bachelorarbeit carina neu 19012014 · 2019. 4. 29. · bachelorarbeit im studiengang angewandte...
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Bachelorarbeit
im Studiengang
Angewandte Medien
Schwerpunkt
Medien-, Sport-, Eventmanagement
Prof. Dr. Altendorfer
Prof. Dr. Rommerskirchen
vorgelegt von
Carina Neu
Verein und Ultras -
ein angespanntes
Verhältnis
Kann mithilfe von Customer Relationship Management die Verein-Ultra-Beziehung im deutschen Profifußball verbessert werden?
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Fakultät: Medien
BACHELORARBEIT
Thema der Bachelorarbeit
Verein und Ultras -ein angespanntes Verhältnis
Kann mithilfe von Customer Relationship Management die Verein-Ultra-Beziehung im deutschen Profifußball verbessert werden?
Autorin:Frau Carina Neu
Studiengang:Angewandte Medien
Seminargruppe:Medien-, Sport-, Eventmanagement
Erstprüfer:Prof. Dr. Altendorfer
Zweitprüfer:Prof. Dr. Rommerskirchen
Einreichung:Olpe, den 22.01.2014
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Faculty of Media
BACHELOR THESIS
Topic of thesis
Football clubs and ultras -a tense relationship
Can the relationship between German football clubs and ultras be improved by using Customer
Relationship Management?
author:Ms. Carina Neu
course of studies:media
seminar group:management of media, sports and events
first examiner:Prof. Dr. Altendorfer
second examiner:Prof. Dr. Rommerskirchen
submission:Olpe, 22/01/2014
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Bibliografische Angaben
Nachname, Vorname: Neu, Carina
Thema der Bachelorarbeit: Verein und Ultras - ein angespanntes Verhältnis. Kann
mithilfe von Customer Relationship Management die Verein-Ultra-Beziehung im
deutschen Profifußball verbessert werden?
62 Seiten, Hochschule Mittweida, University of Applied Sciences,
Fakultät Medien, Bachelorarbeit, 2014
Abstrakt
Ultras fallen durch ihr extremes Verhalten auf. Zum einen sorgen sie mithilfe von
Vereinsgesängen, Fahnen, Banner und Choreografien für eine unvergessliche
Stimmung in den deutschen Stadien. Deshalb sind sie für die Vereine sehr wichtig.
Andererseits nehmen die Maßnahmen zur Unterstützung des eigenen Vereins immer
extremere Ausmaße an. Pyrotechnik und Gewalt sind heute Alltag bei Fußballspielen
in der Bundesliga. Diese Entwicklung in der Ultraszene hat in den vergangenen Jahren
zu einigen Ausschreitungen in der Fußballbundesliga geführt.
In der vorliegenden Arbeit soll diese Problematik ausgeführt werden, mit dem
Augenmerk darauf, ob sich Customer Relationship Management (CRM) positiv auf die
Ultraszene in der Fußballbundesliga auswirken und eine Verringerung an
Ausschreitungen und Gewalt bewirken kann.
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- II -
1.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung ........................................................................................ 1 1.1 Hinführung zum Thema ................................................................................ 2
1.1.1 Problemstellung und Zielsetzung............................................................. 2 1.1.2 Forschungsstand ..................................................................................... 3 1.1.3 Aufbau der Arbeit ..................................................................................... 4
2 Grundlagen zur Fragestellung ....................................................... 5 2.1 Ökonomie des Fußballs ................................................................................ 5
2.1.1 Entwicklung der Sportökonomie in Deutschland ..................................... 5 2.1.2 Wirtschaftliche Bedeutung des Fußballs ................................................. 8
2.1.2.1 Professionalisierung ................................................................................................. 9 2.1.2.2 Finanzierung ............................................................................................................. 9 2.1.2.3 Eventisierung .......................................................................................................... 10
2.2 Definition Customer Relationship Management .......................................... 11 2.3 CRM für Fußballunternehmen .................................................................... 14
2.3.1 CRM-Strategien ..................................................................................... 15 2.3.1.1 Phasenbezogene Strategien .................................................................................. 15 2.3.1.2 Geschäftsfeldbezogene Strategien ........................................................................ 16 2.3.1.3 Kundengerichtete Strategien .................................................................................. 17
2.4 CRM in Bezug auf Ultras-Gruppierungen ................................................... 19 2.5 Fußballpublikum in Deutschland ................................................................. 19
2.5.1 Fanszene ............................................................................................... 20 2.5.1.1 Normalo .................................................................................................................. 21 2.5.1.2 Kuttenfan ................................................................................................................ 22 2.5.1.3 Hooligans ................................................................................................................ 22
2.5.2 Ordnungsinstanzen ............................................................................... 23 2.6 Ultras-Gruppierungen ................................................................................. 24
2.6.1 Entstehung der Ultrabewegung in Deutschland .................................... 24 2.6.2 Werte und Selbstverständnis ................................................................. 25 2.6.3 Struktur und Organisation ...................................................................... 27 2.6.4 Selbstdarstellungsformen ...................................................................... 27 2.6.5 Demonstrationskultur ............................................................................. 28 2.6.6 Feindbilder ............................................................................................. 30
2.6.6.1 Polizei ..................................................................................................................... 30 2.6.6.2 DFB/DFL und UEFA/FIFA ...................................................................................... 31
3 Methode ......................................................................................... 32 4 Ergebnis ........................................................................................ 35
4.1 Momentane Gewaltsituation durch Ultras in deutschen Stadien ................. 35 4.2 Maßnahmen für eine erfolgreiche Verein-Fan-Beziehung .......................... 40
5 Diskussion und Handlungsempfehlung ...................................... 45 6 Literaturverzeichnis ...................................................................... 48
6.1 Kommentiertes Verzeichnis ........................................................................ 52 6.1.1 Brenner, David (2009) ........................................................................... 52 6.1.2 Bruhn, Manfred (2013) .......................................................................... 52 6.1.3 Pilz G.A. et. al. (2006) ........................................................................... 53 6.1.4 Zeltinger, Julian (2004) .......................................................................... 54
7 Anhang .......................................................................................... 55 1
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- III -
Formelverzeichnis:
„Flow“: Flow beschreibt ein holistisches Gefühl bei völligem Aufgehen einer Tätigkeit.
Charakteristisch für Flow-Erlebnisse sind u. a. auch Eigenschaften wie das
Verschmelzen von Handlung und Bewusstsein sowie der Verlust des Selbst.2
„Share of Wallet“:Share of Wallet entspricht dem Anteil der Kaufkraft eines Kunden, der
bei einem Unternehmen verbleibt. dabei werden intensive und langfristige
Kundenbeziehungen angestrebt.3
„Cross Selling“: Quer- oder Kreuzverkauf (engl. cross selling) ist der Verkauf von
ergänzenden Produkten oder Dienstleistungen eines Herstellers. So kann der
Umsatz pro Auftrag erhöht werden.4
„Segment of One Approach“: Der Segment of One Approach ist eine ausdifferenzierte
Form der differenzierten Kundenbearbeitung. Hierbei erfolgt die Bedienung der
Kundenbedürfnisse nicht nach Zielgruppen, sondern anhand einzelner
Kunden.5
Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 1: CRM-Strategien in Fußballunternehmen .............................................. 15
Abbildung 2: Strukturierung der Fanszene ................................................................ 21
Abbildung 3: Einordnung der Fantypologien nach Gefahrenpotenzial ...................... 23
2 vgl. Csikszentmihlyi (1985) 3 vgl. Zeltinger (2004), S.45 4 vgl. Homburg/Schäfer (2002), S. 7-26 5 vgl. Zeltinger (2004), S.114
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Einleitung
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1 Einleitung
Dass das Runde ins Eckige muss, hatte Helmut Schulte schon vor einigen Jahren
richtig erkannt. Fußball ist Deutschlands Nationalsportart. Und das nicht unbegründet,
denn für viele Menschen ist Fußball ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Vor allem
seit der WM 2006 im eigenen Land sind die Deutschen im Fußball-Fieber. Millionen
Zuschauer verfolgen die Fußballspiele der 1. Bundesliga vor dem Fernseher oder live
im Stadion.
Durch die riesige Popularität hat sich das Sportereignis Fußball über die Jahre zu
einem massenkulturellen Event entwickelt, das mit der einhergehenden
Kommerzialisierung und Professionalisierung enorme Veränderungen bei den
Fußballunternehmen hervorruft.6 Das bestätigt auch der neuste Bericht der Deutschen
Fußball Bundesliga. Erstmals wurde in der Saison 2012/2013 ein Rekordumsatz von
zwei Milliarden Euro in der 1. Bundesliga erreicht. Damit haben die Clubs ihre
Gesamteinkünfte im letzten Jahrzehnt quasi verdoppelt. Die Bundesliga ist die klare
Nummer Eins aller Fußballligen weltweit, wenn es um die Zuschauerzahlen geht. Im
Schnitt kamen über 42.000 Besucher zu jedem Spiel in die Stadien.7
Fußball in Deutschland hat sich also in den letzten Jahrzehnten sehr gewandelt. Das
ist auch an der Ausstaffierung verschiedener Fankulturen zu erkennen. Eine davon
sind die Ultras-Gruppierungen, die in deutschen Stadien eine besondere Rolle spielen.
Sie sehen sich selbst als die einzig wahren Fans und wollen sich bewusst von dem
passiven Zuschauer abheben.8 Die Gruppierungen entstanden Mitte der 90er Jahre,
als die Stimmung auf den Kurventribünen deutscher Stadien zunehmend schlechter
wurde. Sie stehen der Kommerzialisierung und der Eventisierung des Fußballs kritisch
gegenüber und agieren deshalb unabhängig von den Vereinen.9 Um ihre Mannschaft
gebührend anzufeuern, setzen sie neben akustischen Elementen, wie Gesängen oder
Trommeln, auch visuelle Elemente, wie Fahnen, Banner, Choreografien oder
verbotenerweise Pyrotechnik, ein.10
Laut Pilz besitzen die Ultras vier Feindbilder: die gegnerischen Ultras, die Medien, die
Polizei und den Deutschen Fußball Bund (DFB).11 Ultras fallen durch ihr extremes
Verhalten auf. Sie sorgen mithilfe von Vereinsgesängen, Fahnen, Bannern und
6 vgl. Brenner (2009), S. 41 7 vgl. Bundesliga Report (2013), S.2 8 vgl. Pilz (2006), S.72 9 vgl. Pilz (2006), S.71 10 vgl. Brenner, (2009) S. 76f 11 vgl. Pilz (2006) S.135f
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Einleitung
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Choreografien für eine unvergessliche Stimmung in den deutschen Stadien. Deshalb
sind sie für die Vereine sehr wichtig. Ein Ultra steht in einer platonischen
Liebesbeziehung zu seiner Mannschaft.12 Der Verein ist Teil seines Lebens.
