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Autoren: PD Dr. med. Christian Baumann, ZürichPD Dr. med. Kaspar Schindler, Bern
Letzte Aktualisierung: 01. April 2014
ESSENTIAL SLIDE KIT
Zur Verfügung gestellt durch:*UCB Pharma AG
* Dieses Essential Slide Kit wurde von einem unabhängigen Team von Neurologen erstellt und dient ausschliesslich Informationszwecken.
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE
Autor und Aktualisierung
Autor: PD Dr. med. Christian Baumann, Zürich
Aktualisierung: 1. April 2014
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 2
Inhalt
1. Definition Seite 06
2. Epidemiologie 09
3. Klassifikation 11
4. Diagnose 26
5. Physiologische Grundlagen des EEG 32
6. Differentialdiagnose 46
7. Therapie 51
8. Fahrtauglichkeit 78
9. Status epilepticus 81
10. Wichtige Epilepsie-Syndrome 87
11. Referenzen 95
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 3
Gebrauchshinweise
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 4
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Inhalt
1. Definition Seite 06
2. Epidemiologie 09
3. Klassifikation 11
4. Diagnose 26
5. Physiologische Grundlagen des EEG 32
6. Differentialdiagnose 46
7. Therapie 51
8. Fahrtauglichkeit 78
9. Status epilepticus 81
10. Wichtige Epilepsie-Syndrome 87
11. Referenzen 95
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 5
Definition der Epilepsie
Eine Epilepsie ist eine Störung des Gehirns, die durch eine dauerhafte Neigung zur Entwicklung epileptischer Anfälle sowie durch die neurobiologischen, kognitiven, psychologischen und sozialen Konsequenzen dieses Zustands gekennzeichnet ist.
Kritiken an dieser Definition:
•Was ist «dauerhaft»?
•Eine Vielzahl von Patienten haben wenig «kognitive, psychologische und soziale Konsequenzen»
•Weshalb Epilepsie im Singular?
Begriffe und Definitionen
1. Definition
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 6
[Fisher et al., Epileptologie 2005; Panayiotopoulos, 2007]
Definition der Epilepsie
Ein Anfall genügt, falls folgende Befunde zusätzlich vorliegen:
• entweder epilepsietypische EEG Signale («Spikes», «Sharp Waves»)
oder
• im MRI epileptogene Strukturveränderungen (z.B. Dysplasie, Tumor, etc.)
(Früher wurde erst ab zwei sicheren Anfällen Epilepsiediagnose gestellt)
Begriffe und Definitionen
1. Definition
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 7
[Fisher et al., Epileptologie 2005]
Inhalt
1. Definition Seite 06
2. Epidemiologie 09
3. Klassifikation 11
4. Diagnose 26
5. Physiologische Grundlagen des EEG 32
6. Differentialdiagnose 46
7. Therapie 51
8. Fahrtauglichkeit 78
9. Status epilepticus 81
10. Wichtige Epilepsie-Syndrome 87
11. Referenzen 95
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 8
Prävalenzen und Inzidenzen
•Risiko, einmal einen epileptischen Anfall zu erleiden: > 10 %
•Prävalenz von Epilepsien in der Bevölkerung: 0.7-0.8 %
•Inzidenz (Neuerkrankungen/100’000 Personen/Jahr) 50-120
Epidemiologie
2. Epidemiologie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 9
[Jallon, 2006]
Inhalt
1. Definition Seite 06
2. Epidemiologie 09
3. Klassifikation 11
4. Diagnose 26
5. Physiologische Grundlagen des EEG 32
6. Differentialdiagnose 46
7. Therapie 51
8. Fahrtauglichkeit 78
9. Status epilepticus 81
10. Wichtige Epilepsie-Syndrome 87
11. Referenzen 95
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 10
Wie klassifizieren wir Anfälle und Epilepsie?
Klassifikationen
3. Klassifikation
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 11
[Berg et al., Epileptologie 2010]
Generalisierter Beginn (primär generalisierte Anfälle)
• Anfälle mit tonischen und/oder klonischen Symptomen
• Absencen (typische, atypische, myoklonische)
• Myoklonische Anfälle
• Epileptische Spasmen
• Atonische Anfälle
Fokaler (partieller) Beginn
• Lokal (neokortikal, hippocampal, parahippocampal)
• Ipsilaterale Propagation
• Kontralaterale Propagation
• Sekundär-generalisiert
Klassifikation der Anfälle
3. Klassifikation
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 12
[Berg et al., Epileptologie 2010]
Generalisierter tonisch-klonischer Anfall (früher «Grand mal»)
Typische Merkmale:
•Teilweise Einleitung durch Aura
•Tonische Phase: Bewusstlosigkeit
- ev. initialer Schrei
- tonische Versteifung des ganzen Körpers
•Klonische Phase: generalisierte Myoklonien
- Zyanose
- ev. Einnässen, Stuhlabgang, Zungenbiss
•Dauer: i.d.R. unter 2 Minuten
Klassifikationen
3. Klassifikation
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 13
Fokale Anfälle
Typische Merkmale:
•Einfach fokale Anfälle: keine Bewusstseinsveränderung
örtlich limitierte Anfälle, z.B.
