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Motivieren ohne zu manipulieren
Anforderungen an die professionelle
Soziale Arbeit im Spannungsfeld zwischen
der Förderung der Klientenautonomie und
den manipulativen Einflüssen durch Macht
und Zwang.
Motivieren ohne zu Manipulieren
Anforderungen an die professionelle Soziale Arbeit im Spannungsfeld
zwischen der Förderung der Klientenautonomie und den manipulativen
Einflüssendurch Macht und Zwang.
Bachelorarbeit von: Sophia Wüst
Blumenstrasse 4
9424 Rheineck
an der: FHS St.Gallen
Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Studienrichtung Sozialpädagogik
begleitet von: Matthias Weber
Dozent Fachbereich Soziale Arbeit
Für den vorliegenden Inhalt ist ausschliesslich die Autorin verantwortlich.
St. Gallen, 12. März 2014
Inhaltsverzeichnis
Abstract ............................................................................................................................1
Vorwort .............................................................................................................................5
1. Einleitung..............................................................................................................7
2. Motivation ...........................................................................................................11 2.1 Begriff der Motivation ....................................................................................................... 11
2.2 Motivation aus dem „Innern“ ............................................................................................ 14
2.3 Motivation durch äussere Einflüsse.................................................................................. 16
2.4 Unmögliche Trennung der intrinsischen- und extrinsischen Motivation ........................... 19
2.5 Korrumpierung intrinsischer Motivation durch externe Belohnung................................... 21
3. Autonomie als Grundbedingung ......................................................................24 3.1 Autonomie und Freiheit .................................................................................................... 24
3.2 Meta- Autonomie .............................................................................................................. 26
3.3 Entscheidungs- und Handlungsfreiheit............................................................................. 28
3.4 Integrität ........................................................................................................................... 29
3.5 Selbstbestimmungstheorie der Motivation ....................................................................... 32
4. Anforderungen im Spannungsfeld von Motivation und Manipulation ..........37 4.1 Einschränkung der individuellen Freiheit.......................................................................... 37
4.1.1 Keine Verhältnisse ohne Macht und Asymmetrie ................................................... 38
4.1.2 Bevormundung durch Kontrolle .............................................................................. 41
4.1.3 Verletzung der Integrität durch strukturelle Zwänge ............................................... 43
4.1.4 Manipulation versus Integrität................................................................................. 44
4.2 Kooperation zwischen Professionellen und Klienten........................................................ 46
4.2.1 Beziehungen im professionellen Kontext................................................................ 47
4.2.2 Arbeitsbündnis ........................................................................................................ 48
4.2.3 Freiwilliges Arbeitsbündnis unter Zwang ................................................................ 50
4.3 Doppeltes Mandat ............................................................................................................ 51
5. Fazit.....................................................................................................................54
Literaturverzeichnis...........................................................................................60 Quellenverzeichnis......................................................................................................... 63
Abbildungsverzeichnis .................................................................................................. 65
1
Abstract
Titel: Motivieren ohne zu manipulieren
Kurzzusammenfassung: Die Arbeit beschreibt das Spannungsverhältnis zwischen dem
Motivieren und dem Manipulieren in der Sozialen Arbeit und leitet
daraus bestimmte Anforderungen an die Professionellen ab.
Autor(en): Sophia Wüst
Publikationsformat: BATH
MATH
Semesterarbeit
Forschungsbericht
Anderes
Veröffentlichung (Jahr): 2014
Sprache: Deutsch
Zitation: Wüst, Sophia. (2014). Motivieren ohne zu manipulieren. Un-
veröffentlichte Bachelorarbeit, FHS St. Gallen, Fachbereich
Soziale Arbeit
Schlagwörter (Tags): Intrinsische Motivation, Manipulation, Selbstbestimmungs-theorie,
Integrität, Autonomie, Arbeitsbündnis, Druck und Zwang, Soziale
Arbeit
Ausgangslage:
Die Motivation eines Menschen hilft diesem, Neues entstehen zu lassen und gilt als Antriebs-
faktor des menschlichen Handelns. In der Sozialen Arbeit wird mit diesem Wissen gearbeitet,
denn die Motivation der Klienten ist oft massgeblich an der Lösung des aktuellen Problems
beteiligt. Die Motivierung der Klienten in eine gewünschte Richtung läuft dabei jedoch stets
Gefahr, manipulativ zu wirken. Durch die Ausübung von Druck und Zwang, zur Vermittlung
eines bestimmten Verhaltens, kann die Autonomie der Klienten beschnitten und eine selbstbe-
stimmte Lebensführung erschwert werden. Eine solche Motivierung mit manipulativem
2
Charakter ist aus ethischer Sicht problematisch, weil die individuelle Freiheit des Klienten
tangiert wird.
Ziel:
Allgemein wächst in der modernen Gesellschaft die Forderung nach Leistung und Erfolg.
Damit steigt auch der Druck auf die Professionellen der Sozialen Arbeit, den Klienten diese
Werte zu vermitteln. Wie können Klienten in diese Richtung aktiviert werden, ohne ihre indivi-
duelle Freiheit zu tangieren? Die Lösung wäre, die Klienten zu motivieren ohne sie zu manipu-
lieren. Motivation und Manipulation liegen jedoch nahe beieinander, weil bereits die Absicht
der Professionellen, ein gewünschtes Verhalten zu fördern, als Druck auf die Klienten interpre-
tiert werden kann. Dieses Dilemma ist Gegenstand dieser Arbeit. Es geht um eine Sensibilisie-
rung der Leser für die wichtigen Faktoren, die dazu beitragen können, dass Klienten möglichst
nicht manipuliert werden. Dies führt zu folgender Fragestellung: Welche Anforderungen
ergeben sich für die professionelle Soziale Arbeit aus dem Spannungsfeld von Motivation und
Manipulation der Klienten?
Vorgehen:
Das methodische Vorgehen bei der Beantwortung der Fragestellung basiert ausschliesslich
auf Literaturrecherchen.
Im ersten Teil wird auf den Begriff der Motivation eingegangen, und mit der intrinsischen und
der extrinsischen Motivation werden zwei spezifische Motivationsformen unterschieden,
welche unterschiedliche Auswirkungen auf die Selbstbestimmung und Autonomie der
Adressaten haben. Es wird erläutert, warum diese beiden Motivationsformen nur schwer zu
trennen sind und dass die intrinsische Motivation durch extrinsische Motivationsversuche auch
abgeschwächt werden kann.
Der zweite Teil setzt sich mit den Themen Freiheit und Autonomie des Individuums
auseinander und vertieft diese Thematik, in Verbindung mit der Motivation, mit dem Konzept
der Integrität sowie der Selbstbestimmungstheorie. Dieser Teil dient der Sensibilisierung für
zentrale Aspekte der intrinsischen Motivation in Bezug auf die individuelle Entwicklung.
Im dritten Teil wird untersucht, welche Faktoren in der Aktivierung der Klienten die individuelle
Freiheit des Individuums beschränken und welche Anforderungen sich daraus für die
Professionellen ergeben. Zudem wird das Konzept des Arbeitsbündnisses näher betrachtet
und zum Schluss auf das mit der Doppelrolle der Professionellen einhergehende Dilemma
zwischen Hilfe und Kontrolle in der Sozialen Arbeit eingegangen.
3
Erkenntnisse:
Intrinsische Motivation stellt eine Form der Motivation dar, welche im Innern eines Menschen
entsteht, sich selbst verstärken kann und damit nachhaltig ist. Demgegenüber entsteht
extrinsische Motivation durch äussere Einflüsse wie Druck, Kontrolle oder Belohnung und kann
manipulativ wirken, da die individuelle Autonomie beschnitten wird. Versuchen die
Professionellen der Sozialen Arbeit die Rahmenbedingungen für intrinsische Motivation zu
schaffen, vermindert dies die Gefahr des Manipulierens.
Für die Förderung der intrinsischen Motivation der Klienten sind Handlungs- und Entschei-
dungsfreiheit, Meta-Autonomie, die Selbstbestimmung sowie Interesse an der Umwelt zentral.
Erleben die Klienten Selbstbestimmung und Integrität, vermindert dies ihre Manipulierbarkeit,
da sie sich ihrer persönlichen Wertvorstellungen bewusst sind und ihr Leben möglichst selbst-
bestimmt gestalten. Die geringere Manipulierbarkeit der Klienten wiederum ermöglicht, selbst-
bestimmt entscheiden zu können, was die individuelle Autonomie und damit erneut intrinsische
Motivation fördert.
Da der Übergang zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation fliessend ist und sich
gewisse extrinsisch wirkende Zwänge nicht aufheben lassen, lässt es sich nur schwer fest-
stellen, ob motiviert oder manipuliert wird. Dieses Dilemma birgt für die Professionellen der
Sozialen Arbeit ein Spannungsfeld zwischen den beiden Polen der Motivation und der Mani-
pulation.
Die per se vorhandene asymmetrische Beziehung zwischen Professionellen und Klienten
generiert ein ungleiches Machtverhältnis, was ein die Autonomie wahrender Umgang mit dem
Klienten ohne Druck und Zwang erschwert. Es ist demnach für die Professionellen schwierig,
Hilfe zu gewähren, ohne die Klienten aufgrund dieser Asymmetrie immer auch ein Stück weit
zu kontrollieren. Auch im doppelten Mandat der Professionellen lässt sich dieses Spannungs-
feld identifizieren. Der Auftrag der Gesellschaft oder der staatlichen Institutionen ist meist ein
anderer als die Förderung von Autonomie und Integrität der Klienten. Da die Klienten niemals
gänzlich freiwillig ein Arbeitsbündnis eingehen, ist auch hier ein gewisser Druck auf die
Klienten per se vorhanden. Wenn nicht durch eine einweisende Instanz, dann haben sie doch
zumindest die gesellschaftlichen Normen zu diesem Schritt bewogen. Die in diesem
Spannungsfeld zwischen Manipulation und Motivation enthaltenen Widersprüche lassen sich
niemals ganz aufheben.
Ausgehend vom Konzept der Integrität und der Selbstbestimmungstheorie besteht die zentrale
Anforderung für Professionelle der Sozialen Arbeit darin, durch intrinsische Motivation die
Autonomie der Klienten zu fördern, damit diese ein selbstbestimmtes und integres Leben
4
führen können. Wollen Professionelle der Sozialen Arbeit diesem Ideal unter Berücksichtigung
des oben beschriebenen Spannungsfeldes möglichst nahe kommen, gilt es folgende Anforde-
rungen zu beachten:
Ungleiche Machtverhältnisse sollen identifiziert und reflektiert und anhand einer kooperativen
Zusammenarbeit vermindert werden. Dazu soll die Beziehung zu den Klienten gefördert
werden, was die intrinsische Motivation aufgrund ihrer sozialen Komponente stärkt. Um einer-
seits Autonomie zu gewährleisten und Freiräume für die Klienten zu schaffen und andererseits
die Manipulation auch im Spannungsfeld des Doppelten Mandats zu verhindern, müssen sich
die Professionellen als Verbindungsglied zwischen diesen beiden Positionen verstehen und
sich der Grenzen der eigenen Kompetenzen bewusst sein. Bei der Entlastung der Gesellschaft
von gewissen sozialen Problemen soll die Integrität und Selbstbestimmung der Klienten best-
möglich gewahrt und gefördert werden. Das Arbeitsbündnis, welches aufgrund kooperativer
Problembearbeitung wertschätzend auf die Klienten wirkt und auf die Basis der freiwilligen
Zusammenarbeit setzt, stellt einen möglichen Rahmen dar, innerhalb dessen die intrinsische
Motivation gefördert werden kann, auch wenn ein gewisser struktureller Druck vorhanden ist.
Grundsätzlich sollen in der Sozialen Arbeit und in der Sozialpädagogik fördernde Rahmenbe-
dingungen für die Selbstbestimmung und Integrität der Klienten geschaffen werden, welche die
intrinsische Motivation ermöglichen. Die in dieser Arbeit herausgearbeiteten Kriterien und die
daraus abgeleiteten Anforderungen stellen eine Möglichkeit dar, wie Professionelle der
Sozialen Arbeit ihr Handeln in Bezug auf die Autonomie des Klienten stets überprüfen und
reflektieren können.
Literaturquellen (Auswahl): Deci, Edward, L., Ryan, Richard, M.. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und
ihre Bedeutung für die Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik 93 (2), 223-236. Rheinberg, Falko, Vollmeyer, Regina. (2012). Motivation (8.Aufl.) . Stuttgart: Kohlhammer. Pollmann, Arnd. (2005). Integrität. Bielefeld: Transcript. List, Elisabeth, Stelzer, Harald. (2010). Grenzen der Autonomie. Weilerswist: Velbrück
Wissenschaft. Oevermann, Ulrich. (2009). Die Problematik der Strukturlogik des Arbeitsbündnisses und der
Dynamik von Übertragung und Gegenübertragung in einer professionalisierten Praxis von Sozialarbeit. In Roland Becker-Lenz, Stefan Buss, Gudrun Ehlert & Silke Müller (Hrsg.). Professionalität in der Sozialen Arbeit (2. Aufl.) (S. 113-143). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit Sophia Wüst HS 2010 Seite 5
Vorwort
Im Rahmen des Studiums an der Fachhochschule für Soziale Arbeit in St.Gallen setzte
ich mich immer wieder mit dem Thema der Motivation auseinander. Die Motivation ist
eine zentrale Kraft, welche die Menschen antreibt, neue Wege zu gehen, neue Ent-
scheidungen zu treffen und ihr Leben zu verändern. Die Motivation spielt in sämtlichen
Lebensbereichen eine Rolle und ist bereits in alltäglichen Handlungen vorhanden. Diese
Kraft, die eine persönliche Weiterentwicklung bewirkt und das Streben eines Menschen
vorantreibt, habe ich erstmals in einer Seminararbeit im Rahmen meines Studiums
untersucht. Ich wollte erfahren, was Motivation ist, wie diese entsteht und wie sie bei
Jugendlichen gefördert werden kann. Die Auseinandersetzung mit diesen Themen
liessen am Schluss der Arbeit offene Fragen zurück, die mich weiterhin beschäftigten.
Im Zusammenhang mit dem Motivieren von anderen Menschen stelle ich mir nun unter
anderem die Frage, wie weit man als Professionelle der Sozialen Arbeit aus ethischer
Sicht gehen darf, um Menschen so weit zu beeinflussen, damit diese Motivation ent-
wickeln. Denn die Recherchen zu meiner Seminararbeit zeigten, dass eine nachhaltige
Motivation aufgrund möglichst autonomer Entscheidungen sowie aus dem Interesse an
der Umwelt entsteht. Die Freiheit des Individuums wird somit in einer nachhaltigen Moti-
vationsförderung besonders betont. Doch diese Freiheit gerät meiner Ansicht nach
genau dann in Gefahr, wenn von aussen versucht wird, das Individuum soweit zu beein-
flussen, bis es die gewünschte Motivation entwickelt. Ich stellte mir somit die Frage, wie
weit sich Sozialarbeitende aus Sicht der Freiheit des Individuums in deren Leben ein-
mischen dürfen, ohne genau diese Freiheit der Klienten zu verletzen. Ich erachtete es
aus der Perspektive des Freiheitsgedankens grenzwertig, Menschen so zu beeinflussen,
dass sie ihr Innerstes soweit verändern und eine Motivation für eine Handlung ent-
wickeln, welche die Professionellen für richtig halten. Durch diese Beeinflussung von
aussen, welche in den Klienten eine Veränderung herbeirufen, entstand in mir der Ge-
danke der Manipulation und der Verdacht, dass in der Sozialen Arbeit und in der Sozial-
pädagogik oftmals manipuliert statt motiviert wird.
Um diese Auseinandersetzung mit der Motivation und der Manipulation in der Sozialen
Arbeit wird es in der vorliegenden Arbeit gehen. Es ist mir persönlich ein Bedürfnis, dass
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit Sophia Wüst HS 2010 Seite 6
sich Professionelle grundlegend mit dieser Frage auseinandersetzen und dass die
Soziale Arbeit diese Themen stets reflektiert und von den Professionellen verlangt, dass
diese ihre Haltungen sorgfältig überprüfen.
Danksagung
Ich möchte an dieser Stelle Matthias Weber von der FHS St.Gallen für Betreuung der
vorliegenden Bachelorarbeit danken. Die treffenden fachlichen Inputs und die ent-
standenen Gespräche und Diskussionen haben mich sehr unterstützt und die Motivation
am Schreibprozess aufrechterhalten. Des weiteren möchte ich Jürg Aggeler danken,
welcher mir die Arbeit korrigierte. Dank gebührt auch Thomas Troxler, der die Arbeit
Inhaltlich gegengelesen hat und seine Fragezeichen hinter unverständliche Sätze setzte
und mich zu vielen Präzisierungen motivierte. Zuletzt möchte ich allen Menschen in
meinem Umfeld danken, die mich in diesem Prozess unterstützt haben und mit denen
ich stets spannende Gespräche über Motivation, Manipulation und Freiheit führen
konnte.
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit Sophia Wüst HS 2010 Seite 7
1 Einleitung
Die Motivation eines Menschen hilft diesem, Neues entstehen zu lassen und gilt all-
gemein als Antriebsfaktor des menschlichen Tuns. In der Sozialen Arbeit wird mit
diesem Wissen gearbeitet, denn die Motivation der Klienten ist oft massgeblich an der
Lösung der sozialen Probleme beteiligt und entscheidet darüber, ob sie ihr Leben
wandeln oder sich den gesellschaftlichen Anforderungen anpassen können. Es liegt
somit nahe, dass Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bestrebt sind, ihre Klienten zu
motivieren und zu aktivieren, um ein bestimmtes Ziel oder Verhalten zu erreichen. Doch
wie kann eine solche Aktivierung möglichst nachhaltig umgesetzt werden?
Diese Frage beschäftigt nicht nur die Soziale Arbeit, sondern auch die Psychologie und
Pädagogik. Die Forschung zu diesem Thema beeinflusst aber auch die Privatwirtschaft.
In Betrieben der Wirtschaft wird aktuell viel investiert, damit die Mitarbeiter motiviert sind
und ein gutes Betriebsklima entstehen kann. Motivierte Mitarbeiter gelten dabei als Vor-
aussetzung für bestmögliche Leistungen.
Allgemein wächst in der modernen Gesellschaft die Forderung nach Leistung und Erfolg
stetig. Dieser Druck überträgt sich auch auf den sozialen Bereich. Soziale Institutionen
haben die Aufgabe, den Klienten solche gesellschaftlichen Normen zu vermitteln und
damit allenfalls eine Reintegration zu ermöglichen. In vielen Fällen zeigen die Klienten in
der Praxis aber wenig Motivation, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Es ist
deshalb interessant zu untersuchen, wie sich Erwartungen und Druck aufgrund des
staatlichen Auftrags an soziale Institutionen sowie durch Werte und Normen der Gesell-
schaft auf die Motivation von Klienten in der Sozialen Arbeit auswirken.
Soziale Arbeit ist zur Erfüllung dieser verschiedenen Ansprüche bestrebt, den Klienten
ein bestimmtes Verhalten zu vermitteln. Die Motivierung der Klienten in eine gewünschte
Richtung läuft dabei aber stets Gefahr manipulativ zu wirken. Durch die Ausübung von
Druck und Zwang, zur Vermittlung eines bestimmten Verhaltens, kann die Autonomie
der Klienten beschnitten und eine selbstbestimmte Lebensführung erschwert werden.
