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Béla Bartók: Tanz-Suite (1923)
SWR-Mittagskonzert Stuttgart, Liederhalle Mittwoch, 29. Januar 2020, 13.00 Uhr SWR Symphonieorchester Kerem Hasan, Dirigent Kerstin Gebel, Moderation Live-Übertragung in SWR2
Preisträgerkonzert – Faszination Klassik Stuttgart, Liederhalle Freitag, 31. Januar 2020, 20.00 Uhr SWR Symphonieorchester Kerem Hasan, Dirigent
empfohlen ab Klasse 8 erstellt von Dr. Benedikt Vennefrohne
I Béla Bartók: Tanz-Suite für Orchester (1923) S. 2
1 Historischer Ort der Tanz-Suite S. 2
2 Die Tanz-Suite (1923) – Analyse S. 4
2.1 Das Ritornell S. 4
2.2 Ungarische Einflüsse S. 5
2.3 Arabische Einflüsse S. 7
2.4 Rumänische Einflüsse S. 8
2.5 Das Finale S. 9
2.6 Orchestrierung S. 10
II Methodische und didaktische Überlegungen S. 13
III Literatur und Quellen S. 15
Materialien
M 1/2 – Biographie-Puzzle
M 3 – Lösung Biographie-Puzzle
M 4 – Béla Bartók – eine virtuelle Ausstellung
M 5 – Youtube-Aufnahme mit Zeiten der einzelnen Abschnitte
M 6 – Ritornell-Thema
M 7 – Ritornell-Thema: Musiziersatz in C, B und Es und im Bassschlüssel
M 8 – III. Tanz: Vereinfachter Mitspielsatz
M 9 – III. Tanz: Musiziersatz in C, B und Es und im Bassschlüssel
M 10 – Kompositionsaufgabe Pentatonik
M 11 – IV. Tanz: Musiziersatz in C, B und Es mit Klavier
M 12 – IV. Tanz: Kreative Gestaltung
M 13 – IV. Tanz: Höranalyse mit Lautstärkediagramm
M 14 – Analyse und Reflexion – Béla Bartók: „Vom Einfluss der Bauernmusik auf die
Musik unserer Zeit“
M 15 – Lösungsvorschläge zu M 14
2
I Béla Bartók: Tanz-Suite für Orchester (1923)
1 Historischer Ort der Tanz-Suite
Béla Bartóks (1881–1945) Tanz-Suite für Orchester Sz. 77 wurde am 19. November 1923 als
Teil eines Festkonzerts der ungarischen Hauptstadt Budapest uraufgeführt, die 1873 aus ei-
ner Vereinigung der Städte Buda, Óbuda und Pest hervorgegangen war. Bartók hatte den
Kompositionsauftrag für das Jubiläumskonzert zum 50. Jahrestag dieser Vereinigung im April
1923 bekommen. Bis Anfang Juli 1923 beschäftigte er sich mit der Skizzierung des Werks, am
19. August konnte er die Partiturreinschrift beenden. Die Uraufführung selbst scheint in der
Öffentlichkeit keinen großen Eindruck hinterlassen zu haben. Der Komponist berichtet sei-
nem Verleger Emil Hertzka Anfang 1924: „Meine »Tanzsuite« wurde recht schlecht aufge-
führt und konnte deshalb auch keinen besonderen Erfolg haben. Sie hat, trotz ihrer Einfach-
heit, doch manche heikle Stellen, denen unser philharmonisches Orchester nicht gewachsen
ist. Die Probe Zeit war – wie immer – allzu knapp bemessen – das Resultat, eine ganz und gar
unbefriedigende Aufführung, bei welcher manche Partien wie bei einer Leseprobe zu Gehör
gebracht wurden.“1 Eine Wende in der Rezeption nicht allein der Tanz-Suite, sondern in der
Rezeption Bartóks als Komponist generell stellte die Aufführung im Rahmen des „Musikfes-
tes der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik“ am 19. Mai 1925 in Prag dar. Auf dieses
Konzert folgten einerseits begeisterte Rezensionen des Werkes2 und andererseits etwa wei-
tere 70 weitere Aufführungen allein bis 1927.3
Bartóks Reflexionen darüber, wie folkloristisches Material kompositorisch eingesetzt
werden kann, entwickeln sich parallel zur politischen Situation in Ungarn. Auf eine nationa-
listische Phase, deren kompositorisches Ergebnis die symphonische Dichtung Kossuth (1903)
ist, folgen ab 1904 erste kompositorische Experimente mit transsilvanischer Volksmusik.
1905 setzt Bartóks Zusammenarbeit mit Zoltán Kodály (1882–1967) bei der Sammlung von
Volksmusik ein, bei der sie in den Folgejahren slowakische, transsilvanische, rumänische,
ruthenische, serbische und kroatische Regionen bereisen und mithilfe von Tonaufzeichnun-
gen und Skizzenbüchern „Bauernmusik“-Melodien aufzeichnen und katalogisieren. 1913 be-
reist Bartók zu diesem Zweck sogar Nordafrika. Nach dem Ende des 1. Weltkriegs wird Un-
garn territorial und politisch neu geordnet, es verliert etwa zwei Drittel seiner ursprüngli-
1 Zitiert nach Bónis 2009, S. VI.
2 Vgl. Breuer 1981, S. 419 und http://www.zti.hu/bartok/exhibition/pics/6/Pr1925Tanzs2.jpg (eingesehen am
13.04.2019). 3 Vgl. Bónis 2009, S. VI.
3
chen Gebiete. Bartók, wie andere Intellektuelle auch, steht in einem Konflikt zwischen einem
idealisierten Alt-Ungarn, und der politischen Gegenwart. Ab 1920 setzt bei Bartók eine neue
Phase der Systematisierung im Umgang mit der Bauernmusik ein: „es werden Kategorien
aufgestellt und die „Spezies“ voneinander getrennt. […] die Verschiedenheit der Erscheinun-
gen“ wird von Bartók als Einheit wahrgenommen, was sich wiederum auf sein Komponieren
und die Idee „von der gründlichen Einheit der Welt“ auswirkt.