- Zuckungen einer Hand
- Sensibilitätsstörung am Arm
- déjà-vu
- andere Sinneswahrnehmungen
•Komplex fokale Anfälle: mit Bewusstseinsveränderung bis hin zum -verlust
Klassifikationen
3. Klassifikation
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 14
Absencen («Petit mal»)
Typische Merkmale:
•Prägendes Merkmal: „Bewusstseinspause“ mit fehlender Reaktion auf Ansprache und mnestischer Lücke
•Dauer: wenige Sekunden, typischerweise deutlich unter einer Minute
•Vorkommen: v.a. bei Kindern/Jugendlichen
Klassifikationen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 15
3. Klassifikation
Zeitlicher Ablauf eines epileptischen Anfalles und Einteilung nach ProvokationA
ura
An
fall
(ik
tua
le P
ha
se
)
Na
ch
ph
as
e(p
os
tik
tua
l)
Inte
rik
tua
le
Ph
as
e
Pro
dro
mi
Anfall
provoziert (v.a. Schlafentzug, Alkohol, Hyperventilation, Flackerlicht)
unprovoziert
Klassifikationen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 16
3. Klassifikation
Klassifikation der Epilepsien, Deutsche Gesellschaft für Neurologie
•Generalisierte Epilepsien
- inklusive der Absence-Epilepsie des Schulalters, der Aufwach-Grand-Mal-Epilepsie,
der juvenilen myoklonischen Epilepsie
•Idiopathische fokale Epilepsien
- inklusive der benignen Partial-Epilepsien des Jugendalters (z.B. Rolando-Epilepsie),
der nächtlichen Frontallappen-Epilepsie und der familiären Temporallappen-Epilepsie
•Symptomatische oder kryptogene fokale Epilepsien
Entscheidende Unterscheidung, da Therapie-relevant
Klassifikationen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 17
3. Klassifikation
www.dgn.org
Klassifikation der Epilepsien, International League Against Epilepsy (ILAE)
•Nach dem elektroklinischen Syndrom
•Nach dem typischen Alter des Auftretens
•Nach dem Schweregrad
•Nach der Lokalisation der vermuteten Anfallsursprungszone
Klassifikationen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 18
3. Klassifikation
[Berg et al., Epileptologie 2010]
Klassifikation nach elektroklinischen Syndromen und Alter/1
Neugeborenenzeit Kleinkindalter
Benigne familiäre neonatale Epilepsie (BFNE)Epilepsie der frühen Kindheit mit migratorischen fokalen Anfällen
Frühe myoklonische Enzephalopathie (FME) West-Syndrom (WS)
Ohtahara-Syndrom (OS) Myoklonische Epilepsie der frühen Kindheit (MEI)
Benigne frühkindliche Epilepsie (BFE)
Benigne familiäre frühkindliche Epilepsie (BFFE)
Dravet-Syndrom (DS)
Myoklonische Enzephalopathie bei nicht-progredienten Störungen
Klassifikationen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 19
3. Klassifikation
[Berg et al., Epileptologie 2010]
Klassifikation nach elektroklinischen Syndromen und Alter/2
Kindheit
Fiebergebundene Anfälle plus (FA+; «Fieberkrämpfe» plus; können in der frühen Kindheit bzw. im Kleinkindalter beginnen)
Panayiotopoulos-Syndrom
Epilepsie mit myoklonisch-atonischen (früher – astatischen) Anfällen
Benigne Epilepsie mit zentrotemporalen Spikes (BEZTS; Rolando-Epilepsie)
Autosomal-dominante nächtliche Frontallappenepilepsie (ADNFLE)
Spät beginnende kindliche Okzipitallappenepilepsie (Gastaut-Typ)
Epilepsie mit myoklonischen Absencen
Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS)
Epileptische Enzephalopathie mit kontinuierlichen Spike-und-wave-Entladungen im Schlaf (CSWS)
Landau-Kleffner-Syndrom (LKS)
Kindliche Absencenepilepsie (KAE)
Klassifikationen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 20
3. Klassifikation
[Berg et al., Epileptologie 2010]
Klassifikationen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 21
3. Klassifikation
Klassifikation nach elektroklinischen Syndromen und Alter/3
Adoleszenz - Erwachsenenalter
Juvenile Absencenepilepsie (JAE)
Juvenile myoklonische Epilepsie (JME)
Epilepsie mit nur generalisierten tonisch-klonischen Anfällen
Progressive Myoklonusepilepsien (PME)
Autosomal-dominante fokale Epilepsie mit akustischen Merkmalen (ADFEAM)
Andere familiäre Temporallappenepilepsien
[Berg et al., Epileptologie 2010]
Klassifikationen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 22
3. Klassifikation
Klassifikation nach elektroklinischen Syndromen und Alter/4
Weniger spezifische Altersbeziehung Unverwechselbare Konstellationen
Familiäre fokale Epilepsie mit variablen Herden (Kindheit bis Erwachsenenalter)
Mesiale Temporallappenepilepsie mit Hippokampussklerose (MTLE mit HS)
Reflexepilepsien Rasmussen-Syndrom
Gelastische Anfälle bei hypothalamischen Hamartomen
Hemikonvulsions-Hemiplegie-Epilepsie (-Syndrom)
[Berg et al., Epileptologie 2010]
Klassifikation nach der Ursache (neuster Einteilungsvorschlag)
• Genetisch: Zugrundeliegender Gendefekt
schliesst nicht aus, dass Umgebungfaktoren zur Ausdrucksform der Erkrankung beitragen
• Strukturell/metabolisch: Zustand oder Krankheit, mit einem deutlich erhöhten Risiko einer Epilepsie einhergehend
• Unbekannt
Klassifikationen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 23
3. Klassifikation
[Berg et al., Epileptologie 2010]
Klassifikation nach der Ursache
Epilepsien unbekannter UrsacheEpilepsien aufgrund von und eingeteilt nach strukturell-metabolischen Ursachen
Zustände mit epileptischen Anfällen, die traditionell nicht als eine Epilepsieform per se betrachtet werden:
Malformationen der kortikalen Entwicklung (Hemimegalenzephalie, Heterotopien etc.)
• Benigne neonatale Anfälle (BNA)Neurokutane Syndrome (Tuberöse-Sklerose-Koplex, Sturge-Weber-Syndrom etc.)