Eine solche Motivierung mit manipulativem Charakter ist aus ethischer Sicht problema-
tisch, weil die individuelle Freiheit des Klienten tangiert wird. Für Professionelle der
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Sozialen Arbeit stellt sich damit die Frage, wie diesem gesellschaftlichen Druck zur An-
passung an die Norm begegnet werden und gleichzeitig die Freiheit der Klienten gewahrt
werden kann. Die Lösung wäre, die Klienten zu motivieren, ohne sie zu manipulieren.
Motivation und Manipulation liegen jedoch nahe beieinander, weil bereits die Absicht des
Professionellen ein gewünschtes Verhalten zu fördern als Druck auf den Klienten inter-
pretiert werden kann. Dieses Dilemma wird im Folgenden als Spannungsfeld zwischen
Manipulation und Motivation bezeichnet. Es wird der Frage nachgegangen, welche An-
forderungen sich aus diesem Spannungsfeld für die Professionellen ergeben. Gibt es
mögliche Arbeitsformen oder Haltungen, welche in der Sozialen Arbeit die Motivation bei
Klienten nachhaltig fördern? Kann dies mit den gesellschaftlichen und staatlichen Auf-
trägen an die Soziale Arbeit vereinbart werden? Diese Überlegungen führen zur zentra-
len Fragestellung:
„Welche Anforderungen ergeben sich für die professionelle Soziale Arbeit aus dem
Spannungsfeld von Motivation und Manipulation der Klienten?“
In der vorliegenden Arbeit soll dargelegt werden, welche Aspekte zu beachten sind,
wenn nachhaltige Motivation der Klienten gefördert werden soll, ohne durch Druck und
Bevormundung zu manipulieren. Darüber hinaus wird versucht, aus diesen Aspekten
grundsätzliche Anforderungen an die Professionellen der Sozialen Arbeit abzuleiten. Die
damit einhergehende Forderung nach ethischer Reflexion über das eigene Handeln der
Professionellen leistet an dieser Stelle auch einen Beitrag an die Professionalisierungs-
debatte in der Sozialen Arbeit, in welcher die Selbstreflexion einen hohen Stellenwert
besitzt.
Ziel dieser Arbeit ist somit, bei den Professionellen ein Bewusstsein für eine ethische
Betrachtungsweise ihres Handelns in der Sozialen Arbeit im Zusammenhang mit dem
Motivieren von Klienten zu schaffen. Es geht um eine Kritik wie auch um eine Sensibili-
sierung für die wichtigen Faktoren der Motivationsentstehung und der Aufzeichnung
einer möglichen Grundhaltung, welche die Autonomie und die Integrität der Klienten
achtet und den manipulativen Umgang zu vermeiden versucht.
Das methodische Vorgehen bei der Beantwortung der Fragestellung basiert aus-
schliesslich auf Literaturrecherchen. Bei der Literatur, die im Rahmen dieser Arbeit ge-
sichtet wurde, findet der Aspekt des Motivierens, welcher in der Sozialen Arbeit leicht zur
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Manipulation werden kann, nicht sehr viel Beachtung. Dazu versucht diese Arbeit einen
Beitrag zu leisten.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in drei Hauptkapitel. Zunächst wird im Kapitel 1
allgemein auf den Begriff der Motivation eingegangen. Anschliessend werden mit der
intrinsischen und der extrinsischen Motivation zwei spezifische Motivationsformen unter-
schieden, welche zentral für die nachfolgenden Ausführungen sind und mit unterschied-
lichen Auswirkungen auf die Selbstbestimmung und Autonomie des Adressaten
einhergehen. Nach dieser Gegenüberstellung wird erläutert, warum diese beiden
Motivationsformen nur schwer zu trennen sind und dass die intrinsische Motivation durch
extrinsische Motivationsversuche auch abgeschwächt werden kann.
Das zweite Kapitel setzt sich mit den Themen Freiheit und Autonomie des Individuums
auseinander und vertieft diese Thematik, in Verbindung mit der Motivation, mit dem
Konzept der Integrität sowie der Selbstbestimmungstheorie. Diese beiden Konzepte
beziehungsweise Theorien sensibilisieren die Fachpersonen in den Bereichen der
Achtung der Menschenwürde, Autonomie, Freiheit und dem Auftrag die
Selbstbestimmung der Klienten zu fördern.
Im Anschluss an diese „Sensibilisierung“ des Lesers für zentrale Aspekte der
intrinsischen Motivation wird der Blick von den Klienten abgewendet und auf die
Anforderungen der Professionellen der Sozialen Arbeit gerichtet. Das Kapitel 3 baut auf
den vorangegangenen Kapiteln auf und nutzt diese Erkenntnisse, um Anforderungen an
die Soziale Arbeit zu formulieren, die in der Betrachtung des Spannungsfeldes zwischen
Manipulation und Motivation entstehen. Anhand der Erläuterungen zu Freiheit und
Autonomie des Individuums und den in diesem Kapitel beschriebenen Verhältnissen der
Macht und des Zwangs in der Klientenbeziehung wird aufgezeigt, wie es nicht sein soll
bzw. welche Anforderungen sich daraus für die professionelle Soziale Arbeit ergeben.
Aus diesen Überlegungen ergibt sich dann die Auseinandersetzung mit dem Konzept
des Arbeitsbündnisses. Zum Schluss wird im letzten Kapitel auf das Dilemma zwischen
Hilfe und Kontrolle in der Sozialen Arbeit und somit auf die Doppelrolle der
Professionellen eingegangen.
Es muss von vornherein darauf hingewiesen werden, dass diese Arbeit auf
theoretischem Wissen basiert und somit am Schluss keine spezifischen methodischen
Handlungsanleitungen liefert. Es geht um gedankliche Konstrukte, welche das Handeln
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der professionellen Arbeit beeinflussen können, damit auf einer guten motivierenden
Basis mit den Klienten gearbeitet werden kann.
Der Begriff der Sozialen Arbeit wird als allgemeiner Begriff verwendet, welcher sowohl
die Soziale Arbeit wie auch die Sozialpädagogik umfasst.
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2 Motivation
Motivation, was ist dieses Phänomen, welches Menschen veranlasst, Handlungen aus-
zuführen, Veränderungen anzustreben und Kraft zu investieren, um eine Tätigkeit
durchzuführen und nicht aufzugeben? Die menschliche Motivation oder was den
Menschen zu einer Handlung bewegt ist in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen
sehr zentral. In den Bereichen Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften sowie
Sozialwissenschaften wie auch in der Ökonomie und anderen Disziplinen ist die Frage
nach der Motivation eine zentrale und wichtige.
2.1 Begri f f der Mot ivat ion
Der Begriff der Motivation geht auf das lateinische Verb „movere“ zurück, was bewegen
bedeutet. Der Ursprungsgedanke der Bewegung ist sehr aussagekräftig bei der
Betrachtung und Definition der Motivation. Der Aspekt der Bewegung findet sich wieder
in den klassischen psychologischen Motivationsansätzen. In pädagogisch
psychologischen Auseinandersetzungen mit Motivation wird untersucht, was den
Menschen bewegt, bestimmte Handlungen zu unterlassen oder auszuführen (vgl. Ziegler
2013, S.1). Eine Handlung auszuführen kann wesentlich von einem positiv bewerteten
Zielzustand abhängig sein, denn nach Rheinberg (2012) lässt sich die Motivation als
Vorgang „einer aktivierenden Ausrichtung des momentanen Lebensvollzuges auf einen
positiv bewerteten Zielzustand“ beschreiben (S. 15). Der Zielzustand ist in dieser Defini-
tion das Motiv, welches zu bestimmten Handlungsweisen anregt.
In der Definition der klassischen Motivationspsychologie entsteht die Motivation „über
das Zusammenwirken von Personmerkmalen (...) und situativ gegebenen Anreizen“
(Rheinberg, 2009, S.669). Kommen somit persönliche Motive, wie zum Beispiel gewisse
Vorlieben, mit einer Situation in Verbindung, welche die Befriedigung dieser Vorlieben
verspricht, entsteht Motivation.
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Aus einer anderen Perspektive hingegen kann die Motivation als ein erklärendes
Phänomen betrachtet werden, als ein Phänomen, welches das Verhalten erklärt.
Motivation sagt somit aus, wohin, wie stark und wie ausdauernd eine Handlung ausge-
führt wird. Nerdinger (2007) definiert hierzu die Motivation wie folgt: „Motivation erklärt
die Richtung, Intensität und Ausdauer menschlichen Verhaltens“ (S. 379). Die Intensität
und Ausdauer zeigt auf, ob und wie lange an dem Vorhaben festgehalten wird und wie
zentral die Entscheidung oder Tätigkeit ist. Die Richtung des menschlichen Verhaltens
sagt aus, weshalb eine bestimmte Entscheidung getroffen wurde und nicht die Alterna-
tive dazu gewählt wurde. Ein Beispiel hierfür ist, wenn sich ein Mitarbeiter in einer Firma
trotz Hindernissen nicht von seinem eingeschlagenen Weg abbringen lässt auch wenn
seine Mitarbeitenden bereits resigniert und aufgegeben haben. Gerade in
Firmenbetrieben sind Auseinandersetzungen mit solchen Fragen zentral, da die Antwort
Wesentliches über die Motivation der Mitarbeitenden aussagt (vgl. Nerdinger, 2007,
S.379). Diese Richtung, welche aussagt, weshalb bestimmte Entscheidungen gemacht
wurden, lässt sich auf einen positiv bewerteten Zielzustand zurückführen, der bei einer
hohen Motivation, mit ganzer Kraft erreicht werden möchte. Die Intention zielt auf einen
zukünftigen Zustand, gleichgültig ob er wenige Sekunden oder mehrere Jahre entfernt
liegt (vgl. Rheinberg, 2012, S. 15). Wird die Richtung und Ausdauer vertiefter betrachtet,
wird sichtbar, dass nicht nur ein positiver Zielzustand ein Motivationsfaktor sein kann,
sondern bereits der Vollzug einer bestimmten Tätigkeit an sich. Insbesondere wenn die
Tätigkeit selbst gewählt und somit selbstbestimmt ist, kann sie hoch motivierend sein
(vgl. Deci & Ryan, 1993, S.225).
Ziegler (2013) bringt eine weitere Komponente in die Definitionen ein, und zwar jene der
Faktoren, welche die Motivation steuern und antreiben (vgl. S. 103). Die Motivation an
sich beschreibt nach dieser Definition eine Vielfalt von Prozessen, die das Handeln an-
treiben sowie steuern. Die Vielfalt der Aspekte, welche die Motivation beeinflussen, wird
in der folgenden Definition nochmals mit anderen Worten auf den Punkt gebracht:
„Motivation allgemein gilt als die Gesamtheit der in einer Handlung wirksamen Motive,
die ein Verhalten aktivieren, richten und regulieren. In der Psychologie ist Motivation die
Handlungsbereitschaft, ein Bedürfnis, zum Beispiel Hunger oder Durst, zu befriedigen
oder ein angestrebtes Ziel zu erreichen (...). Die Motivation bestimmt zusammen mit
äusseren Reizen, mit Wahrnehmung und Lernvorgängen sowie den jeweiligen Fähig-
keiten das menschlichen Verhalten und ist daher Ergebnis einer Wechselwirkung
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zwischen personenspezifischen und situationsspezifischen Merkmalen“ (Brockhaus,
2009, S.379).
Scarano (2006), welcher die Motivation nochmals unter einem anderen Aspekt
betrachtet, macht eine Unterscheidung zwischen den Gründen welche zu einer
Handlung führen und den Motiven, welche wirksam sind, damit eine Handlung entsteht
(vgl. 448). Die Motivationspsychologie geht davon aus, dass der Mensch aufgrund von
Motiven handelt. Das Motiv wird unter Anderen als Beweggrund, Bedürfnis, Interesse
oder Antrieb des menschlichen Verhaltens definiert (vgl. Brockhaus, 2005 - 2006).
Nerdinger (2003) erwähnt hierzu Abraham Maslow, welcher das Modell einer Bedürfnis-
hierarchie oder in anderen Worten auch „Theorie über die Motive“ entwickelte.
Menschliches Verhalten wird laut Maslow von zwei Arten von Motiven bestimmt. Es sind
dies die Defizit- sowie die Wachstumsmotive. Zu den Defizitmotiven zählen die
physiologischen Grundbedürfnisse wie Hunger und Schlaf, Sicherheitsmotive wie Schutz
und Angstfreiheit, soziale Motive wie Kontakt und Liebe, sowie Ich-Motive wie
Anerkennung und Macht. Die Defizitmotive werden meistens sichtbar, sobald eine
Störung oder ein Mangelzustand auftritt. Nerdinger (2003) formuliert dazu: „Die Motiva-
tion dient so gesehen der Wiederherstellung eines Gleichgewichts, wenn dieses gestört
ist“ (S.15).
Wenn nun mit diesen Erkenntnissen der Motivationspsychologie die Frage nach dem
„warum“ einer Handlung gestellt wird, soll lässt die Beantwortung dieser Frage die
Motive für die Handlung sichtbar werden. Scarano (2006) weist jedoch darauf hin, dass
die Antwort auf die Frage nicht nur Motive beinhalten kann, sondern auch bestimmte
Gründe. Somit wird zwischen Motiven und Gründen für eine Handlungsausführung
unterschieden. Wenn nun die Frage „warum hast du das getan?“ gestellt wird, kann als
Antwort eine Rechtfertigung bzw. ein Grund genannt werden. In seiner ethischen
Betrachtungsweise müssen diese unterschieden werden, da Motive und Gründe nicht
dasselbe sind. Dies deshalb, da es gute Gründe für eine Handlung geben kann, ohne
dass bei deren Durchführung Motivation entsteht. Umgekehrt kann Motivation für eine
Handlung vorhanden sein, obwohl alle guten Gründe gegen die Ausführung sprechen.
Es sind somit nicht nur Motive, welche zu einer Handlung führen, sondern auch Gründe,
welche Motivation erzeugen können oder nicht. In der moralphilosophischen Debatte
führt diese Diskussion häufig zu Auseinandersetzungen. Das Gegenargument zur
Trennung von Motiven und Gründen ist, dass wenn die Überzeugungen für Handlungen
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moralisch sind, sie dadurch automatisch eine hohe Motivationskraft besitzen. Somit sind
Grund und Motiv der Handlungen identisch, weshalb ein notwendiger Zusammenhang
besteht und nicht nur Motive als handlungsleitend angeschaut werden können (vgl.
Scarano, 2006, S. 448-453).
Aufgrund der Komplexität und der Variantenreichhaltigkeit in der Definition der
Motivation lässt sich abschliessend sagen, dass die Motivation das Ergebnis von ver-
schiedenen Einflussfaktoren ist. Weitere Aspekte waren, dass die Motivation nicht das
Ergebnis der verschiedenen Einflüsse ist, sondern eine Aussagekraft besitzt, über Infor-
mationen, betreffend Intensität, Ausdauer und Zielgerichtetheit einer Handlung. Die Ein-
flussfaktoren auf die Motivation stehen in den weiteren Ausführungen dieser Arbeit im
Zentrum.
Werden nun die Gründe und Betrachtungsweisen aussen vor gelassen und die
Motivation an sich ins Zentrum gerückt, lässt sie sich grundsätzlich in zwei verschiedene
Motivationen einteilen. Es ist dies einerseits die sogenannte extrinsische Motivation und
andererseits die intrinsische Motivation. Der Unterschied liegt darin, dass bei der extrin-
sischen Motivation der Bewegungsanstoss zu einer Handlung von äusseren Faktoren
bestimmt ist und bei der intrinsischen Motivation von inneren Beweggründen. Auf diese
zwei verschiedenen Motivationsarten wird in den folgenden Kapiteln näher eingegangen.
2.2 Mot ivat ion aus dem „Innern“
Die intrinsische Motivation ist eine bestimmte motivationale Orientierung. Motivierte
Orientierungen zeigen spezifische Präferenzen bestimmten Handlungen gegenüber. Es
gibt somit Handlungen, welche bevorzugt werden, und andere, die uninteressant wirken.
Bevorzugten Handlungen haften bestimmte Motive an, welche für die Akteure attraktiv
erscheinen (vgl. Krapp, 1999, S. 392, zit. in Heckhausen & Heckhausen, 2010, S. 369).
Bei der intrinsischen Motivation entstehen diese Motive im Innern der Akteure selbst. Der
Handlungsanstoss entsteht somit individuell bei der Person selber, welche dann die
Empfindung hat, aus ihrem Innersten etwas anzustreben oder ausführen zu wollen. Im
folgenden wird aus Sicht der Selbstbestimmungstheorie der Motivation nach Deci und
Ryan (1993) die intrinsische Motivation erläutert.
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
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Der Begriff des Selbst steht im Zentrum dieser Theorie und kann als Prozess sowie auch
als Ergebnis der persönlichen Entwicklung interpretiert werden. Eine wichtige Rolle bei
der Entstehung der intrinsischen Motivation sind somit innere Aspekte wie Charakter,
angeborene Bedürfnisse, Exploration, Fähigkeiten und Interessen. Bestimmte Wertvor-
stellungen und emotionale Aspekte können die intrinsische Motivation ebenfalls beein-
flussen (vgl. Kapitel 2.2). Dem wird die extrinsische Motivation gegenübergestellt, die
unter anderem durch Belohnung und Strafe oder aufgrund eines bestimmten Ziels, zum
Beispiel Bestehen einer Prüfung, entsteht. Damit wird das Verständnis für die
intrinsische Motivation nochmals verdeutlicht. Die Unterscheidung ist wie bereits
erwähnt, dass die intrinsische Motivation unabhängig von Belohnung, Druck oder Be-
strafung entsteht. Intrinsische Motivation kann sogar bei einer Tätigkeit selber entstehen,
es wird dann von der Freude am Tun gesprochen. Ein zentraler Aspekt, der die
intrinsische Motivation entstehen lässt, ist zudem das Interesse. Intrinsisch motivierte
Verhaltensweisen werden auch als „interessenbestimmte Handlungen“ definiert (vgl.
Deci & Ryan, 1993, S.225).
Nach der Interessenstheorie werden bei der intrinsischen Motivation zwei Ebenen
berücksichtigt: die Ebene der emotionalen Komponenten des Interessens und die Ebene
der wertbezogenen Komponenten. Beim emotionalen Erleben einer Handlung ist die
auftretende intrinsische Motivation gekoppelt an positive Gefühle. Es sind somit die
positiven Gefühle einer Handlung, die motivieren. Anregend können auch Erinnerungen
an zurückliegende oder Erwartungen an künftige Auseinandersetzungen mit dem
Interessengegenstand sein. Die wertbezogene Komponente der intrinsischen Motivation
bedeutet, dass der Gegenstand des Interessens vorübergehend in das Selbstkonzept
des Individuums integriert wurde. Die Handlung oder auch der Gegenstand hat somit
einen Wert bekommen und somit eine bestimmte Wichtigkeit zur Ausführung der
Handlung oder zur Auseinandersetzung mit diesem Gegenstand (vgl. Krapp, 1999, S.
400).
