startpunkt (𝑟1) und Endpunkt (𝑟2) abhängt. Man nennt solche Vektorfelder konservativ oder
wirbelfrei. Die Arbeit ist dann:
𝑊 = 𝑃(𝑟2) − 𝑃(𝑟1)
Beispiel:
Berechne die Arbeit des Vektorfeldes �� = (2 cos(𝑥) 𝑧, 2 ln(𝑧) 𝑦 + 2𝑦,𝑦2
𝑧+ 2 sin(𝑥)) entlang eines
beliebigen Weges vom Punkt (0,3,1) zum Punkt (𝜋
2, 1,2)
Da man den Weg beliebig wählen darf, liegt die Vermutung nahe, dass die Arbeit unabhängig
vom Weg ist. Wir beweisen diese Vermutung in dem wir zeigen dass 𝑟𝑜𝑡(��) = 0 ist.
𝑟𝑜𝑡(��) =
(
𝜕
𝜕𝑥𝜕
𝜕𝑦𝜕
𝜕𝑧)
× (
2 𝑐𝑜𝑠(𝑥) 𝑧
2 𝑙𝑛(𝑧) 𝑦 + 2𝑦
𝑦2
𝑧+ 2 𝑠𝑖𝑛(𝑥)
) = (
2𝑦
𝑧−2𝑦
𝑧2 𝑐𝑜𝑠(𝑥) − 2 𝑐𝑜𝑠(𝑥)
0
) = (000)
Nun suchen wir das Potential 𝑃. Die Partiellen Ableitungen entsprechen dabei den Komponenten
des Vektorfeldes, also 𝑃𝑥 = 2 cos(𝑥) 𝑧; 𝑃𝑦 = 2 ln(𝑧) 𝑦 + 2𝑦; 𝑃𝑧 =𝑦2
𝑧+ 2 sin (𝑥).
𝑃 = ∫ 𝑃𝑥𝑑𝑥 = ∫2 𝑐𝑜𝑠(𝑥) 𝑧𝑑𝑥 = 2 𝑠𝑖𝑛(𝑥) 𝑧 + 𝛼(𝑦, 𝑧)
𝑃 = ∫ 𝑃𝑦𝑑𝑦 = ∫(2 𝑙𝑛(𝑧) 𝑦 + 2𝑦)𝑑𝑦 = 𝑙𝑛(𝑧) 𝑦2 + 𝑦2 + 𝛽(𝑥, 𝑧)
𝑃 = ∫ 𝑃𝑧𝑑𝑧 = ∫(𝑦2
𝑧+ 2 𝑠𝑖𝑛(𝑥)) 𝑑𝑧 = 𝑦2 𝑙𝑛(𝑧) + 2 𝑠𝑖𝑛(𝑥) 𝑧 + 𝛾(𝑥, 𝑦)
Wobei 𝛼, 𝛽, 𝛾 hier drei beliebige Funktionen von den jeweiligen Koordinaten sind. Durch
Vergleichen aller Terme erhält man nun
Analysis PVK 2019 55 © Crameri/Grass
𝑃(𝑥, 𝑦, 𝑧) = 2 𝑠𝑖𝑛(𝑥) 𝑧 + 𝑦2 𝑙𝑛(𝑧) + 𝑦2 + 𝑘𝑜𝑛𝑠𝑡.
Die Arbeit entspricht der Potentialdifferenz
𝑊 = 𝑃 (𝜋
2, 1,2) − 𝑃(0,3,1)
= 2 𝑠𝑖𝑛 (𝜋
2) ∙ 2 + 12 𝑙𝑛(2) + 12 + 𝑘𝑜𝑛𝑠𝑡. −2 𝑠𝑖𝑛(0) ∙ 1 − 32 𝑙𝑛(1) − 32 − 𝑘𝑜𝑛𝑠𝑡.
= 𝑙𝑛(2) − 4
Die Konstante beim Potential fällt dabei weg und spielt somit keine Rolle.
10.8 Das Arbeits-Berechnen Flowchart
𝑊 = 𝑘𝑜𝑛𝑠𝑡∬ 𝑑𝐴 𝑊 = ∬ 𝑟𝑜𝑡�� · �� parametrisieren
→ 𝑟(𝑡) → ��(𝑡)
einsetzen in ��
𝑊 = ∫ ��(𝑟(𝑡)) ·𝑡2
𝑡1
��(𝑡)𝑑𝑡
𝑔𝑟𝑎𝑑 𝑃 = ��
𝑓𝑥 = 𝑣1
𝑓𝑦 = 𝑣2,
𝑓𝑧 = 𝑣3 𝑊 = 𝑃(𝐸𝑛𝑑𝑒) − 𝑃(𝑆𝑡𝑎𝑟𝑡)
Weg geschlossen?
berechne 𝑟𝑜𝑡�� · �� ≔ 𝐶 ist 𝑟𝑜𝑡 �� = (0,0,0) ?
Analysis PVK 2019 56 © Crameri/Grass
11 Komplexe Zahlen
11.1 Allgemeines
Definition
Eine komplexe Zahl 𝑧 = 𝑥 + 𝑦 · 𝑖 besteht aus einem Realteil 𝑅𝑒(𝑧) = 𝑥 und einem Imaginärteil
𝐼𝑚(𝑧) = 𝑦. Der Imaginärteil wird mit der Imaginären-Einheit 𝑖 multipliziert. Diese ist definiert durch:
𝑖2 = −1
BEMERKUNG: Für die Wurzel aus -1 gibt es zwei mögliche Lösungen: √−1 = ±𝑖
Darstellungsformen
Eine komplexe Zahl kann man sich als einen Punkt in der Gauss’schen-Zahlenebene vorstellen.
Oder alternativ auch als Pfeil vom Ursprung zu diesem Punkt. Es gibt drei verschiedene Arten eine
komplexe Zahl zu schreiben (Es sind jeweils noch die Zahlen für obiges Bsp. angegeben):
Kartesische Form: 𝑧 = 𝑅𝑒 + 𝐼𝑚 · 𝑖 = 𝑥 + 𝑦 · 𝑖 = 3 + 4 · 𝑖
Polarform: 𝑧 = |𝑧| · (cos𝜑 + 𝑖 · sin 𝜑) = 𝑟 · (cos𝜑 + 𝑖 · sin𝜑)
= 5 · (cos (53°) + 𝑖 · sin(53°)) = 5 · (cos (0.93) + 𝑖 · sin(0.93))
Exponentialform: 𝑧 = |𝑧| · 𝑒𝑖·𝜑 = 𝑟 · 𝑒𝑖·𝜑 = 5 · 𝑒𝑖·0.93 (𝜑 im Bogenmass)
Die Gleichung 𝑟 · (cos 𝜑 + 𝑖 · sin𝜑) = 𝑟 · 𝑒𝑖·𝜑 heisst Eulerformel und lässt sich mithilfe von
Potenzreihen herleiten.
Umrechnungen
𝑟 = |𝑧| = √𝑥2 + 𝑦2
Wegen der Periodizität des Tangens muss man bei der Berechnung von 𝜑 etwas aufpassen:
𝜑 = {𝑎𝑟𝑐𝑡𝑎𝑛 (
𝑦
𝑥) (𝑓ü𝑟 𝑥 > 0 𝑎𝑙𝑠𝑜 𝑧 𝑖𝑛 𝑑𝑒𝑟 𝑟𝑒𝑐ℎ𝑡𝑒𝑛 𝐻𝑎𝑙𝑏𝑒𝑏𝑒𝑛𝑒 )
𝑎𝑟𝑐𝑡𝑎𝑛 (𝑦
𝑥) + 𝜋 (𝑓ü𝑟 𝑥 < 0 𝑎𝑙𝑠𝑜 𝑧 𝑖𝑛 𝑑𝑒𝑟 𝑙𝑖𝑛𝑘𝑒𝑛 𝐻𝑎𝑙𝑏𝑒𝑏𝑒𝑛𝑒 )
𝑥 = 𝑟 · 𝑐𝑜𝑠 𝜑 , 𝑦 = 𝑟 · 𝑠𝑖𝑛 𝜑
Analysis PVK 2019 57 © Crameri/Grass
Konjugiert Komplexe
Die zu einer komplexen Zahl 𝑧 konjugiert komplexe 𝑧 ist die Zahl 𝑧 mit negativem Imaginärteil.
Geometrisch betrachtet erhält man 𝑧 indem man 𝑧 an der reellen Achse spiegelt:
𝑧 = 𝑥 + 𝑦 · 𝑖 ⇒ 𝑧 = 𝑥 − 𝑦 · 𝑖
𝑧 = 𝑟 · (𝑐𝑜𝑠 𝜑 + 𝑖 · 𝑠𝑖𝑛 𝜑) ⇒ 𝑧 = 𝑟 · (𝑐𝑜𝑠 𝜑 − 𝑖 · 𝑠𝑖𝑛 𝜑)
𝑧 = 𝑟 · 𝑒𝑖·𝜑 ⇒ 𝑧 = 𝑟 · 𝑒−𝑖·𝜑
Sätze:
𝑧 · 𝑧 = (𝑥 + 𝑖 · 𝑦) · (𝑥 − 𝑖 · 𝑦) = 𝑥2 − (𝑖 · 𝑦)2 = 𝑥2 + 𝑦2 = |𝑧|2
𝑧 ± 𝑤 = 𝑧 ± ��
𝑧 · 𝑤 = 𝑧 · ��
(𝑧
𝑤)
=𝑧
��
𝑧 = 𝑧
11.2 Rechenarten
Addition/Subtraktion
Die Addition und Subtraktion von komplexen Zahlen funktioniert am besten in der Kartesischen
Darstellung. Man addiert bzw. subtrahiert einfach jeweils einzeln den Realteil und den
Imaginärteil. Stellt man sich eine Komplexe Zahl als ein Pfeil in der Gaussebene vor, so funktioniert
die Addition von zwei komplexen Zahlen genau gleich wie die Addition von Vektoren.
Beispiel:
𝑧1 = 3 + 𝑖, 𝑧2 = 1 + 2𝑖
𝑧1 + 𝑧2 = 3 + 𝑖 + 1 + 2𝑖 = 4 + 3𝑖
𝑧1 − 𝑧2 = 3 + 𝑖 − (1 + 2𝑖) = 2 − 𝑖
Multiplikation
Multiplikation in der kartesischen Form kann schnell mühsam werden, da man alles
ausmultiplizieren muss:
Beispiel:
𝑧1 · 𝑧2 = (3 + 𝑖) · (1 + 2𝑖) = 3 + 3 · 2𝑖 + 𝑖 · 1 + 𝑖 · 2𝑖 = 3 + 7𝑖 − 2 = 1 + 7𝑖
Einfacher geht’s in Polar- oder Exponentialform: Die Beträge werden multipliziert und die Winkel
Addiert. In der Exponentialform gelten also die normalen Potenzgesetzte.
𝑧1 · 𝑧2 = 𝑟1(𝑐𝑜𝑠 𝜑1 + 𝑖 𝑠𝑖𝑛 𝜑1) · 𝑟2(𝑐𝑜𝑠 𝜑2 + 𝑖 𝑠𝑖𝑛 𝜑2) = (𝑟1 · 𝑟2) · (𝑐𝑜𝑠(𝜑1 + 𝜑2) + 𝑖 𝑠𝑖𝑛(𝜑1 + 𝜑2))
𝑧1 · 𝑧2 = 𝑟1𝑒𝑖𝜑1 · 𝑟2𝑒
𝑖𝜑2 = 𝑟1𝑟2𝑒𝑖(𝜑1+𝜑2)
Analysis PVK 2019 58 © Crameri/Grass
Beispiel:
𝑧1 = 3𝑒𝑖·𝜋3 𝑧2 = 2𝑒
𝑖·𝜋6
𝑧1 · 𝑧2 = (3 · 2)𝑒𝑖·(𝜋3+𝜋6) = 6𝑒𝑖·
𝜋2 = 6𝑖
Division
Auch die Division ist in kartesischer Form mühsam. Man schreibt die zwei komplexen Zahlen als
Bruch und erweitert diesen dann mit der konjugiert-komplexen des Nenners. Im Nenner bleibt
dann nachher das Betragsquadrat des ursprünglichen Nenners übrig.
