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Post on 17-Jun-2020
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Prof. Dr. Axel Haunschild
Digitalisierung von Arbeit Herausforderungen an die Mitbestimmung
Tagung
„(Digitale) Arbeit der Zukunft.
Schöne neue digitale Arbeitswelt
oder digitaler Despotismus?“
Kooperationsstelle
Hochschulen & Gewerkschaften
Hannover-Hildesheim
Hannover, 26.2.2018
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Wandel der Arbeit
Auswirkungen
Digitalisierung von Arbeit
Gestaltungsherausforderungen und -ansätze
2 Axel Haunschild – Tagung „(Digitale) Arbeit der Zukunft“– Hannover 2018
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Wandel der Arbeit
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(Sehr kurze) Geschichte der Arbeit
Vorindustrielle Formen der Arbeit
Frühindustrielle Formen der Arbeit (ab ca. 1760)
Marktbasierte Formen der Arbeit (bis ca. 1900)
Industrielle und bürokratische Formen der Arbeit
Tertiarisierung, Informationstechnologie,
Deregulierung, Globalisierung, Flexibilisierung
- Projektbasierte Organisationsformen
- Flexible Beschäftigungsverhältnisse
- Organisationsinterne Marktmechanismen
Digitalisierung / „Arbeit 4.0“ (?)
4 Axel Haunschild – Tagung „(Digitale) Arbeit der Zukunft“– Hannover 2018
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Sozialwissenschaftliche Diagnosen
Projekt und Vernetzung als „neuer Geist des Kapitalismus“ (Boltanski/Chiapello)
Entgrenzung, Subjektivierung (Kocyba/Voswinkel, Moldaschl, Voß, Warhurst et al.)
Arbeitskraftunternehmer, unternehmerisches Selbst (Voß/Pongratz, Bröckling)
Authentizitäts- und Kreativitätsimperativ (Fleming, Deutschmann, Florida, v.Osten, Loacker)
Erfolgsgesellschaft (Retzer)
Beschleunigung (Technik, sozialer Wandel, Lebenstempo) (Rosa)
Dyschronie, Vergleichzeitigung (Han, Morgenroth)
(Digitale) Bohème (Brooks, Friebe/Lobo, Eikhof/Haunschild, Gill, Manske)
Neotaylorisierung, McDonaldisierung, Digital Taylorism (Ritzer, Brown)
Prekarisierung (Bourdieu, Brinkmann/Castel/Dörre, Weinkopf, Loacker, Manske)
5 Axel Haunschild – Tagung „(Digitale) Arbeit der Zukunft“– Hannover 2018
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Auswirkungen
Arbeitsintensivierung
und Erschöpfung
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DGB-Index Gute Arbeit für 2011
Quelle:
IG Metall, 2012
7 Axel Haunschild – Tagung „(Digitale) Arbeit der Zukunft“– Hannover 2018
Seite | 8 Axel Haunschild – Tagung „(Digitale) Arbeit der Zukunft“– Hannover 2018
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(Neue) Herausforderungen Wandel in der Arbeitswelt bedeutet:
+ Freiheitsgrade, Kreativität, Flexibilität, Selbststeuerung, Teamarbeit,
herausfordernde Arbeit, Kompetenzentwicklung im Prozess der Arbeit,
Vernetzung, Selbstverwirklichung, Spaß
Arbeitsintensivierung, Verfügbarkeitskultur (Entgrenzung), Flexibilisierung,
Beschleunigung, Marktdruck, Kontrolle durch Kennzahlen, Selbst-
Ausbeutung, befristete Beziehungen, Prekarisierung, Entsolidarisierung
Neue Belastungs- und Beanspruchungsformen
Permanentes Ungenügen (Menz/Kratzer/Dunkel)
Erschöpftes Selbst (Ehrenberg)
Müdigkeitsgesellschaft (Han)
Gratifikationskrise (Siegrist)
Der „gedopte Mensch“ (Morgenroth)
Aber: zu differenzieren nach Beschäftigtengruppen
und Arbeitsmarktsegmenten
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Arbeitsmarkt-Segmente mit jeweils spezifischen Strukturen kollektiver Interessenvertretung und Problemen
1. Arbeiterbelegschaften in den industriellen Kernbereichen und
Angestelltenbelegschaften in großen Dienstleistungsunternehmen
2. Industrielle Klein- und Mittelbetriebe insb. Eigentümer-/Familienbetriebe
3. Hochqualifizierte Angestellte Fach- und Führungskräfte in den Großbetrieben des 1. Segments
4. Hochqualifizierte Beschäftigte „Wissensarbeiter“ in kleinen Betrieben moderner Wirtschaftssektoren ( IT-
Industrie, Neue Medien) (Merkmale von Segment 2 und 3)
5. Prekäre Dienstleistungsarbeit Geringqualifizierte in Niedriglohnsektoren
Quelle: W. Nienhüser, Arbeitnehmermacht – wodurch sie verloren geht und wie man sie wiedergewinnt,
Vortrag Hannover, 1.10. 2013
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Digitale Arbeit
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Gesucht: „Smart Work(er)“ ?