Ein Seitenblick auf ethische Ansichten zeigt, dass Werte auch immer mit Gefühlen ver-
bunden sind. Persönliche Werte sind daher Anliegen, welche nahe gehen und von der
Person priorisiert werden. Wird somit nach einer inneren Überzeugung und bestimmten
Wertvorstellung gehandelt, entsteht ebenfalls ein befriedigendes und positives Gefühl
(vgl. Fleisch, 2014, S.15).
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit Sophia Wüst HS 2010 Seite 16
Werden Tätigkeiten freiwillig und aus innerem Anreiz ausgeführt, entstehen nicht nur
positive Gefühle, sondern auch der zentrale Wert der Selbstbestimmung. Nach Deci und
Ryan (1993) ist in erster Linie das Gefühl der Selbstbestimmung die Grundlage für die
Entstehung von intrinsischer Motivation. Das Individuum erlebt sich als frei bei der Aus-
wahl und Durchführung seiner Handlungen, wodurch die eigene Auffassung von ihm
selber mit der Handlung übereinstimmt und somit nachvollziehbar wird, weshalb das
Selbst und die Integration der Handlung zentral für die intrinsische Motivation sind.
Grundlage der Selbstbestimmung ist jedoch Freiheit, die gewährleistet, dass es zu auto-
nomen Handlungen kommen kann (vgl. S. 223-225).
Da die Selbstbestimmungstheorie einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der
intrinsischen Motivation leistet, wird diese Theorie im Verlaufe dieser Arbeit nochmals
aufgegriffen und genauer erläutert (vgl. Kapitel 3.5). Für die Selbstbestimmung eines
Menschen ist die Freiheit und Autonomie von zentraler Bedeutung, weshalb auch auf
diese Aspekte nochmals eingegangen wird (vgl. Kapitel 3-3.3).
Sowohl in alltagspragmatischen als auch in vielen wissenschaftlichen Theorien wird
davon ausgegangen, dass Wohlbefinden und intrinsische Motivation optimale Voraus-
setzungen sind, um grosse Leistungen zu vollbringen oder Ausdauer im Vollzug einer
Handlung aufzuweisen (vgl. Krapp, 2005, S.626). In der Auseinandersetzung dieser
Arbeit mit der Motivation sowie dem Prozess des Motivierens von Klienten zeigt sich
somit die intrinsische Motivation als zentrale Grundlage für das Verständnis der
Problematik zwischen Motivieren und Manipulieren.
2.3 Mot ivat ion durch äussere Einf lüsse
Die gegenteilige Form der intrinsischen Motivation ist die extrinsische Motivation.
Diese ist eine Motivation, welche von äusseren Faktoren bestimmt und angeregt wird.
Extrinsische Aspekte können Druck, Belohnung, Bestrafung und allgemein äussere An-
reize sein, die das Verhalten formen und lenken. Im Gegensatz zur intrinsischen
Motivation tritt die extrinsische Motivation nicht spontan und unabhängig von gewissen
Faktoren auf, sondern wird durch implizite oder explizite Aufforderungen ausgelöst.
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit Sophia Wüst HS 2010 Seite 17
Handlungen, die extrinsisch motiviert sind, streben einen gewünschten Zielzustand an,
der zum Beispiel erreicht werden will, um eine Belohnung zu erlangen oder einer
Sanktion zu entgehen. Dies ist in der Sozialen Arbeit unter anderem der Fall, wenn
Instanzen aus dem sozialen Bereich auf ihre Klienten mit Sanktionen Druck ausüben
oder wenn bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen Belohnungen ausgesprochen
werden. Bei Schülern wäre es die Angst, keine Lehrstelle zu finden, wenn sie sich nicht
genügend in der Schule anstrengen und ein weiteres Schuljahr anhängen müssten. Die
Handlungen zielen somit auf einen erzwungenen oder gewünschten Endzustand ab und
stehen im engen Zusammenhang mit äusseren Einflüssen (vgl. Deci & Ryan, 1993, S.
224).
Bei einer differenzierten Betrachtung der extrinsischen Motivation werden vier
verschiedene Typen von extrinsischen Verhaltensregulationen unterschieden:
Die erste Form, wie es zu extrinsischer Motivation kommen kann, ist die externale
Regulation. Bei der externalen Regulation wird das Verhalten durch äussere Faktoren
reguliert, auf die das Individuum keinen direkten Einfluss hat. Beispiele sind Handlungen,
welche durchgeführt werden, um eine externale Belohnung zu erlangen oder um einer
Bestrafung zu entgehen (vgl. Deci & Ryan, S.227). Jene Motivation, welche entsteht, um
einer Sanktion zu entgehen, wird als Vermeidungsmotivation beschrieben. Die Vermei-
dungsmotivation entsteht aus Überlegungen, ob die eigene Handlung negative Folgen
haben könnte und auf welche Art und Weise diese Folgen, wie zum Beispiel eine
Sanktion, vermieden werden können (vgl. Halvorson, 2013). Dieses Verhalten entsteht
aus dem Individuum selbst, ist jedoch von äusseren Steuerungsfaktoren abhängig.
Obwohl das Individuum selbst zu diesem Verhalten gekommen ist, entspricht es weder
den Prinzipien der Autonomie noch der Freiwilligkeit (vgl. Kapitel 3.1).
Der zweite Typ ist jener der introjizierten Regulation. Dieser bezieht sich auf Verhaltens-
weisen, welche aus innerem Antrieb entstehen, jedoch trotzdem im Zusammenhang mit
der sozialen Umwelt sind. Ein Beispiel hierfür ist eine Handlung, die vollzogen wird, „weil
es sich so gehört“ oder weil man bei einer Unterlassung ein schlechtes Gewissen hat. Es
sind somit keine direkten äusseren Handlungsanstösse mehr nötig. Die Verhaltenswei-
sen werden in dieser Erscheinungsform von inneren Kräften kontrolliert oder erzwungen,
entstehen jedoch nicht aus dem individuellen Selbst.
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit Sophia Wüst HS 2010 Seite 18
Die dritte Form der extrinsischen Motivation ist jene der identifizierten Regulation. Hier
besteht eine Identifikation mit der Handlung, was bedeutet, dass das Individuum die
Handlung als persönlich wichtig oder wertvoll anerkennt. Dies geschieht aufgrund einer
Identifikation mit den zugrunde liegenden Werten und Zielen, welche in das individuelle
Selbstkonzept integriert wurden. Ein Beispiel hierfür: Wenn ein Schüler für eine
Abschlussprüfung lernt, weil er sich selbst das Ziel gesetzt hat, den Abschluss zu
bestehen. Im Gegensatz zu der introjizierten Regulation wird hier eine Handlung ausge-
führt, weil sie als wichtig und wertvoll anerkannt wird und nicht aufgrund kontrollierender
innerer Kräfte wie zum Beispiel eines schlechten Gewissens.
Die integrierte Regulation ist die letzte Form mit dem höchsten Grad an
Selbstbestimmung. Die integrierte Regulation „ ist das Ergebnis der Integration von
Zielen, Normen und Handlungsstrategien, mit denen sich das Individuum identifiziert und
die es in das kohärente Selbstkonzept integriert hat“ (Deci & Ryan, 1993, S. 228). Da es
sich bei dieser Form nicht nur darum handelt, dass sich das Individuum mit den Werten
und Zielen identifiziert (identifizierte Regulation), sondern diese bereits in seinem Selbst
integriert hat und aus seinem Innern heraus handelt, ist die Unterscheidung zu der intrin-
sischen Motivation nur noch schwer erkennbar (vgl. Deci & Ryan, 1993, S. 227-228).
In der folgenden Abbildung werden nochmals die verschiedenen motivationalen
Faktoren der jeweiligen Motivationsformen ersichtlich.
Abbildung 1
Motivation
intrinsisch
Neugier (kognitiv)
Anreiz (emotional)
Erfolgswerwartung (Wahrscheinlichkeit)
extrinsisch
positive Verstärkung (Belohnung)
negative Verstärkung (Zwang)
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
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2.4 Unmögl iche Trennung der intr insischen und extr insischen Motivat ion
Deci und Ryan (1993) postulierten in einer früheren Forschungsphase, dass extrinsisch
motivierte Handlungen nicht selbstbestimmt sind. Sie ergänzten jedoch später ihre
Erkenntnisse, da sie feststellten, dass die extrinsische Motivation durchaus ein Stück
weit selbstbestimmt sein kann. Wie im vorangegangenen Kapitel beschrieben, gibt es
verschiedene Verhaltensregulationen, die voneinander unterschieden werden können.
Auf der einen Seite steht die externale Regulation, die komplett von äusseren Faktoren
abhängig ist und weder den Prinzipien der Autonomie noch der Freiwilligkeit entspricht.
Dies tritt zum Beispiel ein, wenn eine Motivation entsteht, um eine Handlung aus-
zuführen, damit einer Bestrafung ausgewichen werden kann. Auf der anderen Seite steht
die integrierte Regulation. Im Gegensatz zu der externalen Regulation werden hier die
von aussen bestimmten Ziele, Normen und Handlungsstrategien so stark von der
handelnden Person in ihr Selbst integriert, dass sie das Gefühl hat, von sich aus so
handeln zu wollen (vgl. Kapitel 2.3). Da somit Handlungsanstösse aus innerer Überzeu-
gung entstehen, befindet sich die Motivationsform der integrierten Regulation nahe an
der intrinsischen Motivation. Im Bereich zwischen diesen beiden unterschiedlichen Arten
von Motivation ist der Übergang von fremdbestimmter Regulation und erlebter Selbstbe-
stimmung fliessend (vgl. Deci & Ryan, 1993, S.226).
Ein wichtiger weiterer Aspekt in dieser Betrachtung ist, dass sich die Formen nicht nur
schwer voneinander trennen lassen, sondern dass sich die Motivationsform innerhalb
des Tätigkeitsverlaufs auch ändern kann. Woodworth (1918) weist in diesem
Zusammenhang darauf hin, dass Tätigkeiten, die auf extrinsischen Anstössen aufgebaut
haben, sich im Verlaufe zu einer intrinsisch motivierten Handlung ändern können. Dies
zeigt, dass intrinsische und extrinsische Motivation im Zusammenhang gedacht werden
sollten (vgl. Woodworth,1918, zit. in Heckhausen und Heckhausen, 2010, S.367).
Insbesondere ein positiv wahrgenommenes soziales Umfeld hat grossen Einfluss auf die
Motivation eines Menschen. Der äussere Druck durch das soziale Umfeld, welches als
positiv empfunden wird, verändert die innere Haltung der Betroffenen. Werden somit die
Ansichten, Meinungen sowie Erwartungen des sozialen Umfeldes von den betreffenden
Personen hoch gewertet, kann dies schnell zu einer Anpassung durch eine innere
Haltungsänderung führen. Was unter manipulativ verstanden werden kann, jedoch nicht
von aussen aktiv gesteuert wird. Klug (2012) erwähnt im Zusammenhang mit den
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit Sophia Wüst HS 2010 Seite 20
sozialen Beziehungen, dass das engere soziale Umfeld der Familie, Arbeits- und Frei-
zeitmöglichkeiten oder die Wohnumgebung eine tendenziell positive Wirkung auf die
Motivation eines Menschen haben. Es sind Faktoren, die er teilweise stärker bewertet
als die Unterstützungen der Hilfeleistenden oder der Gesellschaft (vgl. S. 15-16).
Dies ist ein zentraler Aspekt bei der Betrachtung der Entstehung einer Veränderungs-
motivation, da in der Praxis der sozialen Arbeit bei den Professionellen noch stark die
Handlungsweise vorherrscht, die Klienten aufgrund extrinsischer Anstösse wie Druck
und Belohnung anregen zu wollen. Dabei geht oft vergessen, dass das soziale Umfeld
auch Wesentliches zur Motivation beitragen kann. In der Praxis der Sozialen Arbeit
bedeutet somit das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit, dass Klienten Verhaltens-
vorschriften auch von den Sozialarbeitenden übernehmen, um weiterhin dazu zu
gehören und gesellschaftlich akzeptiert zu werden (vgl. Klug 2012, S.16). In diesem
Beispiel findet zu Beginn eine gänzliche Fremdsteuerung statt, welche dann über die
Stadien der „introjizierten“, „identifizierten“ und schliesslich „integrierten Regulation“ so
sehr in das Selbst eingebaut werden, dass die ursprüngliche Fremdbestimmung kaum
mehr von der Selbstbestimmung zu unterscheiden ist (vgl. Deci & Ryan, 1993, S. 227-
228). Passt sich ein Mensch nicht an die gesellschaftlichen Erwartungen an, kann dies
zum Ausschluss durch die Gesellschaft führen (vgl. Klug, 2012, S. 61).
In solchen Situationen kann als mögliche Lösungsstrategie der Betroffenen, die bereits
im Kapitel der extrinsischen Motivation beschriebene Vermeidungsmotivation entstehen
(vgl. Kapitel 2.3). Es gilt an dieser Stelle einzufügen, dass nicht zwingend eine Ver-
meidungsmotivation oder nach Singer (2004) eine „negative“ Motivation entstehen muss.
Wie bereits beschrieben vermischen sich die Grenzen der intrinsischen und extrin-
sischen Motivation, und es kann vorkommen, dass äussere Anregungen nicht als solche
wahrgenommen werden, wodurch beim Individuum kein erfahrbarer Widerspruch
zwischen den Erwartungen des Umfeldes und den eigenen Entscheidungen entsteht.
Wenn beim Individuum die äusseren Einflüsse unbewusst bleiben, kann der Eindruck
entstehen, seine Handlungsentscheidung wäre frei und ohne äusseren Zwang getroffen
worden (vgl. S. 50, zit. in List & Stelzer, 2010, S.58). Bei dieser Ausführung haben sich
somit extrinsische Einflüsse unbemerkt in intrinsische Motivation umgewandelt.
Somit kann gesagt werden, dass oft gewisse extrinsische Anteile bei intrinsisch
motivierten Tätigkeiten zu finden sind. Es kann zum Beispiel nicht nur die Handlung an
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
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sich sein oder der persönlichen Wunsch, der ausschlaggebend für eine Tätigkeit ist,
sondern auch unbewusst eine erhoffte positive Resonanz des Umfeldes auf das
Ausführen dieser Handlung. Hiermit wird die Aussage von Deci und Ryan (1993) eben-
falls unterstrichen, welche sagen, dass die Trennung zwischen intrinsischer und
extrinsischer Motivation oftmals schwer auszumachen ist, da die Übergänge fliessend
sind (vgl. S.226).
Wegen der Tatsache, dass eine anfängliche Fremdsteuerung sich über Stadien der
„introjizierten“, „identifizierten“ und schliesslich „integrierten Regulation“ sich so verinner-
licht, dass das Gefühl der Selbstbestimmung auftritt, ist dieses Phänomen, kritisch be-
trachtet, manipulativ. Soziale Zwänge können nach List und Stelzer (2010) die
Autonomie durch seine Manipulierbarkeit gefährden (vgl. S.11). Nach Pantucek (2013)
muss die Unterstützung am Individuum angepasst werden und zugleich eine Hilfe zur
Bewältigung des äusseren Drucks beinhalten. Dies bedeutet, dass tatsächlich an den
Wünschen und Möglichkeiten der Adressaten angesetzt wird und ihnen nicht die
subjektiven Vorstellungen der Sozialarbeitenden übergestülpt werden dürfen. Somit gilt
es, die Grenzen der Freiheit zwischen Selbstbestimmung und Fremdbestimmung
abzuwägen (vgl. List & Stelzer, 2010, S.11).
2.5 Korrumpierung intr insischer Mot ivat ion durch externe Belohnung
Im vorangegangen Kapitel wurde der fliessende Übergang von extrinsischer zu
intrinsischer Motivation beschrieben. Ein weiterer zentraler Aspekt im Zusammenspiel
dieser beiden motivationalen Richtungen ist die Korrumpierung intrinsischer Motivation
durch externe Belohnung.
Externe Belohnungen können die intrinsische Motivation abschwächen oder gänzlich
zum Verschwinden bringen. Nach Woodworth (1918) kann bei einer Situation, wo
Freude an der Tätigkeit selbst erlebt wird, durch die Einführung einer externen
Belohnung diese Freude zunichte gemacht werden. Ist dies der Fall, wird die Aufmerk-
samkeit, die bis zu diesem Zeitpunkt auf der Ausführung der Tätigkeit lag, umgelenkt auf
die Belohnung, welche durch die Handlung folgen würde. Dies führt nach Woodworth
(1918) dazu, dass ohne intrinsische Motivation nicht nur die Tätigkeit beeinträchtigt wird,
sondern auch die Entwicklung eines dauerhaften Interesses an der Tätigkeit störe (vgl.
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit Sophia Wüst HS 2010 Seite 22
S. 69f. zit. in Heckhausen & Heckhausen, 2010, S.372). Die folgende vorgestellte Unter-
suchung von Deci und Ryan (1971; 1975) macht dieses Phänomen sichtbar.
Es ist eine Untersuchung, die in einem Kindergarten durchgeführt wurde. Als erster
Schritt dieser Untersuchung wurde registriert, was die Kinder von sich auch gerne
machen. Als diese Tätigkeiten erfasst wurden, erhielten die Kinder ab einem bestimmten
Zeitpunkt für diese Tätigkeiten eine Belohnung. Als diese Belohnung nach einer
gewissen Zeit wieder abgesetzt wurde, war das Ergebnis, dass die Kinder durch das
Wegfallen des Anreizes die Tätigkeit seltener wieder ausführten, als sie es vor dem
Versuch taten (vgl. Deci & Ryan, 1971; 1975, zit. in Heckhausen & Heckhausen, 2010,
S.372).
Somit hat die eingeführte Belohnung die ursprüngliche Attraktivität der Tätigkeit gesenkt.
In diesem Zusammenhang wird vom Korrumpierungseffekt gesprochen.
Das intrinsisch motivierte Ausführen der Lieblingstätigkeit wurde also durch eine ex-
trinsische Belohnung geschwächt (vgl. Heckhausen & Heckhausen, 2010, S. 372).
Der Korrumpierungseffekt wird ebenfalls in einer Studie von Böttcher (2001) bestätigt,
welcher untersucht hat, ob Lehrkräfte motivierter arbeiten, wenn sie entsprechend ent-
löhnt werden. Böttcher hat diese Untersuchung initiiert, da er den Dialog zwischen
Wirtschaft und Sozialer Arbeit fördern wollte und der Ansicht war, dass soziale Berufe
vom wirtschaftlichen Denken profitieren können und umgekehrt. Die in wirtschaftlichen
Betrieben oft angewandte motivationsfördernde leistungsorientierte Entlöhnung wollte er
nun in einer sozialen Institution ausprobieren. Dazu wählte er eine Schule aus, in
welcher Lehrer für eine bestimmte Zeit leistungsorientiert entlöhnt werden sollten. Somit
schaffte er finanzielle Anreize, damit sich der Fleiss der Lehrkräfte steigerte. Zugleich
ging es ihm darum, dass Lehrkräfte, welche sich nicht bewährt haben, entlassen werden
und somit
der Erfolg der Schule gesteigert werden könne (vgl. Lemke 2000, zit. in Böttcher, 2001,
S.896).
Nach Böttcher werden Veränderungsprozesse durch „Leistungsanreize“ vorangetrieben.
