bilingualismus inwiefern beeinflussen sich gegenseitig die phonetischen systeme der zwei sprachen...
Post on 05-Apr-2015
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Bilingualismus
Inwiefern beeinflussen sich gegenseitig die phonetischen Systeme der zwei Sprachen beim erwachsenen
bilingualen Sprecher?
Gliederung1. Definition Bilingualismus
2. Unterscheidung Bilingualismus im weiteren und im engeren Sinne
3. Zur Kontroverse: zwei getrennte Lautsysteme oder ein integriertes System
4. Gegenseitige Beeinflussung der beiden phonetischen Systeme beim bilingualen Sprecher
- 1.Studie: Flege, Schirru, MacKay (2003) - 2.Studie: Susan G. Guion (2003)
Definition Bilingualismus
Bilingualismus oder Zweisprachigkeit ist die Fähigkeit eines Sprechers oder einer Sprachgemeinschaft, zwei oder mehr Sprachen auf annähernd gleichem Sprachniveau zu sprechen
Bilingualismus im weiteren und im engeren Sinne
Im weiteren Sinne, ist ein zweisprachiger Mensch jemand, der grammatische und kommunikative Fähigkeiten in zwei Sprachen besitzt; aktiv und/oder passiv
Im engeren Sinne wird das Wort Bilingualismus oft nur für solche Menschen verwendet, die muttersprachliche Kompetenz in zwei Sprachen aufweisen
Vorüberlegung
Besitzen bilinguale Sprecher zwei getrennte
Lautsysteme und werden diese kognitiv auf eine
unterschiedliche Art und Weise gespeichert?
Gibt es nur ein System für beide Sprachen?
Zur Kontroverse: ein Sprachsystem oder zwei unabhängige Sprachsysteme
In der Zweisprachigkeitsforschung bestehen entgegengesetzte Standpunkte darüber, ob das bilinguale Kind bereits zu Beginn des Spracherwerbs zwei Systeme getrennt verarbeiten kann oder ob es eher in der anfänglichen Periode der Sprachentwicklung über ein einziges, fusioniertes Sprachsystem und eine Art Mischsprache aus Elementen der beiden Sprachen verfügt
In der klinischen Literatur wird von bilingualen Sprechern mit einer neurologisch bedingten Sprachstörung berichtet (z.B. Aphasie), welche selektiv entweder die Muttersprache oder die Zweitsprache betraf
Es wurden außerdem seltene Fälle beschrieben, bei denen eine Hirnschädigung die Muttersprache eines Menschen auslöschte, die Zweitsprache aber nicht betroffen war
Schlussfolgerung aus diesen Befunden: Erst- und Zweitsprache sind nicht als ein einheitliches System im Gehirn repräsentiert
Experimentelle Studien mit funktionell – bildgebenden Methoden unterstützten diese Annahme
es wurden Kinder untersucht, die ihre Zweitsprache entweder in ihrer Kindheit oder deutlich später (frühes Erwachsenenalter) erlernt hatten
Durchführung: im MR-Tomographen mussten die Probanden eine Sprachproduktionsaufgabe durchführen; sie sollten sich im Geiste erzählen, was sie am vorherigen Tag erlebt hatten
Ergebnisse: im Bereich des
Broca-Areals unterschied sich
eine spät erlernte Zweitsprache von der Muttersprache
Bei Probanden, die ihre Zweitsprache während der Kindheit erlernten, wurden vergleichbare Hirnregionen bei der Sprachproduktion verwendet
Aber: in der Umgebung des Wernecke –Areals zeigte sich keine vergleichbare Differenzierung
Weitere Arbeiten zur Sprachproduktion bei bilingualen Sprechern konnten jedoch nicht die Ergebnisse der ersten Studie stützen
In den nachfolgenden Studien wurden keine Unterschiede in der Sprachorganisation zwischen Erst- und Zweitsprache beobachtet
Swadesh schlug diesbezüglich 1941 vor, dass bilinguale Sprecher nur ein System besitzen genauso wie die monolingualen Sprecher
Auch Wissenschaftler aus Singapur haben herausgefunden, dass bei Menschen, die flüssig Englisch und Mandarin sprechen, beide Sprachen anscheinend in denselben Teilen des Gehirns gespeichert werden
Wie beeinflussen sich aber die phonetischen Systeme der zwei Sprachen beim erwachsenen bilingualen Sprecher?