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Quelle: Kagermann, H., Wahlster, W., & Helbig, J. (2012). Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0–Abschlussbericht des Arbeitskreises Industrie 4.0. Forschungsunion im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Berlin.
Axel Haunschild – Tagung „(Digitale) Arbeit der Zukunft“– Hannover 2018
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Beispiele – schon heute
Selbstfahrende,
miteinander vernetzte
Fahrzeuge
Verknüpfung individueller
Online-Daten (Big Data)
Telemedizin
Virtuelle Teams
3D-Druck
Automatisierte Lager: Bestellung-
Einlagerung-Konfektionierung
Apps/Software zur
Selbstoptimierung
Gamification
Elektronische
Finanzmärkte / Banken
Kollaboratives Arbeiten
mit Robotern
Augmented Reality
RFID Transponder
Plattformkapitalismus /
Sharing Economy (Amazon „Mechanical
Turk“, airbnb, Uber, Task
Rabbit…)
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Beispiel für Human Enhancement: Exoskelett
Bildzitat, Quelle:
http://www.technikneuheiten.com/kawasaki-
kraft-anzug-exoskelett-roboteranzug-bringt-
mehr-power-beim-tragen-und-heben/,
Download: 4.2.20177
Bildzitat, Quelle: http://robohub.org/wp-
content/uploads/2015/05/Audi_Noonee_Chair
less_Chair_exoskeleton.jpg
Download: 4.2.2017
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Ausprägungen digitaler Plattformen
Quelle: Weißbuch Arbeiten 4.0 (BMAS 2017), S. 56
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Gesundheit und Selbstoptimierung
Self-Tracking (Life-Logging)
Quantified Self (2007 in San Francisco von den Journalisten Gary Wolf und Kevin Kelly gegründet)
Corporate Wellness Programmes und Health Challenges
Gamification
Neuro Enhancement
Psychopolitik und Biomoralität
„Sei gesund und glücklich und
übernimm die Verantwortung dafür!“
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„Das neue Normal“ Vorderer/Klimmt (2016)
POPC: permanently online –
permanently connected
verdrängt….
Probleme lösen Wissenszugang Wissen
Crowd-Befragung Kreativität
Big Data Intuition
Selbstverständlichkeit Freude
Beziehungen führen Erreichbarkeit Räumliche Nähe
Konversationsfäden Gespräche
Unverbindlichkeit Zuverlässigkeit
Soziale Kontrolle Vertrauen
Aufmerksamkeit Wertschätzung
Dabeisein Nacherzählungen
Bedürfnisse Dauerangebot Langweile
Relativität Sensation
Alleinsein als rares Gut Alleinsein möglich
Flatrate-Denken Gezieltes Auswählen
Unser Selbst Performance Authentizität
Selbsttransparenz Geheimnisse
Zustimmung Meinungsbildung
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Seite | 18 Axel Haunschild – Tagung „(Digitale) Arbeit der Zukunft“– Hannover 2018
Bildzitat, Quelle: netzstrategen GmbH, Karlsruhe, http://www.netzstrategen.com/sagen/sinus-
milieus-treffen-die-netzstrategen/, 28.1.2014, download am 25.2.2018
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„Das neue Normal “ Vorderer/Klimmt (2016)
POPC: permanently online –
permanently connected
verdrängt….