Beispiel:
3 + 𝑖
1 + 2𝑖=3 + 𝑖
1 + 2𝑖·1 − 2𝑖
1 − 2𝑖=3 − 6𝑖 + 𝑖 + 𝑖(−2𝑖)
12 + 22=5 − 5𝑖
5= 1 − 𝑖
Auch die Division ist wiederum einfacher in Polar oder Exponentialform. Sie verhält sich analog zur
Multiplikation: Die Beträge werden dividiert und der Winkel subtrahiert:
𝑧1𝑧2=𝑟1(𝑐𝑜𝑠 𝜑1 + 𝑖 𝑠𝑖𝑛 𝜑1)
𝑟2(𝑐𝑜𝑠 𝜑2 + 𝑖 𝑠𝑖𝑛 𝜑2)=𝑟1𝑟2(𝑐𝑜𝑠(𝜑1 − 𝜑2) + 𝑖 𝑠𝑖𝑛(𝜑1 − 𝜑2))
𝑧1𝑧2=𝑟1𝑒
𝑖𝜑1
𝑟2𝑒𝑖𝜑2
=𝑟1𝑟2𝑒𝑖(𝜑1−𝜑2)
Beispiel:
𝑧1 = 4𝑒𝑖·𝜋6 𝑧2 = 2𝑒
𝑖·𝜋3
𝑧1𝑧2=4
2𝑒𝑖·(
𝜋6−𝜋3) = 2𝑒−𝑖
𝜋6
Potenzieren
Auch das Potenzieren ist einfacher in Polarform. Es ist einfach eine mehrfache Anwendung des
Gesetztes für die Multiplikation:
𝑧𝑛 = (𝑟 · (𝑐𝑜𝑠 𝜑 + 𝑖 𝑠𝑖𝑛 𝜑))𝑛= 𝑟𝑛 · (𝑐𝑜𝑠 𝑛𝜑 + 𝑖 𝑠𝑖𝑛 𝑛𝜑)
𝑧𝑛 = (𝑟𝑒𝑖𝜑)𝑛 = 𝑟𝑛𝑒𝑖𝑛𝜑
Beispiel:
(√3 + 𝑖)6= (2 · 𝑒𝑖
𝜋6)6
= 26 · 𝑒𝑖6𝜋6 = 64 · 𝑒𝑖𝜋⏟
=−1
= −64
Analysis PVK 2019 59 © Crameri/Grass
Wurzelziehen
Will man die 𝑛-te Wurzel einer komplexen Zahl 𝑧 ziehen, so tut man dies auch wieder in der
Polar-/Exponentialform. Es gilt √𝑧𝑛
= 𝑧1
𝑛 und man kann daher das gleiche Gesetz wie beim
Potenzieren verwenden. Es gibt immer genau 𝑛 voneinander verschiedene Lösungen. Diese
liegen auf einem Regelmässig angeordneten 𝑛-eck. Ausserdem liegen alle 𝑛 Lösungen auf einem
Kreis mit dem Radius √|𝑧|𝑛
und Mittelpunkt im Ursprung (siehe Abbildung unten).
Man beachte, dass 𝑧 = 𝑟 · 𝑒𝑖𝜑 = 𝑟 · 𝑒𝑖(𝜑+𝑘·2𝜋) (für 𝑘 = 0,1,2, . . . ). D.h. nach einer Drehung um 2𝜋 in
der Gaussebene hat man wieder dieselbe Zahl.
Beispiel:
Gesuch ist die 5-te Wurzel von √3 + 𝑖, also √√3 + 𝑖5
=?
Da man die 5-te Wurzel sucht, wird es 5 verschiedene Lösungen geben. Zuerst berechnen wir die
Exponentialform von √3 + 𝑖:
𝑟 = |√3 + 𝑖| = √3 + 1 = 2 𝜑 = 𝑎𝑟𝑐𝑡𝑎𝑛 (1
√3) =
𝜋
6= 30°
Die 5 gesuchten Lösungen befinden sich also alle auf einem Kreis mit Radius √25
= 21
5 ≈ 1.15 um
den Ursprung. D.h. alle Lösungen haben einen Betrag von 1.15. Die 5 Lösungen findet man dann
wie folgt:
√√3 + 𝑖5
= √2𝑒𝑖(𝜋6+𝑘·2𝜋)
5
= √25
· 𝑒𝑖(𝜋6·5+𝑘·2𝜋5) = √2
5· 𝑒𝑖
𝜋+𝑘·12𝜋30
Unsere 5 Lösungen bekommen wir, indem wir für k 0,1,2,3 und 4 einsetzen:
√√3 + 𝑖5
= √25
· 𝑒𝑖𝜋30, √2
5· 𝑒𝑖
13𝜋30 , √2
5· 𝑒𝑖
25𝜋30 , √2
5· 𝑒𝑖
37𝜋30 , √2
5· 𝑒𝑖
49𝜋30
Für k=5 hätten wir wiederum die gleiche Lösung wie für k=0, da wir uns dann einmal um 2𝜋
gedreht haben:
√25
· 𝑒𝑖61𝜋30 = √2
5· 𝑒𝑖(
130+2𝜋) = √2
5· 𝑒𝑖
𝜋30 𝑤𝑖𝑒𝑑𝑒𝑟 𝑔𝑙𝑒𝑖𝑐ℎ 𝑤𝑖𝑒 𝑑𝑖𝑒 𝑒𝑟𝑠𝑡𝑒 𝐿ö𝑠𝑢𝑛𝑔
Man sieht schön, dass ich die erste Lösung bei einem Winkel von 𝜑
𝑛 liegt. Die weiteren n Lösungen
befinden sich von dort aus jeweils 𝑘 ·2𝜋
𝑛 weiter im Gegenuhrzeigersinn (k=1,2,...,n-1).
Analysis PVK 2019 60 © Crameri/Grass
11.3 Quadratische Gleichungen
Falls die Diskriminante (𝑏2 − 4𝑎𝑐) einer quadratischen Gleichung 𝑎𝑥2 + 𝑏𝑥 + 𝑐 = 0 negativ wird, so
besitzt die Gleichung zwei konjugiert-komplexe Lösungen.
Beispiel:
Die Lösungen der Gleichung x2 + 2x + 3 = 0 findet man mit der Mitternachtsformel:
𝑥1,2 =−𝑏 ± √𝑏2 − 4𝑎𝑐
2𝑎=−2 ± √4 − 4 · 3
2=−2 ± √−8
2=−2 ± √−1 · √8
2=−2 ± 𝑖 · 2√2
2= −1 ± √2𝑖
Will man nun die komplexe Linearfaktorzerlegung von 𝑥2 + 2𝑥 + 3 finden so ergibt sich:
𝑥2 + 2𝑥 + 3 = (𝑥 − 𝑥1)(𝑥 − 𝑥2) = (𝑥 − (−1 + √2𝑖))(𝑥 − (−1 − √2𝑖))
11.4 Polynome höherer Ordnung
Der Fundamentalsatz der Algebra besagt, dass jedes Polynom n-ten grades
(𝑎𝑛𝑥𝑛 + 𝑎𝑛−1𝑥
𝑛−1 +⋯+ 𝑎2𝑥2 + 𝑎1𝑥 + 𝑎0) in der Menge der komplexen Zahlen ℂ genau n Nullstellen
hat. Falls die Koeffizienten 𝑎𝑖 alle reell sind (ist bei uns eigentlich immer der Fall ;) ) so gilt zusätzlich,
dass diese Nullstellen entweder reell sind oder in konjugiert-komplexen Paaren auftreten.
Weiterhin gilt: Multipliziert man zwei komplex-konjugierte Linearfaktoren aus, so bekommt man
immer ein quadratisches Polynom mit reellen Koeffizienten.
Beispiel:
Finde alle 5 komplexen Nullstellen von 𝑥5 − 4𝑥4 + 10𝑥3 − 14𝑥2 + 9𝑥 − 10 . Wenn eine Nullstelle
𝑥1 = 1 + 2𝑖 bereits bekannt ist.
Da unser Polynom reelle Koeffizienten hat muss auch die konjugiert komplexe von 𝑥1 eine Nullstelle
sein. Also 𝑥2 = 𝑥1 = 1 − 2𝑖 . So haben wir schon 2 Linearfaktoren gefunden: (𝑥 − (1 + 2𝑖)) und
(𝑥 − (1 − 2𝑖)). Nun multiplizieren wir diese Beiden aus:
(𝑥 − (1 + 2𝑖))(𝑥 − (1 − 2𝑖)) = 𝑥2 − 2𝑥 + 5
Durch Polynom-Division findet man dann:
(𝑥5 − 4𝑥4 + 10𝑥3 − 14𝑥2 + 9𝑥 − 10) ÷ (𝑥2 − 2𝑥 + 5) = 𝑥3 − 2𝑥2 + 𝑥 − 2
Nun haben wir immer noch ein Polynom 3. Ordnung von dem wir die Nullstellen bestimmen
müssen. D.h. jetzt müssen wir noch mindestens eine Nullstelle „erraten“. Danach bleibt uns dann
nur noch ein quadratisches Polynom übrig, das wir mit der Mitternachtsformel auflösen können.
Einige Tipps zum erraten von Nullstellen:
Versuche immer zuerst 1,−1, 𝑖 und – 𝑖.
Versuche danach weitere reelle Ganze Zahlen. Beachte dabei, dass diese ein Teiler des
Konstanten Glieds des Polynoms (hier -2) sein müssen. (Das muss so sein, damit die
Polynom-Division aufgeht!) In unserem Fall würden wir also als Nullstellen noch 2 und -2
ausprobieren.
Wir finden, dass 2, 𝑖 und −𝑖 die drei Nullstellen von 𝑥3 − 2𝑥2 + 𝑥 − 2 sind.
Die gesuchten 5 Nullstellen sind somit: 𝑥1 = 1 + 2𝑖; 𝑥2 = 1 − 2𝑖; 𝑥3 = −𝑖; 𝑥4 = 𝑖 und 𝑥5 = 2.
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11.5 Zusammenhang zu Sin und Cos
Man stelle sich die komplexe Zahl 𝑒𝑖𝜑 mit Betrag 1 in der Gaussebene vor (siehe Abbildung). Diese
hat den Realteil cos 𝜑 und den Imaginärteil sin 𝜑. Addiert man zu 𝑒𝑖𝜑 nun die konjugiert-komplexe
𝑒−𝑖𝜑dazu, so erhält man als Resultat den doppelten Realteil: 𝑒𝑖𝜑 + 𝑒−𝑖𝜑 = 2 cos𝜑. Subtrahiert man
hingegen die konjugiert komplexe, so erhält man den doppelten Imaginärteil multipliziert mit 𝑖:
𝑒𝑖𝜑 − 𝑒−𝑖𝜑 = 2 sin 𝜑 · 𝑖 . Dies kann man benutzen, um 𝑠𝑖𝑛𝜑 und 𝑐𝑜𝑠𝜑 durch komplexe Zahlen
auszudrücken:
cos𝜑 = 𝑅𝑒(𝑒𝑖𝜑) =𝑒𝑖𝜑 + 𝑒−𝑖𝜑
2
sin𝜑 = 𝐼𝑚(𝑒𝑖𝜑) =𝑒𝑖𝜑 − 𝑒−𝑖𝜑
2𝑖
BEMERKUNG: Es gilt auch für eine ganz allgemeine komplexe Zahl 𝑧:
𝑅𝑒(𝑧) =𝑧 + 𝑧
2
𝐼𝑚(𝑧) =𝑧 − 𝑧
2𝑖
Analysis PVK 2019 62 © Crameri/Grass
12 Potenzreihen
12.1 Allgemeines
Die Potenzreihe der Funktion 𝑓(𝑥) um den Entwicklungspunkt/Zentrum 𝑥0 lautet:
𝑓(𝑥) = ∑𝑎𝑛
∞
𝑛=0
(𝑥 − 𝑥0)𝑛
Die 𝑎𝑛 heissen Koeffizienten der Potenzreihe.
