erstnachweis einer wochenstube der rauhhautfledermaus
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Nyctalus (N.F.), Berlin 8 (2002), Heft 2, S. 1 87 - 1 90
Erstnachweis einer Wochenstube der Rauhhautfledermaus
(Pipistrellus nathusii) in Bayern
Vo.n ANDREAS ZAHN, München, BIRGIT HARTL, Ostermiething, BRIGITTE HENATSCH, Traun
stem, ANDREAS KEIL, Tacherting, und SABINE MARKA, Übersee
Mit 2 Abbildungen
E i n l e i t u n g
Die Rauhhautfledermaus (Pipistrellus nathusii)
tritt in ganz Deutschland auf, doch nur im Nordosten der Bundesrepublik werden regelmäßig Wochenstuben gefunden (Bundesamt für Naturschutz 1 999, LIMPENS & SCHULTE 2000 SCHMIDT 2000). Nur vereinzelt gelangen Fort� pflanzungsnachweise oder Hinweise auf Reproduktion in südlicheren Gebieten z.B. Sachsen (HOCHREIN 1 999) oderThüringen (CLAUSSEN 1 999).
In Bayern wurde die Rauhhautfledermaus lange Zeit als Durchzugs- und Wintergast eingestuft (RICHARZ & SCHLAPP 1 992). Vermehrte Nachweise der letzten Jahre aus den Monaten Juni und Juli lassen jedoch vermuten, daß sich auch eine kleine Sommerpopulation in Bayern autbält. Regelmäßig nachweisen läßt sich diese Art in Vogel- und Fledermauskästen zur Zugzeit im Spätsommer bzw. Herbst, und auch im Winter werden aufgrund der Quartierwahl der Rauhhautfledermaus (Holzstöße und andere Verstecke an Gebäuden) immer wieder Funde bekannt.
Im Zuge der Erfassung der Fledermausfauna Bayerns durch ehren- und hauptamtliche Mitarbeiter der Koordinationsstellen für Fledermausschutz (RUlJOLPH et al. 200 I ) gelang im Sommer 2000 der erste Nachweis einer Wochenstube in Bayern. Im Sommer 2001 erfolgten weitere Beobachtungen. Fundumstände und Quartiertyp seien im folgenden dargestellt.
E r g e b n i s s e
Das Quartier befindet sich an einer Holzlagerhalle einer Sägemühle südöstlich des Chiemsees ( 1 2°29 '0, 47°48'N). Die Tiere siedeln in einem ca. 25 cm tiefen Spalt zwischen den
Firstbrettern und dem dahinter verlaufenden Balken (Abb. l ). Sowohl die Ost- als auch die Westseite werden gleichzeitig von den Tieren genutzt.
Nach Angabe der Quartierbesitzer siedeln Fledermäuse bereits seit mehreren Jahren an dem Gebäude. Gemeldet wurde das Vorkommen im Juni 2000. Bei einer Quartierkontrolle am 5. VII.2000 hielten sich mindestens 1 00 Tiere im Quartier auf. Mit Hilfe eines Gabelstaplers gelang es, sich den Tieren bis auf ca. 30 cm zu nähern und eine Gruppe aus ca. 50 Tieren genau zu betrachten, so daß die <;Jattung Pipi
strellus eindeutig erkannt werden konnte. Anhand der Größe der Tiere sowie des Kotes ließ sich ausschließen, daß es sich um die im Gebiet häufige Zwergfledermaus (Pipistrellus pipi
strellus) handelte. Allerdings warein Fang nicht möglich, so daß der eindeutige Artnachweis erst bei der nächsten Kontrolle am 28.VII.2000 erfolgte. Bei dieser Gelegenheit konnten drei Gruppen, davon eine auf der Ost- und zwei auf der Westseite des Gebäudes, festgestellt werden. Aus beiden Gruppen der Ostseite ( 1 54 und 42 Tiere) wurde beim Ausflug jeweils ein Tier gefangen und nach dem Schlüssel von SCHOBER & GRIMMBERGER ( 1 998) anhand der Zahn merkmale, der Behaarung und der Größe als Pipistrel
lus nathusii bestimmt. Es handelte sich um ein adultes, laktierendes Q und um ein junges, gerade flugfahiges Q mit noch deutlich sichtbarer Epiphysenfuge. Insgesamt flogen 240 Tiere aus dem Quartier aus. Bei einer letzten Kontrolle am 5.X.2000 war das Quartier nicht mehr besetzt.