James E. Flege, Carlo Schirru & Ian R.A. MacKay haben das Zusammenspiel der beiden phonetischen Teilsysteme, nämlich das angeborene und das der Zweitsprache untersucht
Untersuchung mit bilingualen Sprechern der Sprachen Englisch und Italienisch
Ziel: wollten herausfinden, ob die Vokale, die ein bilingualer Sprecher in seiner Zweitsprache produziert, unterschiedlich sind zu den Vokalen, die von monolingualen Muttersprachlern produziert wurden
Probanden: italienische Muttersprachler, die nach Kanada im Alter
zwischen 2 & 30 Jahren ausgewandert sind Alle leben in Kanada in englischsprechenden Vierteln
(Ottawa, Ontario) Wurden in 4 Gruppen eingeteilt - „early bilinguals“ (im Alter zw. 2-13 ausgewandert) - „late bilinguals“ (im Alter zw. 15-26 ausgewandert) - „low L1 use“ (zwischen 1% und 13%) - „high L1 use“ (zwischen 25% und 85%) (early low, early high, late low, late high) Durchschnittsalter: 49 Jahre
Methode: Vpn bekamen /CVd/ Wörter über Lautsprecher
vorgespielt, die die untenstehenden Vokale enthielten und mussten diese anschließend wiederholen
Diese Wörter wurden von einem weiblichen und einem männlichen englischen Muttersprachler produziert und dann digitalisiert
Die digitalisierten Wörter wurden in randomisierter Reihenfolge per Lautsprecher englischen Muttersprachlern (monolingual) präsentiert
Die Hörer sollten die Vokale beurteilen Sie konnten dazu 4 verschiedene Button auf
einem Computer drücken
- (1) wrong vowel
- (2) distorted
- (3) acceptable
- (4) good Die ersten 10 Übungsstimuli zu Beginn jedes
Blocks wurden nicht analysiert
Ergebnisse:
L2 Sprache besser bei denjenigen Sprechern, die sehr früh ihre Zweitsprache erworben haben
bilinguale Sprecher, die ihre Zweitsprache sehr früh erworben haben (early bilinguals), artikulierten die englischen Vokale sorgfältiger, als diejenigen, die ihre Zweitsprache erst sehr spät erworben haben (late bilinguals)
Fortsetzung Ergebnisse: Bilinguale Sprecher, die ihre Muttersprache nur
noch sehr selten benutzen (low L1 use bilinguals) produzierten die englischen Vokale viel deutlicher, als diejenigen, die ihre Muttersprache noch sehr häufig verwenden (high L1 use bilinguals)
Dass die phonetischen Teilsysteme von L1 und L2 miteinander interagieren konnten auch Flege, Schirru und MacKay bestätigen
Fortsetzung Ergebnisse
Das Lernen einer Zweitsprache beeinflusst also die Produktion der Muttersprache z.B. wenn das muttersprachliche Segment einer Sprache in ähnlicher Art & Weise produziert wird, wie das Segment der Zweitsprache
Hillenbrand(1984) und Flege(1987) untersuchten z.B. hoch erfahrene englische Spätlerner und fanden heraus, dass diese die Plosive ihrer französischen Muttersprache mit VOT-Werten produzierten, die genau zwischen ihrer Erst-und Zweitsprache lagen
Flege und Eefting (1987) untersuchten späte und frühe englisch Lerner, deren Muttersprache spanisch bzw. niederländisch war
Sie fanden heraus, dass diese Sprecher VOT´s von Plosiven in ihrer Muttersprache kürzer produzierten als monolinguale Sprecher
Dieser Befund ließ sich auch an Hand von Vokalen nachweisen
Flege (1987) fand heraus, dass erfahrene französische Muttersprachler, die Englisch lernten, ihr französisches /u/ mit einem höheren 2. Formanten produzierten, als französische monolinguale Sprecher
Der Erwerb neuer phonetischer Kategorien kann auch die Produktion und Perzeption bereits bestehender phonetischer Kategorien beeinflussen
