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DAS NEUE GEORGIANUM Ein Konzept für die künftige Verwendung des
„Collegium Georgianum“
Aber meine Herren, noch ein Museum?
Ein Dokument der Geschichte Ingolstadts
Ja, und ein lebendiges dazu!
Ein Dokument der großen Epochen dieser Stadt
??
Aber nein, kein Museum
Sondern ? ?
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In der heutigen schnelllebigen Betrachtungsweise wird Ingolstadt natürlich
primär mit Audi gleichgesetzt, als Autostadt gesehen, daneben - allgemeiner
formuliert – als Industriestadt, als Wirtschafts- oder Wissenschaftsstandort, als
Festungsstadt usw. Je nach Interessenschwerpunkt.
Unser Anliegen ist, auf einen langen Zeitraum, über 300 Jahre - immerhin
deutlich mehr als 1/3 der gesamten Stadtgeschichte - hinzuweisen, während
dessen Ingolstadt eine führende Position in Baiern und weit darüber hinaus
inne hatte, führend in der damaligen Geisteswelt, Religion, Philosophie,
Astronomie, Mathematik, Medizin, Literatur …
Und nicht nur hinzuweisen, sondern real in der Stadtmitte einen Anlauf-
punkt zu schaffen, der diese Bedeutung wieder in die Erinnerung zurückruft,
der Jugend die Möglichkeit gibt, diesen bedeutenden Teil der Geschichte In-
golstadts kennen zu lernen, den neuen Bürgern, gleich ob aus dem Ausland
oder von anderswo in Deutschland, hilft, eine Ingolstädter Identität zu aufzu-
bauen, die über das rein wirtschaftliche hinausreicht. Über das „Wie“ wollen
wir Sie im Folgenden informieren.
Ingolstadt um 1640, Merian
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Buchdruck in Ingolstadt –
Das Buch dokumentiert die Geistesgeschichte
Paul Schönhuber
Die Universität Ingolstadt wurde als erste Bayerische Landesuniversität
schon bald nach ihrer Gründung ein Zentrum des Humanismus mit großen
Gelehrten. Die umfassende Verbreitung dieses Gedankengutes ist ohne die
Jahrtausend-Erfindung der Druckkunst nicht denkbar. So ergab es sich, dass
Ingolstadt der damals bedeutendste Druckort des damaligen Baiern wurde. Es
gab im 15. u. 16. Jahr-hundert 18 Drucker in Ingolstadt, 9 in Regensburg, 8 in
München und weitere 23 über das ganze Land verteilt. Es ist deshalb nur billig,
wenn man dieser Erscheinung vor Ort endlich mehr öffentliche Aufmerksam-
keit schenkt. Wichtige Arbeiten dazu haben Alfons Euler 1957 in seiner „Ge-
schichte der Drucker und Verleger Ingolstadts“, Ilse Ernst im Sammelband
„Ingolstadt – vom Werden einer Stadt“, Dr. Siegfried Hofmann u. a. in vielen
Arbeiten veröffentlicht. Diese bedeutende Entwicklung gehört deshalb neben
anderen kulturellen Erscheinungen der Ingolstädter Geschichte in einem Haus
wie unserem Georgianum gewürdigt. Die Bibliothek des Georgianums hatte
übrigens ihren Platz im obersten Geschoß der angebauten Peters- und Pauls-
kirche.
Nach der Aufnahme des Lehrbetriebs 1472 scheint es hier bereits bald
Buchdruckwerkstätten gegeben zu haben. Es fing mit Veröffentlichungen von
Celtis, Parrut, Engel und Locher an. 1476 wendete der gebürtige Ingolstädter
Ulrich Han zum ersten Mal seine Erfindung des Notendrucks an. Das Jahr
1484 steht mit dem Erscheinen eines Druckes von Bischof Maracis fest. 1492
veröffentlichte Celtis bei Kachelofen in Ingolstadt die Epitoma . Die Wissen-
schaftliche Stadtbibliothek besitzt einen anonymen Wiegendruck von 1496.