„Die sachliche Betrachtung führte Bartók um 1920 zu einem grundsätzlich neuen Verhältnis
zur Volksmusik. Bartók charakterisierte die Volksmusik einmal als Musik, die »jene Eigen-
schaft hat, welche man heutzutage Objektivität zu nennen pflegt und die ich gerne ›das
Fehlen des Sentimentalismus‹ nennen möchte.« Gleichzeitig hielt er eine autonom-ästheti-
sche Welt ausschließlich aus originärer Volksmusik für unmöglich, selbst wenn er seine
Volksliederbearbeitung für vollwertige Werke hielt. – Die berühmten »Stufen«, an denen
man nach Bartók von der unmittelbaren Volksliederbearbeitung zur ideellen Aneignung der
Volksmusik gelangt, sind nicht nur Stufen einer immer vollkommeneren Abstraktionen, son-
dern auch einer immer vollkommeneren künstlerischen Verantwortlichkeit.“4
Bartók selbst charakterisiert das Thema seiner Tanz-Suite als „Bauernmusik-Imitation. Denn
das Ziel des ganzen Werkes war: eine Art ideal vorgestellter Bauernmusik, ich könnte sagen,
eine Art erfundene Bauernmusik nebeneinander zu reihen, und zwar so, dass die einzelnen
Sätze des Werkes gewisse bestimmte musikalische Typen darstellen. – Als Muster diente
Bauernmusik allerlein Nationalitäten: ungarische, walachische, slowakische, sogar arabische;
mehr noch, hie und da auch Mischung dieser Arten.“5 Immer wieder kommt Bartók in Ver-
bindung mit diesem völkerverbindenden Ideal auf die Tanz-Suite zurück, etwa in einem Brief
an den Musikethnologen Octavian Beau aus dem Jahr 1931:
„Meine eigentliche Idee aber, deren ich mir – seitdem ich mich als Komponist gefunden
habe – vollkommen bewusst bin, ist – die Verbrüderung der Völker, eine Verbrüderung
trotz allem Krieg und Hader. Dieser Idee versuche ich – soweit es meine Kräfte gestatten –
in meiner Musik zu dienen; deshalb entziehe ich mich keinem Einflusse, mag er auch aus
slowakischer, rumänischer, arabischer oder sonst irgendeiner Quelle entstammen. Nur
muss die Quelle rein, frisch und gesund sein!“6
So wird aus dem Werk, das der Städteverbindung entsprungen ist, ein Werk völkerverbin-
denden Charakters, wobei Bartók das Material der idealisierten „Bauernmusik“ entnimmt.7
4 Tallián 1983, S. 215; vgl. hierzu ebd., S. 213–215.
5 Zitiert nach ebd., S. 215/216.
6 Zitiert nach Sauter/Weber 2008, Materialband S. 497.
7 Vgl. auch Bónis 2009, S. IX.
4
2 Die Tanz-Suite (1923) – Analyse
2.1 Das Ritornell
Bartóks Tanz-Suite besteht aus fünf Tänzen und einem Finale. Formales Bindeglied ist eine
von ihm als „Ritornell“ bezeichnete Melodie (Bsp. 1). Prägendes Intervall sind die Quarte
bzw. die komplementäre Quinte, die zumeist, wie in Phrase a, diatonisch durchschritten und
dann mit einer fallenden Melodiebewegung abgeschlossen wird. In diminuierter und ausge-
zierter Form findet sich diese Bewegungsform auch in Phrase b, während in Phrase c der
Quartanstieg aufwärts sequenziert ist, um in Phrase d mit einem Quartfall abgeschlossen zu
werden. Formal ähnelt es in seiner klaren Periodik ungarischen Volksliedern; William Kinder-
man verweist auch auf die charakterliche Nähe des Themas zum Verbunkos-Tanz und ver-
gleicht es mit einem ungarischen Volkslied, das Bartók 1907 notiert hatte.8
Nach Bartóks Komponisten-Credo ist es „in der Musik, wie in der Literatur oder den bil-
denden Künsten […] ganz bedeutungslos, welchen Ursprungs das verarbeitete Thema ist,
wichtig ist aber die Art, wie wir es verarbeiten. In diesem ›Wie‹ offenbart sich das Können,
die Gestaltungs- und Ausdruckskraft, die Persönlichkeit des Künstlers.“9 So wird das Ritor-
nell-Thema bei seinem ersten Erscheinen mit einem Orgelpunkt-G begleitet, über dem takt-
weise wechselnd Akkorde erklingen, die weniger aufeinander bezogen sind, als dass sie ver-
schiedene klangliche Farbwerte zur wechselnden Belichtung des Themas beschreiben. Bei
der Wiederholung (Ziffer 10) wechseln verschiedene Bordunquinten ab und zur Variation der
Klarinette erklingt acht Takte später ein liegender Es-Dur-Akkord. Auch bei den beiden Wie-
derholungen bei Ziffer 20 und 43 verändert Bartók das Ritornell durch motivische Variation,
Instrumentierung und wechselnde Begleitfarben.
In der Gesamtform der Tanz-Suite kehrt das Ritornell vor den Tänzen III und V wieder.
Vermutlich verzichtet Bartók auf diese „Promenade“10 vor dem IV. Tanz, weil hier das Molto
8 Vgl. Kinderman 2012, S. 142–146. Vikárius 2004 stellt das Ritornellthema exemplarisch für Bartóks ungarische
Kompositionen in einen Zusammenhang mit anderen melodischen Konstanten bei Bartók. 9 Bartók 1972, S. 175.
10 Den Vergleich zur „Promenade“ aus Modest Moussorgskys Bilder einer Ausstellung zieht auch Kinderman
2012, S. 146.
Notenbeispiel 1
a b c d
a
5
tranquillo vorgeschrieben ist und somit ein offensichtlicher Charakterunterschied zum Ritor-
nell nicht mehr gegeben wäre. Dass auch zwischen dem V. Tanz und dem Finale kein Ritor-
nell steht, ist womöglich dadurch zu erklären, dass Bartók im Finale selbst bei Ziffer 57 noch
eine verkürzte Reminiszenz des Ritornells einbringt.11
Formteil Tanz I Ritornell I Tanz II Ritornell II Tanz III
Tempo Moderato Tranquillo Allegro molto Tranquillo Allegro vivace
Takt 1–120 121–145 1–93 94–112 1–156
Ziffer Beginn bis 8 9 + 10 11–19 20 21–38
Formteil Tanz IV Ritornell III Tanz V Finale darin: Ritornell IV
Tempo Molto tranquillo Lento Comodo Allegro Molto tranquillo
Takt 1–30 31–37 38–63 1–197 112–119
Ziffer 39–42 43 44–46 47 bis Schluss 57
Formübersicht der Tanz-Suite
Bartók verbindet die barocke Ritornellform mit der, ebenfalls barocken, Form der
Suite. Die Suiten-Form hatte er schon in seinem Frühwerk in der Suite Nr. 1 für Orchester
op. 3 (1905) wie auch später in der Suite für Klavier op. 14 (1916) aufgegriffen und weiter-
entwickelt. Die Tanz-Suite ist als durchkomponiertes Werk ohne Pausen zwischen den Sätzen
konzipiert. Die Tempoangaben in der Formübersicht betreffen allerdings nur das Anfangs-
tempo des jeweiligen Tanzes. Diese sind jedoch in sich noch in mehrere Themen bzw. Tänze
oder Charaktere untergliedert, sodass auch hier eine komplexere Suite vorliegt, deren Finale
einige der Themen noch einmal aufnimmt und zu einem wirkungsvollen Schluss führt.