12.2 Rechenregeln
Im Folgenden seien 𝑓(𝑥) = ∑ 𝑎𝑛𝑥𝑛∞
𝑛=0 und 𝑔(𝑥) = ∑ 𝑏𝑛𝑥𝑛∞
𝑛=0 zwei Potenzreihen.
Potenzreihen dürfen Gliedweise addiert/subtrahiert werden:
𝑓(𝑥) ± 𝑔(𝑥) = ∑𝑎𝑛𝑥𝑛
∞
𝑛=0
±∑𝑏𝑛𝑥𝑛
∞
𝑛=0
= ∑(𝑎𝑛 ± 𝑏𝑛) 𝑥𝑛
∞
𝑛=0
Potenzreihen dürfen Gliedweise abgeleitet werden:
𝑓′(𝑥) =𝑑
𝑑𝑥[∑𝑎𝑛𝑥
𝑛
∞
𝑛=0
] = ∑𝑛𝑎𝑛𝑥𝑛−1
∞
𝑛=𝟏
Potenzreihen dürfen Gliedweise integriert werden:
∫ 𝑓(𝑥) 𝑑𝑥 = ∫ [∑𝑎𝑛𝑥𝑛
∞
𝑛=0
] 𝑑𝑥 = ∑1
𝑛 + 1𝑎𝑛𝑥
𝑛+1
∞
𝑛=0
+ 𝐶
Potenzreihen dürfen nicht Gliedweise multipliziert oder dividiert werden! Beim
multiplizieren muss man wie bei jeder „normalen“ Summe mühsam ausmultiplizieren:
𝑓(𝑥) · 𝑔(𝑥) = ∑𝑐𝑛𝑥𝑛
∞
𝑛=0
mit 𝑐𝑛 =∑𝑎𝑘𝑏𝑛−𝑘
∞
𝑘=0
Beim dividieren nimmt man normalerweise eine Funktion auf die andere Seite, so dass
man anschliessend multiplizieren kann (siehe Methode Ausmultiplizieren und
Koeffizientenvergleich)
𝑓(𝑥)
𝑔(𝑥)= ∑𝑐𝑛𝑥
𝑛
∞
𝑛=0
↝ 𝑓(𝑥) = 𝑔(𝑥) ·∑ 𝑐𝑛𝑥𝑛
∞
𝑛=0
Man sieht: Es gelten mehr oder weniger die gleichen Gesetze wie für normale Summen.
12.3 Konvergenz
Für jede Potenzreihe gibt es einen Konvergenzbereich. Das sind diejenige Werte von 𝑥, für welche
die Reihe gegen 𝑓(𝑥) konvergiert, also nicht ∞ wird. Der Konvergenzbereich wird begrenzt durch
den Konvergenzradius, d.h. die Reihe konvergiert für |𝑥 − 𝑥0| < 𝜌 und divergiert für |𝑥 − 𝑥0| > 𝜌.
Der Konvergenzradius kann entweder durch die Formel:
𝜌 = lim𝑛→∞
|𝑎𝑛𝑎𝑛+1
|
Analysis PVK 2019 63 © Crameri/Grass
berechnet werden, oder falls man die Reihe mithilfe von Tabellen aus mehreren Reihen
„zusammenbaut“ entspricht 𝜌 dem kleinsten Konvergenzradius der verwendeten Reihen.
Kurze, mathematisch wohl nicht ganz korrekte, Herleitung obiger Formel
Für Konvergenz müssen die Summanden immer kleiner werden:
𝑓ü𝑟 𝑛 →∞: |𝑎𝑛+1𝑥𝑛+1| < |𝑎𝑛𝑥
𝑛| |(𝑥𝑛 𝑘ü𝑟𝑧𝑒𝑛)
|𝑎𝑛+1𝑥| < |𝑎𝑛| (𝑛 →∞) ↝ |𝑥| ≔ 𝜌 < 𝑙𝑖𝑚𝑛→∞
|𝑎𝑛𝑎𝑛+1
|
12.4 Methoden um Koeffizienten zu finden
Als allererstes sollte immer geprüft werden, ob die Funktion gerade oder ungerade ist.
Gerade Funktion (𝑓(−𝑥) = 𝑓(𝑥)) 𝑎1 = 𝑎3 = 𝑎5 = ⋯ = 0;
Ungerade Funktion (𝑓(−𝑥) = −𝑓(𝑥)) 𝑎0 = 𝑎2 = ⋯ = 0
Taylorreihenentwicklung
𝑓(𝑥) = ∑𝑓(𝑛)(𝑥0)
𝑛!
∞
𝑛=0
(𝑥 − 𝑥0)𝑛 = 𝑓(𝑥0) + 𝑓
′(𝑥0)(𝑥 − 𝑥0) +𝑓′′(𝑥0)
2!(𝑥 − 𝑥0)
2 +⋯
heisst Taylorreihe der Fkt. f mit Entwicklungspunkt/Zentrum 𝑥0
Diese Methode sollte man eigentlich möglichst vermeiden. Da man die n-te Ableitung braucht, ist
es ziemlich schwierig falls man die Koeffizienten bis zum allgemein n-ten Glied bestimmen muss.
Auch wenn man beispielsweise „nur“ die ersten 5 Glieder bestimmen muss, wird diese Methode
schnell sehr aufwendig. Ein Beispiel für eine Anwendung, wo diese Methode relativ gut funktioniert
sind 𝑓(𝑥) = (irgendwelche Trigonometrische Funktionen). Da die Ableitungen sich immer
wiederholen (sin ′ = 𝑐𝑜𝑠; 𝑐𝑜𝑠′ = −𝑠𝑖𝑛; −𝑠𝑖𝑛′ = −𝑐𝑜𝑠 usw.)
Beispiel:
Finde die Potenzreihe der Funktion 𝑓(𝑥) = sin2 𝑥 um das Zentrum 𝑥0 = 0.
Als Allererstes stellt man fest dass 𝑓(−𝑥) = sin2(−𝑥) = (− sin 𝑥)2 = sin2 𝑥 = 𝑓(𝑥) d.h. 𝑓(𝑥) ist gerade
und darum 𝑎𝑢𝑛𝑔𝑒𝑟𝑎𝑑𝑒 = 0
Dann bildet man die Ableitungen:
𝑓(𝑥) = 𝑠𝑖𝑛2 𝑥 → 𝑓(0) = 0
𝑓′(𝑥) = 2 𝑠𝑖𝑛 𝑥 𝑐𝑜𝑠 𝑥 → 𝑓′(0) = 0 (was zu erwarten war da 𝑎1 = 𝑎𝑢𝑛𝑔𝑒𝑟𝑎𝑑𝑒 = 0)
𝑓′′(𝑥) = 2[𝑐𝑜𝑠2 𝑥 − 𝑠𝑖𝑛2 𝑥] → 𝑓′′(0) = 2
𝑓′′′(𝑥) = 2[−2 𝑐𝑜𝑠 𝑥 𝑠𝑖𝑛 𝑥 − 2 𝑠𝑖𝑛 𝑥 𝑐𝑜𝑠 𝑥] = −8 𝑠𝑖𝑛 𝑥 𝑐𝑜𝑠 𝑥 = −4 · 𝑓′(𝑥) → 𝑓′′′(0) = 0
D.h. die 3 Ableitung ist -4 mal die erste Ableitung.
wenn man diese wiederum ableitet erhält man -4 mal die zweite Ableitung und dann wieder
-4· -4=16 mal die erste Ableitung usw.
𝑓(4)(𝑥) = −4 ·𝑑
𝑑𝑥𝑓′(𝑥) = −4𝑓′′(𝑥) = −8[𝑐𝑜𝑠2 𝑥 − 𝑠𝑖𝑛2 𝑥] → 𝑓(4)(0) = −8
𝑓(5)(𝑥) = −8[𝑐𝑜𝑠2 𝑥 − 𝑠𝑖𝑛2 𝑥] = −8 · −4 · 𝑠𝑖𝑛 𝑥 𝑐𝑜𝑠 𝑥 → 𝑓(5)(0) = 0
Analysis PVK 2019 64 © Crameri/Grass
𝑓(𝑛)(𝑥) = −4𝑓(𝑛−2)(𝑥)
Man erhält also:
𝑓(0) = 0, 𝑓′(0) = 0, 𝑓′′(0) = 2, 𝑓′′′(0) = 0, 𝑓(4)(0) = −8, 𝑓(5)(0) = 0, 𝑓(6)(0) = 32,…
Die Taylorreihe ist dann:
𝑓(𝑥) =2𝑥2
2!−8𝑥4
4!+32𝑥6
6!∓ ⋯ =∑
(−1)𝑗−1 · 24𝑗−1 · 𝑥2𝑗
(2𝑗)!
∞
𝑗=1
wobei 𝑛 = 2𝑗 ersetzt wurde, um nur die geraden Terme zu erhalten.
Ausmultiplizieren und Koeffizientenvergleich
Diese Methode ist meiner Meinung nach die effektivste, falls man nur eine bestimmte Anzahl
Koeffizienten bestimmen muss.
Beispiel:
Finde die ersten drei nicht-verschwindenenden Koeffizienten der Potenzreihe von
𝑓(𝑥) =sin 2𝑥
𝑒𝑥.
𝑍𝑖𝑒𝑙: 𝑠𝑖𝑛 2𝑥
𝑒𝑥= 𝑎0 + 𝑎1𝑥 + 𝑎2𝑥
2 + 𝑎3𝑥3 + 𝑎4𝑥
4 +⋯ |𝑒𝑥
𝑠𝑖𝑛 2𝑥 = (𝑎0 + 𝑎1𝑥 + 𝑎2𝑥2 + 𝑎3𝑥
3 + 𝑎4𝑥4 +⋯) · 𝑒𝑥
Aus der Tabelle setzten wir die ersten paar Terme der Potenzreihen von𝑒𝑥 und sin 2𝑥 (ersetze
einfach 𝑥 = 2𝑥 bei der Reihe für sin 𝑥) ein:
(2𝑥 −4
3𝑥3 +
4
15𝑥5 + −⋯) = (𝑎0 + 𝑎1𝑥 + 𝑎2𝑥
2 + 𝑎3𝑥3 + 𝑎4𝑥
4 +⋯) · (1 +𝑥
1+𝑥2
2+𝑥3
6+𝑥4
24+ ⋯)
Ausmultiplizieren und nach Potenzen ordnen:
(2𝑥 −4
3𝑥3 +
4
15𝑥5 + −⋯) = 𝑎0 + (𝑎0 + 𝑎1)𝑥 + (
𝑎02+ 𝑎1 + 𝑎2) 𝑥
2 + (𝑎06+𝑎12+ 𝑎2 + 𝑎3) 𝑥
3 +⋯
Koeffizientenvergleich:
𝑎0 = 0
𝑎0⏟=0
+ 𝑎1 = 𝑎1 = 2
𝑎02+ 𝑎1⏟ =2
+ 𝑎2 = 0 ↝ 𝑎2 = −2
𝑎06+𝑎12+ 𝑎2⏟
=−1
+ 𝑎3 = −4
3 ↝ 𝑎3 = −
1
3
Analysis PVK 2019 65 © Crameri/Grass
Aus bekannten Reihen aus Tabelle umformen
Schauen ob die zu entwickelnde Funktion einer aus der Tabelle ähnlich sieht, und durch
Umformungen versuchen die Funktion auf diese Form zu bringen. Braucht etwas Übung.
Beispiel:
Gesucht ist die Potenzreihe von 𝑥
9+𝑥2 um Zentrum 𝑥0 = 0.