Er beschreibt, dass Individuen eigennützig handeln, Belohnungen anstreben sowie Be-
strafungen vermeiden wollen. Diese Belohnung sieht er in dieser Untersuchung in Form
von Bezahlung, welche der „Motivator“ einer Institution sei.
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit Sophia Wüst HS 2010 Seite 23
Das Ergebnis der Untersuchung war, dass lediglich 10% der Befragten angaben,
intensiver gearbeitet zu haben, als eine leistungsorientierte Bezahlung eingeführt wurde.
Vielmehr klagten sie über Vertrauensverluste und dass die Bezahlung die „Moral“ der
Schule und die Teamarbeit beeinträchtigten. Schulen sollten durch eine Kultur hoher
Wertschätzung von Kollegialität und kontinuierlicher Verbesserung ausgezeichnet
werden (vgl. Böttcher, 2010. S. 902-903). Es wären somit soziale und psychische
Faktoren, welche zu einer höheren Leistungsbereitschaft motivieren.
Abschliessend kann gesagt werden, dass gängige Befunde darauf hinweisen, dass
extern geschaffene Motive stets Gefahr laufen, schwache interne (intrinsische) Motive zu
überlagern und letztlich abzubauen (vgl. Kapitel 2.5).
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit Sophia Wüst HS 2010 Seite 24
3 Autonomie als Grundbedingung
Was einen Menschen tatsächlich in seinem Innern motiviert ist, sich selbstbestimmt zu
erleben, Handlungsoptionen zu bekommen und sich selber für oder gegen etwas zu ent-
scheiden. In den beschriebenen Theorien über die Intrinsische Motivation und deren
Entstehung wird sichtbar, dass ihnen stets der Gedanke der Freiheit anhaftet.
Aspekte der Motivationssteigerung wie Autonomie bzw. Selbstbestimmung, positive Be-
ziehungen, Freiwilligkeit, Interesse, Handlungsfreiheit oder Wünsche setzen ein
gewisses Mass an Freiheit voraus. Menschen brauchen Freiraum, um eigenständige
Meinungen und Ideen zu entwickeln und sie ausführen zu können, erst dann entsteht
eine Handlung aus eigenem Willen, und es kann von intrinsischer Motivation gesprochen
werden.
Im Folgenden werden die Aspekte der Autonomie und der Freiheit näher betrachtet, um
anschliessend auf das Konzept der Integrität und der Selbstbestimmungstheorie ein-
zugehen.
3.1 Autonomie und Freihei t
In diesem Kapitel, welches die Autonomie und Freiheit beschreibt, handelt es sich um
eine Freiheit, welche als individuelle Freiheit verstanden wird. Demnach wird erstmals
kurz auf den Begriff des Individuums eingegangen.
Das Wort Individuum bedeutet im Lateinischen „das Unteilbare“. Der vorliegenden Arbeit
liegt somit das Bild vom Individuum als eine eigenständige, unverwechselbare Person
zugrunde. Nach Marx kommt eine weitere Komponente hinzu, indem er postuliert, dass
das Individuum erst durch die bürgerliche Gesellschaft möglich wird (vgl. S.102, zit. in
Ruff Eberhardt, 2012, S. 36). Es ist für die Betrachtung des Spannungsfeldes zwischen
der Motivation und der Manipulation relevant, dass davon ausgegangen wird, dass der
individuelle Mensch nie gänzlich unabhängig vom gesellschaftlichen Kontext zu denken
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
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ist, welcher sich unter anderem an den vorherrschenden Normen orientiert. Die Selbst-
werdung eines Individuums kann nur innerhalb des gesellschaftlichen Kontextes gedacht
werden (vgl. Deci & Ryan, 1993, S. 123). Daraus ergibt sich, dass der Einfluss von der
Gesellschaft auf das Individuum gegeben ist und in der Betrachtung der Freiheit eines
Menschen mitzudenken ist. Angelehnt an die Definition des Individuums nach Marx und
Foucault kann Freiheit nicht losgelöst von der Gesellschaft verstanden werden (vgl. Ruff
Eberhard,2012, S.36). Dies bedeutet, dass das soziale Umfeld auf das Individuum stets
eine Wirkung erzeugt und der Mensch somit niemals gänzlich frei und ohne äussere
Einflüsse entscheiden und handeln kann (vgl. Hepfer, 2008, S.38-39).
Somit braucht es eine Definition der Freiheit, welche diese Aspekte mit bedenkt. Bader
(1997) hat in seiner Definition von Freiheit die Einflüsse von aussen bereits inkludiert.
Der Freiheitsbegriff nach Baader steht für die „Entscheidung für oder gegen die eigen-
verantwortliche Selbsteinbindung in bestehende Gesellschaftsnormen“ (S.93). Der
Mensch ist somit frei, wenn er sich für oder gegen die Selbsteinbindung in
gesellschaftliche Normen entscheiden kann. Ob sich ein Individuum den von der Gesell-
schaft definierten Verhaltensbedingungen stellt oder nicht, liegt nach Baader (1997) in
der Verantwortung eines jeden selbst (vgl. S.81). Tritt in diesem Sinne Freiheit ein, liegt
dies daran, dass eine freie Entscheidung getroffen werden konnte. Eine Auffassung von
Autonomie, welche mit dem kantschen Autonomiebegriff verwandt ist, ist die Vorstellung
von Autonomie als Wahlfreiheit. Das Vermögen zwischen verschiedenen Alternativen zu
wählen und diese dann auch zu verwirklichen wird unter Wahlfreiheit verstanden. Dieses
kann nach List & Stelzer (2010) durchaus auch von Informationen und Umweltreizen
beeinflusst werden (vgl. S. 14).
Die Frage, ob Autonomie die Möglichkeit sich für etwas anderes entscheiden zu können
voraussetzt, wird in jüngster Zeit kontrovers diskutiert. Einige Philosophen
argumentieren, dass der Mensch ohnehin nicht willensfrei ist und dass somit die
kantsche Vorstellung einer freien Selbstbestimmung eine Illusion sei. Jede Handlung
wird von inneren sowie äusseren Faktoren beeinflusst bzw. manipuliert. Umweltein-
flüsse, Sanktionen, Drohungen, Belohnungen, aber auch die Sozialisation und die ge-
sellschaftlichen Normen können den Menschen stark beeinflussen und somit auch seine
Handlungsmotivation. Wenn zum Beispiel gesellschaftliche Normen stark auf das
Individuum einwirken und es dann Motivation für eine Handlung entwickelt, die den
gesellschaftlichen Normen entspricht, kann behauptet werden, dass diese
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Umwelteinflüsse nicht nur die Freiheit, sondern auch die individuelle Motivation beein-
flusst haben. Wird mit vielen Mitteln von aussen auf das Individuum eingewirkt, um
dessen innere Haltung und dessen Handlungen zu beeinflussen, kann der Verdacht auf
Manipulation anstelle von Motivation entstehen. Auch gesellschaftliche Einflüsse können
eine manipulative Wirkung haben. Wird nun jedoch hinzugenommen, dass das
Individuum stets durch andere oder durch die gesellschaftlichen Bedingungen beein-
flusst wird, kann der Vorwurf der Manipulation auch wieder etwas abgeschwächt werden.
Die Furcht vor einer möglichen Manipulation oder vor einer Einschränkung personaler
Autonomie ist nach Ansicht gewisser Philosophen völlig unbegründet und irrational. Dies
aufgrund der Ansicht, dass das Handeln schliesslich stets fremdbestimmt sei (vgl. List &
Stelzer, 2010, S. 15).
Dieses naturalistische Argument kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir
Manipulationen wie zum Beispiel unbewusste Beeinflussung durch die Werbung klaglos
über uns ergehen lassen, andere Erlebnisse wie zum Beispiel manipulative
Beeinflussung bei einer Kaufentscheidung dagegen als verwerflich empfinden (vgl. List &
Stelzer, 2010, S.16).
Somit stellt sich hier die Frage, wo denn die Grenzen gesetzt werden. Welcher
Manipulation ist sich der Mensch ein stückweit bewusst und kann sich dagegen wehren,
und wo geschieht die Manipulation ohne das Wissen der betroffenen Person. Für die
Verführbarkeit durch die Werbung besteht heute ein verbreitetes Bewusstsein und der
Mensch lässt sich nicht mehr so leicht täuschen. Wird jedoch gegen den Willen des
Individuums manipuliert, ist dies moralisch verwerflich und damit zu verhindern. List und
Stelzer (2010) führen in diesem Zusammenhang den Begriff der Meta-Autonomie ein,
welche im folgenden Kapitel beschrieben wird.
3.2 Meta- Autonomie
Anknüpfend an die im letzten Kapitel gemachte Aussage, dass das soziale Umfeld stets
eine Wirkung auf den Menschen hat und er somit nicht frei und ohne äussere Einflüsse
entscheiden kann, beschreibt dieses Kapitel eine Art der Autonomie, welche trotz ein-
schränkenden Begebenheiten aus der Umwelt ein Stück Freiheit gewährleistet. Diese
wird Meta-Autonomie genannt.
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
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Die Meta-Autonomie beinhaltet „die Freiheit, sich nach reiflicher Überlegung unter
Kenntnis der determinierenden Einflüsse für oder gegen etwas entscheiden zu können“.
In diesem Falle ist der Mensch sich der „manipulativen Einflüsse“ bewusst, nimmt diese
ein Stück weit an und entscheidet dann selber, wie damit umzugehen ist. Somit ist trotz
einschränkenden Begebenheiten ein Stück Autonomie gewährleistet (vgl. List & Stelzer,
2010, S.16).
Ein alltägliches Beispiel ist wie bereits erwähnt die Werbung. Die Werbung beeinflusst
die Konsumenten unterschwellig. Es wird zum Beispiel versucht, den Konsumenten zu
motivieren, ein Produkt zu kaufen. Wenn sich der Konsument dessen bewusst ist und
sich dann bewusst gegen den Kauf dieses Produktes entscheidet, ist dies eine Situation,
in der er sich die Meta-Autonomie wahrt. In der sozialen Arbeit lässt sich dies ebenfalls
wiederfinden. Wenn Klienten gewisse Richtlinien gegeben werden, haben sie immer
noch die Möglichkeit, auf der Ebene der Meta-Autonomie selbstbestimmt zu
entscheiden. Im Falle unterschwelliger Manipulation der Denkweise von anderen
Menschen tritt die Meta-Autonomie nicht auf. Wenn zum Beispiel Klienten der Sozialen
Arbeit wiederholt bestimmte Meinungen zu hören bekommen und sie sich allmählich mit
dieser Meinung identifizieren, bis sie sich diese völlig zu eigen gemacht haben, hat sich
dies unterschwellig und gegen den Willen des Adressaten abgespielt. „Der so
Manipulierte wird glauben, autonom und willensfrei zu handeln, obwohl sein Handeln
vollständig determiniert bzw. fremdbestimmt ist“ (vgl. List & Stelzer, 2010, S.17).
Die Betrachtung von Autonomie und Freiheit ergibt zusammenfassend, dass nach be-
stimmten Meinungen grundsätzlich keine individuelle Freiheit besteht, weil der Mensch
durch verschiedenste Aspekte beeinflusst wird und nicht mehr unabhängig entscheiden
kann. Die andere Sicht sieht jedoch im Bewusstsein des Menschen von
determinierenden Einflüssen den Grundstein zur Freiheit und Autonomie. Frei sein heisst
somit nach Steiner „nicht wollen können, was man will, sondern tun können, was man
will“ (Steiner, 2010, S.6). Handelt der Mensch also trotz inneren und äusseren Einflüssen
autonom und selbstbestimmt, kann von Freiheit gesprochen werden. Diese Freiheit
wiederum fördert die Entstehung von Handlungsmotivation (siehe Kapitel 2.2), welche
den Menschen aus innerem Antrieb zu Handlungen veranlasst und somit wiederum
Selbstbestimmung und Autonomie gewährleistet.
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Bei den Überlegungen zu der Freiheit des Menschen lassen sich weitere Gedanken in
den Bereichen der Entscheidungs- sowie Handlungsfreiheit machen, welche im
folgenden Kapitel ausgeführt werden.
3.3 Entscheidungs- und Handlungsfre ihei t
Die Entscheidungs- und Handlungsfreiheit sind entscheidend für das Selbstverständnis
als handelnde Person. Obwohl die Handlungsfreiheit eng mit der Entscheidungsfreiheit
verbunden ist, ist es sinnvoll, beide dieser Formen anzuschauen. Es gibt eine Reihe von
Situationen, bei denen den Personen freie Entscheidungen möglich sind, aber nicht
deren Umsetzung. Umgekehrt entstehen auch immer wieder Situationen, in denen es
ungehindert möglich wäre, Taten auf Entscheidungen folgen zu lassen, wo jedoch die
Entscheidungen nicht frei getroffen wurden. Werden zum Beispiel Entscheidungen durch
angedrohte Sanktionen unter Druck gemacht, können freie Handlungen daraus folgen,
die Entscheidung war jedoch erzwungen. Bei der Entscheidungsfreiheit geht es in erster
Linie darum, zwischen verschiedenen Optionen wählen zu können. Wenn eine Wahl
getroffen wird und man sich für eine Handlung und gegen eine andere entschieden hat,
wurde eine Wertung vorgenommen und die bevorzugte Handlung erlangte mehr
Wichtigkeit. Die Motivation für eine Handlung wird durch diesen Prozess gesteigert, da
durch die Eigenregie in der Entscheidung Selbstwirksamkeit erlebt wird (vgl. Hepfer,
2008, S.43-44).
Zudem heisst Entscheiden auch, etwas „mitgestalten, mitformen und beeinflussen zu
können, was eine starke Motivationswirkung beinhaltet“ (Di Micheli, 2006, S.70).
Nach Borngräber (1997) ist im Begriff der Entscheidung ebenfalls bereits der Begriff
„Motivation“ impliziert. Wenn sich der Mensch frei entscheiden kann, wird er motiviert,
diese Entscheidung auch umzusetzen. Damit die Entscheidung jedoch auch frei sein
kann, muss sie frei sein von Instinkten, Bedürfnissen sowie frei von äusseren Zwängen
(vgl. S. 22). Da jedoch Bedürfnisse nicht ausgeschlossen werden können, gilt es nach
Hepfer (2008), sich Klarheit über diese zu machen und unabhängig von ihnen die Sach-
lage zu erkennen. Zudem benötigt es eine gewisse Kompetenz, mit dem Wissen über
die Sachlage und die Bedürfnisse umgehen zu können (vgl. S.46).
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Der zweite Aspekt der Freiheit ist die Handlungsfreiheit, welch eng mit der Ent-
scheidungsfreiheit verbunden ist. Sie bezeichnet die Freiheit, die getroffenen Ent-
scheidungen auch umzusetzen.
Grundsätzlich geht es bei der Handlungsfreiheit um die Möglichkeit autonom handeln zu
können und freie sowie unfreie Entscheidungen umzusetzen. Somit ist die Handlungs-
freiheit die Freiheit, „eine Tat umsetzen zu können“ (Hepfer, 2008, S.44). Erst dann,
wenn wir sowohl über Entscheidungs- als auch über Handlungsfreiheit verfügen, stehen
unser Tun und unsere Unterlassungen wirklich in unserer Macht (vgl. Hepfer, 2008,
S.44).
Wenn den Klienten der Sozialen Arbeit keine Autonomie gewährleistet wird sowie die
Freiheit eingeschränkt wird, werden sie nicht als ganze Menschen respektiert. Die Ent-
stehung der intrinsischen Motivation hängt jedoch von diesen Faktoren ab, und die
Gewährleistung von Freiheit und Autonomie ist somit ethisch korrekt und förderlich. Die
intrinsische Motivation ist nachhaltig, weshalb die Auseinandersetzung mit diesen
Aspekten zentral ist für die Fragestellung dieser Arbeit (vgl. Kapitel 2.2).
In den folgenden zwei Kapiteln werden zwei Konzepte vorgestellt, welche die vorange-
gangenen Aspekte zur Unterstützung der Entstehung der intrinsischen Motivation in
Beziehung mit dem Individuum setzen. Diese Auseinandersetzung findet mit dem Vor-
stellen des Konzeptes der Integrität sowie der Theorie der Selbstbestimmung statt.
3.4 Integr i tät
Im folgenden Kapitel wird die Auseinandersetzung mit der Freiheit und Autonomie des
Individuums aus einer sozialphilosophischen Perspektive mit dem Begriff der „Integrität“
nach Pollmann (2005) vertieft.
Mit dem Begriff der Integrität verbindet Pollmann (2005) die menschliche Grundbefind-
lichkeit des Wunsches nach Ganzheit „im Sinne eines intakten und unversehrten Selbst-
und Weltverhältnisses“ (S. 73). Es geht darum, ein möglichst selbstbestimmtes Leben im
Einklang mit transparenten Bedürfnisstrukturen führen zu können, um von den negativen
gesellschaftlichen Einflüssen möglichst unbehelligt zu bleiben (vgl. S. 73). Das Ziel ist,
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit Sophia Wüst HS 2010 Seite 30
ein möglichst gutes und gelingendes Leben unter dem Aspekt der Freiheit zu führen und
möglichst paternalistische Bevormundungen zu verhindern. Das Konzept der Integrität
ist demnach eng verbunden mit der philosophisch-ethischen Frage „wie man leben soll,
um gut zu leben“ (S.78). Es geht somit darum, ein „Leben im Einklang mit den je eigenen
Werten und Idealen“ zu führen, was bezogen auf das individuelle Empfinden bedeutet,
dass der Mensch sich selber treu bleibt (S. 85).
Hinzu kommt der moralische Anteil, dass sich eine Person nicht nur auf unparteiische
Weise der Allgemeinheit verpflichtet sieht, sondern sich durchaus auch parteilich
gegenüber einzelnen Mitmenschen zeigen soll (vgl. S.79). Es werden somit Faktoren der
gesellschaftlichen Bedingungen miteinbezogen.
Wird dieser Aspekt mitgedacht, kann es nicht mehr nur darum gehen, ein Leben mit den
je eigenen Werten und Idealen zu führen, sondern diese mit der Umwelt zu vereinbaren
und auf anderer Freiheit Rücksicht zu nehmen. Dies bedeutet, dass klare Vorstellungen
über die Ziele zum Lebensvollzug bestehen müssen, jedoch auch die Auswirkungen in
der Gesellschaft mitgedacht werden sollen. Es gilt demnach, einerseits zu prüfen, ob die
eigenen Handlungen mit dem Leben in der Gesellschaft moralisch kompatibel sind; auf
der anderen Seite muss die Gesellschaft dem Einzelnen „den Freiraum zur Verwirkli-
chung seiner vorgestellten Lebensführung“ sowie den persönlichen lebensgestaltenden
Wahlentscheidungen ermöglichen, damit Integrität erlebt werden kann (Pollmann, 2005,
zit. in Van der Walt, 2007, S. 146). Der Begriff der Integrität umfasst demnach
Verständnis von sich selber, ist aber auch immer mit integeren Sozialbeziehungen zu
koppeln.
Pollmann (2005) beschreibt Integrität sowie das Konzept integrer Lebensführung mehr-
dimensional. In der folgenden Abbildung geht es um ein Beurteilungsraster, nach
welchem das Individuum selbst sowie dessen Umfeld beurteilen können, ob Integrität
vorhanden ist oder nicht.