Andererseits nehmen die Maßnahmen zur Unterstützung des eigenen Vereins immer
extremere Ausmaße an. Pyrotechnik und Gewalt sind heute Alltag bei Fußballspielen
in der Bundesliga. Doch obwohl gewalttätiges Verhalten der Fußballfans in der Saison
2012/2013 insgesamt zurückgegangen ist, nimmt der Organisationsgrad für
gewaltbereite Potenziale innerhalb der Ultraszene immer weiter zu. Beispielsweise wird
die Gruppendynamik bei einem geschlossenen Eintreffen am Stadion genutzt, um
durch die entstehende Drucksituation im Eingangsbereich einen Blocksturm zu
initiieren und ohne Kontrollen und teilweise auch ohne Eintrittskarten ins Stadion zu
gelangen und gegebenenfalls Pyrotechnik einzuschleusen.13
Diese Entwicklung in der Ultraszene hat in den vergangenen Jahren zu einigen
Ausschreitungen in der 1. Fußballbundesliga geführt. Nicht zuletzt der Vorfall am
26. Oktober 2013 beim Revierderby zwischen Schalke 04 und Borussia Dortmund, bei
dem randalierende Dortmund-Fans in der Gelsenkirchener Arena Pyrotechnik
anzündeten und auf das Spielfeld und in andere Sitzblöcke warfen, zeigt, wie ernst die
Lage ist.14
Bei solchen Vorfällen bleiben viele Fragen unbeantwortet: Warum hegen Ultras
gegenüber den gegnerischen Ultras und dem DFB eine solche Abneigung? Wieso
gefährden sie mit derart beängstigenden Maßnahmen die Sicherheit in deutschen
Stadien? Aber vor allem stellt sich die Frage:
Wie können Ausschreitungen und Gewalt bei Bundesliga-Fußballspielen in deutschen
Stadien in Zukunft verhindert werden?
1.1 Hinführung zum Thema
1.1.1 Problemstellung und Zielsetzung
Diese Problematik wird in der vorliegenden Arbeit weiter ausgeführt. Besonderes
Augenmerk gilt der Frage, ob sich Customer Relationship Management (CRM) positiv
auf die Ultraszene in der Fußballbundesliga auswirken, eine Verringerung an
12 vgl. Interview Meinolf Sprink 13 vgl. Jahresbericht ZIS (2012/2013), S.7 14 vgl. dpa (26.10.2013)
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Einleitung
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Ausschreitungen und Gewalt bewirken und somit zu einem besseren Verhältnis von
Verein und Ultras beitragen kann.
Um diese Frage beantworten zu können, ist es erforderlich, sich vorerst gründlich mit
den einzelnen Merkmalen der Thematik Profifußball auseinanderzusetzen.
Ein bedeutender Gesichtspunkt sind sicherlich die ökonomischen Faktoren des
Fußballs in der Bundesliga und welche Entwicklungen diese vollzogen haben. Diese
Faktoren werden in dem Kapitel 2.1 genauer untersucht.
Des Weiteren ist der Begriff Customer Relationship Management auf den Bereich des
Profifußballs einzugrenzen und genau zu definieren, welches in den Kapiteln 2.2. bis
2.4. geschieht, um zu konkludieren, in welcher Weise CRM nützlich für
Fußballunternehmen sein könnte.
In Kapitel 2.5 wird das Fußballpublikum betrachtet, indem das Publikum in die
einzelnen Fangruppen aufgeteilt wird, um jede Gruppe charakterisieren zu können.
Daraufhin wird in 2.6 die Ultraszene ausreichend analysiert. Welche Ziele und
Absichten verfolgen sie zu welchem Zweck? Welche Werte werden ihnen zugeteilt und
welche Bezugsgruppen haben sie? In Kapitel 3 wird die Methodik, die die vorliegende
Arbeit verfolgt, näher erläutert.
Wurde sich ein ausreichender Überblick über die Problematik verschafft, gilt es in
Kapitel 4 zu klären, welche Bedeutung die Ultra-Gruppierung für den Verein und das
Fußballunternehmen hat und wie sie auf andere Fankulturen, Polizei,
Sicherheitsdienste und andere Fußballakteure wirkt.
Abschließend wird in Kapitel bewertet, inwieweit sich die aktuelle Situation in
deutschen Stadien mithilfe von CRM entspannen lässt. Ob beispielsweise eine
intensive, ständige und bestenfalls auch persönliche Kommunikation von Verein zu
Fan Straftaten und gewalttätiges Verhalten seitens der Ultras minimieren kann.
1.1.2 Forschungsstand
Im letzten Jahrzehnt ist der Forschungsstand im Bereich des Profifußballs quantitativ
aber auch qualitativ gewachsen. Mit der Kommerzialisierung und Professionalisierung
des Fußballs wuchs auch die Anzahl der wissenschaftlichen Arbeiten über die
Ökonomie des Fußballs.
Schilhaneck beschreibt zunächst die Entwicklung des Fußballs, von Beginn des
19. Jahrhunderts bis hin zu heutigen Verhältnissen.15 Hammann und Schmidt befassen
sich mit den ökonomischen Aspekten des Fußballs aus volks- und
15 vgl. Schilhaneck (2008), S.1
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Einleitung
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betriebswirtschaftlicher Sicht. Sie beleuchten alle Perspektiven, angefangen bei der
wirtschaftlichen Bedeutung des Fußballsports und dessen Märkten bis hin zur
Ligaorganisation des professionellen Fußballs.16 Bruhn und Raab/Werner definieren
Relationship Marketing aus strategischer Sicht. Während Bruhn die
branchenübergreifenden Gemeinsamkeiten des CRM-Ansatzes im
Gesamtzusammenhang darstellt,17 wollen Raab und Werner die Grundlagen von CRM
Studierenden und Praktikern vermitteln.18
Berlin und Zeltinger geben einen Überblick über die Grundlagen des Relationship
Marketings, wobei sich Berlin hauptsächlich mit der Kundenbindung im Zuschauersport
beschäftigt.19 Zeltinger hingegen erklärt sehr detailliert den Customer-Relationship-
Management-Ansatz in Bezug auf Fußballunternehmen, mit dem Ziel CRM der
Fußballbranche schmackhaft zu machen.20
Sommerey bezieht sich wiederum auf die Zuschauerentwicklung im Fußball im Hinblick
auf die Entstehung des Fußballfans und seiner Bedeutung im Stadion. Er beschreibt
zudem die Ausdifferenzierung der Fanszene, charakterisiert die einzelnen Fan-
Gruppierungen und stellt insbesondere die Ultras-Kultur sehr ausführlich dar.21 Auf die
sozialen Aspekte des Zuschauers gehen Pilz, Behn et. al. ebenfalls ein. Sie
beschäftigen sich mit den Interessen und den Werten der Fußballzuschauer und
welche Stellung sie in der Gesellschaft einnehmen.22
Schlussendlich existiert sehr viel Literatur zu CRM im Profifußball, dem Verhalten der
Zuschauer und ihrer Bedeutung für Fußballunternehmen. Vor allem die sozialen
Aspekte der Ultras-Gruppierungen werden häufig analysiert und charakterisiert.
Welche Auswirkungen CRM auf Ultras im professionellen Fußballsport hat, wurde
jedoch kaum behandelt. Genau diese Problematik wird in dieser Arbeit aufgegriffen
und thematisiert.
1.1.3 Aufbau der Arbeit
Im ersten Teil dieser Arbeit werden zunächst die Grundlagen der Fragestellung
behandelt, um sich einen Überblick über die Thematik verschaffen zu können. Hierbei
wird die ökonomische Situation des professionellen Fußballs in Deutschland und seine
16 vgl. Hammann/Schmidt (2004), S.3 17 vgl. Bruhn (2013), S.1f 18 vgl. Raab/Werner (2009), S.11f 19 vgl. Berlin (2012), S.20 20 vgl. Zeltinger (2004), S.1 21 vgl. Sommerey (2010), S.7 22 vgl. Pilz (2006), S.11
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Grundlagen zur Fragestellung
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Entwicklung beleuchtet. Daraufhin wird der strategische Marketingansatz Customer
Relationship Management definiert und auf den Fußballsport eingegrenzt. Daraus
ergibt sich ein CRM-Ansatz speziell für Fußballunternehmen in Deutschland. Ferner
werden die verschiedenen Fan-Kulturen beschrieben und in die Gruppierungen
Normalos, Kuttenfan, Hooligans und Ultras unterteilt, um sich ein Bild der Fußballfans
in Deutschland machen zu können. Anschließend wird die Ultraszene ausführlich
beschrieben.
Im zweiten Teil wird die Methode, die diese Arbeit verfolgt, beschrieben und begründet.
Im letzten Teil werden einerseits Interviews mit verschiedenen, für den Profifußball
wichtigen Akteuren, wie dem Marketingleiter von Bayer 04 Leverkusen und dem
Kriminologen Prof. Dr. Thomas Feltes, analysiert und andererseits Artikel aus der
Zeitschrift „die Kriminalpolizei rät“ und zusätzliche Unterlagen des Kriminologen Feltes
begutachtet. Die daraus resultierenden Aussagen und Standpunkte werden mit den
Grundlagen der Thematik in Zusammenhang gebracht und verglichen. Die
gewonnenen Ergebnisse werden abschließend in der Diskussion kritisch bewertet,
damit eine Handlungsempfehlung abgegeben werden kann.
2 Grundlagen zur Fragestellung
In diesem Kapitel werden alle Grundlagen zur Fragestellung beschrieben und erklärt,
um alle inhaltlichen Komponenten, die für die vorliegende Arbeit von Bedeutung sind,
zu erfassen. Die genaue Betrachtung der Grundlagen zur Fragestellung ist wichtig, um
sich ein umfassendes Bild von der Problematik zur Gewalt durch Ultras in deutschen
Fußballstadien machen zu können. Deshalb werden in diesem Kapitel folgende
Grundlagen aufgearbeitet: die Ökonomie des Fußballs, bei der auf die wirtschaftliche
Bedeutung des Fußballs näher eingegangen wird, die Definition des Begriffs Customer
Relationship Management und seinen Bezug auf die Ultras-Gruppierungen und das
Fußballpublikum in Deutschland, insbesondere die Ultraszene.
2.1 Ökonomie des Fußballs
2.1.1 Entwicklung der Sportökonomie in Deutschland
Im Folgenden wird die Entwicklung des Fußballsports von seinen Anfängen über die
Gründung der deutschen Fußballliga bis hin zur heutigen Situation zusammengefasst.
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Grundlagen zur Fragestellung
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Englische Kaufleute und Studenten brachten den Fußball nach Deutschland und
machten auf der Suche nach Mitspielern und Gegnern das Spiel populär.23 Zunächst
verbreitete sich der Fußball eher schleppend, weil sich mit dem Turnen bereits eine
andere Sportart etabliert hatte. Der Braunschweiger Lehrer Konrad Koch ließ Fußball
als erstes an deutschen Schulen spielen und wird heute deshalb als Vater des
deutschen Fußballs betrachtet. Er war maßgeblich an der Verbreitung von Fußball in
Deutschland beteiligt.24 Bald gründeten sich erste Fußballvereine und
Fußballverbände, um Meisterschaften zu organisieren. 1900 wurde der Deutsche
Fußballbund (DFB) gegründet und in der Saison 1902/1903 wurde die erste deutsche
Fußballmeisterschaft ausgespielt.25 In den Jahren 1918 bis 1933 gelingt der
Durchbruch zum Massen- und Zuschauersport.26 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden
1948 die Oberliga und der Vertragsspielerstatus eingeführt, wobei der maximale
Vertragsspielerbezug 320 DM betrug.27 Mit der Erfindung des Fernsehens in den 50er
Jahren kam es zu einer großen Veränderung der Medienlandschaft. Im Jahr 1952
übertrug der Nordwestdeutsche Rundfunk zum ersten Mal ein Meisterschaftsspiel.