2.2 Ungarische Einflüsse
Bartók erwähnt in dem Brief an Octavian Beau, dass das Ritornell, der zweite und Teile des
dritten Tanzes von ungarischer Musik beeinflusst seien.12 Das Hauptthema des zweiten Sat-
zes (Bsp. 2) besteht fast ausschließlich aus pendelnden kleinen Terzen. Wie im Ritornell ist
auch in diesem Thema eine klare Periodik mit Zweitaktgruppen zu erkennen, die in der
Schlussphrase abwärts geführt wird und in ein Glissando mündet. Auch die nach dem verlän-
11
Vgl. ebd. 12
Vgl. Cooper 2001, S. 57.
6
gerten Schlusston einsetzende Wiederholung endet in einem solchen Glissando, obwohl
Bartók das Thema verlängert und etwas ausweitet. Formal ergibt sich eine Aneinander-
reihung verschiedener Variationen des Themas: A (T. 1–11) – A‘ (T. 12–26) – A‘‘(T. 27–59) –
A‘‘‘ (T. 60–76) – A‘‘‘‘(T. 77–93). Dabei ist A‘‘ die zentrale Sektion, in der Bartók den Material-
kern der kleinen Terz immer weiter ausweitet. Schon in A‘ verwendet er den Taktwechsel
zum 3/4-Takt, in A‘‘ und A‘‘‘ wechselt er hingegen auch in asymmetrische Taktarten wie 5/8-
und 7/8-Takt, die eher auf slowakische Einflüsse hinweisen als auf ungarische Volksmusik.
Eine der prägnantesten thematischen Gestalten der Tanz-Suite ist das Hauptthema des
III. Tanzes (Bsp. 3), das „von einem ungarischen Tanz aus dem 17. Jahrhundert inspiriert wor-
den“13 scheint. Die periodische Gliederung in Vorder- und Nachsatz ist noch offensichtlicher
als im Ritornell-Thema, wobei der Nachsatz mit der abwärts geführten Melodie endet. Bar-
tók begleitet das pentatonische Thema durch rhythmisierte Bordunquinten. Einige themati-
sche Gestalten des III. Tanzes sind aus diesem Hauptthema abgeleitet. Bei Ziffer 31 setzt Bar-
tók es sogar als dreifache Engführung in den beiden Klavieren ein (Bsp. 4) und verbindet so
die Imitation der Bauernmusik mit polyphonem Tonsatz, wie er es in seinen späteren
Orchesterwerken, der Musik für Saiteninstrumente, Schlagwerk und Celesta oder dem Kon-
zert für Orchester immer wieder praktiziert. Der III. Tanz ist als „Kleines Rondo“ A (T. 1–45) –
B (T. 46–75) – A‘ (T. 76–93) – C (T. 94–124) – A‘‘ (T. 125 – 156) komponiert, wobei „die Zwi-
schenspiele Imitationen rumänischer Tanzlieder sind“14. Bartók selbst verweist aber auch auf
den arabischen Charakter, der sich im III. Tanz zeige15, und beschreibt dabei wohl Anklänge
in den Episoden B und C.
13
Bónis 2009, S. VIII. 14
Ebd. 15
Vgl. Cooper 2001, S. 57.
Notenbeispiel 3
Notenbeispiel 2
7
2.3 Arabische Einflüsse
In seinem Brief an Octavian Beau erwähnt Bartók auch die arabischen Einflüsse, die in einzel-
nen Passagen des Tanzes Nr. I und insbesondere im Tanz Nr. IV zu erkennen seien.16 Das in
sich kreisende Thema des I. Tanzes bringt er vermutlich aufgrund des begrenzten Tonvorrats
und der Chromatik mit dem arabischen Charakter in Verbindung. Beide Merkmale finden
sich auch in konzentrierter Weise im Tanz Nr. IV, in dem Bartók ein vertikal klangliches mit
einem horizontal melodischen Element streng alternieren lässt. Dabei entsteht durch die
sukzessive Erweiterung bis zum Höhepunkt (T. 15–20) und die anschließende Reduktion bei-
der Elemente eine Art Bogenform.
Das melodische Element besteht in der Regel aus zwei Takten. In seiner ursprünglichen
Form (Bsp. 5) ist es aus nur viertönigen Skala aufgebaut und wird von Englischhorn und Bass-
klarinette im Oktavabstand gespielt (T. 3/4). Der Halbtonschritt b – ces erzeugt in Verbin-
dung mit der trillerartigen Bewegung eine orientalisch-klagende Wirkung. Beim zweiten
Erklingen wird dieses Thema melodisch zur Fünftonskala erweitert; die A-Klarinette tritt zum
16
Vgl. ebd.
Notenbeispiel 4
8
Unisono hinzu (T. 7/8). In T. 11/12 erweitert die Oboe den Klangraum durch die obere Okta-
ve, in T. 15 setzen die beiden Fagotti noch mit ein, und auf dem Höhepunkt in T. 16/17 kom-
men auch noch Flöte und Hörner hinzu. Mit jedem Einsatz wächst nicht nur der Reichtum
der Klangfarben, sondern auch der Tonvorrat und der melodische Ambitus17. Nach dem
Höhepunkt wird die Besetzung mit jedem Einsatz reduziert und die Melodie erscheint auf
einen Takt verkürzt, bis am Ende allein die Bassklarinette übrigbleibt (T. 29/30).
Wie nahe die „arabische“ Melodik allerdings der Bauernmusik sein kann – sei sie nun
ungarisch oder rumänisch –, lässt sich an den Hirtenflöten-Melodien sehen, wie sie etwa das
ungarische Muszikás-Ensemble präsentiert18. Auch diese Melodien basieren auf Skalen mit
sehr begrenztem Tonmaterial und charakteristischen chromatischen Schritten, die mit Tril-
lern und Prallern verziert werden, vergleichbar dem Thema des IV. Tanzes.
2.4 Rumänische Einflüsse
Deutlich von rumänischer Volksmusik beeinflusst ist das zweite Couplet des III. Tanzes
(Bsp. 6). In seiner Rhythmik, vor allem mit den verschiedenen Kombinationen von Achtel und
zwei Sechzehnteln, ähnelt es dem Mărunțel-Thema aus der Nr. VII von Bartóks Rumänischen
17
Vgl. Bónis 2009, S. VIII. 18
Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=4HAIHSqiwAA (eingesehen am 13.04.2019) bei Min. 1:54.
