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De novo synthetisierte Proteine mit
Metalloporphyrinkofaktoren
vorgelegt von
Diplom-Chemikerin
Monika Fahnenschmidt
aus Sindelfingen
Dem Fachbereich 5 – Chemie –
der Technischen Universitat Berlin
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor der Naturwissenschaften
– Dr. rer. nat. –
genehmigte Dissertation
Promotionsausschuß:
Vorsitzender: Prof. Dr. Schomacker
Berichter: Prof. Dr. Lubitz
Berichter: Priv.-Doz. Dr. Schlodder
Tag der mundlichen Prufung: 14. Juli 2000
Berlin 2000
D 83
Abstract
Fahnenschmidt, MonikaDe novo synthetisierte Proteine mit MetalloporphyrinkofaktorenDie Protein-de-novo-Synthese eroffnet vielfaltige Moglichkeiten zur Konstruktion kunstlicherProteinmodelle, die sowohl hinsichtlich theoretischer Fragestellungen zur Faltung und Funktionnaturlicher Proteine als auch fur technische Anwendungen von großem Interesse sind.
In dieser Arbeit wurden verschiedene de novo synthetisierte Proteine mit Metalloporphy-rinkofaktoren hergestellt und untersucht. Dem Design dieser Polypeptidmodule liegt ein Vier-Helix-Bundel als Faltungsmotiv zu Grunde, dessen einfache und kompakte Struktur gute Vor-aussetzungen zur Untersuchung der Protein-Kofaktor-Wechselwirkung bietet.
Zur Konstruktion der Polypeptidmodule wurden einzelne lineare Peptide, die in waßrigerLosung amphiphile Helices ausbilden, mittels chemischer Festphasen-Peptidsynthese hergestelltund auf einem Tragermolekul zu einem Vier-Helix-Bundel angeordnet. In den hydrophobenInnenraum dieser Vier-Helix-Bundel konnten uber Histidinseitengruppen Metalloporphyrinko-faktoren eingebunden werden. Durch den Einsatz unterschiedlicher Zentralmetallionen (Fe3+
(Hamin), Co3+ und Zn2+) konnten verschiedene funktionelle Eigenschaften in die Vier-Helix-Bundel eingefuhrt werden. Dabei zeigte sich, daß das Redoxpotential des Haminkofaktors durchdie Peptidumgebung beeinflußt werden kann und die Stabilitat der Vier-Helix-Bundel gegenuberdem denaturierenden Agenz Guanidinium-Hydrochlorid durch den Einbau des Kofaktors erhohtwird. Das Co(III)porphyrin unterscheidet sich vom Hamin durch eine sehr langsame Reduktionzu Co2+, die mit der Freisetzung des Kofaktors in die waßrige Losung einhergeht. Durch denEinbau des Zink(II)porphyrins in ein Vier-Helix-Bundel wurde ein wichtiger Schritt zur Ent-wicklung kunstlicher Proteinmodelle fur die Photosynthese realisiert. An diesem System wurdeder lichtinduzierte Elektronentransfer zu einem Chinon in Losung gemessen.
Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine Charakterisierungsmethode auf der Basis der EPR- undENDOR-Spektroskopie ausgearbeitet, die eine detaillierte Beschreibung der Kofaktoreinbindungin de novo synthetisierten Hamproteinen ermoglicht. Der Spin-Zustand, die g-Tensorhauptwerteund die EPR-Linienbreite wurden herangezogen, um die axialen Liganden der Hamgruppe zuidentifizieren und auf grundlegende Merkmale ihrer geometrischen Anordnung zu schließen. DiePuls-ENDOR-Spektren der de novo synthetisierten Hamproteine und der Vergleich mit isoto-penmarkierten Modellverbindungen zeigten, daß die ENDOR-Signale der Protonen der axialenHistidinliganden hervorragend als spektroskopische Sonde zur Charakterisierung de novo synthe-tisierter Hamproteine eingesetzt werden konnen. Anhand orientierungsselektionierter ENDOR-Spektren in gefrorener Losung wurde ihre Hyperfeinwechselwirkung mit einem eigens erstelltenSimulationsprogramm analysiert. Dies ermoglichte es, die Position der Protonen der axialen Hi-stidinliganden im Koordinatensystem des g-Tensors zu bestimmen und damit detaillierte struk-turelle Aussagen zur Bindungssituation des Kofaktors zu treffen.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden mit Hilfe der EPR- und ENDOR-Spektroskopie verschie-dene de novo synthetisierte Hamproteine, die nach der Cytochrom b Untereinheit des Cytochrombc1 Komplexes modelliert wurden, charakterisiert. Es wurde festgestellt, daß nicht nur die Ami-nosaurezusammensetzung der einzelnen helicalen Bausteine, sondern auch das Designkonzept derVier-Helix-Bundel Einfluß auf die Einbausituation des Kofaktors nimmt. Dabei unterschied sichdie Faltung der Kofaktorbindungstasche in Templat-assoziierten synthetischen Proteine hinsicht-lich der Orientierung der axialen Liganden von Vier-Helix-Bundeln, die auf der Selbstassoziationeinzelner helicaler Bausteine beruhen.
Teile der vorliegenden Arbeit wurden bereits veroffentlicht
Wissenschaftliche Publikationen
1. M. Fahnenschmidt, R. Bittl, H. K. Rau, W. Haehnel, W. Lubitz; Electron Paramagne-tic Resonance and Electron Nuclear Double Resonance Spectroscopy of a Heme ProteinMaquette; Chem. Phys. Lett., 2000, 323, 329–339.
2. M. Fahnenschmidt, H. K. Rau, R. Bittl, W. Haehnel, W. Lubitz; Characterization of denovo designed heme proteins by EPR and ENDOR spectroscopy; Chem. Eur. J., 1999,5, 2327–2334.
3. M. Fahnenschmidt, H. K. Rau, R. Bittl, W. Haehnel, W. Lubitz; EPR/ENDOR Spectrosco-pic Characterization of a de novo Synthesized Cytochrome b Model; in Magnetic Resonanceand Related Phenomena, D. Ziessow, W. Lubitz, F. Lendzian (editors), TU–Berlin 1998,Vol. II, p. 824 – 825.
4. M. Fahnenschmidt, R. Bittl, W. Haehnel, W. Lubitz; De novo Synthesized Proteins withMetalloporphyrin Cofactors; in Vorbereitung.
Prasentationen auf internationalen Tagungen
1. M. Fahnenschmidt, H. Rau, R. Bittl, W. Haehnel, W. Lubitz; EPR/ENDOR Characteriza-tion of De Novo Designed Heme Proteins; 2nd International Symposium of the Volkswagen–Stiftung, April 16 – 18, 1998, Staffelstein.
2. M. Fahnenschmidt, H. Rau, R. Bittl, W. Haehnel, W. Lubitz;Models for Electron–TransferProteins: EPR/ENDOR Spectroscopic Characterization of de novo Designed Heme Prote-ins; Twelfth International Conference on Photochemical Conversion and Storage of SolarEnergy, August 9 – 14, 1998, Berlin.
3. M. Fahnenschmidt, H. Rau, R. Bittl, W. Haehnel, W. Lubitz; EPR/ENDOR SpectroscopicCharacterization of a de novo Synthesized Cytochrome b Model; Joint 29th AMPERE – 13th
ISMAR International Conference, August 2 – 7, 1998, Berlin.
4. M. Fahnenschmidt, H. K. Rau, R. Bittl, W. Haehnel, W. Lubitz; Characterization of denovo Designed Redox Active Proteins by EPR and ENDOR Spectroscopy; 3nd InternationalSymposium of the Volkswagen–Stiftung, April 7 – 10, 1999, Konstanz.
5. M. Fahnenschmidt, R. Bittl, W. Haehnel, W. Lubitz; Synthesis and Spectroscopy of denovo Designed Heme Proteins; 3nd International Symposium of the Volkswagen–Stiftung,April 7 – 10, 1999, Konstanz.
6. M. Fahnenschmidt, R. Bittl, W. Haehnel, W. Lubitz; Polypeptide Modules with Metallo-porphyrin Cofactors for Electron Transfer Studies; 4nd International Symposium of theVolkswagen–Stiftung, Juni 4 – 6, 2000, Wildbad Kreuth.
7. M. Fahnenschmidt, R. Bittl, W. Haehnel, W. Lubitz; De novo Synthesized Proteins withMetalloporphyrin Cofactors; 26th European Peptide Symposium, September 11 – 15, 2000,Montpellier, France.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 1
2 Protein-de-novo-Synthese 5
2.1 Syntheseprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
2.2 Einbau von Kofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
3 Theoretische Grundlagen 15
3.1 EPR-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
3.2 ENDOR-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
3.3 EPR- und ENDOR-Messungen in gefrorenen Losungen . . . . . . . . . . . . . . . 26
3.4 Elektronische Struktur von Haminkomplexen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
3.4.1 Low-spin Haminkomplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
3.4.2 High-spin Haminkomplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
4 Materialien und Methoden 41
4.1 Synthese der Polypeptidmodule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
4.1.1 Automatische Festphasensynthese der Peptide . . . . . . . . . . . . . . . . 42
4.1.2 Modifizierung der Peptide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
4.1.3 Abspaltung der Peptide von der festen Phase . . . . . . . . . . . . . . . . 44
4.1.4 Zusammensetzen der einzelnen Peptid-Bausteine zum Vier-Helix-Bundel . 45
4.1.5 Einbau von Metalloporphyrinkofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
4.1.6 Cytochrom b Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
4.2 Praparation von Modellverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
4.3 Methoden zur Charakterisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
iii
iv INHALTSVERZEICHNIS
4.3.1 Hochauflosende Flussigkeitschromatogaphie (HPLC) . . . . . . . . . . . . 49
4.3.2 Massenspektrometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
4.3.3 Analytische Gelfiltration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
4.3.4 Circulardichroismus (CD) und Tryptophan-Fluoreszenz . . . . . . . . . . 50
4.3.5 UV/VIS-Absorptionsspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
4.3.6 Blitzlichtspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
4.3.7 EPR-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
4.3.8 ENDOR-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
4.4 Programme zur Auswertung der EPR- und ENDOR-Spektren . . . . . . . . . . . 55
4.4.1 EPR-Simulationsprogramm ELSI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
4.4.2 ENDOR-Simulationsprogramm SIMES . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
5 Charakterisierung von Polypeptidmodulen mit einer Metalloporphyrin-
Bindungsstelle 61
5.1 Designkonzept der Polypeptidmodule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
5.2 Charakterisierung der leeren Polypeptidmodule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
5.2.1 Aufbau der Vier-Helix-Bundel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
5.2.2 Stabilitat der Polypeptidmodule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
5.3 Hamin als redoxaktiver Kofaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
5.3.1 Einbau des Hamins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
5.3.2 Redoxpotential des Kofaktors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
5.3.3 Stabilitat der kunstlichen Hamproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
5.3.4 EPR-spektroskopische Charakterisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
5.4 Einbau eines Kobaltporphyrins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
5.5 Zink(II)porphyrin als Kofaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
5.5.1 UV/VIS-Absorptionsspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
5.5.2 EPR-Spektroskopie am Triplettzustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
5.5.3 Blitzlichtspektroskopie und Elektronentransfer . . . . . . . . . . . . . . . 93
5.6 Zusammenfassung und Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
6 Magnetische Resonanz Untersuchungen an Cytochrom b Modellen 101
6.1 Designkonzept der Cytochrom b Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
INHALTSVERZEICHNIS v
6.2 EPR-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
6.2.1 Simulation der EPR-Spektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
6.2.2 Ligandenfeldanalyse der g-Tensorhauptwerte . . . . . . . . . . . . . . . . 110
6.2.3 Untersuchungen zur HALS-Spezies des MOP . . . . . . . . . . . . . . . . 113
6.3 ENDOR-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
6.3.1 14N und 15N ENDOR-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
6.3.2 1H ENDOR-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
6.3.2.1 Identifizierung der ENDOR-Signale anhandvonModellkomplexen 121
6.3.2.2 Analyse der 1H ENDOR-Spektren des ‘maquette’ . . . . . . . . 123
6.3.2.3 Gegenuberstellung der Cytochrom b Modelle . . . . . . . . . . . 130
6.4 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
7 Zusammenfassung und Ausblick 141
Anhang 147
A EPR-Simulationsprogramm ELSI 147
A.1 Programm-Code fur Linienverbreiterung durch ‘g-strain’ . . . . . . . . . . . . . . 147
A.2 Eingabe-Datei fur ELSI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
B ENDOR-Simulationsprogramm SIMES 155
B.1 Programm-Code . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
B.2 Eingabe-Datei fur SIMES . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
Literaturverzeichnis 165
Kapitel 1
Einleitung
Proteine stellen eine der wichtigsten Klassen an Biomakromolekulen dar. Dies deutet bereits
ihr Name an, der von dem Griechischen Wort proteuo – ich nehme den ersten Platz ein – ab-
stammt [1]. Fast alle biochemischen Prozesse in Lebewesen werden durch Proteine reguliert [2].
Als Enzyme katalysieren sie die enorme Vielfalt an chemischen Stoffwechselreaktionen in Zel-
len, die unter physiologischen Bedingungen ansonsten nicht moglich waren. Proteine dienen
als Speicher- und Transportsysteme von Elektronen oder Molekulen, wie beispielsweise Sauer-
stoff, Glucose, Metallionen oder Lipiden. Als Hormone erfullen Proteine wichtige Signalubertra-
gungsfunktionen. Bei der Immunabwehr ubernehmen Antikorper und Immunoglobine essentielle
Schutzfunktionen. Des weiteren spielen Proteine eine entscheidende Rolle in der Muskelkontrak-
tion und beim Aufbau von Gewebe, Knochen oder Haaren.
Alle Proteine sind aus 20 verschiedenen Aminosauren aufgebaut, die uber eine Amidbin-
dung zu linearen Polypeptidketten verknupft sind. In den meisten bekannten Proteinen liegt die
Kettenlange bei etwa 100 bis 300 Aminosauren, wobei sich einige Proteine jedoch aus mehreren
Polypeptidketten zusammensetzen oder deutliche langeren Ketten mit bis zu 1800 Einzelbaustei-
nen (Myosin) enthalten konnen [2]. Durch die Faltung der linearen Polypeptidketten entstehen
dreidimensionalen Proteinstrukturen, in welche weitere organische Molekule oder Metallionen
eingebunden sein konnen. Diese sogenannten Kofaktoren bilden haufig das eigentlich kataly-
tisch aktive Zentrum von Enzymen. Ihre funktionellen Eigenschaften werden entscheidend von
der Wechselwirkung mit der Proteinumgebung gepragt. Wie anhand von Hamproteinen zu se-
hen ist, kann auf diese Weise ein Kofaktor (Eisenprotoporphyrin IX) verschiedene Funktionen
1
2 1. Einleitung
ausuben [3]. In Hamoglobin und Myoglobin ermoglicht die Hamgruppe den Transport und die
Speicherung von Sauerstoff [4]. In Katalasen, Peroxidasen und Oxygenasen hingegen ist sie an
der Umsetzung verschiedenster Stoffwechselprodukte beteiligt [5]. In Elektronentransferprozes-
sen tritt die Hamgruppe als Kofaktor der Cytochrome mit einer außerordentlich weiten Spanne
an Redoxpotentialwerten (+400 bis −500 mV) auf [6, 7].
Die Zusammenhange zwischen Aminosauresequenz, Struktur und Funktion von Proteinen
zu erforschen, ist eine große Herausforderung. Neben einem tieferen Verstandnis komplexer bio-
chemischer Systeme eroffnet sich hier die Perspektive, die speziellen Eigenschaften von Pro-
teinen technisch nutzbar zu machen. Die Erforschung der Wechselwirkung zwischen Kofaktoren
und ihrer Proteinumgebung ist dabei von zentraler Bedeutung. Der gezielte Einsatz von spezifi-
schen Protein-Kofaktor-Wechselwirkungen sollte es analog zu naturlichen Proteinen ermoglichen,
kunstliche Systeme mit maßgeschneiderten funktionellen Eigenschaften zu konstruieren.
Neben der gentechnischen Modifizierung von naturlichen Proteinen (Protein-Engineering)
gewinnt hierbei die chemische Synthese kunstlicher Proteinmodelle (Protein-de-novo-Synthese)
zunehmend an Bedeutung. Da hier kunstliche Proteine “von Neuem”, d. h. frei nach den eigenen
Modellvorstellungen entworfen werden konnen, verwendet man auch haufig den Begriff Protein-
de-novo-Design.
Die Fortschritte, die im Bereich der Protein-de-novo-Synthese erzielt wurden, zeigen, daß es
mittlerweile moglich ist, Polypeptide herzustellen, die in kompakte dreidimensionale Strukturen
falten [8–10] und Kofaktoren binden konnen [11–13]. Die Weiterentwicklung dieser Systeme wird
durch interessante Anwendungsmoglichkeiten in der Medizin (Impfstoffe, Medikamente) [14–16],
Mikro- und Nanotechnologie (biokompatible Oberflachen, artifizielle Ionenkanale) [17–19] oder
der Katalyse [20,21] und Bioelektronik [22,23] motiviert.
Da viele Aspekte der Protein-Kofaktor-Wechselwirkung noch nicht geklart sind, deren
Verstandnis aber Voraussetzung fur ein erfolgreiches Design funktioneller kunstlicher Protei-
ne ist, beschaftigt sich die hier vorliegende Arbeit mit der Untersuchung de novo synthetisierter
Proteine, die Kofaktoren aufnehmen konnen. Aufgrund der Vielseitigkeit der biologischen Funk-
tion von Hamin, steht dieser Kofaktor dabei im Vordergrund. Voraussetzung zur Untersuchung
der Protein-Kofaktor-Wechselwirkung ist eine moglichst genaue Kenntnis der Bindungssituation
des Kofaktors in seiner Proteinumgebung. Da die Hamgruppe in ihrem oxidierten Zustand (Fe3+)
3
paramagnetisch ist, kann der Kofaktor selbst als spektroskopische Sonde in magnetischen Reso-
nanzuntersuchungen eingesetzt werden. Zur Charakterisierung de novo synthetisierter Hampro-
teine werden hier die EPR- (Electron Paramagnetic Resonance) und ENDOR- (Electron Nuclear
Double Resonance) Spektroskopie herangezogen.
Im nachsten Kapitel wird zunachst ein Uberblick uber den Stand der Forschung auf dem
Gebiet der Protein-de-novo-Synthese gegeben. Dabei werden die Entwicklungen und Prinzipien
zum Design kunstlicher Proteinmodelle vorgestellt, auf denen die vorliegende Arbeit aufbaut.
In Kapitel 3 werden die theoretischen Grundlagen zu den hier verwendeten Methoden der mag-
netischen Resonanzspektroskopie erlautert. Im Vordergrund steht dabei, wie die Meßgroßen der
EPR- und ENDOR-Spektroskopie hinsichtlich der elektronischen und geometrischen Struktur
kunstlicher Hamproteine interpretiert werden konnen. Kapitel 4 (Materialien und Methoden)
faßt alle experimentellen Aspekte zur Durchfuhrung der hier vorliegenden Arbeit zusammen.
Die Ergebnisse werden in den Kapiteln 5 und 6 vorgestellt. In Kapitel 5 werden de novo syn-
thetisierte Proteine untersucht, die aus dem kompakten dreidimensionalen Strukturmotiv eines
Vier-Helix-Bundels aufgebaut sind und eine Bindungsstelle fur Metalloporphyrine enthalten.
Diese Systeme wurden im Rahmen dieser Arbeit hergestellt, um den Einfluß der Aminosaurezu-
sammensetzung auf die Struktur, Stabilitat und Kofaktoreinbindung in de novo synthetisierten
Proteinen zu untersuchen. Durch den Einbau von Metalloporphyrinen mit unterschiedlichen Zen-
tralmetallionen (Fe3+ (Hamin), Co3+ und Zn2+) konnen verschiedene funktionelle Eigenschaften
in die de novo synthetisierten Proteine eingefuhrt werden. Um zu erforschen, inwieweit sich die-
se Polypeptidmodule als Modellsysteme naturlicher Proteine einsetzen und funktionalisieren
lassen, werden die Bindungssituation und die Eigenschaften der Kofaktoren in der Polypeptid-
umgebung mit verschiedenen spektroskopischen Methoden untersucht. In Kapitel 6 liegt der
Schwerpunkt dagegen auf der magnetischen Resonanzspektroskopie. Hier werden verschiedene
de novo synthetisierte Hamproteine, die nach der Cytochrom b Untereinheit des Cytochrom bc1
Komplexes entworfen wurden, mittels EPR- und ENDOR-Spektroskopie charakterisiert. Ziel
der magnetischen Resonanzuntersuchungen ist eine detaillierte strukturelle Beschreibung der
Bindungssituation der Kofaktoren. Dabei wird untersucht, wie sich das Designkonzept von de
novo synthetisierten Proteinen auf den Einbau der Hamgruppen auswirken kann. Die Arbeit
schließt in Kapitel 7 mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse und einem Ausblick fur weitere
Perspektiven in der Protein-de-novo-Synthese.
4
Kapitel 2
Protein-de-novo-Synthese
Ziel der Protein-de-novo-Synthese ist die Konstruktion von kunstlichen Proteinmodellen. Diese
Modellsysteme sind sowohl hinsichtlich grundlegender theoretischer Fragestellungen zur Struk-
tur und Funktion von Proteinen, als auch fur praktische Anwendungsmoglichkeiten in der
(bio)chemischen Katalyse, der Medizin oder Biotechnologie von großem Interesse. Entscheidend
fur die Entwicklung der Protein-de-novo-Synthese war die Einfuhrung der Festphasenpeptidsyn-
these durch Merrifield, die eine Automatisierung der ansonsten aufwendigen chemischen Poly-
peptidsynthese ermoglichte [24]. Zur Konstruktion der Proteinmodelle lassen sich auch gentech-
nische Methoden (DNA-Rekombinationstechnik, Oligonucleotid-Synthese) einsetzen [25]. Der
Vorteil der chemischen Synthese liegt in der freien Wahl beliebiger Aminosauresequenzen, die
auch nicht-naturliche Aminosaurederivate mit speziellen Eigenschaften (z. B. zur Metallionen-
bindung [26], als Fluoreszenzmarker oder Spinlabel [27, 28]) enthalten konnen.
Die Protein-de-novo-Synthese stellt eine zweifache Herausforderung dar. Die kunstlich her-
gestellten Polypeptide sollen in eine definierte Struktur falten und spezifische funktionelle Ei-
genschaften aufweisen. Der erste Abschnitt dieses Kapitels befaßt sich mit dem Problem der
Faltung der kunstlichen Proteinmodelle. Hier werden verschiedene Strategien vorgestellt, die
eingesetzt werden, um in de novo synthetisierten Proteinen definierte Strukturen zu erzeugen.
Im zweiten Abschnitt geht es um die Einbindung von Kofaktoren, uber die spezielle funktionelle
Eigenschaften in die de novo Proteine eingefuhrt werden sollen.
5
6 2. Protein-de-novo-Synthese
2.1 Syntheseprinzip
Bei 20 verschiedenen naturlichen Aminosauren existieren fur eine Polypeptidkette aus 100 Einzel-
bausteinen bereits 20100 Moglichkeiten verschiedener Aminosauresequenzen [9]. Demgegenuber
sind in einer eukaryontischen Zelle jedoch “nur” etwa 105 Sequenzen in Form naturlicher Prote-
ine realisiert [1, 29]. Es konnte also noch eine große Anzahl an Peptidsequenzen verborgen sein,
die zu Proteinen mit neuen Strukturen und damit neuen funktionellen Eigenschaften fuhren.
Wie Peptidbibliotheken1 mit willkurlich gewahlten Aminosauresequenzen zeigen [30], bilden je-
doch nicht alle Polypeptidketten wohldefinierte dreidimensionale Strukturen aus. Eine zentrale
Aufgabe des Protein-de-novo-Designs ist die Suche nach Aminosauresequenzen, die in bestimm-
te Strukturen falten (“inverse folding problem” [31]). Der Einsatz von computerunterstutzten
Modellrechnungen gewinnt bei dem Design kunstlicher Proteinmodelle zunehmend an Bedeu-
tung [32–34]. Durch die Synthese von Polypeptiden mit unterschiedlichen Aminosauresequenzen
konnen die physikalischen Modellvorstellungen, die den Berechnungen zur Proteinfaltung zu-
grunde liegen, wiederum uberpruft werden. Auf diese Weise konnen grundlegende Prinzipien
der Proteinfaltung in kunstlichen Proteinmodellen herausgearbeitet werden.
Als Leitfaden fur das Protein-de-novo-Design dienen die verschiedenen Organisationsebenen
von Proteinstrukturen, die in vier Ebenen gegliedert werden [1]. Die Primarstruktur gibt die Ab-
folge der Aminosauren in einer Polypeptidkette an (Aminosauresequenz). Die Sekundarstruk-
tur beschreibt die lokale Gerustkonformation der Polypeptidketten. Man unterscheidet dabei
z. B. helicale Bereiche von planaren Faltblattstrukturen, die untereinander durch Faltstellen
(Turns), Schlaufen (Loops) oder weniger geordnete Kettensegemente verbunden sein konnen.
In Abbildung 2.1 ist der Aufbau einer α-Helix und eines β-Faltblattes dargestellt. Diese Se-
kundarstrukturelemente ordnen sich in einer speziellen dreidimensionalen Struktur, der Ter-
tiarstruktur, an. Die Anordnung verschiedener Polypeptidketten in Proteinen, die aus mehreren
Polypeptid-Untereinheiten bestehen, wird als Quartarstruktur bezeichnet.
Bei dem Design von de novo Proteinen werden im ersten Schritt Peptidblocke mit hoher
Tendenz zur Bildung definierter Konformationen (α-Helices, β-Faltblattstrukturen oder Loops)
entworfen und im zweiten Schritt zu “kleinen Tertiarstrukturen” (Faltungseinheiten) zusammen-
1Mit Peptidbibliothek bezeichnet man die Zusammenstellung einer großen Anzahl verschiedener Polypeptide,
die mittels gentechnischer Methoden oder uber chemische Synthese erhalten wurden.
2.1 Syntheseprinzip 7
gefuhrt. In Abbildung 2.2 wird dieses Aufbauprinzip schematisch erlautert.
Das Design der Sekundarstrukturelemente stutzt sich auf die bisherigen Erkenntnisse, die
zur Proteinfaltung vorliegen. Im allgemeinen ist die Konstruktion von helicalen Strukturen, die
durch interne Wasserstoffbrucken des Peptidgerustes stabilisiert werden und damit unabhangige
autonome Faltungseinheiten darstellen, einfacher als das Design von Faltblattstrukturen, die nur
zu ihrem nachsten Nachbarstrang Wasserstoffbrucken ausbilden konnen (siehe Abbildung 2.1).
Die Stabilisierung von Sekundarstrukturelementen hangt sowohl von kurzreichweitigen Wechsel-
wirkungen (einzelne Aminosauren scheinen bestimmte Konformationen zu bevorzugen) als auch
von langreichweitigen Wechselwirkungen der Aminosauren untereinander ab.
Abbildung 2.1: Darstellung einer α-Helix (links) und einer β-Faltblattstruktur (rechts in Auf-
sicht und Seitenansicht) nach [35]. Die α-Helix wird durch fast lineare Wasserstoffbruckenbindun-
gen zwischen CO und NH-Gruppen der Hauptkette stabilisiert. Die gesamte Struktur besitzt ein
stabchenformiges Aussehen, wobei die Aminosaureseitenketten nach außen ragen. Fur eine Helix-
Windung werden 3,6 Aminosauren benotigt. In β-Faltblattstrukturen werden Wasserstoffbrucken-
bindungen zwischen den CO- und NH-Gruppen verschiedener Ketten (hier antiparallel verlaufend)
gebildet. Die Seitenketten der Aminosaure stehen jeweils ober- und unterhalb der Ebene des Falt-
blattes.
8 2. Protein-de-novo-Synthese
&}
Abbildung 2.2: Das Design von de novo Proteinen basiert auf dem Organisationsprinzip zur Klassi-
fizierung naturlicher Proteinstrukturen. Danach setzen sich dreidimensionale Proteinstrukturen aus
Sekundarstrukturelementen (α-Helices, β-Faltblattstrukturen) zusammen, die uber kurze Peptidket-
ten (Loops oder Turns) miteinander verbunden sind. Hierzu ist exemplarisch das Strukturmotiv eines
Zinkfingerproteins gezeigt, das zwei β-Faltblatter und eine α-Helix enthalt.
Anhand statistischer und experimenteller Untersuchungen an Proteinen und Polypeptiden
wurden die Aminosauren nach ihrer Tendenz, bestimmte Sekundarstrukturelemente auszubilden,
geordnet. Dazu wurde zum einen die relative Haufigkeit des Auftretens bestimmter Aminosauren
in Sekundarstrukturelementen als Kriterium herangezogen [36] oder der Einluß einzelner Ami-
nosauren auf die Sekundarstrukturausbildung durch ihren gezielten Austausch in Polypeptiden
nach dem Wirt-Gast-Prinzip untersucht [37]. Zur Konstruktion α-helicaler Peptidbausteine ver-
wendet man daher beispielsweise sehr haufig die Aminosauren Alanin, Leucin und Lysin [9,38].
Die Wechselwirkungen zwischen den Seitenketten verschiedener Aminosauren konnen die
Faltung eines Polypeptides entscheidend beeinflußen. Neben Wasserstoffbruckenbindungen und
elektrostatischen Wechselwirkungen der Aminosaureseitenketten [39] spielen dabei insbesondere
die hydrophoben Wechselwirkungen eine große Rolle. So findet man in naturlichen Proteinen
haufig eine definierte Reihenfolge von hydrophoben und hydrophilen Aminosauren, die in etwa
der Periodizitat des jeweiligen Sekundarstrukturelementes entspricht (3,6 fur α-Helices, 2,0 – 2,3
fur β-Faltblatter) [40]. Anhand kunstlicher Polypeptide, die ausschließlich Leucin und Lysin ent-
halten, konnte gezeigt werden, daß die Reihenfolge der Plazierung der hydrophoben Aminosaure
Leucin gegenuber dem hydrophilen Lysin, die Ausbildung verschiedener Sekundarstrukturele-
mente dirigieren kann [41]. Zur Konstruktion von kompakten, helicalen Strukturen hat sich
das Prinzip einer definierte Abfolge an hydrophoben und hydrophilen Aminosauren bereits be-
stens bewahrt (binary-code Strategie) [42]. Auf diesem Wege konnten verschiedene amphiphile
2.1 Syntheseprinzip 9
α-Helices erhalten werden.
Amphiphile Sekundarstrukturelemente besitzen eine starke Neigung zur Selbstassoziation.
Dies kann zur Anordnung der einzelnen Peptidbausteine in eine ubergeordnete dreidimensionale
Struktur ausgenutzt werden. Beispielsweise bilden amphiphile α-Helices in Wasser bevorzugt
tetramere Strukturen [42, 43]. Die treibende Kraft der Zusammenlagerung der einzelnen Heli-
ces liegt in der Ausbildung eines hydrophoben Innenraums (siehe Abbildung 2.3 und 2.4). Zur
Konstruktion eines Vier-Helix-Bundels konnen die einzelnen helicalen Peptidblocke uber Loops
oder Disulfidbrucken miteinander verbunden werden. Neben de novo synthetisierten Protei-
nen, die sich auf diese Verknupfungsmethoden naturlicher Proteine beschranken, konnen in der
Protein-de-novo-Synthese auch weitere Methoden der organischen Chemie zur Quervernetzung
von Polypeptidbausteinen herangezogen werden. Von Mutter et al. [29,44] wurde ein Designkon-
zept eingefuhrt, in dem die Anordnung der einzelnen Peptidblocke durch ihre Fixierung auf
einem Tragermolekul (Templat) dirigiert wird. Diese Templat-assoziierten synthetischen Prote-
ine (TASP) haben eine nicht-naturliche Konnektivitat der Polypeptidketten und sind somit nur
durch chemische Synthese zuganglich. Als Templat konnen Polypeptide [29,44,45] oder beliebige
andere Molekule [46,47] mit geeigneter raumlicher Anordnung funktioneller chemischer Gruppen
zur Verankerung der Polypeptidblocke dienen. Das Templat legt durch die kovalente Fixierung
der Peptidblocke die Topologie der gesamten Faltungseinheit fest. Demgegenuber wird in dem al-
ternativen Designkonzept, das auf der Selbstassoziation und linearen Verknupfung der einzelnen
Peptidblocke beruht, die Topologie des Vier-Helix-Bundels ausschließlich durch die Wechselwir-
kungen zwischen den einzelnen Helices bestimmt. Dabei spielen insbesondere Packungseffekte,
hydrophile und
hydrophobe Bereiche
amphiphiler Helices
Abbildung 2.3: Aufsicht auf ein Vier-Helix-Bundel. Amphiphile Helices ordnen sich in Wasser
bevorzugt in tetrameren Strukturen an, wobei sich die hydrophoben Bereiche zusammenlagern und
sich die hydrophilen Seiten nach Außen kehren.
10 2. Protein-de-novo-Synthese
S S
Abbildung 2.4: Amphiphile Helices neigen zur Selbstassoziation und bilden in Wasser bevorzugt te-
tramere Strukturen aus, die sich hervorragend zur Konstruktion von kunstlichen Vier-Helix-Bundeln
eignen. Links gezeigt ist ein Designkonzept, in welchem die helicalen Peptidblocke analog zu naturli-
chen Proteinen uber Loops oder Disulfidbrucken miteinander verbunden werden. Rechts ist ein
Templat-assoziiertes synthetisches Protein mit einer quervernetzten Struktur gezeigt, in welchem
die einzelnen Helices auf einem Tragermolekul (Templat) fixiert werden.
d. h. die geometrische Anordnung der Seitenketten von Aminosauren im hydrophoben Innen-
raum der Vier-Helix-Bundel, eine große Rolle [48, 49]. Von Vier-Helix-Bundeln, in denen die
Seitenketten der Aminosauren eine definierte Konformation einnehmen, konnten die Strukturen
mittels NMR-Spektroskopie aufgeklart werden [10, 50]. Andere Vier-Helix-Bundel liegen dage-
gen als molten globules vor, deren Seitenketten im hydrophoben Kern schlecht gepackt sind und
mehrere Konformationen annehmen konnen. In diesem Fall findet man im Unterschied zu einem
nativen Faltungszustand von Proteinen in den NMR-Spektren sehr breite Linien und einen lang-
samen Austausch der Amidprotonen [51]. Die unterschiedliche NMR-Charakteristik von molten
globules und definierten Strukturen, die nativen Faltungszustanden entsprechen, kann als Krite-
rium zur Bewertung des Design von de novo synthetisierten Proteinen herangezogen werden.
Neben dem Strukturmotiv des Vier-Helix-Bundels [9, 29, 38, 43, 45–53] konnten inzwischen
auch Strukturen, die β-Faltblatter enthalten in de novo synthetisierten Proteinen realisiert wer-
den [54]. Dazu gehort auch das Zinkfingermotiv [8, 55, 56], das aus einer α-Helix, die sich uber
eine Ebene aus zwei β-Faltblattstrukturen beugt, besteht (siehe auch Abbildung 2.2 fur eine
vereinfachte schematische Darstellung). Wie der Name bereits zeigt, konnen Metallionen (Zn2+)
eingelagert werden. Zur Einbindung von Kofaktoren wurde jedoch auch das Strukturmotiv des
Vier-Helix-Bundels erfolgreich eingesetzt.
2.2 Einbau von Kofaktoren 11
2.2 Einbau von Kofaktoren
Der Einbau des Kofaktors Hamin in kunstliche Vier-Helix-Bundel durch die Arbeitsgruppen von
Dutton und DeGrado [11,12] stellt einen bedeutenden Beitrag in der Protein-de-novo-Synthese
dar. Diese Systeme eroffneten die Moglichkeit, kunstliche Enzymmodelle fur Elektronentransfer
oder Katalyse herzustellen. Das Designkonzept der Vier-Helix-Bundel beruht auf der Selbstasso-
ziation helicaler Polypeptidbausteine. Der Kofaktor Hamin wurde uber die axiale Koordination
mit zwei Histidinresten in den Innenraum des Vier-Helix-Bundels eingebunden. Diese Koordi-
nation findet man auch haufig in naturlichen Proteinen, wie beispielsweise Cytochrom b5 (siehe
Abbildung 2.5) [57, 58]. Entsprechend ihrer Zielsetzung werden diese Systeme als ‘maquettes’
bezeichnet. Der Begriff ‘maquette’ steht im Englischen fur Miniaturmodelle in der Architek-
tur oder Kunst (Skulpturen). Im Franzosischen ist dieser Begriff noch allgemeiner gefaßt und
schließt den Modellbau (z. B. Flugzeuge) mit ein. In den ‘maquettes’ sollen die Eigenschaften,
die fur die Funktion naturlicher Proteine essentiell sind, in einfachen und kompakten Strukturen
erfaßt werden.
Die spektroskopischen und elektrochemischen Eigenschaften der ‘maquettes’ sind dem Ver-
halten naturlicher Hamproteine ahnlich [53]. So zeigt die Hamgruppe eine starke Affinitat zur
Bindung im de novo synthetisierten Protein. Außerdem wurden die de novo synthetisierten
Hamproteine als Modellsysteme eingesetzt, um den Einfluß protonierbarer Aminosauren auf das
Redoxpotential des Kofaktors zu untersuchen [59].
Neben Hamin [11,12,59,62,63] wurden auch andere Kofaktoren, wie Flavine [64] und einzelne
Metallionen [65, 66] in kunstliche Vier-Helix-Bundel eingebaut. Anhand von de novo syntheti-
sierten Proteinen, deren Design sich an der Struktur des Ferredoxins orientiert, wurden die
Bedingungen, die zum Aufbau von Eisenschwefelclustern notwendig sind, untersucht [67–69].
In diesen Ferredoxin-‘maquettes’ bilden sich [4Fe-4S]2+/+-Cluster, deren spektroskopische und
elektrochemischen Eigenschaften bakteriellen Ferredoxinen ahneln [70].
Der Kofaktor kann bei der Protein-de-novo-Synthese auch als strukturbildendes Element
eingesetzt werden. Beispielsweise wurde ein Porphyrinsystem (Coproporphyrin I) kovalent an
die helicalen Bausteinen eines Vier-Helix-Bundels gebunden. In Analogie zu photosynthetischen
Reaktionszentren bilden sich Porphyrin-Dimere, welche die Struktur des Vier-Helix-Bundels
zusatzlich stabilisieren [28,71]. Des weiteren konnten durch die kovalente Anknupfung von Por-
12 2. Protein-de-novo-Synthese
N
N N
N
Fe
COOH HOOC
Abbildung 2.5: Der Kofaktor Hamin besteht aus einem Tetrapyrrolring (Protoporphyrin IX) mit
einem Fe3+-Ion als Zentralmetallion. Im reduzierten Zustand (Fe2+-Ion) bezeichnet man das Metallo-
porphyrin auch als Ham. Ober- und unterhalb der Ebene des Porphyrinringes konnen zwei Molekule
als axiale Liganden an das Zentralmetallion binden. In Proteinen dienen dazu haufig Histidin (wie
rechts am Beispiel eines Strukturausschnittes von Cytochrom b5 gezeigt [58]) oder Methionin. Das
Fe3+-Ion im Zentrum ist hier symbolisch als kleine Kugel gezeichnet. Der effektive Ionenradius des
Fe3+ betragt 0,55 A bei 6-facher Koordination im low-spin Zustand [60]. Damit paßt es gut in die
Ringebene des Porphyrins [61].
2.2 Einbau von Kofaktoren 13
phyrinringen auch Systeme erhalten werden, in welchen ein Metalloporphyrin (mit Fe3+, Co3+
oder Zn2+ als Zentralmetallion) von einer oder zwei Helices bedeckt wird [72–76]. Diese relativ
einfachen “Sandwich”-Verbindungen werden auch als Mimichrome bezeichnet. Die Komplexbil-
dung von Metallionen mit Bipyridin, das kovalent an helicale Polypeptidketten fixiert werden
kann, wurde ausgenutzt, um Strukturen zu erzeugen, die sich aus drei α-Helices zusammen-
setzen [77–79]. Verwendet man als Metallion Ru2+, so entsteht bei der Zusammenlagerung der
Drei-Helix-Bundel ein photoaktiver Ruthenium(II)-tris-Bipyridin-Komplex, der sich hervorra-
gend zur Untersuchung von lichtinduziertem Elektronentransfer eignet [80]. Der Aufbau dieser
Systeme entspricht dem Designkonzept Templat-assoziierter synthetischer Proteine, wobei der
Kofaktor selbst als Templat dient. Damit werden Strukturbildung und Funktion direkt mitein-
ander verbunden. Der Nachteil dieser Methode ist, daß die Eigenschaften des Kofaktors nur
noch bedingt durch die Polypeptidumgebung beeinflußbar sind, da sich dieser als Templat meist
außerhalb der Proteinumgebung befindet.
In der Arbeitsgruppe Haehnel wurde das Designkonzept Templat-assoziierter synthetischer
Proteine dagegen mit dem Einbau von Kofaktoren in den Innenraum von Vier-Helix-Bundeln
kombiniert [81]. Als Templat dient ein zyklisches Dekapeptid. Neben Hamin, das uber zwei
axiale Histidinliganden koordiniert wird [13, 82], wurden auch Chlorophyllderivate (Zink(II)-
methylpheophorbide) uber die kovalente Anknupfung der Seitengruppen in den Innenraum von
Vier-Helix-Bundeln eingefuhrt [81]. Eines der de novo synthetisierten Hamproteine wurde an eine
Goldoberflache gekoppelt, wodurch ein elektrischer Kontakt zwischen der Metalloberflache und
dem redoxaktiven de novo Protein entsteht [22]. Mit diesen Systemen werden bioelektronische
Anwendungen ermoglicht [23]. Außerdem konnte durch die Fixierung eines Ruthenium(II)-tris-
bipyridin-komplexes an die Außenseite eines de novo synthetisierten Hamproteins ein Modellsy-
stem zur Untersuchung von lichtinduziertem Elektronentransfer erhalten werden [83]. Aufgrund
der modularen Synthesestrategie, nach der das System schrittweise aus einzelnen helicalen Bau-
steinen auf dem Templat zusammengesetzt wird, wurde in der Arbeitsgruppe Haehnel die Be-
zeichnung MOP fur modulares Protein eingefuhrt.
Wahrend de novo synthetisierte Proteine bisher meist als Einzelstucke synthetisiert wur-
den, wurde mit Hilfe eines kombinatorischer Ansatzes eine neue Großenordnung in der Her-
stellung und Variation von modularen Proteinen erreicht [84]. Dieser Ansatz kombiniert die
14 2. Protein-de-novo-Synthese
“Spot-Synthese”2 mit dem Designkonzept Templat-assoziierter synthetischer Proteine unter Ver-
wendung verschiedenster Peptidbausteine. Dabei ist die Festphasensynthese von 462 Vier-Helix-
Bundel-Proteinen auf Zellulosemembranen gelungen, die hinsichtlich der Bindungsaffinitat und
des Redoxpotentials der Hamgruppe auf dem festen Zellulosetrager untersucht wurden. Dieser
Ansatz ist somit hervorragend zur Optimierung von Kofaktorbindungsstellen und der Faltung
der Polypeptidstrukturen, sowie zum Einstellen bestimmter funktioneller Eigenschaften in de
novo synthetisierten Proteinen geeignet.
In der hier vorliegenden Arbeit werden de novo synthetisierte Hamproteine, die in der Ar-
beitsgruppe Haehnel hergestellt wurden, mittels EPR- und ENDOR-Spektroskopie charakteri-
siert (Kapitel 6). Ziel dieser magnetischen Resonanzuntersuchungen ist eine moglichst detaillierte
Beschreibung der Einbausituation der redoxaktiven Kofaktoren. Des weiteren werden anhand
selbst synthetisierter Polypeptidmodule grundlegende Untersuchungen zur Einbindung von Me-
talloporphyrinen in Vier-Helix-Bundeln durchgefuhrt (Kapitel 5). Im Unterschied zu den de novo
synthetisierten Hamproteinen aus Kapitel 6 beschranken sich diese Systeme auf eine Kofaktor-
Bindungsstelle, was die gezielte Untersuchung spezifischer Kofaktor-Protein-Wechselwirkungen
erleichtert. Zur Unterscheidung werden diese Polypeptidmodule daher mit mMOP1 und mMOP2
bezeichnet, wobei das kleine m fur mono steht. Durch die Einfuhrung verschiedener Metallopor-
phyrine (mit den Zentralmetallionen Fe2+/3+, Co2+/3+, Zn2+) soll anhand dieser Polypeptidmo-
dule die funktionelle Vielfalt de novo synthetisierter Proteine erweitert werden.
2Bei der “Spot-Synthese” werden kleine definierte Flussigkeitstropfen auf Zellulosemembranen verteilt. Die
Flussigkeitstropfen enthalten chemische Reagentien mit mehreren funktionellen Gruppen, die zum einen zur Ver-
ankerung auf der porosen Membran dienen, und zum anderen zur weiteren Durchfuhrung der gewunschten Reak-
tionen geeignet sein mussen.
Kapitel 3
Theoretische Grundlagen
Dieses Kapitel gibt eine kurze Einfuhrung in die EPR- (Electron Paramagnetic Resonance) und
die ENDOR- (Electron Nuclear Double Resonance) Spektroskopie. Die EPR-Spektroskopie wird
auch haufig als ESR-Spektroskopie fur Electron Spin Resonance bezeichnet. Da beide magneti-
schen Resonanztechniken voraussetzen, daß mindestens ein ungepaarter Elektronenspin vorliegt,
werden sie zur Charakterisierung von freien Radikalen, intermediaren radikalischen Reaktions-
stufen oder paramagnetischen Metallionen und Komplexen solcher Metallionen eingesetzt.
Die theoretischen Grundlagen der EPR- und ENDOR-Spektroskopie sind in zahlreichen
Lehrbuchern und Monographien [85–91] ausfuhrlich beschrieben. In den folgenden Abschnit-
ten wird kurz auf die Meßprinzipien und die molekularen Wechselwirkungen, die der EPR- und
ENDOR-Spektroskopie zugrunde liegen, eingegangen. Ein wichtiger Schwerpunkt der hier vorlie-
gender Arbeit liegt in der Untersuchung von de novo synthetisierten Hamproteinen hinsichtlich
der Koordination des Fe3+-Zentralmetallions. Daher wird in Abschnitt 3.4 die geometrische und
elektronische Struktur von Haminkomplexen und deren Charakterisierung mittels magnetischer
Resonanzspektroskopie dargestellt.
3.1 EPR-Spektroskopie
Das Meßprinzip der EPR-Spektroskopie beruht auf der Ausrichtung von ungepaarten Elektro-
nenspins in einem statischen Magnetfeld B0. Die Energie eines magnetischen Momentes in einem
15
16 3. Theoretische Grundlagen
statischen Magnetfeld B0 ergibt sich in der klassischen Elektrodynamik zu [94]
E = −µeB0. (3.1)
Mit einem ungepaarten Elektronenspin S ist ein magnetisches Moment verbunden
µe = −gβeS, (3.2)
wobei βe das Bohrsche Magneton und S der Vektoroperator des Elektronenspins ist. Der so-
genannte g-Wert gibt die Proportionalitatskonstante zwischen µe und βeS an. Fur ein frei-
es Elektron ist g = ge = 2,0023. Analog zu Gleichung (3.1) wird fur die Elektron-Zeeman-
Wechselwirkung des Elektronenspins in einem außeren Magnetfeld der Hamilton-Operator
H = −µeB0 = gβeSB0 (3.3)
formuliert. Fur einen freien ungepaarten Elektronenspin mit Spinquantenzahl S = 1/2 gibt es
zwei mogliche Orientierungen in einem statischen Magnetfeld, die durch die magnetischen Quan-
tenzahlen ms = +1/2 (“parallele” Ausrichtung) und ms = −1/2 (“antiparallele” Ausrichtung)
n
n +
-
s
s
Magnetfeld
m = +1/2
m = -1/2n+n- =
En
ergi
e
exp(- g B /kT)βe 0
h = g Bβ 0ν e
Abbildung 3.1: Elektron-Zeeman-Aufspaltung eines ungepaarten Elektronenspins S=1/2 in einem
statischen Magnetfeld B0. Nach der Boltzmann-Verteilung besteht zwischen den beiden Energienive-
aus ms = ±1/2 ein Besetzungsunterschied (n+ < n−), so daß bei Einstrahlung elektromagnetischer
Strahlung der Frequenz ν = gβeB0/h eine Netto-Absorption erfolgt. Voraussetzung dafur ist, daß
durch Relaxationsprozesse der Besetzungsunterschied auch wahrend der Einstrahlung der elektro-
magnetischen Strahlung aufrecht erhalten werden kann, da sonst eine Sattigung des EPR-Signals
eintritt [87].
3.1 EPR-Spektroskopie 17
charakterisiert werden. Die energetische Aufspaltung ∆E = E+ − E−, die auch als Elektron-
Zeeman-Aufspaltung bezeichnet wird, betragt fur diese beiden Niveaus
∆E = gβeB0. (3.4)
In einem EPR-Experiment werden durch Einstrahlung von elektromagnetischen Wellen
Ubergange zwischen den beiden Spinniveaus induziert, wenn die Resonanzbedingung
hν = ∆E = gβeB0 (3.5)
erfullt ist (siehe Abbildung 3.1). Bei einem statischen Magnetfeld von 350 mT und g = ge liegt
die Resonanzfrequenz bei ν � 9.5 GHz und damit im X-Band (Wellenlange λ � 3 cm) des
Mikrowellenbereiches.
Die experimentellen Beobachtungen werden in der EPR-Spektroskopie haufig in dem Forma-
lismus des Spin-Hamilton-Operators wiedergeben. Der Spin-Hamilton-Operator faßt alle moleku-
laren Wechselwirkungen zusammen, die zu dem magnetischen Resonanzspektrum beitragen und
wird so formuliert, daß er nur auf den Spinanteil der elektronischen Grundzustandswellenfunk-
tionen wirkt. Die einzelnen Terme des Spin-Hamilton-Operators werden nun kurz vorgestellt.