1958 wurde der erste TV-Vertragsabschluss zwischen dem Deutschen Fußballbund
und der ARD realisiert, was als der Anfang der Vermarktung der
Fernsehübertragungsrechte gilt. Mit der Gründung der Fußball-Bundesliga im Jahr
1963 erfuhr der Fußball in Deutschland die Anfänge der Professionalisierung.28 Dies
brachte einige grundlegende Veränderungen mit sich, insbesondere die
Neuorganisation des Spielbetriebs und die Festlegung des Lizenzspielerstatus.29
Dadurch war es den Fußballspielern möglich, als bezahlte Angestellte beschäftigt zu
werden. 1966 wurden erstmalig die TV-Übertragungsrechte an die öffentlich-
rechtlichen Sender übergeben. Durch diese Entwicklung gewann das Fernsehen für
die Proficlubs an ökonomischer Bedeutung. Die Einnahmen durch die
Übertragungsrechte wurden für die Bundesligisten zum zweiten Standbein, zumal die
Besucherzahlen gleichzeitig rückläufig waren.30 Hier wird auch von den ersten
Schritten der Kommerzialisierung der professionellen Fußballvereine gesprochen.
Weitere Meilensteine sind die Legitimation der Vermarktungsform des
Sportsponsorings durch das Mainzer Landgericht 1970 und die Neuregelung des DFB
23 vgl. Bausenwein (1995), S.88 24 vgl. Hopf (1979), S.42 25 vgl. König (2002), S. 9 26 vgl. Schilhaneck (2008), S. 5f 27 vgl. Schilhaneck (2008), S. 10 28 vgl. Friedmann (2009), S. 4 29 vgl. Schilhaneck (2008), S. 12 30 vgl. Schilhaneck (2008), S.16
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Grundlagen zur Fragestellung
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auf Spielkleidung zu werben.31 Eintracht Braunschweig war der erste Bundesligaverein,
der einen Aufdruck des Sponsors Jägermeister auf seinem Trikot trug. In dem
nächsten Jahrzehnt nahm die Zahl der Vermarktungsformen durch Sponsoren bei
Bundesligisten enorm zu, sodass sich die Trikotwerbung zur zweitwichtigsten
Finanzierungsform für die Erstligisten entwickelte. Durch die Fußball-WM 1974 im
eigenen Land wuchs die Fanartikelvermarktung rasant an. Zudem wurden viele
Sportanlagen erneuert, was dazu führte, dass viele Erstligisten ihre Umsätze langfristig
steigern konnten.32
In Folge der Gründung von privaten Senderanstalten, die ebenfalls an der
Ausstrahlung der Bundesligafußballspiele interessiert waren, nahm der Wettbewerb um
die Übertragungsrechte stetig zu. 1988 erwarb RTL die exklusiven Übertragungsrechte
für drei Spielzeiten für insgesamt 135 Millionen DM. Die Einschaltquoten stiegen
enorm, was zu einer erheblichen Steigerung der Vermarktungsmöglichkeiten für die
Bundesligisten führte.33
Der deutsche Lizenzfußball wurde in den 90er Jahren durch das Bosman Urteil
geprägt. Der juristische Beschluss schaffte die Ablösezahlungen für Spieler bei einem
Vereinswechsel nach Ablauf des Vertrages ab. Das hatte zur Folge, dass Spieler
deutlich höhere Gehälter aushandeln konnten und sich somit die Personalkosten
verdoppelten.34 Weitere ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen, wie das
Verbot der Zentralvermarktung und die Zulassung von Kapitalgesellschaften, haben
den professionellen Fußball Mitte der 90er Jahre geprägt. Der Bundesgerichtshof
untersagte am 11.12.1997 die zentrale Vermarktung der Heimspiele der deutschen
Teilnehmer am UEFA-Cup und am Europapokal mit der Begründung, dass die zentrale
Vermarktung den freien Wettbewerb um die Übertragungsrechte der Vereine
behindere. So musste konsequenterweise auch davon ausgegangen werden, dass die
grundsätzlich zentrale Vermarktung der TV-Übertragungsrechte der Bundesliga
verboten werden könnte. Um dem entgegenzuwirken, erarbeitete der DFB zusammen
mit dem Bundesrat eine Ausnahmeregelung für den Sport, sodass das Gesetz gegen
Wettbewerbsbeschränkung eine Sonderregelung beinhaltet, welche die zentrale
Vermarktung von Fernsehübertragungsrechten von Sportveranstaltungen unter
bestimmten Bedingungen gestattete. Am 24.10.1998 wurden neben den non-profit
Vereinen auch Kapitalgesellschaften für den Betrieb der Bundesliga zugelassen. So
31 vgl. Schilhaneck (2008), S.23 32 vgl. Schilhaneck (2008), S.24f 33 vgl. Schilhaneck (2008), S. 29ff 34 vgl. Schilhaneck (2008), S. 45
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Grundlagen zur Fragestellung
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konnten die Bundesligavereine die Lizenzspielerabteilung in eine Kapitalgesellschaft
umwandeln.35
Die Gründung der Gesellschaften „Ligaverband e.V“. und „Deutsche Fußball Liga
GmbH“ bewirkte eine Ausgliederung des professionellen Fußballs und sollte die
Bundesliga stärken. Der Ligaverband stellt einen Mitgliedsverband der
36 Bundesligisten des DFB dar. Die Deutsche Fußball Liga GmbH führt das operative
Tagesgeschäft des Ligaverbandes. Das hatte eine Verselbstständigung des deutschen
Lizenzfußballs und eine verbesserte Ligenorganisation zur Folge.36 Durch die
Insolvenz der Kirch Media AG befand sich die Deutsche Fußball Liga vom Jahr 2002
an in der bislang schwerwiegendsten Finanzkrise. Die Kirch Media AG erwarb die
Übertragungsrechte in den Bereichen Free TV, Pay TV und Internet für vier Spielzeiten
für drei Milliarden DM. Allerdings gestaltete sich die Refinanzierung der erworbenen
Rechte als problematisch und so sah sich der Konzern gezwungen einen
Insolvenzantrag zu stellen. Dies hatte fatale Folgen für die Bundesligisten. Durch die
fehlenden Zahlungen der Kirch Media AG gerieten viele Bundesligisten in
Insolvenzgefahr. Ab der Saison 2004/2005 vermarktete die Deutsche Fußball Liga
GmbH die Übertragungsrechte eigenständig und erzielte für die Spielzeiten 2006/2007
bis 2008/2009 Lizenzerlöse von 420 Millionen €.37 In der Saison 2008/2009 hatte die
erste Fußballbundesliga einen Zuschauerdurchschnitt von 42.521 Zuschauern pro
Spiel.38
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass der deutsche Fußball in den letzten
Jahrzehnten einen großen Wandel erfahren hat. Durch die Professionalisierung der
Fußballvereine und die Veränderungen der Vermarktungsbedingungen verdient der
Profifußball inzwischen Milliardenbeträge. Die wirtschaftliche Bedeutung und die
Märkte des Fußballs werden im folgenden Abschnitt näher erläutert.
2.1.2 Wirtschaftliche Bedeutung des Fußballs
Der Profifußball ist zur Unterhaltungsware geworden, von der Spieler, Vereine,
Verbände, aber auch Medien und Wirtschaftsunternehmen profitieren.39
In dem Abschnitt der Entwicklung der Sportökonomie lassen sich mehrere
Veränderungen des professionellen Fußballs im Laufe der letzten Jahrzehnte
35 vgl. Schilhaneck (2008), S. 47 ff 36 vgl. Schilhaneck (2008), S. 50f 37 vgl. Schilhaneck (2008), S. 52ff 38 vgl. Sommerey (2010), S.30 39 vgl. Hammann/Schmidt/Welling, 2004, S.14
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Grundlagen zur Fragestellung
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erkennen. Diese sollen folglich in Zusammenhang mit dem Fußballpublikum in
Deutschland gestellt werden.
2.1.2.1 Professionalisierung
Im Laufe der Professionalisierung des Fußballs haben sich die Strukturen der Vereine
verändert. Grundsätzlich wurde ein Verein durch Freiwilligkeit, Ehrenamtlichkeit,
demokratische Strukturen und non-profit Philosophie gekennzeichnet.40 Diese
Auffassung ist jedoch verjährt. Vereine haben sich zu Wirtschaftsunternehmen
entwickelt, die nach Gewinn streben.41 Zurückzuführen ist dies, wie in 2.1.1 schon
beschrieben, auf die Gründung von Kapitalgesellschaften. Einen großen Einfluss hat
auch die technische Entwicklung. „Fußball wird zu einem Gemeinschaftsprodukt, das
im Wettbewerb der Mannschaften untereinander produziert“ wird und „die Fans
[werden] Gegenstand eines Relationship Managements.“42 Für die Fußballfans haben
diese Veränderungen enorme Auswirkungen:„Fans sind in dieser Sichtweise zu
Kunden geworden: zahlende Fernsehzuschauer, Zielgruppe der Sponsorenwerbung,
Adressaten dickleibiger Fanartikel-Kataloge.“43 Somit ändert sich nicht nur die
Sichtweise des Vereins auf die Fans, sondern auch das Verhältnis zwischen Fan und
Verein. Der Fan verliert aufgrund der Kommerzialisierung und der Professionalisierung
der Vereine an Bedeutung und wird nur noch als Konsument und Kunde gesehen. Die
Folge ist eine erhebliche Distanzierung seitens der Vereine zu seinen Fans.
2.1.2.2 Finanzierung
Die Kommerzialisierung und die damit einhergehende zunehmende Vermarktung des
Fußballs haben zu einer veränderten Zusammensetzung der Finanzierung der Vereine
geführt. Anfangs finanzierten sich Vereine vor allem aus Mitgliedseinnahmen,
Stadionbesuchen und Spenden.44 Das ist heute nicht mehr der Fall. Heutzutage bilden
sich die Einnahmen der Vereine aus folgenden Bestandteilen: Mitgliedsbeiträge,
Ticketverkäufe, Sponsoring, Merchandising, Fernsehgelder und eventuelle
Überschüsse aus Spielerverkäufen.45 Die Einnahmen aus Werbung und Sponsoring
spielen derzeit die bedeutendsten Faktoren für die Vereine, wohingegen die
40 vgl. Brenner 2009, S. 41 41 vgl. Brenner, 2009, S. 41 42 Brenner, 2009, S. 42 43 Schulze-Marmeling 2000, S. 232 44 vgl. Brenner 2009, S.42 45 vgl. Lehmann/Weigand 2002, S.100
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Grundlagen zur Fragestellung
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Spieltagseinnahmen an Bedeutung verloren haben.46 Diese Tendenz beeinflusst auch
die Fanszene. Viele Bundesligavereine sind finanziell abhängig von den Medien. Somit
ist die Beeinflussung der Vereine durch die Medien aufgrund ihrer Relevanz sehr
hoch.47 Der Einfluss der Medien, insbesondere durch die TV-Übertragung der
Bundesligaspiele, hat zu einer Zerstückelung des Spieltags geführt. Die Spiele werden
über das gesamte Wochenende verteilt und ausgestrahlt.48 So wird es bei der
Ansetzung von Spielen an einem Sonntagabend für einige Fans schwierig ihre
Vereinsmannschaft zu einem Auswärtsspiel zu begleiten. Diese Entwicklung wird von
vielen Fans kritisch beäugt.49
2.1.2.3 Eventisierung
Das Image des Fußballsports hat sich gewandelt. Moderne und komfortable Stadien
sorgten für Interesse am Fußball in allen Bevölkerungsschichten. Vor allem die
Weltmeisterschaft 1990 bewies die Gesellschaftsfähigkeit des Fußballs in
Deutschland.50 Der professionelle Fußball ist zu einem Teil der Unterhaltungsindustrie
geworden, bei dem sogar das Fußballspiel selbst in den Hintergrund geraten kann. Der
Besuch wird zu einer inszenierten und kommerziellen Veranstaltung.51 Durch die
Eventisierung soll bei dem Zuschauer ein emotionales Erlebnis entstehen. Traditionelle
Fans kritisieren diese Entwicklung. Der Fußball verliere seinen Charme und das
Urtümliche, was die Faszination Fußball ausmacht.52
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Veränderungen der ökonomischen
Faktoren im professionellen Fußball für die Fans spürbar sind, da sich die
wirtschaftliche Bedeutung des Fußballs geändert hat. Die Professionalisierung, die
Finanzierung und die Eventisierung haben maßgeblich zu Veränderungen der Club-
Fan-Beziehung beigetragen.