Probleme lösen Wissenszugang Wissen
Crowd-Befragung Kreativität
Big Data Intuition
Selbstverständlichkeit Freude
Beziehungen führen Erreichbarkeit Räumliche Nähe
Konversationsfäden Gespräche
Unverbindlichkeit Zuverlässigkeit
Soziale Kontrolle Vertrauen
Aufmerksamkeit Wertschätzung
Dabeisein Nacherzählungen
Bedürfnisse Dauerangebot Langweile
Relativität Sensation
Alleinsein als rares Gut Alleinsein möglich
Flatrate-Denken Gezieltes Auswählen
Unser Selbst Performance Authentizität
Selbsttransparenz Geheimnisse
Zustimmung Meinungsbildung
19 Axel Haunschild – Tagung „(Digitale) Arbeit der Zukunft“– Hannover 2018
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(Digitale) Arbeit der Zukunft
Gestaltungsherausforderungen und -ansätze
Interessenvertretungen – Politik
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Ausgangslage digitale Arbeit: Fünf Thesen
1. Technische Entwicklungsschübe sind nicht aufzuhalten; ihre soziale
Gestaltung bedarf der Offenheit für technische Entwicklungen.
2. Die Arbeitswelt befindet sich in einer Phase digitaler Evolution,
nicht in einer der digitalen Revolution.
3. Eine rein arbeitgeberorientierte Flexibilisierung und eine
Deregulierung arbeitsrechtlicher Schutzbestimmungen sind keine
zwangsläufige Konsequenz von Arbeit 4.0.
4. Die Digitalisierung bringt i.d.R. Entlastung von physischen
Belastungen, führt aber auch zu neuen Belastungsformen.
5. Neue Belastungsformen sind nur im Kontext vorangegangener
Entwicklungen der Arbeitswelt zu verstehen und zu adressieren.
21 Axel Haunschild – Tagung „(Digitale) Arbeit der Zukunft“– Hannover 2018
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Gestaltung digitaler Arbeit
Digitale Arbeit birgt Chancen und Risiken sowie Widersprüche und
muss bezogen auf Beschäftigtengruppen und Branchen analysiert
und gestaltet werden.
Dies stellt eine Herausforderung für betriebliche und
überbetriebliche Interessenvertretungen und auch die Politik dar.
Zumal ca. 40% der Beschäftigten in Betrieben ohne
Betriebsrat und Tarifdeckung arbeiten !
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Gestaltungsdilemmata Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsverträgen
Zeitautonomie vs. Anpassungs- und Selbststeuerungsdruck
Individuelle Flexibilität vs. Beschäftigungssicherheit
Entgrenzung
interessierte Selbstgefährdung vs. Vereinbarkeit / Work-Life-Balance
Technische Unterstützung vs. Ständige Erreichbarkeit / „Cyborgs“
Subjektivierung
Ganzheitliche Arbeitsanforderungen vs. Vereinnahmung durch den Arbeitgeber
Individualisierung, Selbstkontrolle und indirekte Steuerung
Eigenverantwortung vs. Individualisierung von sozialen Risiken
Gleichzeitigkeit von Selbst- und Fremdsteuerung
Kompetenzentwicklung und Beschäftigungsfähigkeit
Selbstentfaltung und Unabhängigkeit vom Arbeitgeber vs. Lernen als Zwang bei
widersprüchlichen Qualifizierungsanforderungen
Big Data
Vernetzung und Wissenszugang vs. Leistungs- und Verhaltenskontrolle (Datenschutz)
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Gestaltungsansätze
Aushandeln und proaktives Gestalten von Rahmenbedingungen
Offenheit für technische Entwicklungen; technische Inhalte in der Aus- und
Weiterbildung, Stützung der dualen Ausbildung
Lernen im Prozess der Arbeit / Lernförderliche Arbeit / Lernräume
Work-Learn-Life Balance und Möglichkeitsräume für Grenzziehungen
Chancen technologischer Entwicklungen z.B. für leistungsgewandelte
MitarbeiterInnen identifizieren
Arbeitszeitmodelle im Kontext von Arbeitsintensivierung und
Selbstgefährdung bewerten
Über ein strategisches BGM und das Thema psychische Belastungen lassen
sich viele Risiken digitalisierter Arbeit adressieren. Rechtliche Anforderungen
z.B. an die Gefährdungsbeurteilung werden aber bisher nur in Ansätzen
erfüllt.
( Gesellschaftspolitischer Kampf und politische Realutopien gegen die
aktuelle Leistungspolitik und Wettbewerbslogik )
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