Elektron-Zeeman-Wechselwirkung
Bei der EPR-spektroskopischen Charakterisierung von Ubergangsmetallkomplexen findet man
deutliche Abweichungen von dem ge-Wert des freien Elektrons. Zusatzlich beobachtet man, daß
die Elektron-Zeeman-Aufspaltung von der Orientierung des molekularen Achsensystems im ma-
gnetischen Feld abhangt. Dies ist darin begrundet, daß auch das Bahnmoment L eines Elektrons
ein magnetisches Moment besitzt (µL = βeL), dessen Beitrag zur effektiven Elektron-Zeeman-
Aufspaltung in den Ubergangsmetallkomplexen von der Spin-Bahn-Kopplung (λLS) und der
energetischen Aufspaltung der d-Orbitale abhangt [87, 88]. Im Spin-Hamilton-Operator lautet
der Term fur die Elektron-Zeeman-Wechselwirkung
HEZ = βeB0gS. (3.6)
Dabei ist S der Vektoroperator des effektiven Spins. In Analogie zu dem Zwei-Niveau-System
aus Abbildung 3.1 wird dem effektiven Spin haufig der Wert S=1/2 zugewiesen. Dies muß jedoch
nicht der Spinquantenzahl der eigentlichen Wellenfunktion des elektronischen Grundzustandes
18 3. Theoretische Grundlagen
entsprechen (siehe z. B. Abschnitt 3.4.2). Die Einflusse von Spin- und Bahnmoment auf die
EPR-Spektren werden in der (3× 3) Matrix g zusammengefaßt, welche traditionell als g-Tensor
bezeichnet wird [85,87]. Der g-Tensor ist kennzeichnend fur die Symmetrie und die elektronische
Struktur eines Ubergangsmetallkomplexes. In Abschnitt 3.4.1 wird anhand von low-spin Fe3+-
Komplexen der Zusammenhang zwischen den g-Tensorhauptwerten und der Wellenfunktion des
elektronischen Grundzustandes naher erlautert. Dabei wird insbesondere gezeigt, wie aus den
g-Tensorhauptwerten Informationen uber die axiale Ligandierung des Hamins erhalten werden
kann.
Nullfeldaufspaltung
Die Wechselwirkung mehrerer ungepaarter Elektronenspins fuhrt auch in Abwesenheit eines
außeren Magnetfeldes bereits zu einer Aufspaltungen der Energieniveaus des elektronischen
Grundzustandes. Daher spricht man auch von einer Nullfeldaufspaltung. Der entsprechende
Term im Spin-Hamilton-Operator ist
HZFS = SDS (3.7)
mit dem sogenannten Nullfeldtensor D. Der Term HZFS wird auch haufig in Form der Nullfeld-
parameter D und E ausgedruckt
HZFS = D(S2z − 1/3 S2
)+ E
(S2y − S2
x
). (3.8)
In organischen Molekulen, beispielsweise in photochemisch angeregten Triplettzustanden, wird
die Nullfeldaufspaltung in erster Linie durch die dipolare Wechselwirkung der ungepaarten Elek-
tronenspins bestimmt. Damit konnen die Nullfeldparameter D und E zur Charakterisierung der
Elektronenspinverteilung in der Triplettwellenfunktion herangezogen werden (siehe Abschnitt
5.5.2). In Ubergangsmetallkomplexen fuhrt die Elektron-Elektron-Wechselwirkung im Zusam-
menspiel mit der Spin-Bahn-Kopplung zu Aufspaltungen der Energieniveaus des elektronischen
Grundzustandes. In Abschnitt 3.4.2 wird der Einfluß der Nullfeldaufspaltung auf die EPR-
Spektren von high-spin Fe3+-Komplexen diskutiert.
Hyperfeinwechselwirkung
Die Wechselwirkung von Elektronen- und Kernspins bezeichnet man als Hyperfeinwechselwir-
kung. Voraussetzung ist, daß ein Kernspin mit I �= 0 und damit ein magnetisches Moment fur
3.1 EPR-Spektroskopie 19
den Kern vorliegt
µN = gNβNI, (3.9)
mit dem Kern-Magneton βN und dem g-Faktor gN des entsprechenden Kerns. Im Vergleich zum
magnetischen Moment des Elektronenspins (siehe Gleichung (3.2)) ist das Vorzeichen positiv
und der Betrag des magnetischen Momentes des Kernspins wesentlich kleiner. Fur ein Proton
betragt das Verhaltnis gNβN / geβe beispielsweise 1 / 658.
Fur die Wechselwirkung der magnetischen Momente des Elektronen- und Kernspins gilt [92]
H = −8π3µeµNδ(r) +
1
r3
[µeµN − 3(µer)(µN r)
r2
]. (3.10)
Dabei ist r der Ortsoperator des Verbindungsvektors zwischen den beiden magnetischen Mo-
menten. Im ersten Term von Gleichung (3.10) wird die Elektronenspindichte direkt am Kernort
ausgewertet. Dies setzt voraus, daß der elektronische Grundzustand s-Orbitalcharakter vorweist.
Fur den Eigenwert des ersten Terms aus Gleichung (3.10) folgt [92]
E = −8π3|ψ(0)|2 < µeµN > (3.11)
mit der Aufenthaltswahrscheinlichkeit |ψ(0)|2 des ungepaarten Elektronenspins am Kernort (r
= 0). Diese sogenannte Fermi-Kontakt-Wechselwirkung ist isotrop und liefert Informationen
uber die Spindichteverteilung in einem paramagnetischen Molekul. Aus dem zweiten Term von
Gleichung (3.10) konnen Informationen uber die Abstande von Elektronen- und Kernspin ge-
wonnen werden. In einem außeren Magnetfeld orientieren sich die magnetischen Momente von
Elektronen- und Kernspin parallel zur Feldrichtung unter der Voraussetzung eines isotropen
g-Tensors fur die Elektron-Zeeman-Wechselwirkung [93]. Wenn der Kern weit genug vom para-
magnetischen Zentrum entfernt ist, um als lokalisierter Punktdipol behandelt zu werden, folgt
ein einfacher Ausdruck fur die Energie der Hyperfeinwechselwirkung [94]
E = −µeµNr3
(3 cos2 γ − 1
). (3.12)
Dabei ist γ der Winkel zwischen dem außeren Magnetfeld und dem Verbindungsvektor r zwischen
Elektronen- und Kernspin (siehe Abbildung 3.2.)
Im Formalismus des Spin-Hamilton-Operators wird die Hyperfeinwechselwirkung durch den
Term
HHFC = SAI (3.13)
20 3. Theoretische Grundlagen
γ
0
e
B
Nµµ
| r |
Abbildung 3.2: Links: In einem außeren Magnetfeld B0 richten sich die magnetische Momente
von Elektronenspin µe und Kernspin µN parallel zur Feldrichtung aus. Die Voraussetzung hierfur
ist ein isotroper g-Wert fur die Elektron-Zeeman-Wechselwirkung. Das außere Feld B0 und der
Verbindungsvektor r zwischen µe und µN schließen den Winkel γ ein.
beschrieben. Dabei ist I der Vektoroperator des Kernspins. Der Hyperfeintensor A kann formal
in einen isotropen Anteil aiso und einen spurfreien anisotropen Anteil A′ zerlegt werden
HHFC = aisoSI+ SA′I. (3.14)
Die isotrope Kopplungskonstante aiso beschreibt dabei entprechend Gleichung (3.10) die Fermi-
Kontakt-Wechselwirkung und ist proportional zur ungepaarten Elektronenspindichte am Kern-
ort. Der TensorA′ faßt die Hyperfeinwechselwirkungen zusammen, bei denen der Elektronenspin
nicht am Kernort lokalisiert ist. Fur den einfachen Fall aus Gleichung (3.12) ist A′ axial. Die
Hauptwerte dieses Tensors, der in Abbildung 3.3 zur Veranschaulichung graphisch dargestellt
ist, sind in Frequenzeinheiten
a′⊥ = −βegeβNgNhr3
(3.15)
und
a′|| = −2a⊥. (3.16)
Fur eine beliebige molekulare Orientierung zum außeren Magnetfeld ergibt sich fur den Wert
der dipolaren Hyperfeinwechselwirkung
a′ = a′⊥(3 cos2 γ − 1
). (3.17)
3.1 EPR-Spektroskopie 21
B0
Mn+
| r |
a’
a’
a’
N
Abbildung 3.3: Lage der Hauptachsen a′|| und a′⊥ des axialen HyperfeintensorsA
′ fur eine beliebige
molekulare Orientierung im außeren Magnetfeld. In der Punktdipolnaherung ist der Elektronenspin
am Zentralmetall Mn+ und der Kernspin am Kern N lokalisiert. Die Hauptachse a′|| verlauft parallel
zum Verbindungsvektor zwischen dem Kern und dem Zentralmetall.
Kern-Zeeman-Wechselwirkung
Die Formulierung des Kern-Zeeman-Terms erfolgt analog zur Elektron-Zeeman-Wechselwirkung
HNZ = −βNgNB0I. (3.18)
Der g-Faktor des Kernspins gN wird im folgenden jedoch immer als isotrope Konstante ange-
sehen. Wenn Effekte hoherer Ordnung berucksichtigt werden und damit auch fur den Kernspin
ein g-Tensor formuliert wird, spricht man von einer Pseudo-Kern-Zeeman-Wechselwirkung. Diese
wird dann eingefuhrt, wenn der Einfluß einer anisotropen Elektron-Zeeman-Wechselwirkung, die
sich uber die Hyperfeinwechselwirkung auf die Quantisierungsrichtung des Kernspins auswirken
kann, berucksichtigt werden soll [90, 95].
Kern-Quadrupol-Wechselwirkung
Die Kern-Quadrupol-Wechselwirkung tritt nur bei Kernen mit I ≥ 1 auf. Dabei handelt es sichnicht um eine magnetische Wechselwirkung, vielmehr fuhrt hier der elektrische Feldgradient am
Ort des Kernes zu einer Wechselwirkung mit dem elektrischen Quadrupolmoment des Kerns.
Der entsprechende Term im Spin-Hamilton-Operator lautet
HQ = IQI. (3.19)
22 3. Theoretische Grundlagen
In dem Hauptachsensystem des spurlosen Quadrupoltensors Q erhalt man (in Frequenzeinhei-
ten)
HQ =e2qQ
4I(2I − 1)h(3I2z − I2 + η(I2
x − I2y )). (3.20)
Die Große Q ist das skalare Quadrupolmoment des jeweiligen Kernes. Der elektrische Feldgra-
dient mit den Hauptwerten eqzz, eqyy und eqxx wird durch die z-Komponente eq = eqzz und
den Asymmetrieparameter η = (qxx − qyy)/qzz, der die Abweichungen von der axialen Symme-
trie des Feldgradienten entlang der Hauptrichtung z wiedergibt, charakterisiert. Dabei gilt die
Konvention |eqzz| > |eqyy| > |eqxx|.Da die Orientierung der Kern-Quadrupol-Wechselwirkung mit dem Kernspin verknupft ist,
erscheint diese elektrostatische Wechselwirkung im Spin-Hamilton-Operator.
Fur Kerne wie 14N (I = 1), die in naturlichen Proteinen haufig Bestandteil von axialen Ligan-
den zur Einbindung paramagnetischer Kofaktoren darstellen, wurden die Parameter e2qQh (als
Maß fur die gesamte Quadrupolwechselwirkung) und η (als Geometrie-Parameter) in Abhangig-
keit von der Umgebung des Kernspins gruppiert [96].
Alle hier aufgefuhrten Wechselwirkungen konnen in einem Spin-Hamilton-Operators zusammen-
gefaßt werden
H = HEZ +HZFS +HHFC +HNZ +HQ
= βeB0gS+ SDS+ SAI+ βNgNB0I+ IQI.
(3.21)
In Anwesenheit mehrerer Kernspins werden die entsprechenden Summen der Hyperfein-, Kern-
Zeeman- und Kern-Quadrupol-Wechselwirkung (z. B.∑k SAkIk) verwendet.
3.2 ENDOR-Spektroskopie
Das Prinzip der ENDOR-Spektroskopie soll an einem einfachen System mit einem Elektronen-
spin S = 1/2 und einem Kernspin I = 1/2 erlautert werden. Dabei werden sowohl die Elektron-
Zeeman-Wechselwirkung als auch die Hyperfeinwechselwirkung als isotrop angenommen. Der
Spin-Hamilton-Operator dieses Systems lautet
H = βegeB0S+ aisoSI− βNgNB0I. (3.22)
3.2 ENDOR-Spektroskopie 23
In der Hochfeldnaherung (HEZ HHFC , HEZ HNZ) sind die Spins entlang der Magnetfeld-richtung quantisiert und es ergibt sich fur die Energie-Niveaus in Frequenzeinheiten
E
h(ms,mI) = νems − νNmI + aisomsmI , (3.23)
mit
νe = geβeB0/h (3.24)
und
νN = gNβNB0/h. (3.25)
Das Energieniveau-Schema, das fur dieses System unter der Annahme einer positiven Hyper-
feinkopplung (aiso > 0) folgt, ist in Abbildung 3.4 zu sehen. Fur die erlaubten EPR- und
NMR-Ubergange ergeben sich jeweils zwei Linien
νEPR = |νe ± aiso/2| (3.26)
und
νNMR = |νN ± aiso/2| . (3.27)
Die EPR-Ubergange liegen fur typische Feldstarken (100 bis 500 mT) im Frequenzbereich von
Mikrowellen und die NMR-Ubergange von Radiowellen.
Die ENDOR-Spektroskopie ist eine Doppelresonanzmethode, in der die Ubergange der Kern-
spins uber die EPR-Spektroskopie detektiert werden. Dazu existieren sowohl cw- (continuous
wave) [89] als auch Puls-ENDOR-Verfahren [98]. In dieser Arbeit wurde eine Puls-ENDOR-
Sequenz nach Davies eingesetzt [99]. Dieses Verfahren beruht auf dem Transfer und der Detek-
tion von Spinpolarisation und wird in Abbildung 3.5 erlautert. Die Spinpolarisation resultiert
aus den Besetzungsunterschieden zwischen verschiedenen Energieniveaus von EPR- und NMR-
Ubergangen. In Abbildung 3.5 wird der Besetzungsunterschied analog zu Abbildung 3.1 durch
schwarze (Uberpopulation) und weisse Kastchen symbolisiert. Da die energetische Aufspaltung,
die nach der Boltzmann-Verteilung die Besetzung der einzelnen Niveaus bestimmt [87], zwi-
schen den EPR-Ubergangen wesentlichen großer als zwischen den NMR-Ubergangen ist, wird
nur der Besetzungsunterschied zwischen den beiden unteren und oberen Paaren berucksich-
tigt. Die Davies-Puls-ENDOR-Sequenz wird in Abbildung 3.5 in drei Phasen aufgeteilt. Durch
den 180◦-Puls in der Praparationsphase wird das Besetzungsverhaltnis eines EPR-Uberganges
24 3. Theoretische Grundlagen
m s =
m s =
m I = -1/2
m I =
m I =
m I =
ν
ν
ν
e
N
N
+1/2
-1/2
+1/2
+1/2
-1/2
| +1/2 -1/2 >
|+1/2 +1/2>
|-1/2 +1/2 >
|-1/2 -1/2 >
EZ+NZEZEZ+NZ+HFC
mS m| >IE/h
EPR I
NMR II
a/4
a/4 NMR I
EPR II
Abbildung 3.4: Links: Energie-Niveau-Schema fur ein S = 1/2, I = 1/2 System mit isotropem
g-Tensor und aiso > 0. Die Elektron-Zeeman-Aufspaltung (EZ) ist dabei wesentlich großer als die
Kern-Zeeman-Aufspaltung (NZ) und die Hyperfeinwechselwirkung (HFC). Die Wechselwirkungen
werden sukzessiv berucksichtigt. Rechts: Mit durchgezogenen Pfeilen sind die erlaubten EPR- und
NMR-Ubergange eingezeichnet (EPR: ∆ms = ±1, ∆mI = 0; NMR: ∆ms = ±0, ∆mI = 1). Die
Ubergangsraten durch Relaxationsprozeße (inklusive Kreuzrelaxation: | + 1/2 − 1/2 >↔ | − 1/2 +1/2 >, |+ 1/2 + 1/2 >↔ | − 1/2−+1/2 >) sind als gestrichelte Linien dargestellt [89].
(beispielsweise EPRI) invertiert. Die Detektion der Spinpolarisation erfolgt in dem Davies-Puls-
ENDOR-Experiment mit einer Hahn-Echo-Sequenz [98]. Aufgrund der Inversion der Spinpo-
larisation detektiert man, wie in Abbildung 3.5 anhand Fall a (kein NMR-Ubergang) gezeigt
ist, ein emissives Spin-Echo-Signal. Wird jedoch zwischen der Praparations- und Detektions-
phase ein Radiofrequenzpuls eingestrahlt, der mit der Frequenz von NMRI (Fall b) oder NMRII
(Fall c) ubereinstimmt, erfolgt ein Ubergang innerhalb der Kernspinniveaus. Dadurch kommt
es zu einem Ausgleich der Polarisation der EPR-Ubergange. In der Detektionsphase wird nun
kein Echo beobachtet. In einem Puls-ENDOR-Experiment wird die Amplitude des invertierten
Echo-Signals in Abhangigkeit von der Frequenz des Radiofrequenzpulses aufgezeichnet.
In der hier vorliegenden Arbeit wurde die Puls-ENDOR-Spektroskopie eingesetzt, um Hy-
3.2 ENDOR-Spektroskopie 25
ν = νrf NMRI/II
ν = νrf NMRI
Präparation Detektion
180°
90°180°
Polarisationstransfer
180°
EPRI
mw
rf
a.)
b.)
c.) ν = νrf NMRII
NMRI
NMRII
Abbildung 3.5: Die Davies-Puls-ENDOR-Sequenz kann in drei Phasen aufgeteilt werden: Prapa-
ration, Polarisationstransfer und Detektion [97]. Zur Erlauerterung wird das Vier-Niveau-Schema
aus Abbildung 3.4 herangezogen. Die schwarzen und weissen Kastchen symbolsieren die Besetzungs-
unterschiede der einzelnen Energie-Niveaus. In der Praparationsphase wird durch einen selektiven
Mikrowellen-180◦-Puls die Polarisation eines EPR-Uberganges (in diesem Beispiel EPRI) invertiert.
Es folgt ein Radiofrequenz-180◦-Puls, der bei passender Frequenz einen der beiden Ubergange der
Kernspins invertiert. In der Detektionsphase wird mit einer Hahn-Echo-Sequenz die Polarisation des
EPR-Uberganges abgefragt. In Fall a (kein Kernubergang) wird ein emissives Spin-Echo-Signal de-
tektiert, in Fall b und c wird bei Einstrahlung eines Radiofrequenzpuls passender Frequenz (NMRI
oder NMRII) kein Spin-Echo beobachtet. Ein resonanter 180◦-Radiofrequenz-Puls invertiert die Pola-
risation der NMR-Ubergange und fuhrt zu einem Angleich der Populationen, die uber EPRI detektiert
wird.
26 3. Theoretische Grundlagen
perfeinwechselwirkungen in de novo synthetisierten Hamproteinen zu messen. Dabei tragt das
Zentralmetallion Fe3+ selbst allerdings nicht zur Hyperfeinwechselwirkung bei, da das Hauptiso-
top Fe56 (naturliche Haufigkeit 91,7 %) einen Kernspin von I = 0 besitzt. Uber die Protonen und
Stickstoffkerne der Liganden (Porphyrin und axiale Liganden) konnen jedoch wertvolle struk-
turelle Informationen uber die Koordinationssphare des Fe3+-Ions gewonnen werden [100, 101].
Diese Informationen sind aus der EPR-Spektroskopie nicht zuganglich. Die EPR-Linienbreiten
sind bei den Komplexen des Fe3+-Ions viel zu groß, um diese Hyperfeinaufspaltungen detektieren
zu konnen. Abschnitt 4.4.1 stellt hierzu das Simulationsprogramm vor, das in dieser Arbeit zur
Analyse von EPR-Linienbreiten erstellt wurde. Die hohere spektrale Auflosung der ENDOR-
Spektroskopie im Vergleich zur EPR-Spektroskopie wird jedoch durch eine geringere Empfind-
lichkeit erkauft. Prinzipiell sollte die Davies-Puls-ENDOR-Spektroskopie allerdings bei idealer
Inversion bzw. Polarisationstransfer die gleiche Signalintensitat wie die EPR-Spektroskopie ha-
ben. Gegenuber der NMR-Spektroskopie hat die ENDOR-Spektroskopie den Vorteil, daß sie
selektiv in Bezug auf die paramagnetische Umgebung des Kofaktors ist, da nur die Kerne,
die eine Hyperfeinwechselwirkung mit dem Elektronenspin aufweisen, zum ENDOR-Spektrum
beitragen. Die indirekte Detektion uber einen EPR-Ubergang hoherer Frequenz fuhrt hier zu
einer Steigerung der Empfindlichkeit der Messung [89]. Der Vorteil der Detektion uber einen
EPR-Ubergang liegt bei Systemen mit ausgepragter g-Anisotropie jedoch insbesondere in der
Moglichkeit, daß auch in ungeordneten Systemen (gefrorene Losungen) bestimmte molekula-
re Orientierungen selektiert werden konnen [102–106]. Damit lassen sich Informationen uber
die relative Lage der richtungsabhangigen Hyperfeinwechselwirkung im Koordinatensystem des
g-Tensors gewinnen [93,107]. Im nachsten Abschnitt wird dies naher erlautert.
3.3 EPR- und ENDOR-Messungen in gefrorenen Losungen
In einer Losung liegt eine statistische Verteilung an Molekulorientierungen relativ zum auße-
ren Magnetfeld vor. Bei einer richtungsabghangigen Wechselwirkung, z. B. bei anisotropem g-
Tensor, hangt die EPR-Linienposition von der Orientierung des paramagnetischen Molekuls im
Magnetfeld ab. Wahrend in einer flussigen Losung aufgrund der Rotation der paramagnetischen
Molekule, die im allgemeinen schneller als die Zeitskala des EPR- oder ENDOR-Experimentes
ist [87], alle richtungsabhangigen Wechselwirkungen herausgemittelt werden, sieht man in einer
3.3 EPR- und ENDOR-Messungen in gefrorenen Losungen 27
gy
gz
gx
g
βα
eff0B
γ
Abbildung 3.6: Der g-Tensor (hier dargestellt durch ein Ellipsoid) kann beliebige Orientierungen
relativ zum außeren Magnetfeld einnehmen. Der effektive g-Wert fur eine beliebige Orientierung
ergibt sich dabei aus den Hauptwerten des g-Tensors und den Winkeln α, β, γ, welche die Lage
des g-Tensors relativ zur Magnetfeldrichtung beschreiben: g = (g2x cos2 α + g2y cos
2 β + g2z cos2 γ)1/2
[94]. In einer gefrorenen Losung liegt eine statistische Verteilung der molekularen Orientierungen
vor. Daraus resultiert ein Pulverspektrum, das expemplarisch als Absorptionsspektrum und seiner
ersten Ableitung gezeigt ist. EPR-Spektren werden aufgrund ihrer Aufnahmetechnik (phasensensitive
Detektion mit Feldmodulation) meist in der ersten Ableitung dargestellt [85].
gefrorenen Losung eine Uberlagerung der verschiedenen Resonanzpositionen. Diese sogenannten
Pulverspektren spiegeln die Verteilung der Molekulorientierungen wieder. In den hier unter-
suchten de novo synthetisierten Hamproteinen dominiert die g-Anisotropie das EPR-Spektrum,
ohne daß zusatzliche Hyperfeinaufspaltungen zu komplexen Linienmustern fuhren. Abbildung
3.6 zeigt, wie aus einem derartigen Pulverspektrum die Hauptwerte des g-Tensors direkt ab-
gelesen werden konnen. Die Lage des g-Tensors in einem paramagnetischen Molekul, d. h. die
Richtungen der g-Tensorhauptachsen, konnen jedoch nur anhand von EPR-Messungen an Einkri-
stallen erhalten werden. In vielen Fallen, so auch bei den de novo synthetisierten Hamproteinen,
sind jedoch keine Einkristalle verfugbar. Die Annahmen uber die relative Lage des g-Tensors in
diesen Systemen basieren auf dem Vergleich mit Modellkomplexen und naturlichen Hamprotei-
nen [108,109].
Fur die ENDOR-Spektroskopie in gefrorener Losung bieten Systeme mit ausgepragter g-
Anisotropie einen entscheidenden Vorteil. Ein ENDOR-Experiment wird immer an einer fest-
gelegten Feldposition ausgefuhrt. Damit nehmen an dem ENDOR-Experiment nur diejenigen
28 3. Theoretische Grundlagen
molekularen Orientierungen teil, die an der festgelegten Feldposition einen EPR-Ubergang auf-
weisen. An den Kanten des EPR-Spektrums, d. h. an der Feldposition von gz oder gx, tragen nur
diejenigen Molekule zum EPR- und damit auch zum ENDOR-Spektrum bei, deren gz- bzw. gx-
Achse parallel zum außeren Magnetfeld verlauft. Diese spezifische Selektion von Molekulorientie-
rungen findet man ansonsten nur in einem Einkristall. Fur Feldpositionen im Bereich zwischen gz
und gx findet man eine Uberlagerung definierter molekularer Orientierungen, die alle den gleichen
effektiven g-Wert aufweisen. Diese Orientierungsselektion kann man sich zunutze machen, um
anhand von ENDOR-Messungen an verschiedenen Feldpositionen die Hauptwerte und die Lage
des Hyperfeintensors im Koordinatensystem des g-Tensors, der die raumliche Orientierung der
Molekule relativ zum außeren Magnetfeld festlegt, zu ermitteln [93, 106, 107]. Das Simulations-
programm, das in dieser Arbeit zur Auswertung von ENDOR-Spektren de novo synthetisierter
Hamproteine erstellt wurde, ist in Abschnitt 4.4.2 beschrieben und wird zur Charakterisierung
eines de novo synthetisierten Hamproteins in Kapitel 6 eingesetzt.
3.4 Elektronische Struktur von Haminkomplexen
Das Zentralmetallion Fe3+ der Hamgruppe gehort zu den Ubergangsmetallen mit einer 3d-
Valenzelektronenschale. Im freien Ion sind die d-Orbitale energetisch entartet. In einem Komplex
kommt es jedoch durch elektrostatische oder auch kovalente Wechselwirkungen mit den Ligan-
den zu einer Aufspaltung der d-Orbitale. Zur Ermittlung des elektronischen Grundzustandes
in Ubergangsmetallkomplexen ist neben dem Ligandenfeldpotential auch die Elektron-Elektron-
Wechselwirkung und die Spin-Bahn-Kopplung entscheidend [110].
Das Fe3+-Ion wird in Haminkomplexen durch die vier Stickstoffatome des Porphyrins und
zwei zusatzliche axiale Liganden koordiniert. Fur die nachfolgende Diskussion der elektronischen
Eigenschaften von Haminkomplexen wird zunachst davon ausgegangen, daß die Koordinations-
sphare des Fe3+-Ions eine oktaedrische Symmetrie aufweist. In dem oktaedrischen Ligandenfeld
spalten die 5 d-Orbitale in zwei Gruppen auf (siehe Abbildung 3.7). Die Orbitale dz2 und dx2−y2
zeigen direkt auf die Positionen der Liganden, wahrend die Orbitale dxy, dxz und dyz dazwischen
liegen. Entsprechend ihrer “Symmetrie” im oktaedrischen Ligandenfeld werden die Orbitale dz2
und dx2−y2 als eg-Satz und die Orbitale dxy, dxz und dyz als t2g-Satz bezeichnet. Die Symbole
eg und t2g bezeichnen zwei irreduzible Darstellungen, die zu der Punktgruppe Oh gehoren [111].
3.4 Elektronische Struktur von Haminkomplexen 29
x
y
z
Oh
;
eg
t2g
; ;
2g2 T1g
6A
t2g eg t2g
S=5/2 S=1/2
23 5
z2dx -y2 2d
dyz dxz dxy
Abbildung 3.7: Schema zur Besetzung der eg und t2g Orbitale fur ein Fe3+-Ion in einem oktaedri-
schen Ligandenfeld (Punktgruppe Oh). Hier sind exemplarisch zwei Moglichkeiten der Orbitalbeset-
zung gezeigt. Unter den Elektronenkonfigurationen tm2g eng mit m + n = 5 sind die Termsymbole in
der Punktgruppe Oh und die Gesamtspinquantenzahl S der Mehrelektronenzustande angegeben.
Nach dem Kristallfeldmodell kommt es zu einer Abstoßung der “Ladungsdichten” der d-Orbitale
des Zentralmetallions und den Liganden. Daraus resultiert eine energetische Aufspaltung der Or-
bitale des eg- und t2g-Satzes, die auch als Kristallfeldaufspaltung bezeichnet wird [110].
Zur Besetzung der funf d-Orbitale (10 Spinorbitale) mit den funf Elektronen der 3d5-
Elektronenkonfiguration des Fe3+-Ions gibt es insgesamt 252 Moglichkeiten:
10 Spinorbitale
5 Elektronen
10
5
= 10!
5!(10− 5)! = 252. (3.28)
Abbildung 3.7 zeigt dazu exemplarisch zwei mogliche Besetzungen der d-Orbitale. Diese Beset-
zungen entsprechen den beiden elektronischen Grundzustanden, die im allgemeinen in Hamin-
komplexen gefunden werden [4, 108,109,112].
• high-spin Fe3+: Bei einer kleinen Kristallfeldaufspaltung besetzen die Elektronen die d-
Orbitale analog zum freien Ion nach dem Prinzip der Spinmaximierung (Hundtsche Re-
gel). Damit bildet der Term 6A1g den Grundzustand mit einer Gesamtspinquantenzahl
S=5/2 (siehe Abbildung 3.7). Fur diesen Schwachfeld-Fall wird in der Storungstheorie die
Elektron-Elektron-Wechselwirkung vor dem Ligandenfeldpotential berucksichtigt [113].
30 3. Theoretische Grundlagen
• low-spin Fe3+: Bei einer großen Kristallfeldaufspaltung ist der Zustand 2T2g mit einem
Gesamtspin S = 1/2 energetisch am gunstigsten. In diesem Starkfeld-Fall betrachtet man
zuerst die Aufspaltung der einzelnen d-Orbitale im Potentialfeld der Liganden. Es resultie-
ren Einelektronenwellenfunktionen, aus welchen anschließend unter Berucksichtigung der
Elektron-Elektron-Wechselwirkung Mehrelektronenzustande gebildet werden konnen [113].
In beiden Fallen wird die Spin-Bahn-Kopplung nachtraglich als Storung eingefuhrt. Da die
hieraus resulierende Eigenfunktion des elektronischen Grundzustandes eine Linearkomination
aus den “ursprunglichen” Zustanden des Starkfeld- oder Schwachfeld-Falles darstellt, spricht
man auch von einer “Mischung” der elektronischen Zustande durch die Spin-Bahn-Kopplung.
RR C
O
O -
A
B
RS -
O - SHN N NNR-NHR 2
Fe
X
X: F H O OH N Im CN
low-spin
Ligandenfeldstärke
2 3
Ligandenfeld
schwaches
Methionin Histidin Lysin Histidin
starkes
Ligandenfeld
Aspartat/Glutamat Cystein Tyrosin
high-spinN
NH
Abbildung 3.8: A: Ligandenfeldstarke von Aminosauren, die zur Koordination von Metallionen
in Frage kommen [116]. B: In Myoglobin ist der Kofaktor Hamin (grauer Balken) uber die Seiten-
gruppe eines Histidins in das Protein eingebunden. An die freie axiale Koordinationsstelle konnen
unterschiedliche Liganden X gebunden sein, die den Spin-Zustand des Fe3+-Zentrallmetallions be-
einflussen.
3.4 Elektronische Struktur von Haminkomplexen 31
Welcher der beiden Spin-Zustande in einem Haminkomplex auftritt, hangt von seinen axia-
len Liganden ab. In Abbildung 3.8 (A) sind die Aminosauren, die fur eine Koordination von
Metallionen in Betracht kommen, nach ihrer Ligandenfeldstarke geordnet. In dieser Arbeit ist
insbesondere Histidin von Interesse, das als “starker Ligand” die Bildung des low-spin Zustan-
des begunstigt. Anhand von Myoglobin, in dem die Hamgruppe uber eine Histidingruppe in das
Protein gebunden ist, wurde untersucht, welchen Spin-Zustand das Fe3+-Ion in Abhangigkeit
von dem sechsten Liganden, der an die freie Koordinationsstelle des Kofaktors bindet, einnimmt
(siehe Abbildung 3.8 (B)) [114,115].
Die beiden Spin-Zustande des Fe3+ unterscheiden sich sehr deutlich in ihren EPR-Spektren.
Fur den high-spin-Zustand findet man einen axialen g-Tensor mit Hauptwerten bei g⊥ = 6 und g||
= 2. Der g-Tensor von low-spin Fe3+-Komplexen ist rhombisch. Die Lage der g-Tensorhauptwerte
hangt dabei sehr stark von den axialen Liganden und ihrer geometrischen Anordnung im Kom-
plex ab. Im folgenden wird gezeigt, wie die EPR-Spektren hinsichtlich der elektronischen Struk-
tur der Fe3+-Komplexe analysiert und interpretiert werden konnen.
3.4.1 Low-spin Haminkomplexe
Die hier dargestellte Ligandenfeldanalyse der g-Tensorhauptwerte von low-spin Fe3+-Komplexen
folgt der Methode von Taylor [117]. Dabei wird vorausgesetzt, daß die energetische Aufspaltung
des t2g- und eg-Satzes groß genug ist, um nur den t2g-Satz zu behanden und Mischungen zwi-
schen den Orbitalen des t2g- und eg-Satzes zu vernachlassigen. Ferner wird im folgenden anstel-
le der t52g-Elektronenkonfiguration eine t12g-Lochkonfiguration betrachtet. Dadurch vereinfacht
sich die Berechnung, da nun keine Mehrelektronen-Wechselwirkungen auftreten konnen. Abbil-
dung 3.9 zeigt dazu die Aufspaltung der entsprechenden d-Orbitale des t2g-Satzes an. Weitere
geometrische Verzerrungen, d. h. Abweichungen von der zunachst angenommenen idealisierten
oktaedrischen Geometrie, werden durch die tetragonale (∆) und rhombische (V ) Aufspaltung
beschrieben. Die Symmetrie des Komplexes wird dabei von der Punktgruppe Oh hin zu D2h
erniedrigt. Die tetragonale Verzerrung verlauft entlang der Haminnormalen (der molekularen
z-Achse) und wird durch die unterschiedlichen Eigenschaften wie die Ligandenfeldstarke oder
der Bindungsabstand der axialen Liganden gegenuber dem Porphyrinring verursacht. Die rhom-
bische Verzerrung, die die x, y Ebene des molekularen Achsensystems betrifft, kann durch asym-
metrische axiale Liganden oder einer Verzerrung des Porphyrinringes auftreten.
32 3. Theoretische Grundlagen
*
Verzerrung des
Ligandenfeldes
2gt
hν+/−1Φ
+/−2Φ
+/−3Φ
hO 4hD 2hD
xy
xz,yz
xy
yz
xz∆
V
Spin-Bahn-
KopplungZeeman-Wechselwirkung
Abbildung 3.9: Aufspaltung der d-Orbitale eines low-spin Fe3+-Komplexes fur eine t12g-
Lochkonfiguration durch tetragonale und rhombische (∆ und V ) Verzerrung des oktaedrischen Kom-
plexes und Spin-Bahn-Wechselwirkung. Die energetische Reihenfolge der Orbitale ist gegenuber der
t52g-Elektronenkonfiguration invertiert. Der Bezugspunkt zur Definition der tetragonalen und rhom-
bischen Verzerrung ist mit einem Stern (∗) gekennzeichnet.
Die Storung, die die Entartung des t2g-Satzes aufhebt, wird durch den Hamilton-Operator
H′ ausgedruckt
H′ = VV,∆ − λ l s. (3.29)
Dabei steht VV,∆ fur die zusatzliche tetragonale und rhombische Verzerrung und −λls fur die
Spin-Bahn-Kopplung (mit negativen Vorzeichen, da eine Lochkonfiguration betrachtet wird).
Die Kleinbuchstaben von s und l sollen betonen, daß der Storoperator auf Einteilchenwellen-
funktionen wirkt. Die Basisfunktionen des t2g-Satzes setzen sich aus einem Ortsanteil und einem
Spinanteil zusammen. Dabei gehort zu |α > die magnetische Spinquantenzahl ms = +1/2 und
zu |β > entprechend ms = −1/2. Der Ortsanteil der Wellenfunktionen |xy >, |xz > oder |yz >
3.4 Elektronische Struktur von Haminkomplexen 33
kann auch in magnetischen Bahnquantenzahlen |ml > ausgedruckt werden
|xy > = 1i√
2(|2 > − | − 2 >)
|xz > = − 1√2(|1 > − | − 1 >)
|yz > = − 1i√
2(|1 > + | − 1 >).
(3.30)
Die Matrixelemente, die sich mit dem Storoperator H′ und den alten Basisfunktionen des
t2g-Satzes ergeben, sind in Tabelle 3.1 zusammengefaßt. Die Basisfunktionen aus dem t2g-Satz
wurden dabei so zusammengestellt, daß zwei Blocke aus jeweils 3 × 3 Untermatrizen (M+
und M−) erhalten werden. Die sechs neuen Eigenfunktionen, die sich nach der Anwendung
des Storoperators H′ aus den sechs energetisch entarteten Spinorbitalen des t2g-Satzes bilden,
ordnen sich zu jeweils drei energetisch entarteten Paaren an
|Φ+i > = ai|yz α > −ibi|xz α > −ci|xy β >
|Φ−i > = −ai|yz β > −ibi|xz β > −ci|xy α >,
(3.32)
wobei a2i + b2
i + c2i = 1 und i = 1,2,3. Mit den Blockmatrizen M+ und M− und den Eigenfunk-
tionen |Φ±i > ergibt sich folgendes Eigenwertproblem
M+|Φ+i > = Ei|Φ+
i >
M−|Φ−i > = Ei|Φ−
i > .(3.33)
Dieses Gleichungssystem wird jedoch nicht direkt gelost. Ziel der Ligandenfeldanalyse ist es, die
Meßgroßen der EPR-Spektroskopie in eine Beziehung zur elektronischen Struktur der low-spin
Tabelle 3.1: Matrixelemente des Storoperators H′ mit Basisfunktionen aus dem t2g-Satz. Es bilden
sich zwei Blocke aus den 3 × 3 Untermatrizen M+ und M−.
|yz α > |xz α > |xy β > −|yz β > |xz β > |xy α >
|yz α > −V2
i2λ −1
2λ 0 0 0
|xz α > − i2λ +V2
i2λ 0 0 0
|xy β > −12λ − i
2λ ∆ 0 0 0
−|yz β > 0 0 0 −V2
i2λ −1
2λ
|xz β > 0 0 0 − i2λ +V2
i2λ
|xy α > 0 0 0 −12λ − i
2λ ∆
(3.31)
34 3. Theoretische Grundlagen
Fe3+-Komplexe zu setzen. Daher wird zuerst die energetische Aufspaltung der Funktionen |Φ+1 >
und |Φ−1 > durch die Elektron-Zeeman-Wechselwirkung in einem außeren Magnetfeld untersucht.
Die Ubergange, die in der EPR-Spektroskopie beobachtet werden, gehen von dem untersten
Paar |Φ±1 > aus. Der Hamilton-Operator der Zeeman-Wechselwirkung unter Berucksichtigung
von Spin- und Bahnmoment lautet
H = βeB0(l+ ges), (3.34)
wobei der g-Wert des Elektronenspins im folgenden mit ge = 2 angenahert wird. Fur ein Ma-
gnetfeld in z-Richtung ergibt sich beispielsweise fur die Eigenfunktionen |Φ+1 > und |Φ−
1 >
E+z =< Φ+
1 |βeB0(lz + 2sz)|Φ+1 >= βeB0
[−(a1 + b1)
2 + c21
](3.35)
und entsprechend
E−z =< Φ−
1 |βeB0(lz + 2sz)|Φ−1 >= βeB0
[(a1 + b1)
2 − c21
]. (3.36)
Dabei werden direkt die Eigenwerte E+z und E−
z der Zeeman-Wechselwirkung erhalten, da die
gemischten Matrixelemente < Φ+1 |βeB0(lz + 2sz)|Φ−
1 > und < Φ−1 |βeB0(lz + 2sz)|Φ+
1 > jeweils
Null ergeben. Die energetische Aufspaltung der Funktionen |Φ−1 > und |Φ+
1 > ist damit
∆E±z = E−
z − E+z = βeB0
[2(a1 + b1)
2 − 2c21
]. (3.37)
Zur Auswertung der EPR-Spektren, aus denen die Hauptwerte des g-Tensors abgelesen werden,
vergleicht man die Eigenwerte des Operators aus Gleichung (3.34), der auf die Wellenfunktionen
|φ+1 > und |φ−
1 > angewendet wird, mit dem Elektron-Zeeman-Term aus dem Spin-Hamilton-
Operators (siehe Gleichung (3.6)), der auf einen fiktiven Spin (S = 1/2) wirkt. Im Formalismus
des Spin-Hamilton-Operators wird die energetische Aufspaltung fur ein Magnetfeld entlang der
z-Richtung durch den Hauptwert gz des g-Tensors beschrieben
∆Ez = gzβeB0. (3.38)
Durch den Vergleich der beiden Gleichungen (3.37) und (3.38) kann man den Hauptwert gz
direkt ablesen. Nach diesem Verfahren erhalt man auch alle ubrigen g-Tensorhauptwerte in
Abhangigkeit von den Koeffizienten der Spinorbitale Φ±1
gz = 2[(a1 + b1)2 − c2
1]
gy = 2[(a1 + c1)2 − b2
1]
gx = 2[a21 − (b1 + c1)
2].
(3.39)
3.4 Elektronische Struktur von Haminkomplexen 35
Um das Experiment, also die gemessenen g-Tensorhauptwerte hinsichtlich der elektronischen
Struktur des low-spin Fe3+-Komplexes zu interpretieren, benotigt man allerdings die dazu inverse
Beziehung
a1 =(gz + gy)√
8(gx + gy + gz)
b1 =(gz − gx)√
8(gx + gy + gz)
c1 =(gy − gx)√
8(gx + gy + gz).
(3.40)
Diese Koeffizienten kann man nun zur Losung des Eigenwertproblems (siehe Gleichung 3.33)
einsetzen.
−V/2 i2λ −1
2λ
− i2λ +V/2 i
2λ
−12λ − i
2λ ∆
·
a1
−ib1
−c1
= E1 ·
a1
−ib1
−c1
(3.41)
Aus diesem Gleichungssystem erhalt man den Eigenwert E1, der die energetische Absenkung der
Wellenfunktionen |Φ±1 > (bezuglich des Nullpunktes (∗) in Abbildung 3.9), welche die rhombische
Verzerrung des Ligandenfeldes und die Spin-Bahn-Kopplung beinhaltet.
E1 = −b1 + c12a1
λ− V/2
=
(− gxgz + gy
− 1/2)λ− V/2.
(3.42)
Durch eine entsprechende Umformung folgt aus dem Gleichungssystem (3.41) in Zusammenhang
mit Gleichung (3.40) ein weiteres außerst nutzliches Ergebnis:
V/λ =gx
gz + gy+
gygz − gx
(3.43)
∆/λ =gx
gz + gy+
gzgy − gx
− V/(2λ). (3.44)
Dabei werden die Ligandenfeldparameter ∆ und V (in Einheiten der Spin-Bahn-
Kopplungskonstante λ) in Abhangigkeit von den g-Tensorhauptwerten erhalten. Fur ein freies
Fe3+-Ion liegt λ bei etwa 420 cm−1 [109]. In einem Komplex verkleinert sich die Spin-Bahn-
Kopplung aufgrund kovalenter Wechselwirkungen, die zu einer zunehmenden Delokalisierung
des Elektrons fuhren.
Peisach und Blumberg unterzogen die EPR-Daten von uber 500 verschiedenen Hamprotei-
nen und Modellkomplexen einer Ligandenfeldanalyse [109, 118, 119] und stellten fest, daß sich
36 3. Theoretische Grundlagen
die low-spin Haminkomplexe anhand der Ligandenfeldparameter ∆/λ und V/λ (bzw. V/∆)
in Gruppen ordnen lassen, die mit der axialen Ligandierung des Hamins korrelieren. Anhand
der g-Tensorhauptwerte von naturlichen Hamproteinen konnten in vielen Fallen die axialen
Liganden des Hamins identifiziert werden [120–122]. In Abschnitt 6.2, der sich mit der EPR-
spektroskopischen Charakterisisierung de novo synthetisierter Hamproteine beschaftigt, wird im
Detail diskutiert, welche Ruckschlusse sich anhand der Ligandenfeldanalyse uber die geometri-
sche Anordnung der axialen Liganden ziehen lassen.
3.4.2 High-spin Haminkomplexe
Die folgende Diskussion zur Interpretation der EPR-Spektren von high-spin Haminkomplexen
geht von einem Ligandenfeld der D4h Symmetrie aus. Dies entspricht einer Symmetrieerniedri-
gung der idealisierten oktaedrischen Geometrie entlang der Haminnormalen. Damit wird beruck-
sichtigt, daß sich die axialen Liganden in ihren elektronischen Eigenschaften von dem Porphy-
rinring unterscheiden konnen. Fur eine weiterfuhrende Diskussion der EPR-Spektroskopie von
high-spin Haminkomplexen unter Berucksichtigung einer rhombischen Verzerrung des Liganden-
feldes wird auf [4] verwiesen.
Der Grundzustand eines high-spin Fe3+-Haminkomplexes ist 6A1g mit einer Gesamtspin-
quantenzahl S = 5/2 und einem Gesamtbahndrehimpuls von L = 0. Damit findet innerhalb
des Grundzustandes keine Spin-Bahn-Wechselwirkung statt und der Grundzustand bleibt ohne
ein außeres Magnetfeld 6-fach entartet. Der energetisch hoherliegende 4T1 Zustand kann jedoch
uber die Spin-Bahn-Kopplung mit dem 6A1g Zustand mischen. Bei einem oktaedrischen Ligan-
denfeld wurde dies zu einer energetischen Erniedrigung des gesamten 6A1g Zustandes fuhren [4].
Berucksichtigt man jedoch eine zusatzliche tetragonale Verzerrung (D4h), die den4T1g Zustand
in 4Eg und4A2g zerlegt, erhalt man nach Berucksichtigung der Spin-Bahn-Kopplung eine Auf-
spaltung des elektronischen Grundzustandes 6A1g. Da die Spin-Bahn-Kopplung nur als Storung
betrachtet wird, werden die Energie-Niveaus in Abbildung 3.10 nach wie vor nach der magneti-
schen SpinquantenzahlMs klassifiziert. Das Aufspaltungsmuster, das sich fur den elektronischen
Grundzustand des high-spin Hamkomplexes ergibt, kann mit dem Nullfeldparameter
D =λ2
5
(1
∆1− 1
∆2
)(3.45)
3.4 Elektronische Struktur von Haminkomplexen 37
und einem effektiven Spin S = 5/2 in folgendem Spin-Hamilton-Operator wiedergegeben werden:
HZFS = D(S2z −
1
3S(S + 1)). (3.46)
Fur das Erscheinungsbild des EPR-Spektrums ist das Großenverhaltnis zwischen der Null-
feldaufspaltung und der Elektron-Zeeman-Wechselwirkung von entscheidender Bedeutung. Ab-
bildung 3.11 zeigt hierzu zwei Falle. Ublicherweise findet man bei kleiner Nullfeldaufspaltung im
EPR-Spektrum funf Linien, die der Auswahlregel ∆Ms = ±1 entsprechen. Bei high-spin Hamin-komplexen ist die Nullfeldaufspaltung jedoch sehr oft extrem hoch. So liegt D typischerweise
bei etwa 10 cm−1 [109] Damit wird die Mikrowellenfrequenz des EPR-Experimentes zu einem
limitierenden Faktor. Im X-Band liegt die Mikrowellenfrequenz bei 3 cm−1. Damit konnen nur
Ubergange zwischen den Niveaus Ms = ± 1/2 beobachtet werden. In diesem Fall liegt formal
4D
2D+/- 1/2
+/- 3/2
+/- 5/2A
T
6
4
A4
∆ ∆1 2
1g
1g
2g
4Eg
M sλO D LS4hh
+/- 3/2+/- 1/2
+/- 3/2+/- 1/2
Abbildung 3.10: Schema zur Aufspaltung der Energieniveaus eines high-spin Fe3+-Komplexes
durch eine tetragonale Verzerrung und Spin-Bahn-Kopplung. Die Erniedrigung der Symmetrie von
Oh nachD4h fuhrt zu einer energetischen Aufspaltung des angeregten Zustandes4T1g in die Zustande
4Eg und4A2g. Durch die Spin-Bahn-Kopplung, die diese Zustande zum Grundzustand hinzumischt,
kommt es zur Nullfeldaufspaltung des elektronischen Grundzustandes.
38 3. Theoretische Grundlagen
0Magnetfeld
Energie
4D2D
A
-1/2
Ms
+ 5/2
+ 3/2
+1/2
- 5/2
-3/2
0
Energie
Magnetfeld
4D
2D
B + 5/2
Ms
- 5/2
+ 3/2
-3/2+1/2-1/2
Abbildung 3.11: Nullfeld- und Zeemanaufspaltung fur zwei unterschiedliche S=5/2 Systeme. A Die
EPR-Ubergange mit der Auswahlregel ∆MS = ±1 werden fur alle Niveaus der Ms Mannigfaltigkeit
beobachtet. B Die Nullfeldaufspaltung ist deutlich großer als die Mikrowellenfrequenz des EPR-
Experimentes (D > hν = gβeB0) , wodurch nur der Ubergang des Ms = ± 1/2 Niveaus im EPR-
Spektrum beobachtet wird.
ein Zwei-Niveau-System vor. Fur EPR-spektroskopische Untersuchungen von high-spin Hamin-
komplexen bei hoheren Mikrowellenfrequenzen sei auf Ref. [123] verwiesen.