• Fiebergebundene Anfälle (FA, «Fieberkrämpfe»)
Tumore
Infektionen
Angiome
Perinatale Insulte
Schlaganfälle
Klassifikationen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 24
3. Klassifikation
[Berg et al., Epileptologie 2010]
Inhalt
1. Definition Seite 06
2. Epidemiologie 09
3. Klassifikation 11
4. Diagnose 26
5. Physiologische Grundlagen des EEG 32
6. Differentialdiagnose 46
7. Therapie 51
8. Fahrtauglichkeit 78
9. Status epilepticus 81
10. Wichtige Epilepsie-Syndrome 87
11. Referenzen 95
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 25
Diagnostische Schritte vor Therapie-Einleitung
•Anamnese-Erhebung (kritischer Schritt)
•Körperliche Untersuchung, bei Kindern Messung des Entwicklungsgrades
•Verdachtsdiagnose
•Differentialdiagnose
•Entsprechende diagnostische Schritte (EEG, MRI)
•Finale Diagnose (definitiv, wahrscheinlich, möglich, unklar)
•Behandlung
Diagnose
4. Diagnose
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 26
Diagnostische Schritte (Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie)
Diagnose
4. Diagnose
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 27
[www.dgn.org, 2011]
MRI-Beispiel: mesiale temporale Sklerose
Diagnose
4. Diagnose
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 28
Labor
Kreatininkinase Einordnung epileptisch versus nicht-epileptisch
in den ersten 1-2 Tagen nach tonisch-klonischem Grand-Mal-Anfall sind CK-Werte deutlich erhöht, teils über 1000 U/l
Prolaktin Einordnung epileptisch versus nicht-epileptisch
iktale epileptische Aktivität in temporo-mesialen Strukturen können über die Propagation zum Hypothalamus die Prolaktinausschüttung beeinflussen
höchste Werte innerhalb 10-20 Minuten nach Anfall
Prolaktinerhöhung (mindestens 2-fach über dem Basalwert) weist sehr wahr- scheinlich auf einen tonisch-klonischen oder komplex-partiellen Anfall hin
nur in spezialisierten Zentren, Abgrenzung von Synkopen nicht möglich
Diagnose
4. Diagnose
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 29
[Flügel 2011; Chen et al., 2005]
EEG
Das EEG alleine genügt nicht, um eine Epilepsie zu diagnostizieren. Wegweisend ist die Klinik, d.h. das Vorhandensein von Anfällen.
Umgekehrt schliesst ein normales interiktuales EEG eine Epilepsie nicht aus. Nach mehreren negativen EEG-Befunden ohne Nachweis epilepsietypischer Potentiale oder Abläufe sollte eine weiterführende EEG-Abklärung erwogen werden:
•Schlaf-EEG
•Schlafentzugs-EEG
•Langzeit-EEG
Diagnose
4. Diagnose
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 30
Inhalt
1. Definition Seite 06
2. Epidemiologie 09
3. Klassifikation 11
4. Diagnose 26
5. Physiologische Grundlagen des EEG 32
6. Differentialdiagnose 46
7. Therapie 51
8. Fahrtauglichkeit 78
9. Status epilepticus 81
10. Wichtige Epilepsie-Syndrome 87
11. Referenzen 95
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 31
Meilensteine in der Entwicklung des Elektroenzephalogramms (EEG)
1875 Richard Caton (London) leitete erstmals von Säugetieren klein-amplitudige Hirnstromwellen ab, noch ohne Verstärkertechnik.
1924 Hans Berger (Jena) ► registrierte erstmals am Menschen Hirnströme, erste Publikation 1929
1932 Entwicklung eines Tintenschreibergerätes für die EEG-Aufzeichnung
EEG: Physiologische Grundlagen
5. EEG: Physiologische Grundlagen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 32
Ruhemembranpotential
•70-80 mV
•Zellaussenseite gegenüber Zellinnerem positiv geladen
EEG: Physiologische Grundlagen
5. EEG: Physiologische Grundlagen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 33
Aktionspotential
Definition:
Spannungsdifferenz zwischen der Innen- und Aussenseite der Zellmembran
vorübergehende Abweichung des Membranpotentials vom Ruhemembranpotential
durch Wechselspiel verschiedener Ionenkanäle
erreicht ein Aktionspotential die Synapse, werden Transmitterstoffe in den synaptischen Spalt abgegeben
EEG: Physiologische Grundlagen
5. EEG: Physiologische Grundlagen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 34
Aktionspotential
EEG: Physiologische Grundlagen
5. EEG: Physiologische Grundlagen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 35
Synapse
EEG: Physiologische Grundlagen
5. EEG: Physiologische Grundlagen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 36
Synapse
Aktionspotential Depolarisation des synaptischen Endkopfes
EEG: Physiologische Grundlagen
5. EEG: Physiologische Grundlagen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 37
Synapse
Ionenverschiebungen: Ca2+-Influx führt zur Vesikelmigration
EEG: Physiologische Grundlagen
5. EEG: Physiologische Grundlagen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 38
Synapse
Exozytose der Neurotransmitter in den synaptischen Spalt Bindung an Rezeptoren bewirkt Ionenkanal-Öffnung
EEG: Physiologische Grundlagen
5. EEG: Physiologische Grundlagen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 39
Exzitatorische Synapse: exzitatorisches postsynaptisches Potential (EPSP)
Überwiegen des Na+-Einstroms, das Zelläussere wird negativer Depolarisation, Auslösung eines Aktionspotentials begünstigt
EEG: Physiologische Grundlagen
5. EEG: Physiologische Grundlagen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 40
Inhibitorische Synapse: inhibitorisches postsynaptisches Potential (IPSP)
Überwiegen des K+-Ausstroms, das Zelläussere wird positiver Hyperpolarisation, hemmt Aktivität des Neurons
EEG: Physiologische Grundlagen
5. EEG: Physiologische Grundlagen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 41
Aufbau des im EEG messbaren Feldpotentials (Beispiel eines EPSP)
EEG: Physiologische Grundlagen
5. EEG: Physiologische Grundlagen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 42
Generierung elektrischer Dipole