46 vgl. Brenner, 2009, S. 43 47 vgl. Lehmann/Weigand, 2002, S.105 48 vgl. Brenner 2009, S. 45 49 vgl. Brenner, 2009, S.45 50 vgl. Brenner 2009, S. 49 51 vgl. Brenner 2009, S. 50 52 vgl. Brenner 2009, S.50
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Grundlagen zur Fragestellung
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2.2 Definition Customer Relationship Management
Aufgrund der deutlich spürbaren Wettbewerbsverschärfung innerhalb der Wirtschaft
und den damit einhergehenden gesättigten Märkten und austauschbaren Produkten
mit immer kürzeren Produktlebenszyklen konnte sich der CRM-Ansatz innerhalb
kürzester Zeit etablieren.53 Denn die Ansprüche der Kunden wachsen stetig in Bezug
auf Qualität, Preis und zuverlässigen Service. Unternehmen möchten den Vorsprung
zu ihren Mitstreitern beibehalten und sich die Wettbewerbsvorteile sichern. Deshalb
rückt der Kunde immer mehr in den Mittelpunkt unternehmerischer Aktivitäten.54 Mit
mangelnden Kundenbeziehungen werden Stammkunden vergrault und kaufen bei der
Konkurrenz. Die Folge ist ein enormer finanzieller Schaden des Unternehmens.55
Deshalb ist die Betrachtung der Kundenbeziehung aus ökonomischer Sicht zur
entscheidenden Zielsetzung geworden.
„Kenne deine Kunden und du weißt, was sie kaufen.“56
Laut Raab und Werner könnte das der Leitspruch von Customer Relationship
Management sein. CRM ist eine Managementphilosophie, die eine komplette
Ausrichtung des Unternehmens auf vorhandene und potentielle Kundenbeziehungen
vorsieht. „Ziel ist das Management dauerhafter und profitabler Kundenbeziehungen.“57
Unerlässlich für den Erfolg von CRM ist, Kundentreue aufzubauen, um eine hohe
Kundenkonstanz zu erzielen und eine lebenslange Beziehung pflegen zu können.
Dabei gilt die Ausrichtung am Kunden und weniger am Produkt des Unternehmens. Die
Unternehmen müssen in der Lage sein, die individuellen Bedürfnisse des Kunden zu
erfüllen und ein hohes Maß an Flexibilität zu entwickeln, damit sie schnell auf die
Wünsche ihrer Kunden reagieren können. Entscheidend ist die gesamte Kontaktkette
eines Unternehmens, vom Erstkontakt bis hin zur Wiederkontaktaufnahme. Anbieter,
die morgen noch den Markt anführen wollen, müssen sich heute schon effizient und
effektiv mit ihren Kunden auseinandersetzen.58
Irrtümlicherweise wird unter Customer Relationship Management oft ausschließlich
eine Software zu Kundenbindungszwecken verstanden.59 Allerdings ist CRM viel mehr
als das. Hubschneider bezeichnet CRM als „eine bereichsübergreifende 53 vgl. Raab/Werner 2009, S. 11 54 vgl. Raab/Werner 2009, S. 11 55 vgl. Raab/Werner 2009, S. 11 56 Raab/Werner 2009, S. 11 57 Raab/Werner 2009, S.11 58 vgl. Raab/Werner (2009), S.12 59 vgl. Hubschneider (2007), S. 12
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Grundlagen zur Fragestellung
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Unternehmensstrategie, die auf den systematischen Aufbau und die Pflege dauerhafter
und profitabler Kundenbeziehungen zielt.“ Diese Strategie wird in vielen Unternehmen
durch eine CRM-Software unterstützt. Sie konsolidiert alle Adress- und Kontaktdaten
unter einer Oberfläche, sodass die Kundenprozesse transparenter und effektiver
gestaltet werden können.60
Berlin und Bruhn benutzen den Begriff Relationship Marketing, der auf Berry (1983)
zurückgeht: „Relationship marketing is attracting, maintaining and - in multi-service
organisations - enhancing customer relationships.“61 Berlin kritisiert, dass diese
Definition zwar den Beziehungsgedanken aufweise, jedoch eher den Begriff Beziehung
umschreibe als das Beziehungsmarketing.62
Bruhn beanstandet, dass es sich um ein rein transaktionsorientiertes Marketing, wie
beispielweise das operative Marketing (4Ps), handle und nicht speziell auf den Kunden
abziele. Demnach weise die Instrumentestrukturierung nach den 4Ps eine mangelnde
Trennschärfe auf, wenn neue Konzepte wie das Qualitäts- oder
Beschwerdemanagement integriert werden sollen.63 Während transaktionsorientiertes
Marketing eher auf die Anbahnung einzelner Transaktionen mit dem Kunden abzielt,
befasst sich das Relationship Marketing mit der Steuerung von Kundenbeziehungen.64
Deshalb definiert Bruhn Relationship Management folgendermaßen:
„Relationship Marketing umfasst sämtliche Maßnahmen der Analyse, Planung,
Durchführung und Kontrolle, die der Initiierung, Stabilisierung, Intensivierung
und Wiederaufnahme sowie gegebenenfalls der Beendigung von
Geschäftsbeziehungen zu den Anspruchsgruppen - insbesondere zu den
Kunden - des Unternehmens mit dem Ziel des gegenseitigen Nutzens
dienen.“65
Aus dieser Definition werden folgende Merkmale von Relationship Marketing
abgeleitet:
Anspruchsorientierung
Managementorientierung
Zeitraumorientierung
Nutzenorientierung
60 vgl. Hubschneider (2007), S. 12f 61 vgl. Berry (1983), S.25 62 vgl. Berlin (2012), S.18f 63 vgl. Bruhn (2013), S. 11 64 vgl. Bruhn (2013), S.12 65 Bruhn (2013), S.12
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Grundlagen zur Fragestellung
- 13 -
Ein Merkmal des Relationship Marketing ist die Beziehung eines Unternehmens zu
seinen Anspruchsgruppen, kurz Anspruchsgruppenorientierung. Die Kunden spielen
die zentrale Rolle, auch wenn sich Marketingaktivitäten auf mehrere
Anspruchsgruppen beziehen können. Demnach wird zwischen Relationship Marketing
im engeren Sinne, ausschließlich die Kundenbeziehungen betreffend, und Relationship
Marketing im weiteren Sinne, die Beziehungen des Unternehmens zu sämtlichen
Anspruchsgruppen, unterschieden.66 Weiterhin werden durch eine
Managementorientierung Maßnahmen der Analyse, Planung, Durchführung und
Kontrolle umgesetzt. So wird ein integrierter Ansatz des Relationship Marketing
dargestellt, sodass sämtliche Marketingmaßnahmen eines Unternehmens
zusammengefasst werden können und auf diesem Weg mit dem Konzept eine
Handlungsorientierung verbunden ist.67
Darüber hinaus beschäftigt sich Relationship Management auch mit der Stabilisierung,
Intensivierung und Wiederaufnahme einer Kundenbeziehung. Diese Maßnahmen
lassen sich mithilfe der Zeitraumorientierung, die den dynamischen Charakter von
Kundenbeziehungen widerspiegelt, und durch das Konzept des
Kundenbeziehungszyklus erreichen.68 Schließlich wird eine Nutzenorientierung
verfolgt, da der gegenseitige Nutzen der Beziehungspartner im Vordergrund steht. In
Bezug auf die Kundenbeziehungen ist die Erfüllung der Kundenbedürfnisse gemeint,
während der Nutzen für das Unternehmen von gewinnbringender Natur ist.69
Bruhn macht deutlich, dass von dieser Definition des Relationship Marketing der Begriff
Customer Relationship Management abzugrenzen ist. Seiner Meinung nach liegt für
CRM keine eindeutige Begriffsdefinition in der Literatur vor, da CRM zum einen als ein
umfassendes, kundenorientiertes, technologiegestütztes Managementkonzept, aber
zum anderen als ein rein technologisches Hilfsmittel zur Bearbeitung von Kundendaten
verstanden wird.70
Es stellt sich also heraus, dass die Begriffsdefinition für Customer Relationship
Management aufgrund ihrer Komplexität und der verschiedenen Sichtweisen
unterschiedlich ausfällt. Des Weiteren wird deutlich, dass der klassische CRM-Ansatz
für den professionellen Fußball nicht ausreicht und erweitert werden muss. Unter
Berücksichtigung sämtlicher Begriffsauffassungen der oben genannten Autoren wird in
der vorliegenden Arbeit hauptsächlich die Begriffserklärung von Bruhn aufgebaut,
66 vgl. Bruhn (2013), S.12 67 vgl. Bruhn (2013), S.14 68 vgl. Bruhn (2013), S.14 69 vgl. Bruhn (2013), S.14 70 vgl. Bruhn (2013), S.14
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Grundlagen zur Fragestellung
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ausgeschlossen seiner Ansicht CRM als Informationstechnologie aufzufassen, weil er
alle Aspekte eines erfolgreichen Kundenbeziehungsmanagement in seiner Definition
vereint. Im Folgenden wird der Relationship-Marketing-Ansatz von Bruhn von Zeltinger
aufgenommen und in Bezug auf die Verwendung von CRM in Fußballunternehmen
erweitert.
2.3 CRM für Fußballunternehmen
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass hinsichtlich des Umfangs des CRM-Ansatzes für
Fußballunternehmen ausschließlich auf die CRM-Strategien eingegangen wird, da
diese zum einen von größtmöglicher Relevanz für diese Arbeit sind und zum anderen
die Erläuterung der organisatorischen Implikationen und der Kundenbewertung den
inhaltlichen Rahmen dieser Arbeit sprengen würden.
Fußballunternehmen sind bezüglich ihrer Einstellung zu ihren Kunden mit den
Industrieunternehmen zu vergleichen. Industrieunternehmen waren früher sehr stark
produktionsfokussiert, wandelten sich jedoch mit der Zeit zu einer kundenorientierten
Handlungsweise. Durch den Wandel von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt
wuchs der Anspruch der Kunden und der Wettbewerbsdruck nahm zu.71 Deshalb
führten viele Unternehmen das Customer Relationship Management ein, um den
Kundenumfang und die Kundenpflege besser handhaben zu können. Ähnliche
Entwicklungen herrschen auch in Fußballunternehmen. Die meisten Clubs
konzentrieren sich weitestgehend auf den sportlichen Bereich und vernachlässigen die
Kundenbeziehungen.72
Die CRM-Thematik stößt deshalb auch bei Fußballunternehmen auf großes
Interesse.73 Um die Beziehungen eines Fußballunternehmens koordinieren zu können,
bedarf es einer CRM-Strategie, die Beziehungen zum Kunden initiiert, aufbaut und
intensiviert, damit die Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches
Kundenbindungsmanagement geschaffen werden können.74 Hierfür ist auch die interne
Kommunikation des Unternehmens von Bedeutung. Die aus der
Unternehmensstrategie abgeleitete Kundenstrategie sollte von jedem Mitarbeiter des
Fußballunternehmens kommuniziert werden können.75 Die CRM-Strategie wird also in
interne und externe Kommunikation unterteilt. Zusätzlich spielt auch der Zeitraum des
71 vgl. Zeltinger (2004), S.97 72 vgl. Zeltinger (2004), S.97 73 vgl. Zeltinger (2004), S.100 74 vgl. Becker (1998), S.140 75 vgl. Bruhn (2001), S.113
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Grundlagen zur Fragestellung
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sportlichen Erfolges eine große Rolle, da sich sportlicher Erfolg der Mannschaft positiv
auf die Kundenbeziehungen und somit auch positiv für das Unternehmen auswirkt.76
2.3.1 CRM-Strategien
Die CRM-Strategien lassen sich in drei Typen unterteilen: phasenbezogene Strategien,
geschäftsfeldbezogene Strategien und kundengerichtete Strategien.77
Eine weitere Unterteilung dieser Strategietypen wird in Abbildung 1 dargestellt und
näher erörtert:
Abbildung 1: CRM-Strategien in Fußballunternehmen78
2.3.1.1 Phasenbezogene Strategien
Die phasenbezogenen Strategien werden in drei Bereiche eingeteilt: die
Kundenakquisitionsstrategien, die Kundenbindungsstrategien und die Kunden-
rückgewinnungsstrategien.