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit Sophia Wüst HS 2010 Seite 31
Innenperspektive und Selbstzuschreibung
Aussenperspektive und Fremdzuschreibung
positiv negativ positiv negativ
ethisch Selbsttreue Depersonalisation Unbestechlichkeit Bestechlichkeit
moralisch Recht-schaffenheit
‚Schmutzige Hände’ Unbescholtenheit Scheinheiligkeit
psychologisch Integriertheit Desintegration Kohärenz Inkohärenz
sozial-philosophisch
Ganzheit Entzweiung Unversehrtheit Verletztheit
Abbildung 2
Ein Mensch hat eine integre Lebensführung, wenn er ethisch, moralisch, psychologisch
und sozial-philosophisch dem Prinzip der Integrität entspricht. Aus diesen vier diszi-
plinären Perspektiven werden die zentralen Aspekte integeren Lebens wie Selbsttreue,
Rechtschaffenheit, Integriertheit und Ganzheit angeschaut und untersucht, ob diese den
Perspektiven entsprechen. Dies meint, dass aus ethischer Sicht die Selbsttreue, aus
moralischer Sicht die Rechtschaffenheit, aus psychologischer Sicht die Integriertheit und
aus der sozialphilosophischen Sicht die Ganzheit angeschaut wird.
Hinzu kommt eine Unterteilung in die Innenperspektive und somit die Selbstzuschrei-
bung von Integrität und in die Aussenperspektive, welche Fremdzuschreibungen enthält.
Dies bedeutet, dass bei der Untersuchung von vorhandener oder nichtvorhandener
Integrität einer gewissen Person deren eigene Sicht, jedoch auch die Sicht des Umfeldes
miteinbezogen wird. Wenn sich zum Beispiel eine Person Selbsttreue zuschreibt, das
Umfeld diese jedoch als bestechlich empfindet, gibt es keine Übereinstimmung.
Jede der Begriffsdimensionen (ethisch, moralisch, psychologisch, sozialphilosophisch)
wird innerhalb der Selbst- und Fremdzuschreibung nochmals in positiv und negativ
unterschieden. Positiv meint in diesem Kontext, wo Integrität vorhanden ist, und negativ,
wo es daran fehlt. Es spielen somit viele Faktoren zusammen, welche ein integres Leben
ermöglichen oder auch verhindern. Zum einen hängt die Integrität von der Person selber
ab, welche für ihr eigenes Handeln verantwortlich ist; zum anderen ist sie angewiesen
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit Sophia Wüst HS 2010 Seite 32
auf das Verhalten der Mitmenschen und die gesellschaftlichen Lebensbedingungen (vgl.
Pollmann, 2005, S.83).
Ob alle diese Elemente in der Lebenswirklichkeit jemals erreicht werden können, ist
fraglich. Pollmann (2005) ist sich dessen selbst bewusst, wenn er schreibt, dass „die im
Bedürfnis nach Integrität zum Ausdruck kommende Sehnsucht nach vollständiger
Ganzheit (...) wird niemals gänzlich zu befriedigen sein“ (S. 289). Hinzu kommt, dass
Integrität nicht ohne soziale Konflikte und den entsprechenden Verletzungserfahrungen
erreicht werden kann. Diese Aspekte sind jedoch nicht nur unausweichlich, sondern
können als hilfreich und als Beitrag einer gelingenden Persönlichkeitsentwicklung ver-
standen werden (vgl. S. 262).
Die Idee der Integrität ist hiermit als ein Leitbild oder Ideal zu verstehen, von dem die
vollständige Verwirklichung nicht erwartet werden kann. Pollmann (2005) postuliert in
diesem Zusammenhang jedoch, dass nicht alle Menschen Integrität besitzen, jede und
jeder aber das Bedürfnis danach. Das Streben nach Integrität ist somit ein prozesshaftes
Realisieren von Ansprüchen an sich selbst und an andere (vgl. S. 291-292).
Die Gedanken der Integrität und einer integren Lebensführung sollen in den folgenden
Kapiteln stets mitgedacht werden. Dimensionen der Integritätsverletzungen im
Zusammenhang mit schwierigen Verhältnissen in Machtkontexten und Manipulations-
situationen werden im Kapitel 4 vertieft.
3.5 Selbstbest immungstheor ie der Mot ivat ion
Die Theorie über die Selbstbestimmung befasst sich mit der menschlichen Motivation
und deren Entstehungsgründe und setzt diese in Verbindung mit einer selbstbestimmten
Lebensführung. Wie auch im vorangehend vorgestellten Konzept der Integrität ist die
Autonomie und Freiheit eines Menschen für die Selbstbestimmung zentral. Dieses
Kapitel schliesst die vorangegangenen Kapitel mit ein und verbindet diese mit der
Motivation.
Selbstbestimmung bedeutet, Kontrolle über das eigene Leben zu haben und Wahl-
möglichkeiten zwischen akzeptablen Alternativen treffen zu können. Dies schliesst das
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit Sophia Wüst HS 2010 Seite 33
Recht mit ein, eigene Angelegenheiten selbst zu regeln sowie verschiedene soziale
Rollen einnehmen zu können, ohne dass dabei Abhängigkeiten entstehen. Frei von
institutionalisierten Zwängen und bevormundender Fachlichkeit soll das eigene Leben
gestaltet werden (vgl. Integra, 2014).
Wird davon ausgegangen, dass im Zusammenhang mit der Selbstbestimmung das
Individuum den Anspruch auf freie Entscheidungen hat, gilt es darauf zu achten, ob
überhaupt Freiheiten vorhanden sind oder nicht. Denn die Freiheit ist eine notwendige
Bedingung für die Selbstbestimmung sowie die Möglichkeit, autonome Entscheidungen
zu treffen. Im Zusammenhang mit dieser notwendigen Bedingung zur Selbstbestimmung
gilt es, die Meta-Autonomie (vgl. Kapitel 3.2) und die Entscheidungsfreiheit (vgl. Kapitel
3.3) mitzudenken. Auch in der Selbstbestimmungstheorie werden Freiheiten gefordert,
damit autonome Entscheidungen getroffen werden können. Bestehen gewisse Ein-
schränkungen oder Einflüsse durch das Umfeld, gilt es auch hier, sich dieser bewusst zu
sein und innerhalb der gegebenen Umständen trotzdem eine freie Wahl zu treffen (vgl.
Kapitel 3.2). Voraussetzung für diese Forderung nach autonomen Entscheidungen ist,
dass der Mensch über die Kompetenz verfügt, zwischen den gegebenen Optionen eine
persönliche Wahl zu treffen, damit die freien Entscheidungen auch in die Tat umgesetzt
werden können. Andernfalls hat nach Nagl-Docekal (2010), „diese Art, Autonomie zu
fordern, keinen Sinn“ (zit. in List & Stelzer, 2010, S.34).
Zusätzlich gilt es, wie im Kapitel 3.1 über Autonomie und Freiheit beschrieben, die
gesellschaftlichen sowie die physischen und psychischen Einflüsse auf die freien Ent-
scheidungen von Individuen mit zu bedenken. Die Frage nach der tatsächlichen Freiheit
des Menschen wird unterschiedlich beantwortet. Trotzdem wird der Begriff der Selbstbe-
stimmung bis heute als kritische Leitidee gegen die „Beeinträchtigung der Freiheit von
Individuen, gesellschaftlichen Gruppen und Staaten in Anspruch genommen“
(Brockhaus, 2005). Somit kann die Selbstbestimmung als Kriterium gegen die Manipula-
tion und Unterdrückung und als Aspekt zur Förderung von Autonomie, Kompetenz und
sozialer Eingebundenheit gelten (vgl. Learning Factory, 2013).
Die Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan (1993) ist eine Theorie über die
Motivation des Menschen. Im Zentrum dieser Theorie stehen die Autonomie, die soziale
Eingebundenheit, die Selbstwirksamkeit und der Begriff des Selbst. Das Selbst kann
zugleich als Prozess wie auch als Ergebnis der persönlichen Entwicklung interpretiert
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit Sophia Wüst HS 2010 Seite 34
und untersucht werden. Eine wichtige Rolle spielen dabei die angeborenen und psychi-
schen Bedürfnisse wie die Fähigkeiten und die Interessen des Individuums (vgl. Deci &
Ryan, 1993, S.123). Die Selbstbestimmungstheorie macht geltend, dass der Mensch
grundsätzlich den intrinsischen Wunsch hat, seine Umwelt zu erforschen und in sich auf-
zunehmen. Vorangetrieben wird der Prozess der menschlichen Entwicklung somit durch
intrinsisch motivierte Faktoren. Die intrinsisch motivierte Auseinandersetzung mit zum
Beispiel einer anspruchsvollen Aufgabe lässt Befriedigung entstehen und liefert somit
wieder neue Energie, um weitere Handlungen auszuführen. Dies ist somit ein Vorgang,
der durch den Antrieb der intrinsischen Motivation stets neue psychische Energie frei-
setzt und den Menschen sich immer weiterentwickeln lässt. Der dabei stattfindende
Prozess geschieht im Innern einer Person, basierend auf eigenständigen Verarbeitungen
und eigenen Konstruktionen.
Bereits in den frühesten Stadien der Entwicklung besteht die Motivation zu einer persön-
lichen Auseinandersetzung mit der Umwelt und braucht keine Anleitung oder äussere
Zwänge. Diese ist zentral für den Erwerb kognitiver Fähigkeiten und ebenfalls für die
Initiierung zur Entwicklung des individuellen Selbst (vgl. Learning Factory, 2013).
Allgemein kann gesagt werden, dass sich die Struktur des Selbst durch die
Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt stets erweitert und verfeinert. Sie ist somit
„das sich ständig ändernde Produkt von Prozessen und Strukturen“ (Deci & Ryan, 1993,
S. 123).
Neben diesem erklärenden und beschreibenden Aspekt der Selbstbestimmungstheorie
untersucht diese die Motivation und fragt nach dem Grad der Selbstbestimmung. Es wird
geschaut, inwiefern die Motivation des Individuums „vom Selbst“ und nicht von äusseren
und inneren Zwängen hervorgerufen wird. Des Weiteren wird das Verhalten innerhalb
von motivierten Handlungen beschrieben sowie die Bedeutung der motivierten Hand-
lungen für die Entwicklung des Selbst analysiert (vgl. Deci & Ryan, 1993, S. 123).
Die Theorie basiert auf dem Konzept der Intentionalität. Intentionalität bedeutet in
diesem Kontext die Absichtlichkeit, Zielgerichtetheit und Bezogenheit einer Handlung
und ist mit der Motivation in Verbindung zu bringen (vgl. Brockhaus, 2012). Das Konzept
der Intentionalität hilft, die Steuerung des Verhaltens zu erklären. Menschen gelten dann
als motiviert, wenn sie „mit ihrem Verhalten einen bestimmten Zweck verfolgen“ (Deci &
Ryan, 1993, S.224).
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit Sophia Wüst HS 2010 Seite 35
Wie bereits erwähnt, lassen sich motivierte Handlungen nach dem Grad ihrer Selbstbe-
stimmung unterscheiden. Es wird untersucht, wie stark die Handlung vom Handelnden
selbst oder aber von seiner Umwelt bestimmt ist. Jene Handlungen, die als frei gewählt
erlebt werden, entsprechen nach Deci und Ryan (1993) den „Zielen und Wünschen des
individuellen Selbst“ (S.225). Im Gegensatz dazu entstehen Handlungen, welche als
aufgezwungen erlebt werden, durch intrapsychische Vorgänge wie Druck und Zwang
oder durch gesellschaftliche Erwartungen. In diesem Zusammenhang sprechen Deci und
Ryan (1993) von der extrinsischen Motivation. Wenn hingegen die Handlung aus freiem
Willen entstanden ist, gilt sie als selbstbestimmt oder autonom. Wird Selbstbestimmung
erlebt, fördert dies die intrinsische Motivation und die Entwicklung des Selbst (vgl.
S.224).
Somit ist es bei der Entwicklung einer Handlung zentral, diese als frei gewählt zu
empfinden. Entscheidend ist daher auch, dass die eigene Wertschätzung des Hand-
lungsziels auf der Basis intrinsischer oder integrierter extrinsischer Motivation entsteht
(vgl. Learning Factory, 2013).
Wie bereits im Kapitel 2.5 beschrieben, ist es unmöglich, intrinsische von extrinsischer
Motivation zu trennen, da sich motivierte Verhaltensweisen durch die Prozesse der
Internalisation und Integration in selbstbestimmte Handlungen verändern können. Es
stellt sich damit die Frage, ob die Soziale Arbeit und die Sozialpädagogik nicht genau
diese Tendenz der Klienten, extrinsische Ansichten zu internalisieren und dann fremde
Meinungen plötzlich als die ihrigen zu betrachten, als Handlungsstrategie benützen.
Druck von aussen im Zusammenhang mit den sozial vermittelten Verhaltensweisen und
Erwartungen verändern durchaus anfängliche Abwehrhaltungen der Klienten, sodass
diese selbstbestimmt und autonom sich dieser anfänglich extrinsischen Motivation an-
passen (vgl. Kapitel 2.3).
Pantucek (2013) macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass die Unter-
stützung individualisiert und anschlussfähig sein muss. Dies bedeutet, dass sie
tatsächlich bei den „Wünschen und Möglichkeiten der Betroffenen ansetzt und nicht bei
den überzogenen Wünschen der Helfenden“. Im Sinne der Selbstwirksamkeitstheorie ist
es ein „absurder Irrtum zu glauben, Menschen könnten unter grossem Druck grössere
Lern- und Anpassungsleistungen erbringen und die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns
sei geringer“ (Pantucek, 2013).
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FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit Sophia Wüst HS 2010 Seite 36
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Selbstbestimmungstheorie das
Individuum mit seinen Bedürfnissen und Motivationen ins Zentrum stellt. Sie untersucht
den Grad der Selbstbestimmung bei bestimmten Handlungen und postuliert, dass sich
die Energie zur Zielerreichung erhöht, wenn der Mensch intrinsisch motiviert ist. Dies ist
möglich, wenn sich das Individuum mit den Zielen seiner Handlung identifizieren kann
und genügend Entscheidungs- sowie Handlungsfreiheiten bekommt.
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit Sophia Wüst HS 2010 Seite 37
4 Spannungsfeld von Motivation und Manipulation: Anforderungen an die professionelle Soziale Arbeit
Für die weiteren Kapitel dieser Arbeit ist an dieser Stelle nochmals eine kurze
Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse der vorangegangenen Kapitel
notwendig.
Im Kapitel 2.2 wurde gezeigt, dass die intrinsische Motivation aus inneren Anreizen ent-
steht und im Individuum eine innere Bereicherung auslöst. Die extrinsische Motivation
basiert hingegen auf ungleichen Machtverhältnissen und arbeitet mit Druck, durch Be-
lohnung oder Anreize, und kann die schwache intrinsische Motivation korrumpieren. Der
Übergang dieser beiden Motivationsformen ist fliessend, und somit kann nicht immer
genau bestimmt werden, ob die Motivation durch innere oder durch äussere
Komponenten entstanden ist.
In der Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen zur Förderung von intrinsischer
Motivation bzw. den Bedingungen für ihre Entstehung wurde auf die Freiheit und Auto-
nomie, die Meta-Autonomie, auf Handlungs- und Entscheidungsfreiheiten sowie auf die
Integrität und die Selbstbestimmung eingegangen. Es wurde zudem ersichtlich, dass der
Mensch Zufriedenheit und Selbstwirksamkeit bei intrinsisch motivierten Handlungen
erlebt. Die Erkenntnisse aus diesen Kapiteln bilden den Hintergrund oder die Grundlage
der folgenden Kapitel, in welchen nun der Blick vom Individuum abgewendet und auf die
Professionellen der Sozialen Arbeit gerichtet wird. Es wird untersucht, welche
Anforderungen sich für die Professionellen im Umgang mit Macht und Manipulation
sowie deren verschiedenen Rollen ergeben.
4.1 Einschränkung der indiv iduel len Freihei t
In diesem Kapitel wird erstmals auf die Einschränkungen der individuellen Freiheit der
Klienten eingegangen. Aus diesen Einschränkungen ergeben sich die eigentlichen An-
forderungen an die Professionellen der Sozialen Arbeit.
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit Sophia Wüst HS 2010 Seite 38
4.1.1 Keine Verhältnisse ohne Macht und Asymmetrie
Im Bereich der Sozialen Arbeit stehen die Klienten oftmals unter Druck wegen ihrer Not-
situation und den Erwartungen der Gesellschaft. Auch die Professionellen selbst können
die individuelle Freiheit der Klienten durch unterschiedliche Handlungen einschränken.
Diese Einschränkungen können durch die ungleichen Machtverhältnisse und die
asymmetrische Beziehung zwischen Klienten und Sozialarbeitenden zustande kommen.
Somit wird in diesem Kapitel erstmals auf den Aspekt der Macht und Asymmetrie in der
Beziehung zwischen Professionellen und den Klienten eingegangen.
Wann ein Mensch tatsächlich frei ist und nicht durch äussere Kräfte eingeschränkt wird,
ist schwer zu definieren. Sobald ein Mensch sich in einem sozialen Umfeld aufhält und
nicht gänzlich auf sich alleine gestellt ist, wird sein Streben und Agieren nach mehr Frei-
heit eingeschränkt. Individuelles unreflektiertes Handeln in Richtung mehr persönlicher
Freiheit kann ab einem bestimmten Zeitpunkt die Freiheit von anderen beschneiden.
Gleichzeitig kann ein solches Handeln anderer die eigene Freiheit beschneiden. Das
Verhalten aller Beteiligten muss somit aufeinander abgestimmt werden. Dies hat zur
Folge, dass soziale Ordnungen entstehen, welche ungleiche Machtverhältnisse hervor-
bringen. Die sozialen Ordnungen schränken die Freiheiten aller abermals ein, indem sie
die Nutzung von Freiheit bestimmten Rollen zusprechen und anderen jedoch
absprechen. Diese durch das Zusammenleben entstehenden ungleichen Chancen und
Interessen führen dazu, dass Macht eine „soziale Tatsache“ wird und es grundsätzlich
keine Verhältnisse gibt, die frei von Macht sind (vgl. Kraus & Krieger, 2007, S. 10-12).
Somit ist auch die Zusammenarbeit der Sozialarbeitenden und ihren Klienten, niemals
gänzlich frei von ungleichen Machtverhältnissen.
Herrschen ungleiche Machtverhältnisse zwischen Personen, betrifft dies den Macht-
aspekt der „Interaktionsmacht“, welcher spezifisch auf die Machtdifferenzen zwischen
Menschen eingeht. Der Begriff kommt aus der Soziologie und meint, dass diese Macht
im Interaktionsverhalten von Menschen zum Ausdruck kommt. Beispiele hierfür wären
Drohungen, aber auch Lob oder Belohnung von Seiten der „mächtigeren“ Person (vgl.
Kraus & Krieger, 2007, S.24). Wichtig ist, dass „Interaktionsmacht“ von den erwähnten
ungleichen Chancen und Interessen abgegrenzt wird. Es geht bei der Interaktionsmacht
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
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lediglich um die zwischenmenschlichen Beziehungen. Der Begriff der „Interaktions-
macht“ ist damit unabhängig von den Machtphänomenen auf politischer oder
institutioneller Ebene zu denken, dies obwohl nach Kraus und Krieger (2007) letztlich
auch in diesen Bereichen Interaktionsverhältnisse beschrieben werden können (vgl.