Postsynaptische Feldpotentiale bewirken die Entstehung von elektrischen Dipolen
Beispiel einer senkrecht zum Schädel orientierten Pyramidenzelle mit EPSP
Im EEG resultiert ein negativer Ausschlag Konvention: nach oben)
(IPSP: inverse Situation)
5. EEG: Physiologische Grundlagen
EEG: Physiologische Grundlagen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 43
EEG-Beispiel eines primär generalisierten epileptischen Anfalles
EEG: Physiologische Grundlagen
5. EEG: Physiologische Grundlagen
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 44
Inhalt
1. Definition Seite 06
2. Epidemiologie 09
3. Klassifikation 11
4. Diagnose 26
5. Physiologische Grundlagen des EEG 32
6. Differentialdiagnose 46
7. Therapie 51
8. Fahrtauglichkeit 78
9. Status epilepticus 81
10. Wichtige Epilepsie-Syndrome 87
11. Referenzen 95
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 45
Epileptischer Anfall oder nicht? Wichtige Differentialdiagnosen
•Neurokardiogene Synkopen
•Psychogene nicht epileptische Anfälle
•Hyperventilationssyndrom
•Tics, Myoklonien, andere paroxysmale Bewegungsstörungen
•Transiente globale Amnesie
•Prolongierter confusional state
•Kataplexie und andere Schlaf-assoziierte Bewegungsstörungen
•Migräne-Aura
•Zerebrovaskuläre Anfälle
•Zyklisches Erbrechen, paroxysmale Vertigo
Differentialdiagnose
6. Differentialdiagnose
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 46
Wichtige Differentialdiagnosen
Epileptischer AnfallPsychogener nichtepileptischer Anfall
(Konvulsive) Synkope
Augen: offen, starr, leer oder verdreht
Augen: oft geschlossen («wie schlafend», u.U. zugekniffen)
Augen: offen nach oben verdreht
Dauer: < 2 Minuten Dauer: oft > 2 MinutenAsynchrone Myokonien und variable Abläufe
Höchst unterschiedliche Anfallsphänomene (oft konstant von Anfall zu Anfall)
Variable Anfallsphänomene von Anfall zu Anfall
Oft Armbeugung, Beinstreckung, rasche Reorientierung (<1 min)
Reorientierung postiktual variabel – oft verlangsamt
Häufig atonisch
Bei tonisch-klonischen Anfällen Muskelkater am Folgetag
Oft verzögerte Reorientierung mit Gedächtnislücke für das Ereignis
Differentialdiagnose
6. Differentialdiagnose
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 47
[www.dgn.org, 2011]
Wichtige Differentialdiagnosen
Differentialdiagnose
6. Differentialdiagnose
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 48
Augenstellung bei anfallsartigen Störungen:
A: temporaler Anfall
B: extratemporaler Anfall
C: psychogener nichtepileptischer Anfall
D: Synkope
[www.dgn.org, 2011]
Differentialdiagnose von Synkopen und generalisierten tonisch-klonischen Anfällen
Synkope Generalisierte tonisch-klonischer Anfall
Unmittelbarer Auslöser Ca. 50% Keiner
Dauer Meist <30 s 1-3 min
Sturz Schlaff oder steif Steif
Myoklonien
Ca. 80%Mild bis heftigMeist <30 sArrhythmischMultifokal/generalisiert
100%Meist heftig1-2 minRhythmischGeneralisiert
AugenOffenTransiente Blickwendung nach oben, seltener zur Seite
OffenOft anhaltende Blickwendung nach oben oder zur Seite
HalluzinationenGegen Ende der AttackeOft angenehm
Als Aura vorausgehendMeist unangenehm/neutral
Inkontinenz Häufig Häufig
Zungenbiss Sehr selten Häufig
Postiktale Verwirrtheit <30 s 5-30 min
Prolaktin, Kreatinin Normal Erhöht
Differentialdiagnose
6. Differentialdiagnose
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 49
[Lempert, Nervenarzt 1997]
Inhalt
1. Definition Seite 06
2. Epidemiologie 09
3. Klassifikation 11
4. Diagnose 26
5. Physiologische Grundlagen des EEG 32
6. Differentialdiagnose 46
7. Therapie 51
8. Fahrtauglichkeit 78
9. Status epilepticus 81
10. Wichtige Epilepsie-Syndrome 87
11. Referenzen 95
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 50
Therapie-Grundsätze
•Nach dem ersten Anfall kann, nach mehreren Anfällen sollte eine Therapie der Epilepsie begonnen werden.
CAVE: Viele Anfälle werden nicht bemerkt oder nicht erinnert, d.h. der vermeintlich erste Anfall ist gar nicht der erste!
•Das Unterlassen einer Therapie steigert das Gefährdungsrisiko.
•Die Regelmässigkeit der Behandlung ist unbedingt einzuhalten.
Therapie
7. Therapie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 51
Therapie
7. Therapie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 52
Wichtige Medikamente/1
Gen. A. Fok. A. Monoth. Titration IA Dosis
Phenytoin (PHT) x x s-m +200-
400mg
Valproat (VPA) x x x m +750-
2000mg
Carbamazepin (CBZ)
x x m +600-
1600mg
Oxcarbazepin (OXC)
x x x m (+)900-
2400mg
Phenobarbital (PHB)
x x x l +100-
300mg
Clobazam (CLB) x x x s - 15-30mg
Therapie
7. Therapie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 53
Wichtige Medikamente/2
Gen. A. Fok. A. Monoth. Titration IA Dosis
Gabapentin (GBP)
x x s (+)600-
1600mg
Lamotrigin (LTG) x x x l - 100-600mg
Topiramat (TPM) x x x m-l (-) 100-400mg
Levetiracetam (LEV)
x x x (FE) s -1000-
3000mg
Zonisamid (ZNS) x x l - 200-500mg
Lacosamid (LCM)
x m - 200-400mg
Retigabin (RTG)* x x m (+)600-
1200mg
Perampanel x m (+) 4-12mg
Vergleichsstudie SANAD zur Ersttherapie
Generalisierte Epilepsie
Valproat besser wirksam als Lamotrigin und besser verträglich als Topiramat
Fokale Epilepsie
Lamotrigin gleich wirksam wie Carbamazepin, aber besser verträglich.
Dennoch ist die Auswahl der Medikamente für die Ersttherapie schwierig und muss individuell entschieden werden. Beispiel: Lamotrigin und Levetiracetam sind oftmals gute Kandidaten für Langzeittherapien, da sie bei generalisierten Epilepsien in der Regel keine Anfälle provozieren. Lamotrigin hat jedoch den potentiellen Nachteil dermatologischer, Levetiracetem psychiatrischer Nebenwirkungen. Carbamazepin, Phenytoin und Phenobarbital hingegen sind aufgrund der permanenten Enzyminduktion (Knochen, Kontrazeption, Interaktionen) oft problematischer in Bezug auf eine Langzeittherapie.