Notenbeispiel 5
Notenbeispiel 6
9
Volkstänzen. Der zweite Teil des Themas nimmt im Nachsatz mit den Sechzehntelketten vir-
tuose Elemente der rumänischen Horă auf, wie sie etwa auch im Finale des Konzerts für Or-
chester erscheinen19.
2.5 Das Finale
Bartók zitiert im Finale Themen aus den verschiedenen Tänzen und greift damit eine Form-
idee auf, die in den Finali der Walzer von Johann Strauß (Sohn) ihren Höhepunkt erreicht
hatte: die Coda bzw. das Finale als geraffte Zusammenfassung der vorausgegangenen Tanz-
folge, durch die dem Zyklus größeres kompositorisches Gewicht zukommt. Die Reihenfolge
der Tanz-Zitate entspricht gerade nicht der Reihenfolge der Tänze, Bartók stellt die Tänze
um, zitiert und verkürzt, kombiniert in einzelnen Fällen sogar mehrere thematische Ideen
miteinander. Lediglich der langsame IV. Tanz wird nicht mehr zitiert. Für den wehmütig emo-
tionalen Ruhepunkt vor der Schlusssteigerung setzt er stattdessen noch einmal das Ritornell
ein.
Ferenc Bónis beschreibt das Finale formal als eine Zusammensetzung „aus Einleitung,
Exposition, Trio und Reprise“20. Durch die Begriffe „Einleitung“, „Exposition“ und „Reprise“
suggeriert er eine Nähe zur Sonatenhauptsatzform, durch die Bezeichnung „Trio“ auch eine
zum Menuett bzw. Scherzo. Beide Traditionen erscheinen mit dem Verweis auf die Tradition
19
Amann etc. 2015, S. 25/26. 20
Vgl. Bónis 2009, S. VIII.
Takt Zitat Ziffer Formteil nach Bónis
T. 1–17 Tanz V 47
Einleitung T. 9–17 Tanz I 48
T. 18–35 Tanz II 49
T. 36–54 Tanz I 51
Exposition T. 55–85 Tanz III 53
T. 94–111 Tanz II 56
T. 112–119 Ritornell 57 Trio
T. 120–145 Tanz III 58
Reprise T. 149–163 Tanz I 60
T. 164–172 Tanz III 62
Formübersicht Finale
10
von Tanzfolgen als eher unpassend. Stattdessen überwiegt der Potpourri-Charakter statt ei-
ner formalen Geschlossenheit. Die Einleitung ist keine „langsame Einleitung“, das „Trio“ eher
ein „Intermezzo“, die „Reprise“ eine groß angelegte Steigerung, aber keine „Reprise“, nicht
einmal eine Wiederholung. Eine Zäsur zwischen Einleitung und Exposition ist nicht auszuma-
chen, da Tempoveränderungen jedes neue Tanzzitat begleiten, wie auch agogische Verände-
rungen, gerade am Ende jeder Passage, prägend für die gesamte Tanz-Suite sind.
2.6 Orchestrierung
Theodor W. Adorno befindet in seinem Aufsatz über Bartóks Tanz-Suite, diese sei „hübsch
und apart instrumentiert, dem Anlaß gemäß“21. Bartók verwendet ein traditionell besetztes
Orchester mit doppeltem Holz und vier Hörnern; jeweils zwei Trompeten und zwei Posaunen
sowie eine Tuba ergänzen die Bläserbesetzung. Umfangreich besetzt ist das Schlagwerk mit
Pauken, Röhrenglocken, Triangel, Becken, Tamtam, kleiner Trommel, Rührtrommel (Tambu-
ro rullante) und großer Trommel. Hinzu kommen Celesta, Harfe und zwei Klaviere.
Differenziert setzt Bartók insbesondere die Streicher ein: Spielanweisungen wie col leg-
no und sul ponticello finden sich neben Effekten wie Glissandi, Flageolett oder perkussiven
Folgen von Abstrichen. Vor allem im I. Tanz setzt die verschiedenen Spielanweisungen der
Streicher in der Begleitung sehr eindrucksvoll ein. Auch die klangliche Aufteilung der Strei-
chergruppe durch Teilungen oder Soli gehört zu Bartóks Repertoire des Instrumentierens.
Auch die Behandlung der Becken wird in der Partitur differenziert erläutert: „Bei Piatti heißt
»a 2« mit beiden Becken, »col legno« heißt: ein Becken mit dem Holzschaft des Schlägels be-
rühren; »colla mano« heißt ein Becken mit der Hand berühren. Wo keine Bezeichnung steht,
soll ein Becken mit dem überzogenen Ende des Schlägels berührt werden.“22
Mit besonderer Sorgfalt orchestriert Bartók im III. Tanz die Überleitung vom ersten
Couplet B zum Refrain A‘ (T. 68–75) und ebendiesen Refrain (T. 76–93), welcher zu einem
schillernden Spiel der Klangfarben wird.23 In den letzten fünf Takte des Couplets (T. 71–75),
einem rallantando molto, spielt Bartók mit den Tönen der pentatonischen Skala c – d – f – g
– a, die vertikal in den geteilten Violinen erklingen, die zunächst mit Dämpfer (T. 71/72) ge-
spielt werden, im Anschluss daran noch zusätzlich sul ponticello tremolierend verklingen
21
Breuer 1981, S. 417. 22
(http://imslp.eu/files/imglnks/euimg/7/72/IMSLP474960-PMLP30575-bartok-tanz.pdf ) (eingesehen am 13.04.2019) 23
https://www.youtube.com/watch?v=nI1XE5ns3H8 (eingesehen am 13.04.2019) bei Min. 7:00.
11
(T. 73–75). Harfe, ein gedämpftes Horn, Triangel und ein sehr hoher Flöten-Triller auf dem
g‘‘‘ ergänzen diesen impressionistischen Orchesterklang vertikal, während die Celesta die
pentatonische Skala als Arabeske spielt. Harfe und Klavier leiten schließlich auf dem letzten
Viertel mit einem Glissando über zu Thema A‘.
