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Examensarbete
Magisternivå
Vom Basteln und dem Spiel mit dem Leser – Intertextuelle Referenzen in Lutz Seilers Roman Kruso Intertextual and intermedial references in the novel Kruso by L. Seiler
Författare: Dörte Frantz
Handledare: Maren Eckart
Examinator: Anneli Fjordevik
Ämne/huvudområde: Tyska
Kurskod: TY3010
Poäng: 15
Ventilerings-/examinationsdatum: 2016-01-15
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Abstract: The subject of this thesis is to examine intertextual and intermedial references in the novel Kruso by Lutz Seiler, a German writer and winner of the German book prize 2014, in order to classify them according to their quality and position in the novel, and to analyze their meaning.
Julia Kristeva´s concepts of intertextuality, but mainly Gérard Genette´s five types of transtextuality as well as his inventory of paratextual elements provide the theoretical framework for this study. In addition, the analysis refers to theories about faction-epics by Bo Jansson.
The findings of this study indicate that Seiler´s novel consists of a tremendous multiplicity and variety regarding intertextual and intermedial references. Furthermore, it is the practice of plagiarism that dominates the references. A vast majority of the intertextual and intermedial references was found in the actual text of the novel, whereas only a minority is placed in the paratext. A few references can be regarded as explicit references according to the underlying hypothesis that claims the chapter “Dank” to be an internal bibliography in the novel. Finally, two types of meanings are identified. On the one hand, intertextual and intermedial references have an impact on the generic contract. On the other hand, these references function as part of a creative process during which an author creates a new text by investing old forms with new meanings.
Nyckelord: Intertextualität, Intermedialität, Transtextualität, Paratextualität, Metatextualität, Hypertextualtität, Architextualität, Paratext, Peritext, Epitext, Gattungsvertrag, relationale Lektüre, Faction-Erzählungen, Faction-Epik, Robinsonade, Bildungsroman, Entwicklungsroman, Postmoderne Literatur
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ............................................................................................................................... 1
Ziel der Arbeit und Begründung .............................................................................................................................................. 2 Material .......................................................................................................................................................................................... 2 Theorie und Methode .................................................................................................................................................................. 3 Terminologie ................................................................................................................................................................................. 5
2. Die Analyse des Materials .................................................................................................... 20
Umfang der intertextuellen und intermedialen Referenzen im Werk............................................................................ 20 Formen der intertextuellen und intermedialen Referenzen im Werk ............................................................................ 24 Platzierung der intertextuellen und intermedialen Referenzen im Werk ...................................................................... 27 Grad an Explizitheit der Referenzen im Werk .................................................................................................................... 29 Bedeutung besonders relevanter Referenzen im Werk ..................................................................................................... 33
3. Zusammenfassende Diskussion ............................................................................................ 41
4. Literaturverzeichnis .............................................................................................................. 45
Primärliteratur ............................................................................................................................................................................. 45 Sekundärliteratur ........................................................................................................................................................................ 45
Anhang 1 – Korpus: Belege für Intertextualität und Intermedialität ....................................... 51
Anhang 2 – Schutzumschlag .................................................................................................... 89
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Dörte Frantz
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1
1. Einleitung
Sowieso sind meiner Meinung nach in jedem Buch fast alle Bücher. Ich weiß nicht, ob mich einer versteht. Ich
meine, um ein Buch zu schreiben, muβ einer ein paar Tausend Stück andere gelesen haben. Ich kann´s mir
jedenfalls nicht anders vorstellen. Sagen wir: dreitausend. Und jedes davon hat einer verfaβt, der selber
dreitausend gelesen hat. Kein Mensch weiß, wieviel Bücher es gibt. Aber bei dieser einfachen Rechnung kommen
schon …zig Milliarden und das mal zwei raus.1
Diese Worte, die Ulrich Plenzdorf seinem Ich-Erzähler Edgar Wibeau im Roman Die neuen
Leiden des jungen W. in den Mund gelegt hat, beschreiben im Grunde eine wichtige
Eigenschaft literarischer Texte, die darin besteht, dass jeder literarische Text Spuren von
anderen Texten aufweist. Plenzdorfs jugendlicher Romanheld unternimmt hier nichts
Geringeres als den Versuch, den vieldeutigen und damit vieldiskutierten Begriff der
Intertextualität auf seine eigene, bestechend pragmatische Weise auszuloten. Tatsächlich
umfasst der Intertextualitätsbegriff ein komplexes Gebilde unterschiedlicher Theorien, deren
Kern die Einsicht darin bildet, dass kein literarischer Text in einem Vakuum, sondern immer
in einem spezifischen Kontext entsteht, was mehr oder weniger deutliche Spuren anderer
Texte hinterlässt.