Die Kundenakquisitionsstrategie zielt auf Neukundengewinnung ab. Sie ist am
sinnvollsten, wenn die Stadionkapazitäten nicht vollständig ausgelastet sind.79 Hier
können zwei unterschiedliche Strategien gewählt werden: Bei der
Stimulierungsstrategie werden Anreize geschafft, um potenzielle Kunden zum
Eingehen einer Beziehung mit dem Unternehmen zu bewegen, wie beispielsweise
Sonderaktionen oder Gewinnspiele.80 Mithilfe der Überzeugungsstrategien werden
dem Kunden die Fähigkeiten des Fußballunternehmens und die Erwartungseinhaltung
76 vgl. Zeltinger (2004), S.105 77 vgl. Zeltinger (2004), S.106 78 vgl. Zeltinger (2004), S.106 79 vgl. Zeltinger (2004), S.107 80 vgl. Zeltinger (2004), S.107
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Grundlagen zur Fragestellung
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seiner Kunden, wie zum Beispiel Leistungsnachweise oder die ergreifende Stimmung
im Stadion, näher gebracht.81
Bei der Kundenbindungsstrategie soll die Beziehung des Vereins zum Fan intensiviert
werden, um die Anzahl der treuen Fans zu erhöhen und die Wechselbereitschaft zu
verringern.82 Auch hier können mehrere Strategien ausgewählt werden: Während bei
der Verbundenheitsstrategie ein Bindungszustand auf psychologischen und
emotionalen Ursachen beruht, beschreibt die Gebundenheitsstrategie einen
Bindungszustand, der auf einen bestimmten Zeitraum fixiert ist. Beide Strategien
lassen sich bezüglich einer kurz- oder langfristigen Umsetzung miteinander
kombinieren, indem die Gebundenheit kurzfristig mit Rabatten auf Eintrittskarten und
langfristig mit Vereinsmitgliedskarten gestärkt wird.83 Eine emotionale Bindung kann
beispielsweise kurzfristig mithilfe von Einladungen zu besonderen Veranstaltungen und
langfristig durch sportlichen Erfolg der Mannschaft und die Emotionalisierung der
Produkte vertieft werden.
Die Rückgewinnungsstrategie soll abwanderungsgefährdete Kunden zurückholen.
Mittels einer Ursachenforschung können Gründe der Unzufriedenheit ermittelt werden.
Somit kann eine Verbesserung der Situation angestrebt werden, beispielsweise durch
Verschenken kleiner Merchandising-Produkte oder durch Anpassungen aufgrund von
Zuschauervorschlägen.84
2.3.1.2 Geschäftsfeldbezogene Strategien
Die geschäftsfeldbezogenen Strategien gliedern sich in Geschäftsfeld- und
Marktfeldstrategien. Die Geschäftsfeldstrategie umschreibt die strategischen
Geschäftseinheiten von Fußballunternehmen.85
„Strategische Geschäftseinheiten sind gedankliche Konstrukte, die voneinander
abgegrenzte, heterogene Tätigkeitsfelder eines Unternehmens repräsentieren
und eigenständige Marktaufgaben zu erfüllen haben.“86
Ein solches Geschäftsfeld lässt sich mithilfe des dreidimensionalen Ansatzes von Abell
darstellen.87 Demzufolge werden die Geschäftsfelder anhand von Kundengruppen,
81 vgl. Zeltinger (2004), S.107 82 vgl. Zeltinger (2004), S.108 83 vgl. Bliemel/Eggert (1998), S.39ff 84 vgl. Zeltinger (2004), S.110 85 vgl. Zeltinger (2004), S.111 86 Bruhn (2001) S. 121
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Grundlagen zur Fragestellung
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Funktionserfüllung und Technologien eingegrenzt. Das jeweilige Fußballunternehmen
muss die strategischen Geschäftseinheiten an seine individuellen Eigenschaften, wie
der geographischen Lage, der Wettbewerbsposition oder der Historie, anpassen.88
Die Marktfeldstrategie legt die strategische Stoßrichtung für jede Geschäftseinheit fest
und unterteilt sich in vier Strategietypen.89 Die Marktdurchdringungsstrategie dient der
Intensivierung der bereits bearbeiteten Märkte und soll den Share of Wallet eines
Kunden erhöhen. So sollen Kunden dazu aufgefordert werden, Fußballspiele anstelle
anderer Entertainmentevents zu verfolgen oder Cross-Selling-Produkte zu
konsumieren.90 Durch die Marktentwicklungsstrategie sollen neue Marktsegmente mit
schon existierenden Produkten ausgebaut werden. So können durch das Internet neue
Märkte erschlossen und die Zielgruppe ausgedehnt werden, beispielsweise die
Frauenquote bei Fußballspielen.91 Mit der Produktentwicklungsstrategie soll das
bestehende Produktangebot erweitert werden, wie Reiseangebote zu
Auswärtsspielen.92 Durch die Diversifikationsstrategie sollen Angebote neuer
Leistungen in neuen Märkten geschaffen werden, um neue Kunden zu gewinnen.93
Beispiele hierfür sind das Betreiben eigener Reha-Zentren oder der Aufbau eigener
Fernsehsender.94
2.3.1.3 Kundengerichtete Strategien
Die dritte Komponente ist die kundengerichtete Strategie, die in
Kundenbearbeitungsstrategie und Beziehungsbearbeitungsstrategie unterteilt ist.
Bei den Kundenbearbeitungsstrategien werden verschiedene Vorgehensweisen
angewendet.95 Bei der undifferenzierten Kundenbearbeitung werden Dauerkarten und
Merchandising-Produkte angeboten, die sich an der durchschnittlichen
Erwartungshaltung eines Kunden orientieren. Die differenzierte Kundenbearbeitung
berücksichtigt die individuellen Bedürfnisse der Kundschaft und versucht diese zu
verwirklichen.96 Eine intensive Form der differenzierten Kundenbearbeitung stellt
Mikrogeographie dar, welche auf der Tatsache beruht, dass bei Konsumverhalten eine
87 vgl. Abell (1980) 88 vgl. Zeltinger (2004), S.112 89 vgl. Becker (1998), S.123ff 90 vgl. Zeltinger (2004), S.112 91 vgl. Zeltinger (2004), S.113 92 vgl. Zeltinger (2004), S.113 93 vgl. Bruhn (2001), S.125 94 vgl. Zeltinger (2004), S.113 95 vgl. Kotler (1967), S.111 96 vgl. Zeltinger (2004), S.113
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Grundlagen zur Fragestellung
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Gegenseitigkeit zwischen räumlicher und sozialer Nähe besteht.97 Diese
Wohnbereiche mit hoher Affinität zum Fußballunternehmen können entsprechend
intensiv behandelt werden. Der Segment of One Approach ist ebenfalls eine Form der
differenzierten Kundenbearbeitung. Hierbei werden die Bedürfnisse der Kunden nicht
nach Zielgruppen, sondern individuell bedient.98
Neben der Kundenbearbeitung können Kunden auch individuell durch verschiedene
Beziehungsbearbeitungsstrategien angesprochen werden. Da bei Fußballunternehmen
zehntausende Einzelkunden auf die gleiche Weise behandelt werden, können diese in
einer Gruppe zusammengefasst werden.99 Es werden aktive von reaktiven
Beziehungsbearbeitungen unterschieden. Bei der aktiven Beziehungsbearbeitung wird
die Kundenbeziehung beeinflusst und gesteuert. Hierbei werden Kunden in drei
Kundensegmente eingestuft und der Stufe entsprechend intensiv bearbeitet.100
Beispiele für die aktive Beziehungsbearbeitung sind die Festlegung konkreter
Geschäftsziele für diese Kunden, wie etwa deren Umsatzhöhe in einem festgelegten
Zeitraum. Werden die gesetzten Ziele nicht erreicht, so wird der Kunde in ein
niedrigeres Kundensegment eingestuft.101 Bei der Beziehungsstandardisierung werden
alle Kundenbeziehungen gleichgesetzt.102 Im Gegensatz dazu verfolgt die
standardisierte Beziehungsindividualisierung einen hohen Individualisierungsgrad, der
allerdings aus Mustern von Verhaltenstypologien der Kunden erstellt wurde.103 Die
vollständige Beziehungsindividualisierung kann ausschließlich für ausgewählte Kunden
verwendet werden. Sie stellt sich exakt auf die individuellen Bedürfnisse der jeweiligen
Kunden ein.104 Bei der reaktiven Beziehungsbearbeitung reagiert das
Fußballunternehmen nur aufgrund bestimmter Ereignisse, die sowohl
beziehungsunabhängig, wie beispielweise bei einer verbilligten Dauerkarte durch
Jobverlust, als auch abhängig von der Verein-Kundenbeziehung, beispielsweise durch
sportliche Misserfolge, sein können.105
97 vgl. Zeltinger (2004), S.114 98 vgl. Zeltinger (2004), S.114 99 vgl. Zeltinger (2004), S.115 100 vgl. Zeltinger (2004), S.116 101 vgl. Zeltinger (2004), S.116 102 vgl. Zeltinger (2004), S.116 103 vgl. Zeltinger (2004), S.116 104 vgl. Zeltinger (2004), S.116 105 vgl. Zeltinger (2004), S.117
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Grundlagen zur Fragestellung
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2.4 CRM in Bezug auf Ultras-Gruppierungen
In Bezug auf bestimmte Fankulturen, insbesondere die Ultras-Gruppierungen, sind
viele Strategien des klassischen CRM-Ansatzes für Fußballunternehmen von Zeltinger
überflüssig. Wie oben schon detailliert beschrieben, zielen die meisten CRM-Strategien
von Zeltinger hauptsächlich auf die Zuschauermasse eines Fußballunternehmens ab,
was beispielsweise bei den phasenbezogenen Strategien deutlich wird. Denn so ist die
Kundenbindungs- und Kundenrückgewinnungsstrategie bei Ultras-Gruppierungen
sinnlos, weil sie ihre Vereinsmannschaft nie verlassen würden. Auch die
geschäftsfeldbezogenen Strategien eignen sich kaum für die Ultraszene, da sie
ebenfalls die breite Masse und bevorzugt Geschäftskunden ansprechen.
Allerdings können einige Maßnahmen der kundengerichteten Strategien sinnvoll sein.