S.29).
Es kann statt von ungleichen Machtverhältnissen auch von - etwas neutraler formuliert -
asymmetrischen Beziehungen gesprochen werden. Im Kontext der Sozialen Arbeit
existieren verschiedenste asymmetrische Beziehungen. Eine Form der asymmetrischen
Beziehung zwischen Klienten und Professionellen entsteht bereits aufgrund des
spezifischen Wissens der Professionellen. Professionelle der Sozialen Arbeit haben ein
Studium absolviert und Erfahrungen in der Praxis gesammelt. Sie erlangten durch die
Ausbildungszeit und Berufserfahrung theoretisches sowie alltagspraktisches Wissen.
Dies bedeutet, dass sie im Besitz von Wissen sind, das nicht allen Menschen zugänglich
ist. Allgemein verfügt die Sozialarbeiterin oder der Sozialarbeiter über ein relevantes
Mehr an Ressourcen, sei es durch die Verfügung über materielle Hilfen und deren Ver-
mittelbarkeit, durch kommunikative Zugangsmöglichkeiten oder einfach aufgrund
besserer Informiertheit (vgl. Kraus & Krieger, 2007, S. 79). Durch dieses spezifische
Wissen wird ihnen im Klientenkontakt bereits eine gewisse Machtposition unterstellt, was
eine Abhängigkeit des Klienten gegenüber den Professionellen provoziert (vgl. Wolf,
2014).
Nicht nur das spezifische Wissen der Professionellen schafft eine Asymmetrie, sondern
auch die Gründe für die Interaktion können bereits eine solche schaffen. Die Klienten
kommen in der Regel im Zusammenhang mit einem individuellen Problem oder einem
Problem, das vom sozialen Umfeld oder einer einweisenden Instanz als solches benannt
wurde, in Kontakt mit der Sozialen Arbeit. Kommt es folglich zu einem Kontakt zwischen
Klienten und Professionellen, ist bereits durch diese Problemdefinition, welche von
aussen beeinflusst wurde, eine weitere asymmetrische Beziehungsstruktur vorhanden
(vgl. Wolf, 2014).
Eine weitere Form von asymmetrischen Beziehungen findet sich auf jener Ebene wieder,
wo sich die Soziale Arbeit tatsächlich am Wohle des Klienten orientiert, dies jedoch
andere Sphären des Klienten verletzt. Damit ist gemeint, dass zum Beispiel Sozial-
arbeitende davon ausgehen, zu wissen, was gut für ihre Klienten ist, und dann zu deren
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit Sophia Wüst HS 2010 Seite 40
„Wohle“ mittels Kontroll- oder Sanktionsmassnahmen an den Fehlhandlungen sowie
unangepassten Beziehungen zu anderen Menschen und zu der Gesellschaft gearbeitet
wird (vgl. Schütze, 1996, S. 241). Hier werden Sanktionen aufgrund von subjektiven Ein-
schätzungen ausgesprochen. Dies ist nach Schütze (1996) eine kritische Handlung, da
eine Sanktion für die Klientin oder den Klienten mit Leid und Enttäuschung verbunden
sein kann, auch wenn dies von Seiten der Professionellen mit guten Gründen veranlasst
wurde. Hier besteht somit eine asymmetrische Beziehung in Form von Bevormundung
der Klienten, die trotz der Orientierung am Wohle der Klienten für jene mit negativen
Folgen wie Enttäuschung und Leid einhergehen (vgl. S. 241).
Dennoch gilt das individuelle Wohl der Klienten neben der gesellschaftlichen Verträglich-
keit als zentrale Richtschnur für das Handeln der Sozialen Arbeit. Diese beiden Rollen
der Sozialarbeitenden, die einerseits das individuelle Wohl der Klienten und andererseits
das gesellschaftliche Wohl berücksichtigen müssen, stehen ebenfalls beide in
asymmetrischer Beziehung, zu den Klienten einerseits und zu der Gesellschaft anderer-
seits (vgl. Schütze, 1996, S.241). Die Asymmetrie liegt somit darin, dass Soziale Arbeit
entweder Herrschaftsinstrument der Gesellschaft ist oder aber selbst Herrschaft ausübt.
In beiden Fällen wird die Herrschaft als asymmetrisch und ungerecht stigmatisiert (vgl.
Baum, 1996, S.95). Dieses Spannungsfeld, das durch diese Doppelrollen entsteht, wird
im Kapitel 4.3 thematisiert.
Ein zentraler Punkt bei ungleichen Machtverhältnissen ist, dass diese von den
Professionellen überhaupt erst erkannt werden müssen. Es ist deshalb wichtig, dass
diese Machtverhältnisse in den verschiedenen Settings der Sozialen Arbeit stets
reflektiert werden. Hinzu kommt, dass ein Bewusstsein darüber vorhanden sein muss,
dass die Möglichkeit der Ausnutzung dieses Verhältnisses umso grösser wird, je
abhängiger ein Mensch von einem anderen ist. Dies birgt eine grosse Verantwortung auf
Seiten der Professionellen (vgl. Boysen & Stecker, 2002, S.80). Insbesondere wenn es
um die Aktivierung von Klienten geht, ist stets die Frage mitzubedenken, ob motiviert
oder mit Nutzung der Professionsmacht manipuliert wird. Asymmetrische Beziehungen
provozieren damit manipulatives Verhalten der Professionellen, wie in den weiteren
Kapiteln noch genauer ausgeführt wird. Die Anforderung für die Professionellen der
Sozialen Arbeit besteht somit darin, dass sie verantwortungsvoll mit dem Machtgefälle
zwischen ihnen und ihren Klientinnen und Klienten umgehen und sich darüber hinaus
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
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über die Grenzen ihrer eigenen Kompetenzen bewusst sind (vgl. Avenir Social, 2010,
S.11).
4.1.2 Bevormundung durch Kontrolle
Asymmetrische Beziehungen zwischen Professionellen und Klienten sind geprägt durch
ein Machtgefälle. Die stärkere Position der Professionellen manifestiert sich in der
konkreten Situation einer Intervention bereits an einer banalen Meinungsverschieden-
heit. Diese kann den Klienten bereits erheblich unter Druck setzen, weil sich dieser der
Meinung des Professionellen aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses nur schwer ent-
ziehen kann.
Eine Intervention geht damit für den Klienten meist mit Druck und Zwang einher. Sind
diese Interventionen vom Betroffenen nicht verlangt oder gar unerwünscht, so spricht
Klug (2012) von Kontrollvorgängen. Kennzeichen und Beispiele für Kontrolle sind ein
klares Über- und Unterordnungsverhältnis, wenn zum Beispiel die Professionelle dem
Klienten aufzeigt, dass er mit seinem Verhalten so nicht weiter kommt. Um in der Schule
besser zu werden, soll sich der Klient mehr anstrengen und gewillt sein, mehr Zeit zu
investieren, worin eine einseitige Auswahl der Ziele und Strategien zum Ausdruck
kommt. Ein weiterer Aspekt der Kontrolle in der Sozialen Arbeit manifestiert sich darin,
wenn die Professionellen klar Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge formulieren wie: Da
der Jugendliche sich zu wenig anstrengt, ist er so schlecht in der Schule. Des Weiteren
zeigen sich Kontrollvorgänge in einseitigen Bestimmungen der Geschwindigkeit und der
Konsequenzen für ein Verfehlen der Ziele. Wenn zum Beispiel die Klienten Nachhilfe-
angebote nicht annehmen, wird ihnen der Vorwurf gemacht, sie hätten es annehmen
sollen, da nun das vom Professionellen angestrebte Ziel nicht erreicht werden kann.
Besonders in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen stellen Sanktionen bei Nichtein-
halten der vorgegebenen Regeln und Normen eine weitere Form der Kontrolle dar (vgl.
S. 11).
Nach Zobrist (2009) kann das Mittel des Zwangs in der Sozialen Arbeit bei den Klienten
kurzfristig auch zu einer Sensibilisierung und einer verbesserten Entschlusskraft
beitragen. Das Ausüben von Druck von aussen kann dazu führen, dass der Mensch in
der Phase der Willensbildung neue Ansichten und Aspekte integriert, was ihm dazu ver-
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hilft, aktiv zu werden (vgl. S. 3). Precht (2010) ist sogar der Ansicht, dass es äussere
Einflüsse braucht, damit Handlungen entstehen. Dies deshalb, da viele Menschen nicht
genau wissen, was sie wollen, „bevor man ihnen eine Vorstellung gibt und ihre
Phantasie kanalisiert“ (S. 433). Soziale und moralische Muster funktionieren nach Precht
(2010) ebenfalls so (vgl. S. 433). Dies bedeutet, dass es sinnvoll sein kann, Menschen
zu einer Entscheidung zu bewegen, damit ein Prozess überhaupt in Gang kommt. Am
Beispiel von arbeitslosen Jugendlichen kann dies mit dem Anstoss, eine erste Bewer-
bung zu schreiben, veranschaulicht werden. Ist die Hürde der ersten Bewerbung über-
wunden, kann dies bewirken, dass sie Mut gefasst haben und mit einem grösseren
Anteil von Eigenmotivation weitere Bewerbungen verschicken.
Es ist jedoch nach wie vor wichtig, zu bedenken, dass durch Zwangsmassnahmen selten
eine langfristige Veränderung bei den Klienten erzeugt und aufrecht erhalten werden
kann. Somit entfalten Zwangsmassnahmen lediglich in der Anfangsphase eines
Prozesses eine positive Wirkung (vgl. Zobrist, 2009, S.3). Wird nochmals das Beispiel
der arbeitslosen Jugendlichen aufgegriffen, wäre hier die Lage so, dass wenn Jugend-
liche zu jeder einzelnen Bewerbung gezwungen werden, sie beim Wegfallen dieses
Druckes sich von sich aus auch nicht weiter bewerben, da keine intrinsische Motivation
vorhanden ist.
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass nachhaltige Veränderungen durch positive
Emotionen und stimulierte Willensbildung entstehen. Druck und Zwang hingegen „lösen
in der Tendenz bei Menschen einen vermeidenden Motivationsmodus aus, der sich nicht
nachhaltig und zielführend auswirkt“ (Zobrist, 2009, S.4). Bekannte Folgen von Druck
und Zwang wären die erlernte Hilflosigkeit oder auch die sogenannte Reaktanz-
motivation. Die Reaktanzmotivation entsteht, wenn persönliche Freiheitsspielräume als
eingeengt empfunden werden. Es ist eine Motivation zur Wiederherstellung dieser
Freiräume (vgl. Raab & Unger, 2010, S.65) . Je nach Freiheitsverlust, Stärke der
Einengung und Wichtigkeit der eingeengten Freiheit gestaltet sich die reaktante
Motivation unterschiedlich intensiv. Eine mögliche Form dieser Motivation ist, wenn die
Betroffenen eine Abwehrhaltung, zum Beispiel in Form von Aggression gegenüber
Quellen der Bedrohung entwickeln (vgl. Liechti, 2010 S.54).
Der Mechanismus von Druck und Zwang wird primär bei Zwangsmassnahmen im
Vollzug deutlich, ist jedoch der Tendenz nach bei jeder Intervention vorhanden, weil sich
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eine solche immer durch gewisse asymmetrische Machtverhältnisse auszeichnet, wie im
letzen Kapitel gezeigt wurde (vgl. Klug, 2012, S. 11; Kapitel 4.1.1). Die Ausübung von
Druck und Zwang von Seiten der Professionellen kommt damit einer Ausnützung ihrer
Machtposition gleich und verletzt die Autonomie der Klienten.
Kontrollvorgänge lassen sich der extrinsischen Motivationserzeugung zuordnen und be-
deuten zugleich eine Bevormundung durch die stärkere Instanz (vgl. List & Stelzer,
2010, S.21). Durch die Verletzung der Autonomie des Adressaten kann auch dessen
Integrität nicht gewahrt werden (vgl. Kapitel 4.1.4). Somit ist jeder Mensch, der Einfluss
auf andere ausübt, gefordert, mit diesen Werten verantwortungsvoll umzugehen und sie
gegeneinander unter Einbezug ethischer Überlegungen abzuwägen (vgl. List & Stelzer,
2010, S.23). Wird diese Verantwortung nicht ernst genommen und werden „Menschen
gegen ihren Willen instrumentalisiert, so werden sie ihrer ureigensten Kompetenz – ihr
Leben selbst zu bestimmen – beraubt“ (List & Stelzer, 2010, S. 50) oder wie es Klug
(2012) auf den Punkt bringt: „Wenn Fachkräfte also vielmehr so tun, als sei selbst die
Inanspruchnahme von Hilfe zur Veränderung noch Pflicht, dann nehmen sie den
Betroffenen den letzten Rest ihrer Autonomie: nämlich zu entscheiden, wer ihnen wie
helfen kann und wer es trotz guter Absichten nicht kann. Sie werden damit Opfer“ (S.
13).
4.1.3 Missachtung der Integrität durch strukturelle Zwänge
Klienten der Sozialen Arbeit können nicht nur durch Druck und Macht von
Professionellen beeinflusst werden, sondern auch durch strukturelle Zwänge des gesell-
schaftlichen Lebens, welche Einwirkungen auf das Denken und das Handeln der
Klienten haben.
Die Mechanismen der strukturellen Zwänge wirken nicht bewusst und direkt ein, sondern
in den meisten Fällen hinter dem Rücken der beteiligten Akteure und sind somit nicht als
klare Aggressoren auszumachen (vgl. Pollmann, 2005, S. 265). Es muss sich nicht um
personale Gewalt oder Strafrechtliche Fälle handeln, damit ein Zwangskorsett für die
Klienten entsteht. Ein Mensch kann sich auch aufgrund sozialer, ökonomischer,
kultureller, religiöser, geschlechtsspezifischer, politischer oder auch beruflicher
Verhaltensorientierung eingeengt fühlen. Dieser Lebensumstand kann einen Menschen
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bereits derart korrumpieren, dass sie oder er „mit Blick auf das Bedürfnis nach einem
integren Leben gar nicht mehr die Möglichkeit zu haben scheint, einen freien Willen aus-
zubilden und sich entsprechend treu zu bleiben“ (Pollmann, 2005, S.266). Es kommen
hier Strukturen zum Vorschein, die sich depersonalisierend auf die Integrität der
Betroffenen auswirken und als Entmündigung zu verstehen sind. Dies kann genauso
Auswirkungen haben wie die zwischenmenschlichen Manipulationsversuche. Somit
können auch lebensweltliche Strukturzwänge „moralische Ansprüche auf ein selbstbe-
stimmtes Leben missachten, Prozesse der Willensbildung blockieren und ethisch exi-
stenzielle Kursabweichungen erzwingen“ (vgl. Pollmann, 2005, S.266). Strukturelle
Zwänge können somit ebenfalls den Erfolg der Hilfeleistung beeinflussen und müssen
von den Professionellen mitgedacht und möglichst mitverändert werden.
4.1.4 Manipulation versus Integrität
Ist es Absicht der Professionellen, eine Verhaltensänderung oder Meinungsänderung bei
den Klienten durch einseitiges Einwirken zu initiieren, handelt es sich um Manipulation
und nicht um Motivation. Damit ist gemeint, dass nicht die Klientin oder der Klient in
deren oder dessen persönlichen Entwicklung gefördert wird, sondern eine Verhaltens-
änderung in einer bestimmten Situation angestrebt wird. Werden Autonomie, Selbstbe-
stimmung oder Integrität der Klienten beim Motivieren missachtet, kann sich auch positiv
gemeintes Aktivieren bei Nicht-Wahrung der Autonomie der Klienten oder bei grundsätz-
licher Missachtung der Integrität des Gegenübers leicht ins Manipulieren wandeln.
Wie im Kapitel 4.1.2 beschrieben, handelt es sich bei extrinsischen Motivations-
erzeugungen und den Versuchen, die Klienten durch Überreden und stetem
Wiederholen von Normen zu etwas zu bewegen, um Formen von Kontrolle, weil die
Professionellen ihre Meinung und Ansichten über das Empfinden der Situation der
Klienten stellen (vgl. List & Stelzer, 2010, S.21). Grundsätzlich kann gesagt werden,
dass der Manipulation stets ein asymmetrisches Machtverhältnis zu Grunde liegt (vgl.
Kapitel 4.1.1). Einwirkungen in einer Interaktion mit der Nutzung der Machtstellung und
dem Missachten der Meinung der Klienten wirken sich depersonalisierend auf deren
Integrität aus und können als Entmündigung betrachtet werden (vgl. Pollmann, 2005, S.
226). Durch Achtung und Förderung der Integrität der Klienten kann damit einer
Manipulation vorgebeugt werden. Denn eine Person, die Integrität besitzt, lässt sich
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schwer manipulieren oder unter Druck setzen. Da sie ihren eigenen Werten treu ist, ist
sie ausser Stande „entgegen ihren festen Überzeugungen zu handeln und somit ihre
Grundvorhaben und Selbstverpflichtungen zu verraten“ (Pollmann, 2005, S.85).
Sind sich die Klienten jedoch der Manipulation nicht bewusst oder die
Manipulationsversuche werden mit viel Macht ausgeführt, kann dies determinierende
Auswirkungen auf die Klienten haben. Werden gegenteilige Überzeugungen und An-
sichten der Professionellen „eingetrichtert“, kann dies bewirken, dass Klienten nicht mehr
zwischen dem, was wahr, und dem, was unwahr ist, angemessen unterscheiden
können. Dies ist eine massive Form von Manipulation und wird aus ideologiekritischer
Perspektive „Indoktrination“ genannt. Dabei werden die Bewusstseinsvorgänge und die
Meinungsbildungsprozesse der Klienten durch Einschüchterung und Deformierung des
Denkens tiefgreifend beeinflusst. Im Extremfall können sich Praktiken der Indoktrination
„bis zur sogenannten Gehirnwäsche steigern, wenn dabei nicht nur einzelne Über-
zeugungen des Opfers in Frage gestellt und abweichende Ansichten eingeflüstert
werden, sondern wenn die Wirklichkeitswahrnehmung (der Klienten) insgesamt ins
Schwimmen gerät“ (Pollmann, 2005, S.273).
Sind sich Klienten der Manipulation bewusst und integer, reagieren sie ablehnend
gegenüber existenziellen Veränderungen, welche sie in ethische Bedrängnisse führen
würden. Um einer Indoktrination vorzubeugen, sollte deshalb die Integrität des
Individuums nicht nur geachtet, sondern auch gefördert werden. Wenn ein Konflikt oder
auch eine Erpressung, Verleumdung sowie Lügen oder Missbräuche vorliegen, die den
eigenen Wertvorstellungen widersprechen, können diese von integren Menschen abge-
lehnt und bewusst nicht mitgestaltet werden (vgl. Pollmann, 2005, S.85; Van der Walt,
2007 S.147). „Eine integre Person wird in den Grundfesten ihres Charakters für so stabil
und standhaft gehalten, dass wir davon ausgehen, sie werde sich jederzeit gegenüber
Verführungs- und Manipulationsversuchen immun zeigen“ (Pollmann, 2005, S.92).
