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Vertiefungsseminar: „Einführung in die Sozialpädagogik“Dozent: Klaus Wedekind
Der Menschenerzieher:Friedrich Wilhelm August Fröbel
Vorgelegt von:Dipl.-Psych. Hannah DenkerVeerßer Str. 2029525 Uelzen
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung................................................................................................................................3
2. Verlust als Grundlage für den großen Pädagogen – Fröbels Kindheit...................................3
3. Aus- und Selbstbildung – Fröbels Werdegang ......................................................................5
4. Die Begründung des Ganzen – Das „Sphärische Gesetz“ und die „Menschenerziehung“: Fröbels Keilhauer Jahre .............................................................................................................9
4. Das Kinderparadies und die Spielgaben...............................................................................15
5. Schlussbemerkungen: Glorifizierung und Aktualität eines Pädagogen................................18
Literatur.....................................................................................................................................21
1. Einleitung
Friedrich Wilhelm August Fröbels Wirken und Schaffen in einer knappen Übersicht
darzustellen ist ein schwieriges Unterfangen. Es ist nicht möglich im Rahmen dieser
Arbeit, die verschiedenen Schriften von Fröbel einer detaillierten Analyse zu unterziehen,
da diese u.a. eine genaue Betrachtung ihrer philosophischen Grundlagen in der Romantik
(Fichte, Schelling, Herbart) erfordern würden. Bereits die Sekundärliteratur über Friedrich
Fröbel ist kaum noch überschaubar. Ein Versuch zur Systematisierung hat Heiland
unternommen.1 Programmatische Absicht dieser Arbeit ist es, Fröbel in seinem
biographischen Gewordensein ebenso zu verstehen wie in seinen selbst sinnhaft-
interpretativ vermittelten Bezügen zu seiner Lebenswelt.
2. Verlust als Grundlage für den großen Pädagogen – Fröbels Kindheit
Am 21. August 1782 wurde Friedrich Wilhelm August Fröbel in Oberweißbach in
Rudolstadt (Thüringer Wald) als sechstes und jüngstes Kind eines Pfarrers, Johann Jakob
Fröbel, geboren. Seine Mutter starb neun Monate nach seiner Geburt im Februar des
nächsten Jahres2, so dass der junge Fröbel „den wohltätigen Einfluss der Mutterliebe
entbehren [musste, H.U.], deren Wert ihm eben dadurch später einleuchtete“3. Noch 1831
beklagte Fröbel schmerzerfüllt den frühen Verlust der Mutter „als erste Wunde, als frühe
Verletzung ursprünglicher Seelen-, der Herzens- und Gemüts-, der Geisteseinigung“.4
Krone und Oboleski5 weisen in diesem Zusammenhang daraufhin, dass der Lebenslauf von
Friedrich Fröbel mit anderen berühmten Erziehern und Erziehungstheoretikern eine
Gemeinsamkeit aufweist. So zeigen sich häufig Lebensgeschichten, die durch frühe Verluste von
Elternteilen bestimmt sind. Es kommt nicht selten vor, dass die Mutter fehlt (z.B. Rousseau,
Flitner), seltener auch der Vater (z.B. Pestalozzi). Die genannten Autoren zitieren Kraft, der die
These vertritt, dass die Ursprünge der feinen Empfindsamkeit für pädagogische Situationen
vielfach in eben diesen Mangelerfahrungen oder sogar frühen Störungen begründet sieht. Später
hat Fröbel selbst sein Halbwaisendasein als Orientierung für seinen Lebensweg betrachtet:
1 vgl. H. Heiland, 19722 E. Hoffmann, 1951, S. 147 ff und T. Hutterer/ M. Thiede, 2007, S.33 M. Berger, 2000, S.314 H. Heiland, 1982, S.115 D. Krone/ A. Obolenski, 2003, S.3
3
„Ich habe es oft im allgemeinen und namentlich auch wohl zu Euch insbesondere
ausgesprochen, daß gleich mit dem Tod, mit dem Verlust meiner Mutter (…), dass
mit diesem Augenblick mein ganzes künftiges Leben seinen Charakter, und ich
möchte selbst sagen, seinen Beruf und seine äußere Form als Mensch dieser Zeit und
dieses Raumes erhielt.“6
1785 heiratete der Vater die wesentlich jüngere Friedericke Sophie Otto. Die Stiefmutter
begegnete dem Jungen zunächst mit herzlicher Zuneigung, zog sich aber nach der Geburt ihrer
eigenen Kinder von ihm zurück und verweigerte ihm sogar das „Du“ als Anrede. Zum Vater fand
Friedrich keinen Zugang, zumal dieser mit einem moralischen Rigorismus die eigene Familie
beherrschte.7 Tägliche Morgen- und Abendandachten, der sonntägliche Gottesdienst, dem er allein
in der Sakristei beiwohnen musste, vermittelten ihm ein christliches Selbstverständnis, das von
Sünde und Strafe bestimmt war und ihn als Kind ängstigte.8 Der junge Fröbel geriet in eine
Einsamkeit, die ihn trotzig und verschlossen machte.9 Der Junge flüchtete sich in die Natur und
übersinnliche Wunschvorstellungen. Dieser Hang zum Mystischen ist Fröbel lebenslang
geblieben.10 1793 nahm sein Onkel Superintendent Hoffmann den inzwischen zehnjährigen in sein
Haus nach Stadt-Ilm, da er erkannt hatte, dass die häusliche Atmosphäre nicht gut für das Kind
war.11 Das Leben Friedrichs änderte sich nun grundlegend. Er wurde mit viel Liebe und Geduld
aufgenommen. Er schloss sich Spielgruppen an und besuchte die Schule.12 Später beschreibt
Fröbel seine Zeit im Haus des Onkels wie folgt:
„Ich trank hier frischen Lebensmut in langen Zügen; denn die ganze Gegend war mir
nun ein Tummelplatz, wie früher mein Gehöft. Ich gewann Freiheit des Gemüts und
erstarkte körperlich“13
In den oberen Klassen der Stadtschule zeigte der junge Mann außer in Mathematik keine
besonderen Begabungen, so dass er zu einem praktischen Beruf bestimmt wurde.14 Der
verschlossene Junge fügte sich widerspruchslos und erklärte sich mit dem väterlichen Vorschlag,
Feldmesser zu werden, einverstanden. Aber in seinem Inneren beherrschte ihn bereits der Wunsch,
aus eigener Kraft eine höhere Bildung anzustreben. Im Juni 1797 begann er seine zweijährige
Lehre bei Förster Witz in Hirschberg (Saale). Es kam aber kein positives Lehrverhältnis zustande,
so dass der junge Fröbel sich grübelnd und bücherlesend einen eigenen Bildungsweg suchte und
6 B. Gumlich, 1935, S.3f7 M. Berger, 2000, S.31f8 H. Heiland, 1982, S.109 E. Hoffmann, 1951, S. 14710 C. Osann, 1956, S.411 E. Hoffmann, 1951, S.14712 T. Hutterer/ M. Thiede, 2007, S. 313 H.L. Klostermann, 1927, S.1914 T. Hutterer/ M. Thiede, 2007, S.3