Denn das Ziel des CRM-Ansatzes in Bezug auf die Ultras-Gruppierungen ist der
Aufbau einer langfristigen und intensiven Beziehung seitens des
Fußballunternehmens, die individuell auf die Ultraszene zugeschnitten ist, um
einerseits die Bedürfnisse der Ultras erfüllen zu können und andererseits von Nutzen
für den Verein selbst zu sein.
Um jedoch eine genaue Einschätzung abgeben zu können, ist es vonnöten, das
Fußballpublikum in Deutschland genauer zu betrachten.
2.5 Fußballpublikum in Deutschland
Das Fußballpublikum ist Deutschlands Sportzuschauerphänomen schlechthin. In kaum
einem anderen Land genießt Fußball einen solch hohen gesellschaftlichen Stellenwert
wie in Deutschland. Das zeigen auch die konstant hohen Zuschauerzahlen in den
Stadien. Mit 44.293 Zuschauern im Schnitt pro Spiel stellte die Bundesliga in der
Saison 2011/2012 einen neuen Rekord auf und blieb die zuschauerreichste Fußballliga
der Welt. Insgesamt kamen 13,6 Millionen zahlende Besucher in diesem Zeitraum zu
den Spielen.106
Schaut man sich das Publikum genauer an, so wird deutlich, dass es sich nicht um
eine homogene Zusammensetzung von Zuschauern handelt.
Aus der großen Gruppe Fußballpublikum werden mehrere kleine Gruppierungen
selektiert, die sich in Motivation, Einstellung und Verhalten unterscheiden, und zu
Zuschauertypen zusammengefasst.107
106 vgl. Bundesliga Report (2013), S.46 107 vgl. Brenner (2009), S. 22
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Grundlagen zur Fragestellung
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2.5.1 Fanszene
Der Begriff Fan wird von dem englischen Wort „fanatic“ abgeleitet und bedeutet
schwärmend, begeistert oder besessen.108
Die Fanszene ist ein kollektiver Sammelbegriff für Fußballfans, der sich in
verschiedene Organisationsstrukturen und Typen aufteilt. Um die Fanszene bestimmen
zu können, sind viele Kategorisierungen und Typologien erstellt worden.109 Diese
Arbeit nennt hingegen nur die bekanntesten Differenzierungen. Nach Heitmeyer
werden Fußballfans in drei Kategorien eingeteilt:
der konsumorientierte Fan
der fußballzentrierte Fan
der erlebnisorientierte Fan
Die sportliche Leistung ist für den konsumorientierten Fan sehr wichtig, wohingegen
der Fußball an sich als Sportart austauschbar ist. Fußball ist für ihn eine
Freizeitbeschäftigung. Er geht hauptsächlich allein oder in kleineren Gruppen ins
Stadion und befindet sich meist bei den Sitzplätzen.110
Der fußballzentrierte Fan ist seinem Verein absolut treu. Selbst bei schlechten
Leistungen seiner Mannschaft steht er hinter ihr. Fußball ist sein Leben und ein
wichtiges Präsentationsfeld, in dem er soziale Anerkennung erfährt. Aufgrund seiner
Gruppenorientierung ist er Mitglied in Fanclubs. Seine Verbundenheit zum Verein zeigt
er durch das Tragen von Merchandiseartikeln. Den fußballzentrierten Fan trifft man im
Fanblock oder in der Fankurve.111
Für den erlebnisorientierten Fan ist die sportliche Bedeutung zweitrangig. Fußball wird
als Spektakel gesehen. Er tritt meist in einer geschlossenen Gruppe auf, die
körperliche Auseinandersetzungen mit gegnerischen Fans sucht. Das Fußballspiel an
sich ist austauschbar und rückt in den Hintergrund. Das Stadion ist ausschließlich der
Ort des Geschehens.112
Obwohl die Kategorisierung von Heitmeyer die bekannteste ist, wird sie auch von
einigen kritisiert. Nach Dembowski sei diese Typisierung nur schemenhaft und für die
heutige Situation nicht mehr ausreichend.113 Pilz erweitert die Kategorisierung von
108 vgl. Dembowski (2004), S.22 109 vgl. Brenner (2009), S. 24 110 vgl. Brenner (2009), S.25 111 vgl. Sommerey (2010), S.37 112 vgl. Brenner (2009), S.25 113 vgl. Dembowski (2004), S.22
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Grundlagen zur Fragestellung
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Heitmeyer, indem er sie auf verschiedenen Gruppierungen der Fanszene, wie die
Kuttenfans, die Ultras und die Hooligans, bezieht. Sommerey ergänzt diese
Strukturierung der Fanszene noch um den einfachen, unauffälligen Zuschauer, den
Normalo.114 Demnach ergibt sich folgende Fanstruktur:
Abbildung 2: Strukturierung der Fanszene115
Die Differenzierung von Pilz und Sommerey erscheint als die sinnvollste und deshalb
wird diese Kategorisierung in den folgenden Kapiteln benutzt.
2.5.1.1 Normalo
Der Normalo ist der einfache und unauffällige Zuschauer und macht einen Großteil der
Fanszene aus.116 Er ist in keinem Fanclub und keiner Ultras-Gruppierung und sitzt im
Sitzplatzbereich der Stadien. Mit Ordnungsdiensten oder Polizei gibt es keine
Auseinandersetzungen. Bei andauernder schlechter Leistung der Vereinsmannschaft
äußert er gerne seinen Unmut mit Pfiffen, verleugnet den Verein und schaut die
nächsten Spiele im Fernsehen.117
Der Normalo weist also eine rein konsumierende Zuschauerstruktur auf. Allerdings
steht Fußball für den Normalo im Mittelpunkt und er zieht diese Sportart anderen
Freizeitaktivitäten vor. Deshalb kann ihm neben der Konsumorientierung auch die
114 vgl. Sommerey (2010), S.38 115 vgl. Sommerey (2010), S.38 116 vgl. Christ (2001), S.19 117 vgl. Sommerey (2010), S.39
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Grundlagen zur Fragestellung
- 22 -
Fußballzentrierung zugeschrieben werden.118 Auch die Erlebnisorientierung ist ein Teil
des Verhaltensmusters des Normalos. Denn er möchte ein Teil des Spektakels sein
und etwas erleben, von dem er anderen erzählen kann. Hauptsächlich fährt er aber ins
Stadion, um seine Mannschaft siegen zu sehen.119
2.5.1.2 Kuttenfan
Der Kuttenfan macht seine Liebe und Nähe zum Verein nach außen sichtbar. Er
identifiziert sich hundertprozentig mit dem Verein durch die auffallende Bekleidung in
Form von Kutten, Fahnen, Schals, Mützen, Mannschaftstrikots und
Vereinsemblemen.120 Der Kuttenfan ist stark leistungsorientiert und will seine
Mannschaft gewinnen sehen. Allerdings hält seine Treue auch in sportlich schlechten
Zeiten.121 Er ist sehr fußballzentriert, da sein Verein zum Lebensmittelpunkt wird. Um
die Ehre seiner Mannschaft zu wahren, scheut der Kuttenfan auch nicht vor
Auseinandersetzungen mit den gegnerischen Vereinen oder Schiedsrichtern zurück.
Die Häme der gegnerischen Fans bei einer Niederlage kann zu Auseinandersetzungen
führen. Die fußballzentrierten Kuttenfans verlieren immer mehr an Einfluss und an
Größe.122
2.5.1.3 Hooligans
Hooligans sind Personen, die häufig in Gruppen auftreten und durch ihr aggressives
und gewaltbereites Verhalten auffallen.123 Hooligans besitzen gängigerweise oft zwei
Identitäten: eine bürgerliche Alltagsidentität und die Hooliganidentität.124 Sie sind keiner
speziellen Sozialschicht zuzuordnen. Heutzutage spielt der Hooligan in den oberen
Ligen keine große Rolle mehr, da er seine Aktivitäten außerhalb des Stadions
ausübt.125 Der Jugendkulturforscher Farin fasst zusammen:
„Hooliganismus ist eine Form zivilen Ungehorsams, eine nicht politische
Rebellion gegen die sinnlose Autorität des Alltags, ein Versuch, die von
montags bis freitags aufgezwungene Rolle abzustoßen, aus dem langweiligen,
118 vgl. Sommerey (2010), S.39 119 vgl. Sommerey (2010), S.39 120 vgl. Pilz (2005), S.6 121 vgl. Sommerey (2010), S.40 122 vgl. Christ (2001), S.19 123 vgl. Sommerey (2010), S.41 124 vgl. Sommerey (2010), S.41 125 vgl. Farin (2001), S.193
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Grundlagen zur Fragestellung
- 23 -
abgestumpften Spießerdasein auszubrechen - zumindest für ein paar Stunden.
“126
2.5.2 Ordnungsinstanzen
Neben der Differenzierung der Fanszene ist es wichtig, die Fangruppen unter einem
anderen Gesichtspunkt zu untersuchen. Die Polizei teilt die Zuschauer in die
Kategorien A, B, C bezüglich des Gefahrenpotenzials ein. Demnach ist der Kategorie A
der friedliche Fan, der Kategorie B der gewaltbereite Fan und der Kategorie C der
gewaltsuchende Fan zuzuordnen.127 Sommerey erweitert diese Klassifizierung im
Hinblick auf die einzelnen Fantypologien nach Pilz:
Abbildung 3: Einordnung der Fantypologien nach Gefahrenpotenzial128
Laut Sommerey sind Normalos und zum größten Teil auch die Kuttenfans in
Kategorie A einzustufen. In der Ultras-Szene reicht die Kategorisierung von A bis C.
Die Einteilung ist abhängig von den einzelnen Mitgliedern. Hooligans sind der
Kategorie C zugeordnet. Sommerey kritisiert allerdings, dass das Gefahrenpotenzial
nicht ausschließlich auf Einzelpersonen anzuwenden ist, sondern auch als
Gruppenprozess betrachtet werden muss. Dazu ist anzumerken, dass es zu
affektbedingten und nicht dauerhaften Kategoriewechseln kommen kann und somit
126 Farin (2001), S.191 127 vgl. Jahresbericht ZIS (2012/2013), S.5 128 vgl. Sommerey (2010), S.42
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Grundlagen zur Fragestellung
- 24 -
auch Personen an Ausschreitungen beteiligt sind, die sonst nicht polizeiauffällig
waren.129
Zusammenfassend wird also deutlich, dass ein Fußballpublikum einen heterogenen
Charakter hat und je nach Handlungs- und Ausdrucksformen kategorisiert werden
muss. Die Ultras-Gruppierung wird absichtlich gesondert betrachtet, da sie ein
grundsätzlicher Gegenstand dieser Arbeit ist und deshalb mehr Aufmerksamkeit
verdient. Auf die Entstehung, die Einstellung und das Selbstverständnis wird im
folgenden Kapitel detailliert eingegangen.
2.6 Ultras-Gruppierungen
2.6.1 Entstehung der Ultrabewegung in Deutschland
Die Ultrabewegung hat ihre Anfänge in Italien, dem Mutterland der Ultrakultur. Dort
formierte sich Mitte der 60er Jahre eine Jugend- und Fankultur, die durch
stundentische Proteste und die Arbeiterbewegung inspiriert wurde.130 Um die eigene
Mannschaft zu unterstützen, wurden neben akustischen Elementen, wie Gesang und
Trommeln, auch visuelle Elemente, wie Fahnen, Flaggen, Banner, Doppelhalter,
Choreografien oder Pyrotechnik, eingesetzt.131
Der genaue Ursprung des Begriffs „Ultra“ ist heute nicht eindeutig geklärt, aber die
populärste Annahme ist, dass er auf einen Vorfall beim AC Torino zurückgeht, bei dem
wütende Anhänger einen Schiedsrichter bis zum Flughafen verfolgten. Dieses
Verhalten wurde von einem Reporter als extrem, auf Italienisch: „ultra“, bezeichnet.