Bartók bevorzugt hier leichte und helle Klangfarben, die er ausgewählt miteinander
kombiniert. Das Thema liegt zunächst in der Piccoloflöte (T. 76–83), die Kerntöne werden
allerdings vom Fagott vier Oktaven tiefer gedoppelt, und sie erklingen auch im Nachschlag
von Klarinette, zwei solistischen II. Geigen und einem Cello im Pizzicato. Die Wiederholung
des Themas (T. 84–93) ist satztechnisch ein enggeführter Kanon (vgl. Kap. I.2.2, S. 6/7) über
einem quartgeschichteten orgelpunktartigen Klang fis – h – e (im Bsp. 7 grün eingefärbt). Die
leichten Klangfarben bleiben, der Gesamtklang aber ändert sich. Das gesamte Streichorches-
ter wird in Einzelstimmen unterteilt. Der Orgelpunkt liegt in solistischen Streichern aus allen
Stimmgruppen, zum Teil im Flageolett, wobei die nachschlagenden Instrumente pizzicato
spielen. Zu dieser Klangschicht treten noch die nur in dieser Passage colla mano zu spielen-
den Becken hinzu. Die kanonischen Einsätze der führenden Klaviere (im Bsp. 7 verschieden-
farbig markiert) werden hingegen von solistischen Streichern im Flageolett mitgespielt, aller-
dings teilweise auch von anderen Instrumenten gedoppelt, etwa den Röhrenglocken
(T. 84/85 bzw. T. 88/89) – auch diese treten nur an dieser Stelle auf – oder von den Klarinet-
ten (T. 85–87 bzw. T. 89–91); bei den Celli sind auch die Saiten angegeben. Eine eigene
Schicht innerhalb dieser Klangmischung nimmt die Harfe mit einer arabesken Sechzehntel-
bewegung ein (im Bsp. gelb).
Weitere instrumentatorische Besonderheiten sind die unterschiedlich instrumentier-
ten Bordun-Farben, etwa am Beginn des III. Tanzes, wo in nachschlagenden Pizzicato-Achteln
die Quinte h – fis (T. 1–8) erklingt, welche dann von der Harfe, Hörnern und Flöte als in sich
bewegter Liegeton abgelöst wird (T. 9–16). Ganz anders in der Klangfarbe instrumentiert er
die Bordunquinten im ersten Couplet (T. 46–71).
Expressionistisch stechen die Glissandi heraus, insbesondere im II. Tanz, wo jede Varia-
tion des Themas mit einem solchen Glissando abgeschlossen wird (vgl. z. B. T. 56–59). Ex-
pressiv wirken Unisono-Passagen, etwa am Ende des ersten Refrains im III. Tanz (T. 29–45,
Ziffer 24) oder bei der Wiederaufnahme des II. Tanzes im Finale, die mit den unisono geführ-
ten Posaunen und Trompeten beginnt (T. 149) und mit der Verbreiterung in ein Unisono aller
Blechbläser bei T. 160 übergeht.
12
Notenbeispiel 7
13
II Methodische und didaktische Überlegungen
Musikpädagogische Literatur zu Béla Bartók findet sich in großem Umfang. Auch die Tanz-
Suite ist bereits mehrfach in Unterrichtswerke aufgenommen worden, im Mittelstufenband
einer älteren Ausgabe der Spielpläne24 und im Oberstufenband von Musik um uns25, auf den
auch in einer Analyse- bzw. Transferaufgabe (vgl. M 14) zurückgegriffen wird.
Seit Béla Bartóks Konzert für Orchester 2016 Sternchenthema im Musikabitur ist, ha-
ben die Fachberater für das Fach Musik seitdem in allen Regierungspräsidien Fortbildungs-
materialien erstellt, darunter auch Informatives zur Biographie Bartóks. Verwiesen sei etwa
auf die Präsentation inklusive Vortragstext von Christoph Wagner26, der in aller Ausführlich-
keit über Bartóks Kindheit informiert sowie die künstlerisch prägende Verbindung von Pia-
nist, Lehrer, Forscher und Komponist zusammenfasst. Der Teil über das Konzert für Orchester
könnte für eine biographische Annäherung an Bartók weggelassen werden. Im Anhang der
vorliegenden Handreichung findet sich ein biographisches Puzzle (M 1/2), das vor allem
Schülern der Mittelstufe eher entgegenkommen dürfte und voraussetzungslos bearbeitet
werden kann; M 3 ist die Lösung dieser Arbeitsblätter. Als Vertiefung der Komponistenbio-
graphie ist, insbesondere für ältere Schüler, die Recherche-Aufgabe in M 4 gedacht, die sich
auf die hervorragend dokumentierte Internetseite des Bartók-Archivs des Instituts für Musik-
wissenschaft der Ungarischen Akademie der Wissenschaften bezieht.27
M 5 ist für die Hand des Lehrers gedacht, um die jeweiligen Sätze bzw. einzelne The-
men exakt anspielen zu können. Die youtube-Aufnahme mit Sir Georg Solti als Dirigent28 bie-
tet zudem auch die Partitur zum Mitlesen.
Das Ritornell findet sich in einer transponierten Musizierfassung in M 6. Auf die Verzie-
rung am Ende wurde verzichtet und die Melodie, dem Tonumfang von Glockenspielen o. ä.
Klasseninstrumenten durch die Transposition eine Quarte tiefer vereinfacht. M 7 enthält
dasselbe Ausgangsmaterial, allerdings auch in Fassungen für B- und Es-Instrumente sowie im
Bassschlüssel. Auch M 8, M9 und M 11 enthalten in gleicher Weise vereinfachte Musizierfas-
sungen von Themen aus dem III. und IV. Tanz. Dabei bietet M 9 auch die Möglichkeit, die
24
Kemmelmeyer/Nykrin 1997. 25
Sauter/Weber 2008. 26
http://www.schule-bw.de/faecher-und-schularten/musische-faecher/musik/sek-ii/abitur/bartok/index.html (eingesehen am 13.04.2019) 27
http://www.zti.hu/bartok/exhibition/de_TOC.htm (eingesehen am 13.04.2019) 28
https://www.youtube.com/watch?v=nI1XE5ns3H8 (eingesehen am 13.04.2019)
14
Bordunquinten zu rhythmisieren, wie Bartók selbst es macht. Bei M 11, einem Arrangement
aus dem IV. Tanz, können, je nach Zusammensetzung der Schülergruppe, auch die Ideen der
sich vergrößernden Besetzung und der jeweils veränderten Klangfarbe in den Umgang mit
dem Arrangement einfließen.
Mit dem Musizieren des III. Tanzes kann auch die gestaltende Erarbeitung pentatoni-
scher Melodien wie in M 10 einhergehen. Das Musizieren von M 8 bzw. M 9 lässt sich eben-
so als Impuls für die eigene Gestaltung denken wie auch als Transfer nach der kreativen Ar-
beit. Diese kann durch Vorgaben in unterschiedlicher Weise gelenkt werden, indem etwa be-
stimmte Rhythmen, der formale Aufbau der Melodie o. a. vorgegeben werden.
In seinem regelmäßig dialogischen Wechsel von Streicher-Akkorden und der Unisono-
Melodie der Holzbläser öffnet der IV. Tanz Räume für kreative Gestaltungsansätze. M 12
stellt einen Vorschlag für eine Bewegungsgestaltung oder, als Alternative, auch als Schreib-
gespräch für einen Dialog dar. Als Impuls für eine Reflexion kann auch ein Lautstärkedia-
gramm des IV. Tanzes (M 13) genutzt werden.