Aus der Tabelle am Ende des Kapitels entnehmen wir:
1
1 + 𝑥= ∑(−1)𝑛𝑥𝑛∞
𝑛=0
Wir versuchen den Term auf diese Form zu bringen:
𝑥
9 + 𝑥2=𝑥
9·
1
1 + (𝑥3)2 =
𝑥
9·∑(−(
𝑥
3)2
)𝑘∞
𝑘=0
BEMERKUNG: Wie man an diesem Beispiel sieht kann man ganz einfach eine komplette Reihe mit
𝑥𝑛 multiplizieren.
Verallgemeinerter Binomialkoeffizient
Diese Formel ist gut wenn Reihen von Termen der Form (𝟏 + 𝑥)𝛼 gesucht sind. ACHTUNG: vorne
muss eine 1 stehen (sonst allenfalls dividieren). 𝑥 kann auch irgendeine Funktion ℎ(𝑥) sein. In
diesem Fall gilt dann auch für die Konvergenz |ℎ(𝑥) | < 1
(𝟏 + 𝑥)𝛼 =∑(𝛼𝑛) · 𝑥𝑛
∞
𝑛=0
mit (𝛼𝑛) =∏
𝛼 − 𝑗 + 1
𝑗
𝑛
𝑗=1
=𝛼(𝛼 − 1)(𝛼 − 2)…⏞
𝑛−𝐹𝑎𝑘𝑡𝑜𝑟𝑒𝑛
1 · 2 · 3 · …⏟ 𝑛−𝐹𝑎𝑘𝑡𝑜𝑟𝑒𝑛
und (𝛼0) = 1 konvergiert für |𝑥| < 1
BEMERKUNG: Ist 𝛼 hier eine natürliche Zahl, entspricht diese Formel genau dem Binomischen
Lehrsatz (d.h. die Reihe ist dann endlich, weil ja ein Faktor im Zähler (𝛼 − 𝛼) ist). 𝛼 muss hier aber
nicht ∈ ℕ sein, daher erweiterter Binomialkoeffizient.
Beispiel:
Finde die Potenzreihe von 𝑓(𝑥) = √1 − 2𝑥2 um 𝑥0 = 0.
𝑓(𝑥) = [1 + (−2𝑥2)]1 2⁄ =∑(1 2⁄ 𝑛) · (−2𝑥2)𝑛
∞
𝑛=1
= 1 +12⁄
1· (−2𝑥2) +
(1 2⁄ ) · (−12⁄ )
1 · 2· (−2𝑥2)2 +
(1 2⁄ ) · (−12⁄ ) · (−
32⁄ )
1 · 2 · 3· (−2𝑥2 )3…
1 − 𝑥2 −1
2𝑥4 −
1
2𝑥6 −
5
8𝑥8 −⋯
Diese Aufgabe ginge alternativ auch mit der Formel aus der Tabelle für √1 + 𝑥.
Für den Konvergenzradius gilt: |−2𝑥2| < 1 ↝ |𝑥| < √1
2
Analysis PVK 2019 66 © Crameri/Grass
Partialbruchzerlegung
Die Idee dieser Methode ist, den zu entwickelnden Term zuerst durch eine Partialbruchzerlegung
zu trennen und dann als Summe von Potenzreihen (siehe Rechenregeln) darzustellen.
Beispiel:
Gesucht ist die Potenzreihe von 𝑓(𝑥) =5
𝑥2+𝑥−6. Für welche 𝑥 konvergiert diese Reihe?
Eine Partialbruchzerlegung ergibt:
𝑓(𝑥) =1
𝑥 − 2−
1
𝑥 + 3
Nun wissen wir aus der Tabelle:
1
1 − 𝑥= ∑𝑥𝑛∞
𝑛=0
(𝑘𝑜𝑛𝑣𝑒𝑟𝑔𝑖𝑒𝑟𝑡 𝑓ü𝑟 |𝑥| < 1) 𝑠𝑜𝑤𝑖𝑒 1
𝑥 + 1= ∑(−𝑥)𝑛∞
𝑛=0
(𝑘𝑜𝑛𝑣𝑒𝑟𝑔𝑖𝑒𝑟𝑡 𝑓ü𝑟 |𝑥| < 1)
Für 𝑓(𝑥) folgt damit
𝑓(𝑥) =1
𝑥 − 2−
1
𝑥 + 3= −
1
2·1
1 −𝑥2
−1
3·1
1 +𝑥3
= −1
2·∑ (
𝑥
2)𝑛
−1
3∑(−
𝑥
3)𝑛
∞
𝑛=0
∞
𝑛=0
= −∑𝑥𝑛 (1
2)𝑛+1
+∑𝑥𝑛 (−1
3)𝑛+1∞
𝑛=0
∞
𝑛=0
=∑[( −1
3)𝑛+1
− (1
2)𝑛+1
] 𝑥𝑛∞
𝑛=0
Die erste Reihe konvergiert für |𝑥
2| < 1 ↝ |𝑥| < 2 und die zweite für |
𝑥
3| < 1 ↝ |𝑥| < 3 . Damit die
gesamte Reihe konvergiert, darf keine der beiden einzelnen Reihen divergieren. Also konvergiert
die Reihe für |𝑥| < 2 ⟺ −2 < 𝑥 < 2
Zuerst Integral oder Ableitung entwickeln
Diese Methode beruht darauf, dass man Potenzreihen ganz einfach Gliedweise integrieren und
ableiten kann. Ist also die Potenzreihe der Ableitung oder des Integrals der Reihe einfacher
bestimmbar, kann man zuerst dies tun und danach wieder integrieren bzw. ableiten.
ACHTUNG: wenn man am Schluss noch integriert muss man noch die Integrationskonstante
bestimmen. Dies tut man am besten indem man einen Bestimmten Wert für 𝑥 einsetzt.
12.5 Potenzreihenansatz für Differentialgleichungen
1. Ansatz für die Lösung: 𝑦 = 𝑎0 + 𝑎1𝑥 + 𝑎2𝑥2 + 𝑎3𝑥
3 +⋯ ;
2. Ableitungen bilden: 𝑦′ = 𝑎1 + 2𝑎2𝑥 + 3𝑎3𝑥2 +⋯; 𝑦′′ = 2𝑎2 + 6𝑎3𝑥 + ⋯ usw.
3. in DG einsetzen Koeffizientenvergleich 𝑎0, 𝑎1, 𝑎2, … bestimmen
Analysis PVK 2019 67 © Crameri/Grass
12.6 Tabelle
für 𝑥 ∈ ℝ
für 𝑥 ∈ ℝ
Analysis PVK 2019 68 © Crameri/Grass
13 Differentialgleichungen
13.1 Definitionen
Differentialgleichungen (DGL) sind Gleichungen, die Funktionen und deren Ableitungen
enthalten.
Eine DGL heisst linear, falls die gesuchte Funktion und deren Ableitungen nur in linearer
Form vorkommen. Das heisst ist 𝑦(𝑥) z.B. die gesuchte Funktion, darf nirgends in der
Gleichung ein sin 𝑦 , 𝑦2, 𝑒𝑦, 𝑦′2, tan(𝑦′ ′) oder dergleichen stehen. Die unabhängige Variable
(in diesem Fall 𝑥) darf aber durchaus in nichtlinearer Form vorliegen. (Bsp: 3𝑦′ + 𝑥2𝑦 = sin 𝑥
linear √𝑦′ + 𝑦2 = 0 nicht linear)
Eine lineare DGL ist homogen, falls alle Terme (Summanden) die gesuchte Funktion oder
eine Ableitung davon enthalten. Ansonsten heisst die DGL inhomogen und den Term, der
ohne 𝑦 da steht nennen wir Störterm. (Bsp: 4𝑦′ + sin 𝑥 · 𝑦 = 0homogen; 𝑦′′ + 3𝑦 + 𝑒𝑥 = 0
inhomogen, Störterm: 𝑒𝑥)
Zur besseren Übersicht nimmt man normalerweise alle Störterme separat auf eine Seite.
Man schreibt also obige DGL z.B. 𝑦′′ + 3𝑦 = −𝑒𝑥.
Die Ordnung einer DGL ist die höchst Ableitung, die in der Gleichung vorkommt. (Bps:
3𝑦′′′ + 5𝑦 = 𝑥 Ordnung=3)
Die Koeffizienten einer DGL heissen konstant, falls sie unabhängig von der gesuchten Fkt.
(𝑦) und ihrer Variable (𝑥) sind. (Bsp: 4𝑦′ + 3𝑦 = sin 𝑥 konstante Koeffizienten
𝑥2𝑦 + sin 𝑥 · 𝑦 = 4 nicht konstante Koeffizienten)
13.2 Allgemeine Eigenschaften von DGL
Lineare DGL
Die Art der Differentialgleichungen bestimmen ihre Eigenschaften und die Vorgehensweise bei
der Lösung:
Ist eine DGL linear, so ist es sinnvoll den homogenen teil links vom =-Zeichen und den Störterm
rechts davon zu schreiben. Dann sucht man zuerst einzelne Lösungen der homogenen Gleichung,
d.h. Lösungen, die Null ergeben, wenn man sie im rechten Teil einsetzt. Diese Lösungen nennt
man dann Basislösungen. Da die Gleichung linear ist, ergeben Linearkombinationen dieser
Basislösungen auch wieder Null, wenn man sie im rechten Teil einsetzt (Vgl. Linearität in Linalg).
Man sagt darum, dass die Lösungen einer linearen, homogenen DGL einen Vektorraum bilden. Ist
die lineare DGL von der Ordnung n, muss man genau n linear unabhängige Lösungen finden, um
die komplette Lösung der homogenen DGL zu erhalten. Die Linearkombination davon ist dann die
Allgemeine Lösung der homogenen DGL:
𝑦ℎ = 𝐶1 · 𝑦ℎ1 + 𝐶2 · 𝑦ℎ2 +⋯+ 𝐶𝑛 · 𝑦ℎ𝑛 𝐶𝑖 = 𝐾𝑜𝑛𝑠𝑡𝑎𝑛𝑡𝑒𝑛 ; 𝑦ℎ𝑖 = 𝐵𝑎𝑠𝑖𝑠𝑙ö𝑠𝑢𝑛𝑔𝑒𝑛 𝑑𝑒𝑟 ℎ𝑜𝑚𝑜𝑔𝑒𝑛𝑒𝑛 𝐷𝐺𝐿
Die komplette Lösung der inhomogenen linearen DGL findet man dann indem man noch eine
Partikuläre Lösung (𝑦𝑝) dazu addiert:
𝑦(𝑡) = 𝐶1 · 𝑦ℎ1 + 𝐶2 · 𝑦ℎ2 +⋯+ 𝐶𝑛 · 𝑦ℎ𝑛 + 𝑦𝑝
Analysis PVK 2019 69 © Crameri/Grass
Die Konstanten 𝐶1, 𝐶2, … , 𝐶𝑛 findet man mit Hilfe der Angangsbedingungen. Man braucht also
immer gleichviele Anfangsbedingungen wie die Ordnung der DGL.
ACHTUNG: Die Unterteilung in homogener Teil, partikulärer Teil, Linearkombination usw.
macht nur für lineare DGL Sinn. Für nicht-lineare DGL unterscheidet man nicht zwischen
homogen und inhomogen!
13.3 DGL 1. Ordnung – Homogene Lösung
Separation der Variablen
Separierbare DGL sind erster Ordnung, und lassen sich in folgender Form schreiben:
𝑦′(𝑥) · 𝑔(𝑦) = 𝑓(𝑥)
BEMERKUNG: Alle linearen, homogenen DGL 1. Ordnung sind separierbar. Allerdings sind
umgekehrt nicht alle separierbaren DGL von dieser Form.