Im Rahmen dieser Arbeit möchte ich mich auf eine literarische Spurensuche begeben, um auf
diese Weise Einblick in Aufbau und Funktion des Referenzapparates eines literarischen
Werkes zu erhalten. Den Gegenstand meiner Untersuchungen bildet dabei der im Herbst 2014
erschienene und im selben Jahr mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnete Debütroman
Kruso des bisher vor allem als Lyriker in Erscheinung getretenen Schriftstellers Lutz Seiler.
Dank der medialen Berichterstattung im deutschsprachigen Raum anlässlich der
Preisverleihung war ich auf Seilers Werk aufmerksam geworden, das ich schließlich zur
Lektüre erwarb, nicht zuletzt aufgrund der starken Assoziationen, die der Titel des Romans an
den gleichlautenden Abenteuerroman von Daniel Defoe weckte. Sehr reizvoll erschien mir
zudem, dass dieses Buch als Werk eines ostdeutschen Schriftstellers beworben wurde, der die
Handlung der Geschichte in das Wendejahr 1989 auf die idyllische Ostseeinsel Hiddensee
verortete. Weil ich selbst in der DDR aufgewachsen bin und die Insel Hiddensee in meiner
Jugend als Urlaubsinsel kennen und lieben gelernt habe, eröffnete sich mir hiermit eine ganz
eigene, persönliche Lesart.
1 Plenzdorf 1973, S. 32-33
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Ziel der Arbeit und Begründung
Ziel dieser Arbeit ist es, Lutz Seilers Kruso auf das Vorhandensein intertextueller und
intermedialer Referenzen zu untersuchen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung in Form von
verschiedenen intertextuellen und intermedialen Referenzen werden ferner hinsichtlich ihrer
Beschaffenheit, ihrer Platzierung im Werk und ihrer Bedeutung analysiert.
Im Einzelnen soll diese Untersuchung Einsichten darüber verschaffen,
in welchem Umfang intertextuelle und intermediale Referenzen im Werk vorhanden
sind und inwieweit diese inhaltliche Übereinstimmungen aufweisen.
welche Formen intertextuelle und intermediale Referenzen in Kruso annehmen.
an welchen Stellen in Seilers Werk intertextuelle und intermediale Referenzen
auftreten.
inwiefern intertextuelle und intermediale Referenzen explizit im Werk in Erscheinung
treten.
welche Bedeutung besonders relevanten Referenzen in Seilers Kruso zukommt, nicht
zuletzt aufgrund ihrer Beschaffenheit und Platzierung sowie ihres Grades an
Explizitheit.
Material
Den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit bildet die vom Suhrkamp Verlag 2014
herausgegebene Erstausgabe des Romans Kruso von Lutz Seiler. Dieses Buch, das in
gebundener Form (s.g. Hardcover) vorliegt, ist mit einem Schutzumschlag versehen, dessen
Abbildung diesem Aufsatz zur Verdeutlichung anhängt (Anhang 2), da er als Peritext im
Rahmen dieser Untersuchung ebenfalls auf intertextuelle und intermediale Referenzen
analysiert wird.
