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Ernährungsmedizinische Leitlinien und Versorgungsroutine -
Passt das zusammen ?
H. Böhles
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Systematik nährstoffbezogener Empfehlungen
Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr werden im deutschsprachigen Raum unterteilt:
• Empfehlungen für Nährstoffe aus experimentellen Daten z.B. Protein, ω-6-Fettsäuren,
Vitamine Mineralstoffe, Spurenelemente.
• Schätzwerte für Nährstoffe mit weniger genauen Bedarfsdaten ω-3-Fettsäuren, einige
Vitamine, einige Spurenelemente.
• Richtwerte für Nährstoffe mit weniger scharf definierten Zufuhrwerten Fett, Ballaststoffe.
• Duldbare Höchstzufuhr eines Nährstoffs ohne gesundheitliche Risiken.
• Lebensmittelbezogene Ernährungsempfehlungen setzen Referenzwerte für die
Nährstoffzufuhr unter Berücksichtigung von Ernährungsgewohnheiten, des sozio-
ökonomischen und kulturellen Umfelds um.
Referenzwerte
• Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr für Kinder und Jugendliche sind überwiegend
Schätzwerte aus Extrapolationen von akzeptierten Referenzwerten bei Erwachsenen bzw. bei
vollgestillten Säuglingen.
• Meist keine ausreichende wissenschaftliche Datenbasis zur Ableitung kindlicher
Referenzwerte.
• Über die angemessenen Methoden zur Extrapolation besteht keine Einigkeit.
• Referenzwerte sind nicht zur Beurteilung der individuellen Nährstoffversorgung geeignet.
• Referenzwerte erlauben Abschätzungen:
- Risiko eines Nährstoffdefizits bei gegebener Zufuhr ( Ernährungsprotokoll)
- Auswertung von Verzehrstudien
- Planung von Ernährungskonzepten
Ernährungsleitlinien
Rehydrierung,
Zöliakie, SprueSäuglingsernährung
Angeborene
Stoffwechsldefekte
Ernährungsleitlinien
Rehydrierung,
Zöliakie, SprueSäuglingsernährung
Angeborene
Stoffwechsldefekte
Erstbeschreibung der Phenylketonurie
Asbjörn Fölling
Erstbeschreibung einer erfolgreichen Therapie der Phenylketonurie
Intelligenzentwicklung bei Phenylketonurie in Abhängigkeit zum Therapiebeginn:______ unbehandelt; - - - - - behandelt.
Glykogen
Grenzdextrin
Amylopektin
UDP-Glukose
Glukose-1-P
Typ 0
Typ IVTyp VI
Typ III
Glukose-6-P
Typ I
Glukose
Glykogenose Typ I
M. v. Gierke (1928)
Hepato- und Nephromegalie bei Glykogenose Typ I v. Gierke
Ernährungsgrundsätze bei Glykogenose Typ I
Glykogen
Glukose-1-P
Glukose-6-P Glukose
Pyruvat
Protein
GlykogenolyseGlykogensynthese
Galaktose
Glykolyse
Glukoneogenese
FruktoseObst
Milch
Nichtbeachten der Leitlinien bei der Ernährung von
Patienten mit angeborenen Stoffwechselerkrankungen
Sofortige Negativauswirkungen
Ernährungsleitlinien
Rehydrierung,
Zöliakie, SprueSäuglingsernährung
Angeborene
Stoffwechsldefekte
A. Czerny
A. Keller
Objektive Probleme gestillter Säuglinge im 1. Lebensjahr und daraus resultierende Empfehlungen
• Vitamin C-Mangel Täglicher Fruchtsaft ab der 6. Lebenswoche
• Vitamin D-Mangel Lebertran; UV-Bestrahlung der Milch; Vitamin D-Tabletten
• Eisenmangel im 2. Halbjahr Beikost (Fleisch im 5.- 6. Monat)
Ernährungsmedizinische „Leitlinien“ werden eingehalten, wenn eine definierte und
klinisch wahrnehmbare Pathologie vermieden werden kann.
Beikost = Alle Lebensmittel im Säuglingsalter außer Milch
Beikost
Beginn:
Ab dem 5., spätestens ab dem 7. Monat
Darf nicht zum Einsatz vor dem 4. Lebensmonat deklariert sein
(Diät-VO 2005)
Vom 5. bis einschließlich 7. Monat wird monatlich eine
Milchmahlzeit durch eine neue Beikostmahlzeit ausgetauscht
Reihenfolge der Beikosteinführung
In jeweils vierwöchigen Abständen:
1. Brei im 5. Monat: Kartoffel-Fleisch Brei
Deckung von 2/3 des PUFA-Bedarfs
2. Brei im 6. Monat: Getreide-Milch Brei
Calcium, Phosphor, Vitamin B2
3. Brei im 7. Monat: Getreide-Obst Brei
Anhebung der Kalorienzufuhr ohne Proteinanhebung
Vitamin B6, Magnesium, Kupfer, Mangan, Ballaststoffe
Beikost
Probleme einer zu frühen Einführung der Beikost:
Immunologische Probleme
Niere: „renale Molenlast“
Beikosteinführung in den USA
Bis ~1920:
• Pürrierte Gemüsesuppe am Ende des 1. Jahres
• Kartoffeln mit ca. 18 Monaten
• Andere Gemüse mit ~ 2 Jahren
Holt: The diseases of Infancy and ChildhoodEdition 1911: Grünes Gemüse mit 3 Jahren
Edition 1929: Grünes Gemüse mit 9 Monaten
Reihenfolge der BeikosteinführungUSA: Alter der Beikosteinführung fiel von ~1930 bis ~1970 ab.