4
sich vorwiegend mit Mathematik und Botanik beschäftigte. Im Frühling 1799 wurde er mit einem
schlechten Zeugnis entlassen. Nur die liebevolle Vermittlung seines Lieblingsbruders Christoph
bewahrte ihn vor dem väterlichen Zorn.15
3. Aus- und Selbstbildung – Fröbels Werdegang
Friedrichs Interesse am Studium der Geometrie und ökonomischer Wissenschaften wurde
durch einen kurzen Besuch bei seinem studierenden Bruder Traugott geweckt. Wieder war
es der vermittelnden Kompetenz eines älteren Bruders zu verdanken, dass der Vater
Friedrich schließlich gestattete, das mütterliche Erbteil für die Studiumsfinanzierung zu
nutzen. Zu Beginn des Wintersemesters 1799/80 trat er in die philosophische Fakultät der
Universität Jena ein, studierte Naturwissenschaften und wurde als Mitglied in die
Naturforschende Gesellschaft aufgenommen. Er lebte zurückgezogen und einsam und
hatte kaum Freunde. Auch das Studium befriedigte ihn nicht, zum einen weil er nicht
ausreichend vorbereitet war, zum anderen wegen seiner eigenwilligen Tendenz, sich selbst
auszubilden und nicht Recht in die Haltung des Lernenden zu passen.16 Durch seine
Einsamkeit war Fröbel auf sich selbst zurückgeworfen. So schreibt er:
"Unausgesetzte Selbstbeobachtung und Selbsterziehung ist der Grundcharakter
meines Lebens von frühe an gewesen“
Hutterer et al.17 erkennen hier die autodidaktischen Züge, die Fröbels Leben und Wirken
immer prägten. In seinem Studium suchte er vorwiegend nach Bestätigung seiner eigenen
Entdeckungen und Empfindungen und strebte immer nach einem raschen Überblick über
das Ganze, ohne bereit zu sein, einzelne Erkenntnisse zu erarbeiten.18 Bereits nach vier
Semestern musste Fröbel sein Studium abbrechen, da er in Schulden geraten war, so dass
ein Speiswirt Friedrich verklagte und dieser einer Karzerstrafe absitzen musste. Er blieb
neun Wochen in Haft, da sich sein Vater und sein Vormund stritten, wer für die
Auslösung aufkommen musste. Erst als Friedrich auf den väterlichen Erbteil verzichtete,
trat der Vater für ihn ein. Im November 1801 erkrankte der Vater und rief den jungen
Mann in das Elternhaus zurück, um dem Vater bei schriftlichen Arbeiten bzw. der
Amtsführung behilflich zu sein. Die gemeinsame Tätigkeit führte Vater und Sohn näher
zusammen. Im Februar 1802 verstarb der Vater und Friedrich hatte keinen Rückhalt mehr
15 vgl. E. Hoffmann, 1951, S.14716 ebd., S. 14817 Zitiert nach T. Hutterer/ M- Thiede, 2007, S.318 vgl. E. Hoffmann, 1951, S.148
5
in der Familie.19 Dieser Mangel an Geborgenheit in der Familie wurde ihm zum Anlass,
früh über die Bedeutung der Familie nachzudenken und später die Familienpflege zum
Ziel seiner Arbeit zu machen.20 Dabei ist die Liebe für ihn Seinsgrund der Familie, Liebe
und Achtung der Eltern werden die Grundlage all seiner Erziehungstheorie. Die Mutter
soll dabei die Seele der Familie, ihre natürlichen mütterlichen Kräfte sollen der
Ausgangspunkt aller Erziehung sein.21
Zunächst fasste er jedoch den Plan, ein Studium der Architektur zu beginnen. Im Frühjahr
1805 wand er sich mit seinen neuen Lebensplänen an den Bruder Christoph, wenn auch
mit geringer Hoffnung auf geldliche Unterstützung und in großer Sorge, die Geduld des
älteren Bruders mit neuen Berufswünschen zu strapazieren. Als die Antwort kam, wagte
Fröbel kaum dem Brief zu öffnen. Doch seine Sorge war unberechtigt. Der Bruder teilte
ihm mit, dass der Onkel aus Stadt-Ilm gestorben war und er mit dem kleinen Erbteil seine
Träume realisieren könnte.22 Entgegen seinen Plänen führte die Begegnung mit dem
Pestalozzianhänger Gottlieb Anton Gruner, dem Leiter der Frankfurter „Musterschule“, zu
einer Planänderung. Dieser schlug dem jungen Baukunstschüler nach kurzem Kennlernen
vor, seinen Lebensplan zu ändern und Erzieher zu werden, es sei eine Stelle an seiner
Schule frei.23 Fröbel bekannte:
„… es war mir, als wäre ich schon längst Lehrer gewesen und eigentlich zu
diesem Geschäfte geboren… es schien mir, als hätte ich nie in einem anderen
Verhältnis als diesem leben wollen“24
Die Lehrweise der Musterschule war von Pestalozzi bestimmt. Gruner und einer seiner
Lehrer waren selbst in Iferten gewesen. Fröbel beschloss deshalb, selbst zu Pestalozzi zu
pilgern.25 Eine Reise musste aber finanziert werden. Die Mittel für die Reise nach Iferten
erhielt Friedrich Fröbel von Frau Holzhausen. Die Familie Holzhausen war eine reiche
und angesehene Familie in Frankfurt am Main. Caroline von Holzhausen war Mutter von
vier Kindern. Die Sorge um die Erziehung ihrer Söhne, besonders des ältesten, der
deutliche Züge von Oberflächlichkeit zeigte, war das Verbindungsstück zwischen dem
jungen Erzieher und dem Herzen der Mutter. Er reiste gewissermaßen in ihrem Auftrag
19 E. Hoffmann, 1951, S. 14820 ebd., S.14921 T. Thesing, 2001, S.8722 vgl. E. Hoffmann, 1951, S.15023 ebd., S. 15124 W. Lange, 1862, S. 53325 E. Hoffmann, 1951, S.151
6
und schickte ihr ausführliche Reiseberichte.26 Fröbel erinnert sich in einem Brief an den
Herzog von Meiningen:
„Nach drei Tagen (…) wanderte ich schon nach Yverdun (…) Eben
angekommen in Yverdun und in Folge der Empfehlungen Gruner’s und seiner
Mitarbeiter besonders freundlich aufgenommen von Pestalozzi und seinen
Lehrern, ward ich wie jeder Andere sogleich in die Lehrstunden geführt und
mir dort mehr oder minder selbst überlassen. Ich ward noch unerfahren im
Lehrfach und Lehren, zehrte eigentlich nur an den Erinnerungen aus meiner
eigenen Schulzeit und konnte daher noch eben so wenig zu einer eingehenden
Prüfung des Einzelnen wie des Zusammenhangs im Ganzen befähigt sein (…)
Was ich sah, wirkte erhebend und niederdrückend, erweckend und betäubend
auf mich. Vierzehn Tage dauerte mein Aufenthalt. Ich arbeiteet und
verarbeitete, was ich konnte, und wozu ich besonders durch die übernommene
Verpflichtung aufgefordert wurde, schriftlich treue Rechenschaft zu geben,
wie ich das Ganze erschaue, welchen Eindruck es auf mich machen werde“.27
In der ersten Begegnung gaben ihm Pestalozzi und Caroline von Holzhausen die
Sicherheit, durch Erfahrung gleichwertig gebildet zu sein wie andere durch hohe Schulen.