Pollmann (2005) spricht in diesem Zusammenhang auch von „willentlicher Selbst-
bestimmung“, welche von der Freiheit und Autonomie des Menschen abhängig ist
(vgl.S.293). Um dem Ideal des integren Menschen möglichst nahe zu kommen, müssen
die Professionellen der Sozialen Arbeit die Freiheit und Autonomie der Klienten und
damit deren Selbstbestimmung fördern. Dies geschieht eben gerade nicht durch
extrinsische, sondern durch intrinsische Motivation, wie im Kapitel über die Selbstbe-
stimmungstheorie deutlich wurde (vgl. Kapitel 3.5). Das Ermöglichen und Fördern von
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Freiheit und Autonomie und somit Selbstbestimmung und Integrität bei den Klienten ist
demnach Aufgabe der Sozialen Arbeit, insbesondere in Bezug auf die Förderung
intrinsischer Motivation. Es sollen Hilfe und Unterstützung gewährleistet werden, welche
die Empfänger dazu befähigt, nach Ende der Hilfestellung auch unabhängig von ihr zu
leben. Werden diese Aufgaben von Seiten der Sozialen Arbeit ernst genommen,
bedeutet dies einen nachhaltig positiven Eingriff in das Leben der Hilfeempfängerinnen
und Hilfeempfänger (vgl. Baum, 1996, S.107).
Herrschen nun freiheitsraubende Bedingungen in einer Gesellschaft oder kann ein
Mensch aus irgendeinem Grund sein Leben nicht frei und autonom gestalten, verliert er
seine Integrität und tendiert dazu, hilflos und manipulierbar zu werden. In der Sozialen
Arbeit gilt es deshalb, die Integrität einer Person zu achten und zu fördern und ganz
nach dem folgenden Grundsatz der sozialen Arbeit zu handeln: „Alle Menschen haben
Anrecht auf die Befriedigung existentieller Bedürfnisse sowie auf Integrität und
Integration in ein soziales Umfeld. Gleichzeitig sind Menschen verpflichtet, andere bei
der Verwirklichung dieses Anrechts zu unterstützen“ (Avenir Social, 2010, S.6).
4.2 Kooperat ion zwischen Professionel len und Kl ienten
„Der Kontakt zwischen Sozialarbeiter und Klient hat das Ziel, Hilfestellungen zu
vermitteln, vermittels derer der Betroffene aus seiner Situation der Machtlosigkeit, Resi-
gnation und Demoralisierung heraus das Leben wieder in die eigenen Hände zu nehmen
vermag (...) “ (Herringer, 2000, S. 176, zit. in Stimmer 2006, S.54). Wird die Selbstbe-
stimmung der Klienten von den Professionellen ernst genommen, bedeutet dies, dass
der Zusammenarbeitsprozess nicht mit Druck und Zwang begonnen werden kann,
sondern mit einem Hilfeangebot von Seiten der Professionellen. Auf Seite der Klienten
ist notwendig, dass sie ihre momentane Situation als veränderungsbedürftig ansehen,
damit eine Koproduktion mit den Hilfeleistenden stattfinden kann. Somit setzt Hilfe ein
Zusammenwirken zweier Menschen voraus und ist damit zwingend mit der Freiheit
beider Beteiligten verbunden (vgl. Klug, 2012, S.20). Auf der einen Seite stehen die
Klienten und auf der anderen Seite die Professionellen der Sozialen Arbeit, die aufgrund
ihrer Ausbildung befähigt sind, Unterstützung zu leisten. Die Klienten sollen bereit sein,
die Hilfe anzunehmen, was „tatsächlich bei weitem nicht immer der Fall ist und die
Aufgabe des Helfens erschwert“ (Baum, 1996, S.118).
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Nach der Definition von Hilfe nach Schaarschuch (1999) sind die Professionellen in der
Zusammenarbeit mit den Klienten Ko-Produzenten. Die aktiven Subjekte, die ihr Leben
verändern, sind hingegen die primären Produzenten. Er führt weiter aus, dass in der
Sozialen Arbeit mit dieser Zusammenarbeit die Subjektwerdung der Klienten im Vorder-
grund stehen soll (vgl. S. 554). Da wie bereits erwähnt die Hilfe auch von den Klienten
gewollt sein muss, gibt es nach Gumpinger (2005) keine verordnete Hilfe, „weil man
sinnvollerweise keinem Menschen „verordnen“ kann, sich helfen zu lassen“ (S. 24).
In einem Hilfsprozess sind somit die Professionellen wie auch die Klienten notwendig in
Zusammenarbeit und möglichst freiwillig.
4.2.1 Beziehungen im professionellen Kontext
Die Beziehung sowie die Zusammenarbeit der Klienten und der Professionellen ist ein
wichtiger Faktor im Fallverlauf. Der Einbezug der hier in dieser Arbeit beschriebenen
Grundwerte in die tägliche Arbeit der Professionellen und besonders in die Prozesse,
welche die Motivation der Klienten betreffen, stellt eine grosse Herausforderung dar.
Verschiedene Faktoren wie gesellschaftliche Werte und Normen, staatliche Weisungen
oder sonstige Rahmenbedingungen ermöglichen es den Professionellen nicht immer,
sich an den Grundwerten der Autonomie und Integrität sowie der Selbstbestimmung der
Klienten zu orientieren. Insbesondere die Freiwilligkeit der Klienten zu einer Problembe-
arbeitung ist nicht immer gegeben, sei dies aufgrund eines Zwangkontextes oder
aufgrund einer einseitigen Problemdefinition. Es stellt sich somit die Frage, wie
Motivation auch in einengenden Kontexten aufrechterhalten werden kann, auch wenn
die Freiheiten der Klienten gering sind und sie nicht selbstbestimmte Ziele setzen
können. Die Beziehung zwischen Klienten und Professionellen kann hier eine wichtige
Rolle einnehmen.
Damit tragfähige und positive Arbeitsbeziehungen entstehen können, müssen die
Professionellen eine wertschätzende, respektvolle Haltung gegenüber den Klienten
haben; so können sich diese für die gewünschte Veränderung sicher fühlen. Damit ein
positives Arbeitsklima entstehen kann, sind Kongruenz, positive Wertschätzung und
Empathie notwendig. Ein positives Arbeitsklima wird zudem erreicht, indem die Lebens-
weise der Klienten und deren Kompetenzen und Stärken anerkannt werden. Wichtig ist
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eine Ausgeglichenheit zwischen „Bestätigung und Würdigung des Bestehenden und
einer angemessenen Anregung zur Veränderung“ (Gehrmann & Müller, 2005, S.77). Für
die Professionellen der Sozialen Arbeit gilt es zudem, methodisches Fachwissen mit den
subjektiven Anliegen der Klienten zu verbinden (vgl. Gehrmann & Müller, 2005, S.77).
In Bezug auf die Aktivierung der Klienten ist die Arbeitsbeziehung von grosser Bedeu-
tung. Die Entstehung von Veränderungsprozessen ist sehr komplex und hängt von
unterschiedlichen Faktoren ab. Neben den in dieser Arbeit beschriebenen Faktoren sind
es vor allem äussere Kontextbedingungen. Diese sind nicht zu verwechseln mit den
extrinsischen Motivationsfaktoren, sondern es sind dies äussere Bedingungen wie
Arbeitsklima, Familie, Umfeld oder die hier beschriebene Arbeitsbeziehung. Diese
Faktoren werden von Klienten wesentlich stärker gewichtet als von Seiten der
Professionellen. Es wird davon ausgegangen, dass zum Beispiel in einem Beratungs-
kontext, die Zusammenarbeit und das Arbeitsklima mehr zur intrinsischen Motivation
beitragen als die anderen angewandten Methoden der Professionellen (vgl. Klug, 2012,
S.15).
4.2.2 Arbeitsbündnis
Eine gute Arbeitsbeziehung ermöglicht trotz einengenden Strukturen auch Aspekte der
Freiheit, Selbstbestimmung und Zielstrebigkeit auf Seiten der Klienten, weshalb in
diesem Kapitel auf das Arbeitsbündnis nach Oevermann (2009) eingegangen wird, das
mit Beiträgen von anderen Autoren ergänzt wird.
Das Arbeitsbündnis übernimmt in der Professionstheorie nach Oevermann (2009) eine
zentrale Rolle. Dem Arbeitsbündnis liegen Freiheit, Autonomie und die Anerkennung des
Gegenübers zugrunde. Die schlichte Anerkennung der Klientin oder des Klienten ist im
Arbeitsbündnis zu Beginn einer längeren Zusammenarbeit die erste Annäherung (vgl.
Oevermann, 2009, S.130). Distanz, jedoch zugleich auch Nähe zu den Klienten herzu-
stellen ist nach Oevermann (1996) ein zentraler Punkt in der Professionalisierung der
Sozialen Arbeit. Das Arbeitsbündnis versucht eine Balance von kompetenter formaler
Rollenausübung der Professionellen und einer emotional geprägten, begrenzt
steuerbaren Beziehung zu den Klienten zu schaffen. Es geht um eine wirksame Assi-
stenz der Klienten in Problemsituationen und kann nur zustande kommen, wenn
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Professionelle nicht nur formalisiert handeln, sondern intuitive Erfahrungs- und Urteils-
kraft einsetzen (vgl. Oevermann, 1996, S. 125ff., zit. in Dörr & Müller, 2012, S. 9).
Das übergeordnete Ziel des Arbeitsbündnisses ist die Autonomieentwicklung bzw.
Wiederherstellung beschädigter Autonomie der Klienten (vgl. Wigger, 2009, S. 156). Die
Autonomie ist somit das zentrale Kriterium des Arbeitsbündnisses, und für die
professionellen Hilfskräfte gilt es, die Autonomie-Möglichkeiten der Klienten und deren
Mobilisierung zur Selbsthilfe stets im Auge zu behalten (vgl. Oevermann, 2009, S. 131).
Hinzu kommt die Anerkennung, der Erkenntnis der Klienten, sich in einer Not zu
befinden, aus welcher sie mit eigener Kraft nicht mehr heraus kommen können. Diese
Erkenntnis hilf den Klienten ihre autonomen und selbstkontrollierten Anteile zu erkennen
und somit zu sehen, wodurch ihre eigentlich angestrebte Autonomie eingeschränkt wird
(vgl. S.130). Dieser Aspekt führt dazu, dass die Klienten „aus freiwilligen und motivierten
Anteilen ein Arbeitsbündnis eingehen (...)“ (Oevermann, 2009, S.130). Die Feststellung
einer Notkonstellation und das Bekenntnis zu ihr ist bereits ein Weg Richtung Selbsthilfe
(vgl. Oevermann, 2009, S.130).
Die freiwillige Entscheidung der Klienten, Kontakt mit den Professionellen der Sozialen
Arbeit aufzunehmen, ist ebenfalls ein wichtiges Merkmal des Arbeitsbündnisses. Dies
setzt die Freiwilligkeit oder zumindest den Willen der Klienten voraus, sich in ein Arbeits-
bündnis zu begeben. Gleichwohl besagt der Aspekt der Freiheit, dass sich die Klienten
jederzeit wieder aus diesem Arbeitsbündnis lösen können (vgl. Oevermann, 2009, S.
121).
Für die Klienten gilt, dass sie alles thematisieren, was ihnen in den Sinn kommt, und
damit auch Dinge, die sie als nebensächlich betrachten. Dieser Grundregel lässt sich die
Abstinenzregel der Professionellen gegenüberstellen. Diese Regel besagt, dass
Professionelle auf die Gegenübertragungsgefühle der Klienten nicht eingehen dürfen
(vgl. Ley, 2014). Unangenehme oder gar aggressive Gegenübertragungsgefühle der
Klienten auf die Professionellen sollen zugelassen und nicht darauf reagiert werden.
Wichtig ist dabei lediglich, dass die möglichen übertragenen Gefühle der Klienten auf die
Professionellen einen Hintergrund haben und beim Verständnis des Falls nicht ausser
Acht gelassen werden sollen (vgl. Oevermann, 2009, S.141).
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Eine zentrale Regel des Arbeitsbündnisses ist, dass die Professionellen keine
moralischen Bewertungen machen über die Entstehung der Problemlage der Klienten.
Dadurch würden sie sich über die Klienten stellen und Integrität verletzen. Gleichzeitig
gilt es jedoch, nicht stumm zu bleiben und die Probleme der Klienten hinzunehmen,
sondern diese auch zu konfrontieren und die Möglichkeiten einer Veränderung ihrer
Lage hartnäckig zu erörtern (vgl. Oevermann, 2009, S.132). Somit wird versucht, ein
Stück weit Kontrolle mit Hilfe zu koppeln.
4.2.3 Freiwilliges Arbeitsbündnis unter Zwang
Wie im Kapitel 4.1.1 beschrieben, ist die Beziehung zwischen Klienten und
Professionellen durch asymmetrische Machtverhältnisse geprägt. Wird das Arbeits-
bündnis aus der Perspektive der Zwangskontexte betrachtet, entsteht aufgrund des
Aspektes des Zwangs und der Freiwilligkeit des Arbeitsbündnisses ein Dilemma (vgl.
Oevermann, 2009, S. 133). Doch nicht nur im Zwangskontext, wo zum Beispiel Hilfe
verordnet wird, sondern auch bei hilfesuchenden Menschen ist das Konstrukt der
„Freiwilligkeit“ problematisch. Es ist dies insofern, als dass die Interaktion des Klienten
mit der Gesellschaft mitgedacht werden muss. Unabhängig von den verschiedenen
Settings gibt es wohl kaum Menschen, die völlig ohne Druck Hilfe suchen, da die
Normen und Meinungen der Umwelt in der Selbstbewertung der jeweiligen Menschen
stets eine latente Rolle spielen (vgl. Klug, 2012, S.12).
Diese Ausgangsbedingungen sind für den praktischen Vollzug des Arbeitsbündnisses
erschwerend, und oftmals muss die Freiwilligkeit durch die Professionellen selbst initiiert
werden. In solchen Fällen währt das Arbeitsbündnis in der Regel nicht lange. In der
Praxis der Sozialen Arbeit kommen die Klienten oftmals nicht freiwillig, sondern werden
durch die Bezugspersonen oder staatlichen Institutionen eingewiesen. Somit handelt es
sich in diesen Fällen um Kontrolle und nicht um Hilfe (vgl. Kapitel 4.1.2). Unter diesen
Bedingungen ist eine Interventionspraxis im Arbeitsbündnis sehr erschwert, und es
ergibt sich daraus die Folgefrage, wie eine Kontrollbeziehung in authentische
professionelle Hilfe zur Selbsthilfe transformiert werden kann. Ein negatives Beispiel,
das diese Problematik aufgreift, lässt sich in den Motivationsprogrammen für
Jugendliche auf Lehrstellensuche finden. Motivationsprogramme bezeichnen
Massnahmen, welche Jugendliche ohne Lehrstelle betreuen. Wenn Jugendliche die
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Teilnahme an diesen Programmen verweigern, werden sie sanktioniert und verlieren die
finanzielle Förderung, die der Staat für Jugendliche ohne Lehrstelle zur Verfügung stellt.
Sie erfahren somit Kontrolle und Entmündigung anstatt Förderung. Hinzu kommt, dass
die Bezeichnung „Motivationsprogramm“ ihnen gleichwohl unterstellt, sie seien unmoti-
viert und hätten aus diesem Grunde keine Lehrstelle gefunden. Hiermit wird ihnen die
individuelle Schuld an ihrer Situation zugewiesen, und die Professionellen der Sozialen
Arbeit wirken als kontrollierende Instanz, anstatt sie in der subjektiven Entwicklung zu
unterstützen (vgl. Oevermann, 2009, S. 133).
Im Zusammenhang mit Unfreiwilligkeit kann zumindest auf der Beziehungsebene
gearbeitet werden, da positv erlebte Beziehungen die Motivation fördern können. Durch
eine Kooperation zwischen den Fachkräften und den Klienten soll versucht werden, die
Eigenkräfte der Klienten in den Prozess der Krisenbewältigung miteinzubeziehen,
beziehungsweise anhand des Arbeitsbündnisses zu wecken und zu mobilisieren.
Allgemein gilt, dass die Problemlösung nicht in einer destruierenden Fremdbestimmung
bestehen soll, sondern dass sie dem Fall angemessen erfolgen muss (vgl. Oevermann,
2002, S. 28). Abschliessend kann zum Dilemma zwischen Kontrolle und Freiwilligkeit der
Gedanke angefügt werden, dass in einem tendenziell unfreiwilligen Arbeitsbündnis viel
weniger die Freiwilligkeit im Zentrum stehen soll als vielmehr die Motivation zur Selbst-
veränderung (vgl. Klug, 2012 S.12). Es gibt Menschen, die Handlungsanstösse von
aussen benötigen, damit sie zum Beispiel sich mit einer Aufgabe auseinandersetzen.
Befriedigt sie diese Auseinandersetzung, kann sich die extrinsische Motivation in eine
intrinsische umwandeln. Der möglichst rasche Übergang von äusserem Zwang zu einer
eigenen Motivation der Klienten ist jedoch für die Professionellen schwierig zu gestalten
und nicht nachhaltig (vgl. Kapitel 3.5).
4.3 Doppeltes Mandat
Die Diskussion über Motivation, welche intrinsisch entsteht, und jener, welche von
aussen erzeugt oder angeregt wird, hat gezeigt, dass die Trennung unscharf ist und die
äusseren sowie inneren Faktoren einander beeinflussen (vgl. Kapitel 2.4). Es ist plötzlich
nicht mehr klar ersichtlich, ob nun fremde Instanzen die Klienten zu einer Entscheidung
oder einem Veränderungswunsch gebracht haben oder dies vollkommen aus der Auto-
nomie der Klienten entstanden ist.
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Wiederholt wurde gezeigt, dass es wichtig ist die Klienten ins Zentrum zu stellen sowie
Freiheit und Selbstbestimmung zu gewährleisten, damit eine nachhaltige Motivation für
etwas entstehen kann. Dieser Fokus auf die Klienten und deren Bedürfnisse ist nicht
unproblematisch, da dies unter Umständen auf Kosten der Ansprüche von Seiten der
Gesellschaft gehen könnte. Die meisten Professionellen der Sozialen Arbeit arbeiten
somit in einem Spannungsfeld zwischen der Hilfe am Individuum und der Dienstleistung
gegenüber der Gesellschaft und den staatlichen Auftraggebenden.
Die Soziale Arbeit muss sich an gesellschaftlichen Werten und an der Vergabe von
knappen Gütern an die Klienten orientieren. Die Gesellschaft und der Staat sind somit
einerseits wichtige Sinnspender und Ressourcengeber der Sozialen Arbeit, andererseits
aber auch Kontrolleure und Einschränkende oder sogar Verhinderer von Handlungs-
möglichkeiten (vgl. Schütze, 1996, S.240; S. 251). Wird diese eine Seite des
Spannungsfelds betrachtet, versucht die professionelle Soziale Arbeit die Gesellschaft
im Rahmen des Möglichen von verschiedenen sozialen Problemen zu entlasten. Dieser
gesellschaftliche Auftrag findet meist über Institutionen und Ämter sowie staatliche Pro-
gramme statt. Hiermit entsteht für die Professionellen eine Gutachterfunktion gegen
„oben“ und gesellschaftliche Probleme mitzudefinieren und „Problembearbeitungspro-
gramme“ wie zum Beispiel Motivationsprogramme anzubieten (vgl. Pantucek, 2005,
S.29).