Auf das Material aus dem Schülerband Musik um uns. Sek. II29 bezieht sich die Analyse
und Reflexion in M 14. Die Zitate aus Bartóks Texten wurden übernommen, die Notenbei-
spiele wurden allerdings um ein Beispiel gekürzt, wie auch die zweite Aufgabenstellung nicht
den Kontext weiterer musikästhetischer Positionen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
mit einbezieht. Die Lösung zu beiden Aufgaben (M 15) zitiert die Formulierungen aus dem
Materialband des Unterrichtswerks30; ein vollständiger Abdruck des Bartók-Aufsatzes „Vom
Einfluss der Bauernmusik auf die Musik unserer Zeit“ sowie ein längerer Auszug aus dem
Brief Bartóks an Octavian Beau finden sich ebenfalls im Material des Lehrbuchs.
29
Vgl. Sauter/Weber 2008, S. 82/83. 30
Vgl. ebd.
15
Literatur und Quellen
Notenausgaben
Bartók, Béla: Tanz-Suite für Orchester (Studienpartitur), Wien u. a. (Universal Edition) 2009.
Bartók, Béla: Tanz-Suite für Orchester, New York (Boosey & Hawkes) 1951.
(http://imslp.eu/files/imglnks/euimg/7/72/IMSLP474960-PMLP30575-bartok-
tanz.pdf ) (eingesehen am 13.04.2019)
Tonaufzeichnungen
Bartók, Béla: Tanz-Suite für Orchester, Si Georg Solti, London Symphonie Orchestra
https://www.youtube.com/watch?v=nI1XE5ns3H8 (eingesehen am 13.04.2019)
Sekundärliteratur
Amann, Andrea et. al.: Unterrichtsmaterialien zum Schwerpunktthema „Béla Bartók: ein
Komponist zwischen Tradition und Innovation am Beispiel des Werkes »Konzert für
Orchester« Sz. 116“, Regierungspräsidium Stuttgart 2015. http://www.schule-
bw.de/faecher-und-schularten/musische-faecher/musik/sek-
ii/abitur/bartok/bartok_unterrichtsmaterialien.pdf (eingesehen am 13.04.2019)
Bartók, Béla: Vom Einfluss der Bauernmusik auf die Musik unserer Zeit, in: Béla Bartók, Weg
und Werk. Schriften und Briefe, hg. von Bence Szabolcsi, Kassel u.a. (Bärenreiter)
1972, S. 175.
Bónis, Ferenc: Vorwort zur Partiturausgabe, in: Bartók, Béla: Tanz-Suite für Orchester
(Studienpartitur), Wien u. a. (Universal Edition) 2009, S. V–IX.
Breuer, János: Theodor Wiesengrund-Adorno: Texte über Béla Bartók, in: Studia Musicologica
Academiae Scientiarum Hungaricae, 23. Jg (1981), H. 1, S. 397–425.
Cooper, David: Bartók’s orchestral music and the modern world, in: The Cambridge
Companion to Bartók, hg. von Amanda Bayley, Cambridge etc. (Cambridge University
Press) 2001, S. 45–61.
Kemmelmeyer, Karl-Jürgen/Nykrin, Rudolf: Spielpläne 7/8. Regionalausgabe 1,
Stuttgart/München (Klett) 1997.
16
Kinderman, William: Folklore transformed in Bartoks Dance Suite, in: Kinderman, William:
The creative proscess in music from Mozart to Kurtág, Urbana (University of Illinois
Press) 2012, S. 138–162.
Sauter, Markus/Weber, Klaus (Hg.): Musik um uns. Sekundarbereich II, Braunschweig
(Schroedel) 2008.
Tallián, Tibor: Quellenschichten der Tanz-Suite Bartóks, in: Studia Musicologica Academiae
Scientiarum Hungaricae, 25. Jg. (1983), H. 4, S. 211–219.
Vikárius, László: The Expression of National and Personal Identity in Béla Bartók’s Music, in:
Danish Yearbook of Musicology, 32. Jg. (2004), S. 43–64.
(http://www-1dym-1dk-17q2hxzql01ab.han.wlb-
stuttgart.de/dym_pdf_files/volume_32/volume_32_043_064.pdf) (eingesehen am
13.04.2019)
M 1 – Biographie-Puzzle I Auf dieser Seite findest du eine Zeitleiste mit Bildern aus dem Leben von Béla Bartók. Die
fehlenden Beschreibungen für die einzelnen Lebensabschnitte findest du auf dem Textblatt
M 2, allerdings zeitlich durcheinander gewürfelt.
Betrachte die Bilder aus den verschiedenen Lebensabschnitten des Komponisten. Lies die
Textstellen von M 2 und ordne dann jedem Bild bzw. jedem hervorgehobenen Jahr die pas-
sende Textstelle zu. Zerschneide das Textblatt M 2und klebe jede Textstelle rechts oder links
neben das entsprechende Bild an der Zeitleiste.
1881
1883
1885
1886
1889
1891
1893
1895
1897
1899
1901
1902
1903
1904
1905
1906
Nagyszentmiklós
1907
1909
1911
1913
1915
1918
1919
1921
1923
1924
1925
1927
1929
1931
1934
1937
1940
1942
1944
1945
1988
M 2 – Biographie-Puzzle II
Bartók bereist verschiedene Regio-nen seiner ungarischen Heimat, um „Bauernmusik“ aufzuzeichnen. Hier singen Bauern ihre Lieder in Bartóks Edison-Phonographen.
Bartók im Alter von 5 Jahren. Mit sechs Jahren erhält er regelmäßigen Klavierunterricht bei seiner Mutter Paula Bartók.
Bartók stirbt am 26. September in New York.
Bartók emigriert in die USA, um dem Zugriff der Nationalsozialisten zu entgehen.
Béla Bartók wird am 25. März im ungarischen Nagyszentmiklós (heutiges Rumänien) geboren, wo er auch seine Kindheit verbringt.
Bartóks Tanz-Suite wird anlässlich des 50. Jubiläums der Vereinigung der Stadtteile Buda, Obuda und Pest (1873) in Budapest uraufgeführt.
Komposition der Symphonischen Dichtung Kossuth, die Lajos Kossuth, einen der Anführer der Ungarischen Unabhängigkeitserhebung gegen Österreich thematisiert.
Bartóks sterbliche Überreste werden von New York nach Ungarn gebracht, wo er ein postumes Staatsbegräbnis bekommt.
Die Aufführung der Tanz-Suite im Rahmen des „Musikfestes der Inter-nationalen Gesellschaft für Neue Mu-sik“ in Prag ist ein großartiger Erfolg.
Bartók beginnt ein Klavier- und Kompositions-Studium in Budapest.