An Pestalozzis Begriff der „naturgemäßen Entwicklung“ gewann Fröbel einen Maßstab,
demgegenüber der Vorrang akademischer Bildung nicht mehr galt. Während der vierzehn
Tage nahm er entscheidende Anregungen auf, fand aber zugleich einen eigenen kritischen
Widerstand.28
Fröbel selbst wurde schon früh als Nachfolger von Pestalozzi betrachtet. Beust29 hat 1881
den erkennistheoretisch-didaktischen Fortschritt von Pestalozzi zu Fröbel gewürdigt und
auf die Weiterentwicklung von Pestalozzis mathematisch orientiertem
Anschauungsbegriff durch Fröbel, auf den Fortschritt der intellektuellen Erkenntnis von
Raum- und Zahlgrößen zur ganzheitlich-tätigen Anschauung an Raumgrößen und
natürlichen Gegenständen hingewiesen. Fröbels pädagogisches Denken entwickelte sich
von einer Übernahme der Position Pestalozzis über Kritik bis zur eigenen Konzeption, so
Stiebitz30 1913. So war Fröbel zunächst von Iferten, dem Prinzip der wandernden
26 E. Hoffmann, 1951, S.15127 zitiert nach W. Lange, 1862, S.7628 E. Hoffmann, 1951, S.15229 zitiert nach H. Heiland, 1972, S.12730 zitiert nach H. Heiland, 1972, S. 127
7
Anschaulichkeit fasziniert. Diese einzelnen didaktischen Neuerungen wurden von ihm
erprobt, waren aber nach Meinung Fröbels nicht in einer Bildungstheorie begründet.
Fröbel stellte daher die Forderung nach wissenschaftlicher Bildung des Erziehers und
nach philosophischer Fundiertheit der Erziehungstheorie auf. Stiebitz31 betont außerdem,
dass Fröbel im Gegensatz zu Pestalozzis Wortintellektualität die Elementarformen in der
Wirklichkeit an konkreten Dingen aufsucht. Fröbels Naturgläubigkeit und soziale Haltung
führen ihn ebenfalls über Pestalozzis Rationalismus hinaus.
Am 21. September 1805 kehrte Fröbel aus Iferten zurück, um seine Stelle an der
Musterschule anzutreten. Aber schon im nächsten Jahr löste Fröbel sich von seinen
Verpflichtungen, um Hauslehrer und Erzieher in der Familie Holzhausen zu werden.
Bereits als vertrauter Freund hatte er an der Erziehung der Jungen mitgewirkt und sich als
ihr Bruder verstanden, so dass er sich „im Strahlbereich der mütterlichen Wärme, die ihm
als Mutterlosen so wohl tat, froh und still entfalten“32 konnte. Während Frau Hoffmann
direkt von der Entwicklung einer Liebe zwischen Fröbel und Frau Holzhausen spricht33,
äußern sich andere Autoren kritisch über die Affäre mit Caroline von Holzhausen, die
demnach peinlich umgangen wird34. Zunächst scheinen sich die beiden auf eine rein
geistige Liebe verständigt zu haben, der leidenschaftliche Durchbruch scheint erst 1811
vollzogen worden zu sein.35 Gemeinsam mit den vier Kindern bezog Fröbel das Landhaus
„Auf der Öde“ und verwirklichte sein Konzept eines pädagogischen Landlebens, in das
Gedanken Rousseaus und eigene Erfahrungen und Einsichten eingeflossen sind36. Seine
Erziehungsmethode wurde durch sein Studium des Werkes von Arndts „Fragmente der
Menschenerziehung“, das er seine Bibel der Erziehung nannte und Frau Holzhausen zum
Geburtstag schenkte, beeinflusst.37 Der romantische Zug eines organischen Lebens- und
Menschenverständnisses ist es scheinbar, der Fröbel besonders faszinierte und seine
kritischen Tagebucheintragungen zu den Pestalozzianern, die alles „zersplittern, zerteilen“
und die Natur töten beförderte.38 Bei den Plänen für ihre Kinder bezog die Familie die
Wünsche Fröbels nach Weiterbildung mit ein. So sollten die beiden älteren Jungen
zunächst in Iferten erzogen werden und dann gemeinsam mit Fröbel studieren.39 Am 27.