Weitere Ingolstädter Wiegendrucke sind von Airer und Wirffel bekannt. Der
Buchhändler, Buchbinder und Verleger Jörg Krapf veröffentlichte Werke von
Johannes Eck. Es folgen viele bekannte Namen, die in enger Verbindung zur
Universität standen. Jakob Focker betrieb ab 1531 als Buchhändler, Buchdru-
cker, Buchbinder und Verleger ein Geschäft. Man trennte damals noch nicht
zwischen den Sparten. Alles war in einer Hand.
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Mit der Übersiedlung von Peter Apian von Landshut nach Ingolstadt folgte
eine glanzvolle Zeit der Buchdruckkunst in Ingolstadt. Seine Offizin errichtete
er zusammen mir seinem Bruder Georg. Aus dieser Werkstatt kann man 46
Drucke nachweisen. Seine mathematischen und astronomischen Werke stellen
Meister-leistungen der Typographie dar. Das schönste Werk, das in Ingolstadt
gedruckt wurde, ist das Astronomicum Caesareum, das 1540 erschienen ist.
Er ist erst 23, als er den Auftrag seines Lebens bekommt: Auf Geheiß von
Herzog Albrecht V. soll Philipp Apian das gesamte Herzogtum Bayern erst-
mals vermessen und kartografisch erfassen – und damit die „Bairische Chro-
nik“ des Johannes Aventinus ergänzen. 1554 reitet er los, zusammen mit sei-
nem Bruder Timotheus und einem Zeichner. Der junge Mathematikprofessor
Apian steigt auf Kirchtürme und Berge; er vermisst u. a. mit Jakobsstab, Quad-
rant, Sonnen- und Sternenuhr. „In schier sieben Summern“, bis 1561, bereist
er das heutige Ober- und Niederbayern, die Oberpfalz, das Erzbistum und
Hochstift Salzburg sowie das Bistum Eichstätt. Philipp Apians „24 Bayerischen
Landtaflen“, in Holz geschnitten und 1568 gedruckt, sollten für die nächsten
250 Jahre die alleinige Grundlage für Kartenmacher in Bayern bleiben. Selbst
Napoleon benutzte Apians Werk, als er mit seinen Truppen in Bayern einmar-
schierte. Erst die zwischen 1812 und 1867 gefertigten Blätter des „Topographi-
schen Atlas des Königreiches Bayern“ 1:50 000 übertrafen Philipp Apians
Landtafeln.
1554 erschien Aventins Annalium Boiorum bei Weissenhorn. Weitere gro-
ße Namen sind Angermaier, Ostermaier, Sartorius und Hänlin.
Die Bücherzensur des 16. Jahrhunderts hatte vor allem Ingolstadt hart ge-
troffen. Sogar der Jesuit Petrus Canisius trat für die Milderung des Index ein.
1566 erschien in München ein Katalog der Bücher und Schriften, die in Bayern
veröffentlicht werden durften. Als genehmigte Druckorte wurden nur In-
golstadt und München genannt.
Beispiel Gutenbergmuseum
Was man aus der Erfindung der Drucktechnik für die Volksbildung machen
kann, zeigt als Vorbild in beeindruckender Weise z. B. das Gutenberg-Museum
in Mainz. In diesem Schatzhaus der Druckkunst können sich die Besucher auf
3500 qm Ausstellungsfläche in den Abteilungen Drucktechnik, Buchkunst,
Akzidenzen, Ex Libris, Grafik, Plakat, Schriftgeschichte, Zeitungsgeschichte
einen umfassenden Überblick über die Geschichte und die Erscheinungsfor-
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men des Drucks verschaffen. Das Museum bietet seinen 110.000 Besuchern
pro Jahr eine abwechslungsreiche Dauerausstellung sowie ständig wechselnd
Themenausstellungen, ein museumspädagogisches Angebot, handwerkliche
Workshops, Vorträge, Führungen, Minipressenmessen und einen Bücherbazar.
Nicht zu kurz kommt die Darstellung der handwerklichen und graphischen
Schönheit von Büchern.
Anhand der Druckkunst lässt sich die gesamte Kulturgeschichte der großen
Ingolstädter Zeit darstellen und das Druckwerk wird so zum durchgängigen
Dokumentationsmittel.
Plakatgestaltung: Lukas Wezel / Simon Störk (FH Mainz).
