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Susanne Rolker
Diätassistentin / Diabetesberaterin DDG
Diätassistentin für die parenterale Ernährungstherapie VDD
Ernährung am Lebensende: „Wo ist die Grenze zwischen Sinn und Unsinn“
Ernährung am Lebensende ist aktive Lebenshilfe
Lebensphasen in der PalliativmedizinPhase Aktivität Prognose
1.Rehabilationsphase Weitgehend normales gesellschaftliches Leben trotz fortgeschrittener Krankheit
Viele Monate bis Jahre „ die letzten Monate/Jahre“
2.Präterminalphase Eingeschränkte Möglichkeiten des aktiven Lebens
Mehrere Wochen bis Monate„ die letzten Wochen“
3.Terminalphase Bettlägerigkeit Die letzten Tage bis eine Wochen „die letzten Tage“
4.Finalphase•Sterben•Tod
Zustand „in extremis“, Mensch liegt im Sterben, Bewusstsein nicht auf die Außenwelt gerichtet
Einige Stunden bis ein Tag „die letzten Stunden“
5.Trauerphase der Angehörigen
Quelle: Jonen-Tielmann I: Sterbephase in der Palliativmedizin. In Aulbert et al. 2012; S. 989-997
Sinnliches erleben, Freude, Vergnügen-Genuss, Gemeinschaft erleben, sich gesund fühlen aber auch Therapie und Prävention.
In der letzten Lebensphase:
• Geschmack, Gewohnheiten, Stellenwert und Lust am Essen verändern sich
• Körperliche Veränderung
• Unsicherheit essen – nicht essen – was essen
• Belastung Angehöriger durch „Ernährungsprobleme
Bedeutung „Essen und Trinken“ Gehören zu den zentralen Themen des Lebens ist ein Grundbedürfnis eines jeden Menschen
Leitlinien der DGP Sektion Pflege; Ernährung und Flüssigkeit , Juni 2014
„Lebensqualität“
„Bringt in der Medizin zum Ausdruck, wie ein Mensch (Patient) sein
Befinden in körperlicher, seelischer und sozialer Hinsicht selber
einschätzt.“
Von welchen Menschen sprechen wir?!
• Jung – Alt
• mit individueller Lebensqualität
• unterschiedlichen Grunderkrankungen
• unterschiedlichen Stadien der Erkrankung
• Terminal – Finalphase
• mit noch unterschiedlichen Wünschen und Zielen!
Was ist für einen Menschen am Lebensende wichtig,
wenn er nicht mehr essen / trinken kann oder dies
verweigert?
• Stillen von Hunger und Durst !
• Positives Geschmackserlebnis !
• Befeuchtung der Mundschleimhäute !
• Versorgung mit Nährstoffen und Flüssigkeit?
Aber: In der letzten Lebensphase…
• …besteht eine katabole Stoffwechsellage, an der selbst hyperkalorische
Ernährung nichts mehr ändern kann
• …ist daher Gewichtsverlust nicht zu verhindern
• …können „normale“ Nahrungsmengen nicht mehr verarbeitet werden
• …reichen kleinste Menge aus um Hunger und Durst zu stillen
Marina Kojer 2006McCann r.m., Hall w.j., Groth-Juncker A.,
[Comfort care for terminally ill patients, 1994], The appropriate use of nutrition and hydration, in: J Am Med Ass,Heft 272, S 1263-1266
Essen und Trinken am Lebensende!
Fragen:
• Wo steckt das Problem?
• Ernährung als Symbol Patient Angehörige Behandler
Was ist erreichbar ?
Was ist normal?
Mit welchen Maßnahmen!
Was macht Sinn ?
LeitgedankenLeitlinien der DGP Sektion Pflege: Ernährung und Flüssigkeit in der letzten Lebensphase von
Erwachsenen, Juni 2014
Schwerkranke und sterbende Menschen haben in der Regel deutlich weniger oder gar nicht mehr das Bedürfnis, zu essen und zu trinken. Dies führt oftmals zur Assoziation des qualvollen „Verhungerns und Verdurstens“. Ein Mensch kann jedoch nicht qualvoll verhungern oder verdursten, wenn er Hunger und Durst gar nicht verspürt (Bayerischer Landespflegeausschuss 2008: 37).
Das freiwillige, manchmal sogar bewusste Beenden der Nahrungsaufnahme nahe am Tod gehört zum natürlichen Sterbeprozess und kann Ausdruck der Autonomie und Würde der/des Betroffenen sein (Oberholzer/Strasser 2012: 319).