Bartók lernt Zoltán Kodály (im Bild rechts) kennen, mit dem er gemeinsam ca. 10.0000 Volkslieder sammelt und aufzeichnet.
Uraufführung seiner einzigen Oper
Herzog Blaubarts Burg (Komposition:
1911).
1 2
3
4
5 6
7 8
9 10
12 11
Bartók veröffentlicht den Aufsatz „Vom Einfluss der Bauernmusik auf die Musik unserer Zeit“.
13
M 3 – Lösung Biographie-Puzzle
Jahr Text Text
1881 5 Béla Bartók wird am 25. März im ungarischen Nagyszentmiklós (heutiges Rumänien)
geboren, wo er auch seine Kindheit verbringt.
1886 7 Bartók im Alter von 5 Jahren. Mit sechs Jahren erhält er regelmäßigen Klavierunter-
richt bei seiner Mutter Paula Bartók.
1899 12 Bartók beginnt ein Klavier- und Kompositions-Studium in Budapest.
1903 10 Komposition der „Symphonischen Dichtung“ Kossuth, die Lajos Kossuth, einen der
Anführer der Ungarischen Unabhängigkeitserhebung gegen Österreich thematisiert.
1905 2 Bartók lernt Zoltán Kodály (im Bild rechts) kennen, mit dem er gemeinsam ca.
10.0000 Volkslieder sammelt und aufzeichnet.
1907 1 Bartók bereist verschiedene Regionen seiner ungarischen Heimat, um „Bauern-
musik“ aufzuzeichnen. Im Bild singen Bauern ihre Lieder in Bartóks Edison-Phono-
graphen.
1918 8 Uraufführung seiner einzigen Oper Herzog Blaubarts Burg (Komposition: 1911).
1923 6 Bartóks Tanz-Suite wird anlässlich des 50. Jubiläums der Vereinigung der Stadtteile
Buda, Obuda und Pest (1873) in Budapest uraufgeführt.
1925 11 Die Aufführung der Tanz-Suite im Rahmen des „Musikfestes der Internationalen
Gesellschaft für Neue Musik“ in Prag ist ein großartiger Erfolg.
1931 13 Bartók veröffentlicht den Aufsatz „Vom Einfluss der Bauernmusik auf die Musik unserer Zeit“.
1940 4 Bartók emigriert in die USA, um dem Zugriff der Nationalsozialisten zu entgehen.
1945 3 Bartók stirbt am 26. September in New York.
1988 9 Bartóks sterbliche Überreste werden von New York nach Ungarn gebracht, wo er
ein postumes Staatsbegräbnis bekommt.
M 4
Béla Bartók – eine virtuelle Ausstellung
Das Bartók-Archiv des Instituts für Musikwissenschaft der Ungarischen Akademie der Wis-
senschaften hat im Jahr 2004 eine virtuelle Ausstellung zu Leben und Werk des Komponisten
Béla Bartók erstellt. Du findest diese Ausstellung unter dem Link
http://www.zti.hu/bartok/exhibition/de_TOC.htm (eingesehen am 13.04.2019).
Aufgabe
Recherchiere auf der oben angegebenen Internetseite und stelle Informationen für einen
Kurzvortrag zu Leben und Werk von Béla Bartók zusammen.
alternativ
Recherchiere auf der oben angegebenen Internetseite zur Bedeutung der Volksmusik bzw.
der „Bauernmusik“ im Werk Béla Bartóks.
M 5 – Youtube-Aufnahme mit Zeiten der einzelnen Abschnitte
Aufnahme mit Zeiten für einzelne Tänze und Abschnitte, bezogen auf die Aufnahme
https://www.youtube.com/watch?v=nI1XE5ns3H8 (eingesehen am 13.04.2019)
Formteil Untergliederung Ziffer Zeit (Min.)
I. Moderato 0:00
Ritornell I 9 2:37
II. Allegro molto 11 3:34
Ritornell II 20 5:01
III. Allegro vivace A 21 5:49
B 26 6:36
A‘ 30 7:07
C 32 7:22
A‘‘ 36 7:53
IV. Molto tranquillo 39 8:37
Ritornell III 43 10:44
V. Comodo 45 11:15
Finale Tanz V 47 12:15
Tanz I 48 12:28
Tanz II 49 12:42
Tanz I 51 13:08
Tanz III 53 13:31
Tanz II 56 14:08
Ritornell 57 14:22
Tanz III 58 14:45
Tanz I 60 15:08
Tanz III 62 15:28
M 6
M 7
M 8
°
¢
°
¢
C-Stimme
(vereinfacht)
C-Stimme
B-Stimme
Es-Stimme
Bass-Stimme
Bordun
2
4
2
4
2
4
2
4
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4
2
4
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4
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M 9
III. Tanz
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M 10
Pentatonik (griech. Pentatonos, fünftönig) – umfassende Bezeichnung für fünftönige Ton-
leitermodelle […]. Die wesentliche Wirkung der Pentatonik geht von ihrer Halbtonlosigkeit
aus, verbunden mit einer ihr innewohnenden mangelnden Grundtönigkeit, die wiederum
einen diffus-schwebenden Charakter hervorruft. Pentatonische Tonleitermodelle sind in der
europäischen Volksmusik, in Asien und bei den Naturvölkern Afrikas und Amerikas weit ver-
breitet. In die westeuropäische Kunstmusik gelangen pentatonische Einflüsse gegen Ende
des 19. Jahrhunderts (Debussy, Puccini, Bartók etc.) […].
Quelle: Th. Krämer/M. Dings: Lexikon der Musiktheorie, Wiesbaden etc. (Breitkopf & Härtel) 2005, S. 205–207.
Aufgabe
Erfinde aus den folgenden fünf Tönen
eine eigene Melodie.
Tipps:
Verwende zunächst einfache Notenwerte (Achtel, Viertel und Halbe).
Überprüfe die Melodie an deinem Instrument. Komponiere nur etwas, was du auch
selbst spielen kannst!
Überarbeite deine Melodie. Vielleicht gibt es gelungene „Motive“, die du noch
einmal an anderer Stelle verwenden kannst, möglicherweise auch in abgeänderter,
„variierter“ Form.
Eine einfache Begleitung zu deiner Melodie ist mit der
nebenstehenden Bordunquinte möglich.
Bordunquinte (it. bordone, Brummbass) – auf den Dudelsack oder ein Orgelregister zurück-
gehende Bezeichnung, die ein permanentes Festhalten simultanen Quintintervalls (meist im
Bassbereich) meint.
Quelle: Th. Krämer/M. Dings: Lexikon der Musiktheorie, Wiesbaden etc. (Breitkopf & Härtel) 2005, S. 35.
M 11
M 12
Aufgabe
Hört Euch den IV. Tanz an.