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INGOLSTADT: 550 JAHRE INNOVATIONEN
Jean-Pol Martin
Rahmenbedingungen für Innovationen
- Universitäten und andere Forschungseinrichtungen zur Wissensgenerierung
- Organisationen zur Innovationsförderung (Technologieparks, Inkubatoren,
Technologietransferorganisationen etc.)
- Finanzierungssystem (insbes. Risikokapitalgeber, Business Angels)
- Schutz geistigen Eigentums (Patentrecht, Copyrights, Designrechte etc.)
Beispiel 1 - Der Humanismus
- Rückgriff auf die Antike
- Positives Menschenbild
- Naturwissenschaften
- Exploratives Verhalten
Konkrete Inventionen und Innovationen, die im Rahmen des Humanismus
in Ingolstadt entstanden:
1473: Ulrich Ellenbog (Medizin): verfasst das erste gewerbehygienische
Merkblatt über giftige Dämpfe;
1476: Ulrich Han (Ingolstädter Drucker) in Rom: Für die Herausgabe des
ersten Römischen Messbuches erfand er den Notendruck;
1524: Leonhard Fuchs: Erste deutsche Pflanzenkunde mit Angabe der
Standorte, an denen die einzelnen Kräuter vorkommen;
1540: Peter Apian: Eine beachtliche druckerische Leistung stellte das Kaiser
Karl V. gewidmete „Astronomicum Caesareum“ mit kunstvollen Initialen und
astronomischen Drehscheiben und Tafeln dar.
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Beispiel 2 – Die Gegenreformation
15:19: Johannes Eck
Der Universalgelehrte wandelte sich zum Kontroverstheologen. 1525 er-
schien Ecks Standardwerk, in dem er seine Ablehnung des Protestantismus
begründete. Das Buch erreichte 46 Auflagen. Eck mahnte innerkatholisch Re-
formen an. Diese Forderungen wurden nach seinem Tod auf dem Konzil von
Trient aufgegriffen und weitgehend umgesetzt. Eck machte aus Ingolstadt das
Zentrum der Gegenreformation im katholischen Süddeutschland. Durch sei-
nen Einfluss scheiterten wiederholt Verhandlungsbemühungen zwischen
Kaiser Karl V. und den protestantischen Fürsten, was 1546 zum Schmalkaldi-
schen Krieg führte.
Beispiel 3 - Die Jesuiten
Der Orden, der als Kampftruppe im Zusammenbruch der katholischen
Fronten gedacht war, passte sich sehr schnell im eigenen Interesse und zur
bestmöglichen Ausbildung seines Nachwuchses in psychologischer Menschen-
führung den Notwendigkeiten der Situationen an. Gerade in der Bildungsarbeit
sah er vielleicht das wirksamste Mittel zu einer grundlegenden Erneuerung des
religiösen Lebens und der moralischen Haltung.
1. Naturwissenschaften: 1611: Christoph Scheiner
Scheiner baut um 1613 ein astronomisches Fernrohr. Ferner konnte Scheiner
zusammen mit seinem Schüler Johann Baptist Cysat dunkle Flecken auf der
Sonne beobachten.
2. 1741: Jesuitentheater
Um die Menschen von ihrem geläuterten Glauben zu überzeugen, setzten
die Jesuiten die starke Propaganda des Theaters ein. Für das Theater schufen
sie eine neue Verbindung von Schulbühne und großem Schulspiel.
Beispiel 4 - Die Aufklärung
- Vernunft
- Optimismus
- Naturwissenschaft
- Weltverbesserung
https://de.wikipedia.org/wiki/Protestantismushttps://de.wikipedia.org/wiki/Konzil_von_Trienthttps://de.wikipedia.org/wiki/Konzil_von_Trienthttps://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Baptist_Cysat
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1746: Johann Adam Freiherr von Ickstatt
Nach einer überaus erfolgreichen wissenschaftlichen Karriere wurde
Ickstatt mit 44 Jahren von Kurfürst Max III Josef nach Ingolstadt gesandt, um
die Universität zu modernisieren. Mit ihm rückte die Kameralwissenschaft
(Wirtschaft) erstmals offiziell in den Lehrplan. Im Jahre 1770 entwickelte
Ickstatt seine Gedanken über ein neues geschlossenes Erziehungssystem von
der Volksschule über Realschule und Gymnasium bis zum zweijährigen Lyze-
um. Für die Handwerker und nicht zuletzt für die Landjugend formulierte
Ickstatt ein detailliertes und anspruchsvolles Bildungsprogramm im Sinne des
Realismus und des Utilitarismus.