„Die Patienten sterben nicht,
weil sie nicht essen;
sondern sie essen nicht, weil
sie sterben“ (Cicely Saunders)
Ziele und Maßnahmen in Bezug auf Ernährung und Flüssigkeit
• Respekt vor Wünschen, Bedürfnissen und Ablehnungen der Patientin/ des
Patienten – Er bestimmt was, wann, wieviel, wie oft
• Unterstützen beim Lösen von alten Essgewohnheiten und
Mengenvorstellung hin zu zwanglosem Genuss – Genuss statt muss
• Ermutigen Lieblingsspeisen wenn gewünscht noch einmal zu kauen, zu
schmecken und dann ggf. auszuspucken
• Ängste des Patienten sowie seiner An- und Zugehörigen ernst nehmen und
beachten (z. B. vor Verhungern) (Augustyn/Kern 2007: 951)
Leitlinien der DGP Sektion Pflege: Ernährung und Flüssigkeit schwer kranker Menschen bzw. in der letzten Lebensphase von Erwachsenen, Juni 2014
Einsatz von Hilfsmitteln anbieten
Leitlinien der DGP Sektion Pflege; Ernährung und Flüssigkeit , Juni 2014
Nahrungsaufnahme sollte wenn möglich oral erfolgen,Appetitsteigernde Angebote machen „Wunschkost“
Leitlinien der DGP Sektion Pflege; Ernährung und Flüssigkeit , Juni 2014
Auf spontanen Appetit achten – zu jeder Tages- und Nachtzeit
Speisen nach Lust, nicht nach gesundheitlichen Aspekten aussuchen!
Kleine Portionen anbieten
Speisen appetitlich anrichten, „Wohlfühlatmosphäre“ schaffen
Essen in Gesellschaft oder mit Ablenkung durch lesen oder fernsehen
Bitterstoffe oder säurehaltige Getränke / Speisen
• Aromatisch bittere Tees aus Ingwer, Salbei, . ..
• Säuerliche Speisen / Getränke wie Rote Bete, Gewürzgurke, …..
• Bier, Wein, Pepsinwein, - Rücksprache Arzt
Linderung von Beschwerden und BegleitsymptomenUrsachensuche und –beseitigung
(Oberholzer/Strasser 2012: 319)
Wichtig:
Es ist stets festzustellen, ob die Appetitlosigkeit und die verminderte orale
Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme allein mit dem Sterbeprozess im
Zusammenhang stehen oder aufgrund einer anderen reversiblen Ursache
auftreten.
Leitlinien der DGP Sektion Pflege; Ernährung und Flüssigkeit , Juni 2014
Ernährungsprobleme bzw. Ursachen die eine orale Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme vermindern:
• Mund-Schleimhautentzündung
• Geschmacksstörungen
• Veränderter Speichelfluss
• Schluckstörungen, Dysphagie
• Kaustörungen, schlecht sitzender Zahnersatz
• Übelkeit / Erbrechen
• Obstipation
• Diarrhoe
• Gastrointestinale Obstruktion
• Symptome wie Schmerzen, Husten, Atemnot, Depressionen, …
• Verwirrung, Demenz
• Soziale und finanzielle Hindernisse
• Essenspräsentation und Umgebung
• Diätfehler „zu gesund“, mit zu wenig Fett und Proteinen
• Alternative Krebsdiäten
• Psychische Ursachen – Diagnose, Prognose, Stress, Angst, …..
Leitlinien der DGP Sektion Pflege; Ernährung und Flüssigkeit , Juni 2014
Veränderter Speichelfluss
Mögliche Ursachen:
• Chemo- und / oder Strahlentherapie
• Nebenwirkung vieler Medikamente (Antidepressiva, Schmerzmittel)
• Entzündungen oder Tumore der Speicheldrüsen
• Orale Mukositis bzw. Stomatitis
• Orale Infektionen z.B. Herpes-simplex-Viren
• Bestimmte Erkrankungen z.B. AIDS, ALS
• Zu wenig Flüssigkeit im Körper („Exsicose“)
• Alkoholabusus
• Tabakkonsum und Rauchen
• Fortgeschrittenes Alter
• Unzureichende Mundhygiene
• Psychische Ursachen („da blieb mir die Spucke weg“)
Mundtrockenheit:
Viel Trinken ( mindestens 1,5 – 2 Liter pro Tag)
• Mineralwasser, Kräuter-Früchtetee,
– Pures Wasser fühlt sich häufig hart an und bringt keine Erleichterung
– Tipp: Mineralwasser mit etwas frischer Zitrone oder Ingwer aufpeppen.
• Achtung: Salbei / Kamillentee können das trockene Gefühl im Mund noch verstärken
– Ziehzeit von Salbeitee beachten – 3 Minuten trocknet nicht aus
Übung aus dem Qi Gong „Zunge rollen“ ausprobieren
• Die Zunge entlang des Oberkiefers vor den Zähnen von links nach rechts kreisen lassen und die Zunge entlang des Unterkiefers vor den Zähnen von rechts nach links kreisen lassen, das ganze ca. 8 mal
Veränderter Speichelfluss Empfehlungen aus der Praxis
Speichelflussanregend kann wirken:
• Kaugummi kauen/ BigRed
• Brausepulver „schlecken“
• Eiswürfel aus Fruchtsäften, Tonic Water, Joghurt, Tee, …
• Gefrorene Weingummis auslutschen
• Gefrorenes Obst, gefrorene Schlangengurke auskauen
Raumluft beachten!!