31 zitiert nach ebd., S.12832 E. Hoffmann, 1951, S.15333 ebd.34 J. Oelkers, 1998, S.935 E. Hoffmann, 1951, S.15436 H. Heiland, 1982, S.2537 E. Hoffann, 1951, S.15238 E. Hoffmann, 1951, S.15239 ebd., S.154
8
September 1808 reiste Fröbel mit drei der vier Söhne der Familie Holzhausen erneut zu
Pestalozzi.40 1810 kam es zu tief greifenden Konflikten zwischen Pestalozzi und Fröbel. In
der Auseinandersetzung mit Pestalozzi klärte sich Fröbels eigenes Streben nach „einer
Philosophie der Entwicklung des Menschen vom Absoluten her“.41
„Ich erkannte klar den Unterschied zwischen Pestalozzi und mir, daß
Pestalozzi den Menschen nehme, wie er auf der Erde erscheine, in seiner
Erscheinung als nur daseiend – ich aber den Menschen in seinem ewigen
Wesen, in seinem ewigen Sein (…)“.42
Im März 1811 kündigte Fröbel der Familie Holzhausen mit der Begründung, dass er seine
eigene Ausbildung vorantreiben müsse: er wollte zurück nach Göttingen und dort wieder
studieren. Im Jahre 1812 ist in der Familie Holzhausen ein weiterer Sohn geboren und
einige Stellen in den Tageblättern Fröbels legen die Vermutung nahe, dass es sich um
seinen eigenen Sohn gehandelt haben könnte.43 Nach seinem Weggang blieb die geistige
Verbindung in Briefen bestehen – auch wenn diese nur noch fragmentarisch überliefert
sind. An den Schuldgefühlen Caroline von Holzhausen zerbrach aber auch diese geistige
Verbindung im Jahre 1816.44
4. Die Begründung des Ganzen – Das „Sphärische Gesetz“ und die „Menschenerziehung“: Fröbels Keilhauer Jahre
Die metaphysische Grundkonzeption Fröbels ist eine weitangelegte Theorie von großer
Geschlossenheit.45 Sein Denken war idealistisch, d.h. er ging von allgemeinen Ideen aus,
welche entfaltet, auseinandergelegt werden und die dann die praktischen Überlegungen
prägen und ausrichten. In Übereinstimmung zwischen der Entwicklung des Individuums
und der gesamten Menschheit sah Fröbel eine Gesetzmäßigkeit, die nur Teil einer
größeren, allgemeineren umfassenderen Gesetzmäßigkeit war.46 Fröbels Suche nach der
Einigung zu einem lebendigen Ganzen, führte zu seinem „Sphärischen Gesetz“. „In allem
ruht, wirkt und herrscht ein ewiges Gesetz“, so lautete der Fanfarenstoß seiner
40 M. Berger, 2007, S.241 zitiert nach E. Hoffmann, 1951, S.15542 zitiert nach ebd., S.155-15643 E. Hoffmann, 1951, S.15644 ebd., 156-15745 E. B. Wagemann, 1956, S.16146 ebd., S.162
9
Menschenerziehung.47 Das „sphärische Gesetz“ ist ein allgemeines Gesetz des Alls und
einer von Gott gegebenen Einheit in der Mannigfaltigkeit, der Polarität, symbolisiert in
der Gestalt der Kugel. Die Urform dieses Gegensatzes war ihm die Spannung der
männlichen und weiblichen Polarität, in den Gegensätzen „Geist-Gemüt“, „Tag-Nacht“,
„hart-weich“, „Würfel-Kugel“ wieder zu erkennen. Alle Widerstände des Lebens verstand
er als Folgen der Unkenntnis dieses Gesetzes. Die Bestimmung des Menschen lag für ihn
in der Aufgabe, den Kosmos im Erkennen denkend nachzuschaffen, woraus dann ein
erfülltes Handeln entspringen müsste.48
„Das Sphärische ist die Darstellung der aus der Einheit sich entwickelnden, in
ihr ruhenden Mannigfaltigkeit auf die Einheit. (…) Das sphärische Gesetz ist
das Grundgesetz aller wahren, genügenden Menschenbildung.“49
Mit dem sphärischen Gesetz glaubte Fröbel das Fundament für alle Wissenschaften, für
die Einheit der Wissenschaften gefunden zu haben. Fröbels umfassende Reform des
deutschen Erziehungswesens, sein Plan einer deutschen Einheitsschule und die Idee des
Kindergartens sind nur unter diesem Blickwinkel in ihrer Geltung und ihrer Begrenztheit
zu verstehen.50 Mensch, Natur und Gott stehen in einer harmonischen Verbindung, die er
als „Lebenseinigung“ bezeichnet. Jeder Mensch verkörpert als Individuum in seiner
Einzigartigkeit das göttliche Gesetz und ist zugleich Teil der sich noch vollziehenden
Schöpfung.51 In diesem Weltbild haben – so Bode52- die Stufen der Geschöpfe durch den
steigenden Grad der Bewusstheit eine Richtung auf Gott. Durch sein Bewusstsein wird
der Mensch zum Maß aller Dinge, zum Mikrokosmos. So muss der Mensch mit
Bewusstsein sein Sein leben, produktiv handeln und die ihm zugewiesene Identität mit
Gott verwirklichen. Bode53 zeigt auf, dass Fröbel eng mit dem romantischen
Schellingkreis verbunden war, vor allem Okens Naturphilosophie, Böhmes
Mikrokosmosgedanken, Arndts Gefühlsphilosophie und Krauses Lebenseinigung und
Jenseitsvorstellungen. Bodes54 Untersuchungen liefern den Nachweis, dass bereits 1811
Fröbels Philosophie vollständig ausgebildet war. Fröbel glaubte, dass in der Kristallwelt
das sphärische Gesetz am klarsten und einfachsten zum Ausdruck kommen müsste und 47 C. Osann, 1956, S.1848 E. Hoffmann, 1951, S.157-15849 zitiert nach ebd., S.6150 E. Hoffmann, 1951, S.15851 T. Thesig, 2001, S.9052 zitiert nach H. Heiland, 1972, S.6853 zitiert nach ebd.54 ebd.
10
geht deshalb zum Studium nach Berlin (1812) zu dem damals wohl größten Mineralogen
C.S. Weiß. Dort findet er die Bestätigung für die von ihm aufgestellten gesetzmäßigen
Zusammenhänge des Kosmos.55
Wie viele andere meldete sich auch Fröbel freiwillig zum Kriegsdienst gegen die
napoleonischen Besetzer der deutschen Kleinstaaten. Im April 1813 unterbrach Fröbel
sein studentisches Leben und trat in die Infanterieabteilung des Lützowschen Freikorps
ein.56 Seine Teilnahme war vorrangig durch das persönliche Motiv bestimmt, sein
vorheriges Leben wie eine alte Haut abzustreifen, um endlich seine angestrebte Erzieher-
Identität zu finden. Denn seine ersten Erzieherjahre hatten ihm deutlich gemacht, dass er
später vor Kindern auch als Person bestehen musste.57 Vielleicht entwickelte Fröbel
damals vor den Freunden seine Idee vom „Gliederganzen“, vom freiwilligen Einordnen
des Einzelnen in ein Ganzes, über das er in sein Tagebuch ausführlich Eintragungen
machte.