1776: Adam Weishaupt und die Illuminaten
Eine besondere Ausprägung aufklärerischer Aktivitäten entwickelte sich ab
1776 in Ingolstadt auf Initiative von Adam Weishaupt, Professor für Kirchen-
recht. Die Anhänger nannten sich Illuminaten (die Erleuchteten), waren streng
hierarchisch organisiert und wollten ein Weltreich der Vernunft, der Tugend
und der Moral einrichten. In kurzer Zeit verbreitete sich der Geheimbund in
ganz Europa und gewann Mitglieder in verantwortungsvollen Positionen in
Universitäten und Staat, darunter Goethe, Herder, Klopstock aber auch Her-
zog Ernst II von Gotha.
Kurfürst Karl-Theodor sah die Gefahr von politischen Umstürzen und ver-
bot die Organisation 1785.
Innovationen nach 1800
Nach 1800 steckte Ingolstadt in einer schwierigen Situation, die zu Innova-
tionen zwang. Im rationalistischen Geist der Aufklärung wurde in einer um-
fangreichen Aktion das Gebiet südlich der Donau für die landwirtschaftliche
Nutzung erschlossen. Ferner wurde Ingolstadt als Landesfestung reaktiviert,
was militärische Innovationen und wirtschaftlichen Aufschwung brachte.
Heute und morgen:
- CARISSMA
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Die Präsentation im Neuen Georgianum
Klaus Staffel
Der Betrachtungszeitraum umfasst zwei große geistesgeschichtliche Epo-
chen: den Humanismus und die Aufklärung, religionsgeschichtlich gesehen
Reformation und Gegenreformation und kunstgeschichtlich betrachtet Renais-
sance, Barock und Rokoko. Konzentrieren wollen wir uns auf die geistes- und
religionsgeschichtlichen Aspekte.
Die Frage lautete nun „Lässt sich das, was wir wollen, so interessant gestal-
ten, dass sowohl die Idee selbst als auch ihre Umsetzung so attraktiv für unsere
Bürger und die Besucher von außerhalb ist, dass das Neue Georgianum ein
lebendiges Zentrum für die Buch und Druckgeschichte in einem lebendigen
Zentrum Ingolstadts wird?“ Um die Antwort vorweg zu nehmen: Ja, es ist
möglich. Wie? Indem wir die große Zeit Ingolstadts lebendig werden lassen
und – wie Prof. Martin darstellt, indem aufgezeigt wird, dass eine lebendige
Linie von Innovationen vom Beginn unseres Betrachtungszeitraums bis in die
heutige Zeit hinein führt.
Eine absolut wesentliche Voraussetzung für diese Entwicklungen stellt die
(üblicherweise „Erfindung“ genannte) Systematisierung des Buchdrucks durch
Johannes Gutenberg um 1450 dar. Letztlich die Auswirkungen dieser Erfin-
dung (und das Buch selbst) sind ein wichtiger Aspekt unseres Konzepts.
Sozusagen parallel dazu steht – beginnend mit der Gründung 1472 – die
Universität in Ingolstadt, die lokal, im damaligen Baiern, aber auch darüber
hinaus großen Einfluss erlangte. Bis zu ihrem Ende in Ingolstadt, mit dem
auch das Ende der großen Zeit der Ingolstädter Buchgeschichte einherging.
Das klingt noch sehr theoretisch, sehr trocken; Wie soll das denn attraktiv
und lebendig werden? … Indem wir die bedeutenden Personen jener Zeit mit
ihren Erfindungen, Beobachtungen, Auseinandersetzungen zu Wort kommen
lassen. Und man wird überrascht sein, was alles an Großem aus Ingolstadt in
die Welt hinausgegangen ist.