Fur die Berechnung der Elektron-Zeeman-Wechselwirkung von high-spin Haminkomplexen
im X-Band wird nur der Ms = ±1/2 Unterraum des S = 5/2 Zustandes betrachtet. Mit den
Vektoroperatoren Sx, Sy und Sz erhalt man die Matrizen der Elektron-Zeeman-Wechselwirkung
(H = geβeB0S mit ge � 2) in die entsprechende Feldrichtung:
0 3βeBx
3βeBx 0
,
0 −i3βeBy
i3βeBy 0
und
1βeBz 0
0 −1βeBz
. (3.47)
Die energetische Aufspaltung der Elektron-Zeeman-Wechselwirkung ist damit in der x- und
y-Richtung dreimal großer als in der z-Richtung. Dieses Ergebnis laßt sich im Formalismus des
Spin-Hamilton-Operators mit einem effektiven Spin S = 1/2 (obwohl fur die Spinquantenzahl
3.4 Elektronische Struktur von Haminkomplexen 39
Abbildung 3.12: X-Band cw-EPR-Spektrum von Metmyoglobin in wassriger Losung (100 mM
Natrium-Phosphatpuffer pH 7,5; Proteinkonzentration 1mM).
des elektronischen Grundzustandes S=5/2 gilt) und einem axialen g-Tensor beschreiben:
H = g||βeBz Sz + g⊥βe(BxSx + BySy
), (3.48)
wobei g|| = 2,0 und g⊥ = 6,0. Dies entspricht auch den experimentellen Beobachtungen. Wenn
die Feldrichtung B0 parallel zur Hamnormalen verlauft, zeigen die EPR-Spektren von high-spin
Haminkomplexen einen g-Wert von g|| = 2,0. Wenn B0 dagegen senkrecht zur Hamnormalen
orientiert ist, dann ist g⊥ = 6,0 [109, 112]. Abbildung 3.12 zeigt hierzu ein typisches EPR-
Spektrum eines high-spin Haminkomplexes am Beispiel des Hamproteins Metmyoglobin.
40
Kapitel 4
Materialien und Methoden
In der hier vorliegenden Arbeit wurden de novo synthetisierte Proteine hergestellt und deren
strukturellen und elektronischen Eigenschaften mit verschiedenen Methoden der optischen und
magnetischen Resonanzspektroskopie charakterisiert. In diesem Kapitel wird die Durchfuhrung
dieser Experimente beschrieben. Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Polypeptidmodule
mMOP1 und mMOP2 synthetisiert, deren Aufbau und funktionellen Eigenschaften detailliert
in Kapitel 5 vorgestellt werden. Außerdem wurden verschiedene Modellkomplexe prapariert, die
als Vergleichssysteme die Charakterisierung der de novo synthetisierten Proteine unterstutzen.
Die Cytochrom b Modelle, die in Kapitel 6 untersucht werden, wurden von Harald Rau und
Justus Adam aus der Arbeitgruppe Haehnel, Albert-Ludwigs-Unitversitat Freiburg, dargestellt.
Zunachst wird in diesem Kapitel die Synthese der Polypeptidmodule mMOP1 und mMOP2
und die Praparation der Modellkomplexe beschrieben, gefolgt von den verschiedenen hier ein-
gesetzten Techniken der optischen und magnetischen Resonanz-Spektroskopie. Zur Analyse der
magnetischen Resonanzspektren wurden im Rahmen dieser Arbeit zwei Simulationsprogramme
erstellt, die im letzten Abschnitt vorgestellt werden.
4.1 Synthese der Polypeptidmodule
Dieser Abschnitt konzentriert sich auf die experimentelle Durchfuhrung der Synthese der Poly-
peptidmodule mMOP1 und mMOP2. Das zugrundeliegende Designkonzept wird nur kurz skiz-
ziert. Eine ausfuhrliche Darstellung zum Design und dem Aufbau der Vier-Helix-Bundel ist in
Kapitel 5 gegeben (siehe z. B. Abbildung 5.1).
41
42 4. Materialien und Methoden
Die de novo synthetisierten Proteine mMOP1 und mMOP2 setzen sich aus einem Tem-
plat T und je zwei verschiedenen Helices Hb1 und Ha1 bzw. Hb1 und Ha2 zusammen. Dabei
entspricht mMOP1 dem Templat-assoziierten Vier-Helix-Bundel T(Hb1)2(Ha1)2 und mMOP2
T(Hb1)2(Ha2)2. Die Aminosauresequenz der einzelnen Bausteine lautet wie folgt:
T: cyclo[C(Acm)-A-C(Trt)-P-G-C(Acm)-A-C(Trt)-P-G∼]Hb1: (Mp)G-N-A-L-E-L-H-E-K-A-L-K-Q-L-E-E-L-L-K-K-L-NH2
Ha1: (Ac)N-L-E-E-L-L-K-K-L-Q-E-A-L-E-K-A-Q-K-W-L-K(Mp)-NH2
Ha2: (Ac)N-W-E-E-L-L-K-K-L-Q-E-A-L-E-K-A-Q-K-R-L-K(Mp)-NH2
Das Templat (T) wurde von Harald Rau synthetisiert und fur diese Arbeit zur Verfugung
gestellt [13,81]. Es enthalt vier Cysteingruppen mit den Schutzgruppen Acetamidomethyl (Acm)
und Trityl (Trt), welche vor der Kopplung der helicalen Peptide auf das Templat selektiv entfernt
werden konnen. Die linearen, helicalen Peptide Hb1, Ha1 und Ha2 wurden uber eine automa-
tisierte Festphasensynthese hergestellt, wobei der C-Terminus mit einer Amidgruppe (–NH2)
versehen wurde. Uber manuelle chemische Reaktionsschritte wurden die N-Terminii der abschir-
menden Helices Ha1 und Ha2 acetyliert (Ac) und Maleinimidopropionsauregruppen (Mp) an den
N-Terminus von Hb1 und die NεH2 Seitenketten des Lysins am C-Terminus von Ha1 und Ha2
angebracht. Die Fixierung der helicalen Peptide auf das Templat erfolgte uber die Kopplung von
Mp mit den SH-Gruppen der Cysteine auf dem Templat. Nach Abspaltung der Schutzgruppen
Trt wurden dazu zwei Hb1-Helices auf das Templat gekoppelt. Anschließend wurden die Acm-
Schutzgruppen entfernt und die Helices Ha1 bzw. Ha2 antiparallel zu Hb1 auf dem Templat
fixiert.
In den folgenden Abschnitten werden die einzelnen Arbeitsschritte, die aus der automati-
schen Festphasensynthese der lineare Peptide, ihrer manuellen chemischen Modifikation und der
Zusammensetzung zu einem Vier-Helix-Bundel auf dem Templat bestehen, vorgestellt.
4.1.1 Automatische Festphasensynthese der Peptide
Die Synthese der linearen, helicalen Peptide Hb1, Ha1 und Ha2 erfolgte an einem Synthese-
automaten (Milligan Modell 9050, Perseptive Biosystems) im kontinuierlichen Fluß-Verfahren.
4.1 Synthese der Polypeptidmodule 43
Es wurden Aminosaurederivate, deren Nα-Gruppe durch eine 9-Fluorenyl-methoxy-carbonyl
(Fmoc) Gruppe geschutzt ist [124], eingesetzt (Nova Biochem, Bad Soden). Aminosauren mit re-
aktiven Seitengruppen tragen zusatzliche Schutzgruppen, wie z. B. tert-Butyloxycarbonyl (tBoc),
tert-Butyl (tBu) oder Trityl (Trt), die im letzten Reaktionsschritt zusammen mit der Abspaltung
des Peptides von der festen Phase entfernt werden. Als feste Phase dient ein Polyethylenglycol-
Polystyrol Harz mit Polyamidlinkern (PAL-PEG/PS, Perseptive Biosystems, Wiesbaden). Da-
mit tragt der C-Terminus aller hier synthetisierten Peptide eine Amidgruppe CO-NH2 anstelle
der Carbonsaure CO-OH. Das Harz (1,0 – 1,1 g, Beladungsdichte 0,16 mmol/g) wurde in N,N-
Dimethylformamid (DMF) vorgequollen und in eine Glassaule gefullt, uber welche Reaktanden-
und Waschlosungen gepumpt wurden (typ. Flußrate 5 ml/min). Der Synthesezyklus besteht aus
der Abspaltung der Nα-Fmoc-Schutzgruppen mit einer 1:4 (v:v) Piperdin/DMF Losung und
der Ankopplung der nachsten Aminosaure. Zur Ankopplung wurden die Aminosauren in vier-
fachem Uberschuß (entsprechend der Beladungsdichte des Harzes: 0,64 mmol) eingesetzt, mit
O-(Benzotriazole-1-yl)-1,1,3,3-tetramethyluronium-tetrafluoroborat (TBTU 205 mg, 0,64 mmol,
Nova Biochem) aktiviert und fur 30 min in DMF uber die Saule rezyklisiert. Der letzte Synthe-
sezyklus schließt mit der Abspaltung der Fmoc-Gruppe des N-Terminus. Wahrend der gesamten
Synthese wurde die Abspaltung der Fmoc-Schutzgruppen uber ihre Absorption bei 301 nm mit
einem festinstallierten Detektor verfolgt. Nach der Synthese wurde das Harz aus der Saule ge-
nommen, in eine Fritte uberfuhrt und mit DMF gewaschen. Die Peptide blieben zunachst am
Harz fixiert und wurden durch weitere chemische Reaktionen manuell modifiziert.
4.1.2 Modifizierung der Peptide
Zur Acetylierung der Nα-Aminogruppe am N-Terminus der Abschirmhelices Ha1 und Ha2 wurde
das Harz mit dem Peptid zu 20 ml einer Losung aus 1:20 (v:v) Essigsaureanhydrid:DMF gege-
ben und fur 40 min bei Raumtemperatur geruhrt. Anschließend wurde das Harz in eine Fritte
uberfuhrt und mit DMF und Dichlormethan gewaschen.
Bevor die 3-Maleinimidopropionsaure (Mp) an die NεH2-Seitengruppe des C-terminalen Lys-
ins der Abschirmhelices Ha1 und Ha2 gekoppelt werden konnen, muß die Schutzgruppe dieser re-
aktiven Seitengruppe abgespalten werden. Bei der Peptidsynthese wurde fur das C-terminale Ly-
sin ein Derivat mit einer Allyloxycarbonyl (Aloc)-Schutzgruppe eingesetzt, da diese in einem vor-
gezogenen Reaktionsschritt selektiv vor den anderen Schutzgruppen entfernt werden kann [125].
44 4. Materialien und Methoden
Zur Abspaltung der Aloc-Schutzgruppe wurden 100 ml 37:2:1 (v:v:v) Chloroform:Essigsaure:N-
Methylmorpholin Losung angesetzt und in kleinen Portionen uber das Peptidyl-Harz auf der
Fritte gegeben. Nach diesem Waschschritt wurde das Harz mit 20 ml der frisch angesetzten
Reaktionslosung in einen Rundkolben uberfuhrt und mit Argon entgast. Es wurden 560 mg
(0,5 mmol) tetrakis-(Triphenylphosphin)-Palladium(0) (Pd(PΦ3)4) hinzugefugt. Bei etwa 1,0 g
Harz mit einer Beladungsdichte von 0,16 mmol/g entspricht dies einem 3-fachen Uberschuß
an Pd(PΦ3)4 pro Aloc-Schutzgruppe. Die Losung wurde mit Ultraschall behandelt und fur 2
Stunden geschuttelt (hellrote Verfarbung). Zum Entfernen des Katalysators Pd(PΦ3)4 wurde
die Reaktionslosung auf eine Fritte uberfuhrt und abwechselnd mit 0,5 % Diisopropylethylamin
Losung in DMF und 0,5 % Natrium-Diethyldithiocarbamat Losung in DMF, sowie anschließend
reinem DMF gewaschen bis die Waschlosung farblos war.
Die Mp-Gruppe kann an die nun deblockierte Seitengruppe des Lysins am C-Terminus von
Ha1 und Ha2, sowie an den freien N-Terminus der Helix Hb1 gekoppelt werden. Dabei wurde das
Verfahren nach Atherton et al. [126] angewandt. 180 mg (1,1 mmol) Maleinimidopropionsaure
(entsprechend einem 6-fachen Uberschuß an freien Aminogruppen der helicalen Peptide) wurden
in 1,5 ml DMF in einem Rundkolben angelost. 200 µl (1,3 mmol) Diisopropylcarbodiimid wurden
hinzugefugt und die Losung fur 10 min inkubiert. Danach wurde das Peptidyl-Harz zugegeben,
die Losung mit DMF bedeckt und 1 h bei Raumtemperatur geruhrt. Die Reaktionslosung wurde
auf eine Fritte uberfuhrt und mit DMF und Dichlormethan gewaschen und in einem Exsikkator
mehrere Stunden getrocknet.
4.1.3 Abspaltung der Peptide von der festen Phase
Bei der Abspaltung der Peptide von dem Harz werden gleichzeitig die Schutzgruppen reakti-
ver Seitenketten entfernt. Die Peptidyl-Harze wurden dazu mit 20 ml einer Stammlosung aus
92ml Trifluoressigsaure (TFA), 4 g 1,4-Dithio-D,L-threitol (DTT) und 4 ml Anisol versetzt.
Die Suspension wurde fur 2 h bei Raumtemperatur geruhrt und verfarbte sich dabei rotlich.
In einer Waschflasche wurden 120 ml Diethylether vorgelegt und in einem Eisbad kaltgestellt.
Die Reaktionslosung wurde uber eine Fritte gegeben und im Diethylether als weißes Pulver
ausgefallt und fur 1 h im Eisbad stehen gelassen. Der weisse Niederschlag wurde bei 5000 g
und 4◦C fur 5 min abzentrifugiert (Sorvall RC 5C, GSA Rotor, verschließbare GSA Stahlzen-
trifugenbecher). Der Uberstand wurde sofort abgegossen. Das weiße Pellet wurde mit 20 ml
4.1 Synthese der Polypeptidmodule 45
vorgekuhltem Diethylether resuspendiert und erneut zentrifugiert. Dieser Waschvorgang wurde
insgesamt viermal wiederholt. Die Rohpeptide wurden im Vakuum getrocknet, durch prapara-
tive HPLC (Hochauflosende Flussigkeitschromatogaphie, siehe Abschnitt 4.3.1) gereinigt und
anschließend lyophillisiert. Insgesamt wurden fur die helicalen, linearen Peptide Ausbeuten von
80 % relativ zum Erwartungswert, der aus der Beladungsdichte des Harzes berechnet wurde,
erreicht.
Kleine Mengen an Peptidyl-Harz wurden fur Voruntersuchungen wahrend der einzelnen
Schritte vom Harz abgespalten. Mittels Massenspektrometrie (siehe Abschnitt 4.3.2) wurde kon-
trolliert, ob die einzelnen Reaktionsschritte vollstandig abgelaufen sind. Dabei wurde festgestellt,
daß die Abspaltung der Schutzgruppe tBoc, die fur die Aminosaure Trp in Helix Ha2 eingesetzt
wurde, in zwei Schritten erfolgt. Durch die Behandlung des Peptidyl-Harzes mit der Losung
aus TFA:DTT:Anisol wird zunachst nur der tert-Butylrest freigesetzt. Erst nach nach langerem
Stehenlassen in saurer waßriger Losung entweicht auch die Oxycarbonylgruppe als CO2 aus der
Reaktionslosung. Das Rohpeptid von Ha2 wurde deshalb vor der Reinigung durch praparative
HPLC noch fur 2 h in einer Losung aus 0,1:16:84 (v:v:v) TFA:Acetonitril:H2O stehen gelassen.
4.1.4 Zusammensetzen der einzelnen Peptid-Bausteine zum Vier-Helix-
Bundel
Das Templat wurde von Harald Rau synthetisiert und fur diese Arbeit zur Verfugung ge-
stellt [13,81]. Die Trt-Schutzgruppen wurden mit einem Gemisch aus TFA und DTT (1 g DTT
auf 19 ml TFA) entfernt [81]. Die beiden entschutzten SH-Gruppen des Templates wurden mit
den Mp-Gruppen der Helix Hb1 gekoppelt. Dazu wurden in einem Eppendorfreaktionsgefaß zu
14,5 mg Templat (14 µmol) 97 mg Helix Hb1 (31 µmol) hinzugefugt (leichter Uberschuß an Hb1
1:2,2). Bei der Berechung der Massen ist zu beachten, daß die Peptide nach der HPLC-Reinigung
mit TFA beladen sind, die als Gegenionen zu positiv geladenen Aminosaureseitengruppen auftre-
ten. Als Losungsmittel wurde 1:2 (v:v) Acetonitril:Phosphatpuffer (50 mM, pH 7,0) verwendet
(1,5 ml). Die Reaktionslosung wurde mit Argon uberdeckt und fur 30 min geschuttelt. Eine
kleine Probenmenge wurde entnommen, um mit Hilfe der Massenspektrometrie zu kontrollie-
ren, ob die Reaktion vollstandig abgelaufen ist und als Produkt T(Acm)2(Hb1)2 vorliegt. Die
Reaktionslosung wurde wahrend dessen in flussigem Stickstoff schockgefroren. Da das Massen-
spektrum nur geringfugige Reste an uberschußiger Helix Hb1 und kein freies Templat mehr
46 4. Materialien und Methoden
anzeigte, konnte die Synthese der modularen Proteine nach dem Auftauen der Reaktionslosung
direkt fortgefuhrt werden.
7 ml einer 10 % waßrigen Essigsaurelosung, die mit Ammoniak auf pH 4,0 eingestellt wur-
de, wurden in einem Spitzkolben mit Argon entgast. Die Reaktionslosung der Acm-Abspaltung
und 115 mg (360 µM) Quecksilber(II)acetat wurden zugegeben, der pH-Wert kontrolliert und
1h geruhrt. Anschließend wurde unter Argon 50 µl Mercaptoethanol und nach 10 min ruhren
1 g (6,5 mmol) DTT zugegeben, um das Quecksilber auszufallen. Es bildete sich eine hellgraue
Suspension, die noch fur zwei weitere Stunden geruhrt wurde. Die Reaktionslosung wurde mit
insgesamt 2 ml konzentrierter Essigsaure in mehrere Eppendorfreaktionsgefaße uberfuhrt. Mit
einer Eppendorftischzentrifuge wurde der Niederschlag abzentrifugiert, je drei mal mit 10 %
Essigsaure gewaschen und entsorgt. Alle Uberstande wurden vereinigt und direkt mittels prapa-
rativer HPLC gereinigt.
An das so isolierte Zwischenprodukt T(Hb1)2 wurden zur Synthese von mMOP1 zwei Ha1-
Helices und zur Synthese von mMOP2 entsprechend zwei Ha2-Helices angekoppelt. Dieser Re-
aktionsschritt wurde analog zur Fixierung von Hb1 auf das Templat T(Acm)2 bei pH 7,0 un-
ter Argon durchgefuhrt. Dazu wurde das Zwischenprodukt T(Hb1)2 mit den entsprechenden
Abschirmhelices in 1:2 (v:v) Acetonitril/Phosphatpuffer gemischt. Die Abschirmhelices werden
dabei in leichtem Uberschuß (1,1:1 Ha1 oder Ha2 pro Bindungsstelle) zugesetzt. Nach 30 min
wurde die Reaktion durch Zusatz von konzentrierter Essigsaure (200 µl auf 1,5 ml Reakti-
onslosung) gestoppt. Bei der Synthese von mMOP1 konnte die Verbindung T(Hb1)2(Ha1)2
direkt durch praparative HPLC gereinigt werden. Bei mMOP2 enthielt die Hauptfraktion
des HPLC-Reinigungsschrittes, wie anhand eines Massenspektrums festgestellt wurde, neben
T(Hb1)2(Ha2)2 noch uberschußige Helix Ha2. Die Mp-Gruppe von Ha2 wurde daraufhin durch
Zusatz von 2-Methyl-2-propanthiol desaktiviert, nachdem die Losung der Hauptfraktion mit
NaHCO3 auf pH 7,0 eingestellt worden war. Die Einfuhrung dieser hydrophoben Thiolgruppe
ermoglichte die Abtrennung und Isolierung des Endproduktes T(Hb1)2(Ha2)2 in einem weiteren
praparativen HPLC-Reinigungsschritt. Die Polypeptidmodule mMOP1 und mMOP2 wurden
lyophilisiert und bei −70◦ C aufbewahrt.
4.1 Synthese der Polypeptidmodule 47
4.1.5 Einbau von Metalloporphyrinkofaktoren
In die Polypeptidmodule mMOP1 und mMOP2 wurden die Metalloporphyrine
Fe(III)protoporphyrin IX (Fe(III)PPIX), Zn(II)protoporphyrin IX (Zn(II)PPIX) und Co(II)-
protoporphyrin IX (Co(II)PPIX) eingebaut. Das Metalloporphyrin Fe(III)PPIX wird im
Folgenden auch als Hamin entsprechend seinem Trivialnamen bezeichnet. Fe(III)PPIX und
Zn(II)PPIX wurde von Aldrich und Co(II)PPIX von Bianca Rosengarten (Arbeitsgruppe
Haehnel, Freiburg) erhalten. Die Polypeptidmodule wurden in Konzentrationen von 50 µM in
50 mM TRIS/HCl-Puffer, pH 8,0 gelost. Um eventuell vorhandene hydrophobe Kontaktstellen
aufzutrennen, wurde dabei zunachst etwas Acetonitril (max. 2 % des Endvolumens) auf das
flockige Peptidlyophilisat gegeben. Die Metalloporphyrine wurden kurz vor ihrem Einbau in
Dimethylsulfoxid (DMSO) gelost. Von diesen Stammlosungen (1 – 10 mM) wurde eine Portion,
die einem 1,1 – 1,5-fachen Uberschuß an Porphyrin pro Bindungsstelle entspricht, langsam
in die Peptidlosung getropft. Nach 30 – 60 min Ruhren wurde die Reaktionslosung uber
eine Saule mit Sephadex G-25 medium Material (Pharmacia Biotech) gegeben, die zuvor mit
Phosphatpuffer (50 mM, pH 7,0) equilibriert wurde. Fur kleine Probenmengen (5 ml) wurde
eine PD-10 Saule (Pharmacia) verwendet, um uberschussiges Porphyrin zu entfernen. Es folgte
eine Entsalzung der Probe durch eine zweite Gelfiltration nach Equilibrieren der Saulen mit
destilliertem Wasser. Anschließend wurden die Proben lyophilisiert.
4.1.6 Cytochrom b Modelle
Im Rahmen dieser Arbeit wurden drei weitere de novo synthetisierte Hamproteine (Cyto-
chrom b Modelle) untersucht, die von Mitarbeitern der Arbeitsgruppe Haehnel, Albert-Ludwigs-
Universitat Freiburg, erhalten wurden. Kapitel 6 setzt sich mit der Charakterisierung dieser Sy-
steme auseinander und beschreibt den Aufbau der Vier-Helix-Bundel anhand einer schematische
Darstellung in Abbildung 6.1. Zu den Cytochrom b Modellen gehort ein modulares Protein, ge-
nannt MOP, welches nach der modularen Strategie Templat-assoziierter synthetischer Proteine
von Harald Rau [13,82] hergestellt wurde. Die Fixierung der Helices des MOP auf das Templat
erfolgte im Unterschied zu den Polypeptidmodulen mMOP1 und mMOP2 uber Bromoacetyl-
gruppen anstelle der Mp-Gruppen. Ein weiteres Cytochrom b Modell ist das ‘maquette’. Die
Synthese wurde ebenfalls von Harald Rau durchgefuhrt [127] und beruht auf einem Designkon-
48 4. Materialien und Methoden
zept von Robertson et al. [11]. Das dritte Cytochrom b Modell [α(H1)–α(H2)]2 wurde von J.
Adam mit einem gentechnischen Verfahren hergestellt [128].
4.2 Praparation von Modellverbindungen
Um die Charakterisierung der de novo Proteine zu unterstutzen, wurden verschiedene Proben mit
Modellkomplexen hergestellt. Losungsmittel vom Qualitatsgrad p.a. stammen von Roth (Karls-
ruhe) oder Merck (Darmstadt). Alle anderen Chemikalien wurden von Sigma/Aldrich/Fluka
bezogen.
Haminkomplexe mit unterschiedlichen Liganden wurden zur Abschatzung des Mengenanteils
verschiedener Fe3+ Spin-Zustande in den EPR-Spektren der de novo Hamproteine (siehe Kapitel
5.3.4) hergestellt. Zunachst wurde eine Stammlosung aus 9 mg Fe(III)PPIX (13,8 µmol) in 1,2
ml DMSO angesetzt. Zu jeweils 200 µl der Haminstammlosung wurden 200 µl reines DMSO und
200 µl an 2 M Losungen der Imidazolderivate Imidazol, 1-Methylimidazol, 2-Methylimidazol und
1,2 Dimethylimidazol in DMSO gegeben. Nach Durchmischung der Proben und Entfernung des
Sauerstoffs durch Einleiten von Argon wurden jeweils 200 µl entnommen, in EPR Probenrohr-
chen uberfuhrt und sofort mit flussigem Stickstoff eingefroren. Die Konzentration an Hamin
betragt in allen Proben 5,75 mM.
Fur ENDOR-spektroskopische Untersuchungen wurden Fe(III)porphyrinsysteme (Proto-
porphyrin IX (PPIX), Octaethylporphyrin (OEP) und Tetraphenylporphyrin (TPP)) mit Imi-
dazol ligandiert, das entweder vollstandig protoniert, deuteriert oder mit 15N2 markiert vorlag.
Das vollstandig mit 15N markierte Imidazol (99 %) wurde von Campro Scientific (Emmerich)
erworben. Die Isotopenmarkierung dient der Identifikation von ENDOR-Signalen (siehe Kapi-
tel 6.3). Typischerweise wurden 25 µmol an Fe(III)porphyrin mit einem 8-fachen Uberschuß an
Imidazol (400 µmol) gemischt und in 500 µl Chloroform (mit Argon entgast) in einem Eppen-
dorfreaktionsgefaß gelost. Unter Argon wurden jeweils etwa 200 µl entnommen und in ein EPR
Rohrchen uberfuhrt. Die Proben wurden direkt in flussigem Stickstoff eingefroren.
Das naturliche Hamprotein Metmyoglobin (Mb) wurde nach Addition eines Imidazolliganden
als weiteres Vergleichsystem fur die de novo Hamproteine herangezogen (siehe Kapitel 6.2 und
6.3). Dazu wurden 17,7 mg (1 mmol) Mb (sperm whale, Sigma) und 17 mg (250 mmol) Imidazol
in 250 µl 2:3 Glycerol:Phosphatpuffer (pH 7,5, 100mM) gelost. Mb, in welchem die Hamgruppe
4.3 Methoden zur Charakterisierung 49
durch Zn(II)PPIX ausgetauscht wurde (Arbeitsgruppe Willner, Jerusalem), wurde direkt in 3:2
Glycerol:Phosphatpuffer (pH 7,5, 50 mM) in einer Konzentration von 2 mM unter Argon gelost.
4.3 Methoden zur Charakterisierung
4.3.1 Hochauflosende Flussigkeitschromatogaphie (HPLC)
Die Reinigung und Analyse der Rohpeptide, die uber die automatisierte Festphasensynthese her-
gestellt wurden, erfolgte als reversed phase HPLC an C-18 Kieselgel Materialien. Zur optimalen
Auftrennung wurde ein Gradientenverfahren der Losungen 0,1 % TFA in destilliertem Wasser
(A) und 0,1:20:80 (v:v:v) TFA:H2O:Acetonitril (B) eingesetzt.
Trennungen im analytischen Maßstab wurden an einer 600E Waters Anlage uber Saulen mit
dem Material Poros-R1 oder Poros-R2 (Perseptive Biosystems) ausgefuhrt. Die Eluation der
Peptide wurde uber die Absorption bei 215 nm mit einem Photodiodenarray Detektor (Waters
996) verfolgt. Damit kann festgestellt werden, ob bei der automatisierten Festphasenpeptidsyn-
these Nebenprodukte entstanden sind.
Die praparative Reinigung der Rohpeptide in Portionen bis zu 200 mg erfolgte an einem
Waters Model 4000-System, das mit einem Waters 486 Absorptionsdetektor ausgestattet war,
statt. Es wurde eine Delta-Pak-C18-PrepPAK-15 µm Saule (Waters) mit einer Flußrate von 50
ml/min eingesetzt.
4.3.2 Massenspektrometrie
Zur Uberprufung der Synthese und als Kriterium fur die Reinheit der Polypeptide wurden ih-
re Massen bestimmt. Die Massenspektren wurden von Patrick Horth aus der Arbeitsgruppe
Haehnel, Freiburg, an einem TSQ-700-Tanden-Quadrupol-Massenspektrometer (Finnigan) mit
Electrospray Interface aufgenommen. Die Peptide wurden dazu direkt in Losung aus der Haupt-
fraktion der HPLC Reinigung entnommen oder als Lyophilisat mit 1:1 (v:v) Wasser:Methanol
mit einem Gehalt von 1 % Essigsaure aufgelost. Die Auswertung der Spektren wurde mit den
Programmen Biomass Calculation und Biomass Deconvolution (Finnigan) durchgefuhrt. Die
Kalibrierung des Massenspektrometers erfolgte durch Apomyoglobin (Pferd) mit einer mittleren
Masse von 16950,5 Da.
50 4. Materialien und Methoden
4.3.3 Analytische Gelfiltration
An einer 1050-Ti-HPLC-Anlage (Hewlett Packard) wurden Gelfiltrationen zur Detektion einer
moglichen Aggregation der Polypeptidmodule durchgefuhrt. Als Saule wurde eine Superdex-
75-Gelfiltrationssaule (Pharmacia) verwendet, die zuvor mit 50 mM Phosphatpuffer (pH 7,0,
100mM NaCl) equilibriert wurde. Die Peptide wurden mit einer Konzentration von etwa 20 µM
in 200 µl Portionen injiziert und mit einer Flußrate von 0,5 ml/min mit 50 mM Phosphatpuffer
(pH 7,0, 100 mM NaCl) eluiert. Die Eluation wurde uber die Absorption bei 215 nm oder 410
nm verfolgt.
4.3.4 Circulardichroismus (CD) und Tryptophan-Fluoreszenz
Die CD-Spektroskopie gibt einen Hinweis auf die Helicalitat der Polypeptidmodule. Die
Tryptophan-Fluoreszenz ist diagnostisch fur die Hydrophobizitat der Umgebung der aroma-
tischen Aminosaure. Mit diesen beiden Methoden wird in Kapitel 5 die erfolgreiche Zusammen-
lagerung der Polypeptidmodule uberpruft und die Stabilitat ihrer Faltung untersucht.
CD-Spektren wurden an einem Jasco J-600 Spektralpolarimeter der Arbeitsgruppe Saenger,
FU-Berlin, im UV-Bereich (185 – 260 nm) in einer CD-Quarzkuvette mit Schichtdicke 1 mm
aufgenommen. Die Konzentration der Peptidlosungen in 10 mM Phosphatpuffer (pH 7,0) betrug
etwa 10 µM.
Fluoreszenzspektren wurden mit einem Shimadzu Spektralphotometer am Fritz-Haber-
Institut, Berlin aufgenommen. Die Anregung der Proben in Quarzglaskuvetten mit Schichtdicke
5 mm erfolgte bei 280 nm. Die Fluoreszenzspektren wurden in einem Wellenlangenbereich von
290 nm bis 500 nm aufgenommen.
Die Stabilitat der Faltung der modularen Proteine mMOP1 und mMOP2 und ihrer
Haminkomplexe wurde anhand des Einflusses des chaotropen Agenz Guanidinium-Hydrochlorid
(Gdn·HCl) auf die CD-, Fluoreszenz- und UV/VIS-Absorptionsspektren (siehe Abschnitt 4.3.5)der jeweiligen Proben untersucht. Dazu wurden mehrere Konzentrationsreihen erstellt. Zu 50
µl einer etwa 100 µM Stammlosung an de novo Protein wurden insgesamt 0,5 – 1 ml an 50
mM Phosphatpuffer pH 7,0 und Gdn·HCl Stammlosung (6 – 8 molar) gegeben. Durch das Mi-schungsverhaltnis von Puffer und Gdn·HCl wurde die Konzentration an denaturierendem Agenzeingestellt. Die Proben wurden vor der Messung mindestens fur 30 Minuten bei Raumtempera-
4.3 Methoden zur Charakterisierung 51
tur inkubiert. Die Konzentration c der Gdn·HCl Stammlosungen (in 100 mM Phosphatpuffer,
pH 7,0) wurde anhand des Brechungsindex bestimmt [129]:
c = 57, 15(∆n) + 36, 68(∆n)2 − 91, 60(∆n)3, (4.1)
wobei ∆n fur den Unterschied des Brechungsindex der Gdn·HCl Losung zu destilliertem Wasser
bei gleicher Temperatur (hier 21◦C) steht.
4.3.5 UV/VIS-Absorptionsspektroskopie
Die UV/VIS-Absorptionsspektroskopie wurde eingesetzt, um den Einbau der Kofaktoren zu
verfolgen, das Redoxpotential der Hamgruppen zu bestimmen und Denaturierungsexperimente
durchzufuhren.
Optische Absorptionsspektren wurden an einem Cary 05 E Spektralphotometer (Varian) bei
Raumtemperatur gemessen. Vor der Messung einer Probe wurde eine Grundlinie des jeweils
verwendeten Puffers aufgenommen und gespeichert. Die Konzentration der Proben lag bei 1 –
10 µM.
Die Redoxtitrationen erfolgten in einer Kuvette mit einem aufgeschmolzenen Aufsatz zur
Einfuhrung der Elektroden, einer Ag/AgCl-Meßelektrode und einer Platin-Referenzelektrode. In
diese Kuvette wurden 4 ml Probenlosung gegeben. Die Konzentration an de novo synthetisierten
Hamproteinen in 50 mM Phosphatpuffer (pH 7,0) wurde dabei so eingestellt, daß die Absorption
bei 410 nm zwischen 1,0 und 2,0 lag (Schichtdicke der Kuvette 1 cm). Danach wurden je 10 µl an
Stammlosungen von Redoxmediatoren zugegeben, so daß in der Losung 50 µM 2,5-Dihydroxy-p-
benzochinon, 50 µM 2-Hydroxy-1,4-naphtochinon, 25 µM Anthrachinon-2,6-disulfonsaure und
12,5 µM Anthrachinon-2-sulfonsaure vorlagen. Das Meßgefaß wurde luftdicht abgeschlossen.
Uber ein Septum wurde mit einer Stahlkanule Argon in die Meßlosung geleitet. Die Losung
wurde fur eine Stunde entgast. Die Reduktion des Haminkofaktors erfolgte uber Zugabe einer
Natriumdithionitlosung in kleinen Portionen (1 – 10 µl) mit einer Hamilton-Spritze uber ein
Septum. Die Natriumdithionitlosung wurde jeweils frisch angesetzt aus 20 mg Natriumdithionit
und 5 ml 50 mM Phosphatpuffer (pH 7,0), der zuvor fur eine Stunde mit Argon entgast wurde.
Das Potential wurde mit einem pH-Meter (Knick) bestimmt. Es wurde bis zu 5 Minuten gewartet
bis sich das Potential stabilisierte. Danach wurde ein UV/VIS-Spektrum im Bereich von 700 –
52 4. Materialien und Methoden
360 nm aufgenommen. Die Redoxtitration erfolgte in Potentialschritten von 5 – 20 mV. Nach der
vollstandigen Reduktion mit Dithionit wurde die Probe durch Zugabe einer 100 mMK3[Fe(CN)6]
Losung schrittweise re-oxidiert. Wahrend der gesamten Titration wurde ein Argonstrom uber
die Meßlosung gefuhrt.
Zur Auswertung wird die Absorptionsanderung bei 561 nm herangezogen und an eine Nernst-
Gleichung angepaßt [130]:
E = Em − RT
nFln[Red]
[Ox]. (4.2)
Die Anzahl n der Elektronen, die bei der Redoxreaktion ubertragen werden, wird dabei auf 1
gesetzt. E ist das Potential der Losung, das wahrend der Titration gemessen wird und Em ist das
gesuchte Redoxpotential (Mittelpunktspotential). Die Großen R = 8,314 J K−1 mol−1 und F =
96 485 C mol−1 sind die Gaskonstante und die Faradaykonstante. Die Temperatur T entspricht
der Raumtemperatur (ca. 293 K ± 2 K). Das Verhaltnis von oxidiertem zu reduziertem Kofaktorwird uber die Absorption bei 561 nm bestimmt, wobei [Red]
[Ox] =x
1−x und x = A561−A561ox
A561red
−A561ox
. A561ox
entspricht der Absorption der vollstandig oxidierten Probe zu Beginn der Titration und A561red
der Absorption der vollstandig reduzierten Probe.
4.3.6 Blitzlichtspektroskopie
Mit Hilfe der Blitzlichtspektroskopie wurden Triplett – Singulett Absorptionsdifferenzspektren
verschiedener Systeme, die Zn(II)PPIX enthalten, aufgenommen. Mit einer Xenon-Blitzlampe
(Halbwertsbreite der Lichtblitze 15 µs, Wiederholrate 1 Hz) wurden die Proben angeregt und die
Anderung der Absorption bei einer bestimmten Wellenlange zeitlich verfolgt. Die Meßapparatur
besteht aus einer Wolfram-Halogenlampe (Osram 250 W), einem Gittermonochromator (Bausch
& Lomb, Bandbreite 3 nm) und einem Photomultiplier zur Detektion (EMI 9558 BQ). Zur
Abschirmung von Fluoreszenz- und Streulicht wurden Interferenz- und Kantenfilter (Schott),
teilweise auch Farbglaser (Schott), die jeweils auf die Wellenlange des Meßlichtes abgestimmt
wurden, vor den Detektor gesetzt. Vor der Xenon-Blitzlampe wurde im Meßbereich von 380 –
500 nm ein OG515 Kantenfilter (Schott) angebracht. Bei Wellenlangen von 500 – 700 nm wurde
das Anregungslicht durch ein Blauglas (CS96-4, Corning) gefiltert. Zur Aufnahme der Zeitspuren
wurde ein Transientenrekorder (Tektronix TDS 320) eingesetzt.
Die Temperierung der Proben auf 77 K erfolgte mit einem Stickstoff-Kryostaten (Oxford). Als
4.3 Methoden zur Charakterisierung 53
Losungsmittel wurde 2:1 (w:w) Glycerol:Phosphatpuffer (50mM, pH 7,0) eingesetzt. Die Kon-
zentration der Proben wurde so eingestellt, daß das Absorptionsmaximum bei 426 nm zwischen
A = 1,0 und 2,0 bei einer (Schichtdicke der Kuvette 1 cm) lag. In Schritten von 5 bis 10 nm wur-
de die Wellenlange des Meßlichtes variiert. Jeder Meßpunkt entspricht der Mittelung mehrerer
Transienten (10 – 100), aus denen durch die Anpassung des zeitlichen Verlaufs die Amplituden
der Absorptionsdifferenzspektren ermittelt wurden. Die Anpassung erfolgte mit zwei Exponen-
tialfunktionen, deren Zeitkonstanten uber den gesamten Wellenlangenbereich konstant gehalten
wurden. Zur Auftragung der Absorptionsdifferenzspektren wurde jeweils die Hauptkomponente
mit der langeren Zeitkonstante gewahlt (siehe Abschnitt 5.5.3).
Außerdem wurde mit Hilfe der Blitzlichtspektroskopie der Elektronentransfer von optisch
angeregtem Zn(II)PPIX, das entweder in mMOP1 oder zum Vergleich in Myoglobin eingebaut
war, zu 2-Anthrachinonsulfonsaure (AQS) untersucht. Dazu wurde die Kinetik der Absorpti-
onsanderung bei einer Wellenlange von 674 nm verfolgt.
Eine 75 µM AQS Stammlosung wurde in destilliertem Wasser angesetzt und die Konzentra-
tion anhand der Absorption bei 330 nm uberpruft [131]. In eine verschließbare Kuvette wurden
1,5 ml an etwa 5 µM Zn(II)PPIX-mMOP1 bzw. Zn(II)PPIX-Myoglobin Losung in 50 mM Phos-
phatpuffer pH 7,0 gegeben. Zur enzymatischen Entfernung des Sauerstoffs wurden jeweils 10
µl an 1M Glucose, 10 mg/ml Katalase (2750 units/mg, Rinder Leber, Sigma) und 100 mg/ml
Glucoseoxidase (18,5 units/mg, Aspergillus niger, Sigma) zugefugt. Die Kuvette wurde unter
einem Argon-Strom verschlossen. Uber ein Septum wurde die AQS-Stammlosung in Portionen
von 5 – 20 µl mit einer Hamiltonspritze in die Kuvette gegeben.
Anhand der Zeitspuren, die mit Hilfe des Transientenrekorders aufgezeichnet wurden, konnte
die Bildung von oxidiertem Zn(II)PPIX+·, das als Produkt durch den lichtinduzierten Elektro-
nentransfer entsteht, verfolgt werden. Der Anstieg der Absorption nach dem Anregungsblitz
wurde mit einer Exponentialfunktion angepaßt, womit die Reaktionsrate des Elektronentrans-
fers zwischen Zn(II)PPIX und AQS bestimmt werden konnte (siehe Abschnitt 5.5.3).
4.3.7 EPR-Spektroskopie
Die EPR-Spektroskopie wurde zur Charakterisierung der Einbausituation von paramagneti-
schen Kofaktoren (Hamin, Abschnitt 5.3.4, und 6.2) oder paramagnetischen Zustanden (Triplett-
Zustand von Zn(II)PPIX, Abschnitt 5.5.2) eingesetzt.
54 4. Materialien und Methoden
X-Band cw-EPR-Spektren wurden an einem ESP 300E Spektrometer (Bruker) aufgenom-
men. Die Mikrowellenfrequenz wurde mit einem Hewlett-Packard 5352 B Mikrowellenzahler
bestimmt. Die Magnetfeldstarken wurden mit einem NMR-Teslameter (ER 035, Bruker) ge-
messen. Wie anhand einer Diphenyl-picryl-hydrazyl (DPPH) Standardprobe (g = 2,0037 [85])
uberpruft wurde, lag die Genauigkeit in der Bestimmung der Feldwerte bei 0,1 mT. Die Tem-
perierung der Proben erfolgte mit einem Helium-Durchflußkryostaten (E9 Oxford Instruments),
der an ein Temperatur-Kontrollgerat (ITC4 Oxford Instruments) angeschlossen wurde. Bei den
Haminkomplexen erwiesen sich Temperaturen von 10 bis 20 K fur maximale Signalintensitaten
als gunstig. Die Mikrowellenleistung lag bei 1 – 5 mW. Es wurde eine Feldmodulation von 1
mT mit einer Modulationsfrequenz von 100 kHz eingesetzt. Bei den verwendeten Resonatoren
der Firma Bruker (TE102 Standardresonator ER 4102 ST, TE104 Doppelresonator (ER 4105
DR) und TE102 Dual-Mode-Resonator (ER 4116 DM)) lag die Mikrowellenfrequenz bei 9,4 –
9,7 GHz. Die Aufnahmezeit richtete sich nach der Probenkonzentration und lag zwischen 5 und
15 Minuten. Zur Herstellung der EPR-Proben der de novo synthetisierten Hamproteine wurde
das Lyophilisat in 300 – 500 µl Phosphatpuffer (50mM, pH 7,0) aufgenommen und kurz mit
Ultraschall behandelt. Die Konzentration der Proben lag bei etwa 1 mM. Etwa 200 µl wurden
entnommen, in ein EPR-Probenrohrchen abgefullt und in flussigem Stickstoff schockgefroren.
Die Herstellung der EPR-Proben der Modellkomplexe ist in Abschnitt 4.2 beschrieben.
Transiente EPR-Spektren des Triplett-Zustandes des Kofaktors Zn(II)PPIX wurden durch
direkte Anregung der Proben bei 532 nm im Resonator (dielektrischer Ring, ER 4118 X-MD-
5W1, Bruker) mit einem Nd:YAG Laser (Spectra Physics GCR 130) erhalten. Der Laser wurde
mit einer Wiederholrate von 10 Hz und einer Leistung von 5mJ pro Puls betrieben. Die Detek-
tion der transienten Signale erfolgte direkt (d. h. ohne Modulationstechniken) mit Hilfe eines
digitalen Oszilloskops (LeCroy 9450A). Die Aufzeichung der Spektren an einem Bruker ESP
380 E Spektrometer wurde durch ein Programmmodul gesteuert, welches in der Arbeitsgruppe
Lubitz erstellt wurde [132].
Zur EPR-spektroskopischen Charakterisierung des modularen Proteins Zn(II)PPIX-mMOP1
wurden 2,0 mg an Lyophilisat in 100 µl 3:2 Glycerol:Phosphatpuffer (50mM, pH 7,0) gelost. Die
Losung wurde unter Argon in ein EPR-Rohrchen uberfuhrt und direkt in flussigem Stickstoff ein-
gefroren. Die Probe wurde in einem Helium-Kryostaten (CF 935 Oxford Instruments) mit einem
Temperaturkontrollgerat (ITC4 Oxford Instruments) auf 80 K temperiert. Die Messung erfolgte
4.4 Programme zur Auswertung der EPR- und ENDOR-Spektren 55
bei einer Mikrowellenleistung von 200 µW und einer Mikrowellenfrequenz von 9,7 GHz innerhalb
von 15 Minuten. Bei der Aufnahme der Zn(II)PPIX-Myoglobin Probe, die als Vergleichssystem
zum de novo Protein vermessen wurde, wurden identische Meßparameter verwendet.
4.3.8 ENDOR-Spektroskopie
Die ENDOR-Spektroskopie wurde in Kapitel 6 zur Charakterisierung de novo synthetisierter
Hamproteine eingesetzt. Die X-Band Puls-ENDOR-Spektren wurden an einem Bruker ESP
380E Spektrometer aufgenommen, das mit einem ESP 360D-P Puls-ENDOR-Einsatz ausge-
stattet war. Es wurde ein Resonator der Firma Bruker (ER 4118X-MD-5-W1-EN) eingesetzt.
Die Radiofrequenz wurde durch einen ENI A 500 verstarkt. Die Temperatur der Puls-ENDOR-
Messungen lag bei 5K. Die Temperierung der Proben erfolgte uber einen Helium Kryostaten
(CF935 Oxford Instruments) und ein Temperatur-Kontrollgerat (ITC4 Oxford Instruments). Zur
Aufnahme der Spektren wurde eine Davies-Puls-ENDOR Sequenz eingesetzt (siehe Abschnitt
3.2) [99]. Die Verstarkung der Mikrowellenpulse, die uber einen Wanderfeldrohrenverstarker (M-
Square Microtek M300) erfolgte, wurde so eingestellt, daß ein π-Puls eine Lange von 112 ns und
ein π/2-Puls eine Lange von 56 ns hat. 1 µs nach dem ersten Mikrowellen-π-Puls wurde ein
Radiofrequenzpuls mit einer Lange von 8 µs gesetzt. Nach einer Wartezeit von 3 µs folgte eine
Hahn-Echo-Sequenz zur Detektion des ENDOR-Effektes. Der Abstand τ der beiden Pulse der
Hahn-Echo-Sequenz (π−τ−π/2) betrug etwa 300 ns. Die gesamte Davies-Puls-ENDOR-Sequenz
wurde mit einem Zeitabstand von 2 – 10 ms wiederholt. Die Aufnahmezeit der Spektren lag bei
1 bis zu 24 Stunden.
4.4 Programme zur Auswertung der EPR- und ENDOR-
Spektren
4.4.1 EPR-Simulationsprogramm ELSI
Zur Analyse der EPR-Pulverspektren wurde ein Simulationsprogramm fur ein Spin S=1/2 Sy-
stem unter Berucksichtigung verschiedener Mechanismen der Linienverbreiterung, wie Relaxa-
tion, unaufgeloste Hyperfeinwechselwirkung [86] und g-strain [133], geschrieben. Das Programm
bekommt daher den Namen ELSI fur EPR Linienbreiten Simulation. Der Programmcode (siehe
56 4. Materialien und Methoden
Anhang) wurde in C geschrieben.
In gefrorener Losung findet man eine statistische Verteilung an Orientierungen der para-
magnetischen Molekule relativ zum außeren Magnetfeld B0. Diese Situation wird in der Simu-
lation durch die aquivalente Beschreibung einer einzigen paramagnetischen Spezies unter dem
Einfluß verschiedener Feldorientierungen wiedergegeben. Diese Feldorientierungen werden im
folgenden durch die Winkel θ0 und φ0, den Polar- und Azimutalwinkeln im Koordinatensystem
der g-Tensorhauptachsen, beschrieben. Da jede Orientierung in einem statistischen Pulver gleich
wahrscheinlich ist, wird zur Erfassung der Raumrichtungen in der Simulation eine Spirale [134]
oder alternativ ein Netz [135] gleichmaßig um eine Einheitskugel gelegt. Fur jede Orientierung
(θ0, φ0) wird die Resonanzposition, die Intensitat und Linienbreite des EPR-Uberganges berech-
net. Daraus erhalt man ein Histogramm, in dem die Haufigkeit (gewichtet mit der Intensitat)
des Auftretens einer Resonanzposition erfaßt wird. Dieses Histogramm wird mit Linienform-
funktionen (einer Gauß- oder einer Lorentzfunktion) gefaltet.