1935: 5-6 MonateMarriott WM (1935)
Infant nutrition
Mosby Company, St. Louis
1954: Umfrage unter amerikanischen Kinderärzten:
• 66 % empfehlen den Beikostbeginn vor 8 Wochen
• 88 % empfehlen den Beikostbeginn vor 3 Monaten
Butler AM, Wolman IJ (1954)
Trends in the early feeding of supplementary foods to infants; an analysis and
discussion based on a nationwide survey.
Q.Rev.Pediatr. 9: 63-85
Reihenfolge der Beikosteinführung
Extreme Empfehlung:
• Cerealien: 2.-3. Lebenstag
• Durchpassiertes Gemüse: 10 Tage
• Durchpassiertes Obst: 17 Tage
Sackett WW (1953)
Results of three years experience with a new concept of baby feeding.
South. Med. J. 46: 358-363
Ernährungsleitlinie für das 1. Lebensjahr
Reihenfolge der Beikosteinführung
Epps RP, Jolley MP (1963)
Unsupervised early feeding of solids to infants.
Med. Ann.D.C. 32: 493-495
Bei der 1. „Health visit“ an der „Child Health Clinics of the
District of Columbia“ im Alter von 1-2 Monaten erhielten bereits
83 % der Kinder Beikost.
Ernährungsverhalten ist abhängig von:
• Kultureller Prägung
• Sozioökonomischem Status
• Beratung innerhalb der Familie / Beratung durch Gesundheitsdienst
H.A. Guthrie
Infant feeding practices in five community groups in the Philippines.
J. Tropical Pediatrics Dezember 1964
Kannan S. et al.
Infant feeding practices of anglo american and asian indian american mothers
J. Amer. College Nutr. 18: 279 (1999)
Nichtbeachten der Leitlinien bei der Ernährung von
Säuglingen
Keine sofortige Negativauswirkungen
Ernährungsleitlinien
Rehydrierung,
Zöliakie, SprueSäuglingsernährung
Angeborene
Stoffwechsldefekte
Stadien der Dehydratation von Säuglingen
Stuhlelektrolytgehalt (mmol/l) bei akuter Diarrhoe
Erreger Na+ K+ Cl- HCO3-
Cholera 88 30 86 32
Rotaviren 27 – 45 35 22 6
E. Coli 53 37 24 18
Na+ - Glukose - Wassertransporter
Zusammensetzung einer oralen Rehydrierungslösung
1. Natrium: ca. 60 mmol/l
2. Kalium: ca. 20 mmol/l
3. Kohlenhydrate: 75 - 110 mmoll/l
(13 - 20 g/l)
- Glukosedosierung im unteren Bereich
- Vorteile polymerer Kohlenhydrate
4. Alkali: 10 mmol Zitrat / l
5. Osmolarität: Optimum 200 - 250 mOsm / l
Leitlinie zur Behandlung von Durchfallerkrankung
Leitlinie:
• Einsatz oraler Rehydrierungslösungen
Praxis:
• Intravenöse Flüssigkeitszufuhr
- Ablehnung von Seiten der Mütter: Weil keine Besserung
des Durchfallproblems.
- Ungenügender Einsatz in Kliniken: Weil Personal-
intensive Fütterung von kleinen Flüssigkeitsmengen.
Zöliakie
Diagnostik:
- Dünndarmbiopsie: Zottenatrophie
Biopsie in der 1. Jejunalschlinge
- Gliadinantiköper; Endomysiumantikörper
= Transglutaminaseantikörper
- Eisenmangel
- IgA x 1000 / IgG x IgM = > 2
Wachstumskurve des Knaben G.H. (geb. 10. 6. 1935) mit Zöliakie.
Aufholwachstum unter einer weizenfreien Diät
Darstellung aus der Dissertationsschrift von Dr. Dicke
Prof. Dicke, Direktor des WilhelminaKinderkrankenhauses Utrecht
Zöliakie
Therapieleitlinie:
Lebenslange Eliminierung von glutenhaltigen Nahrungsmitteln
Grundlagen der Kohlenhydraternährung:
• Reis
• Mais
• Kartoffeln
Verlaufsformen der Zöliakie
Klassische Verlaufsform: Sofortiger Beginn nach Glutenkontakt
Late onset Form: Beginn nach 2 oder mehr Jahren Glutenkontakt
Monosymptomatische Form:
• Kleinwuchs
• therapieresistente Eisenmangelanämie
• Aphthen im Mund
Der „Zöliakieeisberg“ und die Verlaufsformen der Erkrankung
Problematik der Zöliakietherapie bei unzureichender Diagnostik
Mangelnde Krankheitseinsicht und fehlendes Problembewußtsein,
weil:
• Mono- oder oligosymptomatischer Verlauf der Erkrankung.
• Fehlende, klinisch erkennbare Darmproblematik nach dem ~10.
Lebensjahr.
• Mineralisierungsstörungen und Neigung zu Darmmalignomen erst
im Erwachsenenalter auftreten.
Einhaltung von Leitlinien
• Leitlinien werden eingehalten, wenn eine definierte und
klinisch wahrnehmbare Pathologie vermieden werden kann.
• Leitlinien werden relativiert, wenn keine klar definierte
Pathologie dargestellt werden kann und wenn eine große
interkulturrelle Varianz der Empfehlungen besteht.
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