Es gibt so zwei „Philosophien“ um eine DGL zu separieren. An und für sich sind aber beide das
Gleiche. Ich persönlich bevorzuge die 1. Variante:
Variante 1: Mit der inneren Ableitung
Man betrachtet das 𝑦′ als innere Ableitung vom 𝑔(𝑦), d.h. nach der allgemeinen Kettenregel: 𝑑
𝑑𝑥[𝐺(𝑦(𝑥))] = 𝐺′(𝑦)⏟
=𝑔(𝑦)
·𝑑
𝑑𝑥(𝑦(𝑥)) = 𝑔(𝑦) · 𝑦′(𝑥)
Bei dieser Methode integriert man beide Seiten nach 𝑥 und löst dann nach 𝑦 auf.
Allgemein sieht das folgendermassen aus:
𝑦′(𝑥) · 𝑔(𝑦) = 𝑓(𝑥) |∫ 𝑑𝑥
𝐺(𝑦) = 𝐹(𝑥) + 𝑪 nach y auflösen (evt. Konstanten neu zusammenfassen)
Hierbei sind 𝐺 und 𝐹 die Stammfunktionen von 𝑔 und 𝑓 und 𝐶 eine Integrationskonstante diese
nie vergessen!
Beispiel:
𝑥𝑦′ + 𝑦 = 0 |𝑠𝑒𝑝𝑎𝑟𝑖𝑒𝑟𝑒𝑛
𝑦′ ·1
𝑦= −
1
𝑥 |∫ 𝑑𝑥 Wichtig: 𝑦′ muss oberhalb vom Bruchstrich stehen!
𝑙𝑛|𝑦| = − 𝑙𝑛|𝑥| + 𝐶1 = 𝑙𝑛 |1
𝑥| + 𝐶1 |𝑒^
𝑦 =𝐶
𝑥
Wobei hier 𝑒𝐶1 durch eine neue Konstante 𝐶 ersetzt wurde.
Variante 2: 𝒚′ =𝒅𝒚
𝒅𝒙
Man schreibt 𝑦′ als 𝑑𝑦
𝑑𝑥 und tut dann alles mit 𝑦 zudammen mit dem 𝑑𝑦 auf eine Seite, alles mit 𝑥
zusammen mit dem 𝑑𝑥 auf die andere Seite und integriert auf einer Seite nach 𝑥, auf der anderen
nach 𝑦.
Analysis PVK 2019 70 © Crameri/Grass
Allgemein:
𝑦′(𝑥) · 𝑔(𝑦) = 𝑓(𝑥) 𝑑𝑦
𝑑𝑥· 𝑔(𝑦) = 𝑓(𝑥)
𝑔(𝑦) · 𝑑𝑦 = 𝑓(𝑥) · 𝑑𝑥 |∫
𝐺(𝑦) = 𝐹(𝑥) + 𝐶 nach y auflösen (evt. Konstanten neu zusammenfassen)
Beispiel:
𝑥𝑦′ + 𝑦 = 0
𝑥 ·𝑑𝑦
𝑑𝑥+ 𝑦 = 0 |𝑠𝑒𝑝𝑎𝑟𝑖𝑒𝑟𝑒𝑛
𝑑𝑦
𝑦= −
𝑑𝑥
𝑥 | ∫ Auch hier sollen 𝑑𝑥 und 𝑑𝑦 im Zähler bleiben!
𝑙𝑛|𝑦| = −𝑙𝑛|𝑥| + 𝐶1 |𝑒^
𝑦 =𝐶
𝑥.
Hätte man jetzt z.B. noch die Anfangsbedingung 𝑦(2) = 5 gibt das:
𝑦(2) =𝐶
2= 5 ↝ 𝐶 = 10 ↝ 𝑦(𝑥) =
10
𝑥
Substitutionen
Manchmal können DGL mithilfe von Substitutionen auf eine separierbare DGL zurückgeführt
werden. Häufige Substitutionen sind:
DGL der Form 𝑦′(𝑥) = ℎ (𝑦
𝑥) kann man oft mit der Substitution 𝑢(𝑥) ≔
𝑦(𝑥)
𝑥 lösen. Dabei darf
man nicht vergessen auch die Ableitung zu substituieren
(Achtung Kettenregel und Produktregel: 𝑦(𝑥) = 𝑢(𝑥) · 𝑥 ↝ 𝑦′(𝑥) = 𝑢′(𝑥) · 𝑥 + 𝑢(𝑥);
wobei 𝑢′ =𝑑𝑢
𝑑𝑥)
DGL der Form 𝑦′(𝑥) = 𝑓(𝑎 · 𝑥 + 𝑏 · 𝑦(𝑥) + 𝑐) kann man oft durch 𝑢(𝑥) ≔ a𝑥 + 𝑏𝑦(𝑥) + 𝑐 lösen.
Kommen in einer DGL nur Ableitungen vor kann man die Ableitung Substituieren. Bsp: 𝑦′′ +
𝑥2𝑦′ = 5𝑥 wird mit 𝑧(𝑥) ≔ 𝑦′(𝑥) zu 𝑧′ + 𝑥2𝑧 = 5𝑥 Dies kann man nach z auflösen. Die Lösung
für 𝑦 ist dann das integral 𝑦(𝑥) = ∫ 𝑧(𝑥)𝑑𝑥 + 𝑪. Auch hier: Integrationskonstante nicht
vergessen! Falls die kleinste Ableitung 𝑦′′ ist (also kein 𝑦 und kein 𝑦′ vorkommt), kann man
auch 𝑧(𝑥) ≔ 𝑦′′(𝑥) substituieren usw.
13.4 DGL 1. Ordnung – Partikuläre Lösung
Für das finden einer Partikulären Lösung gibt es zwei Arten: 1. Finden von 𝑦𝑝 mittels Ansatz. 2.
Methode der Variation der Konstanten (Auch Lagrange Verfahren genannt). Grundsätzlich ist die
Methode mit Ansatz schneller und weniger Aufwendig zu rechnen. Allerdings funktioniert sie nicht
immer. Variation der Konstanten funktioniert immer, kann allerdings ziemlich aufwendig werden.
Als Faustregel gilt: Sind die Koeffizienten einer DGL nicht Konstant, sollte man eher Lagrange
wählen.
Analysis PVK 2019 71 © Crameri/Grass
𝒚𝒑 mittels Ansatz
Man nimmt als Ansatz für die partikuläre Lösung eine Funktion die dem Störterm „ähnlich“ ist. Die
folgende Tabelle kann dafür als Orientierungshilfe genommen werden:
Störterm Ansatz für 𝒚𝒑
Polynom mit Grad n
Polynom mit Grad n
(Falls nicht schon Teil der homogenen Lsg.)
Polynom mit Grad n+1
(Falls Polynom mit Grad n Teil der homogenen Lsg. ist.)
𝐀 · 𝐬𝐢𝐧(𝝎𝒙) 𝐵 sin(𝜔𝑥) + 𝐶 cos(𝜔𝑥)
𝑨𝐜𝐨𝐬(𝝎𝒙) 𝐵 sin(𝜔𝑥) + 𝐶 cos(𝜔𝑥)
𝑨𝐬𝐢𝐧(𝝎𝒙 − 𝝋) 𝐵 sin(𝜔𝑥 − 𝜑) + 𝐶 𝑐𝑜𝑠 (𝜔𝑥 − 𝜑)
𝑨𝒆𝒃𝒙 𝐶 𝑒𝑏𝑥
𝑨𝐬𝐢𝐧𝐡(𝝎𝒙) 𝐵𝑒𝜔𝑥 + 𝐶𝑒−𝜔𝑥 oder 𝐵 sinh(𝜔𝑥) + 𝐶 cosh(𝜔𝑥)
𝑨𝐜𝐨𝐬𝐡(𝝎𝒙) 𝐵𝑒𝜔𝑥 + 𝐶𝑒−𝜔𝑥 oder 𝐵 sinh(𝜔𝑥) + 𝐶 cosh(𝜔𝑥)
Falls der Ansatz den man laut Tabelle nehmen müsste schon eine Lösung der homogenen
Gleichung (oder eine Linearkombination mehrerer 𝑦ℎ) ist, wird er nicht funktioniere, denn
es wird ja Null rauskommen wenn man ihn links einsetzt. Es ist dann oft eine gute Idee, den
Ansatz noch mit x zu multiplizieren.
Man muss immer den ganzen Ansatz nehmen. D.h. ist der Störterm z.B. 3𝑥2 muss man 𝑦𝑝 =
𝐴 𝑥2 + 𝐵𝑥 + 𝐶 als Ansatz nehmen und nicht nur 𝑦𝑝 = 𝐴𝑥2
Ist der Sörterm sin2 𝑥 oder eine sonstige Potenz einer Trigofunktion empfiehlt es sich diesen
mithilfe Trigonometrischer Identitäten auf lineare Trigofunktionen umzuformen (BSP: 𝑦′′ −
2𝑦′ = sin2 𝑥 =1
2−cos(2𝑥)
2
→ Ansatz: 𝑦𝑝 = 𝐴 + 𝐵 cos 2𝑥 + 𝐶 𝑠𝑖𝑛 2𝑥)
Bei Summen von Störtermen Summe aller Ansätze verwenden
Bei Produkten von Störtermen Produkte aus Ansätzen verwenden (funktioniert aber
leider nicht immer)
Beispiel:
𝑦′ + 2𝑦 = 𝑠𝑖𝑛 𝑥
1. Homogene DGL 𝑦′ + 2𝑦 = 0 durch Separation der Variablen lösen:
↝𝑦′
𝑦= −2 |∫ 𝑑𝑦
𝑙𝑛|𝑦| = −2𝑥 + 𝐶 |𝑒^
𝑦ℎ = 𝐶 𝑒−2𝑥
2. Ansatz 𝑦𝑝 = 𝐴 sin 𝑥 + 𝐵 cos 𝑥 𝑦𝑝′ = 𝐴 cos 𝑥 − 𝐵 sin 𝑥
3. Einsetzen:
𝐴 𝑐𝑜𝑠 𝑥 − 𝐵 𝑠𝑖𝑛 𝑥⏟ 𝑦𝑝′
+ 2 ( 𝐴 𝑠𝑖𝑛 𝑥 + 𝐵 𝑐𝑜𝑠 𝑥)⏟ 𝑦𝑝
= 𝑠𝑖𝑛 𝑥
4. Koeffizientenvergleich: 𝐴 + 2𝐵 = 0 ; −𝐵 + 2𝐴 = 1 ⇒ 𝐴 =2
5; 𝐵 = −
1
5
Analysis PVK 2019 72 © Crameri/Grass
𝑦𝑝 =2
5𝑠𝑖𝑛 𝑥 −
1
5𝑐𝑜𝑠 𝑥 𝑦(𝑥) = 𝑦ℎ + 𝑦𝑝 = 𝐶𝑒
−2𝑥 +2
5𝑠𝑖𝑛 𝑥 −
1
5𝑐𝑜𝑠 𝑥
Variation der Konstanten
Beispiel:
𝑦′ + 2𝑦 = 𝑠𝑖𝑛 𝑥
1. Wieder zuerst homogene Lösung finden: 𝑦ℎ = 𝐶 𝑒−2𝑥
2. Jetzt machen wir den Ansatz dass die Konstante 𝐶 eine Funktion von 𝑥 ist, d.h. 𝐶 = 𝐶(𝑥)
Daraus folgt dann: (ACHTUNG Kettenregel!)
𝑦 = 𝐶(𝑥)𝑒−2𝑥 ↝ 𝑦′ = 𝐶′(𝑥)𝑒−2𝑥 − 2𝐶(𝑥)𝑒−2𝑥
3. Einsetzen:
𝐶′(𝑥)𝑒−2𝑥 − 2𝐶(𝑥)𝑒−2𝑥⏟ =𝑦′
+ 2(𝐶(𝑥)𝑒−2𝑥⏟ =𝑦
) = 𝑠𝑖𝑛 𝑥
Es muss sich immer so ein Term wegkürzen, andernfalls habt ihr wohl etwas falsch
gerechnet.