Bei anisotropem g-Tensor ergibt sich der effektive g-Wert einer Orientierung (θ0, φ0) zu:
g =√(gxhx)2 + (gyhy)2 + (gzhz)2, (4.3)
mit hx = sin θ0 cosφ0, hy = sin θ0 sinφ0, hz = cos θ0. Die Intensitat des EPR-Uberganges ist pro-
portional zu < g21 >, dem Quadrat des effektiven g-Wertes des eingestrahlten Mikrowellenfeldes
B1 [86]:
< g21 >= [g2
xg2y sin
2 θ0+g2yg
2z(sin
2 φ0+cos2 θ0 cos
2 φ0)+g2zg
2x(cos
2 φ0+cos2 θ0 sin
2 φ0)]/2g2. (4.4)
Die Feldstelle des Resonanzposition B0 ergibt sich aus dem g-Wert aus Gleichung (4.3) zu:
B0 =hνeβeg
. (4.5)
Bei der Transformation zur Feldskala nach Gleichung (4.5), ist darauf zu achten, daß die Inten-
sitat mit einem Faktor 1/g gewichtet werden muß [136,137].
Bei einer homogenen Linienverbreiterung im EPR-Spektrum, d. h. wenn die Lebenszeit des
angeregten Zustandes bzw. die Spin-Gitter-Relaxationszeit des Spinsystems die Linienbreite be-
stimmt, wird die Linienform durch eine Lorentzfunktion beschrieben:
f =1
πσB
1
1 +(
[B−B0]σB
)2 . (4.6)
4.4 Programme zur Auswertung der EPR- und ENDOR-Spektren 57
Die Linienbreite σB auf der Feldskala hangt dabei von der Resonanzfeldposition B0 ab:
σB =h
gβeσν =
B0
νeσν , (4.7)
wobei σν , die Linienbreite auf der entsprechenden Frequenzskala, konstant und proportional zur
Relaxationsrate des Spinsystems ist [86].
Inhomogene Linienverbreiterungen, die z. B. durch ein inhomogenes außeres Magnetfeld, un-
aufgeloste Hyperfeinwechselwirkungen oder dipolare Wechselwirkungen von benachbarten Spin-
systemen auftreten konnen, werden in der Simulation durch Gaußfunktionen beschrieben:
f =1√2π σB
exp
(−1/2
([B −B0]
σB
)2). (4.8)
Fur anisotrope Hyperfeinwechselwirkungen setzt sich die Linienbreite aus drei Linienbreiten-
parameter (σBi) zusammen. Die Orientierungsabhangigkeit der Linienbreite entspricht dabei
einer Hyperfeinwechselwirkung, deren Hauptachsen kolinear zu den g-Tensorhauptachsen ver-
laufen [86]:
σ2B =
1
g4
∑i=x,y,z
g4i h
2i σ
2Bi. (4.9)
Die strukturelle Heterogeneitat innerhalb der paramagnetischen Probe kann ebenfalls zur
Linienverbreiterung fuhren. Da die Elektron-Zeeman-Wechselwirkung unmittelbar von der geo-
metrischen und elektronischen Struktur des Komplexes abhangt (siehe Abschnitt 3.4.1), machen
sich Verzerrungen in der Koordinationssphare des Zentralmetallions direkt in einer Variation der
EPR-Linienpositionen bemerkbar. Dieses Phanomen wird als g-‘strain’ bezeichnet [138].
In dem statistischen g-strain-Modell von Hagen et al. [133,135] wird der g-Wert, der an einer
bestimmten Feldposition detektiert wird, durch statistische Variationen von Systemvariablen
(z. B. Bindungsabstande und Winkel in einem paramagnetischen Molekul) zu einer Funktion
von Zufallsvariablen xi. Damit ist der g-Wert eine statistischen Große g(x1, x2, ..., xn), deren
Wertebereich durch eine Gaußverteilung mit der Varianz σ2g beschrieben werden kann. Als Lini-
enformfunktion wird daher eine Gaußfunktion mit der Standardabweichung σg als Linienbreite
verwendet. Fur die Varianz σ2g ergibt sich:
σ2g =
n∑i=1
(δg
δxi
)2
σ2i + 2
n∑j>i
(δg
δxi
)(δg
δxj
)rijσiσj. (4.10)
Dabei steht σ2i fur die Varianz der einzelnen Zufallsvariablen xi und rij fur die Korrelationsko-
effizienten zwischen verschiedenen Zufallsvariablen xi und xj .
58 4. Materialien und Methoden
In dem hier verwendeten g-strain-Modell werden die g-Tensorhauptwerte als Zufallsvariablen
xi herangezogen [139]. Mit Gleichung (4.3) und (4.10) erhalt man fur die Varianz σ2g :
σ2g =
3∑i=1
h4i g
2i σ
2gi + 2
3∑j>i
h2i h
2jgigjrijσgiσgj
/(2g2). (4.11)
Damit ergibt sich fur jede Orientierung (θ, φ) eine eigene Linienbreite σg. Die Faltung des Hi-
stogramms mit der Gaußfunktion findet direkt auf der g-Skala statt. Nach der Transformation
in die Feldskala erhalt man aus den symmetrischen Gaußlinien der g-Skala asymmetrische Lini-
enformen, wie sie typisch fur das Auftreten von g-strain in EPR-Spektren sind [137, 139]. Fur
negative Korrelationskoeffizienten kann σ2g gegen Null gehen. Um das Auftreten von Singula-
ritaten im berechneten Spektrum zu vermeiden, wird eine konstante Linienbreite hinzuaddiert,
in welcher zusatzliche inhomogene Linienverbreiterungen (z.B. durch unaufgeloste Hyperfein-
wechselwirkung) im Spektrum berucksichtigt werden [135].
Die Eingabedatei zur Simulation der EPR-Pulverspektren enthalt die Mikrowellenfrequenz,
den Feldbereich und die Anzahl der Datenpunkte des zu berechnenden Spektrums. Damit wird
die Einteilung der Feldskala des Histogrammes bestimmt (Auflosung = Anzahl der Datenpunkte
/ Feldbereich). Weiterhin benotigt werden die g-Tensorhauptwerte der paramagnetischen Spe-
zies und die entsprechenden Linienbreitenparameter (σν , σBi oder σgi , rij). Die Ausgabe des
berechneten EPR-Spektrums erfolgt in zwei ASCII-Dateien, die das Absorptionsspektrum bzw.
dessen erste Ableitung als x,y Paare (Feldposition, Intensitat) enthalten.
4.4.2 ENDOR-Simulationsprogramm SIMES
Um Aussagen uber die geometrische Struktur von Ubergangsmetallkomplexen anhand ihrer
1H ENDOR-Spektren treffen zu konnen, wurde ein Simulationsprogramm erstellt, welches die
ENDOR-Resonanzpositionen der Protonen direkt in Beziehung zu ihrer Position im g-Tensor-
Koordinatensystem setzt. Das Programm wird SIMES genannt fur Simulation von ENDOR
Spektren. Die theoretischen Grundlagen beruhen auf einer Veroffentlichung von Goldfarb et
al. [140]. Der Programmcode ist im Anhang zu finden.
Da ENDOR-Spektren immer an einer festgelegten Feldposition aufgenommen werden, wird
zunachst nach den Orientierungen (θ0, φ0) gesucht, die zum EPR-Spektrum an der entsprechen-
den Feldposition (Bfix) beitragen. Bei der Selektion dieser Orientierungen wird eine inhomogene
4.4 Programme zur Auswertung der EPR- und ENDOR-Spektren 59
Linienverbreiterung des EPR-Spektrums mit einer Gaußkurve der Halbwertsbreite ±δB beruck-
sichtigt. Fur jede dieser Orientierungen wird die ENDOR-Resonanzfrequenz der Protonen bis
zur zweiten Ordnung berechnet:
νENDOR =[(± 1/2A − νH)
2 + 1/4C2]1/2
. (4.12)
Dabei ist die Larmorfrequenz νH der Protonen gegeben durch
νH = (gNβNBfix)/h. (4.13)
Die Großen A und C setzen sich zusammen aus
A = aiso + a⊥(3 cos2 γ − 1) (4.14)
und
C = 3 a⊥ sin γ cos γ. (4.15)
Dabei entspricht aiso der isotropen Kopplungskonstanten fur die Fermi-Kontakt-
Wechselwirkung. Die dipolare Hyperfeinwechselwirkung durch den Raum (d. h. der Elek-
tronenspin befindet sich nicht direkt am Kernort) wird in der Punktdipolnaherung durch
a⊥ und den Winkel γ zwischen der Magnetfeldrichtung und dem Verbindungsvektor 6r des
Elektronen- und Kernspins beschrieben (siehe Abschnitt 3.1).
a⊥ =geffβegNβN
hr3. (4.16)
Dabei wird durch den effektiven g-Wert geff in Gleichung (4.16) berucksichtigt, daß bei einem
anisotropen g-Tensor das magnetische Moment des Elektrons von der molekularen Orientierung
und damit der Feldposition Bfix abhangt. Die Auswirkungen der g-Tensor-Anisotropie auf die
Quantisierungsrichtung des Elektronenspins wird jedoch vernachlassigt [93]. Fur den Winkel γ
zwischen der Richtung des außeren Magnetfeldes und dem Verbindungsvektor 6r zwischen dem
Proton und dem Elektronenspin ergibt sich:
cos γ = cos θ0 cosψ + sin θ0 sinψ cos(φ0 − φ). (4.17)
Die Position des Protons wird im Koordinatensystem der g-Tensorhauptachsen durch den Ab-
stand r und die Polarwinkel ψ und φ beschrieben. In Abbildung 4.1 ist dazu gezeigt, wie die
60 4. Materialien und Methoden
r
g
g
g
z
y
x
B
θ0
ψ
φ0
φ
γ
H
Abbildung 4.1: Position eines Protons (H) im Koordinatensystem des g-Tensors. Der Verbindungs-
vektor 6r zwischen dem Elektronenspin (lokalisiert am Metallzentrum) und dem Proton wird durch
den Abstand |6r| = r und die Polarwinkel ψ und φ im Koordinatensystem des g-Tensors beschrie-
ben. Der Vektor 6r und die Richtung des außeren Magnetfeldes 6B schließen einen Winkel γ ein. Die
Polarwinkel θ0 und und φ0 legen die Magnetfeldorientierung bezuglich des g-Tensors fest.
Lage des Verbindungsvektors 6r zwischen dem Elektronenspin und dem Proton relativ zum Ko-
ordinatensystem des g-Tensors und dem außeren Magnetfeld festgelegt wird.
Aus den berechneten ENDOR-Resonanzfrequenzen wird ein Histogramm gebildet. Die Inten-
sitat eines ENDOR-Uberganges wird gleich eins gesetzt. Damit gibt das Histogramm direkt die
relativen Haufigkeiten des Auftretens einer ENDOR-Resonanzposition an. Es folgt eine Faltung
mit einer Gauß- oder Lorentzfunktion konstanter Linienbreite.
Die Eingabedatei fur das ENDOR-Simulationsprogramm enthalt die Mikrowellenfrequenz,
die g-Tensorwerte und die Feldpositon Bfix mit der Linienbreite δB zur Selektion der Orien-
tierungen. Die Position des Protons im g-Tensorachsensystem wird durch die Polarkoordinaten
r, ψ, φ zusammen mit der isotropen Kopplung aiso eingegeben. Außerdem muß der Frequenz-
bereich, die Anzahl der Datenpunkte und die Linienbreite der gewahlten Linienformfunktion
fur das zu berechnende ENDOR-Spektrum angegeben werden. Die Ausgabe erfolgt analog zum
EPR-Simulationsprogramm in Form von ASCII-Dateien des Absorptionsspektrums und seiner
ersten Ableitung.
Kapitel 5
Charakterisierung von
Polypeptidmodulen mit einer
Metalloporphyrin-Bindungsstelle
In diesem Kapitel werden de novo synthetisierte Proteine mit einer Bindungsstelle fur Metal-
loporphyrine vorgestellt. Dem Design dieser Polypeptidmodule liegt ein Vier-Helix-Bundel als
Strukturmotiv zu Grunde, welches auch in naturlichen Proteinen unterschiedlichster Funktion
auftritt [141,142]. Die einfache, kompakte Struktur der Vier-Helix-Bundel und die Moglichkeit,
Kofaktoren in den Innenraum einzubinden, bieten gute Voraussetzungen zum Entwurf kunstli-
cher Proteinmodelle [12]. Von besonderem Interesse sind dabei Modellsysteme fur Hamproteine.
Der redoxaktive Kofaktor Hamin ubt in naturlichen Hamproteinen vielfaltige Funktionen aus,
wie den Transport und die Speicherung von Sauerstoff (Hamoglobin, Myoglobin), Elektronen-
transfer (Cytochrome) und Katalyse (Peroxidase, Katalase) [3]. Neben dem redoxaktiven Ko-
faktor Hamin wurden auch Kobalt- und Zinkporphyrine zur Einfuhrung weiterer Funktionen in
eines der Polypeptidmodule eingebaut. Die Systeme wurden auf eine Kofaktorbindungsstelle be-
schrankt, um die Wechselwirkung zwischen der Polypeptidumgebung und dem Kofaktor gezielt
untersuchen zu konnen. Die Moglichkeiten und Grenzen, kunstliche Polypeptidmodule mit wohl-
definierten Eigenschaften herzustellen und als Modellsysteme naturlicher Proteine einzusetzen,
sollen aufgezeigt werden.
Zunachst werden das Designkonzept und die Aufbauprinzipien der Vier-Helix-Bundel vor-
61
62 5. Charakterisierung von Polypeptidmodulen mit einer Metalloporphyrin-Bindungsstelle
gestellt. Es folgt die Charakterisierung der leeren Polypeptidmodule. Anschließend wird die
Einbausituation der Kofaktoren und ihre Eigenschaften im Polypeptidmodul mittels optischer
und EPR-Spektroskopie untersucht.
5.1 Designkonzept der Polypeptidmodule
Abbildung 5.1 zeigt eine schematische Darstellung der hier untersuchten de novo Proteine. Das
Designkonzept beruht auf der modularen Synthesestrategie Templat–assoziierter synthetischer
Proteine, das von Mutter et al. [44] eingefuhrt wurde. Als Templat (T) dient ein zyklisches De-
kapeptid, an dessen Cysteinreste die α–helicalen Peptide uber Maleinimidopropionsauregruppen
gekoppelt werden. Die Synthese ist in Abschnitt 4.1 beschrieben. Auf dem Templat stehen be-
nachbarte Helices analog zu naturlichen Vier-Helix-Bundeln jeweils antiparallel zueinander. Das
Vier-Helix-Bundel aus Abbildung 5.1 besteht aus zwei verschiedenen Helix-Typen. Die mit Hb
bezeichneten Helices binden die Metalloporphyrinkofaktoren uber die Koordination mit Histidin-
Seitengruppen. Die Helices Ha dienen zur Abschirmung der Bindungstasche.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden zwei Polypeptidmodule synthetisiert. Sie werden, wie be-
reits in Kapitel 2 erlautert wurde, mit mMOP1 und mMOP2 bezeichnet. MOP steht dabei fur
modulares Protein und das kleine m fur mono, da nur eine Bindungsstelle fur Metalloporphyrin-
kofaktoren vorliegt. Die modulare Synthesestrategie der Templat–assoziierten synthetischen Pro-
teine ermoglicht es, die Systeme aus einzelnen Bausteinen zusammenzusetzen. So folgen mMOP1
und mMOP2 aus dem gemeinsamen Zwischenprodukt T(Hb1)2 mit zwei an das Templat T ge-
koppelten Bindungshelices Hb1. Sie unterscheiden sich in ihrer Abschirmhelix (Ha1 und Ha2),
wobei mMOP1 dem Polypeptidmodul T(Hb1)2(Ha1)2 und mMOP2 T(Hb1)2(Ha2)2 entspricht.
Fur die helicalen Peptide Ha1 und Ha2 wurden unterschiedliche Aminosauresequenzen gewahlt,
um zu untersuchen, ob und wie sich die Aminosaure-Zusammensetzung der Vier-Helix-Bundel
auf die funktionellen Eigenschaften der Polypeptidmodule auswirkt.
Die Zusammensetzung der helicalen Peptide Hb1, Ha1 und Ha2 ist in Abbildung 5.2 anhand
einer helicalen Netzdarstellung gezeigt. Die hydrophilen Aminosauren sind dabei grau unter-
legt, um zu verdeutlichen, daß die Helices amphiphil sind. Die Aminosaure-Zusammensetzung
der Peptide wurde insgesamt so gewahlt, daß Aminosauren wie Alanin (A), Leucin (L), Ly-
sin (K) und Glutamat (E), die eine hohe Helixbildungstendenz aufweisen [37], dominieren. Die
5.1 Designkonzept der Polypeptidmodule 63
Abbildung 5.1: Das Designkonzept der Vier-Helix-Bundel beruht auf der modularen Synthesestra-
tegie Templat–assoziierter synthetischer Proteine [44]. An das Polypeptidmodul kann ein Metallo-
porphyrin uber die Ligandierung mit zwei Histidinresten gebunden werden. Die Pfeile auf den Helices
Ha und Hb zeigen vom N- zum C-Terminus.
Aminosaure Asparagin (N) wurde an den N-Terminus gesetzt. Dies unterstutzt die Faltung
der Peptide zu einer Helix, da die Seitenkette des Asparagins Wasserstoffbrucken zu den nicht
abgesattigten Amidprotonen der ersten Helixwindung ausbilden kann [143]. Bei der Zusammen-
lagerung des Vier-Helix-Bundels ist die Ausbildung eines hydrophoben Innenraums mit den
apolaren, aliphatischen Aminosauren Alanin und Leucin eine treibenden Kraft. Die polaren, hy-
drophilen Aminosauren Lysin und Glutamat an der Außenseite des Vier-Helix-Bundels sorgen
fur die Wasserloslichkeit der Polypeptidmodule. Lysin und Glutamat wurden in einem Abstand
von vier Aminosauren zueinander positioniert und bilden Salzbrucken aus, deren Dipolmoment
dem Makrodipol der Helix entgegengerichtet ist. Dieser Makrodipol entsteht in α-Helices auf-
grund der parallelen Ausrichtung der polaren Amidgruppen entlang der Helixachse [144]. Der
positive Pol befindet sich dabei am N-Terminus. Die positive Ladung der freien Aminogruppe
am N–Terminus und die negative Ladung der Carboxygruppe am C-Terminus wurden den Ma-
64 5. Charakterisierung von Polypeptidmodulen mit einer Metalloporphyrin-Bindungsstelle
Ha2C
NAc
Ha1Hb1
Templat
Templat
KK
E
Q
E
K
K E
N
E
K
K Q
K E
E
K
Q
E
N
E
L
LL
L
L
L
AG
A
LA
LA
L
LL
L
L
H
δ
δ+
-
δ+
-δ
K
W RW
WL
Abbildung 5.2: Zusammensetzung der Helices Hb1 und Ha1 des mMOP1. Beide Helices sind am-
phiphil. Die polaren Aminosauren Lysin (K) und Glutamat (E) bilden an der Außenseite des Vier-
Helix-Bundels Salzbrucken (gestrichelte Linien) aus. Das Dipolmoment dieser Salzbrucken ist dem
Makrodipol der Helices, dessen positiver Pol am N-Terminus liegt, entgegengerichtet. Helix Hb1
enthalt ein Histidin (H) zur Koordination von Metalloporphyrinen. Ha2 unterscheidet sich von Ha1
durch den Austausch der Aminosauren Tryptophan (W) gegen Arginin (R) und Leucin (L) gegen
Tryptophan (W).
krodipol verstarken und damit destabilisierend wirken. Deshalb wurden diese Ladungen durch
Amidbildung am C-Terminus und die Acetylierung des N-Terminus in Ha1 und Ha2 blockiert.
Zur Koordination der Metalloporphyrine wurde in den hydrophoben Bereich der Helix Hb1
ein Histidin (H) eingefuhrt. Damit befinden sich im Innenraum der Vier-Helix-Bundel zwei
Histidinreste auf gleicher Hohe. Analog zu naturlichen Cytochrom b Proteinen kann so ei-
ne Hamgruppe durch zwei axiale Histidinliganden in die Polypeptidmodule eingebunden wer-
den. Neben dem Kofaktor Hamin wurden die Metalloporphyrine Co(III)protoporphyrin IX und
Zn(II)protoporphyrin IX, welche ebenfalls uber Histidin ligandiert werden konnen, in das Poly-
peptidmodul mMOP1 eingebaut.
5.2 Charakterisierung der leeren Polypeptidmodule 65
Die Abschirmhelices Ha1 und Ha2 unterscheiden sich durch den Austausch von Tryptophan
(W) gegen Arginin (R) in der Nahe der Hambindungsstelle. Da sich die aromatische Aminosaure
Tryptophan jedoch gut als Marker in Fluoreszenz- und UV/VIS-Absorptionsmessungen einsetzen
laßt, wurde diese Aminosaure in Ha2 anstelle eines Leucins am N-Terminus wieder eingefuhrt.
Im Folgenden wird untersucht, ob die Positionierung der zwei unterschiedlichen Aminosauren
Tryptophan und Arginin in der Umgebung der Hambindungstasche Einfluß auf die Eigenschaften
des Kofaktors nehmen kann.
5.2 Charakterisierung der leeren Polypeptidmodule
5.2.1 Aufbau der Vier-Helix-Bundel
Abbildung 5.3 zeigt die Massenspektren der hier synthetisierten Polypeptidmodule mMOP1
und mMOP2. Die hieraus ermittelten Massen von 11488,9 ± 0,4 Da (A, mMOP1) und
11574,3 ± 0,4 Da (B, mMOP2) bestatigen die korrekte Zusammensetzung der leeren Polypep-
tidmodule hinsichtlich ihrer Primarstruktur. Erwartet werden Massen von 11489 Da fur mMOP1
und 11575 Da fur mMOP2. Daruberhinaus zeigen die Massenspektren eine hohe Reinheit der
modularen Proteine an. Mittels analytischer Gelfiltration konnte gezeigt werden, daß die Vier-
Helix-Bundel in waßriger Losung monomer vorliegen.
Aussagen zur Sekundarstruktur der de novo synthetisierten Proteine wurden aus
Circulardichroismus-Spektren erhalten. Abbildung 5.4 zeigt das CD-Spektrum von mMOP1 (A)
und mMOP2 (B). Die Spektren wurden in einem Wellenlangenbereich aufgenommen, in dem
die elektronischen π - π∗ und n− π∗ Ubergange der Amidgruppe des Polypeptidgerustes liegen.
In der chiralen Umgebung einer α-Helix unterscheiden sich die Extinktionskoeffizienten dieser
elektronischen Ubergange bei der Einstrahlung von rechts und links zirkular polarisiertem Licht.
Anhand von CD-Spektren, in welchen die Differenz der Absorption von rechts und links zirkular
polarisierten Lichtes aufgezeichnet wird, konnen unterschiedliche Sekundarstrukturelemente in
Proteinen identifiziert werden [145]. Beide CD-Spektren in Abbildung 5.4 zeigen die typischen
Merkmale von α–Helices [75,146]. So tritt bei 222 nm und 208 nm ein Doppelminimum und bei
etwa 192 nm eine starke positive Bande auf. Der Nulldurchgang liegt in beiden Spektren bei 201
nm. Im Unterschied zu den hier gezeigten CD-Spektren mit α–helicalen Merkmalen wurde man
fur 310–Helices erwarten, daß das Minimum bei 208 nm deutlich starker ausgepragt ist als das
66 5. Charakterisierung von Polypeptidmodulen mit einer Metalloporphyrin-Bindungsstelle
Abbildung 5.3: Massenspektren der Vier-Helix-Bundel mMOP1 (A) und mMOP (B). Unter
Berucksichtigung der Protonierung, die zur Aufladung Z der Polypeptide fuhrt, wurden die Mas-
sen M = 11488,9 ± 0,4 Da (A) und M = 11574,3 ± 0,4 Da (B) ermittelt. Diese stimmen mit der
Aminosaure-Zusammensetzung der modularen Proteine uberein. (Bei der Auswertung der Massen-
spektren wird nach der gemeinsamen Basis von [ M/Z × Z − Z ] gesucht.)
5.2 Charakterisierung der leeren Polypeptidmodule 67
Abbildung 5.4: Circulardichroismus von mMOP1 (A) und mMOP2 (B). Die CD-Spektren zeigen
die typischen Merkmale kurzer α–Helices [146].
Minimum bei 222 nm [75].
Die Wellenlange maximaler Fluoreszenzintensitat λm der Aminosaure Tryptophan kann zur
Charakterisierung der Umgebung und Positionierung dieser Aminosaure im Polypeptidmodul
herangezogen werden. In unpolaren, hydrophoben Proteinregionen liegt λm zwischen 330 und
332 nm, an Proteinoberflachen dagegen zwischen 350 nm und 355 nm [147]. In den Polypep-
tidmodulen mMOP1 und mMOP2 wurden λm-Werte von 349 nm und 346 nm ermittelt. Dies
zeigt an, daß sich die Aminosaure Tryptophan in beiden Polypeptidmodulen im hydrophoben
Innenraum der Vier-Helix-Bundel befindet, aber nicht vollstandig gegen Wassermolekule abge-
schirmt wird. Entweder ragt der Tryptophanrest teilweise aus dem Polypeptidmodul heraus oder
68 5. Charakterisierung von Polypeptidmodulen mit einer Metalloporphyrin-Bindungsstelle
der Innenraum des Vier-Helix-Bundel ist nicht kompakt genug, um Wassermolekule herauszu-
drangen. Ein ahnliches Verhalten mit λm-Werten von 344 nm bis 349 nm wurde auch in anderen
kunstlichen Vier-Helix-Bundeln gefunden [51].
5.2.2 Stabilitat der Polypeptidmodule
Zur Untersuchung der Stabilitat der leeren Polypeptidmodule wurden mMOP1 und mMOP2
dem chaotropen Agenz Guanidiniumhydrochlorid (Gdn·HCl) ausgesetzt. Die Intensitat des CD-Signals bei 222 nm (Θ222) und die Lage des Fluoreszenzmaximums von Tryptophan (λm) wurden
als Kriterien fur die Denaturierung der de novo Proteine herangezogen. Mit steigender Gdn·HClKonzentration wurde dabei die Abnahme des CD-Signals bis hin zur Grundlinie beobachtet.
Dies zeigt den Verlust an definierter Sekundarstruktur (Helicalitat) des gesamten Polypeptid-
moduls an. Die Lage des Fluoreszenzmaximums von Tryptophan verschob sich langwellig bis
hin zu λm = 354 nm, was einer vollstandigen Freilegung dieser Aminosaure in die waßrige Phase
entspricht. Durch Verdunnen der vollstandig denaturierten Proben konnte gezeigt werden, daß
der Entfaltungsprozeß reversibel ist.
Abbildung 5.5 zeigt den Anteil f an gefaltetem Protein in Abhangigkeit von der Gdn·HClKonzentration. Der Anteil f an gefaltetem Protein wurde dabei jeweils unabhangig voneinan-
der aus der Abnahme des CD-Signals bei 222 nm und der Verschiebung der Wellenlange der
maximalen Tryptophan-Fluoreszenz berechnet:
f =Φobs − ΦeΦg − Φe . (5.1)
Dabei geben Φg und Φe die entsprechende Meßgroße (d. h Θ222 oder λm) in vollstandig gefal-
tetem und entfaltetem Zustand an. Φobs steht fur die jeweilige Meßgroße bei einer bestimmten
Gdn·HCl Konzentration. Der Verlauf dieser Denaturierung wurde an ein Zwei-Zustands-Modellangepaßt [129,148]. Es wird angenommen, daß die Polypeptidmodule ohne Zusatz von Gdn·HClin einem definierten, vollstandig gefalteten Zustand (f = 1) vorliegen. In Abhangigkeit von der
Gdn·HCl Konzentration stellt sich ein Gleichgewicht zwischen vollstandig gefaltetem und ent-
faltetem Zustand ein. Die freie Energie fur die Denaturierung bei einer bestimmten Gdn·HClKonzentration ist dann
∆Gobs = −RT lnK = −RT ln[(1− f)/(f)]. (5.2)
5.2 Charakterisierung der leeren Polypeptidmodule 69
A
[GdnHCl]
0 1 2 3 4 5 6 7 8
f
0
1
B
[GdnHCl]
0 1 2 3 4 5 6 7 8
f
0
1
Abbildung 5.5: Denaturierung der Polypeptidmodule mMOP1 (A) und mMOP2 (B) durch Zuga-
be von Gdn·HCl. Als Meßgroßen dienen die Intensitat des CD-Signals bei 222 nm (Θ222, schwarze
Vierecke) und die Wellenlange der maximalen Tryptophanfluoreszenz (λm, ◦). Der Anteil f an ge-faltetem Polypeptidmodul ergibt sich zu: f = (Φobs − Φe)/(Φg − Φe), wobei Φ die entsprechende
Meßgroße, d. h. Θ222 oder λm angibt. Φobs wurde jeweils bei einer bestimmten Gdn·HCl Konzen-tration aufgezeichnet, Φg wurde ohne Gdn·HCl Zusatz im gefalteten Zustand und Φe im vollstandig
entfalteten Zustand bei maximaler Gdn·HCl Konzentration gemessen. Die gestrichelten Hilfsliniengeben die Gdn·HCl Konzentration bei f = 0,5 an, wobei c1/2(mMOP1) = 5,05 M und c1/2(mMOP2)
= 4,25 M.
70 5. Charakterisierung von Polypeptidmodulen mit einer Metalloporphyrin-Bindungsstelle
Ferner wird eine lineare Abhangigkeit der freien Entfaltungsenergie von der Konzentration des
denaturierenden Agenz angenommen [149]:
∆Gobs = ∆GH2O −mcGdn·HCl. (5.3)
Die Steigung m ist dabei ein Maß fur die Kooperativitat der Denaturierung und ∆GH2O ent-
spricht der freien Energie, die aufgebracht werden muß, um das Polypeptidmodul in waßriger
Losung (ohne Zusatz von Denaturant) zu entfalten. Damit ist −∆GH2O ein Maß fur die Stabi-
litat der de novo synthetisierten Proteine. Die Kooperativitat m gibt an, wie stark die Stabilitat
der Polypeptide im Verlauf einer Denaturierung von der bereits vorliegenden Entfaltung beein-
flußt wird. Bei einem stark kooperativen Entfaltungsprozeß fuhren bereits kleine Storungen in
der gefalteten Struktur zu einer effektiven Denaturierung. Es wurde festgestellt, daß die Ko-
operativitat m von der Oberflache abhangt, die bei der Entfaltung freigelegt wird und mit der
Losungsmittelumgebung in Kontakt tritt [149]. In naturlichen Proteinen wurden m-Werte im
Bereich von 2 kJ mol−1 M−1 bis hin zu 40 kJ mol−1 M−1 ermittelt [150].
Fur die hier untersuchten Polypeptidmodule ergeben sich bei einer Temperatur von 20◦C
freie Entfaltungsenergien von ∆GH2O = 22,4 (± 2,1) kJ/mol (mMOP1) und ∆GH2O = 16,3 (±1,4) kJ/mol (mMOP2). Die Kooperativitat ist dabei m = 4, 4 (± 0,4) kJ mol−1 M−1 (mMOP1)
und m = 3, 8 (± 0,3) kJ mol−1 M−1 (mMOP2).
Die Kooperativitat m der Entfaltung von mMOP1 und mMOP2 liegt innerhalb des Wer-
tebereichs von 2 – 12 kJ mol−1 M−1, der fur kurze Vier-Helix-Bundel typisch ist [47, 51, 83].
Die freie Energie der Entfaltung von mMOP1 und mMOP2 ist im Vergleich zu anderen kunst-
lichen Vier-Helix-Bundeln nicht sehr hoch. Es werden Werte bis zu ∆GH2O = 100 kJ/mol er-
reicht [47,51,53]. Es ist jedoch zu beachten, daß mMOP1 und mMOP2 eine leere Bindungstasche
fur einen Metalloporphyrinkofaktor enthalten und das Design nicht hinsichtlich der Stabilitat
der leeren Polypeptidmodule optimiert wurde.
Insgesamt erweist sich mMOP1 als etwas resistenter gegenuber der Denaturierung als
mMOP2. So liegt der Anteil f an gefaltetem Protein fur mMOP2 bei einer Gdn·HCl Konzentra-tion von 4,25 M bereits bei 50 %, wahrend fur mMOP1 entsprechend 5,05 M Gdn·HCl benotigtwerden. Da die Packung der hydrophoben Reste im Innenraum von Vier-Helix-Bundeln einen
entscheidenden Einfluß auf die Stabilitat der de novo Proteine hat [48], ist anzunehmen, daß die
unterschiedliche Positionierung des Tryptophan mit einer großen aromatischen Seitengruppen
5.3 Hamin als redoxaktiver Kofaktor 71
zur unterschiedlichen Stabilisierung von mMOP1 und mMOP2 beitragt.
5.3 Hamin als redoxaktiver Kofaktor
Uber den Einbau des Metalloporphyrin Hamin in die de novo synthetisierten Proteine wird
eine funktionelle Gruppe eingefuhrt. Das Zentralmetallion des Kofaktors kann zwei Oxidati-
onszustande einnehmen – Fe2+ (Ham) und Fe3+ (Hamin) – und ist damit redoxaktiv. Die de
novo synthetisierten Hamproteine werden im folgenden uber optische und EPR-Spektroskopie
charakterisiert.
5.3.1 Einbau des Hamins
Der Einbau des Metalloporphyrins Hamin kann uber die Aufnahme von UV/VIS-
Absorptionsspektren verfolgt werden. Abbildung 5.6 zeigt die Spektren von Hamin-mMOP1
(A) und Hamin-mMOP2 (B) im oxidierten und reduzierten Zustand. Die UV/VIS-
Absorptionsspektren von Hamin-mMOP1 und Hamin-mMOP2 sind nahezu identisch. In Abbil-
dung (A) ist zusatzlich das Absorptionsspektrum des freien Hamins in waßriger Losung gezeigt.
Im Gegensatz zur schmalen Soret-Bande des eingebauten Hamins mit einem Maximum bei 413,5
nm tritt hier eine breite Bande um 370 nm auf, die auf die Aggregation des freien Hamins in
waßriger Losung zuruckzufuhren ist [72]. Durch Zugabe von festem Natriumdithionit (ca. 0,1
mg) in die Kuvette erfolgt die sofortige Reduktion der de novo synthetisierten Hamproteine.
Dabei verschiebt sich die Soret Bande zu 428 nm und zwei nun deutlich separierte Banden bei
531 nm (β–Bande) und 561 nm (α–Bande) treten auf.
Die UV/VIS-Absorptionsspektren der de novo synthetisierten Hamproteine aus Abbildung
5.6 sind typisch fur Cytochrom b Systeme [152, 153]. Der deutliche Unterschied zwischen dem
Spektrum des Hamins in waßriger Losung und des eingebauten Metalloporphyrins belegt den
Einbau des Kofaktors in die Polypeptidmodule. Bei den nachfolgenden Untersuchungen zur
Stabilitat der de novo Hamproteine in Abschnitt 5.3.3 wird der Unterschied in der Absorption bei
413,5 nm herangezogen, um die Freisetzung von Hamin mit steigender Gdn·HCl Konzentrationoder Anderung des pH-Wertes zu verfolgen.
Zur Bestimmung des Redoxpotentials des Haminkofaktors in Abschnitt 5.3.2 wird dage-
gen die Absorptionsanderung bei 561 nm verwendet, da hier die großte relative Anderung im
72 5. Charakterisierung von Polypeptidmodulen mit einer Metalloporphyrin-Bindungsstelle
Abbildung 5.6: Optische Spektren von Hamin-mMOP1 (A) und Hamin-mMOP2 (B) im oxidier-
ten (Fe3+, durchgezogene Linie) und reduzierten (Fe2+, gestrichelte Linie) Zustand. Das Spektrum
von freiem Hamin (Fe3+) in waßriger Losung ist in breit gestrichelter Linie in Abbildung (A) zum
Vergleich gezeigt. Die mit α und β bezeichneten Peaks und die Soret-Bande (im oxidierten Zustand
bei 413,5 nm) stammen von verschiedenen elektronischen π–π∗ Ubergangen des Porphyrinsystems
(siehe z. B. [151]).
5.3 Hamin als redoxaktiver Kofaktor 73
UV/VIS-Absorptionsspektrum zwischen oxidiertem und reduziertem Zustand vorliegt.
Auch nach dem Einbau des Kofaktors Hamin bleiben die α-helicalen Merkmale der CD-
Spektren der de novo synthetisierten Hamproteine erhalten. Gegenuber den leeren Polypeptid-
modulen wurde jedoch eine kurzwellige Verschiebung der Wellenlange maximaler Fluoreszenz
der aromatischen Aminosaure Tryptophan um etwa 5 nm festgestellt. Die Werte fur λm liegen
nun bei 346 nm fur Hamin-mMOP1 und bei 342 nm fur Hamin-mMOP2. Ursache hierfur kann
die hydrophobe Wechselwirkung zwischen dem Porphyrinring und der aromatischen Seitengrup-
pe des Tryptophans sein. Weiterhin ist durch den Einbau des Kofaktors eine dichtere Packung
des hydrophoben Innenraums des Vier-Helix-Bundels zu erwarten. Damit ist der Ausschluß von
Wassermolekulen besser gewahrleistet.
Mittels analytischer Gelfiltration wurde untersucht, ob die Polypeptidmodule nach dem Ein-
bau des Kofaktors weiterhin monomer vorliegen. Fur Hamin-mMOP2 konnte dies bestatigt wer-
den. Hamin-mMOP1 neigt dagegen zur Bildung von Aggregaten. Durch Anziehungskrafte zwi-
schen den Vier-Helix-Bundeln kommt es zu einer Zusammenlagerung von Polypeptidmodulen,
die vor der Hauptfraktion der monomeren de novo Proteine eluiert werden. Diese konnten jedoch
durch Inkubation in Gdn·HCl (1 – 2 M) aufgelost werden.
5.3.2 Redoxpotential des Kofaktors
Die Redoxtitration von Hamin-mMOP1 (A) und Hamin-mMOP2 (B) sind in Abbildung 5.7
zu sehen. Durch Anpassung an eine Nernstgleichung mit einem Einelektronenubergang (n=1)
wurden die Halbwertspotentiale zu −164 (± 10) mV (A) und −153 (± 5) mV (B) bestimmt. DieFehlerangabe berucksichtigt hier neben der Standardabweichung der Anpassung an die Nernst-
kurve (σ = ± 4 mV und σ = ± 2 mV) auch systematische Fehler (z. B. beim Ablesen der
Absorptionsanderung oder des Potentials). Die hier ermittelten Werte sind typisch fur Re-
doxpotentiale, die bisher in de novo synthetisierten Hamproteinen erreicht wurden (−100 bis−200 mV) [11, 13, 53]. Das etwas positivere Redoxpotential von Hamin-mMOP2 im Vergleich
zu Hamin-mMOP1 kann mit dem Austausch der Aminosaure Tryptophan gegen Arginin er-
klart werden. Die positive Ladung der Seitengruppe von Arginin tragt uber die elektrostatische
Wechselwirkung mit den Propionsaureresten des Hamins zu einer Erhohung des Redoxpotenti-
als bei. Allerdings kann auch eine hydrophobe Wechselwirkung der aromatischen Aminosaure
Tryptophan mit dem Kofaktor das Redoxpotential erhohen.
74 5. Charakterisierung von Polypeptidmodulen mit einer Metalloporphyrin-Bindungsstelle
A
B
E [mV]
-350 -300 -250 -200 -150 -100 -50 0 50
Ab
sorp
tio
nsä
nd
eru
ng
bei
561
nm
Abbildung 5.7: Redoxtitration von Hamin-mMOP1 (A) und Hamin–mMOP2 (B), verfolgt durch
die Absorptionsanderung bei 561 nm. Zunachst erfolgte die schrittweise Reduktion durch Zugabe
einer Dithionitlosung (•). Anschließend wurde mit einer Ferricyanidlosung reoxidiert (weisse Vier-ecke). Die Redoxtitrationen stimmen in reduzierender und oxidierender Richtung in etwa uberein.
Angesichts der großen Redoxspanne naturlicher Hamproteine von + 400 mV bis − 500 mV [7]ist der Unterschied zwischen dem Redoxpotential von Hamin-mMOP1 und Hamin-mMOP2 nicht
besonders stark ausgepragt. Neben speziellen Wechselwirkungen des Kofaktors mit einzelnen
Aminosauren in der Bindungstasche wird das Redoxpotential von der axialen Ligandierung der
Hamgruppe und der Polaritat und Polarisierbarkeit der Peptidumgebung beeinflußt [154–156].
5.3 Hamin als redoxaktiver Kofaktor 75
Ferner spielt die Abschirmung des Kofaktors vor der waßrigen Losungsmittelphase eine entschei-
dende Rolle zur Einstellung des Redoxpotentials. Hamproteine, bei denen der Kofaktor dem
Losungsmittel exponiert ist, besitzen analog zu Modellkomplexen in Wasser Redoxpotentiale
von etwa −200 mV [157]. Die demgegenuber leicht erhohten Redoxpotentiale der Polypeptid-
module mMOP1 und mMOP2 zeigen, daß auch in kunstlichen Vier-Helix-Bundeln eine gewisse
hydrophobe Abschirmung des Kofaktors moglich ist. Eine moglichst kompakte Struktur des hy-
drophoben Innenraums der Vier-Helix-Bundel ist Voraussetzung fur die gezielte Untersuchung
der Redoxpotentiale in Abhangigkeit von der Aminosaure-Zusammensetzung. Durch das Ein-
dringen von Wassermolekulen in die Proteinumgebung konnen elektrostatische Wechselwirkun-
gen kompensiert werden, die das Redoxpotential aufgrund von Ladungen polarer Aminosauren
ansonsten pragen wurden [158].
5.3.3 Stabilitat der kunstlichen Hamproteine
Die Stabilitat der de novo synthetisierten Hamproteine Hamin-mMOP1 und Hamin-mMOP2
gegenuber dem chaotropen Agenz Gdn·HCl wurde untersucht und mit den leeren Polypeptid-modulen (siehe Abschnitt 5.2.1) verglichen. Neben der Intensitat des CD-Signals bei 222 nm
und der Wellenlange des Fluoreszenzmaximums von Tryptophan λm wurde hier zusatzlich die
Intensitat der UV/VIS-Absorption bei 413,5 nm in Abhangigkeit von der Gdn·HCl Konzen-tration verfolgt. Somit stehen drei Kriterien fur die Denaturierung der de novo synthetisierten
Hamproteine zur Verfugung. Die Abnahme von Θ222 zeigt den Verlust der Helicalitat des ge-
samten Polypeptidmoduls an. Die langwellige Verschiebung von λm beruht auf der Freilegung
der aromatischen Aminosaure Tryptophan in die waßrige Phase. Die Abnahme der Absorption
bei 413,5 nm ist diagnostisch fur die Freisetzung des Kofaktors.
Wie Abbildung 5.8 zeigt, ergibt sich fur alle drei Meßgroßen der gleichen Verlauf der De-
naturierung. Damit erfolgt die Entfaltung des Polypeptidmoduls simultan zur Freisetzung des
Kofaktors. Dies zeigt an, daß ein intaktes Vier-Helix-Bundel mit festgelegter Positionierung der
Histidingruppen entscheidend fur die Einbindung des Kofaktors ist. Die Abhangigkeit der Dena-
turierung von der Gdn·HCl Konzentration wurde an ein Zwei-Zustands-Modell angepaßt (sieheAbschnitt 5.2.1). Tabelle 5.1 gibt einen Uberblick uber die freien Entfaltungsenergien ∆GH2O
und Kooperativitaten m, die fur die Polypeptidmodule in dieser Arbeit ermittelt wurden im
Vergleich zu naturlichen Hamproteinen.
76 5. Charakterisierung von Polypeptidmodulen mit einer Metalloporphyrin-Bindungsstelle
A
[GdnHCl]
0 1 2 3 4 5 6 7 8
f
0
1
B
[GdnHCl]
0 1 2 3 4 5 6 7 8
f
0
1
Abbildung 5.8: Die Denaturierung mit Gdn HCl von Hamin-mMOP1 (A) und Hamin-mMOP2
(B) wurde jeweils unabhangig uber die Absorption bei 413,5 nm (∇), die Elliptizitat bei 222 nm(schwarze Vierecke) und die Verschiebung der Fluoreszenzwellenlange des Tryptophans (◦) verfolgt.Die Berechnung des jeweiligen Anteils an gefaltetem Protein f erfolgte analog zu Abbildung 5.5. Die
Polypeptidmodule mit eingebautem Hamin sind erst bei Gdn·HCL Konzentration von 5,15 M (A)
bzw. 4,52 M (B) zur Halfte entfaltet.
5.3 Hamin als redoxaktiver Kofaktor 77
Hamin-mMOP1 ist analog zu den leeren Polypeptidmodulen gegenuber Gdn·HCl etwas sta-biler als Hamin-mMOP2. Fur beide Polypeptidmodule findet man jedoch durch den Einbau des
Kofaktors eine deutliche Erhohung der Stabilitat. Im leeren Polypeptidmodul ragen zwei polare
Histidingruppen lose in den hydrophoben Innenraum der Vier-Helix-Bundel, wahrend die Histi-
dingruppen bei der Einlagerung des Hamins als axiale Liganden fest an diesen Kofaktor koordi-
niert sein sollten. Durch die axiale Ligandierung werden die beiden gegenuberliegenden Helices
gegeneinander fixiert. Damit tragt der Kofaktor zur Fixierung und Stabilisierung der Struk-
tur der Vier-Helix-Bundel bei. Daruberhinaus sollte der Einbau des Hamins zu einer besseren
Raumfullung und kompakteren Struktur des hydrophoben Innenraums der Vier-Helix-Bundel
fuhren.
In naturlichen Hamproteinen fuhrt der Einbau des Kofaktors ebenfalls zur Stabilisierung
der Proteinstruktur. Tabelle 5.1 enthalt die freien Entfaltungsenergien der Apo- und Holoform
von Myoglobin und Cytochrom b562. Die Stabilisierung der Proteine durch den Einbau des Ko-
faktors liegt in dergleichen Großenordnung wie fur mMOP1 und mMOP2. In den kunstlichen
Proteinmodellen nimmt die freie Entfaltungsenergie durch den Einbau des Kofaktors um etwa
9 kJ/mol zu. Bei Myoglobin und Cytochrom b562 liegt der Unterschied der Apo- und Holoform
in der freien Entfaltungsenergie bei 17 kJ/mol und 14 kJ/mol. In naturlichen Hamproteinen
ist eine Vorformung der Struktur in der Apo-Form und die anschließende Stabilisierung durch
Tabelle 5.1: Freie Entfaltungsenergien ∆GH2O, Kooperativitaten m und Gdn·HCl Konzentrationenc1/2 fur eine Entfaltung von 50 % von de novo synthetisierten und naturlichen Hamproteinen
∆GH2O [kJ/mol] m [kJ mol−1 M−1 ] c1/2 [M]
mMOP1 22,4 (± 2,1) 4,4 (± 0,4) 5,1
Hamin-mMOP1 31,4 (± 2,6) 6,1 (± 0,5) 5,2
mMOP2 16,3 (± 1,4) 3,8 (± 0,3) 4,3
Hamin-mMOP2 25,0 (± 1,7) 5,6 (± 0,4) 4,5
Apomyoglobin [159] 12,6 (± 1,3) 12,6 (± 1,3) 1,1
Myoglobin [159,160] 29,3 (± 2,1) 18,8 (± 1,3) 2,0
Apocytochrom b562 [161,162] 13,4 (± 2,1) 24,3 1,1
Cytochrom b562 [161] 27,6 (± 2,1) — —
78 5. Charakterisierung von Polypeptidmodulen mit einer Metalloporphyrin-Bindungsstelle
den Einbau des Kofaktors gunstig fur eine effektive und definierte Zusammensetzung des Ho-
loproteins [163]. Wahrend die freien Entfaltungsenergien der naturlichen Hamproteine und der
kunstlichen Polypeptidmodule in der gleichen Großenordnung liegen, zeigen sich in der Koopera-
tivitat und damit auch demWert c1/2 Unterschiede. Die Kooperativitat der Entfaltung ist fur die
naturlichen Systeme, deren Struktur ausschließlich durch die Wechselwirkung der Aminosauren
untereinander stabilisiert wird, hoher. In den Polypeptidmodulen mMOP1 und mMOP2 ist die
Anordnung der einzelnen helicalen Bausteine bereits durch ihre kunstliche Fixierung auf ein
Templat eingeschrankt.
Neben einer intakten Bindungsstelle mit zwei Histidinliganden auf etwa gleicher Hohe
im Vier-Helix-Bundel, ist auch der pH-Wert der Losung entscheidend fur eine Einbin-
dung des Kofaktors in die de novo synthetisierten Hamproteine. Mit Hilfe der UV/VIS-
Absorptionsspektroskopie konnte gezeigt werden, daß der Kofaktor in einem pH-Bereich von
pH 5 – 10 stabil in den Polypeptidmodulen eingebunden bleibt. Bei niedrigerem pH-Wert er-
folgt die Freisetzung des Hamins aufgrund der Protonierung der Histidinliganden. Bei hoherem
pH-Wert konkurrieren die Hydroxylionen erfolgreich mit den Histidingruppen um die Koordi-
nationsstellen des Hamins. Dieses Verhalten wurde auch bei anderen de novo synthetisierten
Hamproteinen festgestellt [59]. Die weiteren Charakterisierungen der de novo synthetisierten
Hamproteine erfolgten durchwegs in waßrigem Phosphatpuffer (50 – 100 mM) bei pH 7,0.
5.3.4 EPR-spektroskopische Charakterisierung
Die EPR-Spektroskopie wurde eingesetzt, um die Bindungssituation der Haminkofaktoren in
den Polypeptidmodulen zu charakterisieren. Dabei sollen insbesondere die axialen Liganden des
Hamins eindeutig identifiziert und die Geometrie ihrer Koordination bestimmt werden.