Therapie
7. Therapie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 54
[Marson et al., Lancet 2007; www.dgn.org]
Vergleichsstudie SANAD zur Ersttherapie: Fokale Epilepsien
Therapie
7. Therapie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 55
[Marson et al., Lancet 2007]
Vergleichsstudie SANAD zur Ersttherapie: Generalisierte Epilepsien
Therapie
7. Therapie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 56
[Marson et al., Lancet 2007]
Vergleichsstudie zur Absence-Epilepsie des Schulalters
Ethosuximid und Valproat sind ähnlich wirksam, aber Ethosuximid ist besser verträglich. Lamotrigin ist weniger wirksam.
Therapie
7. Therapie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 57
[Glauser et al., 2010]
Empfehlungen
Epilepsie mit primär generalisierten Anfällen
Lamotrigin, Levetiracetam, Valproat, Topiramat
Epilepsie mit fokal beginnenden Anfällen
Lamotrigin, Levetiracetam, Oxcarbazepin
Epilepsie mit nicht klassifizierbaren Anfällen
Lamotrigin, Levetiracetam, Topiramat
Generell
Möglichst Medikamente mit geringem Interaktionspotential wählen und Ko-Morbiditäten beachten
Therapie
7. Therapie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 58
[www.dgn.org, 2014]
Was haben die sogenannten laborchemischen Therapiebereiche zu sagen?
Nur Richtlinie, massgeblich sind die klinischen Befunde:
•Nicht anfallsfrei: in der Regel zu wenig AED
•Nebenwirkungen: Zu viel AED
Therapie
7. Therapie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 59
Therapie
Zu beachten
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 60
7. Therapie
Metabolisierung/Elimination der Antiepileptika
Starke hepatische Enzyminduktion CBZ, PHT, PB, PRM
Geringe hepatische Enzyminduktion FBM, LTG, OXC, RFM, TPM
Hepatische Metabolisierung ohne Enzyminduktion
CLB, TGB, ZNS
Hepatische Enzyminduktion VPA
Renale Elimination ohne hepatische Enzyminduktion
GBP, PGN, LCM, LEV, VGB
Zu beachten bei fokalen Anfällen
Therapie
7. Therapie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 61
Antikonvulsive WirkungAlle Antiepileptika > GBP, aber GBP sehr gut verträglich
Kognitive Störungen TPM meiden
Gewichtsprobleme VPA und GBP meiden
Kinderwunsch
LTG am besten untersuchtCAVE: Spiegelabfall während Schwangerschaft(alternativ ggf. CBZ/LEV), Folsäure dazu
Hormonelle Antikonzeption LEV
Erektile Dysfunktion LTG, LEV
Komorbiditäten z.B. LEV nicht bei Psychose in Anamnese
Zu beachten bei generalisierten Anfällen
Therapie
7. Therapie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 62
Antikonvulsive Wirkung VPA, TPM
Kognitive Störungen LTG > VPA
Gewichtsprobleme VPA meiden
Kinderwunsch LTG, dazu Folsäure
Hormonelle Antikonzeption TPM
Erektile Dysfunktion LTG, VPA
Komorbiditäten LEV, LTG, TPM, GBP
Therapie
7. Therapie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE
Umstellung der Medikation
Nur die Hälfte der erwachsenen Epilepsie-Patienten wird mit dem ersten Medikament anfallsfrei. Nach einem Wechsel auf eine andere Substanz werden zusätzliche 10-20% anfallsfrei.
Bei Erfolglosigkeit des ersten Medikamentes wird auf ein alternatives Präparat umgestellt.
Erst danach sollte über Kombinationstherapien nachgedacht werden.
63
Therapie
7. Therapie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 64
Kann ich einfach so unter generischen Antiepileptika wechseln?
Schwierig, da Schwankungen des Blutspiegels von bis zu 45% (!) möglich sind.
Ersteinstellung gut möglich, da individuell eintitrierbar
Wechsel bei anfallsfreien Patienten wenn möglich vermeiden
Bei Umstellung Fahrtauglichkeit überprüfen
Therapie
7. Therapie
65
Behandlung von Frauen im gebärfähigen Alter
Teratogenität bis zur 12. Schwangerschaftswoche von verschiedenen Antiepileptika ist dokumentiert oder wird in grossen internationalen Registern untersucht (www.eurap.de). Niedrigdosierte Monotherapien stellen nach neueren Daten kein bedeutendes Risiko für Missbildungen dar, wobei die Datenlagen nach wie vor für endgültige Beurteilungen ungenügend sind.
Ausserdem sind Interaktionen mit der hormonellen Kontrazeption möglich. Es kommt beispielsweise zu erhöhter Clearance von bestimmten Antikonvulsiva inkl. Lamotrigin.
Aufklärung vor Schwangerschaft wichtig
Moderat dosierte Monotherapie anstreben, z.B. mit Lamotrigin
Gleichzeitige Gabe von Folsäure (5mg täglich) trotz fehlender Evidenz ratsam
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE
Therapie
7. Therapie
66
Behandlung von Frauen im gebärfähigen Alter
Es bestehen multidirektionale Interaktionen zwischen Epilepsien und Anfällen, weiblichen Steroid-Hormonen und Fruchtbarkeit sowie antiepileptischen Medikamenten und ihren Konzentrationen.
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE
[Pennell, Continuum 2013]
Epilepsy and Seizures
Antiepileptic drugsSex Steroid
Hormones and Fertility
Therapie
7. Therapie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE
Behandlung von Frauen im gebärfähigen Alter
Anteile signifikanter kongenitaler Malformationen 1 Jahr nach Geburt in Abhängigkeit der Exposition hinsichtlich einer Antikonvulsiva-Monotherapie. Mittel und 95%-Konfidenzintervalle.