Überlegt in der Gruppe, wie Ihr diese Musik als Gruppe in einer Bewegungsgestaltung
umsetzen könnt.
Übt diese Bewegungsgestaltung und präsentiert sie der Klasse.
alternativ
Stell dir vor, Bartók hätte ein wortloses Gespräch komponieren wollen.
Verfasse mit einem Arbeitspartner in Form eines Schreibgesprächs dieses Gespräch auf.
M 13
Béla Bartók: Tanz-Suite – IV. Tanz
Unten siehst Du ein graphisches Lautstärkediagramm des IV. Tanzes.
Aufgabe
a) Trage während des Hörens alle auffälligen Aspekte in die Graphik ein (Instrumen-
tation, Klang, Bewegung etc.).
b) Setze dich anhand der Graphik mit der These auseinander, dass das Thema des IV.
Satzes das Um-sich-selbst-Kreisen sei.
M 14
Béla Bartók: »Vom Einfluss der Bauernmusik auf die Musik unserer Zeit« (1931)
„Zu Anfang des 20. Jahrhunderts trat ein Wendepunkt in der Geschichte der modernen Musik ein.
[…] Unschätzbar waren der Antrieb und die Hilfe, die dieser Wandel oder richtiger: diese »Renais-
sance« von der bislang völlig unbekannten Bauernmusik bzw. von der im engeren Sinne als solche be-
zeichneten erhielt.
Diese Bauernmusik weist in der Form höchste Vollendung und Mannigfaltigkeit auf. Erstaunlich ist
ihre große Ausdruckskraft, die dabei völlig frei von Sentimentalität und überflüssigem Geschnörkel
ist. Manchmal einfach bis zur Primitivität, aber niemals einfältig, bildet sie den idealen Ausgangs-
punkt für eine musikalische Wiedergeburt und ist dem Komponisten der vorzüglichste Lehrmeister.“
Béla Bartók beschreibt drei unterschiedliche Möglichkeiten, wie der „Einfluss der Bauernmusik in
der höheren Kunstmusik“ in Erscheinung treten kann:
„Vor allem in der Weise, dass wir die Bauernmelodie ohne jedwede Veränderung oder nur wenig va-
riiert mit einer Begleitung versehen und eventuell noch mit einem Vor- und Nachspiel einfassen. […]
Eine andere Erscheinungsart des Einflusses der Bauernmusik ist folgende: Der Komponist verwendet
keine echte Bauernmelodie, erfindet anstatt dessen selbst irgendeine Bauernmelodien-Imitation. […]
Schließlich kann sich die Einwirkung der Bauernmusik in den Werken des Komponisten noch auf eine
dritte Weise bemerkbar machen: wenn er zwar weder Bauernmelodien noch ihre Imitationen ver-
arbeitet, seiner Musik jedoch dieselbe Atmosphäre entströmt […] Das bedeutet: diese bäuerliche mu-
sikalische Ausdrucksweise ist zu seiner musikalischen Muttersprache geworden.“
B. Bartók: Tanz-Suite (1923) – Beginn III. Tanz (Ziffer 21)
B. Bartók: Tanz-Suite (1923) – (Ziffer 26, Streicher)
„Das Studium der Bauernmusik war von entscheidender Bedeutung für mich: denn der überwiegen-
de und geradezu wertvollere Teil der gewonnenen Melodien ist in den alten Kirchentonarten bzw. in
altgriechischen und primitiveren (namentlich pentatonischen) Tonarten gehalten und zeigt außer-
dem mannigfaltigste und freieste rhythmische Gebilde und Taktwechsel. Es erwies sich, dass die al-
ten Tonleitern ihre Lebensfähigkeit durchaus nicht verloren haben. Ihre Anwendung ermöglicht auch
neuartige harmonische Kombinationen. Diese Behandlung der diatonischen Tonreihe führte zur
Befreiung von der erstarrten Dur-Moll-Skala.“
B. Bartók (1921)
„Meine eigentliche Idee aber, derer ich mir – seitdem ich
mich als Komponist gefunden habe – vollkommen be-
wusst bin, ist – die Verbrüderung der Völker, eine Ver-
brüderung trotz allem Krieg und Hader. Dieser Idee ver-
suche ich – soweit es meine Kräfte gestatten – in meiner
Musik zu dienen; deshalb entziehe ich mich keinem Ein-
flusse, mag er auch slowakischer, rumänischer, arabi-
scher oder sonst irgendeiner Quelle entstammen.“
B. Bartók (1931)
Aufgaben
Weisen Sie in den Ausschnitten die von Bartók genannten musikalischen Gestaltungs-
mittel nach.
Erläutern Sie anhand der Quellentexte Bartóks Auffassung vom musikalischen „Folklo-
rismus“.
M 15
Lösungsvorschläge zu M 14
Weisen Sie in den Ausschnitten die von Bartók genannten musikalischen Gestaltungsmittel
nach.
Die musikalische Gestaltung in Bartóks Tanz-Suite entspricht der „Einwirkung der Bauern-
musik […] auf eine dritte Weise“: „dieselbe Atmosphäre“, „bäuerliche musikalische Aus-
drucksweise“ als „Muttersprache“.
Konkret zu nennen und zu belegen sind:
„primitivere (namentlich pentatonische) Tonarten“/„Befreiung von der erstarrten
Dur-Moll-Skala“ – Fagott-Thema (Ziffer 21), Quintklänge (Bordunquinten) als Beglei-
tung (Ziffer 21 und 26)
„mannigfaltigste und freieste rhythmische Gebilde“ – synkopische Begleitung in den
Streichern (Ziffer 21), Kontrabass (Ziffer 26)
„Taktwechsel“ – 3/4-, 2/4-, 5/8-Takt (Ziffer 26), zusammengesetzte Taktarten wie der
5/8-Takt
Erläutern Sie anhand der Quellentexte Bartóks Auffassung vom musikalischen „Folkloris-
mus“.
„Musikalischer Folklorismus“ enthält für Bartók die Bedeutung von:
»Renaissance« und systematische Erforschung der „unbekannten Bauernmusik“
Öffnung für unterschiedliche nationale Einflüsse
„neuartige harmonische Kombinationen“ und „Befreiung von der erstarrten Dur-
Moll-Skala“ durch Studium der Bauernmusik
„freieste rhythmische Gebilde“ durch Orientierung an der Ausdruckskraft der Bauern-
musik
Bauernmusik als „vorzüglichster Lehrmeister“
„musikalische Wiedergeburt“ als Aufgreifen von bereits vorhandenen musikalischen
Gestaltungsmitteln
Übernahme von „Bauernmelodien“ in der Kunstmusik bzw. Verwendung von Be-
arbeitungen und Imitationen
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