Zunachst werden hier die EPR-Spektren von Modellkomplexen gezeigt, welche die Bindungs-
situationen exemplarisch wiedergeben, die in den Polypeptidmodulen auftreten konnten. Der
Kofaktor Hamin bzw. Fe(III)protoporphyrin IX liegt dazu frei in Losung (A) sowie 2-fach li-
gandiert mit Imidazol (B) oder 1,2–Dimethylimidazol (C) vor. Die EPR-Spektren dieser drei
Modellkomplexe in Abbildung 5.9 unterscheiden sich sehr deutlich voneinander. EPR-Spektrum
(A) ist typisch fur den high-spin Zustand des Fe3+-Zentralmetallions mit einem Gesamtspin von
S = 5/2. Der g-Tensor ist axial mit den Komponenten g⊥ = 6,0 und g|| = 2,0 [108]. Durch die
Koordination mit den starken Liganden Imidazol (B) bzw. 1,2–Dimethylimidazol (C) findet ein
5.3 Hamin als redoxaktiver Kofaktor 79
Abbildung 5.9: X-Band cw-EPR-Spektren von Haminmodellkomplexen gleicher Konzentration (5,3
mM) in DMSO: Fe(III)PPIX (A), Fe(III)PPIX(Im)2 (B) und Fe(III)PPIX(1,2-DiMeIm)2 (C). Die
Modellkomplexe zeigen einen typischen high-spin (A), regularen low-spin (B) und hoch-anisotropen
low-spin (C) Zustand an [164]. Durch die 20-fach vergroßerte Darstellung von Spektrum (C) ge-
genuber (A) tritt das Hintergrund-Signal des rhombischen Eisens bei g = 4,3 (paramagnetische
Verunreinigung) starker hervor. Ferner sind in Spektrum (C) geringfugige Reste einer high-spin und
einer regularen low-spin Spezies enthalten.
80 5. Charakterisierung von Polypeptidmodulen mit einer Metalloporphyrin-Bindungsstelle
Ubergang in den low-spin Zustand mit einem Gesamtspin S = 1/2 statt. Das EPR-Spektrum
von bis–Imidazol–Fe(III)PPIX (B) zeigt einen rhombischen g-Tensor mit gz = 2,9, gy = 2,3 und
gx = 1,5. Dieses EPR-Spektrum ist diagnostisch fur einen regularen low-spin Fe3+-Komplex,
in dem die Ebenen der axialen Imidazol-Liganden parallel zueinander orientiert sind [165]. Im
Unterschied dazu ist in bis-1,2-Dimethylimidazol-Fe(III)PPIX (C) diese Anordnung der axia-
len Liganden durch die Methylgruppen sterisch gehindert [164]. Im EPR-Spektrum (C) tritt
neben geringfugigen Resten an high-spin und regularem low-spin Fe3+ bei gmax = 3,5 ein brei-
tes Signal auf. Dieses Signal wird einer sogenannten hoch-anisotropen low-spin (HALS) Spezies
zugeordnet [166] und zeigt eine verdrehte oder auch verkippte Stellung der axialen Liganden
an [165,167]. Die gmax-Komponente entspricht dem gz-Wert des Komplexes. Die beiden anderen
Komponenten gy und gx sind stark verbreitert und im EPR-Spektrum nicht aufzulosen [165].
Da alle drei Proben dieselbe Konzentration an Hamin aufweisen (5,75 mM), kann anhand
der EPR-Spektren aus Abbildung 5.9 ein Anhaltspunkt zur Quantifizierung unterschiedlicher
Fe3+-Zustande gewonnen werden. So verbirgt sich hinter dem relativ schwachen gmax-Signal der
HALS-Spezies ein beachtlicher Mengenanteil der Probe. Ein deutliches g⊥-Signal eines high-spin
Fe3+-Zustandes, der mit S=5/2 ein hohes Ubergangsdipolmoment besitzt, wird dagegen schon
von einer außerst geringen Konzentration dieser Spezies hervorgerufen.
Abbildung 5.10 zeigt die X-Band cw-EPR-Spektren der de novo synthetisierten Hamprote-
ine Hamin-mMOP1 (A) und Hamin-mMOP2 (B). Beide EPR-Spektren werden von low-spin
Fe3+-Signalen dominiert. Bei g⊥ = 6,0 tritt ein schwaches high-spin Fe3+-Signal auf, dessen g||-
Komponente bei g = 2,0 von anderen paramagnetischen Verunreinigungen verdeckt wird. Der
geringe Anteil an high-spin Fe3+ (< 1 % ) zeigt, daß der Kofaktor nahezu vollstandig in die Po-
lypeptidmodule eingebaut wurde. In den de novo synthetisierten Hamproteinen liegt somit eine
starke axiale Koordination des Kofaktors durch zwei Histidingruppen vor. Die Einbindung des
Hamins in das Polypeptidmodul ist jedoch sehr heterogen. Neben den Signalen eines regularen
low-spin Fe3+-Zustandes treten im Bereich von g = 3,0 – 3,5 typische HALS-Signale auf, die in
Abbildung 5.10 durch eine graue Schraffur unterlegt sind. Die Aufspaltung der gz-Komponente
des low-spin Zustandes (markiert durch zwei Pfeile in Abbildung 5.10) zeigt ferner an, daß das
regulare low-spin Spektrum mindestens zwei verschiedene Spezies enthalt.
Die Simulation der EPR-Spektren von Hamin-mMOP1 und Hamin-mMOP2 (gestrichelte
Linie in Abbildung 5.10) setzt sich insgesamt aus zwei low-spin Spezies und zwei HALS-Spezies
5.3 Hamin als redoxaktiver Kofaktor 81
Abbildung 5.10: X-Band cw–EPR-Spektren von Hamin-mMOP1 (A) und Hamin-mMOP2 (B).
Die Simulation (gestrichelte Linie) von (A) setzt sich aus zwei low-spin Spezies mit gz,y,x = 2,94,
2,27, 1,53 (21 %) und gz,y,x = 2,83, 2,27, 1,57 (16 %) sowie zwei HALS-Spezies mit gz,y,x = 3,55,
2,00, 0,80 (15 %) und gz,y,x = 3,15, 2,00, 0,80 (48 %) zusammen. Fur die Simulation von (B)
wurden zwei low-spin Spezies mit gz,y,x = 2,94, 2,28, 1,55 (32 %) und gz,y,x = 2,83, 2,28, 1,53 (13
%) sowie zwei HALS-Spezies mit gz,y,x = 3,67, 2,00, 0,80 (21 %) und gz,y,x = 3,30, 2,00, 0,80 (34
%) eingesetzt. Die Spektren wurden per Auge angepaßt. Die Genauigkeit in der Abschatzung der
relativen Mengenanteile liegt bei etwa 10%. Bei g = 2.0 treten paramagnetische Verunreinigungen
in den EPR-Spektren auf.
82 5. Charakterisierung von Polypeptidmodulen mit einer Metalloporphyrin-Bindungsstelle
zusammen. Dabei wurde jeder Spezies in der Simulation ein g-strain Mechanismus zur Linien-
verbreiterung zugrunde gelegt (siehe Abschnitt 4.4.1). Nach dem g-strain Mechanismus fuhrt
Mikroheterogeneitat in der Umgebung der paramagnetischen Spezies zu einer statistischen Va-
riation ihrer g-Tensorhauptwerte und damit zur inhomogenen Linienverbreiterung. Jedem g-
Tensorhauptwert gi (i=x,y,z) ist eine Gaußsche Normalverteilung mit Standardabweichung σgi
zugeordnet. Zur Simulation der EPR-Spektren von Hamin-mMOP1 und Hamin-mMOP2 war
es nicht ausreichend eine paramagnetische Spezies mit stark erhohtem g-strain einzusetzen. Die
statistische Verteilung der g-Tensorwerte nach Gaußscher Normalverteilung ist zu gleichmaßig,
um die Konturen der EPR-Spektren wiederzugeben. Da aus den gemessenen EPR-Spektren
nur der gmax-Wert der HALS-Spezies entnommen werden konnte, wurden fur die restlichen g-
Tensorkomponenten der HALS-Spezies typische Literaturwerte aus Moßbaueruntersuchungen
an Modellkomplexen verwendet [165]. Fur die stark verbreiterten HALS-Signale wurden Werte
von σgz = 0,12 – 0,22 und σgy = σgx = 0,40 angesetzt. Die Linienbreitenparameter der low-spin
Spezies liegen in einem Wertebereich von σgz = 0,03 – 0,05, σgy = 0,01 – 0,04 und σgx = 0,05 –
0,08.
In den Simulationen liegt der Anteil der HALS-Spezies bei 63 (± 10) % fur Hamin-mMOP1
und bei 55 (± 10) % fur Hamin-mMOP2. Der Vergleich mit den EPR-Spektren der Modellkom-
plexe aus Abbildung 5.9 fuhrt zu einer ahnlichen Abschatzung von mindestens 50 % HALS. Somit
zeigen beide Polypeptidmodule eine Verteilung an Konformeren, die sich in der Orientierung der
axialen Liganden unterscheiden. Neben einer Koordination des Hamins durch Histidingruppen,
deren Ebenen nahezu parallel zueinander orientiert sind, treten auch Bindungssituationen auf,
in denen die Histidinliganden gegeneinander verdreht oder verkippt sind. Da die Polypeptidmo-
dule mMOP1 und mMOP2 nur eine Bindungstasche fur den Kofaktor Hamin enthalten, muß
die Heterogeneitat der EPR-Spektren durch unterschiedliche Faltungszustande der Vier-Helix-
Bundel hervorgerufen werden. Strukturelle Fluktuationen zwischen unterschiedlichen Konforme-
ren konnen bei den tiefen Temperaturen (20 K) in den gefrorenen Losungen der EPR-Proben
nicht mehr auftreten.
Um Einfluß auf den Faltungszustand der Polypeptidmodule zu nehmen, wurde das chao-
trope Agenz Gdn·HCl eingesetzt. Abbildung 5.11 zeigt die EPR-Spektren von Hamin-mMOP1und Hamin-mMOP2 nachdem die Proben aus Abbildung 5.10 aufgetaut, mit Gdn·HCl versetzt(Endkonzentration 2,5 M) und wieder eingefroren wurden. Bei Hamin-mMOP1 tritt dabei eine
5.3 Hamin als redoxaktiver Kofaktor 83
drastische Verringerung der Heterogeneitat im EPR Spektrum ein. Das EPR-Spektrum (A) zeigt
fast ausschließlich eine regulare low-spin Spezies mit gz,y,x = 2,89, 2,29, 1,57 und relativ schma-
len Linien mit σgx,gy,gz = 0,04, 0,02, 0,04. Damit liegt eine definierte Einbindung des Kofaktors
Hamin in mMOP1 vor. Die Koordination des Hamins erfolgt uber zwei Histidingruppen, deren
Ebenen parallel zueinander orientiert sind. Das EPR-Spektrum von Hamin-mMOP2 (B) setzt
sich dagegen nach wie vor aus mehreren Spezies zusammen. Zur Simulation des EPR-Spektrums
wurde eine high-spin Fe3+ (3 %), eine regulare low-spin Fe3+ (47 %) und zwei HALS-Spezies
(50 %) eingesetzt. Das Auftreten der high-spin Fe3+-Spezies zeigt an, daß bereits ein gerin-
ger Anteil des Hamins durch die denaturierende Wirkung des Gdn·HCl in Losung freigesetztwurde. Daruberhinaus kommt es durch den Zusatz von Gdn·HCl zu einer Verschiebung derg-Tensorhauptwerte der regularen und hoch-anisotropen low-spin Spezies.
Wie ist der Einfluß des Gdn·HCl auf die Faltungszustande von Hamin-mMOP1 und Hamin-mMOP2 zu erklaren? Beide de novo synthetisierten Hamproteine werden durch Salzbrucken
und die Minimierung der hydrophoben Oberflache stabilisiert. Das chaotrope Agenz Gdn·HClstort diese Wechselwirkungen und tragt so zum Entfalten der Strukturen bei. Wenn Konformere
unterschiedlicher Stabilitat vorliegen, werden die suboptimal gefalteten, instabileren Strukturen
zuerst vollstandig aufgelost. Das freigesetzte Hamin kann dann in unbesetzte Polypeptidmodule
eingelagert werden, die eine hohere Stabilitat aufweisen. Die entfalteten Polypeptidmodule konn-
ten sich dann erneut zu Vier-Helix-Bundeln mit optimierter Struktur zusammenlagern und den
Kofaktor Hamin aufnehmen. Bei Hamin-mMOP1 hat dieser Prozeß zu einer deutlichen Verbes-
serung in der Spezifitat der Bindungssituation von Hamin gefuhrt. Bei Hamin-mMOP2 ist dies
auch bei Variation der Gdn·HCl Konzentration nicht gelungen. Ehe es zur Auflosung ungunstiggefalteter Konformere kommt, wird in diesem Polypeptidmodul der Kofaktor Hamin in Losung
freigesetzt. Wie bereits anhand der Denaturierungsexperimente in Abschnitt 5.3.3 festgestellt
wurde, ist Hamin-mMOP1 im Vergleich zu Hamin-mMOP2 gegenuber einer Entfaltung mit
Gdn·HCl stabiler.Moglicherweise spielt bei Hamin-mMOP1 auch die Tendenz Aggregate zu bilden eine Rol-
le, wahrend bei Hamin-mMOP2 keine Zusammenlagerungen der Vier-Helix-Bundel festgestellt
wurde (siehe Abschnitt 5.3.1). Wie mit Hilfe der analytischen Gelfiltration gezeigt werden konn-
te, kann durch Inkubation mit Gdn·HCl die Ausbildung von Aggregaten der PolypeptidmoduleHamin-mMOP1 zuruckgedrangt werden. In diesem Fall tragt das denaturierende Agenz Gdn·HCl
84 5. Charakterisierung von Polypeptidmodulen mit einer Metalloporphyrin-Bindungsstelle
Abbildung 5.11: X-Band cw–EPR-Spektren von Hamin-mMOP1 (A) und Hamin-mMOP2 (B)
nach Zusatz von Guanidiniumhydrochlorid (2,5 M) mit Simulation (gestrichelte Linie). Wahrend
Spektrum (A) einen reinen low-spin Zustand mit gz,y,x = 2,89, 2,29, 1,57 (100 %) zeigt, treten in
Spektrum (B) zusatzlich high-spin und HALS-Signale auf. Die Simulation von Spekrum (B) setzt
sich zusammen aus einer high-spin Spezies mit gz,y,x = 6,0, 6,0, 2,0 (3%), einer low-spin Spezies mit
gz,y,x = 2,93, 2,27, 1,51 (47%) und zwei HALS-Spezies mit gz,y,x = 3,25, 2,00, 0,80 (8%), gz,y,x =
3,80, 2,00, 0,80 (42%). Die Signale bei g = 2.0 sind paramagnetischen Verunreinigungen zuzuordnen.
5.4 Einbau eines Kobaltporphyrins 85
zur Separation der Vier-Helix Bundel voneinander bei, in dem es die Wechselwirkungen zwischen
verschiedenen Polypeptidmodulen aufbricht.
Die g-Tensorhauptwerte stehen in fester Beziehung zur elektronischen Struktur der low-
spin Fe3+-Komplexe. Wie in Abschnitt 3.4.1 gezeigt wurde, kann auf der Basis der Liganden-
feldanalyse der g-Tensorhauptwerte [117] auf die Besetzung und energetische Aufspaltung der
d-Orbitale des Zentralmetallions Fe3+ geschlossen werden. Damit zeigt die Verschiebung der
g-Tensorhauptwerte durch den Zusatz von Gdn·HCl strukturelle Veranderungen des Faltungs-zustandes der Bindungstasche an. Da bei der hier auftretenden Uberlagerung verschiedener Spe-
zies die Zuordnung der g-Tensorhauptwerte jedoch nicht eindeutig ist, werden die Ergebnisse der
Ligandenfeldanalyse hier nicht im Detail aufgelistet, sondern kurz zusammengefaßt.
Die Parameter der Ligandenfeldanalyse liegen in einem Wertebereich der typisch fur bis-
Histidin-ligandiertes Hamin ist. Die tetragonale Aufspaltung ∆/λ, welche ein Maß fur die Starke
der axialen Liganden ist [165], liegt zwischen 3,0 und 3,4. Die rhombische Aufspaltung V/λ der
regularen low-spin Spezies erreicht Werte von 1,9 bis 2,1. Fur die HALS-Spezies verringert sich,
wie fur eine verdrehte Anordnung der Histidinebenen zu erwarten, die rhombische Aufspaltung
zu Werten zwischen 0,8 und 1,0 [165]. Im nachsten Kapitel, in dem der Schwerpunkt auf den
magnetischen Resonanzmethoden liegt, wird naher auf die Interpretation von Ligandenfeldpa-
rametern in bis-Histidin-ligandierten Haminkomplexen eingegangen.
5.4 Einbau eines Kobaltporphyrins
Durch den Austausch des Zentralmetallions Fe3+ gegen Co2+ konnen neue funktionelle Eigen-
schaften in die Polypeptidmodule eingefuhrt werden. Das Ubergangsmetallion Co2+ ist eben-
falls redoxaktiv. In den Proteinen Hamoglobin und Myoglobin wurde die Hamgruppe gegen
Co(II)protoporphyrin IX (Co(II)PPIX) ausgetauscht, um die reversible Sauerstoffbindung zu
untersuchen [169,170]. Daruberhinaus kann der Kofaktor Co(II)PPIX als neue paramagnetische
Sonde zur Charakterisierung der Polypeptidmodule eingesetzt werden. In Untersuchungen an
Modellkomplexen zeigte sich, daß die Hyperfeinwechselwirkung des ungepaarten Elektronenspins
mit dem Zentralmetall (59Co tragt einen Kernspin von I = 7/2) sowie mit dem koordinieren-
den Stickstoffatom axialer Imidazol-Liganden direkt aus den EPR-Spektren zuganglich ist (siehe
auch Ref. [171–173]).
86 5. Charakterisierung von Polypeptidmodulen mit einer Metalloporphyrin-Bindungsstelle
Zunachst sollte geklart werden, ob sich Co(II)PPIX uberhaupt in kunstliche Vier-Helix-
Bundel mit einer bis-Histidin-Bindungstasche einbauen laßt. Fur diese Versuche wurde das Po-
lypeptidmodul mMOP1 eingesetzt.
Co(II)PPIX in waßriger Losung neigt zur Oxidation durch den Luftsauerstoff [174]. Bei
den ersten Einbauversuchen wurde daher Co(III)PPIX-mMOP1 erhalten. Abbildung 5.12 (A)
zeigt die UV/VIS-Absorptionsspektren des freien Kofaktors Co(III)PPIX und von Co(III)PPIX-
mMOP1. Durch den Einbau des Kofaktor verschiebt sich die Soret-Bande von 418 nm auf 426
Abbildung 5.12: (A): UV–VIS Spektrum des Kobaltporphyrins in waßriger Phosphatpufferlosung
pH 7,0 (– –) und durch Zusatz von Dithionit im reduzierten Zustand (· · · ). Eingebaut im oxidierten
Zustand im Polypeptidmodul mMOP1 (—). (B): Reduktion von Co(III)PPIX-mMOP1 mit festem
Natriumdithionit nach 0 min, 3 min, 7 min, 15 min, 30 min und 60 min.
5.4 Einbau eines Kobaltporphyrins 87
nm. Außerdem nimmt die Intensitat der α-Bande bei 570 nm gegenuber der β-Bande bei 535
nm ab. Wahrend bei Fe(III)PPIX-mMOP1 durch den Zusatz von Dithionit eine spontane und
vollstandige Reduktion des Zentralmetallions eintritt, reagiert Co(III)PPIX-mMOP1 nur sehr
langsam mit Dithionit. Abbildung 5.12 (B) zeigt die spektralen Veranderungen, die bei Zugabe
von festem Natriumdithionit innerhalb einer Stunde beobachtet wurden. Die Soret-Bande bei
426 nm verliert an Intensitat, wahrend bei etwa 401 nm eine neue Bande auftritt. Im Bereich
der α- und β-Bande verbreitert sich das Spektrum. Lost man Kobaltporphyrin unter Zusatz
von Dithionit in waßriger Losung (Abbildung 5.12 (A)), erhalt man Co(II)PPIX im reduzierten
Zustand. Die Soret-Bande des Kofaktors liegt kurzwellig verschoben bei 401 nm. Bei Zugabe des
Polypeptidmoduls treten keine signifikanten spektralen Veranderungen auf. Damit kann nicht
nachgewiesen werden, ob ein Einbau im reduzierten Zustand erfolgt. Kommt die Losung nun
mit Luftsauerstoff in Kontakt wird der Kofaktor sofort oxidiert und man erhalt das UV/VIS-
Absorptionsspektrum von Co(III)PPIX-mMOP1.
Bei der Gelfiltration der Proben wurde festgestellt, daß das Polypeptidmodul den Kofaktor
nur im oxidierten Zustand fest einbindet. Unter Sauerstoffausschluß und reduzierenden Bedin-
gungen wurde eine Trennung des Kofaktors auf der Saule vom Polypeptidmodul beobachtet. Dies
bedeutet, daß die langsame Reduktion mit der Freisetzung des Kofaktors in die Losungsmitte-
lumgebung einhergeht. Die Ursache fur die geringe Stabilitat und die langsame Reduktion des
Kobaltporphyrin im Polypeptidmodul ist die unterschiedliche elektronischen Struktur des Zen-
tralmetallions Co2+ (d7) und Co3+ (d6). Wahrend Co2+-Komplexe im allgemeinen eine 5-fache
Koordination vorziehen, ist Co3+ meist 6-fach ligandiert [175]. Bei Co3+-Komplexen wirken
insbesondere starke Liganden stabilisierend, da ein low-spin Zustand mit einer geschlossenen
t62g Unterschale gebildet werden kann. Da sich im Vier-Helix-Bundel mMOP1 zwei Histidin-
Seitengruppen auf gleicher Hohe gegenuberstehen, wird der oxidierte Zustand durch die axiale
Koordination des Zentralmetallions mit diesen beiden starken Liganden gegenuber dem redu-
zierten Zustand energetisch offenbar deutlich begunstigt.
Das Ziel, eine zu Hamin komplementare EPR-Probe in das Polypeptidmodul einzufuhren,
wurde nicht erreicht. Co3+-Komplexe sind in ihrem low-spin Zustand diamagnetisch mit einem
Gesamtspin von S=0. Diese Untersuchung zeigt jedoch deutlich, daß die elektronischen Eigen-
schaften des Zentralmetallions und seine Wechselwirkung mit den axialen Liganden der Poly-
peptidumgebung die Einbindung eines Metalloporphyrins in die Vier-Helix-Bundel entscheidend
88 5. Charakterisierung von Polypeptidmodulen mit einer Metalloporphyrin-Bindungsstelle
beeinflußt. Fur eine stabile Einbindung von Co(II)PPIX ware eine Bindungstasche mit nur einem
Histidinrest vermutlich gunstiger. In den naturlichen Hamproteinen Myoglobin und Hamoglo-
bin, in welchen der Kofaktor Hamin durch Co(II)PPIX ausgetauscht werden konnte, wird das
Kobaltporphyrin uber die axiale Koordination mit einem Histidin (dem proximalen Histidin)
in die Proteinmatrix eingebunden [170, 176]. Allerdings weisen auch diese naturlichen Systeme
eine außerst langsame Reduktionskinetik auf, wenn zunachst Co(III)PPIX in das Apoprotein
eingebaut wird [170]. Dies wird uber die Notwendigkeit konformationeller Anderungen der Pro-
teinumgebung bei der Reduktion des Kofaktors erklart [177]. Der oxidierte Zustand unterschei-
det sich dabei durch die zusatzliche Koordination eines zweiten Histidinliganden (dem distalen
Histidin) an das Zentralmetallion Co3+ vom reduzierten Zustand. Im Gegensatz zu dem kunst-
lichen Vier-Helix-Bundel mMOP1 verbleibt der reduzierte Kofaktor Co(II)PPIX auch nach der
Reorganisation der Bindungstasche im Protein.
5.5 Zink(II)porphyrin als Kofaktor
Zn2+ unterscheidet sich von den beiden anderen Zentralmetallionen Fe2+/3+ und Co2+/3+ der
bisher hier untersuchten Metalloporphyrinkofaktoren durch seine geschlossene d10-Unterschale.
Die Eigenschaften der beiden typischen Ubergangsmetallionen Fe2+/3+ und Co2+/3+ werden im
wesentlichen durch ihre d-Valenzelektronen bestimmt und werden fur redoxchemische Umwand-
lungen eingesetzt, die aus dem Grundzustand erfolgen. Zn(II)protoporphyrin IX kann dagegen
nach Anregung mit sichtbarem Licht als Donator in lichtinduzierten Elektronentransferprozes-
sen eingesetzt werden. In Kombination mit geeigneten Akzeptormolekulen wie z.B. Chinonen
konnten so Polypeptidmodule realisiert werden, die sich als Modellsysteme der Photosynthese
einsetzen lassen. Als erster Schritt zur Entwicklung dieser neuen Systeme wurde Zn(II)PPIX in
das Vier-Helix-Bundel mMOP1 eingebaut. Die Untersuchung beschrankt sich auf eines der bei-
den Polypeptidmodule (mMOP1), da hier zunachst im Vordergrund steht, ob sich diese neuen
Elektronentransfersysteme prinzipiell realisieren lassen.
Im Folgenden soll zunachst der Einbau des Kofaktors Zn(II)PPIX in das Polypeptidmodul
mMOP1 nachgewiesen und charakterisiert werden. Parallel dazu wurde Myoglobin (Zn(II)Mb)
untersucht, in welchem die Hamgruppe durch Zn(II)PPIX ausgetauscht wurde. Damit kann ein
Vergleich zwischen dem kunstlichen Vier-Helix-Bundel und einem bereits gut charakterisierten
5.5 Zink(II)porphyrin als Kofaktor 89
Proteingerust durchgefuhrt werden.
5.5.1 UV/VIS-Absorptionsspektroskopie
Der Einbau des Kofaktors Zn(II)PPIX in das Polypeptidmodul kann direkt uber die UV/VIS-
Absorptionsspektroskopie nachgewiesen werden. Abbildung 5.13 (A) zeigt das Spektrum des
freien Kofaktors im direkten Vergleich zu Zn(II)PPIX-mMOP1. Neben der ausgepragten Soret-
Bande bei 425 nm unterscheidet sich das Spektrum des Kofaktors im Polypeptidmodul durch
die Intensitatszunahme der β-Bande (551 nm) gegenuber der α-Bande (587 nm) von freien
Zn(II)PPIX in waßriger Losung. Das Intensitatsverhaltnis der α- und β-Bande mit εα/εβ < 1 ist
diagnostisch fur die axiale Koordination des Zn(II)porphyrins mit einer Stickstoffbase [178,179].
Auch die UV/VIS-Absorptionsspektren von Zn(II)PPIX-Imidazol und Zn(II)Mb aus Abbildung
5.13 (B) zeigen dieses Merkmal.
Das UV/VIS-Absorptionsspektrum von Zn(II)PPIX-mMOP1 weist eine großere Ahnlich-
keit zum einfachen Modellkomplex Zn(II)PPIX-Imidazol auf als zu Zn(II)Mb. Das Derivat des
naturlichen Proteins besitzt eine außerst schmale Soret-Bande bei 428 nm sowie deutlich struk-
turierte α- und β-Banden bei 596 nm und 553 nm. Das naturliche Proteingerust bietet somit
eine spezifischere Umgebung als das Vier-Helix-Bundel mMOP1.
5.5.2 EPR-Spektroskopie am Triplettzustand
Zn(II)porphyrinsysteme sind in ihrem Grundzustand diamagnetisch mit einem Gesamtspin S=0.
Nach optischer Anregung entsteht durch ‘Intersystem Crossing’ aus dem angeregten Singulett-
ein Triplettzustand mit Gesamtspin S=1. Dieser kurzlebige Triplettzustand kann uber zeitauf-
geloste EPR-Spektroskopie charakterisiert werden kann.
Abbildung 5.14 zeigt die transienten cw-EPR-Spektren der Triplettzustande von
Zn(II)PPIX-mMOP1 (A, B) und Zn(II)PPIX-Myoglobin (C) im Bereich der |∆M| = 1
Ubergange. Die EPR-Spektren sind charakteristisch fur Pulverspektren von Triplettzustanden
mit Nullfeldtensoren rhombischer Symmetrie. Beide Spektren zeigen von der Tief- zur Hoch-
feldseite ein Polarisationsmuster aaa-eee aus absorptiven und emissiven Linien. Dieses fur
Zn(II)porphyrinsysteme typische Polarisationsmuster [180, 181] zeigt an, daß die Bildung des
Triplettzustandes durch ‘Intersystem Crossing’ mit bevorzugter Bevolkerung des Tz-Niveaus
90 5. Charakterisierung von Polypeptidmodulen mit einer Metalloporphyrin-Bindungsstelle
Abbildung 5.13:UV-VIS-Absorptionsspektrum des freien Kofaktors Zn(II)PPIX in Phosphatpuffer
pH 7,0 (– –) und eingebaut im Polypeptidmodul mMOP1 (—) (A). Zum Vergleich ist in (B) das
Absorptionsspektrum von Zn(II)Myoglobin (—) und von Zn(II)PPIX-Imidazol (– –) gezeigt.
5.5 Zink(II)porphyrin als Kofaktor 91
Abbildung 5.14: Transiente EPR-Spektren von Triplett-Zustanden des Zn(II)PPIX-mMOP1 (A
ohne Gdn·HCl, (B) mit 1 M Gdn·HCl) und Myoglobin (C), in welchem das Hamin durch
Zn(II)protoporphyrin IX ausgetauscht wurde (Zn(II)Mb). Die Spektren wurden nach optischer An-
regung (532 nm) bei 80 K aufgenommen. Die Nullfeldparameter |D| und |E| konnen aus den EPR-Spektren direkt abgelesen werden (siehe Text). Bei g = 2.0 (346 mT) deutet sich eine radikalische
Spezies unbekannten Ursprungs an.
92 5. Charakterisierung von Polypeptidmodulen mit einer Metalloporphyrin-Bindungsstelle
erfolgt [179]. Die daraus resultierende Spinpolarisation hat eine Lebensdauer im Bereich von
einigen µs.
Das Spektrum (A) von Zn(II)PPIX-mMOP1 wurde in Glycerin:H2O 3:2 aufgenommen. An-
schließend wurde die Probe aufgetaut und Gdn·HCl zugesetzt (Endkonzentration 1M). Nachdem Einfrieren der Probe wurde Spektrum (B) gemessen. Bei einer 1M Gdn·HCl Konzentra-tion sollte der Kofaktor, wie UV/VIS-spektroskopischen Untersuchungen zeigen, noch im Po-
lypeptidmodul gebunden sein. Die beiden transienten EPR-Spektren des Zn(II)PPIX-mMOP1
unterscheiden sich leicht in ihrer spektralen Ausdehnung. Sie zeigen jedoch beide im Vergleich
zu Zn(II)Mb in Spektrum (C) relativ breite Linien.
Die EPR-Spektren enthalten Informationen uber die dipolare Wechselwirkung der beiden un-
gepaarten Elektronenspins des Triplettzustandes, die zu einer Nullfeldaufspaltung fuhren (siehe
Abschnitt 3.1). Die Nullfeldparameter |D| und |E| der Triplettzustande aus Abbildung 5.14 wur-den direkt durch Ablesen aus den Spektren ermittelt. Fur Zn(II)PPIX-mMOP1 ohne Zusatz an
Gdn·HCl ergibt sich |D| = 351(± 10) × 10−4 cm−1, |E| = 58 (± 10) × 10−4 cm−1 aus Spektrum
(A) und mit Zusatz an Gdn·HCl folgt |D| = 360(± 10) × 10−4 cm−1, |E| = 61 (± 10) × 10−4
cm−1 aus Spektrum (B).1 Die Nullfeldparameter |D| = 350(± 5) × 10−4 cm−1, |E| = 67 (± 5)
× 10−4 cm−1 von Zn(II)Mb aus Spektrum (C) sind in guter Ubereinstimmung mit Literatur-
werten [179,180]. Der Nullfeldparameter |D| ist ein Maß fur die Ausdehnung der elektronischenWellenfunktion des Triplettzustandes [87]. Er liegt in einem Wertebereich von 350 (± 20) × 10−4
cm−1, der typisch fur den Makrozyklus Protoporphyrin IX ist [179,182]. Der Nullfeldparameter
|E| gibt die Verzerrung des Systems ausgehend von einer tetragonalen Symmetrie an [87]. FurZn(II)porphyrinsysteme findet man |E|-Werte in einem Bereich von 0 – 70 × 10−4 cm−1 [182],
wobei der Nullfeldparameter |E| fur eine quadratisch planare Geometrie gegen Null geht. ImFalle des eingebauten Zn(II)PPIX fuhrt die axiale Ligandierung uber Histidin-Seitengruppen
und die Konjugation der Vinylgruppen an der Peripherie des Porphyringrundgerustes zu einer
rhombischen Verzerrung des Systems [179].
Das transiente EPR-Spektrum von Zn(II)Mb (C) hebt sich von den beiden Spektren des
Zn(II)PPIX-mMOP1 (A, B) durch scharfere Konturen ab. Damit sind die Nullfeldparameter
in Zn(II)Mb besser definiert, was auf einen spezifischeren Einbau des Kofaktors im naturlichen
Proteingerust im Vergleich zu dem Polypeptidmodul schließen laßt. Da bei Hamin-mMOP1
1Der Umrechnungsfaktor zwischen der Feldskala (mT) und der Einheit 10−4 cm−1 betragt 9,35.
5.5 Zink(II)porphyrin als Kofaktor 93
durch den Zusatz von Gdn·HCl eine Verbesserung hinsichtlich eines wohldefinierten Einbausdes Kofaktors erzielt werden konnte (siehe Abbildung 5.11), wurde auch zu dem Polypeptid-
modul Zn(II)PPIX-mMOP1 Gdn·HCl zugegeben. Dabei wurde jedoch in dem dazugehorigen
EPR-Spektrum (B) keine Reduktion der Linienbreite festgestellt. Stattdessen nimmt die spek-
trale Ausdehnung und damit der effektive Wert des Nullfeldparameters |D| leicht zu. Da derNullfeldparameter |D| ein Maß fur die Ausdehnung der Triplettwellenfunktion ist, konnte sichdie Konformation des Porphyrinringes verandert haben. Die Zunahme von |D| spricht dabei fureinen Ubergang von einer leicht gebogenen zu einer planaren Konformation. Dies kann von einer
Aufweitung der Bindungstasche oder gar einer Freisetzung des Kofaktors herruhren.
Bei dem Vergleich der Nullfeldparameter |D| und insbesondere |E| mit Literaturwerten istdarauf zu achten, daß in Triplettzustanden von Porphyrinsystemen dynamische Jahn-Teller Ver-
zerrungen auftreten konnen, die zu einer Variation der Nullfeldparameter in Abhangigkeit von
der Temperatur fuhren [183]. Die hier untersuchten Proben zeigen jedoch in Ubereinstimmung
mit anderen EPR-spektroskopischen Untersuchungen an Zn(II)protoporphyrin IX im Bereich
von 5 bis 80 K keine signifikanten spektralen Veranderungen.
5.5.3 Blitzlichtspektroskopie und Elektronentransfer
Abbildung 5.15 (A) zeigt das Triplett−Singulett Absorptionsdifferenzspektrum von Zn(II)PPIX-mMOP1 und Zn(II)Mb, das mit Hilfe der Blitzlichtspektroskopie erhalten wurde. Diese Spektren
wurden aus Zeitspuren, die bei einzelnen Wellenlangen aufgenommen wurden, ermittelt. Der
Bildausschnitt (B) zeigt dazu exemplarisch den zeitliche Verlauf der Absorptionsanderung bei
460 nm von Zn(II)PPIX-mMOP1 und Zn(II)Mb nach der Blitzlichtanregung. Bei 460 nm zeigt
der Triplettzustand des Zinkporphyrins eine starke Absorption. Die Zeitspuren beider Proben,
die den Zerall des Triplettzustandes nach der Blitzlichtanregung wiedergeben sollten, lassen sich
jedoch nur mit biexponentiellen Funktionen anpassen. Dieses Verhalten wurde fur Zn(II)Mb
bereits festgestellt [184]. Da in gefrorener Losung bei 77 K dynamische Prozesse, die auf der
Kollision verschiedener Reaktionspartner beruhen, auszuschließen sind, liegt vermutlich eine
zweite Spezies im Grundzustand oder dem angeregten Zustand vor. Neben einer Verzerrung des
Porphyringerustes [184] ist auch eine bereits vorliegende photochemische Schadigung der Probe
durch Luftsauerstoff denkbar [185]. Die Hauptkomponente der Zeitspuren mit einer uber den
gesamten Wellenlangenbereich konstanten Halbwertszeit von 17,0 ms fur Zn(II)Mb bzw. 19,4 ms
94 5. Charakterisierung von Polypeptidmodulen mit einer Metalloporphyrin-Bindungsstelle
Abbildung 5.15: (A): Triplett-Singulett Absorptionsdifferenzspektren bei 77 K von Zn(II)PPIX-
mMOP1 (- -•- -) und Zn(II)Mb (–�–). (B): Der Bildausschnitt zeigt die Zeitspuren bei 460 nmund ihre Anpassung an biexponentielle Funktionen mit Halbwertszeiten von t1=17,0 ms (Anteil
A1=90%), t2=3,4 ms (A2=10%) bei Zn(II)Mb (obere Spur) und t1=19,4 ms (A1=76%), t2=5,6 ms
(A2=24%) bei Zn(II)PPIX-mMOP1 (untere Spur).
fur Zn(II)PPIX-mMOP1 wird dem Zerfall des ersten angeregten Triplettzustandes zugeordnet
[184, 186]. Um das Triplett−Singulett Absorptionsdifferenzspektrum in Abbildung 5.15 (A) zu
erhalten, wurde die relative Amplitudenanderung dieser Zeitkomponente gegen die Wellenlange
aufgetragen.
Die Triplett−Singulett Absorptionsdifferenzspektren geben die Anderung der Absorptionausgehend vom elektronischen Singulett-Grundzustand nach der Anregung in den Triplettzu-
stand wieder. Wenn der angeregte Triplettzustand bei einer bestimmten Wellenlange eine hohere
Absorption aufweist als der Grundzustand, wird eine positive Absorptionsanderung aufgezeich-
net. Im anderen Fall sieht man in den Triplett−Singulett Absorptionsdifferenzspektren einenegative Bande, die der Ausbleichung der hier dominierenden Absorptionsbande des Singulett-
Grundzustandes entspricht. In Abbildung 5.15 (A) sind neben dem Ausbleichen der Soret-Bande
5.5 Zink(II)porphyrin als Kofaktor 95
(bei circa 425 nm), die fur Zn(II)Mb etwas schmaler als fur Zn(II)PPIX-mMOP1 ausfallt, auch
die α- und β-Banden bei etwa 590 nm und 550 nm deutlich zu erkennen. Eine positive Absorpti-
onsanderung tritt im Bereich von 440 nm bis 530 nm auf. In diesem Wellenlangenbereich besitzt
der Triplettzustand hohere Extinktionskoeffizienten der optischen Ubergange als der Singulett-
Grundzustand.
Mit Zn(II)Mb wurden bereits einige Untersuchungen zum lichtinduzierten Elektronentrans-
fer in flussiger Losung durchgefuhrt [184–187]. Dabei wurde Anthrachinon-2-sulfonsaure (AQS)
als Elektronenakzeptor eingesetzt. Hier soll nun der lichtinduzierte Elektronentransfer zwischen
Zn(II)PPIX eingebaut im mMOP1 und AQS mit Hilfe der Blitzlichtspektroskopie untersucht
werden. Zur Beobachtung der lichtinduzierten Elektronentransferreaktion zwischen Zn(II)PPIX
und AQS hat sich die Beobachtungswellenlange 674 nm als vorteilhaft herausgestellt. Das
Zn(II)porphyrinradikalkation zeigt in diesemWellenlangenbereich eine Absorption [186,188,189].
Damit wird anstelle des Zerfalls des Eduktes, dem Zn(II)porphyrin-Triplettzustand, die Bildung
des Produktes, das Zn(II)porphyrinradikalkation, verfolgt.
In Abbildung 5.16 sind die Zeitspuren bei 674 nm von Zn(II)PPIX-mMOP1 (A) und ZnMb
(B) gezeigt. Die obere Spur zeigt jeweils den Zerfall des Triplettzustandes ohne Zusatz von AQS.
In der unteren Spur, die nach einem Zusatz von AQS (Konzentration 2,4 µM) aufgezeichnet wur-
de, ist dagegen die Bildung einer neuen Spezies zu sehen. Da der Anstieg der Absorption durch
den Zusatz von AQS bei einer fur Zn(II)porphyrinradikalkationen typischen Beobachtungswel-
lenlange erfolgt, handelt es sich hier um die Entstehung des Produktes der Elektronentransferre-
aktion zwischen dem angeregten Triplettzustand des Zn(II)PPIX und AQS. Da dies sowohl fur
Zn(II)PPIX-mMOP1 als auch Zn(II)Mb beobachtet werden konnte, ist belegt, daß der Kofaktor
Zn(II)PPIX auch im Polypeptidmodul zu lichtinduziertem Elektronentransfer fahig ist.
Schema 5.17 zeigt ein vereinfachtes Reaktionsschema fur den Elektronentransfer zwischen
dem Triplettzustand von Zn(II)PPIX (T ,) und AQS (Q) hin zum Produkt (P ), das dem Radi-
kalkation des Zn(II)PPIX entspricht. Die Zerfallsprozesse des Triplettzustandes, wie die strah-
lungslose Desaktivierung, Phosphoreszenz und weitere Loschprozesse außerhalb der Elektronen-
transferreaktion mit AQS werden in der Zerfallsrate 1/τ0 zusammengefaßt. Das Produkt P ent-
steht nur intermediar und zerfallt mit einer Rate 1/τ ,. Zur Vereinfachung wird angenommen, daß
dieser Zerfallsprozeß nach einer Reaktion 1. Ordnung ablauft. Innerhalb dieses Schemas erhalt
man fur den Konzentrationsverlauf des Triplettzustandes T , und des intermediaren Produktes
96 5. Charakterisierung von Polypeptidmodulen mit einer Metalloporphyrin-Bindungsstelle
Abbildung 5.16: Einfluß von Anthrachinon-2-sulfonsaure (AQS) auf die Zeitspuren bei λ = 674
nm von Zn(II)PPIX-mMOP1 (A) und Zn(II)Mb (B). Ohne AQS wird die Kinetik der Absorpti-
on durch die prompte Bildung und den Zerfall des Triplettzustandes dominiert (obere Spur); mit
2,4 µM AQS wird die langsame Bildung und den Zerfall des Zn(II)porphyrinradikalkations (untere
Spur). Die Bildungsgeschwindigkeit (ermittelt durch Anpassung mit Exponentialfunktionen werden
bei verschiedenen AQS Konzentrationen aufgetragen (siehe Bildausschnitt).
5.5 Zink(II)porphyrin als Kofaktor 97
P folgende Zeitabhangigkeit [190]:
[T ,] = [T ,0 ]exp(−t/τ) (5.4)
[P ] =kq[Q][T
,0 ]
1/τ , − 1/τ (exp(−t/τ)− exp(−t/τ ,)) (5.5)
mit
τ = (1/τ0 + kq[Q])−1 . (5.6)
Der Anstieg und der Zerfall des Zn(II)porphyrinradikalkations wird damit durch zwei Expo-
nentialfunktionen wiedergegeben. Fur den Elektronentransferprozeß ist insbesondere die Zeit-
konstante τ der ersten ansteigenden Exponentialfunktion von Interesse. Tragt man τ−1 gegen
die Konzentration an AQS auf, so erhalt man aus der Steigung die sogenannte Loschkonstan-
te kq. Beide Systeme ergeben relativ ahnliche Werte fur kq mit 4,5 (± 1,0) × 108 M−1 s−1 fur
Zn(II)PPIX-mMOP1 (A) und 4,8 (± 1,0) × 108 M−1 s−1 fur ZnMb (B). Dies ist jedoch nur eine
grobe Naherung, da in der Blitzlichtspektroskopie auch andere bei 674 nm absorbierende Spezies
zu den Zeitspuren beitragen, deren Extinktionskoeffizienten, Lebenszeiten und Mengenverhalt-
nisse jedoch meist nicht bekannt sind. So tritt beispielsweise bereits in Anwesenheit geringer
Mengen von Restsauerstoff eine langlebige Spezies auf, was eine photochemische Schadigung der
Probe anzeigt [185,187]. Die Literaturwerte fur den lichtinduzierten Elektronentransfer zwischen
Zn(II)Mb und AQS liegen im Bereich von 2,1 × 108 M−1 s−1 bis 2,9 × 108 M−1 s−1 [184–186]
und sind damit etwas niedriger als der hier ermittelte Wert.
1 1
qk [Q]
’
PT*
τ 0 τ
Abbildung 5.17: Vereinfachtes Reaktionsschema fur einen Elektronentransfer zwischen einem an-
geregten Triplettzustand T � und einem Elektronenakzeptor (Q) zum Produkt P . Dabei ist kq die
Geschwindigkeitskonstante der Elektronentransferreaktion, 1/τ0 und 1/τ, sind die Zerfallsraten von
T � und P .
98 5. Charakterisierung von Polypeptidmodulen mit einer Metalloporphyrin-Bindungsstelle
5.6 Zusammenfassung und Schlußfolgerungen
Mittels chemischer Festphasenpeptidsynthese wurden zwei Polypeptidmodule mit jeweils einer
Bindungsstelle fur Metalloporphyrinkofaktoren hergestellt. Diese Systeme wurden durch die Fi-
xierung von vier helicalen Peptiden auf einem Tragermolekul (Templat) als Vier-Helix-Bundel
entworfen. Entsprechend ihrem Designkonzept zeigen diese de novo synthetisierten Proteine in
den Circulardichroismus-Spektren eine helicale Sekundarstruktur. Das Zusammenlagerung zu
dem Strukturmotiv eines Vier-Helix-Bundels wird durch die Ausbildung eines hydrophoben In-
nenraums unterstutzt. Die Fluoreszenzeigenschaften der Aminosaure Tryptophan lieferten einen
Hinweis auf die erfolgreiche Zusammensetzung des Vier-Helix-Bundels. Die kurzwellige Ver-
schiebung der Wellenlange maximaler Fluoreszenz gegenuber einem waßrigen Medium zeigt die
Abschirmung des hydrophoben Innenraums vor dem Eindringen von Wassermolekulen an. Um
die Stabilitat der de novo synthetisierten Proteine zu untersuchen wurden Denaturierungsexpe-
rimente mit Guanidiniumhydrochlorid zur Entfaltung der Polypeptidmodule durchgefuhrt. Es
zeigte sich, daß die Stabilitat der Vier-Helix-Bundel durch den Einbau des Metalloporphyrins
Hamin deutlich erhoht wird. Der Einbau von Hamin erfolgt uber die axiale Ligandierung mit
zwei Histidinresten in dem hydrophoben Innenraum und tragt damit zur Fixierung der Struktur
des Vier-Helix-Bundels bei.
Mittels EPR-Spektroskopie wurde die Bindungssituation des Kofaktors charakterisiert. Da-
bei konnte der Einbau des Hamins uber eine starke axiale Koordination mit zwei axialen Histi-
dinliganden eindeutig nachgewiesen werden. Es zeigte sich jedoch auch eine ausgepragte Hetero-
geneitat in der Bindungssituation des Hamins. Neben einer parallelen Anordnung der Ebenen der
axialen Histidinliganden findet man auch eine verdrehte bzw. verkippte Orientierung der beiden
Liganden. Die Ursache dieser Heterogeneitat konnte in dem Designkonzept Templat-assoziierter
synthetischer Proteine liegen, das fur die Vier-Helix-Bundel angewandt wurde. Die kunstliche
Verzweigung, die durch die Fixierung der einzelnen helicalen Bausteine auf das Templat ein-
gefuhrt wird, wurde demnach der Faltung des Polypeptidmoduls geometrische Restriktionen
auferlegen. Dies fuhrt zu einer Verteilung unterschiedlicher Konformere mit suboptimal gefalte-
ten Hambindungstaschen. Es konnte jedoch gezeigt werden, daß die Heterogeneitat der Proben
durch chaotrope Agenzien beeinflußbar ist. Bei einem der beiden hier untersuchten Polypeptid-
module ist es durch den Zusatz von Guanidiniumhydrochlorid gelungen, einen Faltungszustand
5.6 Zusammenfassung und Schlußfolgerungen 99
des Vier-Helix-Bundels mit wohldefinierter Einbausituation des Kofaktors Hamin zu erreichen.
Das Vorliegen verschiedener Konformere der de novo synthetisierten Hamproteine stellt die
Verwendung eines Zwei-Zustand-Modells in Frage, welches haufig zur Analyse der Entfaltung
naturlicher und de novo synthetisierter Proteine eingesetzt wird [129, 148, 149]. Dieses einfache
Modell geht von einem definierten, gefalteten Ausgangszustand aus, der kooperativ und direkt,
d. h. ohne das Auftreten metastabiler Intermediate, denaturiert wird. Unter dem Vorbehalt, daß
der Mechanismus zur Stabilisierung und Entfaltung naturlicher Proteine und synthetischer Po-
lypeptidmodule sicherlich komplexer verlauft, wurde das Zwei-Zustands-Modell zur Gegenuber-
stellung der de novo synthetisierten Vier-Helix-Bundel mit naturlichen Systemen eingesetzt.
Es zeigte sich, daß die Stabilitat der kunstlichen Polypeptidmodule durchaus mit naturlichen
Hamproteinen, wie dem Myoglobin oder Cytochrom b562 vergleichbar ist.
Die Optimierung des Designs der Vier-Helix Bundel hinsichtlich einer eindeutigen Faltung
und insbesondere einer wohldefinierten Konformation der Hambindungstasche ist ein wichtiger
Aspekt fur weiterfuhrende Arbeiten. Im Prinzip sind die Polypeptidmodule hervorragend dazu
geeignet, anhand systematischer Variationen der Aminosaurezusammensetzung den Einfluß der
Proteinumgebung auf die funktionellen Eigenschaften der Kofaktoren zu untersuchen. Hierbei
muß jedoch beachtet werden, daß in einer flussigen Losung verschiedene Faltungszustande der
Polypeptidmodule vorliegen konnen, wodurch nur die mittleren Eigenschaften der Verteilung
der unterschiedlichen Konformere gemessen werden.