𝐶′(𝑥) =sin 𝑥
𝑒−2𝑥
4. Partiell integrieren ... ⇒ 𝐶(𝑥) = 𝑒2𝑥 (−1
5cos 𝑥 +
2
5sin 𝑥) + 𝑪
Auch hier Integrationskonstante nicht vergessen!
5. 𝑦(𝑥) = 𝐶(𝑥)𝑒−2𝑥 = −1
5cos 𝑥 +
2
5sin 𝑥 + 𝐶𝑒−2𝑥
13.5 Exakte DGL
Eine Exakte DGL ist ein Spezialfall einer DGL 1. Ordnung. Diese muss nicht linear sein.
Eine exakte Differentialgleichung ist von der Form
𝐺𝑥(𝑥, 𝑦) + 𝐺𝑦(𝑥, 𝑦) · 𝑦′ = 0
Und sie ist genau dann exakt, wenn gilt:
𝜕𝐺𝑥𝜕𝑦
=𝜕𝐺𝑦
𝜕𝑥
Man erhält die Lösungsschar 𝐺(𝑥, 𝑦) = 𝐶 indem man die Integrale ∫ 𝐺𝑥(𝑥, 𝑦) 𝑑𝑥 und
∫ 𝐺𝑦(𝑥, 𝑦) 𝑑𝑦 ausrechnet. Die Konstante 𝐶 lässt sich mit der Randbedingung (falls vorhanden)
bestimmen.
13.6 Orthogonaltrajektorien
Die Orthogonaltrajektorien einer Kurvenschar, sind diejenigen Kurven, die in jedem Punkt
senkrecht auf der ursprünglichen Kurvenschar liegen.
Um die Orthogonaltrajektorien einer Kurvenschar zu finden, braucht man diese in der Form einer
folgenden DGL:
𝑦′(𝑥) = 𝑓(𝑥, 𝑦)
Analysis PVK 2019 73 © Crameri/Grass
Die Steigung 𝑦⊥′ die senkrecht auf der Steigung 𝑦′ ist bekommt man allgemein durch: 𝑦⊥
′ = −1
𝑦′
Somit kriegt man die Orthogonaltrajektorien durch lösen der DGL
𝑦𝑂𝑇′ = −
1
𝑦′= −
1
𝑓(𝑥, 𝑦)
BEMERKUNG: Bei vielen Aufgaben ist die Kurvenschar nicht durch eine Differentialgleichung
gegeben, sondern durch eine Gleichung mit Scharparameter. Um von dieser Darstellung
auf eine DGL wie oben zu kommen, muss man die Gleichung nach 𝑥 ableiten und den
Scharparameter aus dem Gleichungssystem eliminieren.
Beispiel:
Gegeben: Kurvenschar 𝑦2 = 2𝐶𝑥 wobei 𝐶 = 𝑘𝑜𝑛𝑠𝑡 hier der Scharparameter ist.
Gesucht: Orthogonaltrajektorien
Ableiten nach x (ACHTUNG Kettenregel; y ist eine Funktion von x):
2𝑦𝑦′ = 2𝐶
Man will nun eine DGL mit 𝑦’ aber ohne 𝐶 haben. Also obere Geleichung nach 𝐶 auflösen: 𝐶 =𝑦2
2𝑥
und in untere einsetzen: 𝑦𝑦′ =𝑦2
2𝑥↝ 𝑦′ =
𝑦
2𝑥
Die Gleichung für die Orthogonaltrajektorien wäre dann:
𝑦𝑂𝑇′ = −
1
𝑦′= −
2𝑥
𝑦𝑂𝑇
Diese lässt sich durch Separation der Variablen lösen:
𝑦𝑂𝑇′ · 𝑦𝑂𝑇 = −2𝑥 ∫ 𝑑𝑥
(𝑌𝑂𝑇)2
2= −𝑥2 + ��
𝑦𝑂𝑇 = √−2𝑥2 + 𝐷 Schar der OT mit 𝐷 = 𝑘𝑜𝑛𝑠𝑡. als Scharparameter
13.7 Enveloppen
Die Enveloppe ist die umhüllende einer Kurvenschar.
Man erhält die Enveloppe einer Kurvenschar mit Scharparameter C und der Darstellung als
Koordinatengleichung 𝐺(𝑥, 𝑦, 𝐶) = 0 durch das lösen des Gleichungssystems
𝐺(𝑥, 𝑦, 𝐶) = 0
𝜕
𝜕𝐶𝐺(𝑥, 𝑦, 𝐶) = 0
Man muss also die Gleichung partiell nach dem Scharparameter ableiten und anschliessend 𝐶
aus den zwei Gleichungen eliminieren. Die resultierende Gleichung (die nur noch 𝑥 und 𝑦 enthält)
ist die Koordinatengleichung der Enveloppe.
Analysis PVK 2019 74 © Crameri/Grass
13.8 DGL höherer Ordnung – Homogene Lösung
Um die homogene Lösung 𝑦ℎ einer Differentialgleichung höherer Ordnung zu finden gibt es für uns
eigentlich nur zwei Möglichkeiten (Ausser es sind so fiese DGL mit irgendwelchen komischen
Substitutionen o.Ä) Die 2 Möglichkeiten sind: 1.Bei konstanten Koeffizienten Ansatz 𝑦ℎ = 𝐴𝑒𝜆𝑥 2.
Eulerdifferentialgleichungen.
DGL mit konstanten Koeffizienten
Für DGL der Form 𝑎𝑛𝑦(𝑛) + 𝑎𝑛−1𝑦
(𝑛+1) +⋯+ 𝑎2𝑦′′ + 𝑎1𝑦
′ + 𝑎0y = 0 macht man den Ansatz 𝑦 = 𝑒𝜆𝑥 .
Einsetzen führt auf
𝑎𝑛𝜆𝑛𝑒𝜆𝑥 + 𝑎𝑛−1𝜆
𝑛−1𝑒𝜆𝑥 +⋯+ 𝑎2𝜆2𝑒𝜆𝑥 + 𝑎1𝜆𝑒
𝜆𝑥 + 𝑎0𝑒𝜆𝑥 = 0
Dies führt dann auf die charakteristische Gleichung:
𝑎𝑛𝜆𝑛 + 𝑎𝑛−1 𝜆
𝑛−1 +⋯+ 𝑎2𝜆2 + 𝑎1𝜆 + 𝑎0 = 0
Die Lösungen 𝜆 dieser Gleichung heissen Eigenwerte der DGL. Je nach Eigenwerte ergeben sich
folgende Lösungen für 𝑦:
a) 𝜆1 ≠ 𝜆2 ≠ 𝜆3 ≠ ⋯𝑟𝑒𝑒𝑙𝑙 → 𝑦 = 𝐶1𝑒𝜆1𝑥 + 𝐶2𝑒
𝜆2𝑥 + 𝐶3𝑒𝜆3𝑥 +⋯
b) 𝜆1 = 𝜆2 = 𝜆3 = ⋯𝑟𝑒𝑒𝑙𝑙 → 𝑦 = 𝐶1𝑒𝜆𝑥 + 𝐶2𝑥𝑒
𝜆𝑥 + 𝐶3𝑥2𝑒𝜆𝑥 +⋯
c) 𝜆1 = 𝜆2 = 𝜆3 = ⋯ = 0 → 𝑦 = 𝐶1 + 𝐶2𝑥 + 𝐶3𝑥2 +⋯
d) 𝜆1,2 = 𝑎 ± 𝑏𝑖 → 𝑦 = 𝑒𝑎𝑥(𝐶1 cos(𝑏𝑥) + 𝐶2 sin(𝑏𝑥))
e)𝜆1,2 = 𝜆3,4 = ⋯ = 𝑎 ± 𝑏𝑖 → 𝑦 = 𝑒𝑎𝑥(𝐶1 cos(𝑏𝑥) + 𝐶2 sin(𝑏𝑥)) + 𝑒𝑎𝑥𝑥(𝐶3 cos(𝑏𝑥) + 𝐶4 sin(𝑏𝑥)) +⋯
Auch hier gilt also wieder die Regel, dass man die Lösung mit 𝑥 multipliziert, falls man zweimal
dieselbe Lösung hat.
Wie man von 𝜆1, = 𝑎 ± 𝑏𝑖 auf 𝑦 = 𝑒𝑎𝑥(𝐶1 cos(𝑏𝑥) + 𝐶2 sin(𝑏𝑥)) kommt:
Sind zwei Eigenwerte 𝜆1,2 = 𝑎 ± 𝑏𝑖 , so wären die zugehörigen Basislösungen ja eigentlich:
𝑦1 = 𝑒(𝑎+𝑏𝑖)𝑥 und 𝑦2 = 𝑒
(𝑎−𝑏𝑖)𝑥. Nun ist aber wegen der Linearität der DGL jede Linearkombination
von Basislösungen auch wieder eine Basislösung. D.h:
1
2𝑦1 +
1
2𝑦2 =
𝑒𝑎𝑥(𝑒𝑏𝑥𝑖 + 𝑒−𝑏𝑥𝑖)
2= 𝑒𝑎 · 𝑐𝑜𝑠(𝑏𝑥)
1
2𝑖𝑦1 −
1
2𝑖𝑦2 =
𝑒𝑎𝑥(𝑒𝑏𝑥𝑖 − 𝑒−𝑏𝑥𝑖)
2𝑖= 𝑒𝑎 · 𝑠𝑖𝑛(𝑏𝑥)
Sind wieder zwei unabhängige Basislösungen. Deren Linearkombination
𝑦 = 𝑒𝑎𝑥(𝐶1 cos(𝑏𝑥) + 𝐶2 sin(𝑏𝑥)) ist dann auch wiederum die Allgemeine Lösung!
Euler-differentialgleichungen
Eulerdifferentialgleichungen sind von der Form:
𝑎𝑛𝑥𝑛𝑦(𝑛) + 𝑎𝑛−1𝑥
𝑛−1𝑦(𝑛−1) +⋯+ 𝑎1𝑥𝑦′ + 𝑎0𝑦 = 0
Für diese macht man den Ansatz 𝑦 = 𝑥𝛼 und setzt ihn in die Gleichung ein. Dann kann man die
gesamte Gleichung durch 𝑥𝛼 teilen und kommt dann auf das Indexpolynom:
𝐼(𝛼) = 𝑎𝑛 𝛼(𝛼 − 1)… (𝛼 − (𝑛 − 1))⏟ 𝑛 𝐹𝑎𝑘𝑡𝑜𝑟𝑒𝑛
+ 𝑎𝑛−1 𝑎𝑛−1𝛼(𝛼 − 1)… (𝛼 − (𝑛 − 2))⏟ 𝑛−1 𝐹𝑎𝑘𝑡𝑜𝑟𝑒𝑛
+⋯+ 𝑎1𝛼 + 𝑎0 = 0
Analysis PVK 2019 75 © Crameri/Grass
Je nach Nullstellen 𝛼 des Indexpolynoms ergeben sich die Folgenden Lösungen:
a) 𝛼1 ≠ 𝛼2 ≠ 𝛼3…𝑟𝑒𝑒𝑙𝑙 → 𝑦 = 𝐶1𝑥𝛼1 + 𝐶2𝑥
𝛼2 + 𝐶3𝑥𝛼3 +⋯
b) 𝛼1 = 𝛼2 = 𝛼3 = α…𝑟𝑒𝑒𝑙𝑙 → 𝑦 = 𝐶1𝑥𝛼 + ln(𝑥) 𝐶2𝑥
𝛼 + (ln 𝑥)2𝐶3𝑥𝛼 +⋯
c) 𝛼1 = 𝛼2 = 𝛼3 = ⋯ = 0 → 𝑦 = 𝐶1 + ln(𝑥) 𝐶2 + (ln 𝑥)2𝐶3 +⋯
d) 𝛼1,2 = 𝑎 ± 𝑏𝑖 → 𝑦 = 𝑥𝛼(𝐶1 cos(𝑏 ∙ ln 𝑥) + 𝐶2 sin(𝑏 ∙ ln 𝑥)
e) 𝛼1,2 = 𝛼3,4 = 𝑎 ± 𝑏𝑖 → 𝑦 = 𝑥𝑎(𝐶1 cos(𝑏 ∙ ln 𝑥) + 𝐶2 sin(𝑏 ∙ ln 𝑥)) +
ln(𝑥) · [𝑥𝑎(𝐶3 cos(𝑏 ∙ ln 𝑥) + 𝐶4 sin(𝑏 ∙ ln 𝑥)]
Hier multipliziert man also mit ln(𝑥)𝑛 falls Lösungen mehrfach vorkommen.