Anisfeld et al. und Anisfeld und Gordon (1971) haben herausgefunden, dass nur eine kleine Menge an Zweitspracherfahrung ausreicht, um die Prozesse der Erstsprache zu verändern
Weiterhin fanden Winkler et al. (1999) heraus, dass späte Lerner die Phoneme der Zweitsprache in einer Art&Weise bearbeiten, die der der Muttersprachler ähnelt
Winkler et al. schlugen außerdem vor, dass die kortikalen Gedächtnisrepräsentationen für Klänge in der spät erworbenen Sprache ähnlich verarbeitet werden, wie die der muttersprachlichen Gedächtnisrepräsentationen
Es scheint also, dass bilinguale Sprecher in der Lage sind einige Aspekte einer Sprache so zu lernen, wie sie es auch bei der Erstsprache machen dies funktioniert aber nur im Kindesalter
Studie von Susan G. Guion Bezüglich dessen hat auch Susan G. Guion von der
University of Oregon (USA) eine Untersuchung durchgeführt
Fragestellung: Welchen Effekt hat das Lernen von Vokalen der Zweitsprache auf die Produktion der muttersprachlichen Vokale?
Hypothesen: -frühe Lerner werden voraussichtlich leichter neue Vokalkategorien für die Zweitsprache bilden können, als späte Lerner
- Der Erwerb neuer Vokalsysteme in der Zweitsprache löst eine Neuorganisierung des Vokalsystems aus, um die perzeptuelle Distinctiveness (Unterscheidbarkeit) zwischen den Erst- und Zweitsprachensystem zu erhöhen
Methode: - eine weibliche Quichua-Muttersprachlerin wurde
aufgezeichnet und las verschiedene Quichua Wörter vor- eine weibliche spanische Muttersprachlerin wurde
aufgezeichnet und las verschiedene spanische Wörter vor
Versuchspersonen:
- 20 Quichua-Spanisch bilinguale Sprecher und 5 spanische Muttersprachler (monolinguale Sprecher)
- 5 der 20 Quichua-Spanisch Bilinguals haben die Sprachen zeitgleich erworben und alle anderen im Alter von 5-25 Jahren
- Teilnehmer wurden eingeteilt in: frühe, mittlere und späte bilinguale Sprecher (unterschieden sich also im Alter des Spanischerwerbs)
Ablauf:- Teilnehmer mussten zuerst biografische Fragen
beantworten
- Anschließend wurden den Teilnehmern die Wörter vorgespielt und sie mussten jeweils die Quichua bzw. spanischen Wörter wiederholen
- Die bilingualen spanischen Vokale wurden anschließend verglichen mit den Vokalen der spanisch- monolingualen Sprecher, um zu ermitteln, ob bilinguale Sprecher die Vokale ähnlich produzieren wie die Muttersprachler
Ergebnisse:
- Das Alter des Spracherwerbs beeinflusst die Fähigkeit Vokale in der Zweitsprache zu lernen
Die Resultate der akustischen Analyse zeigten, dass umso früher man einer zweiten Sprache ausgesetzt ist, umso besser ist die Chance, die Vokale der Zweitsprache in einer muttersprachlichen Art & Weise zu produzieren
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Quellen:1. Flege, J.E., Schirru, C., MacKay, I.R.A. (2003) Interaction between the native
and second language phonetic subsystems Speech Communication 40, 4:467-492. flegespecom2003.pdf
2. Guion,S. (2003) The vowel systems of Quichua-Spanish bilinguals: Age of acquisition effects on the mutual influence of the first and second languages“, Phonetica 60, 2:98-128. guionphonetica2003.pdf
3. http://de.wikipedia.org/wiki/Bilingualismus (Zugriff am 24.04.07)
4. http://www.wissenschaft-online.de/artikel/342688 (Zugriff am 19.04.07)
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