Die beiden hier untersuchten de novo synthetisierten Hamproteine unterscheiden sich in der
Positionierung der aromatischen Aminosaure Tryptophan und der Einfuhrung eines polaren Ar-
ginins voneinander. Es zeigt sich, daß bereits der Austausch einzelner Aminosauren einen Effekt
auf die Stabilitat der Polypeptidmodule und die Eigenschaften des Kofaktors hat. Die freien Ent-
faltungsenergien der beiden Polypeptidmodule unterscheiden sich um etwa 6 kJ/mol. Außerdem
wurden zwei verschiedene Redoxpotentiale von −164(±10) mV und −153(±5) mV bestimmt.
Da diese Redoxpotentiale oberhalb des typischen Wertes von −200 mV fur Haminkomplexen inwaßriger Losung liegen, kann man von einer hydrophoben Abschirmung des Kofaktors in den
Polypeptidmodulen ausgehen. Die Abschirmung des Kofaktors im Innenraum der Vier-Helix-
Bundel vor polaren Wassermolekulen ist eine wichtige Voraussetzung, um die Wechselwirkung
zwischen Kofaktor und Polypeptidumgebung gezielt beeinflußen zu konnen. Ansonsten wurden
beispielsweise elektrostatische Wechselwirkungen, die im Design der de novo synthetisierten Pro-
100 5. Charakterisierung von Polypeptidmodulen mit einer Metalloporphyrin-Bindungsstelle
teine eingeplant wurden, kompensiert.
Neben dem Austausch einzelner Aminosauren ist auch eine Veranderung des Kofaktors
moglich. In dieser Arbeit wurde neben Hamin auch Co(III)PPIX und Zn(II)PPIX in ein Po-
lypeptidmodul eingebaut. Durch den Austausch von Fe3+ gegen Zn2+ als Zentralmetallion
konnten neue Eigenschaften in die kunstlichen Proteinmodelle eingefuhrt werden. So laßt sich
Zn(II)PPIX als Donator fur lichtinduzierte Elektronentransferprozesse einsetzten. Nach einer
Charakterisierung des optisch angeregten Triplettzustandes des Zn(II)PPIX mittels optischer
und EPR-Spektroskopie, wurde der Elektronentransfer zwischen dem eingebauten Zn(II)PPIX
und einem Chinon, das in die Losung zugesetzt wurde, nachgewiesen. Zur Weiterentwicklung der
Systeme bietet sich die feste Fixierung des Elektronenakzeptors im Vier-Helix-Bundel an. Der
Abstand und die Orientierung der beiden Reaktionspartner konnte dann kontrolliert und gezielt
verandert werden, mit dem Ziel mechanistische Untersuchungen zu Elektronentransferprozessen
in Polypeptidumgebungen durchzufuhren. Hierzu musste jedoch zunachst eine Bindungstasche
fur das Chinon entworfen und realisiert werden. Der in dieser Arbeit gezeigte Einbau des Elek-
tronendonators Zn(II)PPIX ist ein wichtiger Schritt fur neue Modellsysteme fur lichtinduzierte
Elektronentransferprozesse, die eine essentielle Funktion in biologischen Prozessen, wie z. B. der
Photosynthese, einnehmen.
Kapitel 6
Magnetische Resonanz
Untersuchungen an Cytochrom b
Modellen
Dieses Kapitel behandelt die Charakterisierung von de novo synthetisierten Hamproteinen mit-
tels EPR- und ENDOR-Spektroskopie. Diese Methoden der magnetischen Resonanzspektrosko-
pie wurden bereits erfolgreich zur Aufklarung der Struktur und Funktion naturlicher Hamprotei-
ne eingesetzt [108,191]. Zur Charakterisierung von de novo synthetisierten Hamproteinen wurde
bislang die EPR-Spektroskopie [11,12,76], nicht jedoch die ENDOR-Spektroskopie herangezogen.
In dieser Arbeit wird die Kombination beider Techniken angewandt mit dem Ziel, eine moglichst
detaillierte Beschreibung der Einbausituation des redoxaktiven Kofaktors in den de novo synthe-
tisierten Hamproteinen zu erhalten. Die Auswertung der EPR-Spektren schließt in dieser Arbeit
die Simulation der EPR-Linienbreiten und die Ligandenfeldanalyse der g-Tensorhauptwerte mit
ein und geht damit uber die bisherigen qualitativen Interpretationen der EPR-Spektren de novo
synthetisierter Hamproteine hinaus.
Im ersten Abschnitt wird kurz der Aufbau der de novo synthetisierten Hamproteine beschrie-
ben, die nach der Cytochrom b Untereinheit des Cytochrom bc1 Komplexes entworfen wurden.
Der Schwerpunkt des Kapitels liegt auf der EPR- und ENDOR-spektroskopischen Charakterisie-
rung der Systeme. Insbesondere wird dabei auch der Einfluß unterschiedlicher Designkonzepte
auf die Bindungssituation des Haminkofaktors untersucht. Neben Metmyoglobin, in welchem
101
102 6. Magnetische Resonanz Untersuchungen an Cytochrom b Modellen
die Hamgruppe mit Imidazol ligandiert wurde, werden auch isotopenmarkierte Modellkomple-
xe als Vergleichsysteme herangezogen. In den EPR-Spektren werden der Spin-Zustand, die g-
Tensorhauptwerte und die Linienbreiten analysiert, um die Koordinationssphare des Hamins zu
beschreiben. Die Ermittlung der Hyperfeinwechselwirkungsparameter von Protonen und Stick-
stoffkernen aus den ENDOR-Spektren liefert daruberhinaus detaillierte Strukturinformationen
zum Abstand und der raumlichen Anordnung der axialen Liganden des Hamins.
6.1 Designkonzept der Cytochrom b Modelle
Die de novo synthetisierten Hamproteine, die in diesem Kapitel untersucht werden, wurden
nach der Cytochrom b Untereinheit des Cytochrom bc1 Komplexes modelliert. Der Cytochrom
bc1 Komplex ubernimmt als elektronenvermittelnder Enzymkomplex eine wichtige Funktion in
der mitochondrialen und bakteriellen Atmungskette, sowie in der Elektronentransportkette der
Photosynthese von Bakterien [192]. Der Elektronentransport uber den Cytochrom bc1 Komplex
ist an die Ausbildung eines elektrochemischen Potentialgradienten gekoppelt, der die Synthese
von ATP antreibt [193,194]. Der Kern der Cytochrom b Untereinheit wird von vier transmembra-
nen Helices (A, B, C und D) gebildet. Er enhalt zwei Hamgruppen, die von den beiden Helices B
und D uber je zwei Histidinreste gebunden werden. Die kompakten Hambindungstaschen im hy-
drophoben Innenraum der Cytochrom b Untereinheit bieten sich optimal zur Modellierung eines
kunstlichen Vier-Helix-Bundels an. In den de novo synthetisierten Hamproteinen sollen dabei
wesentliche Merkmale des hydrophoben Kerns der Cytochrom b Untereinheit erhalten bleiben.
Die Außenschicht des Vier-Helix-Bundels wird im Design dagegen von hydrophilen Aminosauren
gebildet, um ein wasserlosliches Modellsystem fur Cytochrom b herzustellen.
In Abbildung 6.1 ist eine schematische Darstellung der drei Cytochrom b Modelle gezeigt,
die in diesem Kapitel untersucht werden. Das modulares Protein MOP (A) ist ein Templat-
assoziiertes synthetisches Protein [13, 82]. Vier helicale Bausteine werden auf einem zyklischen
Dekapeptid zu einem Vier-Helix-Bundel verknupft. Die de novo Proteine [α(H1)–α(H2)]2 (B)
und ‘maquette’ (C) beruhen auf einem anderen Designkonzept [11,128]. Hier werden jeweils zwei
Helices uber einen Loop aus den Aminosauren G-P-N-G (B) oder eine Cysteinbrucke (C) zu Di-
meren verknupft, die sich zu Vier-Helix-Bundeln zusammenlagern. Die Orientierung der beiden
Dimerhalften zueinander wird dabei von den Wechselwirkungen zwischen den Helices bestimmt
6.1 Designkonzept der Cytochrom b Modelle 103
A
B
C
S S
SS
Abbildung 6.1: Schematische Darstellung der Cytochrom b Modelle MOP (A), [α(H1)–α(H2)]2
(B) und ‘maquette’ (C). Die Helices sind als Tonnen dargestellt, wobei die Pfeile vom N- zum
C-Terminus zeigen. Das Designkonzept des modularen Protein MOP (A) entspricht einem Templat-
assoziierten synthetischen Protein. Die hambindendende Helix H1 und die abschirmende Helix H2
werden antiparallel auf einem zyklischen Peptid, das als Templat dient, fixiert. Bei [α(H1)–α(H2)]2
(B) werden die beiden Helices H1 und H2 mit einem Loop verknupft. Durch Aggregation dieser
Dimere bildet sich ein Vier-Helix-Bundel. Das ‘maquette’ (C) enthalt nur einen Helixtyp. Hier erfolgt
die Verknupfung zu Dimeren durch Cysteinbrucken. Wahrend das MOP (A) und [α(H1)–α(H2)]2
(B) je zwei bis-Histidin-Bindungstaschen fur Hamin enthalten, besitzt das ‘maquette’ (C) vier bis-
Histidin-Bindungstaschen, die jedoch in der hier untersuchten Probe im Mittel nur etwa zweifach
besetzt sind.
104 6. Magnetische Resonanz Untersuchungen an Cytochrom b Modellen
und ist nur bedingt vorhersagbar. Abbildung 6.1 (B,C) zeigt nur eine mogliche Ausrichtung
dieser Dimere im Vier-Helix-Bundel zueinander. Im Gegensatz dazu werden beim MOP die Ori-
entierung aller helicalen Bausteine uber ihre Vernetzung mit einem zyklischen Dekapeptid als
Templat eindeutig festgelegt. Das MOP und [α(H1)–α(H2)]2 enthalten zwei verschiedene He-
lixtypen, eine hambindende Helix H1 und eine abschirmende Helix H2. Die hambindende Helix
H1 orientiert sich an den Helices B und D des Kerns der Cytochrom b Untereinheit. Die andere
Helix H2 wurde nach den Helices A und D des naturlichen Hamproteins modelliert. Die Ami-
nosauresequenzen von H1 und H2 sind fur MOP und [α(H1)–α(H2)]2 identisch. Das ‘maquette’
enthalt im Unterschied zum MOP und [α(H1)–α(H2)]2 nur einen Helixtyp, der nach den Helices
B und D der Cytochrom b Untereinheit entworfen wurde. Die Aminosaurezusammensetzung der
Helix des hier untersuchten ‘maquettes’ entspricht der Sequenz von Robertson et al. [11] bis
auf den Austausch eines Leucins (L) gegen ein Lysin (K) an Position 28. Tabelle 6.1 gibt die
Aminosaurezusammensetzung der einzelnen Helices der Cytochrom b Modelle wieder.
Die Stabilisierung der Vier-Helix-Bundel folgt in allen drei Systemen gemeinsamen Prin-
zipien. Die Zusammensetzung der Aminosauren wird so gewahlt, daß sich amphiphile Helices
ausbilden. Der Ausschluß von Wasser durch Bildung eines hydrophoben Innenraums wird zur
treibenden Kraft der Zusammenlagerung der de novo Proteine. Im Innenraum der Vier-Helix-
Bundel findet man die hydrophoben, apolaren Aminosauren Leucin (L) und Alanin (A), die
eine hohe Helixbildungstendenz aufweisen [195, 196]. Die polaren und geladenen Aminosauren
Glutamat (E) und Lysin (K) bilden die hydrophile Außenschicht. Sie wurden bevorzugt in einem
Abstand von vier Aminosauren positioniert, um Salzbrucken auszubilden. Die Dipolmomente der
Salzbrucken sind entgegengesetzt zum Helixdipol ausgerichtet und stabilisieren damit die Helix
(siehe auch Abschnitt 5.1).
Der Einsatz zweier verschiedener Helices in MOP und [α(H1)–α(H2)]2 bietet im Vergleich
zum Design des ‘maquettes’ vielfaltigere Moglichkeiten zur Konzeption der Vier-Helix-Bundel.
Dies ist insbesondere bei der Modellierung der Hambindungstaschen von Vorteil. So enthalten
MOP und [α(H1)–α(H2)]2 dem naturlichen System entsprechend nur zwei Haminbindungsstel-
len. Wahrend das Peptid H1 die Histidinreste zur Koordination des Hamins bereitstellt, soll H2
die Hambindungstasche vom Losungsmittel Wasser abschirmen. Im naturlichen Cytochrom b
liegen den Histidinliganden je zwei Glycinreste gegenuber [192]. In den Modellsystemen wurden
die Aminosauren Glycin ebenfalls so positioniert, daß sie sich im Vier-Helix-Bundel auf gleicher
6.2 EPR-Spektroskopie 105
Tabelle 6.1: Aminosauresequenzen der helicalen Bausteine der Cytochrom bModelle MOP, [α(H1)–
α(H2)]2 und ‘maquette’. Die Aminosaure Histidin (H), dient zur Koordination des Kofaktors Hamins.
Der Abstand der Histidine betragt 14 Aminosauren analog zum naturlichen Cytochrom bc1 Komplex
[192]. Außerdem wurden die stark konservierten Aminosauren Phenylalanin (F) und Arginin (R) in
H1 (Position 15 und 25) und in die Helix des ‘maquettes’ (Position 17 und 27) eingefuhrt. Das
Phenylalanin trennt die beiden Hambindungstaschen voneinander und Arginin kann die Ladung der
Propionsauregruppe des Hamins abschirmen.
MOP und [α(H1)–α(H2)]2 :
5 10 15 20 25
H1: G-G-E-L-R-E-L-H-E-K-L-A-K-Q-F-E-Q-L-V-K-L-H-E-E-R-A-K-K-L
H2: L-E-E-L-W-E-E-G-E-E-L-A-K-K-L-Q-E-A-L-E-K-G-K-K-L-A-K
‘maquette’:
C-G-G-G-E-L-W-K-L-H-E-E-L-L-K-K-F-E-E-L-L-K-L-H-E-E-R-K-K-K-L
5 10 15 20 25
Hohe zum Histidin befinden. Dabei wird H2 antiparallel zu H1 ausgerichtet. Das ‘maquette’
enthalt insgesamt vier Haminbindungsstellen, wobei in der hier untersuchten Probe im Mittel
nur zwei mit Hamin besetzt sind.
6.2 EPR-Spektroskopie
Die Hamgruppe ist in ihrer oxidierten Form paramagnetisch und kann damit als EPR-
spektroskopische Sonde zur Charakterisierung der de novo synthetisierten Hamproteine ein-
gesetzt werden. Die EPR-Spektren der de novo Proteine werden dabei dem Hamprotein
Metmyoglobin-Imidazol (MbIm) gegenubergestellt.
6.2.1 Simulation der EPR-Spektren
Abbildung 6.2 zeigt die X-Band cw-EPR-Spektren der Cytochrom b Modelle und MbIm. Die
EPR-Spektren zeigen deutliche low-spin Fe3+-Signale mit g-Tensorwerten bei gz = 2,9 bis 3,0, gy
106 6. Magnetische Resonanz Untersuchungen an Cytochrom b Modellen
= 2,3 und gx = 1,5 (siehe Tabelle 6.2). Im EPR-Spektrum des MOP (A) ist bei g � 3,5 noch eineSchulter zu sehen, die wie in Kapitel 5.3.4 erlautert wurde, diagnostisch fur eine HALS-Spezies
(hoch anisotrope low-spin Spezies) ist. Die schwachen Signale bei g = 4,3 sind rhombischem
Eisen [197] und bei g = 2,0 weiteren paramagnetischen Verunreinigungen zuzuordnen. Bei g =
6,0 sieht man das g⊥-Signal einer high-spin Fe3+-Spezies, deren g||-Signal bei g = 2,0 teilweise
von den paramagnetischen Verunreinigungen verdeckt wird. Die high-spin Spezies tritt in allen
Systemen in vernachlassigbar geringer Menge auf (< 1%).
Die Detektion des low-spin Zustandes in allen drei Cytochrom bModellen stellt einen eindeu-
tigen Nachweis fur den spezifischen Einbau der Hamgruppen uber eine starke axiale Koordination
mit zwei Histidinliganden dar. Wenn nur schwache Liganden zur Koordination zur Verfugung
stehen, wie z.B. bei freiem Hamin in waßriger Losung [119] oder wenn nur ein Histidinligand
an das Hamin koordiniert ist, wie in Metmyoglobin [100], so tritt der high-spin Zustand auf.
Bindet man eine zweite Imidazolgruppe als sechsten Ligand der Hamgruppe [198], so findet ein
Ubergang zum low-spin Zustand statt [115], wie er auch in Abbildung 6.2 (D) beobachtet wird.
Die EPR-Spektren wurden mit dem in Abschnitt 4.4.1 beschriebenen Simulationsprogramm
ELSI ausgewertet. Die relativ großen Linienbreiten, die bei den de novo synthetisierten Hampro-
teinen in der Großenordnung von 10 mT liegen, konnten nur mit dem g-strain Mechanismus
plausibel wiedergeben werden. Dieser Mechanismus wird auch als die Hauptursache fur die
Linienverbreiterung in EPR-Spektren naturlicher Hamproteine angesehen [139, 199]. Elektro-
nenspinrelaxation oder unaufgeloste Hyperfeinwechselwirkungen konnen als Ursache der Linien-
verbreiterung ausgeschlossen werden. Bei einer Linienbreite von 10 mT musste die Elektronen-
spinrelaxationszeit im Bereich weniger ns liegen oder es mussten Hyperfeinwechselwirkungen in
einer Großenordnung von 280 MHz auftreten. Dies ist jedoch im Widerspruch zu den weiter un-
ten beschriebenen Puls-ENDOR-Experimenten. Die Hyperfeinwechselwirkungen, die dort fur die
low-spin Fe3+-Komplexe ermittelt wurden, liegen alle unterhalb von 10 MHz. Elektronenspin-
Echo-Experimente, die zur Optimierung der Puls-ENDOR-Sequenz durchgefuhrt wurden, zei-
gen, daß die transversale Elektronenspinrelaxationszeit im Temperaturbereich der EPR- und
ENDOR-Messungen (5 – 20 K) uber 100 ns betragen muß.1
Nach dem g-strain Mechanismus fuhren strukturelle Variationen in der Umgebung einer
1Zur Unterscheidung der longitudinalen und transversalen Elektronenspinrelaxationszeit (T1 und T2) siehe [87]
oder auch Seite 133.
6.2 EPR-Spektroskopie 107
Abbildung 6.2: X-Band cw-EPR-Spektren der de novo synthetisierten Hamproteine MOP (A),
[α(H1)–α(H2)]2 (B), ‘maquette’ (C) und Metmyoglobin–Imidazol (MbIm D). Die Simulation der
Fe3+ low-spin Spektren ist in gestrichelten Linien gezeigt und beruht auf einem g-strain Mechanismus
zur Linienverbreiterung (siehe Abschnitt 4.4.1). Die Simulationsparameter sind in Tabelle 6.2 zu
finden.
108 6. Magnetische Resonanz Untersuchungen an Cytochrom b Modellen
Tabelle 6.2: EPR-Daten der kunstlichen Hamproteine und Metmyoglobin-Imidazol (MbIm) aus Ab-
bildung 6.2. Die g-Tensorhauptwerte gi (i = x,y,z) und Linienbreitenparameter σgi wurden aus der
Simulation der EPR-Spektren erhalten. Zur Wiedergabe der spektralen Formen des EPR-Spektrums
des MOP mußte die Simulation aus mehreren Spezies zusammengesetzt werden. Die Ligandenfeld-
parameter V/λ und ∆/λ folgen aus der Analyse der g-Tensorhauptwerte [117].
g-Tensorwerte Linienbreite Ligandenfeldparameter
MOP gz 2,97 σgz 0,06 V/λ 1,84
low-spin gy 2,27 σgy 0,03 ∆/λ 3,27
(30 %) gx 1,51 σgx 0,08 V/∆ 0,56
gz 3,12 σgz 0,07 V/λ 1,69
low-spin gy 2,27 σgy 0,03 ∆/λ 3,54
(16 %) gx 1,51 σgx 0,08 V/∆ 0,48
gz 3,25 σgz 0,12 V/λ 0,98
HALS gy 2,00 σgy 0,42 ∆/λ 2,42
(40 %) gx 0,82 σgx 0,42 V/∆ 0,40
gz 3,60 σgz 0,06 V/λ 0,87
HALS gy 2,00 σgy 0,42 ∆/λ 2,76
(14 %) gx 0,82 σgx 0,42 V/∆ 0,31
gz 2,95 σgz 0,04 V/λ 1,85
[α(H1)-α(H2)]2 gy 2,24 σgy 0,02 ∆/λ 3,41
gx 1,51 σgx 0,04 V/∆ 0,54
gz 2,92 σgz 0,03 V/λ 1,95
‘maquette’ gy 2,28 σgy 0,02 ∆/λ 3,27
gx 1,54 σgx 0,04 V/∆ 0,60
gz 2,96 σgz 0,05 V/λ 1,85
MbIm gy 2,26 σgy 0,02 ∆/λ 3,32
gx 1,51 σgx 0,04 V/∆ 0,56
6.2 EPR-Spektroskopie 109
paramagnetischen Spezies zu einer Verbreiterung der EPR-Signale. Bei den hier untersuchten
Haminkomplexen kann man sich dazu ein Ensemble vieler verschiedener Subspezies vorstellen,
die sich in der Geometrie der axialen Ligandierung und damit auch in ihren g-Tensorhauptwerten
unterscheiden. In dem hier verwendeten g-strain Modell werden die strukturellen Variationen
durch eine statistische Verteilung der g-Tensorhauptwerte der paramagnetischen Probe be-
schrieben [133]. Die EPR-Linienbreite wird damit durch eine Gaußsche Normalverteilung der
g-Tensorhauptwerte gi mit den Standardabweichungen σgi bestimmt. In Tabelle 6.2 sind die
Simulationsparameter zusammengefaßt. Die σ-Werte von [α(H1)–α(H2)]2 und ‘maquette’ sind
dem naturlichen Hamprotein MbIm ahnlich. Das MOP zeigt demgegenuber deutlich breitere
Linien. Wahrend fur [α(H1)–α(H2)]2 , ‘maquette’ und MbIm die statistische Verteilung der g-
Tensorhauptwerte einer einzigen regularen low-spin Spezies ausreichend zur Beschreibung der
strukturellen Heterogeneitat ist, stoßt das hier verwendete Modell zur Linienverbreiterung bei
der Simulation des EPR-Spektrums des MOP an seine Grenzen. Um die spektrale Form des
EPR-Spektrums korrekt wiederzugeben, mußte die Simulation aus insgesamt vier verschiede-
nen Spezies zusammengesetzt werden. Dieses Verfahren wurde auch bei den Polypeptidmodulen
Hamin-mMOP1 und Hamin-mMOP2 in Kapitel 5 angewandt, die ebenfalls eine stark ausge-
pragte Heterogeneitat in ihren EPR-Spektren aufweisen.
Um die langgestreckte Schulter des HALS-Signals mit einem nahtlosen Anschluß zur gz-
Komponente des regularen low-spin Zustandes zu erhalten, wurden zwei HALS-Spezies ein-
gesetzt, die durch ein flaches gmax-Signal (g 3.0) und breite gx- und gy-Komponenten ge-
kennzeichnet sind. Der leicht schrage Anstieg der breiten gz-Komponente des regularen low-
spin Zustandes wurde aus zwei regularen low-spin Spezies zusammengesetzt. Die asymmetrische
Form der gy-Komponente, die an der Tieffeldseite eher spitz ist und an der Hochfeldseite breit
auslauft, konnte in der Simulation jedoch nicht wiedergegeben werden. In der Simulation ist
die gy-Komponente des regularen low-spin Zustandes symmetrisch bezuglich ihres Nulldurch-
gangs. Fur die gx- und gy-Komponenten der HALS-Spezies wurden typische Literaturwerte aus
Moßbaueruntersuchungen an Modellkomplexen eingesetzt [81,165]. In Moßbaueruntersuchungen,
die in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. F. Parak, Technische Universitat Munchen, an einem mit
57Fe(III)PPIX angereicherten MOP durchgefuhrt wurden, wurde ebenfalls neben der regularen
low-spin Spezies eine HALS-Spezies detektiert [81]. Die g-Tensorhauptwerte gz = 2,94, gy = 2,27,
gx = 1,52 (regularer low-spin, 56 %) und gz = 3,5, gy = 1,99, gx = 0,82 (HALS, 44 %), die diesen
110 6. Magnetische Resonanz Untersuchungen an Cytochrom b Modellen
beiden Spezies zugewiesen wurden, weichen etwas von den Ergebnissen der EPR-Spektren aus
Abbildung 6.2 ab. Aus beiden Untersuchungen folgt jedoch ein Mengenanteil von insgesamt etwa
50 (± 10) % HALS. Dieser relativ hohe Anteil der HALS-Spezies ist in Ubereinstimmung mit
den EPR-Untersuchungen an den Modellkomplexen aus Abschnitt 5.3.4, welche bereits zeigten,
daß sich hinter einer relativ flachen Schulter ein beachtlicher Mengenanteil einer HALS-Spezies
verbergen kann.
Im folgenden sollen die strukturellen Ursachen, die zu den unterschiedlichen g-Tensorwerten
der Cytochrom b Modelle und insbesondere zum Auftreten verschiedener Spezies im EPR-
Spektrum des MOP fuhren, naher untersucht werden.
6.2.2 Ligandenfeldanalyse der g-Tensorhauptwerte
Nach der Ligandenfeldanalyse von Taylor [117], die in Kapitel 3 vorgestellt wurde, besteht ein
direkter Zusammenhang zwischen den g-Tensorhauptwerten und der energetischen Aufspaltung
der besetzten d-Orbitale in low-spin Fe3+-Komplexen. Eine schematische Darstellung der Auf-
spaltung der besetzten d-Orbitale ist in Abbildung 6.3 zu sehen. Dabei gibt ∆ die tetragonale
und V die rhombische Verzerrung des Komplexes ausgehend von einer oktaedrischen Idealgeome-
trie an. Das Koordinatensystem der d-Orbitale wird anhand der g-Tensorhauptachsen festgelegt.
EPR-Messungen an Einkristallen von low-spin Haminkomplexen und naturlichen Hamproteinen
zeigen, daß die gz-Achse parallel zur Haminnormalen und die gx- und gy-Achse in der Ebene des
Prophyrinringes liegen [108,109]. Damit ist festgelegt, daß das dxy-Orbital in der Porphyrinebene
liegt und dyz und dxz senkrecht auf der Porphyrinebene stehen [200,201]. Die tetragonale Auf-
spaltung ∆ separiert das dxy-Orbital von den beiden anderen besetzten d-Orbitalen aufgrund der
unterschiedlichen Ligandenfeldstarken des Porphyrins und der axialen Liganden. Die rhombische
Aufspaltung V, die das dxz- und dyz-Orbital voneinander trennt, wird hauptsachlich durch die
Wechselwirkung dieser d-Orbitale mit dem π-System des axialen Liganden verursacht [201]. Sie
hangt stark von der relativen Orientierung der axialen Liganden ab. Stehen die beiden Histidin-
ebenen parallel zueinander, wie in Abbildung 6.3 dargestellt, so geht nur das dyz-Orbital eine
Wechselwirkung mit dem π-System der axialen Liganden ein. Fur diese Bindungssituation ist die
rhombische Aufspaltung maximal. Bei bis-Histidin-ligandiertem Hamin sind Werte bis V/λ �2 zu erwarten [165]. Bei bis-Histidin-ligandiertem Hamin mit stark verdrehten oder verkippten
Histidinebenen nimmt die rhombische Aufspaltung deutlich ab, da bei einer senkrechten Stellung
6.2 EPR-Spektroskopie 111
d
∆Fe
d
d
Vdyz
yz
xz
xy
y
N
z
N
Abbildung 6.3: Links: Aufspaltung der drei untersten besetzten d-Orbitale in low-spin Fe3+-
Komplexen. dxy ist von dxz und dyz durch die tetragonale Aufspaltung ∆ getrennt. dxz und dyz
sind durch die rhombische Aufspaltung V voneinander separiert. Rechts: Schematische Darstellung
eines bis-Imidazol-Hamin-Komplexes nach Ref. [200, 201]. Das halbbesetzte dyz-Orbital geht eine
Wechselwirkung mit dem π-System des axialen Liganden ein. In dieser idealisierten Darstellung steht
die gz-Achse senkrecht auf der Porphyrinebene. Die Ebenen der Histidinliganden sind zueinander
parallel und stehen senkrecht auf der gy-Achse.
der Histidinebenen zueinander sowohl das dyz- als auch das dxz-Orbital mit dem π-System der
axialen Liganden wechselwirken konnen. Wie mit Hilfe der Ligandenfeldanalyse gezeigt werden
konnte, geht fur diese Orientierung der Wert V/λ gegen Null und die gz-Komponente erreicht
Werte bis gz = 3,8, wie sie diagnostisch fur eine HALS-Spezies sind [165].
Abbildung 6.4 zeigt die beiden unterschiedlichen Bindungssituationen einer regularen low-
spin Spezies und einer HALS-Spezies. Die relative Anordnung der axialen Liganden zueinander
hat sich bei der Ligandenfeldanalyse verschiedener Modellkomplexe als der wesentliche geome-
trische Faktor zur Beeinflussung der Ligandenfeldparameter und damit der g-Tensorhauptwerte
herausgestellt [165–168, 202, 203]. Innerhalb der regularen low-spin Spezies kann auch die Posi-
tionierung der Ebenen der Histidinliganden relativ zu den Stickstoffatomen des Porphyrinringes
einen Einfluß auf die g-Tensorhauptwerte und die Orientierung der gx- und gy-Achse inner-
halb der Porphyrinebene nehmen (siehe Abbildung 6.11) [200,204]. Daruberhinaus konnen auch
Wasserstoffbruckenbindungen [201,205] und Verzerrungen des Porphyrinringes [200] die Lage der
g-Tensorhauptwerte zusatzlich beeinflussen. Dabei sollten sich Wasserstoffbrucken zum H-Atom
112 6. Magnetische Resonanz Untersuchungen an Cytochrom b Modellen
N
N
N
N
A B
NN
N
Fe
N
N
Fe
N
N
Abbildung 6.4: Geometrische Anordnung der axialen Liganden von bis-Histidin-ligandiertem
Hamin. A: Fur eine parallele Anordnung der beiden Ebenen der axialen Liganden erhalt man eine
regulare low-spin Spezies. B: Bei einer Verdrehung (oder Verkippung) der Histidinliganden resultiert
eine HALS-Spezies.
des nichtkoordinierenden Stickstoffatoms des Histidins in erster Linie auf die tetragonale Auf-
spaltung ∆ auswirken. Durch eine Deprotonierung des Histidins nimmt seine Ligandenfeldstarke
zu (siehe auch Abbildung 3.8), was sich in einer leichten Verkurzung des Bindungsabstandes zum
Fe3+-Ion des Porphyrins außert (circa 3%) [201].
Die Ergebnisse der Ligandenfeldanalyse der Cytochrom b Modelle sind ebenfalls in Tabelle
6.2 (in Einheiten der Spinbahnkopplungskonstante λ) zusammengefaßt. Die Ligandenfeldpara-
meter der regularen low-spin Spezies sind typisch fur bis-Histidin-ligandiertes Hamin mit in etwa
parallelen Histidinebenen [165]. Die tetragonale Aufspaltung ∆, die ein Maß fur die Starke der
axialen Liganden darstellt, liegt fur alle untersuchten Systeme bei ∆/λ = 3,3 – 3,4. Die rhom-
bische Aufspaltung V der regularen low-spin Spezies erreicht hohe Werte. Fur [α(H1)–α(H2)]2
und MbIm liegt V/λ bei etwa 1,85. Dies entspricht auch in etwa der oberen Grenze fur die
regulare low-spin Spezies des MOP. Fur das ‘maquette’ ist die rhombische Aufspaltung mit V/λ
= 1,95 besonders hoch und deutet auf eine nahezu perfekt parallele Orientierung der Histidinli-
ganden hin. Die geringere rhombische Aufspaltung von MOP, [α(H1)–α(H2)]2 und MbIm zeigt
eine leichte Verdrehung der Histidinebenen gegeneinander an. Fur MbIm wird dies durch die
6.2 EPR-Spektroskopie 113
Rontgenstruktur [198,206] bestatigt.
Die Ligandenfeldparameter, die fur die HALS-Spezies des MOP aus den g-Tensorhauptwerten
der EPR-Simulation berechnet wurden, sind im Einklang mit einer verdrehten und leicht ver-
kippten Geometrie der Histidinliganden. So nimmt neben der rhombischen Aufspaltung (V/λ
= 0,87 – 0,98), die eine verdrehte Anordnung der Histidinebenen anzeigt, auch die tetragonale
Aufspaltung (∆/λ = 2,76 – 2,42) gegenuber den regularen low-spin Fe3+-Komplexen ab, was
auf einen vergroßerten Abstand der axialen Histidinliganden durch eine verkippte Anordnung
hinweist.
Das MOP zeigt damit eine ausgepragte strukturelle Heterogeneitat in der Bindungssituation
der Haminkofaktoren. Neben einer Koordination mit nahezu parallelen Histidinebenen, wie sie
auch in den Cytochrom b Modellen ‘maquette’ und [α(H1)–α(H2)]2 gefunden wird, liegen auch
Konformere mit verdrehten Histidinebenen vor.
6.2.3 Untersuchungen zur HALS-Spezies des MOP
Um das Auftreten der HALS-Spezies im MOP naher zu untersuchen, wurden weitere EPR-
spektroskopische Versuche durchgefuhrt, die hier zusammengefaßt werden.
Um herauszufinden, ob die regulare low-spin Spezies und die HALS-Spezies simultan oder
sequentiell in das MOP eingebaut werden, wurde der Beladungsgrad des MOP mit Hamin vari-
iert. Es wurden vier Proben benutzt, in denen das Verhaltnis von Hamin zu den Bindungsstellen
im MOP 0,5:2, 1:2, 1,5:2 und 2:2 betrug. Die EPR-Spektren dieser Proben sind in Abbildung
6.5 zu sehen. Ihre spektrale Form ist nahezu identisch. Der Mengenanteil der HALS-Spezies ist
damit unabhangig von der Haminbeladung und liegt bei 50 ± 10 %.
Da das MOP zwei Bindungstaschen besitzt, liegt es bei einem HALS-Anteil von etwa 50 %
nahe zu vermuten, daß sich die beiden Bindungstaschen hinsichtlich der Einbausituation des
Kofaktors voneinander unterscheiden. In diesem Modell setzt der konstante Mengenanteil der
HALS-Spezies bei unterschiedlicher Haminbeladung voraus, daß die Bindungsaffinitat der beiden
Haminbindungstaschen identisch ist.
Fur das MOP wurden zwei Redoxpotentiale von −110 mV und −170 mV bestimmt [13].
Elektrochemische Messungen an einem MOP, das auf eine Goldoberflache gekoppelt wurde, le-
gen nahe, daß das Hamin in der Nahe des Templates das positivere Redoxpotential von −110 mVaufweist [22]. Uber die Korrelation der EPR-Signale mit dem Redoxpotential ware eine Zuord-
114 6. Magnetische Resonanz Untersuchungen an Cytochrom b Modellen
Abbildung 6.5: X-Band cw-EPR-Spektren des MOP mit unterschiedlicher Haminbeladung. Das
Verhaltnis von Hamin zu den Bindungsstellen im MOP betragt 0,5:2 (A), 1:2 (B), 1,5:2 (C) und 2:2
(D).
nung zwischen der Einbausituation (HALS oder regulare low-spin Spezies) zu einer der beiden
Bindungstaschen des MOP moglich. Diese Versuche sind bislang aufgrund der geringen Proben-
mengen jedoch noch nicht moglich.
Bei der Zuordnung der HALS-Spezies zu einer der beiden Bindungstaschen im MOP ist zu
beachten, daß in den EPR-Spektren der Polypeptidmodule Hamin-mMOP1 und Hamin-mMOP2
(Abschnitt 5.3.4) ebenfalls HALS und regulare low-spin Signale auftreten, obwohl diese de novo
synthetisierten Hamproteine nur eine Bindungstasche besitzen. Dies zeigt, daß in den kunstlichen
Vier-Helix-Bundeln die Faltung einer Bindungstasche bereits heterogen sein kann. Die HALS
und die regulare low-spin Spezies konnten damit auch statistisch im MOP verteilt sein. Hier
wird jedoch angenommen, daß die Bindungssituation der HALS-Spezies mit verdrehten oder
verkippten Histidinliganden in erster Linie bei der templatnahen Bindungstasche auftreten wird.
Die Beweglichkeit der Helices ist in dieser Bindungstasche durch die Fixierung auf das Templat
6.2 EPR-Spektroskopie 115
starker eingeschrankt als bei der weiter entfernten Bindungstasche.
Da die HALS-Signale bei Hamin-mMOP1 durch den Einsatz des chaotropen Agenz Gdn·HCleliminiert werden konnten (siehe Abbildung 5.11), wurde auch beim MOP der Einfluß von
Gdn·HCl auf die EPR-Spektren untersucht. Abbildung 6.6 zeigt dazu die EPR-Spektren desMOP ohne Gdn·HCl (A) und mit 0.5 M Gdn·HCl (B, Simulation C). Bei einer Gdn·HCl Kon-zentration von 0.5 M ist die Faltung des Vier-Helix-Bundels MOP noch stabil [13]. Durch die
Zugabe an Gdn·HCl werden die regularen low-spin Fe3+-Signale etwas schmaler. Es treten zwei
Abbildung 6.6: X-Band cw-EPR-Spektren des MOP ohne Zusatz von Gdn·HCl (A) und mit 0.5M Gdn·HCl (B). Die Simulation (C) von Spektrum (B) enthalt vier verschiedene Spezies: high-spin
Fe3+ (3 %), low-spin Fe3+ (67 %) und zwei HALS-Spezies mit gmax = 3,65 (20 %) und gmax = 3,20
(10 %).
116 6. Magnetische Resonanz Untersuchungen an Cytochrom b Modellen
getrenne HALS-Signale bei gmax = 3,65 und gmax = 3,20 auf. Auch beim MOP nimmt das
chaotrope Agenz Gdn·HCl Einfluß auf den Faltungszustand des Vier-Helix-Bundels. Es kommtjedoch im Unterschied zu Hamin-mMOP1 nicht zu einer vollstandigen Eliminierung der HALS-
Signale. Der Anteil an HALS-Spezies liegt im gunstigsten Fall bei etwa 30 %. Bei einer weiteren
Zugabe an Gdn·HCl gewinnt das high-spin Fe3+-Signal bei g = 6.0 an Intensitat, was die Frei-
setzung des Kofaktors und damit die Entfaltung des Vier-Helix-Bundels anzeigt. In der Probe
mit 0.5 M Gdn·HCl liegt der Anteil der high-spin Spezies erst bei etwa 3 %.Das Designkonzept Templat-assoziierter synthetischer Proteine scheint besonders anfallig
fur das Auftreten von HALS-Signalen und einer insgesamt eher heterogenen Bindungssituation
des Kofaktors zu sein, da dies sowohl fur die Polypeptidmodule aus Kapitel 5 als auch fur
das MOP festgestellt wurde. Außerdem treten die HALS-Signale ausschließlich in den EPR-
Spektren des MOP auf, obwohl die helicalen Bausteine von MOP und [α(H1)–α(H2)]2 identisch
sind (siehe Tabelle 6.1). In der abschließenden Diskussion dieses Kapitels in Abschnitt 6.4 werden
die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Designkonzepte der Cytochrom b Modelle einander
gegenubergestellt.
6.3 ENDOR-Spektroskopie
Ziel der ENDOR-spektroskopischen Untersuchung der Cytochrom b Modelle ist die Ermitt-
lung von Hyperfeinwechselwirkungen zwischen dem ungepaarten Elektronenspin und benach-
barten Kernspins. Bei den Cytochrom b Modellen sind 1H und 14N ENDOR-Resonanz-
Signale des Hamin-Kofaktors und der axialen Histidinliganden zu erwarten. Von besonde-
rem Interesse zur Charakterisierung der Einbausituation des Hamins ist die Identifikation der
ENDOR-Resonanzen der axialen Liganden. Zur eindeutigen Zuordnung dieser Signale wurden
zunachst ENDOR-Messungen an isotopenmarkierten Modellkomplexen durchgefuhrt. Verschie-
dene Fe(III)-Porphyrinsysteme, wie Protoporphyrin IX (PPIX), Octaethylporphyrin (OEP) und
Tetraphenylporphyrin (TPP) wurden mit Imidazol ligandiert, welches entweder protoniert, deu-
teriert oder mit 15N markiert vorlag.
Da in allen hier untersuchten Systemen die ENDOR-Resonanzen der Stickstoffkerne und
Protonen deutlich voneinander getrennt sind, werden ihre ENDOR-Spektren im folgenden se-
parat diskutiert. Dabei wird am Beispiel des ‘maquettes’ jeweils demonstriert, wie die ENDOR-
6.3 ENDOR-Spektroskopie 117
Resonanz-Signale der einzelnen Kernspins identifiziert und ausgewertet werden konnen. Darauf
aufbauend werden anschließend die ENDOR-Spektren aller Cytochrom b Modelle und MbIm
einander gegenubergestellt und diskutiert. Das ‘maquette’ wurde aus den Cytochrom b Model-
len fur eine ausfuhrliche Analyse der ENDOR-Spektren ausgewahlt, da es anhand der EPR-
spektroskopischen Charakterisierung den geringsten g-strain und damit eine definierte Einbau-
situationen des Kofaktors aufweist. Da mit der Puls-ENDOR-Spektroskopie im Vergleich zur
cw-ENDOR-Technik bei den de novo synthetisierten Hamproteinen eine bessere Auflosung er-
zielt wurde, werden im folgenden Puls-ENDOR-Spektren gezeigt. Die Puls-ENDOR-Spektren
wurden mit einer Davies-Puls-ENDOR-Sequenz aufgenommen [99], die in Abschnitt 3.2 vorge-
stellt wurde.
6.3.1 14N und 15N ENDOR-Spektroskopie
Abbildung 6.7 zeigt den 14N ENDOR-Bereich (1 – 5 MHz) der Puls-ENDOR-Spektren von
PPIX(Fe)Im+2 (A, B) und dem ‘maquette’ (C). Die Spektren wurden in der Nahe der gz-
Feldposition (g = 2,93, 236,5 mT) aufgenommen. Der Modellkomplex PPIX(Fe)Im+2 wurde mit
Imidazol hergestellt, dessen beide Stickstoffpositionen entweder mit 14N (A) oder 15N (B) besetzt
sind. Die Markierung des Modellkomplexes dient zur Unterscheidung der ENDOR-Resonanzen
der axialen Liganden von denen des Porphyrins. Die 14N und 15N Kerne besitzen einen ande-
ren Kernspin und einen anderen gN -Faktor, woraus unterschiedliche Resonanzpositionen in den
ENDOR-Spektren resultieren, die zu einer Identifizierung der ENDOR-Signale fuhren sollten.
Das Puls-ENDOR-Spektrum des Komplexes mit 14N Imidazol (A) zeigt drei Signale bei 2,1
MHz, 3,0 MHz und 4,5 MHz (± 0,1 MHz). An der Flanke des relativ breiten Signals bei 2,1 MHzist bei etwa 1,6 MHz noch eine flache Schulter zu sehen. Verwendet man 15N markiertes Imidazol
so verschwindet der Peak bei 2,1 MHz in Spektrum (B). Damit muß dieses Signal von einem 14N
Atom der axialen Imidazolliganden stammen. Die ENDOR-Resonanzen, die in beiden Spektren
bei 1,6 MHz, 3,0 MHz und 4,5 MHz auftreten, werden den 14N Atomen des Porphyrinsystems
zugeordnet. Neben den drei Signalen des Porphyringerustes zeigt der mit 15N markierte Komplex
eine flache Schulter bei etwa 2,6 MHz. Außerdem ist das Signal bei 4,5 MHz im Vergleich zu
Spektrum (A) verbreitert. Es wird daher angenommen, daß ein ENDOR-Resonanz-Signal des
15N Imidazols, wie in Abbildung 6.7 skizziert, von der 14N ENDOR-Resonanz des Porphyrins
uberlagert wurde. Dem 15N Imidazol werden ENDOR-Resonanzen bei 2,6 MHz und 4,6 MHz
118 6. Magnetische Resonanz Untersuchungen an Cytochrom b Modellen
(± 0,3 MHz) zugeordnet.
Die hier getroffenen Zuordnungen der Puls-ENDOR-Signale sind in Ubereinstimmung
mit einer cw-ENDOR-Untersuchung an low-spin Fe(III)porphyrin-Komplexen von Scholes
et al. [207]. In dieser Arbeit wurde die Detektion der 15N Imidazol ENDOR-Resonanzen
durch die zusatzliche 15N Markierung des Porphyringerustes in dem Komplex bis-Imidazol-
Fe(III)coproporphyrintetramethylester erreicht.
Fur einen 14N Kernspin mit I = 1 sind an der gz-Feldposition vier Signale zu erwarten [207]:
ν = 1/2|Azz | ± 3/2|Qzz | ± ν14N. (6.1)
Azz und Qzz bezeichnen die Tensorwerte der Hyperfein- und Quadrupolwechselwirkung, die an
der gz-Kante ermittelt werden. Diese Werte sind nicht zwangslaufig identisch mit den Hauptwer-
ten der entsprechenden Tensoren. Aufgrund der hohen Symmetrie der Fe(III)porphyrinkomplexe
mit gz entlang der Haminnormalen, ist allerdings anzunehmen, daß fur den Stickstoffkern des
axialen Imidazols tatsachlich die Az (bzw. Qz) Hauptachse und fur14N Porphyrin entsprechend
eine dazu orthogonale Komponente erhalten wird.
Die Aufspaltung der 14N ENDOR-Signale fur das Porphyrin ist in Abbildung 6.7 eingezeich-
net. Fur die Hyperfein- und Quadrupolwechselwirkung wurde |14Azz|Por = 6,1 ± 0,2 MHz und
|14Qzz|Por = 0,5 ± 0,2 MHz ermittelt. Die Larmorfrequenz der 14N Kerne an der gz-Feldposition
ist ν14N = g14NβNB = 0,73 MHz.
Fur die axialen Imidazolliganden konnte nur ein 14N ENDOR-Signal identifiziert werden.
Die Hyperfeinwechselwirkung kann jedoch indirekt uber die Analyse der 15N Imidazol ENDOR
Resonanzen des markierten Modellkomplexes abgeschatzt werden. Fur 15N mit einem Kernspin
von I = 1/2 liegen die ENDOR Resonanzfrequenzen an der gz-Feldposition bei:
ν = |1/2Azz ± ν15N|. (6.2)
Der Abstand der beiden 15N ENDOR-Signale (bei 2,6 MHz und 4,6 MHz) entspricht der doppel-
ten Larmorfrequenz der 15N Kerne ν15N = g15NβNB = 1,02 MHz. Damit ergibt sich nach Glei-
chung (6.2) eine Hyperfeinaufspaltung von |15Azz|Im = 7,2 ± 0,4 MHz. Mit den magnetischen
Momenten von 15N und 14N (g15N = −0, 566, g14N = 0,403), mit welchen die Hyperfeinwechsel-
wirkung skaliert, ergibt sich |14Azz|Im = 5,1 ± 0,3 MHz. Diese Hyperfeinwechselwirkung wird
6.3 ENDOR-Spektroskopie 119
Abbildung 6.7: 14N Puls-ENDOR-Spektren von PPIX(Fe)Im2 (A, B) und dem ‘maquette’ (C) an
der Feldposition 236,5 mT, g = 2,93. Der Modellkomplex wurde mit 14N (A) und 15N (B) Imidazol
hergestellt. Die Aufspaltung der ENDOR-Resonanzen der 14N und 15N Kerne sind eingezeichnet und
im Texte naher erlautert.
120 6. Magnetische Resonanz Untersuchungen an Cytochrom b Modellen
dem Stickstoffkern des Imidazolliganden zugeordnet, der direkt an das Hamin koordiniert ist.
Fur den weiter entfernten Stickstoffkern des Imidazols ist diese relativ hohe Hyperfeinwechsel-
wirkung unwahrscheinlich [208]. Nach Gleichung (6.1) kann man ausgehend von der Peakposition
bei 2,1 MHz und der Hyperfeinwechselwirkung |14Azz|Im = 5,1 ± 0,3 MHz auf zwei mogliche
Werte fur die Quadrupolwechselwirkung zuruckschließen. Es ergibt sich entweder |14Qzz|Im =
0,77 MHz oder |14Qzz|Im = 0,17 MHz. Die erste Moglichkeit mit |14Qzz|Im = 0,77 MHz wird
hier vorgezogen, da sich mit diesem Wert ein ENDOR-Linienmuster ergibt, welches mit den ex-
perimentellen Spektren vereinbar ist. Die berechneten Linienpositionen liegen bei 0,7 MHz, 2,1
MHz, 3,0 MHz und 4,5 MHz. Die Linienpositionen bei 3,0 MHz und 4,5 MHz uberlappen mit den
ENDOR-Resonanzen des Porphyrins. Das ENDOR-Signal bei 0,7 MHz ist schwer zu beobachten,
da ENDOR-Ubergange niedriger Frequenz meist eine geringere Intensitat aufweisen [207]. So zei-
gen auch die ENDOR-Spektren aus Abbildung 6.7, daß sowohl bei 15N Imidazol als auch bei den
14N Kernen des Porphyrins die ENDOR-Signale bei niedriger Frequenz schwacher und breiter
sind als die entsprechenden hochfrequenten Signale. Die Quadrupolwechselwirkung |14Qzz|Im =0,77 MHz entspricht außerdem einem e2Qq/h Parameter von 2,3 MHz, der innerhalb des engen
Wertebereichs liegt, der fur den koordinierenden Stickstoffkern in verschiedenen Imidazol-Metal-
Komplexen gefunden wurde [96,208].