„Es war mir nicht zu denken möglich, wie ein waffenfähiger junger Mann
Erzieher von Kindern und Knaben werden könne, deren Vaterland er nicht
mit seinem Blut und Leben verteidigt habe (…) und ohne sich dem Spott und
der Verachtung seiner Zöglinge preiszugeben, diese Zöglinge zu irgend etwas
Großem, Aufopferung und Hingabe Forderndem, begeistern könne (…).“58
Im Krieg erlebte er Kameradschaft und Freundschaft und fand hier auch zukünftige
Mitarbeiter. Der letzte Anstoß zum eigenen pädagogischen Versuch war der Tod des geliebten
Bruders Christoph und die Verpflichtung, dessen Kinder zu erziehen. 1816 gab Fröbel seine
Anstellung als Assistent am mineralogischen Institut in Berlin auf und gründete eine
„Allgemeine deutsche Erziehungsanstalt“ in Griesheim.59 Bereits der Name ist Programm. Er
wollte eine über die engen kleinstaatlichen Grenzen hinausreichende deutsche Einheit sowie
die Überwindung der Standes- und Berufstrennung.60 Arme Kinder aufzunehmen, war ihm bei
seiner finanziellen Lage nicht möglich. Aber er achtete darauf, dass die Kinder wie Brüder
zusammen lebten und sich nicht durch Kleidung, Namen oder Vorzüge der Geburt oder des
55 E.B. Wagemann, 1956, S.16356 D. Krone/ A. Obolenski, 2003, S.2957 ebd.58 C. Osann, 1956, S.68-6959 E. Hoffmann, 1951, S.15960 O.F. Bollnow, 1977, S.100
11
Standes unterschieden.61 Seine Anstalt beherbergte zunächst lediglich die drei verwaisten
Kinder des Bruders und die beiden Söhne des Bruders Christian Ludwig. 1917 wurde die
Anstalt nach Keilhau bei Rudolstadt verlegt.62 Die erste Zeit in Keilhau muss für die Kinder
höchst reizvoll gewesen sein, denn während der Sommermonate kam es zu keiner richtigen
Schulstunde, da das Haus weder Fußböden noch Türen hatte. Alle nannten sich „Du“, das
hatte Fröbel von vornherein so eingeführt, auch zwischen Kindern und Lehrern.63 Das Leben
in Keilhau war einfach, spartanisch, bedacht auf deutsches Wesen, bewusst deutsche Sprache
und deutsche Sitte pflegend. Man ernährte sich nur von den Erzeugnissen des deutschen
Bodens, verwarf alle fremdländischen Genüsse wie Tabak, Tee und Kaffee und vermied
Fremdworte.64 Das ist auch der Grund, warum Fröbel, obwohl er den Symbolen eine tragende
Rolle in der Ausbildung von Kindern zumaß, diesen Begriff eher durch „Sinnbild“ oder
„Gegenbild“ ersetzte.65 Die Kriegskameraden, die zu gläubigen Begleitern Fröbels wurden,
waren Heinrich Langethal und Wilhelm Middendorf. Sie wurden nach Abschluss ihres
Theologiestudiums Mitarbeiter in Keilhau. Sie führten in der Hauptsache den Unterricht aus,
während Fröbel anfangs weniger unterrichtete, sondern mit seinen Freunden über die
Methode theoretisierte. Die Naturgemäßheit des Unterrichts wurde im lebendigen Umgang
mit den Zöglingen studiert. Inniges Miterleben in der Natur, Landwirtschaft und Gartenbau,
Beobachtung und Pflege von Pflanzen und Tieren waren Erziehungsmittel.66 Langethal
berichtete später, dass Fröbel von der Wichtigkeit seiner Gedanken so durchdrungen war, dass
er die buchstabengetreue Ausführung erwartete. Im Unterricht hielt Fröbel streng darauf, dass
man den „Gang“ einhielt, nämlich den langsamen und allmählichen Aufbau der einzelnen
Lehrfächer, und die Kinder hörten oft durch die Tür heftig gesprochene Worte wie
„Selbsttätigkeit“, „Anschauung“, „Ausgehen von Bekannten“ und flüsterten dann
untereinander: „Sie lernen den Gang!“. Fröbel ging vom Einfachen zum Zusammengesetzten
und immer von dem aus, was die Kinder bereits kannten. Sie sollten lernen, selbständig zu
denken.67
Während der Keilhauer Zeit war Fröbel rege publizistisch tätig. U.a. veröffentlichte er von
1820-1824 die sog. „Keilhauer Schriften“, in welchen er über die Grundsätze, Zweck und
Allgemeines seiner Bildungs- und Erziehungsanstalt berichtete. 1826 veröffentlichte er sein
61 E. Hoffmann, 1951, S.16462 E. Hoffmann, 1951, S.15963 C. Osann, 1956, S.8464 E. Hoffmann, 1951, S.15965 H. Heiland, 1967, S.1166 E. Hoffmann, 1951, S.16067 C. Osann, 1956, S.90
12
im Eigenverlag erschienenes Hauptwerk, mit dem Titel: „Die Menschenerziehung, die
Erziehungs-, Unterrichts- und Lehrkunst, angestrebt in der allgemeinen deutschen
Erziehungsanstalt zu Keilhau, dargestellt von dem Stifter, Begründer und Vorsteher
derselben, Friedrich Wilhelm August Fröbel. Erster Band. Bis zum begonnenen Knabenalter.“
Der zweite, fortführende Band ist nicht erschienen. Was u.a. daran gelegen haben mag, dass
die Resonanz gering war. Fröbels Stil war überladen und umständlich, durch zu viel
Nachdruck und endlose Wiederholungen stumpfte er den Leser ab.68 In der
„Menschenerziehung“ begründet Fröbel philosophisch seine Unterrichts- und
Erziehungsarbeit und in Ansätzen seine Kleinkindpädagogik. Am Anfang werden die
Grundlagen der ganzen Fröbelschen Welt- und Lebensauffassungen angesprochen, die letzten
metaphysischen Hintergründe, von der göttlichen Einheit allen Lebens. Das Werk gliedert
sich in folgende Abschnitte:
1. philosophische Begründung des Ganzen, der Erziehung: „Die Bestimmung und der
Beruf aller Dinge ist: ihr Wesen, so ihr Göttliches und so das Göttliche an sich
entwickelnd darzustellen, Gott am Äußerlichen und durch Vergängliches kund zu tun,
zu offenbaren.“69
2. der Mensch in der Periode seiner frühesten Kindheit und in der Familie: „Die
erste Äußerung des Kindes ist die der Kraft. Eindringen der Kraft, des Kräftigen ruft
Gegenkraft hervor: daher das erste Schreien des Kindes (…)“70 Hier zeigt sich auch