67
[Pennell, Continuum 2013]
Antiepileptic DrugMajor Congenital
Malformation % (95% CI)Relative Risk to
Unexposed (95% CI)Relative Risk to
Lamotrigine (95% CI)
Unexposed 1.1 (0.37-2.6) Reference
Lamotrigine 2.0 (1.4-2.8) 1.8 (0.7-4.6) Reference
Carbamazepine 3.0 (2.1-4.2) 2.7 (1.0-7.0) 1.5 (0.9-2.5)
Phenytoin 2.9 (1.5-5.0) 2.6 (0.9-7.4) 1.5 (0.7-2.9)
Levetiracetam 2.4 (1.2-4.3) 2.2 (0.8-6.4) 1.2 (0.6-2.5)
Topiramate 4.2 (2.4-6.8) 3.8 (1.4-10.6) 2.2 (1.2-4.0)
Valproate 9.3 (6.4-13.0) 9.0 (3.4-23.3) 5.1 (3.0-8.5)
Phenobarbital 5.5 (2.8-9.7) 5.1 (1.8-14.9) 2.9 (1.4-5.8)
Oxcarbazepine 2.2 (0.6-5.5) 2.0 (0.5-7.4) 1.1 (0.4-3.2)
Gabapentin 0.7 (0.02-3.8) 0.6 (0.07-5.2) 0.3 (0.05-2.5)
Zonisamide 0 (0.0-3.3) n/a n/a
Clonazepam 3.1 (0.4-10.8) 2.8 (0.5-14.8) 1.6 (0.4-6.8)
Therapie
7. Therapie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 68
Behandlung von Frauen im gebärfähigen Alter
Risiko signifikanter kongenitaler Malformationen in Abhängigkeit der Exposition betreffend einer Antikonvulsiva-Monotherapie. Daten von 1997-2011 des North America Pregnancy Registry.
[Pennell, Continuum 2013]
Therapie
7. Therapie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 69
Behandlung von Frauen im gebärfähigen Alter
Induktion des Metabolismus weiblicher Sex-Steroid-Hormone und hormoneller Kontrazeptiva:
[Pennell, Continuum 2013]
Starke Induktoren Schwache Induktoren Nicht-Induktoren
Phenobarbital Topiramat Valproinsäure
Phenytoin Lamotrigin Gabapentin
Carbamazepin Felbamat Levetiracetam
Oxcarbazepin Rufinamid Zonisamid
Clobazam Vigabatrin
Primidon Lacosamid
Tiagabin
Ethosuximid
Clonazepam
Pharmakoresistenz
Nicht einfach zu bestimmen, aber Grundlage für invasive Behandlungsstrategien.
•Wie viele Anfälle sind noch tolerierbar unter medikamentöser Therapie?
•Wie viele Medikamente sollten versucht werden?
„Pharmakoresistente“ Patienten:10-20% Chance auf Anfallsfreiheit durch den Einsatz weiterer (neuerer) Medikamente
Therapie
7. Therapie
[Callaghan et al., 2007; Luciano et al., 2007; Kwan et al., 2010]
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE
ILAE 2010: Pharmakotherapieresistenz, wenn nach adäquaten Therapieversuchen mit 2 geeigneten, angemessen angewandten und gut vertragenen Antikonvulsiva keine anhaltende Anfallsfreiheit erreicht wird.
70
Pharmakoresistenz
Etwa ein Drittel der Epilepsie-Patienten leidet unter Anfällen, die medikamentös nicht kontrolliert werden können.
Therapie
7. Therapie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 71
Durch die neue Definition der Pharmakotherapieresistenz muss früher über eine
invasive Behandlung nachgedacht werden. Zuweisungen für eine allfällige
Epilepsiechirurgie sind auch heute noch vielfach deutlich zu spät.
Operative Therapien
Läsionelle Verfahren
•selektive Amygdala-Hippokampektomie (AHE) bei Veränderungen im mesialen Temporallappen
•Topektomie (extratemporale Läsion entfernen)
•Hemisphärektomie
•Lobektomie, Multilobektomie
•Kallosotomie (bei Lennox-Gastaut-Syndrom)
Stimulationsverfahren
•Vagus-Nerv-Stimulation
•Tiefe Hirnstimulation im anterioren Thalamus
Therapie
7. Therapie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 72
[Wiebe et al., 2001; Engel et al., 2003]
Operative Therapien
Mesiale Temporallappen-Epilepsie
•Die mesiale Temporallappen-Epilepsie ist die am häufigsten chirurgisch behandelte Epilepsie.
•Die häufigste pathologische Assoziation ist die mesiale Temporallappen-Sklerose.
•Häufigste Behandlungsmethode bei pathologischen Veränderungen im mesialen Temporallappen ist die selektive Amygdala-Hippokampektomie (AHE).
•Die Überlegenheit der AHE gegenüber einer Weiterführung der medikamentösen Therapie ist bewiesen.
•Die Zürcher Daten von 1975-1999 zeigten eine Anfallsfreiheit in 67% der Patienten.
Therapie
7. Therapie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 73
[Wiebe et al., 2001; Engel et al., 2003; Wieser und Müller, 2003]
Operative Therapien
Andere Epilepsie-Formen
Neokortikale Epilepsie Topektomie (Resektion von Kortex, Schonung von darunterliegender
weisser Substanz), Läsionektomie, lobäre / multilobäre Resektion
Tumor-assoziierte Epilepsie Resektion von Tumor und umgebendem epileptogenem Gewebe
Kortikale Dysplasie Resektion der gesamten dysplastischen Region, falls möglich
Vaskuläre Malformationen Mikro- oder Radiochirurgie, Läsionektomie inklusive Resektion
umgebenden epileptogenen Gewebes (Hämosiderin)
Hemisphärische Syndrome Sturge-Weber, Rasmussen-Encephalitis, extensive kortikale
Dysplasien werden mit Hemisphärektomie behandelt
Therapie
7. Therapie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 74
Operative Therapien
Outcome
Ziel der resektiven Epilepsie-Chirurgie: langfristige Anfallsfreiheit
Multicenterstudie in 339 Patienten, Beobachtungszeitraum von mindestens 2 Jahren:
•Mesiale Temporallappen-Resektionen: 68% anfallsfrei
•Neokortikale Resektionen: 50% anfallsfrei
Therapie
7. Therapie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 75
[Spencer et al., 2005]
Nicht-resektive operative Therapien
Therapie
7. Therapie
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 76
Vagus-Nerv-Stimulation Tiefe Hirnstimulation
Behandelte Patienten mehrere 10‘000 wenige 100
Ziel Anfallsfreiheit nein nein
Anfallsfreiheit 5% 13%
50% weniger Anfälle 30-40% bis zu 67%
Nebenwirkungen Heiserkeit, Infektion, antidepressiver Effekt
Depression, kognitive Defizite,intrakranielle Hämorrhagie, Infektion
Indikationen für diese Verfahren: pharmakotherapieresistente Epilepsie, resektive Epilepsie-Chirurgie nicht möglich oder nicht gewünscht.