Dieser Begriff wurde schnell zum Trendwort der Jugendkultur in Italien.132
Die Qualität der Anfeuerung der Mannschaft, der sogenannte tifo, entscheidet über den
Stellenwert und den Ruf einer bestimmten Ultra-Gruppe. Der tifo wird parallel zum
Spiel auf den Rängen zwischen Ultras und den gegnerischen Mannschaften
ausgetragen.133 Oft bleibt es nicht bei einem akustischen und visuellen Wettstreit. Auch
Gewalt ist ein ständiger Begleiter der Ultras. Insbesondere die Polizei ist ein
Hauptfeind, da sie auf das Verhalten der Ultras mit verschärften Maßnahmen
129 vgl. Sommerey (2010), S. 42f 130 vgl. Sommerey (2010), S.53 131 vgl. Brenner (2009), S.76 132 vgl. Sommerey (2010), S.54 133 vgl. Brenner (2009), S.76
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Grundlagen zur Fragestellung
- 25 -
reagiert.134 Diese Feindschaftsbeziehungen werden durch Differenzen in politischer
und ideologischer Hinsicht deutlich, wobei die Ultrabewegung sich von linksgerichteten
Gruppen über rassistische bis hin zu faschistischen Überzeugungen erstreckt.135
Mitte bis Ende der 90er Jahre entstanden die ersten Ultras-Gruppierungen in
Deutschland. Besonders den aktiven Fußballfans gefiel die leidenschaftliche und
südländische Kultur des Anfeuerns, die über Fernsehen oder Internet verbreitet wurde.
Vor allem die Selbstdarstellung und der enge, freundschaftliche Zusammenhalt
innerhalb der Gruppe begeisterten die jugendlichen Fußballfans.136 Die Anzahl der
Mitglieder schwankt zwischen 20 und 1.000 Personen je nach Saison. Insgesamt wird
die Ultras-Szene von der ersten bis hin zur dritten Liga auf ca. 7.000 Personen
geschätzt, wobei die Anzahl der Sympathisanten, die sich an Choreografien und
Gesängen beteiligen, wesentlich höher ist.137
Innerhalb einer Ultra-Gruppierung herrscht eine hierarchische Organisation, bei der
Ämter wie der Ältestenrat, der Kassenprüfer und der Sprecher vorhanden sind. Die
Führungspersönlichkeiten werden nicht gewählt, sondern kristallisieren sich mit der
Zeit heraus. Je mehr Engagement innerhalb der Gruppe gezeigt wird, desto besser die
Aufstiegschancen. Dabei ist der Capo, der Vorsänger, nicht automatisch derjenige, der
das Sagen hat.138 Der harte Kern der Ultras umfasst demnach nur die Führungsebene
und diejenigen, die sich täglich für die Gruppe engagieren. Die Ultras im engeren Sinne
sind diejenigen, die regelmäßig an Spielen teilnehmen und Mitgliederbeiträge zahlen.
Die ultraorientierten Fans sind hingegen differenziert zu betrachten, da sie mit der
Ultrakultur zwar sympathisieren und sich somit auch in der Fankurve an Aktionen
beteiligen, aber keine Ultra-Mitglieder sind.139
Interessant ist auch, dass obwohl sich die Ultras als einzig wahre Fans verstehen und
optisch und akustisch im Stadion auffallen, sie im Schnitt bei einem Heimspiel nicht
mehr als 1 bis 7 Prozent der Fußballzuschauer ausmachen.140
2.6.2 Werte und Selbstverständnis
„Ultra“ sein ist mehr als die Mitgliedschaft in einem Fanclub. Ultras wollen „extrem“
sein, „durchdrehen“, Spaß haben und sich bewusst vom passiven Zuschauer
134 vgl. Brenner (2009), S.77 135 vgl. Sommerey (2010), S.55 136 vgl. Pilz (2006), S.71 137 vgl. Pilz (2006), S.72 138 vgl. Brenner (2009), S.78 139 vgl. Pilz (2006), S.72 140 vgl. Pilz (2006), S.72
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Grundlagen zur Fragestellung
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distanzieren. Fußball ist ihr Leben und sie sind stolz ein Teil dieser Fußballfankultur zu
sein.141 Diese Lebenseinstellung wirkt sich auch auf das Alltagsgeschehen der
Ultramitglieder aus, bei denen Schule, Beruf, Familie oder Freundin der
Ultragruppierung untergeordnet sind.142 Das bedeutet, dass Ultras im Vergleich zu
Hooligans nur eine Identität besitzen, die Ultra-Identität, die sie sowohl im Stadion als
auch unter der Woche zeigen. Ultras beschreiben ihre Fankultur als eine Mischung aus
An- und Entspannung und Arbeit, bei der sie einerseits höchst konzentriert sind und bis
zur letzten Sekunde alles geben und andererseits in eine Art Flow geraten, bei der sie
alles andere vergessen und sich ihrer Leidenschaft völlig hingeben können. Es hat also
den Anschein, als sei das Ultrasein eine Art von Sucht, die man nicht beeinflussen
kann.143
Dieses Verständnis wird durch Eigenschaften der Fan-Kultur, wie Stärke, Macht,
Durchsetzungsvermögen und Männlichkeit, gestärkt. Das Demonstrieren ihres nackten
Hinterteils oder das Jubeln mit nacktem Oberkörper auch im Winter gehören zum
Verständnis ihres Härte-Ideals, ebenso wie die Macho-Kultur durch sexistische und
homophobe Sprüche ausgelebt wird.144 Hinzuzufügen sind die Liebe und der
Idealismus gegenüber ihrem Verein, aber auch die Freundschaft und Brüderlichkeit
innerhalb der Ultras-Gruppierung. Sie haben das Bedürfnis, etwas selbst zu gestalten
und zu schaffen, um Einfluss zu nehmen und Dinge hinterfragen zu können. Sie zeigen
dabei Zuneigung aber auch Protest durch das Provozieren ihrer Gegner.145 Kollektive
Freundschaft und Brüderlichkeit sind ihnen sehr wichtig. Obwohl sie hart und arrogant
wirken, können sie auch Mitgefühl zeigen, wie bei der Spendenaktion für den
leukämiekranken Berliner Ultra „Benny“, der 2004/2005 über 100.000 € an Fan-
Geldern bekam.146
Schwierig gestaltet sich auch das Phänomen der Verschmelzung von Ultra- und
Hooligan-Identität in bestimmten Situationen, da Teile innerhalb der Ultra-
Gruppierungen Gewalt toleriert und in bestimmten Situationen auch auslebt. Dieser
Teil der Ultras zeigt während des Spiels ein ultratypisches Verhalten und fällt zugleich
außerhalb des Stadions in das Verhaltensschema eines Hooligans.147
141 vgl. Pilz (2006), S.72 142 vgl. Brenner (2009), S.79 143 vgl. Pilz (2006), S.76 144 vgl. Pilz (2006), S.103 145 vgl. Pilz (2006), S.104 146 vgl. Pilz (2006), S.104 147 vgl. Feltes (2013), S.13
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Grundlagen zur Fragestellung
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2.6.3 Struktur und Organisation
Die Ultraszene ist in jeder Hinsicht, von der Spitze bis zur Basis, organisierte
Fanfraktion. Das Durchschnittsalter liegt zwischen 15 und 25 Jahren. Die Fans sind
den mittleren und oberen Soziallagen zuzuordnen, wobei ein hoher Anteil an
männlichen, deutschen Schülern und Studenten vertreten ist.148
Ein Führungsgremium von drei bis vier Personen verteilt Aufgabenbereiche wie
Vorsänger, Finanzen, Organisation, Fotos etc.. Obwohl fast die Hälfte der befragten
Ultras ihren Club als offiziellen Fanclub verstehen, sind die meisten Ultra-Gruppen in
Deutschland kein eingetragener Verein. Dabei weisen viele Ultra-Gruppen auch
formelle Strukturen traditioneller Vereine auf, wie beispielsweise den
Mitgliedsbeitrag.149
Es sind allerdings auch Gruppierungen bekannt, die gewisse Richtlinien haben und bei
denen die Ultra-Anwärter ein gewisses Alter vorweisen und sich einer Prüfung zur
Gruppenaufnahme unterziehen müssen.150
2.6.4 Selbstdarstellungsformen
Der Austausch von Informationen der Ultras-Gruppierungen findet auch in persönlichen
Treffen, aber hauptsächlich über das World Wide Web statt. Durch die relativ geringen
Zugangsbarrieren und die hohe Verbreitungsgeschwindigkeit ist das Internet für Ultras
eine attraktive Präsentationsplattform. Auf häufig sehr aufwendigen und
professionellen Webseiten werden allgemeine Informationen über die Gruppe, ihre
Ziele und Werte vermittelt.151 Des Weiteren stellen Downloads, Fotos, Videosequenzen
und die Vermarktung eigener Fanartikel die gesamte Bandbreite der Inhalte dar, um
den Internetuser zu locken. Deshalb wächst diese Jugendkultur dynamisch an und
sichert sich somit eine gute Position in der Öffentlichkeit.152
In einem internen Mitgliederbereich dagegen, der nur für ausgewählte Ultras
zugänglich ist, werden geheime Informationen, beispielsweise die nächste
Choreografie, in Foren diskutiert.153 Aufgrund der schnellen Verbreitung im Internet
können sich deutsche Ultra-Gruppen untereinander austauschen, aber auch mit Ultras-
148 vgl. Sommerey (2010), S.79 149 vgl. Pilz (2006), S.94 150 vgl. Pilz (2006), S.95 151 vgl. Sommerey (2010), S.88 152 vgl. Sommerey (2010), S.88 153 vgl. Pilz (2006), S.99
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Grundlagen zur Fragestellung
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Gruppierungen aus dem Ausland in Kontakt treten. So entsteht ein Geflecht von Ultra-
Beziehungen über das Internet.154
Das Internet ist also ein gängiges und viel genutztes Medium, um sich einerseits positiv
nach außen darzustellen und um sich andererseits zu organisieren und Beziehungen
aufrecht zu erhalten.155
Ein weiterer und wichtiger Bestandteil der Selbstdarstellungsform ist das äußere
Erscheinungsbild und das Auftreten. Obwohl Ultras keine herkömmlichen Fanutensilien
tragen, fallen sie auf. Sie tragen meist dunkle und sportliche Kleidung. Nur kleine
Details, wie Pins oder ein Schal, fallen optisch auf. Szenenübliche Kleidungsstücke
sind beispielsweise Umbro Pulli, New-Balance Turnschuhe, Burberry Mütze und
Lonsdale-Harrington Jacken. Im Trend sind zurzeit sogenannte „Ninja Kappus“, deren
Reißverschluss bis über die Nase gezogen werden kann, sodass nur noch die Augen
zu sehen sind. Fast alle Ultra-Gruppen bieten auf ihren Internetseiten eigene
Kollektionen an, die man allerdings oft nur erwerben kann, wenn man Mitglied dieser
Gruppe ist.156 Es kommt auch vor, dass sich Ultras bei Motto-Fahrten als „Proll“ oder
„Porno Crew“ verkleiden. Sie achten vermehrt auf ihr Aussehen, um sich von dem
schmuddeligen Proll-Image der Kuttenfans zu unterscheiden. Auch mit der
Namensgebung wollen sich Ultras von der restlichen Fanszene abheben. Der
wichtigste Grund für den Gruppennamen ist die Provokation. Deshalb werden oft
Namen wie Ultras, Inferno, Kommando, Brigade, Attacke oder Meute gewählt. Jedoch
stellen diese politischen oder ideologischen Namen nicht immer die Einstellung der
Ultragruppen dar.157
2.6.5 Demonstrationskultur
Ultras sehen sich selbst als kritischen Gegenpol zur Eventisierung und kämpfen für die
traditionelle Fankultur, gegen Stadionverbote und gegen Sitzplatzstadien in
Deutschland. Viele Ultragruppen schließen sich zu Organisationen, wie B.A.F.F. oder
ProFans, zusammen, die auf vereins- oder ligapolitische Probleme aufmerksam
machen. In diesem Sinne kann auch von einer Protestkultur gesprochen werden.158
Durch die wachsende Professionalisierung des Fußballs setzte eine immer größer
werdende Distanz zwischen Zuschauer und Sportler ein. Ihrer Meinung nach kommen
154 vgl. Pilz (2006), S.101 155 vgl. Pilz (2006), S.102 156 vgl. Sommerey (2010), S. 92 157 vgl. Pilz (2006), S.106 158 vgl. Pilz (2006), S.106
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Grundlagen zur Fragestellung
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die Zuschauer ins Stadion, um die Atmosphäre live mitzuerleben.159 Aufgrund der
verloren gegangenen Nähe zwischen Zuschauer und Spieler verstehen sich die Ultras
als Sprachrohr der Fans und beobachten deshalb kritisch die Entwicklung des Vereins
und die Kommerzialisierung. Mithilfe des Ultramanifestes, welches mehrere deutsche
Ultras von der Homepage des AS Rom übernommen haben, wollen die Ultras auf die
Wandlungen des professionellen Fußballs aufmerksam machen. Hierzu ein kleiner
Auszug des Manifestes:
„In ein paar Jahren wird selbst der Rasen in den Stadien mit
Sponsorenwerbung verunstaltet werden und Choreografien werden verboten,
weil sie die Aufmerksamkeit der Zuschauer von den Werbetafeln abzielen. [...]