schon die Bedeutung des Kleinkindes in der Schrift Fröbels: „Zwar läßt sich unter den
verschiedenen Bildungs- und Entwicklungsstufen des Menschen, außer der
notwendigen Ordnung ihrer Erscheinung, nach welcher das Frühere und Früheste
immer das Wichtigere und Wichtigste ist, (…).“71
3. der Mensch als Knabe: „Mit welch einem Reichtum, mit welch einer Fülle und
Frische des innern und äußeren Lebens finden wir nun das richtig geleitete, echt
gepflegte, wahrhaft behütete Kind in der letzten Zeit seiner Kinderjahre, beim Austritt
aus dem Kindes- und Eintritt in das Knabenalter?“72“So wie die vorige Stufe der
Menschenentwicklung, die Stufe der Kindheit, vorwaltend die des Lebens, des Lebens
an sich, nur um zu leben, die Stufe war, Innerliches äußerlich zu machen, so ist die
jetzige, die Knabenstufe, vorwaltend die Stufe des Äußerliches innerlich zu machen,
die Stufe des Lernens.“73
68 ebd., S.10069 E. Hoffmann, 1961, S. 7ff70 ebd., S.20ff71 ebd., S.35ff72 ebd., S.51ff73 ebd., S.58ff
13
4. der Mensch als Schüler (Sprache, Religiosität, Dichtung und Musik, Kunst, Zahlen-
und Formenkunde): „So das freitätige innere und äußere Leben des Menschen, des
Knaben, in und auf seiner Schülerstufe, als Schüler.“74
Im September 1818 heirate Fröbel die zwei Jahre ältere Henriette Wilhelmine Hoffmeister,
geschiedene Klöpper.75 Bereits der Pastor gab zu bedenken, dass die Ehe wohl kinderlos
bleiben würde, eine Folge der Leiden in der ersten Ehe.76 Die Schülerzahl in Keilhau wuchs
an und machte es notwendig, mehr Lehrer einzustellen. Fröbel achtete darauf, dass seine
Grundgedanken befolgt wurden und duldete keine Spaltung. Dabei schien er mitunter
herrschsüchtig und einseitig.77 Die Einrichtung geriet unter politischen und gesellschaftlichen
Generalverdacht, es wurde ihr Demagogentum vorgeworfen. Deshalb meldeten viele Eltern
ihre Kinder ab. Fröbel ließ sich durch die wirtschaftlichen Nöte nicht aufhalten. In
idealistischem Trotz fing er trotzdem mit großen Plänen an: er wollte einen Neubau, eine
umfassende Bildung für alle, für das ganze Volk, eine deutsche Einheitsschule. Keilhau sollte
in diesem Plan die Aufgabe zukommen, zur Hochschulreife vorbereiten. Der Zugang sollte
durch eine Volkserziehungsanstalt gehen, in der durch elementare Übungen im freitätigen
Schaffen, Bilden und Denken der Grund für die höhere Bildung gelegt wird. Um dann nach
dieser Grundausbildung auch diejenigen zu einer höheren Ausbildung zu bringen, die sich für
ein Universitätsstudium nicht eigneten, wollte Fröbel neben Keilhau eine Schule für deutsche
Kunst und deutsches Gewerbe einrichten. Der Herzog von Meiningen interessierte sich für
seine Pläne.78 Aber der sog. „Helbaer Plan“ zerschlug sich schließlich an der Unbeweglichkeit
des Beamtenapparates. Die Finanzlage Keilhaus besserte sich 1828 als der junge Barop die
Anstalt übernahm. 1831 fand Fröbel eine neue Möglichkeit seine Erziehungsidee zu
verbreiten: In der Schweiz war das Interesse an seinen Erziehungskonzeptionen groß, so dass
er im August 1831 auf Schloss Wartensee am Luzerner See eine Erziehungsanstalt eröffnen
konnte.79 Die Erziehungsanstalt wurde 1833 nach Willisau verlegt.80 Seit 1835 wurden
Fröbels Aufgaben erweitert. Er durfte Schullehrer-Wiederholungskurse geben. Diese Kurse
befriedigten Fröbel und bestätigten sein Konzept, das Selbsttätigkeit höher als akademische
Bildung zu werten sein.81
74 ebd., S.76ff75 T. Hutterer/ M. Thiede, 2007, S.676 E. Hoffmann, 1951, S. 16077 ebd., S.16178 E. Hoffmann, 1951, S.16379 T. Hutterer/ M. Thiede, 2007, S.680 E. Hoffmann, 1951, S.167f81 ebd., S.168
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4. Das Kinderparadies und die Spielgaben
Fröbels Erziehungslehre konzentrierte sich auf die Aspekte der Selbstentfaltung, Entwicklung
der eigenen Art und innerste Wesenfreiheit.82 Seine geduldige Beobachtung von Kindern
führte ihn zu der Einsicht, dass es einen natürlichen, kindlichen Darstellungs-, Tätigkeits- und
Gestaltungsdrang des Nachahmens- und Spieltriebes gibt und dass das Greifen dem Begreifen
vorausgeht.83 Die Selbstentfaltung wird nur durch Selbsttätigkeit erreicht.84 Das ursprüngliche
Wesen des Kindes zeigt sich in seinem Bedürfnis, schöpferisch tätig zu sein. Im spielerischen
Umgang mit den Dingen, durch die einfachen Formen der Spielgaben und durch das
Beschäftigungsmaterial können sich die Gestaltungskräfte entfalten.85 Die Ausbildung der
inneren Wesenheit und der Freiheitsbegriff bedeuten bei Fröbel nicht Unbändigkeit, sondern
die freiwillige Anpassung an feste Formen und Gesetze. Das Kind sollte unmerklich geführt
werden.86
„Deshalb sollte die Erziehung, Unterricht und Lehre ursprünglich und in
ihren ersten Grundzügen notwendig leidend, nachgehend (nur behütend,
schützend), nicht vorschreibend, bestimmend, eingreifend sein.“87
Die Entfaltung des Gemütslebens sollte durch Vorlesen, Bildbetrachtung, Singen, Lernen von
Versen, Fingerspiele und Falt- und Flechtarbeiten bestimmt sein.88 Halfter betont in einem
Aufsatz von 1928, dass Fröbels Erziehungsphilosophie wenig Neues enthalte. Das Prinzip der
Selbsttätigkeit käme von Pestalozzi, die genetische Methode von Fichte, der
strukturpsychologische Gesichtspunkt von Arndt und der Gemeinschaftsgedanke von
Schleiermacher.89 Fröbel sah allerdings im kindlichen Spiel die höchste Stufe der kindlichen
Entwicklung und war seiner damaligen Zeit damit voraus, die die Kindheit nur als Vorstufe
zum Erwachsenenleben betrachtete und auf deren Überwindung hin arbeitete.90