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Um es zusammenzufassen: Die Darstellung jener großen Geschichte
Ingolstadts folgt drei Kerngedanken:
1. Das Buch gibt uns Kenntnis von den (geistes-)wissenschaftlichen
Entwicklungen jener Zeit. Ingolstadt war eines der Zentren der süddeutschen
Buchgeschichte.
Buch und Buchdruck werden die „Klammer“ der gesamten Präsentation
sein.
2. Über die Personen hinter den Werken finden wir Zugang zu ihrer
Zeit, ihren Entwicklungen und Auseinandersetzungen. Die Universität In-
golstadts war eines der (geistes-)wissenschaftlichen Zentren in Baiern, teilweise
aber auch darüber hinaus.
Durch die Personen werden die Inhalte, wird die Präsentation lebendig.
3. Wenn wir Innovationen als neuartige Lösungen für (manchmal noch
nicht einmal formulierte) Anforderungen verstehen, dann bot das universitäre
Ingolstadt ein fruchtbares Umfeld für eine andauernde Folge an Innovationen
aus allen Bereichen (Medizin, Geisteswissenschaft, Astronomie usw.).
Innovation ist der durchgängige rote Faden der Präsentation im Neuen
Georgianum – bis heute.
Auch die angedachte Realisierung lässt sich in drei Teilen darstellen:
1. Ein öffentlicher Bereich, mit (Literatur)Cafe, Vorführungen (Kino),
Veranstaltungen, Museumshop, die wir uns im Erdgeschoss des Hauptgebäu-
des und in der Kapelle vorstellen können (wobei wir empfehlen, die hier erst
im 19. Jahrhundert eingezogenen Zwischendecken teilweise zurückzubauen);
2. Im 1. und 2. Obergeschoss des Hauptgebäudes stehen ca. 18 Räume
zur Verfügung, welche für themenbezogene Präsentationen genutzt werden
können, teil als Dauerpräsentation, teils als variable Installationen – einfach um
der Fülle der verfügbaren Themen gerecht werden zu können und gleichzeitig
immer wieder neue Attraktionen für die Besucher zu schaffen. Eine denkbare
Einteilung siehe nachstehend;
3. Die Fasshalle bietet den perfekten Rahmen für die von uns angedach-
ten Werkstätten, Schau- und Handsatzdruckerei, Buchbinder, Künstler-Ateliers
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z.B. für Siebdruck, Holzschnitt usw. Durch private, städtische Aufträge und
solche aus der Wirtschaft können sich Druckerei und Buchbinderei durchaus,
zumindest teilweise, finanzieren, die Künstler-Ateliers bieten Schulen und Ver-
einen einen Anlaufpunkt für künstlerisches Arbeiten.
Daneben kann das Neue Georgianum in der vorgeschlagenen Form auch
Kristallisationspunkt für verschiedene Events sein, die auf eher unterhaltsame
Weise mit Ingolstadt im Verbindung gebracht werden können: z.B. die Illumi-
naten, Frankenstein, Dr. Faust. Ebenso lassen sich Aufführungen (in Weiter-
führung des Jesuitentheaters – Zusammenarbeit mit dem Stadttheater?), Schul-
aufführungen zu Themen aus dem Präsentationumfang vorstellen.
Sowohl durch die zentrale Lage als auch inhaltlich wäre das Georgianum ein
vortrefflicher Beginn- und Endpunkt für unsere Stadtführungen (und die Füh-
rerinnen und Führer hätten ein angemessenes „Zuhause“).
Über die Buchgeschichte der Vergangenheit hinaus drängen sich Ausblicke
in unsere moderne Welt geradezu auf: elektronische Bücher, Künstlerbücher,
z.B. Eugen Gomringer - Das Museum für Konkrete Kunst verdankt ihm sei-
nen Grundstock.
Mögliche Darstellungsformen
Hier lässt sich aus dem übergroßen Fundus der Museumspräsentation, Muse-
umspädagogik, aber auch aus dem Messewesen u.ä. schöpfen, z.B.