Am 5.VI.200 1 erfolgte, wiederum mit Hilfe des Gabelstaplers, eine weitere Einsicht in das Quartier aus nächster Nähe. Dabei ließ sich die Anwesenheit von weit über 1 00 adulten Tieren
1 88 A. ZAHN ll .a.: Erstnachweis einer Wochenstube der Rauhhau[lledermaus in Bayern
Abb. I . Quartier der in Bayern entdeckten WochenSlUbc der Rallhhaulflcdcrmaus. Die Tiere hallen sich im Spalt hinter dem Breit :Im First der Lagerhalle auf. Aufn.: A. ZAII.'1
eier Gattung Pipisrrell//s sowie von mindestens 30 Jungtieren nachweisen. Wiederulll hielten sich die Tiere sowohl auf der OSI- als auch auf der Wesiseite auf. In der Dämmerung flogen auf beiden Seiten insgesamt 227 Tiere aus. Es erfolgte ein Abfang, wobei aus einer tagsüber nicht bemerkten. abseits hängenden Gruppe (Ausflug : 1 0 Tiere) 2 FledennUuse und aus einer zuvor kontrollierten Gruppe (Ausflug 1 1 6)
4 Flederm�il1se gefangen wurden. Bei den 4 Tieren handelte es sich um weibliche RauhhautnedermHuse, darunter zwei trächtige sowie ein laktiercndes 9.
Bei allen gefangenen Rauhhautnederlll�iusen wiesen die Zahnmcrkmale eine flir die Art typischc Ausprägung aur (F länger als die kurze Spitze dcs I 1 sowie Lücke zwischen Il und 13• Die Linge des 5. Fingers betrug mindestens 42, I mm (Maximum: 45.5))
Überraschcnderweise handcltc es sich bei den beidcn Tiercn aus der kleincn Gruppe um zwci weiblichc Bartncdennäuse. ein trüchtiges sowic ein vermutlich nicht trHcllligcs 9. Die Zahnmcrkmale zeigten die für l\tIyolis I/IystaciI/I/S lypische Ausprägung (Zingulumhöeker <Im p� kleiner als P3). Vermutlich bestand diese Gruppe nur aus B artlledermäusen. da dcr Aus!lug dicserTiere vorUber war. ehe die Tiere der beiden übrigen Gruppcn, die bereits tagsüber als .. Gattung Pipisirelll/s'· bestimmt werden
konnten, mit dcm Ausllug begannen. Aufgrund der einheitlichen Größe eier Fledermäuse in den Pipislre/lus-Gruppen wird davon ausgegangen, daß es sich bei diesen Tieren ausseh I ießI ich um Rauhhautnedermäusc handclte. Demnach bcstand die Kolonie 200 I allS über 200 adulten Tieren.
D i s k u s s i o n
Bci dem Fund handclt cs sich um den cinzigen aktucllen Nachweis einer Wochcnstubc dcr Rauhh:lUttledermaus in Baycrn. ISSEL el al. ( 1 977) bcwerten zwar einen Fund von 5 Tieren hinter cincm Fenstcrladen im Jahr 1 954 bci Freising als \Vochenstubc, doch ist weder das gcnuue Funeidawlll noch die Bcgründung fUr elicse Einschätzung bekannt. Im Sommer 2000 konnten an diesem Fundort keinc Fledernüiusc nachgewiescn werdcn.
Typi sehe SOll1 l11crlcbensrüu me elcr RauhhaulIlcderm<1us in NorddcllLschland sind gewUsserreiche Waldlandschaften (M ESCI-IEDE & HELLER 2000, L"II'ENS & SCHULTE 2000), In der Umgebung elcs Wochenslubcnfundortcs in Bayern (Abb. 2) befinden sich größere Stil l- und Fließgewässer (Chiemscc: 3,3 km Entfernung. TlroIcr AcheO.4 km) sowie Wuldgcbictc (Auwülder der Achcllmondung). Dies entspricht somit dcm bevorzugtcn Lebensraul11typ diescr Art. Da die Rauhhautnederl11aus bis Ober 6 km weit ent-
A. Z,\IIN 1I.a.: Erslnachwcis einer Wnchen:-.tube der Rallhhallinederlllall� in Bayern 1 89
Abb. 2, Blick :IU'" ... üdlicher Richtung auf die Umgebung des Fund0l1c!> :lIn Chiclll!>cc nahe des j\'lündungsgcbiel!der .. Tirolcr Achen". Die Lage de ... Quartil'n. ;,,1 durch einen Pfeil gckcl1IlI,eichncl. Aufn,: A. Z,\II;>o:
fenne Jagdgebiete aufsucht. wobei Seeufern eine besondere Bedeutung zukommt (ARNOI.D
1 999. Sel ioRel lTet al. 200 I ). dürfte insbesondere der Chiemsec mit scinen Ufcrbereichcll c in
wichtiges NahrungshabitiJt der Kolonie darStCJlCI1.
Die Umgebung des Chicmsccs wcist einc auch für bayerische V erhriltnissc liberaus artcll
reiche Flcdermausfaul1i1 mit einer großcn Anzahl von Wochellstubcnauf. Nachgcwiesell wurdcn hier folgende 1 5 Artcn ("= Fortpflanzlingsnachweis: Quelle: Datenbank ASK): Mausohr (MYOfis IIIYOIis) . BcchsleintledermaLis (lVlyOf i.\· bech\,teill i i). W i mpcrlledcrmaus (Myo
li.\' ell/argillatlls)-. Frallsenfledermaus (Myotis
J/(l//ereri). Große Bart Iledcrmi.lus (MyOli.\' bml/
d/i;). Kleine Barttlcdennaus (MYOIis lIIysraci-
1111.\')". \Vassertledcrmi.1us (MyOl;s daubel/IOII;;) .