Der zweite Aspekt dieses Spannungsfelds zwischen Hilfe gegenüber den Individuen
einerseits und den staatlichen Aufträgen und gesellschaftlichen Erwartungen anderer-
seits besteht darin, dass sich die Professionellen an dem individuellen Wohlergehen der
Klienten orientieren müssen (vgl. Schütze, 1996, S. 240). Aufgabe ist somit auch, den
Klienten ein selbständiges Leben in Würde zu ermöglichen, sie zu befähigen und nach-
haltig zu stärken, damit sie von innen her motiviert werden, ihre momentane Lebens-
situation zu verändern und sich weiter zu entwickeln (vgl. Baum, 1996, S. 108). Dieser
Widerspruch der Aufträge wird am häufigsten als doppeltes Mandat oder als Doppelrolle
bezeichnet und meint genau dieses Spannungsfeld zwischen dem Eingehen auf die
Klienten und dem Mandat, das von den Arbeitgebern und der Gesellschaft gegeben ist.
Dabei ist zu kritisieren, dass die Rede vom doppelten Mandat für die Sozialarbeitenden
jedoch auch die latente Funktion haben kann, ihr entmündigendes Handeln gegenüber
den Klienten oftmals mit dem Verweis auf das Mandat der Gesellschaft zu legitimieren.
Somit distanzieren sich die Sozialarbeitenden von ihrem Auftrag, die Menschenrechte
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und die Integrität der Klienten zu achten, praktizieren die Aufrechterhaltung von Kontrolle
und Druck auf unveränderte Weise weiter. Damit ist gemeint, dass Sozialarbeitende die
Herrschaftsanteile ihres Handelns erkennen, diese jedoch als den negativen Teil des
doppelten Mandats denunzieren und damit das eigene Tun rechtfertigen (vgl. Schütze,
1996, S.251). Schütze (1996) geht weiter auf diese Thematik ein und postuliert, dass die
Soziale Arbeit nur ein ungeteiltes Mandat hat, nämlich „der ihr anvertrauten Klientel zu
dienen (...), denn die Gesellschaft ist in ihrer Beauftragung kein Klient“ (S.251). Werden
jedoch die Gesellschaft und der Staat als wichtige Sinnspender und Ressourcengeber
anerkannt, gilt es auch, die Gesellschaft im Rahmen des Möglichen von gewissen
sozialen Problemen zu entlasten und die Reintegration des Klienten zu stärken. Um
daraus ein ungeteiltes Mandat zu kreieren, müssen sich die Professionellen zwischen
diesen beiden Rollen bzw. zwischen den beiden Mandaten positionieren. Es soll eine
Vermittlerrolle zwischen dem Staat oder sozialen Programmen einerseits und den
Klienten andererseits eingenommen werden. Für diese Vermittlerrolle ist ein gewisses
Mass an Professionalisierung unerlässlich, damit die Anforderungen der institutionellen
Auftraggeber möglichst in einer relativen Selbständigkeit auf Seiten der Professionellen
erfüllt werden können (vgl. Pantucek, 2005, S. 27).
Ein zentraler Aspekt dieser Doppelrolle der Sozialarbeitenden ist die stetige Reflektion
des professionellen Handelns über die ethischen Grundwerte wie Respekt der
Menschenwürde und allgemeines Wohlwollen gegenüber dem Klienten. Wichtig ist
dabei, dass die Praxisformen diesen ethischen Zielen auch gerecht werden. Die Gefahr
besteht darin, dass im Hinblick auf die Klienten lediglich alte gegen neue Abhängigkeiten
getauscht werden. Damit fände hinsichtlich der Gesellschaft keine Problemlösung statt,
sondern lediglich ein Problemwechsel (vgl. Baum, 1996, S.107). Es wird ersichtlich, dass
die Aufrechterhaltung der Balance zwischen dem Fokus auf die Klienten und dem Fokus
auf die Entlastung der Gesellschaft mit Herausforderungen verbunden ist.
Es bedarf somit einer mit methodischer Sorgfalt durchgeführten Interessens- und Werte-
abwägung, die mit dem wissenschaftlich abgesicherten Stand des Wissens der
professionellen Sozialen Arbeit übereinstimmen soll (vgl. Gumpinger, 2001, S.18).
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5 Fazit
Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass die Förderung von intrinsischer Moti-
vation eine Möglichkeit darstellt, die Klienten nachhaltig zu aktivieren, ohne sie in ihrer
Autonomie einzuschränken und damit zu manipulieren. Während der Effekt der
extrinsischen Motivation meist nach Ende des äusseren Drucks wieder abnimmt, wirkt
intrinsische Motivation nachhaltig und steigert die Ausdauer bei der Handlungsausfüh-
rung.
Entsteht intrinsische Motivation und kann aus diesem Impuls heraus gehandelt werden,
generiert dies bei den Klienten Zufriedenheit sowie die Freisetzung psychischer Energie,
welche wiederum neue intrinsische Motivation für weitere Handlungen entstehen lässt.
Zentral für die Entstehung ist die Autonomie der Klienten, die einerseits Resultat und
andererseits auch Voraussetzung intrinsischer Motivation ist und ohne gewisse Ent-
scheidungs- und Handlungsfreiheiten nur schwer entstehen kann. Dies lässt erkennen,
dass intrinsische Motivation unweigerlich an die Freiheit des Individuums gekoppelt ist.
Das Konzept der Integrität und die Selbstbestimmungstheorie zeigen, wie wichtig Auto-
nomie für die persönliche Entwicklung der Klienten ist. Erleben Menschen Selbstbe-
stimmung und Integrität, vermindert dies ihre Manipulierbarkeit, da sie sich ihrer persön-
lichen Wertvorstellungen bewusst sind und ihr Leben möglichst selbstbestimmt
gestalten. Die Abwehrhaltung gegenüber manipulativen Einflüssen auf einen integren
Lebensvollzugs, ermöglicht erneut ein Mehr an Autonomie, welche die Entstehung von
weiteren intrinsisch motivierten Handlungen begünstigt.
Intrinsische Motivation und Autonomie bedingen sich demnach gegenseitig. Zusammen-
fassend lässt sich der Zusammenhang zwischen diesen zwei zentralen Elementen nicht
manipulativer Aktivierung als ein sich selbstreproduzierender Kreislauf darstellen. Durch
individuelle Autonomie wird intrinsische Motivation erst ermöglicht. Intrinsische
Motivation steigert sodann Selbstbestimmung und Integrität und führt zu einer
geringeren Manipulierbarkeit. Die geringere Manipulierbarkeit wiederum ermöglicht,
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selbstbestimmt entscheiden zu können, was die individuelle Autonomie und damit auch
wieder intrinsische Motivation fördert. Wodurch sich der Kreislauf schliesst.
Will Soziale Arbeit ihre Klienten motivieren ohne dabei zu manipulieren, gilt es, die Auto-
nomie der Klienten zu wahren, damit Selbstbestimmung, Integrität und somit intrinsische
Motivation entstehen können. Wie aus den bisherigen Ausführungen ersichtlich wurde,
ist dies für die Professionellen der Sozialen Arbeit jedoch eine verantwortungsvolle Auf-
gabe. Die Motivationsförderung unter Einwirkung äusserer Einflüsse in Form von
gesellschaftlichen Normen oder Ansichten der Professionellen läuft Gefahr, dass die
Klienten manipuliert statt motiviert werden. Wird von aussen durch Nutzung der Macht-
stellung der Professionellen oder durch Missachtung der Meinung der Klienten einge-
wirkt, wirkt sich dies depersonalisierend auf die Integrität der Klienten aus und kann auch
als Entmündigung betrachtet werden. Dieser ethisch verwerflichen Handlung entgegen-
zuwirken birgt eine grosse Herausforderung.
Es wurde gezeigt, dass sich nur schwer feststellen lässt, ob motiviert oder manipuliert
wird, da der Übergang zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation fliessend ist
und sich gewisse extrinsisch wirkende Zwänge nicht aufheben lassen. Dies hat zur
Folge, dass wenn intrinsische Motivation bei den Klienten geweckt werden will, dies
auch extrinsische Motivation auslösen kann. Es lässt sich demnach nur schwer fest-
stellen, ob eine Aktivierung von Seiten der Professionellen die Klienten tatsächlich nach-
haltig motiviert oder immer auch ein Stück weit manipuliert. Dieses Dilemma birgt für die
Professionellen der Sozialen Arbeit ein Spannungsfeld zwischen den beiden Polen der
Motivation und der Manipulation.
Vorhandene ungleiche Machtverhältnisse und eine asymmetrische Beziehung zwischen
den Professionellen und den Klienten einerseits und die Forderung nach der
Ermöglichung der Klientenautonomie andererseits sind eine Ursache für dieses
Spannungsfeld. Es ist somit schwierig für die Professionellen, Hilfe ohne kontrollierende
Anteile zu leisten, weil bereits durch die asymmetrische Beziehung zu den Klienten
gewisse kontrollierende Verhältnisse bestehen. Erschwerend kommt hinzu, dass neben
den ungleichen Machtverhältnissen auch strukturelle Zwänge unbewusst Druck auf den
Klienten ausüben. Der Anspruch, die Autonomie des Klienten zu fördern, lässt sich
demnach nicht so einfach mit den Anforderungen der Gesellschaft verbinden. Der
Auftrag der Gesellschaft oder der staatlichen Institutionen ist meist ein anderer als die
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Förderung von Autonomie und Integrität der Klienten. Somit kann das Spannungsfeld
zwischen Motivation und Manipulation auch als Spannungsfeld zwischen einem
klientenzentrierten fördernden Auftrag und dem gesellschaftlichen Auftrag zur Her-
stellung von Normalität interpretiert werden. Als besondere Schwierigkeit in diesem
Zusammenhang gilt es zu beachten, dass sich die Professionellen ebenfalls in einer Ab-
hängigkeit von den auftrag- und ressourcengebenden Institutionen befinden, was
ebenfalls dazu beitragen kann, dass sie unter Druck tendenziell manipulativ statt motivie-
rend auf die Klienten einwirken.
Auch das Konzept des Arbeitsbündnisses stellt eine Herausforderung für die
Professionellen dar. Auf der einen Seite wird bei den Klienten in einem Arbeitsbündnis
Freiwilligkeit vorausgesetzt, auf der anderen Seite kommen die Klienten letztlich unter
Zwang in die Zusammenarbeit. Nicht einmal wenn sie nicht gezwungen wurden,
kommen sie gänzlich freiwillig, da zumindest die gesellschaftliche Norm sie dazu bewog,
Hilfe anzufordern. Somit ist auch ein Arbeitsbündnis niemals gänzlich unabhängig von
Zwang, was ebenfalls als Teil des oben genannten Spannungsfeldes interpretiert werden
kann.
Das Dilemma des Spannungsfeldes zwischen Motivation und Manipulation besteht darin,
dass sich die darin enthaltenen Widersprüche niemals ganz aufheben lassen.
Ausgehend vom Konzept der Integrität und der Selbstbestimmungstheorie besteht die
zentrale Anforderung für Professionelle der Sozialen Arbeit darin, dass durch intrinsische
Motivation die Autonomie der Klienten gefördert und damit ein selbstbestimmtes und
integres Leben geführt werden kann. Wollen Professionelle der Sozialen Arbeit diesem
Ideal unter Berücksichtigung des oben beschriebenen Spannungsfeldes möglichst nahe
kommen, sollten aufgrund der hier diskutierten Zusammenhänge folgende Anforderun-
gen beachtet werden:
Da der Übergang von der intrinsischen zur extrinsischen Motivation fliessend ist und
nicht genau unterschieden werden kann, ob Klienten aus innerem Antrieb oder aufgrund
manipulativer Beeinflussung handeln, soll generell darauf geachtet werden, dass ein
fördernder Rahmen für die Selbstbestimmung und Integrität der Klienten geschaffen
wird.
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Um intrinsische Motivation zu fördern und nicht manipulativ zu handeln, müssen
asymmetrische Beziehungen zu den Klienten und ungleiche Machtverhältnisse
identifiziert und reflektiert werden. Da stets ungleiche Machtverhältnisse herrschen, ist
es nötig, den Kontrollaspekt der Zusammenarbeit ein Stück zu mindern, indem die Be-
ziehung zu den Klienten gefördert wird, was die intrinsische Motivation aufgrund ihrer
sozialen Komponente stärkt. Dabei ist zentral, dass nicht einseitige Verhaltens-
anforderungen an die Klienten gestellt werden, sondern eine Problemlösungs-
aushandlung in Kooperation mit den Betroffenen stattfindet, wenn es die Situation
erlaubt. Dies fordert einen verantwortungsvollen Umgang mit den asymmetrischen Be-
ziehungen zu den Klienten und das Bewusstsein über die Grenzen der eigenen
Kompetenzen.
Um einerseits Autonomie zu gewährleisten und Freiräume für die Klienten zu schaffen
und andererseits die Manipulation auch im Spannungsfeld des Doppelten Mandats zu
verhindern, müssen sich die Professionellen als Verbindungsglied zwischen diesen
beiden Polen verstehen. Es geht darum, die Gesellschaft von gewissen sozialen
Problemen zu entlasten sowie durch Reintegration der Klienten zu stärken und
gleichwohl, trotz äusseren Einflüssen, die Integrität und Selbstbestimmung der Klienten
bestmöglich zu fördern. Wichtig hierbei ist, dass auftretendes manipulatives Handeln
gegenüber den Klienten nicht anhand des Doppelten Mandates beziehungsweise des
institutionellen Auftrages legitimiert wird. Um den Fokus nicht zu stark auf die gesell-
schaftlich formulierte Problemlösung zu setzen, ist es nötig, sich als Professionelle
immer wieder klar zu werden, dass gesellschaftliche Strukturen auch durch Stärkung des
Individuums verbessert werden können. Zudem gilt es die eigene Abhängigkeit von den
Auftraggebenden zu prüfen und zu reflektieren. Es kann sich als wichtig erweisen, dass
sich die Professionellen fragen, ob sie aufgrund des Arbeitsauftrages tatsächlich noch
motivierend und nicht bereits manipulierend auf die Klienten einwirken. Ist der Druck von
aussen gross genug, kann angenommen werden, dass aufgrund von Ressourcen- und
Zeitknappheit Klienten möglichst schnell zu einer Verhaltensänderung gebracht werden
sollen.
Das Arbeitsbündnis stellt einen möglichen Rahmen dar, innerhalb dessen die eben
formulierten Anforderungen an die Professionellen der Sozialen Arbeit angewandt
werden können, auch wenn ein gewisser struktureller Druck vorhanden ist. Es ist letztlich
ein Konzept, welches aufgrund der kooperativen Problembearbeitung wertschätzend auf
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den Klienten wirkt und es damit den Professionellen ermöglicht, die Klienten in ihrer
Ganzheit ernst zu nehmen. Es lässt auch in einengenden Kontexten zu, dass
intrinsische Motivation und Mitbestimmung entstehen kann. Der berufliche Habitus hilft,
auf die Klienten einzugehen und trotzdem die Distanz und das methodische Vorgehen
zu wahren. Die Bewältigung der Ungewissheit in diffusen sozialen Beziehungen zu den
Klienten stellt in diesem Zusammenhang eine weitere Anforderung an die
Professionellen der Sozialen Arbeit dar.
Was die Professionalisierungsdebatte fordert und abschliessend ebenfalls als zentrale
Herausforderung gilt, ist eine Reflexion über das ethische Selbstverständnis. An dieser
Stelle lässt sich die Vermutung anstellen, dass gesellschaftliche Werte und Normen im
Hintergrund sowie die innere Haltung der Professionellen einen wesentlichen Beitrag
dazu leisten, ob Interventionen manipulierend oder motivierend auf die Klienten wirken.
Diese Vermutung gälte es jedoch in einer weiterführenden Untersuchung zu
untermauern.
In der Auseinandersetzung mit der Selbstbestimmungstheorie und Integrität konnte die
Frage nicht beantwortet werden, was die Forderung nach Autonomie für Klienten be-
deuten könnte, die offensichtlich nicht in der Lage sind, ihr Leben selbst in die Hand zu
nehmen. Was gälte es in diesem Fall zu beachten und wie könnte mit der
Bevormundung von Klienten verantwortungsvoll umgegangen werden? Wer würde dann
definieren, was in einer Fremdbestimmung von Klienten die zentralen Leitlinien sind?
Welche Verantwortungsbereiche würden sich daraus für die Professionellen eröffnen?
Es wäre spannend, diese Fragen in einer weiteren Untersuchung zu vertiefen.
Was im Rahmen der vorliegenden Arbeit ebenfalls nicht untersucht werden konnte, ist
die Frage, inwiefern auch die strukturellen Zwänge verändert werden könnten. Ausge-
hend von der Beobachtung, dass auch strukturelle Zwänge Druck auf die Klienten aus-
üben und damit manipulierend wirken, wäre interessant zu untersuchen, wie auch durch
eine Veränderung des strukturellen Rahmens die Autonomie des Klienten gefördert
werden könnte.
Ein weites Feld für weiterführende Untersuchungen bieten zudem die konkreten Um-
setzungsmöglichkeiten der vorliegenden rein theoretischen Themenauseinandersetzung.
Es wäre beispielsweise spannend, mit Erfahrungsberichten der Klienten wie auch der
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FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit Sophia Wüst HS 2010 Seite 59
Professionellen aus der Praxis an den in dieser Arbeit behandelten Themenbereichen
weiter zu arbeiten.
Abschliessend kann festgehalten werden, dass es schwierig ist, Menschen zu
motivieren. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Professionellen durch ihre Arbeit
die Rahmenbedingungen schaffen, welche die intrinsische Motivation der Klienten
möglichst zu fördern vermögen. Kann durch diese Rahmenbedingungen die Autonomie
der Klienten gestärkt werden, nimmt gleichzeitig die Manipulation von Seiten der
Professionellen ab, weil die Klienten weniger manipulierbar sind. Die in der vorliegenden
Arbeit herausgearbeiteten Kriterien und die daraus abgeleiteten Anforderungen stellen
eine Möglichkeit dar, wie Professionelle der Sozialen Arbeit ihr Handeln in Bezug auf die
Autonomie des Klienten stets überprüfen und reflektieren können.
Bachelorthesis: Motivieren ohne zu manipulieren
FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit Sophia Wüst HS 2010 Seite 60
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Edelmann, Walter. (2003). Motivieren ja – aber wie?
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Abbildung 2: Pollmann, Arnd
(Quelle: Pollman, 2005, S.83)
Literaturverzeichnis:
Pollmann, Arnd. (2005). Integrität. Bielefeld: Transcript.
Ich erkläre hiermit:
dass ich die die vorliegende Arbeit ohne fremde Hilfe und ohne Benützung anderer als der
angegebenen Hilfsmittel verfasst habe.
___________________________ St. Gallen, 12. März 2014 Unterschrift
Veröffentlichung Bachelorarbeit
Ich bin damit einverstanden, dass meine Bachelor Thesis bei einer Bewertung mit der
Note 5.5 oder höher, der Bibliothek für die Aufnahme ins Ausleiharchiv und für die
Wissensplattform Ephesos zur Verfügung gestellt wird. Sie darf auch an Aussenstehende
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□ ja
□ nein
___________________________ St. Gallen, 12. März 2014 Unterschrift
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