Szenische Arrangements, „real“ mit (Schaufenster-)Puppen, „Original“-
Gewändern – z.B. Diskussion Eck/ Luther, oder Scheiner im Diskurs mit
Galilei, …
Filmische Darstellung der verschiedenen Handwerke (Buchdruck, Buchbin-
der, Kupferstecher, Holzschnitzer usw.), vergleichbar der Serie des BR
„Der Letzte seines Standes“;
Dto. evtl. in Manga-Form (hier können insbesondgre Judendlichew ange-
sprochen werden;
Präsentation der jeweiligen Hauptwerke (Originale in gesicherten Vitrinen);
Faksimiles bzw. Teile daraus zur Nutzung; Computerpräsentation (Hier ist
zu beachten, dass die Besucher nicht in jedem Fall Lateinische oder Grie-
chische Texte lesen bzw. jüngere Besucher alte Satzschriften (z.B. Fraktur)
nur schwer lesen können. Soweit es bei den gezeigten Texten also um das
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inhaltliche Verständnis geht, muss dies mit technischen Mitteln gewährleis-
tet werden. Aus dem Messebau sind solche Präsentationsformen bekannt.)
„Wissenschaftliche“ Auseinandersetzungen, durch die entsprechenden
Flugblätter verdeutlicht;
Lesungen in Verbindung mit temporären Ausstellungen zu relevanten
Themen,
z.B. Jiro Taniguchi: "Der Kartograph", Ein Jahr im Leben des Landvermes-
sers Ino Tadataka im Japan des frühen 19. Jh. – als Parallele zur Tätigkeit
Apians;
oder Katrin Ströbel: "Wortreiche Bilder" - Warum lassen Künstler Buchsta-
ben und Text in ihre Werke einfließen? usw.
Aufführungen (vielleicht durch Schultheatergruppen) im Sinne des Jesuiten-
theaters, oder
die Geschichte der Weißenhornschen Offizin, aufbereitet als
„Familiensaga“, …
Die Möglichkeiten sind enorm und können das Neue Georgianum zu einem
lebendigen Zentrum sowohl der Geschichte Ingolstadts in seiner großen Zeit
als auch der Buch- und Druckkunst werden lassen.
Die räumliche Nutzung des Hauses im Einzelnen – Themenräume
Die grundsätzliche Eignung des Georgianums für museale Zwecke wurde be-
reits durch das Büro Greiner in Zusammenarbeit mit dem Bauamt der Stadt
Ingolstadt festgestellt. Darauf aufbauend stellen wir uns beispielsweise folgen-
de räumliche Verwendung vor:
Seminargebäude (Haupthaus)
EG: öffenrlicher Bereich
I. und II. OG:
1. Geschichte der Universität Ingolstadt/ Geschichte des Georgianums
(evtl. Studienraum des Georgianums -nachgestellt)
2. Die „Erfindung“ Gutenbergs und ihre Auswirkungen
3. Buchdruck in Ingolstadt
4. Geschichte/ Bedeutung des Humanismus
5. (Studien-?)Zimmer Konrad Celtis /“Bücherei eines Humanisten?“
6. Raum Aventin
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7. Raum Reuchlin
8. Geschichte der Reformation/ Gegenreformation
9. Raum Eck-/ Luther („inszenierte“ Auseinandersetzung)
10. Raum Peter Apian („Astronomicum Caesareum“)
11. Die Jesuiten in Ingolstadt
12. Kartenraum Philipp Apian (vgl. Präsentation d. Bayerischen Staatsbiblio-
thek München)
13. Geschichte der Kartographie
14. Das „Jesuitentheater“
15. Raum Scheiner (Inszenierung Entdeckung der Sonnenflecken)
16. Geschichte der Aufklärung
17. Raum Weishaupt und die Illuminaten
Die Themenräume sind in zeitlicher Abfolge angedacht, wobei die beiden As-
pekte „Buch/ bzw. Buchdruck“ und „Innovation“ durchgehend berücksichtigt
werden. Dies geschieht implizit durch Auswahl der Ausstellungsstücke bzw.
der gegebenen Informationen.
Kapelle
Es wird dringend empfohlen, die beiden nachträglich eingezogenen Zwischen-
decken zu Emporen zurückzubauen, soweit dies aus Denkmalschutzgründen
möglich ist, um den ursprünglichen Raumcharakter wieder herzustellen.
OG und Galerien: Die Bibliothek des Georgianums hatte ursprünglich ihren
Platz im II. OG der Kapelle. Daher soll die Kapelle hier weitgehend für Prä-
sentationen von Büchern genutzt werden ( „Kettenbücher“, evtl. Scriptorium).