In den Köpfen der Funktionäre nimmt die Zukunft bald Gestalt an: es wird der
gezähmte Fan erwünscht, der moderate Stimmung verbreitet, aber nur so viel,
wie als Hintergrundeinspielung für die Fernsehübertragung notwendig ist, der
brav applaudiert, wenn man es verlangt und ansonsten still auf seinem Platz
sitzt.“160
Des Weiteren gibt das Ultramanifest einige Regeln vor, wie sich ein Ultra-Mitglied zu
verhalten habe:
1. Jeden unnötigen Kontakt oder Hilfe durch die Vereine oder die Polizei
verweigern.
2. Untereinander besser zusammenarbeiten.
3. In Eigenorganisation [sic] zu Auswärtsspielen reisen.
4. Mit Ultras anderer Vereine zusammenarbeiten und die Ware „TV-Fußball“
unattraktiv machen.
5. Sich nicht von den Autoritäten unterdrücken lassen und an Spielen unbedingt
Präsenz zeigen.161
Ähnlich wehren sich die Ultras auch gegen herkömmliche Fan-Utensilien und lehnen
die Vermarktung des Fußballs und die Kommerzialisierung ab. Die
Demonstrationskultur der Ultras lässt sich also als ein kritischer Gegenpol zur
159 vgl. Pilz (2006), S.110 160 Pilz (2006), S.111 161 Pilz (2006), S.112
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Grundlagen zur Fragestellung
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Eventisierung und Kommerzialisierung zusammenfassen, der für den Erhalt der
traditionellen Fankultur und gegen Stadionverbote und Sitzplatzstadien demonstriert.162
2.6.6 Feindbilder
Mit der Entwicklung der Eventisierung und Kommerzialisierung des Profifußballs haben
sich im Laufe der Zeit vier Feindbilder der Ultras herauskristallisiert: die gegnerischen
Ultras, die Medien, aber vor allem die Polizei und DFB/DFL bzw. FIFA/UEFA.163 Im
Folgenden werden aus Komplexitätsgründen hauptsächlich die Feindbilder Polizei
sowie DFB/DFL und FIFA/UEFA intensiv betrachtet.
2.6.6.1 Polizei
Das Verhältnis zwischen Polizei und Fans ist angespannt. Laut einer
Stadionweltumfrage bewerteten über 5.000 Fans die Fan-Polizei-Beziehung mit
mangelhaft. Drei Viertel aller befragten Fans finden die polizeirechtlichen Maßnahmen
zur Bekämpfung von Fußballgewalt übertrieben. Diese Entwicklung bestätigen auch
Fanprojekt-Mitarbeiter, Polizei-Vertreter und Ultras in Interviews unabhängig
voneinander.164
Pilz führt dazu einige Aussagen von Polizei und Ultras auf. Ein besonders prägnantes
Beispiel von einem Ultra: „Wenn mein Kind Bulle werden will, würde ich's glaub ich
umbringen. Das wäre die größte Niederlage meines Lebens. Der kann schwul werden,
der kann Marsmännchen anbeten.“165 Diese Aussage spiegelt sinnbildlich den Hass
der Ultras auf die Polizei wider. Dabei sollte man zwischen Heim- und Auswärtsspielen
unterscheiden, denn laut der Fragebogenerhebung von Pilz fühlten sich nur knapp
20 Prozent der Befragten bei Heimspielen von der Polizei provoziert, während bei
Auswärtsspielen über 65 Prozent dafür stimmten. Die Hälfte der Befragten fühlte sich
von der Polizei auch von oben herab behandelt.166
Bei Auswärtsspielen sprechen die Ultras vom martialischen Auftreten und der
arroganten Unnahbarkeit der Polizei und fragen nach der Verhältnismäßigkeit und der
korrekten Ermessensausübung.167
162 vgl. Pilz (2006), S.113 163 vgl. Pilz (2006), S.135 164 vgl. Pilz (2006), S.137 165 Pilz (2006), S.138 166 vgl. Pilz (2006), S.140 167 vgl. B.A.F.F. (2004), S. 43,49
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Grundlagen zur Fragestellung
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Laut Pilz haben die Ultras bei Heimspielen weniger Probleme mit der Polizei als bei
Auswärtsspielen. Das liegt unter anderem daran, dass Ultras bei Auswärtsspielen in
geschlossenen Gruppen anreisen. Je nach Reisedauer kann sich die Gruppe
gegenseitig, in Verbindung mit Alkohol, immer weiter hochschaukeln, was mit einer
enthemmenden Wirkung einhergeht, sodass sich schnell eine explosive Stimmung
entwickeln kann. Die Polizei reagiert auf auswärtige Ultras sehr empfindlich, so kann
das Verhalten eines einzelnen Störers schon zur Eskalation führen.168 Ein weiteres
Problem sind die Sicherheitskräfte bei Auswärtsspielen, da die Heimfans gegenüber
den Gästefans oft bevorteilt werden. So wurde bei einem Spiel von Rot-Weiß Essen
den auswärtigen Fans die provozierende Support-Ware abgenommen, während die
Heimfans ihre Choreografie, die nicht weniger beleidigend war, präsentieren durften.
Diese Ungleichbehandlung der Fans führt sicherlich nicht zur Deeskalation der
aktuellen Situation des Profifußballs.169 Offenbar gibt es unter den Ordnungsdiensten
Abspracheschwierigkeiten, denn es kommt öfter vor, dass den Ultras am Eingang
bestimmtes Support-Material erlaubt wird und wenig später von anderen Ordnern
wieder abgenommen wird.170
Insgesamt ist das Verhältnis zu Polizei und Ordnungsdiensten in der
Fußballbundesliga auf beiden Seiten sehr angespannt.
2.6.6.2 DFB/DFL und UEFA/FIFA
Der DFB und die DFL auf nationaler Ebene und die FIFA und die UEFA auf
internationaler Ebene spiegeln das zweite Feindbild der Ultras wider. DFB/DFL
verfolge nur das wirtschaftliche Interesse. Die Fans seien dem DFB und der DFL doch
egal, denn sie wünschten sich eher einen VIP-Zuschauer im Anzug und den moderat
Stimmung machenden Supporter als die aggressiven, leidenschaftlichen und kritischen
Ultras.171 Die Ultras fühlen sich von den Verbänden missverstanden und nicht ernst
genommen. In einer Fan-Umfrage bewerteten die Fans den Umgang des DFB mit den
Faninteressen mit mangelhaft und auch die Fanarbeit schnitt nicht besser ab.
Laut der Aussagen der Fans werden ihre Interessen nicht gehört, sondern ignoriert.
Abbau der Stehplätze, Bau von modernen Stadien, polizeirechtliche Maßnahmen
gegen Fans und die Eintrittskarten-Politik prägen das negative Image seitens der
Ultras. 172
168 vgl. Pilz (2006), S.144 169 vgl. Pilz (2006), S.145 170 vgl. Pilz (2006), S.145f 171vgl. Pilz (2006), S.147 172 vgl. Pilz (2006), S.147f
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Methode
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Zusammenfassend lässt sich also konstatieren, dass das Verhältnis von Polizei und
DFB/DFL zu den Ultra-Fans mehr als angespannt ist. Das negative Feindbild beider
Akteure ist bei den Ultras so stark gefestigt, dass man den Anschein hat, als wären
keine Maßnahmen mehr wirksam, um die Wogen zu glätten. Vor allem das
Selbstverständnis und die Werte sind bei den Ultras sehr fest verankert, sodass ein
Überdenken der eigenen Wertvorstellungen nicht in Frage kommt. Mit dem
Hintergrund, dass Fußball für Ultras mehr ist als nur ein Hobby, sondern für sie das
ganze Leben bedeutet und oft sogar erste Priorität hat, wird deutlich, dass eine
Verbesserung mithilfe eines Kommunikationsansatzes nur erfolgreich sein kann, wenn
man sich ganz intensiv mit der Ultrakultur beschäftigt. Fühlen sie sich nicht verstanden
oder nicht ernst genommen, bleiben sie stur und kommen keinen Schritt auf einen zu.
Für ihre Vereinsmannschaft würden sie alles tun. Sie haben eine sehr persönliche
Verbindung zur Mannschaft und deshalb reagieren sie auch derart explosiv, wenn sie
in ihrem Handeln für die Mannschaft eingeschränkt werden.
Um jedoch eine abschließende Einschätzung zu der Frage abgeben zu können, ob der
CRM-Ansatz, wie er im Kapitel 2.3 beschrieben wurde, hinsichtlich der
Kommunikations- und Beziehungsproblematik zu den Ultra-Gruppierungen hilfreich
sein kann, werden noch die Interviewergebnisse mit dem Marketingleiter von
Bayer 04 Leverkusen und die Aussagen des Kriminologen Thomas Feltes benötigt.
Da die Grundlagen zur Fragestellung nun abgeschlossen sind, wird im nächsten
Kapitel zunächst auf die Methode, die diese Arbeit verfolgt, eingegangen.
3 Methode
Die hier vorliegende Arbeit wurde hauptsächlich mittels einer gründlichen und
intensiven Literaturrecherche, die sowohl einen qualitativ als auch einen quantitativ
hohen Wert besitzt, erstellt. Diese Methode der Literaturrecherche ist entscheidend für
den Erfolg der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit. Denn aufgrund der Komplexität
des Themas „Ultras und Gewalt im Profifußball“ ist fundierte, wissenschaftliche
Literatur von großer Bedeutung. Im Gegensatz dazu ist zur Wirkung von CRM auf
Ultra
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