„Spielen, Spiel ist die höchste Stufe der Kindesentwicklung, der
Menschenentwicklung dieser Zeit; denn es ist freitätige Darstellung des
82 T. Thesing, 2001, S.9183 C. Osann, 1956, S.11484 T. Thesing, 2001, S.9185 W. Klein-Jäger, 1978, S.1486 T. Thesing, 2001, S.9187 E. Hoffmann, 1961, S.1088 vgl. W. Klein-Jäger, 197889 H. Heiland, 1972, S.6690 T.Thesing, 2001, S.91
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Inneren aus Notwendigkeit und Bedürfnis des Inneren selbst, was auch das
Wort Spiel selbst sagt. Spiel ist das reinste geistige Erzeugnis des Menschen
auf dieser Stufe, und ist zugleich das Vorbild und Nachbild des gesamten
Menschenlebens, (…)“91
Zwischen 1835/36 konzentrierte sich Fröbel vermehrt auf die Erziehung des
Kleinkindes sowie die Erneuerung der Familie. Die „bewusste Erziehung“ vollzieht
sich im Kindergarten92 - auch wenn dieser bewusst gewählte Begriff bei Fröbel erst um
1840 auftaucht.93 Der Name ist jedoch Programm: Der Kindergarten soll ein
Gartenparadies in Anlehnung an den biblischen Garten Eden sein.94
„Denn wie in einem Garten unter Gottes Schutz und unter Sorgfalt
erfahrener einsichtiger Gärtner im Einklang mit der Natur die Gewächse
gepflegt werden, so sollen hier die edelsten Gewächse, Menschen, Kinder
als Keime und Glieder der Menschheit, in Übereinstimmung mit sich, mit
Gott und Natur erzogen und zu einer solchen Erziehung soll der Weg
allgemein gezeigt und angebahnt werden.“95
Die Kinder sollte nicht „bewahrt“ oder „belehrt“ werden, sondern wie Blumen im Sonnenlicht
wachsen, verwurzelt im mütterlichen Erdreich, gepflegt und betreut vom sorgenden Sinn des
Gärtners.96 In Fröbels Kindergarten ist die Erziehung an bestimmte Materialien, sog. Gaben,
gebunden. Die Spielmaterialien bzw. Gaben (heute Fröbel-Material genannt) sind für den
autodidaktischen Gebrauch, d.h. das Kind entwickelt, bildet und belehrt sich selbst. Im
Spielen und Bauen zeigt sich nach Fröbel der Gestaltungstrieb des Kindes. Zu diesem Zweck
entwickelte und produzierte er die „Gaben“: Ball, Kugel, Walze, Würfel, mehrfach geteilte
Würfel, Legetäfelchen, Stäbchen, Papiere zum Falten, Flechten und Ausschneiden.97 Die
Ideen zu seinen Spielmaterialien sind eng verknüpft mit seiner Theorie des „sphärischen
Gesetzes“. Die regelmäßige Wiederkehr bestimmter geometrischer Formen, beginnend bei der
Gestalt des Würfels, bis zur Annäherung an die Kugelform entsprechen seiner Idee der
kosmischen Urform.98 Er wollte ihnen auf spielende Weise die Urformen der Natur 91 E. Hoffmann, 1961, S.3692 T. Thesing, 2001, S.9293 T. Hutterer/ M. Thiede, 2007, S.894 T. Thesing, 2001, S.9295 M. Berger, 1990, S.10496 C. Osann, 1956, S.12297 T. Thesing, 2001, S.9298 C. Osann, 1956, S. 73
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beibringen. Er ging dabei von Gegensätzlichem aus: der weiche, unhörbare Ball neben harten,
klingenden Holzkugeln; die runde Kugel neben dem scharfkantigen Würfel. Alle Gaben
waren mit Verschen und Liedern versehen und sollten den Bedürfnissen und der
Aufnahmefähigkeit des frühen Kindesalters entgegenkommen.99 Andere Autoren weisen
daraufhin, dass seine schlechten Reime eher abschreckend gewirkt haben sollen. Außerdem
sollen seine pedantisch durchgeführten Spielanweisungen ermüdend formuliert worden sein
und den Charakter von Übungen haben.100 Durch Zergliedern und Vereinen dieser Materialien
entstehen sog. Lebens-, Erkenntnis- und Schönheitsformen, also Formen aus dem alltäglichen
Leben (z.B. Häuser), mathematische Formen (z.B. zwei Halbe) und ästhetische Formen (z.B.
Blumen).101 Fröbel hat mit der Schaffung des Kindergartens gleichzeitig die Ausbildung von
„Kindergärtnerinnen“ betrieben, da die Kleinkinderziehung seiner Meinung nach Aufgabe der
Frauen war.102 Dabei war sein Leitgedanken nach wie vor die „allseitige Lebenseinigung“.
Fröbels Appell richtete sich in erster Linie an die Mütter. Er strebte danach, die weiblichen
und mütterlichen Begabungen auch für die Allgemeinheit wirksam zu machen, ohne dass man
ihn damit bereits als Frauenrechtler bezeichnen könnte.103 In der 1835 gegründeten
Elementarschule in Burgdorf, die seit 1837 von Langethal geleitet wurde und in Keilhau
wurden seine „Gaben“ erstmalig erprobt. Langethal fand mit seinen Kindern eine neue
Spielweise, das sog. Bewegungsspiel, das den Fröbelschen Spielen seinen besonderen
Charakter gab.104 1840 trennte sich Langethal von Fröbel, was dieser ihm nie verzeihen
konnte. Mit dieser Trennung erlosch auch seine Schweizer Gründung. Im Todesjahre von
Fröbels Frau (1839) hatte man beschlossen, Willisau aufzugeben.105 Weihnachten desselben
Jahres unternahm Fröbel den Versuch einer Erweiterung seines Ansatzes. In einem
persönlichen Brief an drei Bürgerfrauen von Blankenburg forderte er die Gründung eines
Frauenvereins für Pflege der frühen Kindheit. Dies war der Keim des allgemeinen deutschen
Frauenvereins „Kindergarten“.106 Langsam entstanden in der Umgebung mehrere
Kindergärten, deren Leiter sich bei Fröbel informierten.107 1844 veröffentlichte Fröbel sein
letztes großes, allerdings kaum wirksam gewordenes Werk: „Mutter- und Kose-Lieder, wie
auch Lieder zu Körper-, Glieder- und Sinnenspielen. Zur frühen und einigenden Pflege des
99 C. Osann, 1956, S.118100 E. Hoffmann, 1951, S.173101 T. Hutterer/ M. Thiede, 2007, S.9102 T. Thesing, 2001, S.92103 vgl. C. Osann, S.131104 E. Hoffmann, 1951, S.170f105 ebd., S.171106 ebd., S.174107 ebd.