Ergänzend sollten Bedeutung und Auswirkungen der Säkularisation am Bei-
spiel der Kapelle deutlich gemacht werden.
Nordgebäude
Wie in der Untersuchung durch das Büro Greiner bereits festgestellt, bietet das
so genannte Nordgebäude Raum für sanitäre und technische Installationen
sowie Aufenthaltsräume für die beschäftigten Personen
Innenhof
Hier könnte eine kleine Bühne installiert werden.
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Der Genius Loci des Georgianum
Joachim Haegel
Die Baugeschichte des Georgianum im Laufe der Jahrhunderte
Der Bereich, in dem sich neben der Hohe Schule und dem Georgianum
weitere, zur früheren Universität gehörige Gebäude befinden („Hohenschul-
kastners Wohnbehausung“ – heute „Pedellhaus“ genannt, das „Churfürstliche
Universitäts-Kammerariat“), lag am Rande der Planstadt des 13. Jahrhunderts
an der westlichen Stadtmauer. Nachdem diese Befestigung der Stadterweite-
rung im 14. Jahrhundert gewichen war, ließ Herzog Ludwig der Gebartete
Mitte des 15. Jahrhunderts hier ein Pfründnerhaus errichten.
Die Umwidmung dieses Gebäudes zur 1472 gegründeten Universität führte
zu einer Aufwertung dieser Stelle im Stadtgrundriss. Es entstanden 1496 auf
der Nordseite des Platzes stattliche Gebäude. Herzog Georg von Landshut
stiftet 1494 ein Seminar für Seminaristen für anfangs 11 Alumnen, das nach
ihm „Georgianum Novum“ benannt wurde und das wir heute verkürzt als
„Georgianum“ bezeichnen. Am 24. April 1496 wurde das Gebäude feierlich
eröffnet.
Auf der Südseite des Platzes dagegen lagen damals die schmalen, mittelalter-
lichen Hausstellen auf nahezu gleich breiten Parzellen, bebaut mit giebelständi-
gen, meist nur 2 geschossigen Gebäuden. Auch diese Struktur hat sich bis heu-
te erhalten.
Ursprünglich handelt es sich beim Georgianum um 2 Gebäudeteile: Das
Seminaristengebäude, 3geschossig, zur heutigen Goldknopfgasse mit einem
hohen Giebel, zum heutigen Hohen-Schul-Platz mit der Traufe, darüber ein
fast gleich hoher Dachstuhl.
Die Kapelle St. Peter und Paul mit einer geringfügig höheren Traufe mit ei-
nem ursprünglich wesentlich steileren Dach.
Der Nordflügel wurde in seiner ersten Bauform wohl erst 1564 durch Her-
zog Wilhelm IV errichtet.
Im Sandtnermodell (1572 / 73) ist dieser Baubestand dokumentiert.
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Ausschnitt aus dem großen Stadtmodell von Jakob Sandtner, 1572/73, Stadtmuseum Ingolstadt
1582 wurde ein Erweiterungsbau östlich der Kapelle errichtet. Im
Sandtnermodell ist noch der vorherige Zustand dargestellt. Dieses Gebäude
wurde nach einem Brand 1881 umgebaut. Von den im Sandtnermodell als
Giebelhäuser dargestellten Vorgängerbauten sind keine erkennbaren Struktu-
ren überkommen. Der Grundriss dürfte in den äußeren Abmessungen den
Vorgängerbauten entsprechen.
1800 wurde das Seminar zusammen mit der Universität nach Landshut und
1826 nach München verlegt.
Im Zuge der Säkularisation wurden die bereits 1770 als baufällig bezeichne-
ten Kolleggebäude, zusammen mit der profanierten Kapelle an den Herrn-
bräu-Besitzer Alois Ponschab verkauft (um 1809). 1921 erfolgte ein Umbau
des ehemaligen Kolleggebäudes zum Verwaltungsbau der Brauerei. 1980 ging
der heute bekannte Gebäudebestand in den Besitz der Stadt Ingolstadt über.
Eine Nutzung findet sich nicht.