• Luftbefeuchter einsetzten ,
• feuchte Tücher in Räumen auslegen bzw. eine kleine Schüssel mit Wasser aufstellen
• Aromalampen mit Zitronenduft aufstellen
• Allgemein: Zitronenöl!!
Veränderter Speichelfluss Empfehlungen aus der Praxis
Übermäßig viel Speichel: • Roter Traubensaft
• Mehrmals täglich Salbeitee trinken
• Thymiantee, Kamillentee
Zäher Speichel: • „Brausepulver“
• Ananassaft
• Papaya Saft
• Apfel- Zitronensafteiswürfel
• „Datteln“ auskauen (Mulltuch)
Veränderter Speichelfluss Empfehlungen aus der Praxis
Übelkeit und oder Erbrechen (Nauesa / Emesis)
Ursachen:
• Medikamente: Opioide, Zytostatika, Steroide, …
• Gastrointestinal: Gerüche, defekte Mundschleimhaut, Soor,
Ösophagusobstruktion, Raumforderungen im Abdomen durch Tumoren
oder Aszites, Obstipation und Ileus,
• Infektionen z. B. Clostridien,
• Elektrolytstörung (Hyperkalzämie, Hyponatriämie)
• Stoffwechselentgleisungen – Diabetes mellitus, Nieren-Leberversagen
• Psychische Faktoren: Schmerzen, Angst, Stress, Depressionen
• Zentrales Nervensystem: erhöhter Hirndruck durch Raumforderung,
Hirnödem, Metastasen Schmid 2010; Honegger/Fichtmann 2011:
Übelkeit und oder Erbrechen
Allgemeine Ernährungsempfehlungen / Empfehlungen:
• Wenn möglich: eine „ individuelle“ orale Ernährung, ohne „Zwang“ essen
• Bevorzugen von kühlen und nur leicht gewürzten Speisen, z.B. Pudding,
Apfelmus, Eis
• Lutschen von Eiswürfeln oder Trinken von kühlen säuerlich/fruchtigen
Getränken
• Essensgerüche vermeiden
• „Sea“ Band
• Ingwertee wirkt antiemetisch Doll 2008
Nai-Kuan bzw.P6 Punkt
„künstliche Ernährung“ am LebensendeEntscheidungsprozess umfasst: medizinische, ethische/ religiöse Vorstellungen, rechtliche Umstände
• künstliche Ernährung verhindert einen intensiven Kontakt zum Angehörigen, Pflegepersonal – wie dies beim Nahrungsreichen mit der Hand der Fall wäre
• Ernährung über die Sonde / Vene verhindert den sinnlichen Genuss des Essens (riechen/ schmecken)
• erhöht weder die Lebensqualität, noch stärkt sie das Wohlbefinden oder die Würde des Betroffenen
• Risiko für Komplikationen und Infektionen erhöht
• Fixierung!
Mögliche Vorteile beim Verzicht auf weniger künstlich zugeführte Flüssigkeit und Ernährung
• Pulmonal weniger Sekretion, Stau und Husten und Luftnot
• Weniger Urinausscheidung und Inkontinenz
• Weniger Magen-Darm-Inhalt und weniger Erbrechen, Übelkeit, abdominale Schmerzen, Völlegefühl, Durchfall
• Weniger Schmerzen durch Zugänge und Schläuche
• Eine vermehrte Endorphine Ausschüttung
Kann bewirken:
• Verringerung von Schmerzen
• Stimmungsaufhellung
Bayrischer Landespflegeausschuss 2008
Flüssigkeitszufuhr am Lebensende?!„Trockener Mund“ - Zentralsymptom Sterbender
• Das Durstgefühl am Lebensende korreliert mit der Trockenheit der
Mundschleimhäute, nicht mit der Menge zugeführter Flüssigkeit
– Künstliche Flüssigkeitszufuhr löscht nicht den Durst (Twycross 93)
• Individuelle Entscheidung notwendig
• Autonomie des Patienten respektieren, daran denken das sich der Wunsch
jederzeit ändern kann
• parenterale Flüssigkeitszufuhr
– Flüssigkeitszufuhr laut Leitlinien der unterschiedliche Fachgesellschaften 500–
1000 ml
Künstliche Flüssigkeitszufuhr:
Nachteile: • Erhöht das Risiko von peripheren Ödemen, Aszites, Pleuraergüssen
• Abhängigkeit von Pflege und Ärzten
• Verlängerung des Todesrasselns
• Eingriff in natürlichen Sterbeprozess
Vorteile: • Man tut etwas, der Patient und die Angehörigen fühlen sich „besser“
• Medikamentenzufuhr möglich
• Evtl. Behebung reversibler Verwirrung durch Exsikkose
Linderung von subjektivem Durstgefühlkonsequente und phantasievolle Mundpflege
• Sprühflaschen, die je nach Vorliebe des Patienten befüllt sind – Wasser, Tee, Cola aber auch durchaus Sekt, Bier …
• „Kleine“ Eiswürfel aus dem Lieblingsgetränk
• Gefrorene kleine Obststücke, in Mullsäckchen zum Auslutschen
• Wassereis
• „Feuchte Tücher“ einsetzen
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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