[Miller und Hakimian, 2013; Imbach et al., 2013]
Inhalt
1. Definition Seite 06
2. Epidemiologie 09
3. Klassifikation 11
4. Diagnose 26
5. Physiologische Grundlagen des EEG 32
6. Differentialdiagnose 46
7. Therapie 51
8. Fahrtauglichkeit 78
9. Status epilepticus 81
10. Wichtige Epilepsie-Syndrome 87
11. Referenzen 95
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 77
Fahrtauglichkeit
8. Fahrtauglichkeit
1. Bei einer aktiven Epilepsie ist die Fahrtauglichkeit in der Regel aufgehoben. Voraussetzungen für eine Erst oder Wiederzulassung als Motorfahrzeuglenker sind eine dem Einzelfall angepasste periodische fachneurologische Beurteilung sowie Überprüfung der Fahrtauglichkeit.
2. Eine Erst- oder Wiederzulassung als Motorfahrzeuglenker kann in der Regel erfolgen, wenn eine Anfallsfreiheit (mit oder ohne Antiepileptika) von einem Jahr besteht. (Besonderheiten der verschiedenen Ausweiskategorien siehe Abschnitt B).
3. Nach einem erstmaligen unprovozierten Anfall ist bei unauffälligen Befunden der erforderlichen neurologischen Diagnostik eine Fahrkarenz von 6 Monaten erforderliche. Nach einem erstmaligen provozierten Anfall, einem posttraumatischen oder postoperativen Frühanfall (innerhalb einer Woche) sowie einem anderen Gelegenheitsanfall ist eine Fahrkarenz von 2 Monaten erforderlich.
4. Die EEG-Befunde müssen mit der Fahrtauglichkeit kompatibel sein.
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 78
www.epi.ch: Aktualisierte Richtlinien der Verkehrskommission der Schweizerischen Liga gegen Epilepsie (Epilepsie-Liga) /1
www.epi.ch
Fahrtauglichkeit
8. Fahrtauglichkeit
5. Beim völligen Absetzen der Antiepileptika besteht für die Dauer des Absetzens des letzten Medikaments und die ersten 3 Monate danach Fahruntauglichkeit.
2. Lastwagen (Kat.C und C1) und Taxi (berufsmässiger Personentransport) und Kleinbusse (Kat. D1): Die Erst- oder Wiederzulassung zur Führerausweiskategorie C oder D1 ist bei einer einmal manifest gewesenen Epilepsie nur möglich, wenn eine 5-jährige Anfallsfreiheit ohne Medikation besteht.
6. Sonderfälle: Tramwagenführer, Lokomotivführer, Piloten: Bei einer einmal manifest gewesenen Epilepsie oder auch noch einem erstmaligen provozierten oder unprovozierten Anfall besteht grundsätzlich Fahr- und Fluguntauglichkeit. Bei Hubstaplerfahrern, Ballonführern, Bagger- und Kranführern, Motorbootfahrern, Luftseilbahn- und Bergbahnführern erfolgt die Beurteilung der Fahrtauglichkeit gemäss den allgemeinen Richtlinien.
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 79
www.epi.ch: Aktualisierte Richtlinien der Verkehrskommission der Schweizerischen Liga gegen Epilepsie (Epilepsie-Liga) /2
www.epi.ch
Inhalt
1. Definition Seite 06
2. Epidemiologie 09
3. Klassifikation 11
4. Diagnose 26
5. Physiologische Grundlagen des EEG 32
6. Differentialdiagnose 46
7. Therapie 51
8. Fahrtauglichkeit 78
9. Status epilepticus 81
10. Wichtige Epilepsie-Syndrome 87
11. Referenzen 95
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 80
Definition
•Anfall dauert länger als 30 Minuten
(„Drohender Status epilepticus“ = Anfallsdauer >5 min)
•Rasch aufeinanderfolgende Anfälle ohne zwischenzeitlich vollständige Erholung (klinisch oder im EEG)
•Einteilung: konvulsiv vs. nicht-konvulsiv
fokal vs. generalisiert
Status epilepticus
9. Status epilepticus
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 81
Der generalisierte tonisch-klonische Status epilepticus ist ein allein klinisch zu diagnostizierender, lebensbedrohlicher neurologischer Notfall und verlangt ein dementsprechendes Management mit geeigneter Intensivüberwachung sowie Intubations- und Beatmungsmöglichkeit, mithin die stationäre Aufnahme auf einer möglichst neurologischen Intensivstation (EEG-Überwachung, neuroradiologische Bildgebung).
Die medikamentöse Unterbrechung des Status und das Verhindern von Folgeschäden sind vorrangige Therapieziele.
Die Therapie und insbesondere ihre Aggressivität richtet sich nach der Art des Status epilepticus.
Status epilepticus
9. Status epilepticus
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 82
Behandlung
Allgemeine Massnahmen
•Situation kontrollieren, Patienten vor Selbstgefährdung schützen
•Atemwege freihalten (z.B. dritte Zähne entfernen)
•Kardiopulmonale Überwachung
•Intravenösen Zugang legen
•Hypoglykämie: Glukose i.v.
•Alkoholassoziierter Status: 100 mg Thiamin i.v.
•Fieber: Temperatursenkung und ggf. Sauerstoffgabe
Status epilepticus
9. Status epilepticus
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 83
Medikamentöse Behandlung
Früh beginnen (schon vor Ankunft im Spital):
•2-4 mg Lorazepam i.v.
oder
•0.015 mg / kg KG Clonazepam langsam i.v.
oder
•10mg Midazolam i.m.