Beispiel:
𝑥𝑦′′ + 𝑦′ +𝑦
𝑥= 3 | · 𝑥 (𝑢𝑚 𝑎𝑢𝑓 𝐸𝑢𝑙𝑒𝑟 − 𝐹𝑜𝑟𝑚 𝑧𝑢 𝑘𝑜𝑚𝑚𝑒𝑛)
𝑥2𝑦′′ + 𝑥𝑦′ + 𝑦 = 3𝑥
Die homogene DGL 𝑥2𝑦′′ + 𝑥𝑦′ + 𝑦 = 0 lösen wir durch den Euler-Ansatz: 𝑦ℎ = 𝑥𝛼 Einsetzen gibt:
𝑥2 𝛼(𝛼 − 1)𝑥𝛼−2⏟ =𝑦′′
+ 𝑥 𝛼𝑥𝛼−1⏟ =𝑦′
+ 𝑥𝛼 = 0
𝛼(𝛼 − 1)𝑥𝛼 + 𝛼𝑥𝛼 + 𝑥𝛼 = 0
Daraus folgt das Indexpolynom:
𝛼(𝛼 − 1) + 𝛼 + 1 = 𝛼2 + 1 = 0 ⇒ 𝛼1,2 = ±𝑖
Und damit die homogene Lösung:
𝑦ℎ = 𝐶1 𝑐𝑜𝑠(𝑙𝑛 𝑥) + 𝐶2 𝑠𝑖𝑛(𝑙𝑛 𝑥)
Für die partikuläre Lösung machen wir den Ansatz 𝑦𝑝 = 𝐴𝑥 + 𝐵
Eingesetzt ergibt das:
𝑥𝐴 + 𝐴𝑥 + 𝐵 = 3𝑥 ⇒ 𝐵 = 0; 𝐴 =3
2 ⇒ 𝑦𝑝 =
3
2𝑥
𝑦(𝑥) = 𝑦ℎ + 𝑦𝑝 = 𝐶1 𝑐𝑜𝑠(𝑙𝑛 𝑥) + 𝐶2 𝑠𝑖𝑛(𝑙𝑛 𝑥) +3
2𝑥
𝐶1, 𝐶2 allenfalls mit Anfangsbedingungen bestimmen.
13.9 DGL höherer Ordnung – partikuläre Lösung
Auch für Differentialgleichung höherer Ordnung kann man die partikuläre Lösung (𝑦𝑝) entweder
mittels Ansatz oder mit dem Verfahren von Lagrange lösen.
𝒚𝒑 mittels Ansatz
Das finden einer partikulären Lösung mittels Ansatz funktioniert für DGL höherer Ordnung gleich
wie für solche erster Ordnung (siehe entsprechendes Kapitel). Auch die Tabelle kann wieder
dieselbe genommen werden. Bei DGL höherer Ordnung muss man aber noch besser aufpassen,
dass man nicht eine Lösung (oder Linearkombination mehrerer Lösungen) der homogenen
Gleichung als Ansatz nimmt. Ist der Ansatz den man laut Tabelle nehmen müsste schon r-fache
Lösung der homogenen Gleichung multipliziert man den Ansatz mit 𝑥𝑟 (bei
Eulerdifferentialgleichungen entsprechend mit (ln 𝑥)𝑟).
Analysis PVK 2019 76 © Crameri/Grass
Variation der Konstanten 2. Ordnung
Das Lagrange-Verfahren (Variation der Konstanten) funktioniert auch für DGL höherer Ordnung
immer. Allerdings wird es hier sehr schnell extrem mühsam, also lieber zuerst 100 verschiedene
Ansätze ausprobieren ;) Es funktioniert zwar auch für DGL von Ordnung >2 aber für uns ist dieses
Verfahren für DGL 2. Ordnung vorerst das höchste der Gefühle.
1. Zuerst brauchen wir die homogene Lösung: 𝑦ℎ(𝑥) = 𝐶1𝑢(𝑥) + 𝐶2𝑣(𝑥) (Wir haben eine DGL 2.
Ordnung und daher zwei Basislösungen, die wir hier 𝑢(𝑥) und 𝑣(𝑥) genannt haben).
2. Wir machen den Ansatz (Variation der Konstanten):
𝑦(𝑥) = 𝐶1(𝑥)𝑢(𝑥) + 𝐶2(𝑥)𝑣(𝑥)
3. Wir machen folgende zwei Annahmen:
𝐶1′𝑢 + 𝐶2
′𝑣 = 0 und 𝐶1′𝑢′ + 𝐶2
′𝑣′ = 𝑔(𝑥)
4. Danach rechnet man mal für eine Weile (muss man an der Prüfung nicht machen) und
kommt dann auf folgende Formeln für 𝐶1(𝑥) und 𝐶2(𝑥):
𝐶1′(𝑥) =
−𝑔(𝑥) ∙ 𝑣
𝑢𝑣′ − 𝑢′𝑣 𝐶2
′(𝑥) =𝑔(𝑥) ∙ 𝑢
𝑢𝑣′ − 𝑢′𝑣
5. 𝐶1(𝑥) und 𝐶2(𝑥) bestimmt man nun durch Integrieren
ACHTUNG: Wiedermal die Integrationskonstante nicht vergessen!
Analysis PVK 2019 77 © Crameri/Grass
14 Systeme von Differentialgleichungen
Ein lineares System von DGL
��(𝑡) = 𝑎11𝑥 + 𝑎12𝑦 + 𝑏1
��(𝑡) = 𝑎21𝑥 + 𝑎22𝑦 + 𝑏2
kann man auch mit Matrizen und Vektoren schreiben als:
�� = 𝐴𝑧 + �� 𝑚𝑖𝑡 𝑧(𝑡) = (𝑥(𝑡)
𝑦(𝑡)) ; 𝐴 = (
𝑎11 𝑎12𝑎21 𝑎22
) 𝑢𝑛𝑑 �� = (𝑏1𝑏2)
Auch hier sucht man zuerst wieder die allgemeine Lösung der homogenen Gleichung ( �� = 0) und
sucht dann wieder eine Partikuläre Lösung (meist mit Ansatz). Zum lösen des homogenen DGL-
Systems gibt es die folgenden 2 Möglichkeiten:
14.1 Methode 1: „Linalg-Methode“
In Linalg häufig die beste Wahl. Diese Methode ist nur zu empfehlen, wenn die A-Matrix
diagonalisierbar ist. In diesem Fall ist die Methode dann aber ziemlich effizient.
Von wo das Zeugs kommt:
Man hat das System �� = 𝐴𝑧
Man findet Alle Eigenwerte 𝜆𝑖 und die zugehörigen Eigenvektoren ��𝑖 von A und definiere
𝐷 ≔ 𝑑𝑖𝑎𝑔(𝜆1, 𝜆2, … , 𝜆𝑛) und 𝑇 ≔ (��1, ��2, … , ��𝑛).
Dann gilt 𝑇−1𝐴𝑇 = 𝐷.
Nun substituiert man 𝑧 = 𝑇�� setzt dies ein: 𝑇�� = 𝐴𝑇�� multipliziert mit 𝑇−1 von links:
𝑇−1𝑇⏟ =𝕀
�� = 𝑇−1𝐴𝑇⏟ =𝐷
�� ↝ �� = 𝐷�� und kriegt damit ein entkoppeltes System für ��
Man löst dieses System für �� und macht die Rücktransformation 𝑧 = 𝑇��
Was man schlussendlich rechnet:
1. Finde EW (𝜆𝑖) und EV (��𝑖) von A
2. Baue Lösung nach folgendem Schema zusammen:
a) 𝜆1 ≠ 𝜆2 ≠ ⋯𝑟𝑒𝑒𝑙𝑙 → 𝑧ℎ = 𝐶1𝑒𝜆1𝑡 ∙ 𝑣1 + 𝐶2𝑒
𝜆2𝑡 ∙ 𝑣2 + ⋯
b) 𝜆1 = 𝜆2 = ⋯ = λ 𝑟𝑒𝑒𝑙𝑙 → 𝑧ℎ = 𝐶1𝑒𝜆𝑡 ∙ 𝑣1 + 𝐶2 𝑒
𝜆𝑡 ∙ 𝑣2 + 𝐶3 eλtv3 + ⋯
ACHTUNG: Solange 𝐴 diagonalisierbar ist, wird hier nicht irgendwie mit 𝑡 multipliziert, auch
wenn ein Eigenwert mehrfach vorkommt. Multiplikation mit 𝑡 macht man nur dann, wenn A
nicht diagonalisierbar ist. In diesem Fall ist aber die „Entkopplungsmethode“ nicht zu
empfehlen.
c) konjugiert komplexe 𝜆 und ��
MERKE: ist A reell treten komplexe EW 𝜆 und EV �� immer in komplex konjugierten Paaren auf!
man betrachtet jetzt nur den positiven* EW und den zugehörigen EV:
𝜆1 = 𝑎 + 𝑏𝑖 → ��1 = (𝑐𝑑𝑖)
Mit diesem Schreibt man die Lösung für 𝑧(𝑡) als:
Analysis PVK 2019 78 © Crameri/Grass
𝑧(𝑡) = (𝑐𝑑𝑖) 𝑒(𝑎+𝑏𝑖)𝑡 = (
𝑐𝑑𝑖) 𝑒𝑎𝑡(cos(𝑏𝑡) + 𝑖 sin(𝑏𝑡)) = (
𝑐 ∙ 𝑒𝑎𝑡 cos(𝑏𝑡) + 𝑖 𝑐 𝑒𝑎𝑡 sin(𝑏𝑡)
𝑑𝑖 𝑒𝑎𝑡 cos(𝑏𝑡) − 𝑑𝑒𝑎𝑡 sin(𝑏𝑡)) =
(𝑒𝑎𝑡 𝑐 cos(𝑏𝑡)
−𝑒𝑎𝑡 𝑑 sin(𝑏𝑡) ) + 𝑖 (
𝑒𝑎𝑡 𝑐 sin(𝑏𝑡)
𝑒𝑎𝑡 𝑑 cos(𝑏𝑡) )
Als nächstes trennt man den Realteil und den Imaginärteil und nimmt eine Linearkombination
davon (mit Konstanten 𝐶1 und 𝐶2) als Lösung
𝑧(𝑡) = (𝑥(𝑡)
𝑦(𝑡)) = C1 · 𝑅𝑒 + 𝐶2 · 𝐼𝑚 = 𝐶1𝑒
𝑎𝑡 (c cos(𝑏𝑡)−𝑑 sin(𝑏𝑡)
) + 𝐶2𝑒𝑎𝑡 (
𝑐 sin(𝑏𝑡)𝑑 cos(𝑏𝑡)
)
*man kann auch den negativen EW 𝜆2 und zugehörigen negativen EV ��2 nehmen. Man darf aber
nicht z.B. 𝜆1 und ��2 nehmen!
Erklärung wieso das bei c) so geht
Hier gilt wieder das gleiche wie bei normalen DGL: Da das System linear ist, ist jede
Linearkombination von Lösungen auch wieder eine Lösung. Der Realteil und der Imaginärteil einer
komplexen Zahl sind jeweils Linearkombinationen der Komplexen Zahl und Ihrer komplex-
konjugierten (𝑅𝑒(𝑧) =1
2𝑧 +
1
2𝑧; 𝐼𝑚(𝑧) =
1
2𝑖𝑧 −
1
2𝑖𝑧). Daher sind der Realteil und Imaginärteil jeweils für
sich auch wieder Basislösungen. Da die EW und die EV immer in komplex konjugierten Paaren
auftreten, hat man in einem EW+EV sozusagen schon zwei linear unabhängige Lösungen drin.
