bruneck spricht offen über seine krankheit: über seine ...€¦ · nicht wie jemand, den die...

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10 DI 29.01.2019 – Nr. 20 Südtirol

Als Klaus Gasperi den Raumbetritt, lächelt er. Er grüßtfast alle, die sich in der Bar

des Hotels Blitzburg in Bruneckgerade aufhalten und setzt sichdann an unseren Tisch. Der Hän-dedruck ist fest. Der Gemütszu-stand offensichtlich auch. DerTheatermann aus Bruneck wirktnicht wie jemand, den die Krank-heit fest im Griff hat. Er wirkt eherwie ein Mann, der sich dessen be-wusst ist, was er gerade durch-macht, aber dieses Schicksal mitder nötigen Gelassenheit und Stär-ke annimmt. Klaus Gasperi hatKrebs, die Prostata, sagt er.

Tageszeitung: Herr Gasperi, bei Ih-nen wurde Krebs diagnostiziert.Wie wurde die Krankheit be-merkt?Klaus Gasperi: Begonnen hat al-les im Frühjahr. Plötzlich bekamich Schmerzen in der Hüfte undging zunächst davon aus, dass dieseine Art Rheumatismus oder Mus-kelkater sein könnte. Später hatmir die Schulter wehgetan, dann

das Knie. Als die Schmerzen ir-gendwann unerträglich wurden,bin ich ins Krankenhaus. Anfangswar man auch dort der Ansicht,dass es sich um einen Wanderrheu-matismus handeln könnte. Die vie-len Kontrollen und Untersuchun-gen haben dann zum Ergebnis ge-führt, dass es Krebs ist. Dabei wur-den auch Metastasen in der Wir-belsäule gefunden. Das Wilde fürmich war der Schmerz. Wenn ichkeine Schmerzen mehr habe, dach-te ich von Anfang an, dann ist derRest mir eigentlich egal. Mehroder weniger. Wurde Sie operiert? Nein, operiert wurde ich nicht. Ichhabe zuerst Bestrahlungen in Bozengemacht, weil an der Wirbelsäuledie Gefahr bestand, dass etwasbricht. Daraufhin begann ich vorvier Monaten mit der Chemothera-pie. Ich hatte sechs Einheiten imAbstand vor drei Wochen. Der letzteTermin war vor einigen Tagen.Und jetzt?

Ich bin zwar noch voller Medika-mente. Aber die Schmerzen habennachgelassen. Darüber bin ich sehrfroh. Nur wenn ich länger gehe,dann schmerzt es wieder, aber ichglaube das sind die Muskeln. AmFreitag muss ich wieder Untersu-chungen machen: Blutwerte kon-trollieren und Computertomogra-fie. Dann erfahre ich wie es tat-sächlich ausschaut. Wie sehr beschäftigt Sie dieKrankheit? Machen Sie sichdauernd Sorgen, dass sich IhrZustand verschlechtern könnte?Überhaupt nicht. Die Situation ist,wie sie ist. Wie mein Freund JoesiProkopetz in seinem letzten Kaba-rett gesagt hat: Vom Jammernwird man auch nicht gesund. Dasnehme ich mir zu Herzen. Dass ichgar nicht so sehr darüber nachden-ke, erstaunt mich selbst. Vor zehnJahren habe ich an einer Reihen-untersuchung teilgenommen, wobei mir eine Koloskopie durchge-führt wurde. Damals hat man mireine Fistel entfernt und die Probenins Labor geschickt. Da hatte ichwirklich Schiss. Ich konnte einigeTage an nichts anderes denken.Aber zum Glück war damals nichts.

Jetzt, wo tatsächlich etwas ist, be-schäftigt mich das viel weniger. Aber war die Diagnose am An-fang ein Schock für Sie?Auch nicht. Wahrscheinlich hatteich bereits etwas geahnt. DiesesMal hatte ich so große Schmerzen,dass ich nur noch den Wunsch hat-te, diese loszuwerden. Wie sehr können Sie Ihren Alltagund Ihre Arbeit noch weiterleben? Momentan bin ich Stammgast inder Onkologie in Bruneck. Ich waranfangs noch davon ausgegangen,dass ich mehr oder weniger der ein-zige bin, der betroffen ist. Ich wardann umso mehr erstaunt darüber,wie viele Bekannte ich dort treffe.Es beeindruckt mich, wie weit ver-breitet diese Krankheit ist. MancheMenschen erkenne ich nicht gleich,weil sie in der Chemotherapie dieHaare verloren haben...Wie war das bei Ihnen?Mir ist eigenartigerweise der Bartausgefallen. Die Haare hatte ichmir vor drei Monaten so kurz ge-schnitten, wie sie jetzt sind. DieHaare am Kopf sind zwar nicht ge-wachsen, aber eben auch nicht aus-gefallen. Ich hatte mein ganzes Le-ben lang einen Bart. Jetzt ist er

weg. Die Chemotherapie wirkt beijedem anders. Haben Sie sehr gelitten unterden Nebenwirkungen der Chemo-therapie?Eigentlich nicht. Nach der Chemo-therapie ist es mir zwei Tage un-heimlich gut gegangen. Aber dasist normal: Dabei bekommt man soviel Cortison, dass man sich pudel-wohl fühlt. Dieser Zustand lässtspäter nach. Dann geht es einemecht beschissen. Mittlerweile kannich damit gut umgehen, weil ichweiß, was mich erwartet. Was michallerdings schon stört: Der Ge-schmacksinn kam mir nach einigenTagen völlig abhanden. Ich könntedie Serviette anstatt dem Schnitzelessen. Das schmeckt beides gleich.Nach eineinhalb Wochen kann ichwieder Schmecken.Müssen Sie sich noch untersMesser legen oder ist das nachder Chemotherapie nicht mehrnotwendig?Das wird man sehen. Normaler-weise wird der Tumor an der Pros-tata sofort operiert. Das funktio-niert aber nur, so lange sich keineMetastasen bilden. Weil bei mirauch die Wirbelsäule befallen ist,

„Ich könnte die Serviette anstatt dem Schnitzel essen. Das schmeckt beides gleich.“

Klaus Gasperi hat Krebs.Der Theaterdirektor ausBruneck spricht offen überseine Krankheit: über seine unerträglichen Schmerzen,über den Bart, der ihm fehlt, und über dieLeichtigkeit des Krankseins.

„Ich glaube weder an

Gott noch an die Homöopathie“

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