Status epilepticus
9. Status epilepticus
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 84
[Prasad et al., 2007; Silbergleit et al., 2012]
Behandlung
Stufe 1 - Lorazepam 0.05 - 0.1 mg/kg KG i.v. (2 mg/min) (erste Wahl)
- Clonazepam 0.015 mg/kg KG i.v. (0.5 mg/min)
- Diazepam 0.15 mg/kg KG i.v. (5 mg/min)
Stufe 2 Bei Unwirksamkeit des Benzodiazepins: Möglichkeiten:
- Phenytoin 15– 20 mg/kg i.v. (max. 50 mg/min) unter Intensivmonitoring
- Valproinsäure 20-30 mg/kg i.v. (max. 10 mg/kg/min)
- Levetiracetam 30-60 mg/kg i.v. (max. 500 mg/min)*
- Lacosamid 200-400 mg i.v. als Bolus über 3-5 min*
- Phenobarbital 20 mg/kg i.v. (max. 100 mg/min)
Stufe 3 Intubation, Thiopental oder Propofol
Status epilepticus
9. Status epilepticus
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 85
* off-label
Inhalt
1. Definition Seite 06
2. Epidemiologie 09
3. Klassifikation 11
4. Diagnose 26
5. Physiologische Grundlagen des EEG 32
6. Differentialdiagnose 46
7. Therapie 51
8. Fahrtauglichkeit 78
9. Status epilepticus 81
10. Wichtige Epilepsie-Syndrome 87
11. Referenzen 95
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 86
Mesiale Temporallappen-Epilepsie
Epidemiologie häufigste Epilepsie (20% aller Epilepsien)
Ursache hippocampale Sklerose
Anamnese Fieberkrämpfe im Kleinkindalter
Intervall ohne Anfälle
ab Kindes-/Jugendlichenalter Anfälle
in 30-50% therapierefraktär
Anfallsarten - Auren (in 90%, oft epigastrisch)
- fokal-komplexe und sekundär-generalisierte Anfälle
Wichtige Epilepsie-Syndrome
10. Wichtige Epilepsie-Syndrome
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 87
Mesiale Temporallappen-Epilepsie
Iktuales EEG rhythmische 5-7-Hz-Entladungen, temporal
Interiktuales EEG intermittierende temporale Herdbefunde, oft mit epilepsietypischen Potentialen
Interiktuale Klinik Oft neuropsychologische Defizite bis hin zum Waxman-Geschwind-Syndrom:
- v.a. bei linkshemisphärischem Befund
- Hypergraphie, Hyposexualität, Hyperreligiosität, Hypermoralität
Therapie wie fokale Anfälle, Epilepsiechirurgie
Wichtige Epilepsie-Syndrome
10. Wichtige Epilepsie-Syndrome
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 88
EEG mit beginnender Entladung temporal (T) links (ungerade Zahlen)
Wichtige Epilepsie-Syndrome
10. Wichtige Epilepsie-Syndrome
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 89
Nächtliche Frontallappen-Epilepsie
Epidemiologie selten, überwiegend vor dem 30. Lebensjahr auftretend
Ursache autosomal-dominant, Kanalopathie mit Dysfunktion der nikotinischen Acetylcholinrezeptoren, konsekutiv verminderter Ioneneinstrom
Anfallformen typischerweise serielle hypermotorische Anfälle, tonisch oder tonisch-klonisch, während dem Schlaf
Iktuales EEG vom Frontallappen ausgehende Anfälle
Therapie Carbamazepin, andere antikonvulsive Medikamente
Abzugrenzen Andere Frontallappen-Epilepsien:- präfrontale Epilepsie
- cinguläre Epilepsie - dorsolaterale Frontallappen-Epilepsie - supplementär motorische Frontallappen-Epilepsie
- primärmotorische Frontallappen-Epilepsie
Wichtige Epilepsie-Syndrome
10. Wichtige Epilepsie-Syndrome
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 90
Progressive Myoklonus-Epilepsien
Definition Heterogene genetische Erkrankungen u.a. mit
- Myoklonien
- generalisierten tonisch-klonischen Anfällen
- dementieller Entwicklung
- oft weiteren neurologischen Symptomen
Ursachen - lysosomal (Unverricht-Krankheit, Sialidosen)
- Lafora-Einschlusskörperchen u.a. im Gehirn (Lafora-Erkrankung)
- Neurodegeneration im Nucleus dentatus (MERRF: ME mit red ragged fibers)
- Speicherkrankheiten (Zeroidlipofuszinosen)
Wichtige Epilepsie-Syndrome
10. Wichtige Epilepsie-Syndrome
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 91
Kozhevnikov-Rasmussen-Syndrom
Synonym Rasmussen-Encephalitis
Definition Schwere subakute lateralisierte Encephalitis mit progressiver Hirn-Hemiatrophie unklarer Aetiologie
Epidemiologie v.a. Kinder von 1-10 Jahren, sehr selten
Anfälle meistens fokal-motorisch, aber auch generalisiert
Klinik Infektionen des oberen Respirationstraktes oder Otitiden/Tonsillitiden in ca. 50%, dazu progressive neuropsychologische Verschlechterung,
Hemiparese
Prognose progredient, milde und schwere Verläufe
Therapie keine effektive Behandlung ausser radikale Hemisphärektomie vorhanden
Wichtige Epilepsie-Syndrome
10. Wichtige Epilepsie-Syndrome
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 92
Kozhevnikov-Rasmussen-Syndrom
Wichtige Epilepsie-Syndrome
10. Wichtige Epilepsie-Syndrome
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 93
Inhalt
1. Definition Seite 06
2. Epidemiologie 09
3. Klassifikation 11
4. Diagnose 26
5. Physiologische Grundlagen des EEG 32
6. Differentialdiagnose 46
7. Therapie 51
8. Fahrtauglichkeit 78
9. Status epilepticus 81
10. Wichtige Epilepsie-Syndrome 87
11. Referenzen 95
DIAGNOSE UND THERAPIE DER EPILEPSIE 94
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