Beispiele DGL-Systeme mit Linalg-Methode (Nur wenn A diagonalisierbar)
Beispiel 1: (A diagonalisierbar, 2 reelle EW)
Man bestimme die Funktionen 𝑥(𝑡) und 𝑦(𝑡) welche folgendes DGL-System erfüllen:
�� = 𝑥 + 4𝑦
�� = 2𝑥 + 3𝑦
mit den Anfangsbedingungen 𝑥(0) = 0 und 𝑦(0) = 3
Lösung:
Das System lässt sich in Matrixschreibweise schreiben als:
(����) = (
1 42 3
)⏟ ≔𝐴
(𝑥𝑦)
Nun muss man die Eigenwerte (𝜆𝑖) und Eigenvektoren (��𝑖) von 𝐴 finden. Man erhält:
𝜆1 = 5 𝑚𝑖𝑡 ��1 = (11) 𝑢𝑛𝑑 𝜆2 = −1 𝑚𝑖𝑡 ��2 = (
−21)
Tipp: Die folgenden zwei Eigenschaften sind oft nützlich um Eigenwerte zu finden oder zu
überprüfen, ob die gefundenen Eigenwerte stimmen:
∑𝜆𝑖𝑖
= 𝑠𝑝𝑢𝑟(𝐴) 𝑖𝑛 𝑑𝑖𝑒𝑠𝑒𝑚 𝐹𝑎𝑙𝑙: 5 − 1 = 𝑠𝑝𝑢𝑟(𝐴) = 3 + 1 = 4
∏𝜆𝑖𝑖
= 𝑑𝑒𝑡(𝐴) 𝑖𝑛 𝑑𝑖𝑒𝑠𝑒𝑚 𝐹𝑎𝑙𝑙: 5 · (−1) = 𝑑𝑒𝑡(𝐴) = 1 · 3 − 2 · 4 = −5
Bemerkung: Natürlich sind alle vielfachen der ��𝑖 auch Eigenvektoren. Für die Lösung des DGL-
Systems kann man auch diese vielfachen verwenden. Die Allgemeine Lösung wird dann zwar
unterschiedlich sein, ist aber dennoch die gleiche, da es nur auf das „Verhältnis“ der Konstanten
draufankommt. Die spezielle Lösung zu den gegebenen Anfangsbedingungen ist dann eindeutig.
Analysis PVK 2019 79 © Crameri/Grass
Die Allgemeine Lösung lautet:
(𝑥𝑦) = 𝐶1𝑒
5𝑡 (11) + 𝐶2𝑒
−𝑡 (−21)
𝑥(𝑡) = 𝐶1𝑒5𝑡 − 2𝐶2𝑒
−𝑡
𝑦(𝑡) = 𝐶1𝑒5𝑡 + 𝐶2𝑒
−𝑡
Aus den Anfangsbedingungen erhalten wir das Gleichungssystem:
{𝐶1 − 2𝐶2 = 0𝐶1 + 𝐶2 = 3
Dieses hat die Lösung 𝐶1 = 2 und 𝐶2 = 1. Die Endlösung ist somit:
{𝑥(𝑡) = 2𝑒5𝑡 − 2𝑒−𝑡
𝑦(𝑡) = 2𝑒5𝑡 + 𝑒−𝑡
Beispiel 2: (A diagonalisierbar, komplex konjugierte Lösungen)
Man finde die Allgemeine Lösung des folgenden DGL-Systems:
(����) = (
−1 2−2 −1
)⏟
≔𝐴
(𝑥𝑦)
Lösung:
Die Eigenwerte mit ihren dazugehörigen Eigenvektoren lauten:
Bemerkung: Auch jedes vielfache, also auch z.B. das 𝑖-Fache(!) eines Eigenvektors ist wiederum
ein Eigenvektor.
𝜆1 = −1 + 2𝑖 𝑚𝑖𝑡 ��1 = (−𝑖1) 𝑢𝑛𝑑 𝜆2 = −1 − 2𝑖 𝑚𝑖𝑡 ��2 = (
𝑖1)
Bemerke, dass EW und EV immer in komplex konjugierten Paaren auftreten. Für die Lösung
betrachten wir jetzt nur 𝜆1 und ��1
(𝑥𝑦) = (
−𝑖1) · 𝑒(−1+2𝑖)𝑡 = (
−𝑖1) 𝑒−𝑡 · [𝑐𝑜𝑠(2𝑡) + 𝑖 𝑠𝑖𝑛(2𝑡)]⏟
=𝑒2𝑡𝑖
= (−𝑖 · 𝑒−𝑡 𝑐𝑜𝑠(2𝑡) + 𝑒−𝑡 𝑠𝑖𝑛(2𝑡)
𝑒−𝑡 𝑐𝑜𝑠(2𝑡) − 𝑖 · 𝑒−𝑡 𝑠𝑖𝑛(2𝑡))
Nun trennen wir den Real- und Immaginärteil
= (𝑒−𝑡 𝑠𝑖𝑛(2𝑡)
𝑒−𝑡 𝑐𝑜𝑠(2𝑡))
⏟ =𝑅𝑒
+ 𝑖 (−𝑒−𝑡 𝑐𝑜𝑠(2𝑡)
𝑒−𝑡 𝑠𝑖𝑛(2𝑡))
⏟ =𝐼𝑚
Die Allgemeine Lösung ist dann 𝐶1 · 𝑅𝑒 + 𝐶2 · 𝐼𝑚:
(𝑥(𝑡)𝑦(𝑡)
) = 𝐶1 (𝑒−𝑡 𝑠𝑖𝑛(2𝑡)
𝑒−𝑡 𝑐𝑜𝑠(2𝑡)) + 𝐶2 (
−𝑒−𝑡𝑐𝑜𝑠 (2𝑡)
𝑒−𝑡 𝑠𝑖𝑛(2𝑡))
14.2 Methode 2: „Eliminationsmethode“
In Analysis ist diese Methode häufig die bessere Wahl. Sie funktioniert auch falls A nicht
diagonalisierbar ist. Hierbei rechnet man nichts mit Matrizen oder Eigenwerten, sondern versucht
ein System von 𝑛 Differentialgleichungen 1. Ordnung auf eine Differentialgleichung n-ter Ordnung
zu bringen. Dafür muss man meistens eine DGL nach einer Funktion auflösen, diese dann Ableiten
und in die andere DGL einsetzen.
Analysis PVK 2019 80 © Crameri/Grass
Beispiel:
�� = 5𝑥 + 𝑦
�� = −4𝑥 + 𝑦
Erste DGL nach 𝑦 auflösen:
𝑦 = �� − 5𝑥 ↝ �� = �� − 5��
Einsetzen in zweite DGL
�� − 5��⏟ =��
= −4𝑥 + (�� − 5𝑥)⏟ =𝑦
↝ �� − 6�� + 9𝑥 = 0
𝜆2 − 6𝜆 + 9 = (𝜆 − 3)2 ⇒ 𝜆1,2 = 3
𝑥(𝑡) = 𝐶1𝑒3𝑡 + 𝐶2𝑡𝑒
3𝑡 ↝ �� = 3𝐶1𝑒3𝑡 + 𝐶2𝑒
3𝑡 + 3𝐶2𝑡𝑒3𝑡
𝑦 = �� − 5𝑥 = 3𝐶1𝑒3𝑡 + 𝐶2𝑒
3𝑡 + 3𝐶2𝑡𝑒3𝑡 − 5(𝐶1𝑒
3𝑡 + 𝐶2𝑡𝑒3𝑡)
= (𝐶2 − 2𝐶1)𝑒3𝑡 − 2𝐶2𝑡𝑒
3𝑡 = 𝑦(𝑡)
BEMERKUNG: Es kommt nicht drauf an, ob man zuerst 𝑥 oder 𝑦 berechnet. Die Allgemeine Lösung
wird zwar verschieden aussehen, aber da 𝐶1 und 𝐶2 Konstanten sind kommt es hier nur auf das
Verhältnis an. Eine spezielle Lösung zu zwei Anfangsbedingungen ist dann eindeutig.
TIPP: Falls es Anfangsbedingungen hat, kann man oft schon eine Konstante bestimmen nach dem
man erst eine Funktion gefunden hat. Dies sollte man dann auch tun, da man nachher nur noch
eine Konstante „mitschleppen“ muss, was die Rechnung einfacher macht.
Analysis PVK 2019 81 © Crameri/Grass
14.3 Stabilität und Gleichgewicht
An Gleichgewichtpunkten gibt es keine Bewegung. D.h. alle Ableitungen sind dort Null.
Ggw-Pkte dort wo (��(𝑡)��(𝑡)
) = (00) , also keine Geschwindigkeit in 𝑥 oder 𝑦
Nun sei z.B. der Punkt (𝑥0, 𝑦0) ein solcher Gleichgewichtspunkt. Dann kann man Aussagen über die
Stabilität dieses Punktes machen. Dies tut man wie folgt:
1. Falls das System nicht linear ist, muss man es zunächst um den Gleichgewichtspunkt
linearisieren:
Nicht lineares System: ��1 = 𝑓1(𝑦1, 𝑦2) ��2 = 𝑓2(𝑦1 , 𝑦2)
Partielle Ableitungen am Ggw-Pkt. (𝑥0, 𝑦0) bilden
Neues Koordinatensystem (𝜉, 𝜂) mit Ursprung (𝑥0, 𝑦0) einführen:
Daraus folgt dann das lineare System:
ξ =𝜕𝑓1𝜕x(𝑥0, 𝑦0) ∙ ξ +
𝜕𝑓1𝜕y(𝑥0, 𝑦0) ∙ η
η =𝜕𝑓2𝜕x(𝑥0, 𝑦0) ∙ ξ +
𝜕𝑓2𝜕y(𝑥0, 𝑦0) ∙ η
2. Von diesem System (𝜉, 𝜂) dann die EW (𝜆) und damit Stabilität bestimmen
Es gilt:
𝑅𝑒(𝜆𝑖) < 0 Asymptotisch stabil
𝑅𝑒(𝜆𝑖) ≤ 0 Grenzstabil
𝑅𝑒(𝜆𝑖) > 0 Instabil
14.4 Phasenportrait
Man stelle sich irgendwelche Partikel vor, die sich in der 𝑥, 𝑦-Ebene bewegen. Dann beschreiben
die zwei Gleichungen
�� = 𝑓(𝑥, 𝑦)
�� = 𝑔(𝑥, 𝑦)
Die Geschwindigkeit jedes Partikels in Abhängigkeit vom Ort, an dem sich dieser Partikel befindet.
��(𝑥, 𝑦) = (𝑓(𝑥, 𝑦)
𝑔(𝑥, 𝑦)) ist dann das Vektorfeld das die Geschwindigkeit der Partikel beschreibt. Da in
diesem Fall 𝑓 und 𝑔 nur von 𝑥 und 𝑦 und nicht von 𝑡 abhängen, spricht man von einem
stationären Strömungsfeld. Zu jedem Startwert (𝑥0, 𝑦0) eines Partikels gibt es genau eine Kurve auf
der sich der Partikel bewegen wird. Diese Kurve heisst Trajektorie. Die Menge aller Trajektorien
nennt man dann das Phasenportrait.
Das Phasenportrait eines Systems berechnet man durch lösen der Differentialgleichung für 𝑦′:
𝑦′(𝑥, 𝑦) =��(𝑥, 𝑦)
��(𝑥, 𝑦)=𝑔(𝑥, 𝑦)
𝑓(𝑥, 𝑦)
Den Durchlaufsinn des Phasenportraits findet man indem man das ursprünglich gegebene DGL-
System betrachtet und schaut, für an welchen Orten �� und �� jeweils positiv oder negativ sind.
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