Braunes Langohr (Plecotll.\' allriw.\'). Mopstlcdermuus (Ba,,"aslella bar!}{/Slelllls)". Abendsegler (Nycra/lI.\' lIocllI/a). Kleini.1bendseglcr (Nycral lIS leis/er;). Zwerg lledcrmi.1us (Pipisl re/-
11I.\·pipisl re/III.\') . Zwei farbfledcrmi1us ( Vesper
li/ io 1111/ ri 1/ I ts). Nord rleclermil us ( EptesiclI.\' 11 ils
sOllii) lind Kleine Hufeisennase ( RhillOloplllls
hipposiderm;) . Somit tritt die Ibuhhaut tledermaus in einer für FlcdermLiuse vermutlich be-
sonders günstigcn Landschaft auf. wofUr auch die Größc der \Vochenstube sprichl.
Die Vermutung. dal?, im südlichen Deutschland weitere WOChCllstubcll der Rauhhauttlec!crmaus zu linden sein dürften. wird durch den
Nachweis ein!.!r Wochenstube in der Schweiz (FMAZ 67. 200 I ) sowie einen Reproduktionshi I1wcis aus dem ital ienischcn A Ipenraull1 (Mi\R
TINOU CI al. 2000) unterstützt. Auch im an Bayern angrenzenden Tschechicn wurden mchrere Kolonien (GAISLER & HANAK 1 982. REIIAK &
BENES 1 996. SEFROVA & BURIC 1 998) nachge
wlcsen. Neben der Möglichkeit. daß \Vochenstuben
VOll P. IImhll.\'ii in manchen Teilen Mittcl- und SLidcuropas bishcr übersehell wurden. würeauch
ci ne Ausweitung des Reproduktionsarcals der Rauhhautlledcrmaus denkbar (SCI-I�II I)T 2000. LI,\lPENS & SCIIULTE 2000). wobei diese Erweiterung dann erhebl ich weiter reichen würde. als von SCII�IIDT (2000) vermutet. Stimmt dicse
Thcsc. sollten auch zwischen der VOll SCII�I IDT
(2000) angegebencn west lichen Grenzc des Reproduktionsgebicles und dem Fund in Südbayern weitere WochenstubeIl zu finden sein. z. B ,
in den ausgedehnten TeichgebieteIl i m Norden
Bayerns,
1 90 A. ZAHN u.a.: Erstnachweis einer Wochenstube der Rauhhautfledermaus in Bayern
D a n k s a g u n g
Wirdanken Frau ANGELIKA MESCHEDE für wichtige Hinweise sowie die kritische Durchsicht des Manuskripts. Ganz besonders möchten wir uns bei der Familie KÖNIG bedanken. die unsere Untersuchungen gestattet und unterstützt hat.
Z u s a m m e n f a s s u n g
In Südbayern gelang der Nachweis einer Kolonie der Rauhhautfledermaus (Pipistrellus nathus;;) am Chiemsee ( 1 2° 29' O. 47°48' N). Die Hangplätze der Tiere befinden sich hinter den Firstbrettern der Ost- sowie der Westseite einer Holzlagerhalle. Die Reproduktion konnte durch den Fang von 6 laktierenden bzw. trächtigen QQ am 28. VII.2000 bzw. am 5.V1.2oo 1 sowie durch die Beobachtung zahlreicher Jungtiere am 5.V1.2001 nachgewiesen werden. Die Kolonie besteht aus rund 200 adulten Tieren. Hinter dem Firstbrett auf derOstseite hielt sich am 5. VI. 200 I in einiger Entfernung zu den Rauhhautfledermäusen auch eine aus rund 1 0 Tieren bestehende Kolonie der Kleinen Bartfledermaus (Myotis myslacinus) auf.
S u m m a r y
A maternity colony of Pipistrelllls nat/lIIs;; roosting in crevices behind the gable-boards on the east and west sides of a wooden shed was detected at Lake Chiemsee. southern Bavaria ( 1 2°29 ' O. 47°48' N) in 2000. and was observed again in 200 I . Reproduction was verified by trapping six nursing or pregnant females on 28.7.2000 and 5.6.200 1 . respectively. and by observing numerous small juveniles i n the roost o n 5.6.200 1 . The colony consists o f about 200 adults. At the same roost but at a distance to the clusters of Pipistrelllls nat/ws;;. acolony of about ten Myotis mystacinlls
was found behind the gable-boards on the east side of the shed on 5.6.2001 .
S c h r i f t t u m
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Dr. ANDREAS ZAHN. Zoologisches Institut der LMU. Luisenstr. 14, D-80333 München
BIRGIT HARTl, Ettenau 28. A-5 1 2 1 Ostermiething
BRlGIrrn HENATSCH. Landesbund für Vogelschutz Traunstein, Güterhallenstr.2, D-83278 Traunstein
ASDREAS KEIL. Lagerhausstr. 3, D-83342 Tacherting
SABINE MARKA, Hochfellnweg 1 . D-83236 Übersee
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