Das alte „Collegium Georgianum“ lebt als Priesterseminar in neuer Umge-
bung in München weiter. Das alte, originale Gebäude in Ingolstadt sucht noch
immer nach einer neuen, angemessenen Bestimmung.
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Was aber zeichnet den Ort aus, was ist der Geist des Ortes?
Von 1472 – 1800 befindet sich hier die erste bayerische Landesuniversität,
insgesamt also 328 Jahre.
Als diese Nutzung entfällt, beginnt die erste Minderung, eine Abnahme der
Wertschätzung. Man findet die Lösung in der Nutzung als Brauerei. Es ist na-
türlich nicht das erste Mal, dass Gebäude, deren ehemalige, originäre Nutzung
entfällt, einer neuen zugeführt werden. Gott sei Dank hat man „nutzungslose“
Gebäude nicht immer abgerissen. Im Gegenteil, es wurden neue Gebäude er-
richtet oder bestehende Gebäude umgenutzt. So stammt die Fasshalle aus der
Baualtersphase 8/9 aus dem Jahr 1844. Bis 1921 wird das Gebäude als Brauerei
genutzt, anschließend als Verwaltung.
Das sind 147 Jahre einer Zufallsnutzung.
Noch ein Wort zum öffentlichen Raum.
Der Hohe-Schul-Platz ist einer der Plätze, die sich in Ihrer städtebaulichen
Wirkung seit 500 Jahren kaum verändert haben.
Die Qualität von Plätzen bestimmt sich nach der städtebaulichen Fassung,
der Form des Platzes, der Lage der einmündenden Straßen, der Höhe der um-
gebenden Bebauung (den Proportionen), der Qualität der Bauten, dem Belag
des Platzes, der Platzteilung. Weit davon entfernt, ob der Platz belebt ist.
Und wie verhalten wir uns heute? Überall soll alles belebt werden; die At-
traktivität wird daran gemessen, wie viel sich auf diesen Plätzen tut. Haben wir
den Mut, Plätze auch leer stehen zu lassen. Ein ruhiger Platz, an der Südseite
eine Steinbank, von der Frühlingssonne beschienen, die Wärme der kommen-
den Jahreszeit spürend. Das kann viel attraktiver sein als Bierbänke und ein in
einer Bretterbude versteckter Ausschank.
Ich darf Dr. Siegried Hofmann zitieren ( Sonderbeilage des DK „500 Jahre
Universität Ingolstadt – München“ vom Juni 1972):
„Nicht zuletzt tragen Haus und Kirche wesentlich zur Wirkung dieses Platzes
bei der Hohen Schule und dem Georgianum bei, der der vielleicht letzte, stille, nicht aus den
ursprünglichen Proportionen geratene Platz Ingolstadt ist.“
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Zum Schluss
Der Gebäudekomplex des Georgianum ist ein Spiegel der jahrhundertelan-
gen Nutzung, mit all den Umbauten, Anpassungen, Veränderungen.
In Regensburg geht man in Bezug auf Denkmäler solcher Art einen beson-
deren Weg. Dr. Peter Germann-Bauer (Direktor der Museen der Stadt Re-
gensburg) schreibt dazu „…kann man Geschichte hautnah erleben – nicht nur
in Museen, sondern an originalen Standorten. […] Für sie, um sie vom klassi-
schen Museum zu unterscheiden, hat man die Bezeichnung „document“ (we-
gen des dokumentarischen Charakters der Objekte) gewählt.“
So ist auch das Georgianum zu verstehen. Dieses Gebäude „dokumentiert“
Geschichte. Eine künftige Nutzung muss dies respektieren.
Von Thomas Morus (1478 – 1535) stammt der Ausspruch „Tradition ist
nicht das Bewahren der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme“. In die-
sem Sinne wollen wir das neue Georgianum mit Leben erfüllen. Wir sind der
Überzeugung, dass der von uns vorgelegte Vorschlag beides in besonderer
Weise erfüllt.
Vielen Dank
„Initiative Georgianum“
Joachim Hägel (Architekt)
Prof. Dr. Jean-Pol Martin (Didaktiker)
Ernst Reif sen.
Paul Schönhuber (Buchhändler)
Klaus Staffel (Designer)
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