In diesem Abschnitt werden nur die ENDOR-Spektren gezeigt, die an der gz-Kante aufge-
nommen wurden. ENDOR-Messungen an anderen Feldpositionen wiesen noch starkere Uberlage-
rungen von ENDOR-Resonanzen auf, wobei die Beitrage des Porphyrinringes stark dominieren.
Dabei konnten keine weiteren ENDOR-Signale der axialen Liganden identifiziert werden. Puls-
ENDOR-Messungen am Modellkomplex TPP(Fe)Im+2 , der ebenfalls mit
14N und 15N Imidazol
hergestellt wurde und eine hohe Symmetrie aufweist, lieferten keine weitere Auflosung und damit
Zuordnungsmoglichkeit in den ENDOR-Spektren. Vielmehr wurden trotz der unterschiedlichen
Substituenten in der Peripherie des Porphyrins fast identische Signale wie fur PPIX(Fe)Im+2
erhalten. Aus der 14N ENDOR-Spektroskopie konnen damit nur eingeschrankte Informationen
zur axialen Ligandierung des Hamins erhalten werden.
Das ENDOR-Spektrum des ‘maquette’ (C) besitzt eine auffallend hohe Ahnlichkeit zum
Spektrum (A) des Modellkomplexes PPIX(Fe)Im+2 mit 14N Imidazol. Die Zuordnung der
ENDOR-Signale wird daher direkt ubernommen. Die hohe Ahnlichkeit in den ENDOR-
Resonanzen der Porphyrinstickstoffkerne zwischen dem Modellkomplex und dem de novo synthe-
6.3 ENDOR-Spektroskopie 121
tisierten Hamprotein zeigt, daß der Einbau des Hamins in die Polypeptidumgebung keinen signi-
fikanten Effekt auf die Hyperfein- und Quadrupoltensoren und damit die elektronische Struktur
des Hamins hat. Der Vergleich der ENDOR-Spektren von PPIX(Fe)Im+2 mit dem ‘maquette’
ermoglicht die Identifikation eines 14N ENDOR-Signals des axialen Histidinliganden im de novo
synthetisierten Hamprotein. Auch die anderen Cytochrom b Modelle MOP und [α(H1)–α(H2)]2
sowie MbIm zeigen dieses 14N ENDOR-Signal des axialen Histidinliganden bei etwa 2,1 MHz
(± 0,1 MHz). Damit ist der Einbau des Kofaktors Hamin in den de novo Proteinen uber die
axiale Histidinkoordination, auf welche schon aus den EPR-spektroskopischen Untersuchungen
geschlossen wurde, bestatigt.
6.3.2 1H ENDOR-Spektroskopie
6.3.2.1 Identifizierung der ENDOR-Signale anhand von Modellkomplexen
Abbildung 6.8 zeigt 1H Puls-ENDOR-Spektren des Modellkomplexes PPIX(Fe)Im+2 , die an den
Feldstellen g = 2,85 (243 mT, A), g = 2,47 (280 mT, B), g = 2,28 (304 mT, C) und g = 1,54
(450 mT, D) aufgenommen wurden. PPIX(Fe)Im+2 wurde mit protoniertem Imidazol (Spektren
in der oberen Spur) und deuteriertem Imidazol (jeweils untere Spur in A bis D) hergestellt. Die
1H ENDOR-Resonanz-Signale liegen in etwa symmterisch zur Larmorfrequenz νH der Protonen
und zeigen eine starke Feldabhangigkeit. Die ENDOR-Spektren, die an der Feldposition g=2,85
nahe der gz-Kante des Komplexes aufgenommen wurden (A), werden von Signalen dominiert,
deren Linienaufspaltung unter 2 MHz liegt. Sie treten bei der Komplexierung des Hamins mit
protoniertem und deuteriertem Imidazol auf und sind damit den Protonen der Hamgruppe zuzu-
ordnen. Die 1H Puls-ENDOR-Spektren an den Feldstellen g = 2,47 (B) und g = 2,28 (C) zeigen
im Spektrum der protonierten Verbindung deutliche ENDOR-Signale mit Linienaufspaltungen
uber 2 MHz. Da diese Signale im Spektrum des Modellkomplexes PPIX(Fe)Im+2 mit deute-
riertem Imidazol nicht auftreten, ist eine klare Zuordnung der Signale a/a’, b/b’ und c/c’ aus
Abbildung 6.8 zu den Protonen des axialen Imidazolliganden moglich. In den ENDOR-Spektren,
die an der Feldposition g = 1,54 nahe der gx-Kante aufgenommen wurden, sind ebenfalls Un-
terschiede zwischen den ENDOR-Spektren der protonierten und deuterierten Verbindung zu
erkennen. Die Zuordnung der Signale wird hier jedoch durch die geringere Linienaufspaltung
und die Uberlagerung mit den ENDOR-Signalen des Hamins erschwert.
122 6. Magnetische Resonanz Untersuchungen an Cytochrom b Modellen
Abbildung 6.8: 1H Puls-ENDOR-Spektren des Modellkomplexes PPIX(Fe)Im+2 aufgenommen bei
g = 2,85, 234 mT (A), g = 2,47, 280 mT (B), g = 2,28, 304 mT (C) und g = 1,54, 450 mT (D).
Der Modellkomplex wurde mit protoniertem (obere Spur) und deuteriertem (untere Spur) Imidazol
hergestellt. ENDOR-Signale mit Hyperfeinaufspaltungen großer als 2 MHz (grau schraffiert) treten
nur in den ENDOR-Spektren des Komplexes mit protoniertem Imidazol auf. Die Signale a/a’, b/b’
und c/c’ sind damit den Imidazolprotonen zuzuordnen. Die Larmorfrequenz der Protonen νH ist
10,35 MHz (A), 11,92 MHz (B), 12,94 MHz (C) und 19,16 MHz (D).
6.3 ENDOR-Spektroskopie 123
Neben PPIX(Fe)Im+2 wurden weitere Modellkomplexe mit protoniertem und deuteriertem
Imidazol hergetellt, wie OEP(Fe)Im+2 und TPP(Fe)Im+
2 . Ihre1H Puls-ENDOR-Spektren zei-
gen im spektralen Bereich der Hyperfeinaufspaltungen uber 2 MHz eine hohe Ahnlichkeit zu
PPIX(Fe)Im+2 . So wurden an den Feldpositionen g = 2,47, 280 mT und g = 2,28, 304 mT
Signale detektiert, die den ENDOR-Resonanzen a/a’, b/b’ und c/c’ der Imidazolprotonen im
Modellkomplex PPIX(Fe)Im+2 entsprechen. Scholes et al. [207] konnten durch selektive Deute-
rierung der Imidazolliganden von TPP(Fe)Im+2 mittels cw-ENDOR-Spektroskopie zeigen, daß
die Signale a/a’ und c/c’ dem Imidazolproton H5 und b/b’ dem Imidazolproton H2 zuzuordnen
sind. Diese beiden Protonen (siehe Abbildung 6.10) besitzen den kurzesten Abstand zum Fe3+-
Zentralmetallion des Porphyrins. Nach den Rontgentstrukturen von Modellkomplexen [209,210]
betragt der Abstand zu Fe3+ fur H2 und H5 etwa 3,25 A, fur H3 und H4 dagegen uber 5 A.
Die meso-Protonen2 des Porphyrins besitzen einen Abstand von etwa 4,5 A zum Zentralmetall-
ion [207]. Damit ist fur H2 und H5 die starkste Elektron-Kern Dipol-Dipol Wechselwirkung der
Protonen in den low-spin Fe3+-Komplexen zu erwarten. Der große Einfluß dieser anisotropen
Wechselwirkung spiegelt sich in der ausgepragten Feldabhangigkeit der ENDOR-Signale wieder.
Die ENDOR-Signale a/a’, b/b’ und c/c’ mit Aufspaltungen uber 2 MHz werden daher den Pro-
tonen H2 und H5 des axialen Imidazolliganden zugeordnet. Die ENDOR-Signale der Imidazol-
protonen H3 und H4 uberlappen dagegen mit den ENDOR-Resonanzen der Porphyrinprotonen
mit geringerer Linienaufspaltung.
Da die ENDOR-Signale der Protonen H2 und H5 in den 1H Puls-ENDOR-Spektren der
Modellkomplexe gut aufgelost und eindeutig zu detektieren sind, werden sie im folgenden als
spektroskopische Sonde fur die Charakterisierung der de novo synthetisierten Hamproteine ein-
gesetzt. Uber ihre dipolare Hyperfeinwechselwirkung sollen strukturelle Aussagen zur Bindungs-
situation des Hamins in den de novo synthetisierten Proteinen getroffen werden.
6.3.2.2 Analyse der 1H ENDOR-Spektren des ‘maquette’
Abbildung 6.9 zeigt die 1H Puls-ENDOR-Spektren des de novo synthetisierten Hamproteins
‘maquette’. Die Spektren wurden bei g = 2,93 (236,5 mT, A), g = 2,47 (280 mT, B) und g =
2,28 (304 mT, C) aufgenommen. In der Nahe der gx-Feldposition wurde kein Spektrum aufge-
2Mit meso-Protonen werden die Protonen an den vier Methinbrucken zwischen den vier Pyrrolringen des
Porphyrins bezeichnet [211].
124 6. Magnetische Resonanz Untersuchungen an Cytochrom b Modellen
Abbildung 6.9: 1H Puls-ENDOR-Spektren des ‘maquettes’ aufgenommen bei 236,5 mT, g = 2,93
(A), 280 mT, g = 2,47 (B) und 304 mT, g = 2,28 (C). Die ENDOR-Signale liegen in etwa symmetrisch
zur Larmorfrequenz der Protonen νH von 10,07 MHz (A), 11,92 MHz (B) und 12,94 MHz (C). Die
ENDOR-Resonanzen der Histidinprotonen H2 und H5 werden mit a/a’, b/b’ und c/c’ bezeichnet. Ihr
Beitrag zu den ENDOR-Spektren wurde simuliert (Spuren unterhalb der experimentellen Spektren
fur H2: · · ·, H5: − − und die Addition der Beitrage von H2 und H5: —).
6.3 ENDOR-Spektroskopie 125
nommen, da die geringe EPR-Intensitat an dieser Feldposition zu einer extrem langen Aufnah-
mezeit der ENDOR-Spektren fuhren wurde, um ein Signal-zu-Rausch-Verhaltnis zu erzielen, das
mit den anderen Spektren in Abbildung 6.9 vergleichbar ware. Die ENDOR-Untersuchungen der
Modellkomplexe zeigt, daß der hier gewahlte Feldbereich zwischen gz und gy fur die Detektion
der Signale der axialen Ligandenprotonen besonders gut geeignet ist.
Die ENDOR-Spektren des ‘maquette’ sind fast identisch mit denen des Modellkomplexes
PPIX(Fe)Im+2 mit protoniertem Imidazol aus Abbildung 6.8. Allerdings sind in der Mitte der
1H Puls-ENDOR-Spektren des ‘maquettes’ ENDOR-Signale der Proteinmatrix zu erkennen, die
offensichtlich nicht beim Modellkomplex auftreten. Die ENDOR-Signale a/a’, b/b’ und c/c’, die
diagnostisch fur die Protonen H2 und H5 des axialen Liganden sind, sind an den Feldstellen
g = 2,47 (B) und gy = 2,28 (C) klar zu erkennen. Um die Hyperfeinwechselwirkung dieser
beiden Protonen im ‘maquette’ zu analysieren, wird ihr Beitrag zu den ENDOR-Spektren in
Abbildung 6.9 simuliert. Das Simulationsprogramm SIMES, das fur diesen Zweck erstellt wurde,
wurde bereits in Abschnitt 4.4.2 vorgestellt. Hier werden nur kurz die Parameter, die in die
Simulation eingehen, erlautert.
Maßgeblich fur die Große der dipolaren Hyperfeinwechselwirkung ist der Betrag r des Verbin-
dungsvektors 6r zwischen dem Proton und dem Fe3+-Zentrum. Dabei wird in der hier verwendeten
Punkt-Dipol-Naherung angenommen, daß der Elektronenspin am Fe3+-Kernort lokalisiert ist.
Abbildung 6.10 zeigt am Beispiel des Protons H2, wie die Position des Protons zur Berechnung
der dipolaren Hyperfeinwechselwirkung zwischen Elektronen- und Kernspin im Koordinatensy-
stem des g-Tensors festgelegt wird. Dabei ist ψ2 der Winkel zwischen dem H2-Fe Abstandsvektor
6r2 und der gz-Achse. φ2 gibt den Winkel zwischen der gx-Achse und der Projektion von 6r2 in
die gx – gy Ebene an.
Um konkrete Strukturaussagen zur axialen Koordination des Hamins im ‘maquette’ treffen
zu konnen, mussen die g-Tensorhauptachsen in Beziehung zum molekularen Koordinatensystem
der low-spin Fe3+-Komplexe gesetzt werden. Wie bereits in Abschnitt 6.2 erwahnt wurde, ist
aus EPR-Messungen an Einkristallen bekannt, daß in low-spin Haminkomplexen die gz-Achse
parallel zur Hamnormalen zeigt und die beiden anderen g-Tensorhauptachsen in der Porphyrin-
ebene liegen [108, 109, 115]. Mit der Annahme, daß diese allgemeinen Merkmale von low-spin
Haminkomplexen auch auf das ‘maquette’ zutreffen, konnen die Winkel ψ und φ, die aus der
Simulation der ENDOR-Spektren erhalten werden, direkt in die Struktur des Haminkomplexes
126 6. Magnetische Resonanz Untersuchungen an Cytochrom b Modellen
ubertragen werden.
Die Simulationsparameter, die fur die Histidinprotonen H2 und H5 ermittelt wurden, sind
in Tabelle 6.3 zusammengefaßt. Da der Abstand r zwischen dem Proton und dem ungepaar-
ten Elektronenspin die Große der Linienaufspaltungen sehr stark beeinflußt, kann dieser Wert
mit einer relativ hohen Genauigkeit von ± 0,10 A bestimmt werden. Die Feldabhangigkeit der
ENDOR-Spektren wurde eingesetzt, um die Winkel ψ und φ zu ermitteln. Die ENDOR-Spektren
aus Abbildung 6.9 wurden alle mit den Werten ψ2 = 45◦, φ2 = 20◦ und ψ2 = 45◦, φ2 = 200◦
simuliert. Die Genauigkeit der Ermittling der Winkelparameter kann auf ± 5◦ abgeschatzt wer-
den, da der feldabhangige Verlauf der ENDOR-Spektren nur innerhalb dieses Wertebereiches
gut wiedergegeben werden konnte.
Die Simulation der Beitrage von H2 und H5 zu den ENDOR-Spektren des ‘maquettes’ ist
in Abbildung 6.9 gezeigt. An der Feldposition g = 2,93 (A) ist der Beitrag von H2 und H5
r
g z
g y
gx
H H
N
N
H
H3
5
2ε
δ
2
2
Fe2
2φψ
N
NH H
1
Abbildung 6.10:Koordination von Hamin mit zwei Histidinresten. Die Position des Histidinprotons
H2 im Koordinatensystem des g-Tensors wird durch den Abstand r2 vom Fe3+-Ion und die Winkel
ψ2 und φ2 festgelegt.
6.3 ENDOR-Spektroskopie 127
Tabelle 6.3: Simulationsparameter fur die Histidinprotonen H2 und H5 der ENDOR-Spektren des
‘maquettes’ aus Abbildung 6.9. Die geometrischen Parameter r, ψ und φ sind in Abbildung 6.10 am
Beispiel von H2 definiert, aiso gibt die isotrope Fermi-Kontakt-Wechselwirkung an.
H2 H5
r 3,25 ± 0,10 A 3,25 ± 0,10 A
ψ 45◦ ± 5◦ 45◦ ± 5◦
φ 20◦ ± 5◦ 200◦ ± 5◦
aiso −1, 1 ± 0,2 MHz −0, 3 ± 0,2 MHz
kaum zu detektieren. Hier zeigt die Simulation einen flachen Peak, der unsymmetrisch zur Lar-
morfrequenz liegt.3 Die Signale von H2 und H5 sind an der Feldposition g = 2,47 (B) dagegen
deutlich zu erkennen und liegen im ENDOR-Spektrum und seiner Simulation symmetrisch zur
Larmorfrequenz der Protonen. In Spektrum (C) an der Feldposition g= 2,28 nimmt die Lini-
enaufspaltung der Histidin-Signale im Vergleich zu Spektrum (B), das bei g = 2,47 erhalten
wurde, ab. Außerdem erscheinen die Signale auf der Seite der niedrigen Frequenz etwas flacher
und breiter. Diese Merkmale werden ebenfalls in der Simulation reproduziert.
Die geometrischen Parameter r, ψ und φ fur H2 und H5 sind sich sehr ahnlich. Damit ergibt
sich eine symmetrische Bindungssituation mit einer fast identischen dipolaren Wechselwirkung
fur die beiden Histidinprotonen. In den ENDOR-Spektren werden jedoch unterschiedliche Linien-
positionen fur H5 und H2 beobachtet. Ursache fur diese Separation ist eine unterschiedliche iso-
trope Fermi-Kontakt-Wechselwirkung, wobei |aiso(H2)| > |aiso(H5)|. In Ubereinstimmung mitder cw-ENDOR-spektroskopischen Untersuchung an selektiv deuteriertem TPP(Fe)Im+
2 [207]
werden die Linienpositionen a/a’ und c/c’ dem Proton H5 und b/b’ dem Proton H2 zugeordnet.
Anhand von Simulationen mit dem Programm SIMES kann demonstriert werden, wie mit der
Erhohung des Betrages von |aiso| die Separation der Peaks a/a’ und c/c’ abnimmt bis – wie furH2 – nur noch ein Peak (b/b’) auftritt.
Zunachst mag der Unterschied in der isotropen Fermi-Kontakt-Wechselwirkung fur H2 und
H5 erstaunen. Es ist jedoch zu beachten, daß aufgrund des zweiten Stickstoffatoms im Imi-
3Die unsymmetrische Lage der Peakposition relativ zur Larmorfrequenz ist auf die Berucksichtigung der zweiten
Ordnung in der Berechnung der Hyperfeinwechselwirkung zuruckzufuhren (siehe Abschnitt 4.4.2).
128 6. Magnetische Resonanz Untersuchungen an Cytochrom b Modellen
dazolring keine Symmetriebeziehung (z. B. in Form einer Spiegelebene) zwischen H2 und H5
besteht. Vielmehr ist anzunehmen, daß sich der Unterschied in der isotropen Hyperfeinkopp-
lung direkt in der elektronischen Struktur des π-Systems des Histidinliganden wiederspiegelt.
In low-spin Haminkomplexen befindet sich die ungepaarte Elektronenspindichte hauptsachlich
in dem dyz Orbital des Fe3+. Dieses kann mit dem π-System des Imidazolringes eine π-Ligand
→ d-Metall Wechselwirkung eingehen [201] (siehe auch Abbildung 6.3 zur Ligandenfeldanalyse
der g-Tensorhauptwerte). Die ungepaarte Elektronenspindichte erreicht das 1s-Orbital von H2
oder H5 uber die indirekte Spinpolarization. Der hohere Betrag von |aiso(H2)| zeigt dabei einehohere ungepaarte Elektronenspindichte in dem pz-Orbital an, das zu H
2 direkt benachbart
ist, wahrend das zu H5 benachbarte pz-Orbital eine geringere ungepaarte Elektronenspindich-
te aufweist. Diese unterschiedliche Spindichteverteilung wurde auch in NMR-spektroskopischen
Untersuchungen an anderen Modellkomplexen und low-spin Hamproteinen gefunden [212,213].
Im folgenden sollen die geometrischen Parameter, die aus der Simulation der ENDOR-
Spektren des ‘maquette’ erhalten wurden, in Hinblick auf die Struktur der Koordination des
Haminkofaktors analysiert werden. Abbildung 6.10 skizziert eine Bindungssituation, in der die
Koordination des Hamins Uber das Nε2Atom des Histidins erfolgt. Diese Bindungssituation
ist in Einklang mit den geometrischen Simulationsparametern, die einen kurzen Abstand der
Protonen H2 und H5 von 3,25 ± 0,10 A zum Zentralmetallion festlegt. Da zur Simulation der
ENDOR-Spektren ein Parametersatz mit den beiden Protonen H2 und H5 ausreichte, mussen
die beiden axialen Histidinliganden symmetrisch zueinander im gleichen Abstand zu Fe3+ liegen.
Ein unterschiedlicher Bindungsabstand mußte sich durch neue Linienaufspaltungen im ENDOR-
Spektrum bemerkbar machen, da die Aufspaltung der ENDOR-Signale sehr stark vom Abstand
r abhangt. Neben dem Nε2Atom stunde im Prinzip auch das Nδ
1Atom des Histidins zur Ko-
ordination von Hamin zur Verfugung. Eine Koordination uber das Nδ1Atom des Histidins kann
jedoch anhand der ENDOR Simulationsparameter ausgeschlossen werden, da sich in diesem Fall
nur ein Proton (H2) in direkter Nachbarschaft zum koordinierenden Stickstoffatom befinden
wurde, das zu den Linienaufspaltungen großer als 2 MHz beitragen konnte. Außerdem wurde
eine Koordination uber das Nδ1Atom aufgrund der sterischen Hinderung des CH2-Fragmentes
der Aminosaure zu einer verdrehten Anordnung der beiden Histidinebenen fuhren. Aus der
Ligandenfeldanalyse der g-Tensorhauptwerte des ‘maquettes’ wurde jedoch auf eine nahezu per-
fekt parallele Orientierung der beiden Histidinebenen zueinander geschlossen. Damit ist die
6.3 ENDOR-Spektroskopie 129
in Abbildung 6.10 skizzierte Bindungssituation sowohl in Einklang mit den Ergebnissen der
EPR-Spektroskopie als auch mit der Analyse der ENDOR-Spektren. In Rontgenstrukturen von
low-spin Metalloporphyrin-Modellkomplexen [201] wird ebenfalls haufig eine parallele Anord-
nung der axialen Ligandenebenen gefunden. Dabei stehen die beiden Imidazolliganden uber ein
Inversionszentrum zueinander in Beziehung. Nach den Ergebnissen der ENDOR-Simulationen
sind fur die beiden Histidinliganden im ‘maquette’ zwei Orientierungen moglich. Die Ebenen der
Histidinliganden bilden einen Winkel von etwa 0◦ oder 180◦ (± 10◦) zueinander.
Unter der Annahme, daß die gz-Achse auch im ‘maquette’ parallel zur Haminnormalen
verlauft [108,109], konnen die geometrischen Simulationsparameter direkt in das molekulare Ko-
ordinatensystem der low-spin Haminkomlexe ubertragen werden. Wie anhand Abbildung 6.10
zu sehen ist, entsprechen die Winkel ψ2 und ψ5 dann den Bindungswinkeln Nε2-Fe-H2 und Nε
2-
Fe-H5. Beide Bindungswinkel betragen 45◦ ± 5◦, was mit einer symmetrischen Ligandierung, beider die Nε
2-Fe Verbindungsachse auf der Hamnormalen liegt, in Einklang ist. Aus den geometri-
schen Parametern r und ψ von H2 und H5 folgt ein Abstand der Nε2-Fe Bindung von 2,0 ± 0,2
A. Die Simulationsparameter φ2 = 20◦ ± 5◦ und φ5 = 200
◦ ± 5◦ geben die Projektion des axialenLiganden Histidin auf die Ebene des Porphyrinringes an. φ2 und φ5 unterscheiden sich um 180
◦,
was fur einen planaren Histidinring zu erwarten ist. Die Projektion des Histidinliganden auf den
Porphyrinring bildet einen Winkel von φ = 20◦ zur gx-Achse.
In low-spin Haminkomplexen wurde auf der Basis der Ligandenfeldanalyse eine Beziehung
zwischen der Lage der Histidinebene relativ zu den N-Fe-N-Verbindungsachsen des Porphyrin-
ringes und der gx-Achse gefunden [204]. Abbildung 6.11 erlautert dieses Prinzip, welches hier
auf das ‘maquette’ angewandt wird. Wenn der axiale Ligand um einen Winkel +γ von einer der
N-Fe-N-Achsen des Porphyrins weggedreht wird (Rotation im Gegenuhrzeigersinn), so bildet
die gx-Achse einen Winkel von −γ zu derselben N-Fe-N-Achse (Rotation im Uhrzeigersinn). Der
Winkel φ = 20◦, der aus der Simulation folgt, entspricht einem kleinen γ-Wert von 10◦. Rontgen-
strukturen von Metalloporphyrinsystemen zeigen, daß die axialen Imidazolligganden tatsachlich
eine ekliptische Position zur N-Fe-N-Verbindungsachse des Porphyrins bevorzugen [214]. Die Si-
mulationsparameter der ENDOR-Spektren des ‘maquettes’ mit γ = 10◦ sind in Ubereinstimmung
mit einer fast ekliptischen Position der axialen Histidinliganden zur N-Fe-N-Verbindungsachse
des Porphyrins.
130 6. Magnetische Resonanz Untersuchungen an Cytochrom b Modellen
y
xN N
NN
−γ
+γ g
g
φ
Abbildung 6.11: Projektion des axialen Histidinliganden auf die Porphyrinebene nach Ref. [204].
Wenn die Projektion des Histidins einen Winkel +γ (Drehung im Gegenuhrzeigersinn) mit einer der
N-Fe-N-Verbindungsachsen des Porphyrins einschließt, liegt die gx-Achse in einem Winkel von −γ
(Rotation im Uhrzeigersinn) zur selben N-Fe-N-Verbindungsachse. Der Winkel φ = 2 γ entspricht
dem Winkel zwischen der Projektion des Histidinliganden und der gx-Achse.
Anhand der ausfuhrlichen Analyse der ENDOR-Spektren des ‘maquettes’ konnte gezeigt
werden, daß mit Hilfe der ENDOR-Spektroskopie detaillierte Strukturinformationen gewonnen
werden konnen. Die nun folgende Gegenuberstellung der ENDOR-Spektren der Cytochrom b
Modelle stutzt sich auf die Ergebnisse dieser Analyse.
6.3.2.3 Gegenuberstellung der Cytochrom b Modelle
Abbildung 6.12 zeigt 1H Puls-ENDOR-Spektren der Cytochrom b Modelle MOP (A), [α(H1)–
α(H2)]2 (B), ‘maquette’ (C) und von MbIm (D), die bei g = 2,28, 304 mT aufgenommen wurden.
Diese Feldposition entspricht in etwa dem gy-Wert der regularen low-spin Fe3+-Komplexe der
Proben. Entscheidend fur die Wahl der Feldposition war, daß ENDOR-Signale der axialen Hi-
stidinprotonen detektiert werden konnen und durch die hohe EPR-Intensitat an gy ein gutes
Signal-zu-Rausch Verhaltnis in den ENDOR-Spektren erzielt werden kann.
Die ENDOR-Spektren der Cytochrom b Modelle und MbIm zeigen deutliche Signale mit Li-
nienaufspaltungen großer als 2 MHz. Dieser in Abbildung 6.12 grau unterlegte spektrale Bereich
ist, wie die ENDOR-Untersuchungen an den Modellkomplexen und dem ‘maquette’ zeigen, dia-
6.3 ENDOR-Spektroskopie 131
Abbildung 6.12: 1H Puls-ENDOR-Spektren der Cytochrom b Modelle MOP (A), [α(H1)–α(H2)]2
(B), ‘maquette’ (C) und des Hamproteins MbIm (D). Die Spektren wurden an der Feldposition 304
mT, g = 2,28 aufgenommen. Dies entspricht einer Larmorfrequenz ν0 der Protonen von 12,94 MHz.
Die ENDOR Resonanzen der Histidinprotonen H2 und H5 sind grau unterlegt. Die Signale a/a’ und
c/c’ sind H5 zuzuordnen. Das Signal b/b’ stammt von H2.
132 6. Magnetische Resonanz Untersuchungen an Cytochrom b Modellen
gnostisch fur die axialen Histidinprotonen H2 und H5. Die Linienaufspaltungen der Signalpaare
a/a’ und b/b’ liegen in allen Spektren bei etwa 2,5 ± 0,2 MHz und 3,2 ± 0,2 MHz. Die Intensitatdes Signalpaares c/c’ ist jeweils deutlich schwacher als fur a/a’ und b/b’. Seine Linienaufspaltung
liegt bei etwa 5,0 ± 0,3 MHz.
Die Detektion der axialen Histidinprotonen H2 und H5 in den ENDOR-Spektren von MOP
und [α(H1)–α(H2)]2 zeigt, daß das Hamin auch in diesen Cytochrom b Modellen uber das
Nε2Atom des Histidins koordiniert wird. Fur MbIm ist aus Rontgenstrukturdaten bereits be-
kannt [198,206], daß der native Histidinligand ebenfalls uber das Nε2Atom an das Hamin bindet.
Der Vergleich der ENDOR-Spektren von MbIm mit den Cytochrom b Modellen bestatigt und
unterstutzt damit die bereits getroffene Signalzuordnung in den de novo synthetisierten Hampro-
teinen.
Da die Aufspaltung der ENDOR-Linien innerhalb der Cytochrom b Modelle sehr ahnlich ist,
wird angenommen, daß sich die Histidinprotonen H2 und H5 in Analogie zum ‘maquette’ in
einem Abstand von etwa 3,25 ± 0,2 A vom Zentralmetallion befinden. Daraus wird ein FeNε2-
Bindungsabstand von etwa 2,0 ± 0,3 A fur die Cytochrom b Modelle MOP und [α(H1)–α(H2)]2
und fur MbIm abgeschatzt. Aus der Rontgenstruktur von MbIm folgt ein Bindungsabstand von
2,04 A fur den FeNε2-Bindungsabstand des Histidins und von 2,17 A fur das Imidazol [198].
Trotz grundlegender struktureller Gemeinsamkeiten in der Bindungssituation des Hamins zei-
gen die ENDOR-Spektren der drei Cytochrom bModelle auch Unterschiede an. So sind MOP und
[α(H1)–α(H2)]2 dem MbIm hinsichtlich der spektralen Form etwas ahnlicher als das ‘maquette’,
das wiederum starker den einfachen Modellkomplexen gleicht. Die Signale a und b sind beim
MOP und [α(H1)–α(H2)]2 jeweils intensiver und schmaler als a’ und b’, wobei das Signal b be-
sonders markant aus den Spektren hervortritt. Dabei zeigt das MOP (A) die scharfsten Linien
im ENDOR-Spektrum, obwohl es in den EPR-Spektren die großte Linienbreite anzeigt.
In der EPR-Spektroskopie konnte die Linienbreite durch die Simulation mit einem g-strain
Mechanismus zur Linienverbreiterung direkt als Maß fur die Heterogeneitat der Bindungssi-
tuation des Kofaktors herangezogen werden. In der ENDOR-Spektroskopie ist die Analyse der
Linienform jedoch deutlich komplexer. Es ist aber zu erwarten, daß eine ausgepragte struktu-
relle Heterogeneitat auch in ENDOR-Spektren zur Linienverbreiterung beitragt, da sich Va-
riationen in den Bindungswinkeln und Abstanden der low-spin Fe3+-Komplexe direkt auf die
Hyperfeinwechselwirkung und damit auf die ENDOR-Linienposition auswirken sollten. Aller-
6.3 ENDOR-Spektroskopie 133
dings hangt die Verteilung der ENDOR-Resonanzpositionen in der gefrorenen Losung auch
entscheidend von den molekularen Orientierungen ab, die an einer bestimmten Feldposition
selektiert wurden. In Abhangigkeit von den konkreten strukturellen Parametern Ψ und Φ und
den g-Tensorhauptwerten erhalt man mit einer Gaußfunktion konstanter Linienbreite mit dem
Programm SIMES eine unterschiedlich breite Auffacherung der ENDOR-Linienpositionen. Die
Linienform der ENDOR-Spektren wird daher hier nicht ausgewertet.
Der Vergleich zwischen dem EPR- und ENDOR- Spektrum des MOP weist auf eine spezielle
Anforderung der Puls-ENDOR-Spektroskopie hin. Das EPR-Spektrum des MOP zeigt im Unter-
schied zu den anderen hier untersuchten Systemen eine betrachtliche Menge einer HALS-Spezies
(etwa 50 % der Probe). ENDOR-Signale von Protonen der HALS-Spezies wurden jedoch nicht
beobachtet. Es wird daher vermutet, daß die HALS-Spezies aufgrund eines anderen Relaxati-
onsverhalten im Vergleich zur regularen low-spin Spezies nicht zu den Puls-ENDOR-Spektren
beitragt. Unterstutzt wird diese Annahme durch cw-EPR-Untersuchungen zum Sattigungsver-
halten der beiden verschiedenen Spezies im MOP. Die Signale der HALS-Spezies konnten im
Unterschied zur regularen low-spin Spezies auch unter extremen Bedingungen (4 K und hohe
Mikrowellenleistung) nicht gesattigt werden, was auf eine sehr kurze longitudinale Relaxati-
onszeit (T1, Spin-Gitter-Relaxation) des Elektronenspins in der HALS-Spezies hinweist. Dies
erklart auch, warum in field-swept-echo Experimenten die HALS-Signale nur außerst schwach
angedeutet sind. Die EPR-Signale werden hier analog zu der Puls-ENDOR-Messung mit Hilfe
einer Hahn-Echo-Sequenz detektiert (siehe Abschnitt 3.2). Fur die Detektion des Hahn-Echos
ist die transversale Relaxationszeit (T2, Spin-Spin-Relaxation) entscheidend, wobei im allge-
meinen T2 ≤ T1 gilt.4 Bei einem Abstand von etwa 300 ns zwischen dem π/2- und dem π-
Mikrowellenpuls der Hahn-Echo-Sequenz tritt fur die HALS-Spezies vermutlich bereits ein Ver-
lust an Signalintensitat aufgrund der schnellen transversalen Elektronenspinrelaxation ein. Der
Puls-Abstand von etwa 300 ns wurde hinsichtlich der Detektion regularer low-spin Fe3+-Signale
optimiert und moglichst kurz gewahlt. Aus meßtechnischen Grunden kann der Puls-Abstand
nicht weiter reduziert werden.
4Wahrend sich bei der longitudinalen Relaxation (in Feldrichtung) die Besetzungsverhaltnisse der Elektronen-
spins andern, wobei ein Energieaustausch mit der Umgebung (Gitter) von Noten ist, sind bei der transversalen
Relaxation nur die Phasenbeziehungen der Elektronenspins, die im Vektormodell um die Feldrichtung prazedieren,
betroffen [87].
134 6. Magnetische Resonanz Untersuchungen an Cytochrom b Modellen
6.4 Diskussion
Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine Charakterisierungsmethode auf der Basis der EPR- und
ENDOR-Spektroskopie ausgearbeitet, die eine detaillierte, strukturelle Beschreibung der Bin-
dungssituation des Hamins in de novo synthetisierten Hamproteinen ermoglicht. Die EPR-
spektroskopischen Untersuchungen von de novo synthetisierten Hamproteinen [12, 62, 75] be-
schrankten sich bisher auf die Detektion des Spin-Zustandes und die qualitative Interpretation
der g-Tensorhauptwerte. In dieser Arbeit wurde die Auswertung der EPR-Spektren durch ein
Simulationsprogramm (ELSI) erweitert, das neben der Analyse der EPR-Linienbreiten auch die
Quantifizierung verschiedener Spin-Zustande erlaubt. Daruberhinaus wurde hier erstmals die
ENDOR-Spektroskopie auf de novo synthetisierte Hamproteine angewandt. Die ENDOR-Signale
von Stickstoffkernen und Protonen der axialen Histidinliganden und des Hamins konnten durch
den Vergleich mit isotopenmarkierten Modellkomplexen identifiziert werden. Dabei wurde fest-
gestellt, daß sich die ENDOR-Signale der axialen Histidinprotonen H2 und H5 hervorragend als
spektroskopische Sonden zur Charakterisierung der axialen Haminkoordination eignen. Sie sind
kennzeichnend fur die elektronische und geometrische Struktur der Fe3+-Komplexe und lassen
sich ohne storende Uberlagerung anderer Signale (z. B. des Hamins oder der Proteinmatrix)
detektieren. Zur Auswertung dieser ENDOR-Signale wurde ein weiteres Simulationsprogramm
(SIMES) erstellt, das die ENDOR-Linienpositionen in eine direkte Beziehung zur Position der
Protonen im Koordinatensystem des g-Tensors (lokalisiert am Fe3+-Zentrum) setzt.
Die drei de novo synthetisierten Hamproteine MOP, [α(H1)–α(H2)]2 und ‘maquette’, die
in diesem Kapitel mittels EPR- und ENDOR-Spektroskopie untersucht wurden, wurden nach
dem Kern der Cytochrom b Untereinheit des Cytochrom bc1 Komplexes entworfen. In dem
Innenraum dieser Vier-Helix-Bundel befinden sich bis-Histidin-Bindungsstellen zur Einbindung
von Hamin. Die Designkonzepte der Cytochrom b Modelle sind unterschiedlich (siehe Abbildung
6.1). In dem ‘maquette’ werden zwei identische Helices uber eine Disulfidbrucke miteinander
verknupft, wahrend in [α(H1)–α(H2)]2 zwei verschiedene Helices uber einen Loop miteinander
verbunden sind. Diese Dimere lagern sich in beiden Cytochrom b Modellen frei zu Vier-Helix-
Bundeln zusammen. Im Unterschied hierzu werden die helicalen Bausteine des MOP fest auf ein
cyclisches Dekapeptid als Templat fixiert.
Die Detektion des low-spin Zustandes in den EPR-Spektren der Cytochrom b Modelle stellt
6.4 Diskussion 135
einen eindeutigen Nachweis fur die starke axiale Koordination des Hamins mit zwei Histidinli-
ganden dar und belegt damit den Einbau des Kofaktors. Im EPR-Spektrum des MOP treten
neben den Signalen des regularen low-spin Zustandes zusatzliche Signale einer hoch-anisotropen
low-spin Spezies (HALS) auf. Die EPR-spektroskopischen Daten der regularen low-spin Komple-
xe konnten konsistent mit detaillierten Strukturinformationen aus der ENDOR-Spektroskopie
erganzt werden. Die Koordination des Hamins erfolgt in allen drei Cytochrom b Modellen uber
das Nε2Atom des Histidins mit einem Abstand von 2,0 ± 0,2 A zum Fe3+-Zentrum des Hamins.
Das ‘maquette’ zeichnet sich von den beiden anderen Cytochrom b Modellen durch eine
außerst schmale EPR-Linienbreite und eine spezifische, hochsymmetrische Koordination des
Hamins aus. Die Ebenen der axialen Liganden sind hier parallel zueinander orientiert und ste-
hen nahezu ekliptisch zu einer der N-Fe-N-Verbindungsachsen des Porphyrins. Die einfache Zu-
sammensetzung aus nur einem Helixtyp und die hohe Flexibilitat der freien Zusammenlagerung
helicaler Dimere konnte gunstig fur die Faltung optimaler Hambindungstaschen sein. Dabei ist
anzunehmen, daß die Komplexbildung der bis-Histidin-Ligandierung des Hamins die flexible
Struktur des Vier-Helix-Bundels entscheidend beeinflußt. Die Bindungssituation der regularen
low-spin Spezies der beider Cytochrom b Modelle MOP und [α(H1)–α(H2)]2 weicht durch eine
leichte Verdrehung der Histidinebenen von der nahezu perfekten Symmetrie der axialen Ligan-
dierung im ‘maquette’ ab. Ihre hohe Ahnlichkeit zum naturlichen Hamprotein MbIm fuhrt zu
der Vermutung, daß neben der reinen Komplexbildung hier auch die Polypeptidumgebung die
Faltung der Bindungstaschen beeinflußt.
Es ist jedoch zu beachten, daß in der hier untersuchten ‘maquette’-Probe nicht alle Bindungs-
stellen besetzt sind (nur etwa zwei Hamgruppen auf insgesamt vier Bindungstaschen). Bei einer
hoheren Haminbeladung konnen auch in ‘maquettes’ Anzeichen einer heterogenen Haminkoor-
dination auftreten. So zeigt das EPR-Spektrum [62] des Vier-Hamin-‘maquettes’ von Robertson
et al. [11] ein typisches HALS-Signal bei gmax = 3,5. Das Vorliegen der HALS-Spezies ist dia-
gnostisch fur eine Haminkoordination, in der die Ebenen der axialen Liganden senkrecht gegen-
einander verdreht und zusatzlich gegen die Hamnormalen verkippt sind. Bei einer vollstandigen
Beladung eines ‘maquettes’ mit vier Hamgruppen stehen die einzelnen Kofaktoren in enger
Nachbarschaft zueinander, was die Zusammenlagerung des Vier-Helix-Bundels behindern und
damit zum Auftreten der HALS-Signale fuhren konnte. Ein Vorteil der geringeren Haminbela-
dung des hier untersuchten ‘maquettes’ liegt darin, daß diejenigen Bindungstaschen, die optimal
136 6. Magnetische Resonanz Untersuchungen an Cytochrom b Modellen
hinsichtlich der Einbindung des Hamins gefaltet sind, bevorzugt besetzt werden konnen.
Die Gegenuberstellung von MOP und [α(H1)–α(H2)]2 ist besonders interessant, da beide Cy-
tochrom b Modelle die gleiche Aminosaurezusammensetzung der helicalen Bausteine besitzen.
Ihre EPR-Spektren unterscheiden sich dennoch durch das Auftreten einer zusatzlichen HALS-
Spezies (etwa 50 % der Probe) und erhohten g-strain im Spektrum des MOP. Durch die Zugabe
des chaotropen Agenz Gdn·HCl konnte das Auftreten der HALS-Signale auf etwa 30 % zuruck-
gedrangt aber nicht vollstandig eliminiert werden. Das Auftreten und der Mengenanteil der
HALS-Spezies ist im Unterschied zum ‘maquette’ unabhangig vom Beladungsgrad des de novo
synthetisierten Hamproteins. Eine plausible Erklarung fur die besondere Bindungssituation der
Haminkofaktoren im MOP ist durch die Fixierung der Helices auf ein Templat und ihre damit
eingeschrankte Beweglichkeit gegeben. Der Faltung des Vier-Helix-Bundels werden geometrische
Restriktionen auferlegt, die zu einer erhohten strukturellen Heterogeneitat und schließlich zu ei-
ner verdrehten Anordnung der axialen Liganden fuhren kann. Die Bindungstasche, die naher am
Templat liegt, sollte dabei starker von den geometrischen Restriktionen betroffen sein und zu
den HALS-Signalen fuhren.
HALS-Spezies treten auch in naturlichen Hamproteine auf. So zeigen die EPR-Spektren
des Cytochrom bc1 Komplexes zwei HALS-Signale bei gmax = 3,78 und gmax = 3,45, die den
Hamgruppen der Cytochrom b Untereinheit zugeordnet werden konnten [167, 215]. Die Ront-
genstruktur des Cytochrom bc1 Komplexes [216] zeigt in Ubereinstimmung zur Interpretation
der EPR-Spektren zwei bis-Histidin-ligandierte Hamgruppen mit einer senkrecht verdrehten
und einer verkippten Anordnung der Histidinliganden. Abbildung 6.13 zeigt dazu einen Struk-
turauschnitt der Cytochrom b Untereinheit. Die Geometrie der axialen Ligandierung wird hier
durch die Faltung der naturliche Proteinumgebung induziert.
Bei der Gegenuberstellung der de novo synthetisierten Cytochrom bModelle mit dem naturli-
chen System, dessen Vier-Helix-Kern der Cytochrom b Untereinheit als Vorlage fur das Design
der kunstlichen Vier-Helix-Bundel herangezogen wurde, ist zu beachten, daß sich die beiden
Vier-Helix-Strukturen in außerst unterschiedlichen Umgebungen befinden. Im naturlichen Sy-
stem ist die Cytochrom b Untereinheit Teil eines großen Proteinverbandes, der in eine lipo-
phile Membran eingebettet ist. Die kunstlichen Vier-Helix-Bundel wurden dagegen mit einer
hydrophilen Außenschicht versehen und direkt in einer waßrigen Puffermedium gelost. Diese
außerst verschiedenen Umgebungsbedingungen wirken sich auch auf die Einbindung und die
6.4 Diskussion 137
Abbildung 6.13: Strukturauschnitt des Cytochrom bc1 Komplexes [217]. Gezeigt ist die Koordina-
tion der beiden Hamgruppen der Cytochrom b Untereinheit uber jeweils zwei Histidinseitengruppen.
Zwei der insgesamt vier Helices des reaktiven Kernes der Cytochrom b Untereinheit sind durch ein
graues Band angedeutet. Bei der Hamgruppe auf der rechten Seite stehen die beiden Ebenen der
Histidinseitengruppen senkrecht zueinander. Bei der Hamgruppe auf der linken Seite sind die Ebenen
der axialen Liganden zusatzlich deutlich gegen die Hamnormale verkippt.
Eigenschaften der Kofaktoren aus. Das Design einer hydrophilen Außenschicht der de novo
synthetisierten Hamproteine ermoglicht jedoch einfache experimentelle Rahmenbedingungen,
zur Untersuchung der Eigenschaften von Kofaktoren in einer Proteinumgebung. Das vorrangige
Ziel der Herstellung der kunstlichen Vier-Helix-Bundel liegt demnach nicht in einer moglichst
identischen Nachahmung naturlicher Systeme. Sie dienen vielmehr dazu, anhand eines uber-
schaubaren Strukturmotivs, die funktionellen Eigenschaften von Kofaktoren hinsichtlich ihrer
Wechselwirkung mit der Polypeptidumgebung zu untersuchen. Das Herstellungsverfahren uber
chemische Festphasen-Peptid-Synthese (bzw. auch gentechnische Verfahren, wie bei [α(H1)–
138 6. Magnetische Resonanz Untersuchungen an Cytochrom b Modellen
α(H2)]2 [128]) erlaubt eine gezielte Variation der Aminosaurezusammensetzung, um spezifische
Protein-Kofaktor-Wechselwirkungen auszutesten und zu beeinflussen. Bei den Cytochrom b Mo-
dellen, die in dieser Arbeit mittels EPR- und ENDOR-Spektroskopie charakterisiert wurden,
zeigte sich allerdings, daß nicht nur die Wahl der Aminosaurezusammensetzung, sondern auch
das Designkonzept entscheidend fur die Einbausituation und die Eigenschaften von Kofaktoren
sein kann. Im folgenden werden die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Designkonzepte
von ‘maquette’, [α(H1)–α(H2)]2 und MOP einander zusammenfassend gegenubergestellt.
Hinsichtlich der Synthese besitzt das ‘maquette’ den einfachsten Aufbau. Es wird nur ein
Helixtyp hergestellt. Die Disulfidverbruckung zu helicalen Dimeren erfolgt durch Oxidation an
Luft und die Vier-Helix-Bundel werden durch die freie Zusammenlagerung dieser Dimere erhal-
ten. Damit entfallen fur die Synthese eines ‘maquettes’ viele Reinigungs- und Syntheseschritte,
die beispielsweise fur die Herstellung eines MOP benotigt werden. Zur Herstellung eines MOP
werden verschiedene Helices synthetisiert, uber manuelle Reaktionsschritte mit Kopplungsgrup-
pen modifiziert und separat gereinigt, da die Ausbildung des Vier-Helix-Bundels uber selektive
chemische Kopplungsreaktionen erfolgt.
Durch die Beschrankung auf einen Helixtyp im Designkonzept des ‘maquettes’ sind die
Moglichkeiten, die Aminosaurezusammensetzung zu variieren, stark eingeschrankt. Hier bietet
das Designkonzept von [α(H1)–α(H2)]2 , in dem zwei verschiedene Helixtypen uber einen Loop
verknupft werden, sowie die modulare Synthesestrategie des MOP, in welchem bei geeigneten
Kopplungsgruppen bis zu vier verschiedene Helices an ein Templat gebunden werden konnen,
eine deutlich großere Vielfalt in der Wahl der Aminosaurezusammensetzung.
Die Topologie des gesamten Vier-Helix-Bundels hangt bei [α(H1)–α(H2)]2 wie auch bei dem
‘maquette’ ausschließlich von den Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Helices ab. Damit
ist die gegenseitige Orientierung der helicalen Bausteine nicht eindeutig vorhersagbar. Fur eine
gezieltere Festlegung der Vier-Helix-Bundel-Topolgie konnten die beiden Verknupfungsmethoden
(Loop und Disulfidbrucke) jedoch auch kombiniert werden. Es existieren bereits Vier-Helix-
Bundel, in denen zwei uber einen Loop verknupfte helicale Dimere durch eine Disulfidbrucken
zusammengehalten werden [53].
Der Einsatz des Templates im Designkonzept des MOP bietet den Vorteil, daß die Orientie-
rung der Helices durch ihre Fixierung am C- oder N-Terminus an das Templat eindeutig festgelegt
werden. Das Designkonzept des MOP ist außerdem hervorragend fur den Einsatz kombinatori-
6.4 Diskussion 139
scher Synthesestrategien geeignet. Nach dem Baukastenprinzip der modularen Synthesestrategie
konnen einzelne helicale Bausteine beliebig ausgetauscht werden. Uber die Fixierung der mo-
dularen Proteine auf Filterpapiertrager ist eine kombinatorische Synthese in der Arbeitsgruppe
Haehnel bereits realisiert worden (siehe auch Kapitel 2) [84]. Die modularen Proteine konnen
auf dem Filterpapier mit Hilfe eines Lichtleiters optisch charakterisiert werden. Allerdings, und
dies zeigte erst die EPR-spektroskopische Untersuchung des MOP, beeinflußt die Fixierung der
Helices auf einem Templat die Faltung der Kofaktorbindungstasche. Um das Designkonzept
der Templat-assoziierten synthetischen Proteine hinsichtlich einer spezifischen und definierten
Faltung der Kofaktorbindungstaschen zu optimieren, konnten beispielsweise modulare Proteine
untersucht werden, in denen sich jeweils eine Hamin-Bindungsstelle in unterschiedlicher Ent-
fernung zum Templat befindet. Außerdem konnten verschiedene Linker, die sich in ihrer Lange
oder Flexibilitat unterscheiden, zwischen den Helices und dem Templat eingesetzt werden.