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Kindheitslebens. Ein Familienbuch“.108 In Anlehnung an Pestalozzis „Buch der Mütter“ geht
Fröbel von der Notwendigkeit der Mütterbildung aus. Insofern stellen die „Mutter- und
Koselieder“ eine Art „Gabe“ für Mutter und Kind dar.109 Im Mai 1849 eröffnete Fröbel in Bad
Liebenstein die „Anstalt für allseitige Lebenseinigung durch entwickelnd-erziehende
Menschenbildung“, eine Ausbildungsstätte für Kindergärtnerinnen mit Internat und
Kindergarten. Im folgenden Jahr zog die Anstalt ins Jagdschloss Marienthal.110 Aufgrund
einer Verwechselung Friedrich Fröbels mit einem Verwandten, Karl Fröbel, der 1851 eine
Schrift mit dem Titel „Weibliche Hochschulen und Kindergärten“ veröffentlicht hatte und
dem nachgesagt wurde, er hätte eine sozialistische Gesinnung, wurde 1851 das preußische
Kindergartenverbot verhängt.111 Es wurde deutlich, dass die herrschende Partei darauf aus
war, jede Herausbildung der Jugend zu selbständige denkenden und handelnden Menschen zu
verhindern.112 Die Aufhebung des Kindergartenverbotes im Jahre 1860 erlebte Friedrich
Wilhelm August Fröbel nicht mehr. Er verstarb am 24. Juni 1852. Sein letzter Wille war, dem
deutschen Volke den Kindergarten als Stiftung zu überlassen.113 Fröbels Kindergarten als Idee
und Institution wurde insbesondere von Frauen aufgegriffen, weiterentwickelt und bewahrt.
Es bedarf sicherlich noch eingehender Untersuchungen um die Bedeutung der „Frauen in
Fröbels Dienst“ aus dem vergessenen pädagogischen Erbe der Geschichtsschreibung heraus
gerecht zu würdigen.114
5. Schlussbemerkungen: Glorifizierung und Aktualität eines Pädagogen
„Große Pädagogen“ zeichnen sich zunächst einmal dadurch aus, dass man nach 150 Jahren
immer noch über sie schreibt und sich mit ihren Schriften beschäftigt. Sie scheinen demnach
immer noch eine Bedeutung für die heutige Zeit zu haben. Bei Fröbel lässt sich das bereits an
der Namensgebung vieler Kindergärten ablesen115. Allerdings gibt es auch Skeptiker, die die
108 M. Berger, 2007, S.5109 ebd.110 ebd., S.6111 E. Hoffmann, 1951, S.179f112 C. Osann, 1956, S.136113 E. Hoffmann, 1951, S.181114 M. Berger, 2007, S.7115 vgl. H.-P. Schäfer, 2007
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Entwicklung von „Großen Pädagogen“ vor allem in den historischen Kontexten festmachen
wollen:
„Der Siegeszug pädagogischer Theorien und deren praktischer Umsetzungen
kann nur dann verständlich werden, wenn man in den persönlichen
Lösungsversuchen der „Großen Pädagogen“ gleichfalls die kollektiven
historischen Bedürfnisse nach Auflösungen der individuell erlebten
Sinnfragen und Spannungszustände herauslesen kann.“116
Fröbels pädagogisches Werk ist in einer Zeit verankert, die geistesgeschichtlich durch die
„Deutsche Romantik“ gekennzeichnet ist und ökonomisch am Beginn des industriellen
Zeitalters liegt.117 Es handelt sich also sowohl philosophisch als auch industriell um eine
Aufbruchssituation. Würde man einmal hypothetisch Fröbels Bildungsgang in die heutige
Zeit verlegen, so würden ihm aufgrund seiner mittelmäßigen Schulleistungen, seiner
abgebrochenen akademischen Laufbahn und aufgrund seiner vorwiegend autodidaktischen
Neigungen, die Türen zur institutionellen „Menschenerziehung“ wohl weitgehend
verschlossen bleiben. Man muss nicht so weit gehen Friedrich Fröbel als eine
„Dutzendgestalt“ von pädagogischen Institutsgründern118 zu sehen, aber es ist zumindest
berechtigt, den Kult um ihn als ein pädagogisches Genie auch als ein Bedürfnis „der Massen“
zu verstehen.119
Trotzdem ist Fröbels didaktisches Werk weiterhin zu würdigen. Es gelang ihm „Kindliches“
im seriell hergestellten Spielzeug dinghaft zu machen: im Baustein. Er schaffte es somit den
abstrakten Gegenstand konkret werden zu lassen.120 Es ist ihm auch anzurechnen, die
Bedeutung des Spiels in den Mittelpunkt gerückt zu haben, was angesichts der heutigen
Zweck- und Leistungsorientierung wieder aktuelle Bedeutung gewonnen hat.121 Einige
Autoren betonen die Bedeutung Fröbels für die heutige Motopädagogik, seine Betonung der
sensumotorischen Entwicklung und der Förderung zur Selbsttätigkeit.122 Wie oben bereits
erwähnt sind insbesondere die Ideen zur Selbsttätigkeit nicht neu123, allerdings sind sie in
116 D. Krone/ A. Obolenski, 2003, S.7117 ebd., S.8118 J. Oelkers, 2000, S.27119 D. Krone/ A. Obolenski, 2003, S.42120 ebd., S.10121 T. Thesing, 2001, S.95122 ebd.123 H. Heiland, 1972, S.66
19
aktuellen, insbesondere konstruktivistisch geprägten Schriften wieder sehr modern und
hochaktuell.124
124 vgl. K. Reich, 2006
20
Literatur
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Zwischen Selbstzeugung und Produktion – Zur Entstehung des Grossen Pädagogen F. Fröbel. Oldenburg, 2003.
Lange, W.: Friedrich Fröbel’s gesammelte pädagogischen Schriften. Erste Abteilung: Friedrich Fröbel in seiner Entwicklung als Mensch und Pädagoge. Erster Band. Berlin, 1862.
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Beobachtungen zur Rezeptionsgeschichte im Anschluss an Friedrich Fröbel. In: Neue Pädagogische Blätter. 2/1998, S.8-17.
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