140
Kapitel 7
Zusammenfassung und Ausblick
Ziel der Protein-de-novo-Synthese ist es, anhand kunstlicher Proteinmodelle ein tieferes
Verstandnis der Struktur und Funktion komplexer naturlicher Proteine zu gewinnen und in
technischen Anwendungen nutzbar zu machen. Von besonderem Interesse sind dabei Systeme,
die Kofaktoren einbinden konnen, da diese oft das katalytisch aktive Zentrum naturlicher Pro-
teine bilden. Uber die Wechselwirkung mit der Proteinumgebung werden die Eigenschaften der
Kofaktoren beeinflußt und hinsichtlich ihrer Funktion optimiert.
In der hier vorliegenden Arbeit wurden de novo synthetisierte Proteine, die Metalloporphy-
rinkofaktoren binden konnen, hergestellt und mit verschiedenen spektroskopischen Methoden
untersucht. Dadurch sollten die Moglichkeiten und Grenzen aufgezeigt werden, diese de novo
synthetisierten Proteine als kunstliche Proteinmodelle einzusetzen.
Das Designkonzept der hier untersuchten de novo synthetisierten Proteine beruht auf dem
Strukturmotiv eines Vier-Helix-Bundels. Dieses kompakte und einfache Strukturmotiv bietet
gute Voraussetzungen, um den Einfluß der Polypeptidumgebung auf die Eigenschaften von
Kofaktoren zu untersuchen. Durch den Einbau von Metalloporphyrinen mit unterschiedlichen
Zentralmetallionen konnen verschiedene funktionelle Eigenschaften in die de novo synthetisier-
ten Proteine eingefuhrt werden. Im Vordergrund dieser Arbeit steht der redoxaktive Kofaktor
Hamin, der in naturlichen Proteinen eine außerordentlich große Vielfalt an Funktionen ausubt.
Die kunstlichen Proteinmodelle wurden nach der Synthesestrategie Templat-assoziierter syn-
thetischer Proteine aufgebaut. Mittels chemischer Festphasen-Peptidsynthese wurden lineare
Peptide hergestellt, die in waßriger Losung amphiphile Helices ausbilden. Uber die Kopplung
141
142 7. Zusammenfassung und Ausblick
an ein zyklisches Dekapeptid als Templat wurden wasserlosliche Vier-Helix-Bundel erhalten,
die einen hydrophoben Innenraum zur Einbindung von Kofaktoren aufweisen. Der Vorteil der
Synthesestrategie dieser Templat-assoziierten synthetischen Proteine liegt in ihrem modularen
Aufbau und der eindeutigen Festlegung der relativen Anordnung der einzelnen Peptidbausteine.
Mittels Circulardichroismus und Tryptophan-Fluoreszenz wurde die Ausbildung helicaler
Sekundarstrukturelemente und das Vorliegen des hydrophoben Kerns der Vier-Helix-Bundel
nachgewiesen. Mit diesen Methoden wurde auch die Stabilitat der kunstlichen Vier-Helix-Bundel
gegenuber dem denaturierenden Agenz Guanidinium-Hydrochlorid untersucht. Die Entfaltung
der de novo synthetisierten Proteine mit Guanidinium-Hydrochlorid ist reversibel. Analog zu
naturlichen Hamproteinen wird die Stabilitat der Vier-Helix-Bundel durch die Einbindung des
Kofaktors erhoht.
In naturlichen Hamproteinen ist die Lage des Redoxpotentials des Kofaktors von essentieller
Bedeutung fur einen effektiven und kontrollierten Ablauf biologischer Elektronentransferpro-
zesse. In diesen naturlichen Systemen wird das Redoxpotential durch die Wechselwirkung mit
der Proteinumgebung optimal eingestellt. Es zeigte sich, daß das Redoxpotential der Hamgrup-
pe auch in den kunstlichen Vier-Helix-Bundeln durch die Variation einzelner Aminosauren in
der Polypeptidumgebung beeinflußt werden kann. Eine gezielte Einstellung des Redoxpotentials
durch spezifische Protein-Kofaktor-Wechselwirkungen sollte damit auch in kunstlichen Protein-
modellen im Prinzip moglich sein. Dies erfordert jedoch neben einer ausreichenden hydrophoben
Abschirmung der Kofaktorbindungstasche eine spezifische Kofaktoreinbindung. Hier zeigte die
EPR-spektroskopische Charakterisierung der Templat-assoziierten synthetischen Proteine, daß
in den kunstlichen Proteinmodellen eine Verteilung an Konformeren vorliegt, die sich hinsichtlich
der Geometrie der axialen Haminkoordination unterscheiden. Die Hamgruppe wird uber zwei
Histidinseitengruppen gebunden, die sowohl parallel als auch senkrecht gegeneinander verdreht
angeordnet sind. Eine spezifische Kofaktoreinbindung mit parallel orientierten Histidinliganden
konnte jedoch in einem der Templat-assoziierten synthetischen Hamproteine durch Behandlung
mit Guanidinium-Hydrochlorid erzielt werden.
Neben Fe3+ wurden auch Co3+ und Zn2+ als Zentralmetallionen der Porphyrinsysteme ein-
gesetzt. Der Austausch des Zentralmetallions Fe3+ gegen Co3+ fuhrte hinsichtlich der Redoxak-
tivitat zu einem ganz anderen Verhalten der Polypeptidmodule. Wahrend sich das Hamin (Fe3+)
spontan durch den Zusatz an Dithionit zu Ham (Fe2+) reduzieren laßt, wird der oxidierte Co3+-
143
Zustand durch die axiale Ligandierung mit zwei Histidinliganden gegenuber dem reduzierten
Co2+-Zustand stark stabilisiert. Die außerst langsam verlaufende Reduktion geht hier mit der
Freisetzung des Kofaktors in die waßrige Losung einher.
Durch den Einbau von Zink(II)porphyrin in ein Vier-Helix-Bundel wurde ein wichtiger
Schritt zur Entwicklung kunstlicher Photosynthesemodelle realisiert. Dieser Metalloporphy-
rinkofaktor konnte als Elektronendonator fur lichtinduzierte Elektronentransferprozesse ein-
gesetzt werden. Mit Hilfe der Blitzlichtspektroskopie wurde der Elektronentransfer zu einem
Chinon in flussiger Losung gemessen und mit Myoglobin, in dem die Hamgruppe durch ein
Zink(II)porphyrin ausgetauscht wurde, verglichen. Der Triplett-Zustand des Zink(II)porphyrins,
der den Ausgangszustand des Elektronentransferprozesses in den kunstlichen Proteinmodellen
darstellt, wurde mittels transienter EPR-Spektroskopie durch in situ Lichtanregung charakteri-
siert.
Neben den de novo synthetisierten Proteinen mit einer Metalloporphyrin-Bindungsstelle,
wurden in der hier vorliegenden Arbeit weitere Vier-Helix-Bundel, die zwei Hamgruppen enthal-
ten, mittels magnetischer Resonanzspektroskopie untersucht. Diese Systeme wurden alle nach
der Cytochrom b Untereinheit des Cytochrom bc1 Komplexes modelliert, unterscheiden sich je-
doch in ihrem Designkonzept. Neben Templat-assoziierten synthetischen Proteinen lagen auch
Vier-Helix-Bundel vor, die auf der Selbstassoziation einzelner Helices beruhen, welche uber
Disulfidbrucken oder Peptid-Schlaufen zu Dimeren verknupft sind. Eine moglichst detaillierte
Kenntnis der Kofaktor-Bindungssituation ist eine wichtige Voraussetzung, um die de novo syn-
thetisierten Hamproteine als kunstliche Proteinmodelle einsetzen zu konnen. Daher wurde im
Rahmen dieser Arbeit eine Charakterisierungsmethode auf der Basis der EPR- und ENDOR-
Spektroskopie ausgearbeitet, die eine detaillierte Beschreibung der Bindungssituation des pa-
ramagnetischen Kofaktors in de novo synthetisierten Hamproteinen ermoglicht, und auf die
Cytochrom b Modelle angewandt.
Mit Hilfe der EPR-Spektroskopie wurde uber die Detektion des low-spin Fe3+-Zustandes
der eindeutige Nachweis fur den Einbau des Hamins uber die axiale Koordination mit zwei
Histidinseitengruppen in den Cytochrom b Modellen erbracht. Die Ligandenfeldanalyse der g-
Tensorhauptwerte und die Simulation der EPR-Spektren mit einem g-strain Mechanismus zur
Linienverbreiterung mit einem eigens erstellten Programm, ermoglichten es, Aussagen zur geo-
metrischen Anordnung der axialen Liganden und zur Heterogeneitat der Kofaktoreinbindung zu
144 7. Zusammenfassung und Ausblick
treffen. Das Templat-assoziierte synthetische Protein wies demnach die großte Heterogeneitat in
der Einbausituation der Kofaktoren von den verschiedenen Cytochrom b Modellen auf. Neben
einer regularen low-spin Spezies, die eine in etwa parallele Anordnung der axialen Histidinebe-
nen anzeigt, wurden auch Signale einer hoch-anisotropen low-spin Spezies (HALS) detektiert.
Das Auftreten der HALS-Spezies ist, wie anhand der Ligandenfeldanalyse erlautert wurde, dia-
gnostisch fur eine stark verdrehte oder verkippte Anordnung der Ebenen der axialen Liganden.
Diese Bindungssituation findet man zum Teil auch in naturlichen Hamproteinen. Die Cytochrom
b Modelle, die auf der freien Zusammenlagerung helicaler Dimere beruhen, zeigten dagegen aus-
schließlich regulare low-spin Signale mit einem geringen g-strain und damit eine hoch-spezifische
Kofaktoreinbindung.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden erstmals ENDOR-Spektren von de novo synthetisier-
ten Hamproteinen aufgenommen. Dazu wurde die Davies-Puls-ENDOR-Technik eingesetzt. Die
ENDOR-Signale von Protonen und Stickstoffkernen der axialen Histidinliganden und des Hamins
wurden durch den Vergleich mit isotopenmarkierten Modellverbindungen identifiziert. Dabei
stellte sich heraus, daß sich die ENDOR-Signale der Protonen der axialen Liganden hervorragend
als spektroskopische Sonde zur Charakterisierung der Einbausituation des paramagnetischen Ko-
faktors einsetzen lassen. Diese ENDOR-Signale sind diagnostisch fur die geometrische und elek-
tronische Struktur der low-spin Fe3+-Komplexe und konnten ohne Uberlagerung mit Signalen
des Hamins oder der Proteinmatrix detektiert werden. Um die Leistungsfahigkeit der ENDOR-
Spektroskopie zu demonstrieren, wurde ein Cytochrom b Modell mit wohldefinierter Kofak-
toreinbindung ausfuhrlich analysiert. Durch orientierungsselektionierte ENDOR-Messungen in
gefrorener Losung und den Vergleich der experimentellen Daten mit Simulationen konnten die
Positionen der Histidinprotonen im Koordinatensystem des g-Tensors ermittelt werden. Zu die-
sem Zweck wurde ein Simulationsprogramm erstellt, das die ENDOR-Signale in direkten Zusam-
menhang mit den strukturellen Daten (Abstande und Polarwinkel im Koordinatensystem des
g-Tensors) stellt. Zusatzlich wurde die Analyse der ENDOR-Spektren der Cytochrom b Modelle
durch den Vergleich mit Puls-ENDOR-Spektren von Metmyoglobin-Imidazol unterstutzt, von
dem eine Rontgenstruktur vorliegt. Anhand der ENDOR-spektroskopischen Charakterisierung
wurde darauf geschlossen, daß in den regularen low-spin Komplexen der Cytochrom b Modelle
das Nε2Atom in einem Abstand von 2,0 ± 0,2 A an das Fe3+-Zentrum des Hamins bindet.
Die EPR- und ENDOR-spektroskopischen Untersuchungen der verschiedenen Cytochrom b
145
Modelle zeigten, daß nicht nur die Aminosaurezusammensetzung, sondern auch das Designkon-
zept einen Einfluß auf die Faltung der Kofaktorbindungstasche nehmen kann. Bei Templat-
assoziierten synthetischen Proteinen ist zu beachten, daß der Vorteil, den dieses Designkonzept
hinsichtlich der Kontrolle der relativen Anordnung der einzelnen Peptidbausteine bietet, auch
geometrische Restriktionen bei der Faltung der Kofaktorbindungstasche beinhaltet. Vier-Helix-
Bundel, die auf der freien Zusammenlagerung einzelner Peptidbausteine beruhen, besitzen dem-
gegenuber eine hohere Flexibilitat in der Faltung der Kofaktorbindungstaschen. Diese Art der
Zusammenlagerung wird von der Natur bevorzugt.
Ausblick
Der Ansatz de novo synthetisierte Proteine als Modellsysteme komplexer naturlicher Proteine
einzusetzen ist sehr vielversprechend. Es stellt jedoch nach wie vor eine anspruchsvolle Her-
ausforderung dar, wohldefinierte Bindungstaschen fur einen spezifischen Kofaktoreinbindung in
kunstlichen Proteinmodellen zu modellieren. Fur die Optimierung der Bindungstaschen von Ko-
faktoren wird in kunftigen Arbeiten die kombinatorische Synthese an Bedeutung gewinnen, da
hiermit Variationen der Aminosaurezusammensetzung in großem Maßstab durchgefuhrt werden
konnen. In der Arbeitsgruppe Haehnel wird dieser Ansatz zur Zeit eingesetzt, um ein Modell-
system fur Cytochrom P450 zu konstruieren. Die Hamgruppe soll hier im Unterschied zu der
bisher vorherrschenden bis-Histidin-Koordination uber einen Cysteinliganden in die kunstlichen
Proteinmodelle eingebunden werden.
Ausgehend von dem Vier-Helix-Bundel, in welches in dieser Arbeit ein Zink(II)porphyrin
eingebaut wurde, konnten einfache Modellsysteme fur Proteine, die an der Photosynthese betei-
ligt sind, konstruiert werden. Dazu mußte noch eine Bindungstasche fur ein Chinon entworfen
werden. Dabei bietet sich eine kovalente Anknupfung des Chinons im Verlauf der chemischen
Synthese an. Die gezielte Variation der elektronischen Eigenschaften (z. B. Redoxpotentiale) und
Abstande der Kofaktoren konnte eine systematische Untersuchung der Elektronentransferpro-
zesse in kunstlichen Proteinmodellen eroffnen. Der Vorteil dieser Systeme gegenuber einfachen
chemischen Modellverbindungen liegt darin, daß auch der Einfluß des Proteinmediums auf den
Elektronentransferprozeß studiert werden kann. Dazu konnten verschiedene theoretische Modell-
vorstellungen zum Elektronentransfer in Proteinen einander gegenubergestellt werden. Moser et
146 7. Zusammenfassung und Ausblick
al. (siehe [218]) haben gezeigt, daß die Geschwindigkeit des Elektronentransfers in etwa expo-
nentiell mit dem Abstand von Donator und Akzeptor abnimmt. Das Medium, in dem der Elek-
tronentransfer stattfindet wird durch eine Dampfungskonstante β berucksichtigt. Das gesamte
Protein wird dabei als ein glasartiges Medium mit einer einheitlichen Dampfungskonstante von
β � 1.4 A−1 betrachtet. Bei Beratan und Onuchic (siehe [219]) spielt dagegen die Zusammen-
setzung des Proteins eine wichtige Rolle. Bei dem Elektronentransferweg durch das Protein wer-
den unterschiedliche strukturelle Elemente, wie kovalente Bindungen, Wasserstoffbrucken und
“through space jumps” berucksichtigt. Anhand der chemisch synthetisierten Polypeptidmodule
sollte es moglich sein, den Einfluß der Proteinkomposition auf den Elektronentransfer gezielt zu
untersuchen. Durch die Variation der Aminosaurezusammensetzung werden spezifische Einfluße
von Wasserstoffbrucken oder aromatischen Aminosauren in den kunstlichen Proteinmodellen zu
experimentell zuganglichen Parametern.
Im Rahmen dieser Arbeit wurde eines von vielen moglichen Strukturmotiven – Vier-Helix-
Bundel mit Metalloporphyrinkofaktoren – gezielt herausgegriffen. Neben der Konstruktion an-
derer Faltungsmotive bietet es sich fur weiterfuhrende Arbeiten an, auch andere Kofaktoren
in unterschiedlichen Kombinationen einzufuhren oder nicht-naturlicher Bausteine mit de novo
synthetisierten Proteinen zu verknupfen. Durch die Fixierung auf (Metall-) Oberflachen ergeben
sich interessante Anwendungsmoglichkeiten fur die Bioelektronik oder fur den Aufbau bioaktiver
Chips. Die Moglichkeiten der Protein-de-novo-Synthese sind damit mindestens so vielfaltig wie
die Welt der naturlichen Proteine, die den kunstlichen Systemen als Vorlage dienen.
Anhang A
EPR-Simulationsprogramm ELSI
In Abschnitt 4.4.1 wurden die Grundzuge des EPR-Simulationsprogrammes ELSI beschrieben. In
diesem Anhang wird der Programmcode fur das Modul der Linienverbreiterung durch ‘g-strain’
aufgelistet. In dieser Arbeit hat sich der ‘g-strain’ als Hauptursache fur die Linienverbreiterung in
den EPR-Spektren der de novo synthetisierten Hamproteine herausgestellt (siehe z. B. Abschnitt
6.2). Anschließend folgt ein Beispiel fur eine Eingabedatei des Programmes.
A.1 Programm-Code fur Linienverbreiterung durch ‘g-strain’
/* EPR-Linienbreiten Simulationsprogramm ELSI */
/* Programmmodul g-strain */
/* von Monika Fahnenschmidt (1998) nach einer */
/* Veroffentlichung von W. Hagen et al. */
/* J. Magn. Res. 61 (1985) 220 */
#include<stdio.h>
#include</usr/include/math.h>
#define DEBUG_SPIRAL 0 /* Gibt die Spirale, die zur Erfassung aller */
/* molekularen Orientierungen eines Pulverspektrums */
/* um die Einheitskugel gelegt wird, in der Datei */
/* ‘‘testspiral’’ aus. */
#define DEBUG_G_SPEKTRUM 1 /* Gibt das EPR-Spektrum auf der g-Skala in der */
/* Datei ‘‘testg’’ aus. */
#define pi 3.14159
#define beta_e 9.27402e-24
#define Planck_constant 6.62618e-34
double *g_spectrum;
double *B_spectrum;
double *ableitung;
147
148 A. EPR-Simulationsprogramm ELSI
double *field;
double g_sweep;
double g_min, g_max;
/* Simulationsparameter der Eingabedatei: */
double microwave_frequency;
double points;
double field_min;
double field_sweep;
double d_angel;
char linetype;
double g1, g2, g3;
double sg1, sg2, sg3;
double r12, r23, r13;
double zero_width_protector;
double scale;
/* Prototypen der Funktionen und Programmaufbau: */
void prn_info(char *pgm_name);
void input(char *inputfile); /* Einlesen der Eingabe-Datei */
int spiral(double d); /* Spirale, um eine gleichmaesige Verteilung an */
/* molekularen Orientierungen zu erzeugen */
void resonance(double theta, double phi); /* Berechnung der Resonanzposition, */
/* Intensitaet und Linienbreite. */
void create_g_spectrum(double *s_g, double g, double I_g, double lw_g);
/* Spektrum auf der g-Skala */
double calculate_lineshape_factor(int x, double lw);
/* Berechnung der Linienbreite */
void transpose_g2B(double *s_g, double *s_B, double *a_B, double *field_position);
/* Transformation zur B-Skala */
void output(double *field_position, double *s, double *a, char *Spektrum, char *Ableitung);
/* Datenausgabe */
void prn_info(char *pgm_name){
printf("%s%s%s%s%s\n", "Usage: ", pgm_name, " Parameter ",
"Spektrum ", "Ableitung ");
}
void create_g_spectrum(double *s_g, double g, double I_g, double lw_g)
{
double x;
int linemax;
double line;
int j;
int i;
/* Grenzwert zur Berechnung und Faltung mit der Linienformfunktion */
linemax = (int) 6.0 * lw_g * ((points-1)/g_sweep);
/* Konversion des g-Wertes g in den Datenpunkt j des Histogrammes */
A.1 Programm-Code fur Linienverbreiterung durch ‘g-strain’ 149
x = (g - g_min) * ((points-1)/g_sweep);
j = (int) x;
x -= j; /* 0 <= x > 1 */
/* Histogramm und Faltung mit der Linienform */
if((j >= 0) && (j < points))
for(i=0; i < linemax; i++){
line = calculate_lineshape_factor(i,lw_g);
if( (j+i) < points)
s_g[j + i] += I_g * (1 - x) * line;
if( (j-i) > 0 && i != 0)
s_g[j - i] += I_g * (1 - x) * line;
}
j++;
if((j >= 0) && (j < points))
for(i=0; i < linemax; i++){
line = calculate_lineshape_factor(i,lw_g);
if( (j+i) < points)
s_g[j + i] += I_g * (x) * line;
if( (j-i) > 0 && i != 0)
s_g[j - i] += I_g * (x) * line;
}
}
void resonance(double theta, double phi)
{
double Uebergangsmatrix_element;
double g;
double h1, h2, h3;
double qu_sigma_g;
double sigma_g;
h1 = sin(theta) * cos(phi);
h2 = sin(theta) * sin(phi);
h3 = cos(theta);
g = sqrt((g1*h1) * (g1*h1) + (g2*h2) * (g2*h2) + (g3*h3) * (g3*h3));
qu_sigma_g = (pow(h1,4) * pow(g1,2) * sg1*sg1
+ pow(h2,4) * g2*g2 * sg2*sg2
+ pow(h3,4) * g3*g3 * sg3*sg3
+ 2* h1 * h1 * h2 * h2 * g1 *g2 * (r12) * sg1 * sg2
+ 2* h1 * h1 * h3 * h3 * g1 *g3 * (r13) * sg1 * sg3
+ 2* h3 * h3 * h2 * h2 * g3 *g2 * (r23) * sg3 * sg2)
/ ( g * g );
/* zur Berechnung von qu_sigma_g siehe: */
/* W. Hagen in Advanced EPR (Editor: A. Hoff) Seite 795 */
if(qu_sigma_g < 0) {
fprintf(stderr,"Warning: sigma_g^2 < 0 !!!\n");
}
else
sigma_g = sqrt(qu_sigma_g) + zero_width_protector;
150 A. EPR-Simulationsprogramm ELSI
Uebergangsmatrix_element=
(g1*g1 * g2*g2 * sin(theta)*sin(theta) + g2*g2 * g3*g3 *
(sin(phi)*sin(phi) + cos(theta)*cos(theta) * cos(phi)*cos(phi)) +
g3*g3 * g1*g1 * (cos(phi)*cos(phi) + cos(theta)*cos(theta) *
sin(phi)*sin(phi))) / (2*g*g);
/* zur Berechnung des Uebergangsmatrix_element siehe: */
/* J. R. Pilbrow, Transition Ion Electron Paramagnetic Resonance, Seite 222 */
create_g_spectrum(g_spectrum, g, Uebergangsmatrix_element, sigma_g);
}
int spiral(double d)
{
double theta_0, theta_1;
double phi_0, phi_1;
double st_0, st_1;
double u,v,w;
int counter = 0;
#if DEBUG_SPIRAL
FILE *tfp;
tfp = fopen("testspiral","w");
#endif
/* Theta und Phi geben Orientierung des Molekuels relativ zum B-Feld an. */
theta_0 = theta_1 = pi/2;
phi_0 = phi_1 = 0;
/* Algorithmus zur Berechnung der Orientierungen: */
/* siehe C. Gessner, Disertation TU-Berlin 1996 */
while (theta_1 > 0.0)
{
resonance(theta_0,phi_0);
st_0 = sin(theta_0);
theta_1 = theta_0 - (d*d)/(2*pi*st_0);
st_1 = sin(theta_1);
phi_1 = phi_0 + d/st_0 + 1/sqrt(2) * (d/st_1 - d/st_0);
theta_0 = theta_1;
phi_0 = phi_1;
if(phi_0 > 2*pi) phi_0 -= 2* pi;
counter++;
#if DEBUG_SPIRAL
u = sin(theta_0) * cos(phi_0);
v = sin(theta_0) * sin(phi_0);
w = cos(theta_0);
fprintf(tfp,"%.4f %.4f %.4f\n",u,v,w);
#endif
A.1 Programm-Code fur Linienverbreiterung durch ‘g-strain’ 151
}
#if DEBUG_SPIRAL
fclose(tfp);
#endif
return counter;
}
double calculate_lineshape_factor(int x_step, double lw_g)
{
double exponent;
double lsf; /*lineshape_factor */
exponent = (1.0 * x_step * g_sweep/(points-1)/lw_g);
switch(linetype){
case ’D’: /* Deltafunktion */
if(x_step == 0) lsf = 1.0;
else lsf = 0.0;
break;
case ’G’: /*Gaussfunktion */
lsf = 1.0/(sqrt(2 * pi) * lw_g) * exp(- 1.0/2.0 * exponent * exponent);
break;
case ’L’: /*Lorentzfunktion */
lsf = 1.0/(pi*lw_g) * 1.0 / (1 + exponent*exponent);
break;
}
return lsf;
}
void transpose_g2B(double *s_g, double *s_B, double *a_B, double *field_position)
{
double g_raster; /* Rasterpunkt im Histogramm der g-Skala */
int i;
/* Berechnung der Feldposition und Intensitaet auf der B-Skala */
/* siehe W. Hagen in Advanced EPR (Editor: A. Hoff) Seite 802-803 */
for(i=0; i<points; i++){
g_raster = i * g_sweep/(points -1) + g_min;
field_position[i] = 10000 * (Planck_constant * microwave_frequency)/
(beta_e * g_raster);
s_B[i] = g_raster * s_g[i];
}
/* Berechnung der ersten Ableitung */
for(i=0; i<points; i++)
a_B[i] = (s_B[i+1] - s_B[i-1])/(field_position[i+1] - field_position[i-1]);
}
void output_g(double *s_g)
152 A. EPR-Simulationsprogramm ELSI
{
FILE *tfp;
int i;
tfp = fopen("testg", "w");
for(i=0;i <points; i++)
fprintf(tfp,"%d %.4f\n",i, s_g[i]);
fclose(tfp);
}
void output(double *field_position, double *s, double *a, char *Spektrum,
char *Ableitung)
{
FILE *ofpa, *ofpb;
int i;
ofpa = fopen(Spektrum, "w");
ofpb = fopen(Ableitung, "w");
for(i = 0; i < points; i++){
fprintf(ofpa,"%.4f %.4f\n",field_position[i],(scale * s[i]));
fprintf(ofpb,"%.4f %.4f\n",field_position[i], (scale* a[i]));
}
fclose(ofpa);
fclose(ofpb);
}
void input(char *inputfile)
{
int i;
FILE *ifp;
char *cntrl_string;
ifp = fopen(inputfile,"r");
cntrl_string =
"Microwave Frequency (Hz): %lf Field Start Value (Gauss): %lf Field Sweep Width
(Gauss): %lf Points: %lf Increment for Spiral: %lf Linetype %*s %*s %*s %*s %c
Linewidthparameter: sg1: %lf sg2: %lf sg3: %lf r12: %lf r23: %lf r13: %lf
g1: %lf g 2: %lf g3: %lf zero-width-protector: %lf scale: %lf ";
if(fscanf(ifp, cntrl_string, µwave_frequency, &field_min,
&field_sweep, &points, &d_angel, &linetype, &sg1, &sg2, &sg3,
&r12, &r23, &r13, &g1, &g2, &g3, &zero_width_protector, &scale) != 17)
fprintf(stderr,"Reading input file failed!\n");
if(!(B_spectrum = (double*)malloc(points *sizeof(double))))
A.1 Programm-Code fur Linienverbreiterung durch ‘g-strain’ 153
{fprintf(stderr,"Not enough memory!\n");}
if(!(g_spectrum = (double*)malloc(points *sizeof(double))))
{fprintf(stderr,"Not enough memory!\n");}
if(!(ableitung = (double*)malloc(points *sizeof(double))))
{fprintf(stderr,"Not enough memory!\n");}
if(!(field = (double*)malloc(points *sizeof(double))))
{fprintf(stderr,"Not enough memory!\n");}
g_max = Planck_constant*microwave_frequency/(beta_e* field_min/10000);
g_min = Planck_constant*microwave_frequency/
(beta_e*(field_min+field_sweep)/10000);
g_sweep = g_max - g_min;
}
main(int argc, char **argv)
{
int n_orientations;
if(argc != 4 ){
prn_info(argv[0]);
exit(1);
}
input(argv[1]);
n_orientations= spiral(d_angel);
printf("Anzahl der Orientierungen: %d\n",n_orientations);
#if DEBUG_G_SPEKTRUM
output_g(g_spectrum);
#endif
transpose_g2B(g_spectrum, B_spectrum, ableitung, field);
output(field, B_spectrum, ableitung, argv[2], argv[3]);
}
154 A. EPR-Simulationsprogramm ELSI
A.2 Eingabe-Datei fur ELSI
Microwave Frequency (Hz): 9.4338e9
Field Start Value (Gauss): 1000.0
Field Sweep Width (Gauss): 4000.0
Points: 1024
Increment for Spiral: 0.01
Linetype (D(elta), G(auss) or L(orentz)): G
Linewidthparameter:
sg1: 0.05
sg2: 0.03
sg3: 0.05
r12: -0.95
r23: -0.95
r13: 0.95
g1: 1.50
g2: 2.24
g3: 2.93
zero-width-protector: 0.01
scale: 3.8
Anmerkung: Der zero-width-protector wird zur Linienbreite σg auf der g-Skala addiert, um
zu verhindern, daß die Gesamtlinienbreite fur negative Korrelationskoeffizienten rij (i,j = 1,2,3)
gegen Null geht (siehe Abschnitt 4.4.1). Der Zahlenwert Increment for Spiral bestimmt die
Schrittweite der Spirale uber die Einheitskugel, die zur Erfassung der molekularen Orientie-
rungen des Pulverspektrums dient (siehe auch Abbildung B.1). Je kleiner der Zahlenwert, desto
mehr Orientierungen werden berucksichtigt. Die Anzahl der molekularen Orientierungen wird als
Information am Ende des Programmes ausgeben. Bei einem Zahlenwert von 0.01 fur Increment
for Spiral werden beispielsweise 62 835 Orientierungen in der Simulation berucksichtigt.
Anhang B
ENDOR-Simulationsprogramm SIMES
Das ENDOR-Simulationsprogramm SIMES wurde in Abschnitt 4.4.2 vorgestellt. Hier folgt eine
Auflistung des Programmcodes und ein Beispiel fur eine Eingabedatei.
B.1 Programm-Code
/* Simulationsprogramm fuer ENDOR-Spektren SIMES */
/* von Monika Fahnenschmidt (1999) nach einer */
/* Veroeffentlichung von D. Goldfarb et al. */
/* J. Am. Chem. Soc. 118 (1996) 2686 */
#include<stdio.h>
#include</usr/include/math.h>
#define DEBUG_SPIRAL 0 /* gibt die Spirale bzw. das Netz um die */
#define DEBUG_NET 0 /* Einheitskugel, die zur Erfassung der */
/* molekularen Orientierungen des */
/* Pulverspektrums dient, in eine Datei aus */
/* (testspiral bzw. testnetz). */
#define DEBUG_DATA 0 /* Histogramm (ohne Linienformfunktion) */
#define DEBUG_ORIENTSEL 0 /* gibt die molekularen Orientierungen wieder, */
/* die am ENDOR-Experiment an der ausgewahlten */
/* Feldstelle (Parameter: field_value) teilnehmen. */
#define pi 3.14159
#define beta_e 9.27402e-24
#define Planck_constant 6.62618e-34
double *spectrum;
double *ableitung;
double *data;
double linemax;
int counter_fieldvalue=0;
int counter_spiral=0;
double a_perp;
155
156 B. ENDOR-Simulationsprogramm SIMES
double larmor;
double geff;
/* Simulationsparameter der Eingabedatei: */
double microwave_frequency;
double field_value;
double field_intervall;
int points;
double start;
double sweep_width;
int spiral_type;
double d_angel;
int sp_theta, sp_phi;
char linetype;
double linewidth;
double g1, g2, g3;
double distance, theta_N, phi_N, a_iso;
double scale;
/* Prototypen der Funktionen: (Programmstruktur) */
void prn_info(char *);
void input(char *); /* Einlesen der Eingabe-Datei */
void spiral(double d_angle); /* Spirale oder Netz um die Einheitskugel */
void spiral_2(int m_theta, int m_phi)
void resonance(double theta, double phi); /* Berechnung der ENDOR */
/* Resonanzposition f"ur die selektierten */
/* Orientierungen der gewahlten Feldposition. */
void create_data(double frequency, double weight, double *data);
/* Histogramm */
void output_data(double *d); /* Falls DEBUG_DATA 1, Ausgabe des Histogrammes */
void convolute(double *d, double *s, double *a);
/* Berechnung einer Linienform */
double calculate_lineshape_factor(int center, int x_step);
void output(double *s, double *a, char *S, char *A);
/* Ausgabe der berechneten ENDOR-Spektren */
void prn_info(char *pgm_name)
{
printf("%s%s%s%s%s\n", "Usage: ", pgm_name, " Parameter ",
"Spektrum ", "Ableitung ");
}
void create_data(double f, double w, double *d)
{
double x;
int j;
/* Frequenzwert f wird in Aufnahmepunkt j konvertiert */
x = (f - start) * ((points-1)/sweep_width);
j = (int) x;
B.1 Programm-Code 157
x -= j; /* 0 <= x > 1 */
/* Histogramm: */
if((j >= 0) && (j < points))
d[j] += w * (1 - x);
j++;
if((j >= 0) && (j < points))
d[j] += w * x;
}
void resonance(double theta, double phi)
{
double field;
double g;
double h1, h2, h3;
double A,C;
double CosGamma, SinGamma;
double freq;
double exponent, weight;
h1 = sin(theta) * cos(phi);
h2 = sin(theta) * sin(phi);
h3 = cos(theta);
g = sqrt((g1*h1) * (g1*h1) + (g2*h2) * (g2*h2) + (g3*h3) * (g3*h3));
field = 10000 * (Planck_constant * microwave_frequency)/( beta_e * g);
/* Liegt der Feldwert (field) im Intervall des EPR Spektrums, das im */
/* ENDOR Experiment angeregt wird? */
if( ((field_value-0.5*field_intervall) < field) &&
((field_value+0.5*field_intervall) > field) ){
counter_fieldvalue++;
#if DEBUG_ORIENTSEL
printf("%.4f %.4f 1.0\n",theta, phi);
#endif
/* Der Feldbereich, fuer den die Orientierungen selektiert werden, wird */
/* mit einer Gaussfunktion (als EPR-Linienbreite) gewichtet. */
exponent = (field_value-field)/(2.345*field_intervall);
weight = exp(- 1.0/2.0 * exponent * exponent);
/* ENDOR-Frequenz: */
CosGamma=cos(theta)*cos(theta_N)+sin(theta)*sin(theta_N)*cos(phi-phi_N);
SinGamma=sqrt(1-CosGamma*CosGamma);
A=a_iso + a_perp*(3*CosGamma*CosGamma-1);
C=3*a_perp*SinGamma*CosGamma;
freq=sqrt((0.5*A-larmor)*(0.5*A-larmor) + 0.25 *C*C);
create_data(freq, weight, data);
freq=sqrt((-0.5*A-larmor)*(-0.5*A-larmor) + 0.25 *C*C);
158 B. ENDOR-Simulationsprogramm SIMES
create_data(freq, weight, data);
}
}
void spiral(double d)
{
double theta_0, theta_1;
double phi_0, phi_1;
double st_0, st_1;
double u,v,w;
#if DEBUG_SPIRAL
FILE *tfp;
tfp = fopen("testspiral","w");
#endif
/* Theta und Phi geben Orientierung des Molekuels relativ zum B Feld an. */
theta_0 = theta_1 = pi/2;
phi_0 = phi_1 = 0;
/* Algorithmus zur Berechnung der Orientierungen: */
/* siehe C. Gessner, Disertation TU-Berlin 1996 */
while (theta_1 > 0.0)
{
resonance(theta_0,phi_0);
counter_spiral++;
st_0 = sin(theta_0);
theta_1 = theta_0 - (d*d)/(2*pi*st_0);
st_1 = sin(theta_1);
phi_1 = phi_0 + d/st_0 + 1/sqrt(2) * (d/st_1 - d/st_0);
theta_0 = theta_1;
phi_0 = phi_1;
if(phi_0 > 2*pi) {phi_0 -= 2* pi;}
#if DEBUG_SPIRAL
u = sin(theta_0) * cos(phi_0);
v = sin(theta_0) * sin(phi_0);
w = cos(theta_0);
fprintf(tfp,"%.4f %.4f %.4f\n",u,v,w);
#endif
}
#if DEBUG_SPIRAL
fclose(tfp);
#endif
}
/* Alternatives Netz (nach Hagen et al., J. Magn. Reson. 61 (1985) 220-244): */
void spiral_2(int m_theta, int m_phi)
{
B.1 Programm-Code 159
int i,j;
double theta, cos_theta, phi, d_cos_theta, d_phi;
double u,v,w;
#if DEBUG_NET
FILE *tfp;
tfp = fopen("testnetz","w");
#endif
d_cos_theta = -2.0/m_theta;
d_phi = 2.0 * pi / m_phi;
cos_theta = 1.0 - 3.0/(2.0 * m_theta);
phi = (7.0/8.0)*d_phi;
for(i=0; i<m_theta; i++){
for(j=0; j<m_phi; j++){
theta = acos(cos_theta);
resonance(theta,phi);
#if DEBUG_NET
u = sin(theta_0) * cos(phi_0);
v = sin(theta_0) * sin(phi_0);
w = cos(theta_0);
fprintf(tfp,"%.4f %.4f %.4f\n",u,v,w);
#endif
phi += d_phi;
counter_spiral++;
}
cos_theta += d_cos_theta;
}
#if DEBUG_NET
fclose(tfp);
#endif
}
void output_data(double *d)
{
FILE *ofp;
int i;
double field_position;
ofp = fopen("testdata", "w");
for(i = 0; i < points; i++){
field_position = i*sweep_width/(points-1) + start;
fprintf(ofp,"%.4f %.4f\n",field_position,scale*d[i]);
}
fclose(ofp);
}
160 B. ENDOR-Simulationsprogramm SIMES
double calculate_lineshape_factor(int center, int x_step)
{
double exponent;
double lw;
double lsf; /*lineshape_factor */
lw = linewidth;
exponent = x_step * sweep_width/(points-1) / lw;
switch(linetype){
case ’G’: /*Gaussfunktion */
lsf =
1.0/(sqrt(2 * pi) * lw) * exp(- 1.0/2.0 *
exponent * exponent);
break;
case ’L’: /*Lorentzfunktion */
lsf =
1.0/(pi*lw) * 1.0 / (1 + exponent*exponent);
break;
}
return lsf;
}
void convolute(double *d, double *s, double *a)
{
int i,j;
double lineshape_factor;
for(i=0; i< points; i++){
lineshape_factor = calculate_lineshape_factor(i,0);
s[i] = d[i] * lineshape_factor;
for(j=1; j < linemax; j++){
if( (i-j) > 0){
lineshape_factor = calculate_lineshape_factor((i-j),j);
s[i] += d[i-j] * lineshape_factor;
}
}
for(j= 1; j < linemax; j++){
if( (i+j) < points){
lineshape_factor = calculate_lineshape_factor((i+j),j);
s[i] += d[i+j] * lineshape_factor;
}
}
}
/* Ableitung */
for(i=0; i<(points); i++)
B.1 Programm-Code 161
*(a+i) = 0.0;
for(i=(1); i<(points-1); i++){
a[i]= 0.5 * (s[i+1] - s[i-1]);
}
}
void output(double *s, double *a, char *Spektrum, char *Ableitung)
{
FILE *ofpa, *ofpb;
int i;
double field_position;
ofpa = fopen(Spektrum, "w");
ofpb = fopen(Ableitung, "w");
for(i = 0; i < points; i++){
field_position = i*sweep_width/(points-1) + start;
fprintf(ofpa,"%.4f %.4f\n",field_position, (scale * s[i]));
fprintf(ofpb,"%.4f %.4f\n",field_position, (scale * a[i]));
}
fclose(ofpa);
fclose(ofpb);
}
void input(char *inputfile)
{
int i;
double factor;
FILE *ifp;
char *cntrl_string;
ifp = fopen(inputfile,"r");
cntrl_string =
"Microwave Frequency (Hz): %lf Field Value (Gauss): %lf Field Intervall (Gauss): %lf
Start Value (MHz): %lf Sweep Width (MHz): %lf Points: %d Spiral Type (1 or 2): %d
Increment for Spiral (1): %lf Steps for Spiral (2): %d %d Linetype %*s %*s %*s %c
Linewidth (MHz): %lf g1: %lf g 2: %lf g3: %lf r (A): %lf theta_N: %lf phi_N: %lf
a_iso (MHz): %lf scale: %lf";
if(fscanf(ifp, cntrl_string, µwave_frequency, &field_value,
&field_intervall, &start, &sweep_width, &points, &spiral_type,
&d_angel, &sp_theta, &sp_phi, &linetype, &linewidth,
&g1, &g2, &g3, &distance, &theta_N, &phi_N, &a_iso, &scale)
!= 20)
fprintf(stderr,"Reading input file failed!\n");
162 B. ENDOR-Simulationsprogramm SIMES
if(!(spectrum = (double*)malloc(points *sizeof(double))))
{fprintf(stderr,"Not enough memory!\n");}
if(!(ableitung = (double*)malloc(points *sizeof(double))))
{fprintf(stderr,"Not enough memory!\n");}
if(!(data = (double*)malloc(points *sizeof(double))))
fprintf(stderr,"Not enough memory!\n");
for(i=0; i<points; i++) data[i] = 0.0;
linemax = (int) 4*points*linewidth/sweep_width;
factor = 39.49; /* (mu_0:4pi) x (beta_e x g_N x beta_N) : (h *1E-30)*/
/* -> Einheit MHz fuer HF Tensor*/
theta_N = theta_N * pi/180; /* Konversion ins Bogenmass */
phi_N = phi_N * pi/180;
geff=(10000*Planck_constant * microwave_frequency)/(field_value*beta_e);
a_perp=geff*factor/(distance*distance*distance);
larmor=field_value/234.866;
printf("effektiver g-Wert: %.3lf\n", geff);
printf("A_dip: %.3lf MHz\n",a_perp);
printf("Larmorfrequenz der Protonen: %.3lf MHz\n",larmor);
}
main(int argc, char **argv)
{
if(argc != 4 ){
prn_info(argv[0]);
exit(1);
}
input(argv[1]);
if(spiral_type == 1)
spiral(d_angel);
else
spiral_2(sp_theta,sp_phi);
#if DEBUG_DATA
output_data(data);
#endif
convolute(data, spectrum, ableitung);
output(spectrum, ableitung, argv[2], argv[3]);
printf("counter field_value: %d\n", counter_fieldvalue);
printf("counter spiral: %d\n", counter_spiral);
}
B.2 Eingabe-Datei fur SIMES 163
B.2 Eingabe-Datei fur SIMES
Microwave Frequency (Hz): 9.5e9
Field Value (Gauss): 3393.8
Field Intervall (Gauss): 50
Start Value (MHz): 0.0
Sweep Width (MHz): 25.0
Points: 1024
Spiral Type (1 or 2): 2
Increment for Spiral (1): 0.01
Steps for Spiral (2): 100 100
Linetype (G(auss) or L(orentz)): G
Linewidth (MHz): 1.0
g1: 1.50
g2: 2.24
g3: 2.93
r (A): 3.25
theta_N: 45.0
phi_N: 20.0
a_iso (MHz): -0.30
scale: 10.0
Anmerkung: Der Benutzer kann hier zwischen zwei verschiedenen Routinen zur Erfassung der
molekularen Orientierungen des Pulverspektrums auswahlen: Spiral Type (1 or 2) (siehe
Abbildung B.1).
164 B. ENDOR-Simulationsprogramm SIMES
A
-1
-0.8
-0.6
-0.4
-0.2
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
-1 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2 0 0.2 0.4 0.6 0.8 10
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
0.9
1
-1 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
B
-1
-0.8
-0.6
-0.4
-0.2
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
-1 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1-1
-0.8
-0.6
-0.4
-0.2
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
-1 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
Abbildung B.1: A Spiral Type 1: Spirale uber die halbe Einheitskugel berechnet mit einem In-krement von d = 0.1 nach Ref. [134]. B Spiral Type 2: Netz uber die ganze Einheitskugel berechnetmit mθ = 17 und mφ = 19 (mθ, mφ: Anzahl der Schritte fur die Variation der Raumwinkel θ und φder Einheitskugel, Anzahl der Orientierungen: mθ × mφ) nach Ref. [139].
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Danksagung
Herrn Prof. Dr. W. Lubitz mochte ich fur die Aufnahme in die Arbeitsgruppe, die spannende
und vielfaltige Themenstellung und Betreuung dieser Arbeit danken.
Priv. Doz. Dr. E. Schlodder hat den Mitbericht ubernommen. Ich bedanke mich auch fur die
angenehme Zusammenarbeit bei den optischen Messungen der Zinkporphyrinsysteme.
Priv. Doz. Dr. R. Bittl hat mit klarem Blick viele interessante Anregungen zu dieser Arbeit
gegeben. Ich bedanke mich fur viele physikalische Erlauterungen zur magnetischen Resonanz-
spektroskopie und die praktische Einfuhrung in die Meßtechnik der EPR- und Puls-ENDOR-
Spektroskopie.
Ohne die Zusammenarbeit mit Prof. Dr. W. Haehnel und seiner Arbeitsgruppe ware diese Ar-
beit nicht moglich gewesen. Ihnen verdanke ich die Cytochrom b Modelle sowie die Moglichkeit,
eigene Peptidsynthesen in Freiburg durchfuhren zu konnen. Dabei mochte ich mich insbeson-
dere bei Dr. Harald Rau fur die Anleitung zur Synthese und Rosi Loyal fur ihre praktische
Unterstutzung bedanken. Patrick Hoerth hat fur mich die Massenspektren der Peptide aufge-
nommen. Durch Dr. Harald Rau, Rosi Loyal, Dr. Niels deJonge und ihre weiteren KollegInnen
hatte ich einen sehr netten Aufenthalt in Freiburg.
Der Volkswagen-Stiftung danke ich fur die finanzielle Unterstutzung zur Durchfuhrung die-
ser Arbeit im Rahmen des Schwerpunktprogrammes: “Intra- und Intermolekularer Elektronen-
transfer”. Die Tagungen, die im Rahmen dieses Schwerpunktprogrammes stattgefunden haben,
waren sehr anregend.
Rafael Jordan hat mich bei den Redoxtitrationen und bei Corel Draw Zeichnungen beraten.
Fur seine Hilfsbereitschaft mochte ich mich herzlich bedanken. Marianne Cetin hat mich mit
viel Geschick bei den Blitzlichtmessungen unterstutzt. Dem Engagement von Dirk Linke und
Dr. J. Franke verdanke ich die Moglichkeit, Circulardichroismus- und Fluoreszenzmessungen
durchfuhren zu konnen.
Bei Herrn Prof. Dr. U. E. Steiner mochte ich mich fur die Vermittlung vieler theoretischer
Grundlagen wahrend meiner Diplomarbeit bedanken, die sich auch fur diese Arbeit als außerst
nutzlich erwiesen haben.
Die Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Lubitz – Gunther Bleifuß, Beatrix Blumel, Marc (Han-
nes) Brecht, Celine Elsaßer, Dr. Robert Fiege, Stefanie Foerster, Dr. Catherine Fursman, Irene
Geisenheimer, Wulf Hofbauer, Michael Kammel, Matthias Kolberg, Dr. Ludwig Krabben, Rolf
Kunert, Dr. habil. G. Laßmann, Dr. F. Lendzian, Francesco Milano, Dr. J. Messinger, Dr. Frank
Muh, Kai Schafer, Claudia Schulz, Matthias Stein, Christian Teutloff, Olga Trofantschuk, Dr.
Heike Witt, Dr. Stephan G. Zech und Dr. Alfonso Zoleo – sorgten mit ihrer Hilfsbereitschaft fur
eine angenehme Arbeitsatmosphare und eine frohliche, aufmunternde Stimmung.
Den Jongleuren von Circulum e. V., den Damen vom Schlachtensee und allen Freunden
danke ich fur die netten, abwechslungsreichen Nebenbeschaftigungen.
Mein besonderer Dank gilt meinen Eltern, meiner Oma und Christof fur ihre Unterstutzung
und die Lebensfreude, die sie vermitteln. Ihnen mochte ich diese Arbeit widmen.
Lebenslauf
Name Monika Fahnenschmidt
Geburtsdatum 19.12.70
Geburtsort Sindelfingen
Eltern Gerhard Fahnenschmidt
Mechthild Fahnenschmidt
Ausbildung
1977 – 1981 Grundschule Eschenried, Sindelfingen
1981 – 1990 Gymnasium in den Pfarrwiesen, Sindelfingen
5/1990 Abitur
1990 – 1993 Chemiestudium an der Universitat Konstanz
1993 – 1994 Auslandsstudienaufenthalt an der
Oregon State University, USA
1994 – 1996 Chemiestudium an der Universitat Konstanz
7/1996 Diplom in Chemie
10/1996 Beginn der Dissertation an der Technischen
Universitat Berlin
Tatigkeiten
1993 freie Mitarbeiterin in einem archeobotanischen Labor
11/1995 & 09/1996 wissenschaftliche Hilfskraft an der Universitat Konstanz
1996 – 2000 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Volmer-Institut
fur Biophysikalische Chemie und Biochemie der
Technischen Universitat Berlin
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