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Theorie und Methode
Die nachfolgende Analyse stützt sich im Wesentlichen auf die von Gérard Genette in seinem
Werk Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe, Erste Auflage 1993, entwickelte
Typisierung von intertextuellen Beziehungen, bei Genette als transtextuelle Beziehungen
bezeichnet, sowie den ebenfalls von ihm entwickelten Begriff des Paratextes, formuliert in
seinem Werk Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buches, Erste Auflage 2001. Genettes
fünf Typen transtextueller Beziehungen sowie sein Begriffsapparat einschließlich seines
Analysemodells zum Paratext bilden dabei die Grundlage dieser Untersuchung, weshalb sie
im nachfolgenden Kapitel Terminologie einer begrifflichen Definition unterzogen werden.
Zudem bedarf es einer Auslotung der für diese Arbeit grundlegenden literarischen Begriffe
Intertextualität und Intermedialität, was ebenfalls im nächsten Kapitel erfolgen wird.
Ein weiteres theoretisches Modell, das für diese Analyse verwendet wird und im folgenden
Kapitel zu definieren ist, stellt das literarische Genre Faction-Erzählungen bzw. Faction-Epik
dar, wie es von Bo G Jansson in dessen Werk Episkt Dubbelspel erörtert wurde.
Schließlich besteht die Notwendigkeit, die ebenfalls für diese Untersuchung relevanten
Begriffe Postmoderne Literatur, Robinsonade und Bildungs- bzw. Entwicklungsroman im
Folgenden näher zu erläutern.
Die Analyse des Romans Kruso von Lutz Seiler erfolgt, wie im vorangegangenen Kapitel
aufgeführt, anhand der gebundenen Erstausgabe des Buches. In einem ersten Schritt wird
dazu Seilers Text auf das Vorhandensein intertextueller und intermedialer Referenzen
untersucht. Zusätzlich werden mehrere im Internet zugängliche Rezensionen renommierter
deutschsprachiger Zeitungen, Zeitschriften und sonstiger Medien, die zum Zeitpunkt der
Veröffentlichung der Erstausgabe im Herbst 2014 erschienen sind, herangezogen. Es werden
allerdings nur Rezensionen berücksichtigt, die im Internet veröffentlicht wurden von Medien,
deren literarische Kompetenz im deutschsprachigen Kulturraum allgemein anerkannt ist,
darunter die deutsche Wochenzeitung Zeit, die Schweizer Tageszeitung Neue Zürcher Zeitung
und das Resort Buchkritik des Deutschlandradio Kultur. Die Lektüre der Rezensionen dient
dabei dazu, einerseits das Auffinden intertextueller und intermedialer Referenzen in Seilers
Text zu inspirieren und andererseits potentielle Belege für Intertextualität und Intermedialität
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in Kruso zu verifizieren. Darüber hinaus werden auch weitere Internetquellen, wie z.B.
Wikipedia, zur Verifizierung potentieller Referenzen herangezogen, obwohl diese Quellen nur
begrenzt überprüfbar sind. Die eingeschränkte Zuverlässigkeit der weiteren Onlinequellen
wird hier jedoch billigend in Kauf genommen, weil die Alternative in Form einer
Verifizierung durch Einsichtnahme in gedruckte Quellen im Rahmen dieser Untersuchung zu
aufwendig wäre.
Die Ergebnisse der vorwiegend quantitativen Untersuchung in Form von Belegen für
Intertextualität und Intermedialität in Seilers Werk werden zu einem Korpus
zusammengefasst und dieser Arbeit als Anlage (Anhang 1) beigefügt. In einem zweiten
Schritt wird dann das Korpusmaterial einer hauptsächlich qualitativen Analyse unterzogen,
dies vor allem im Hinblick auf die formelle Ausgestaltung und Platzierung der Referenzen.
Weil es den Rahmen dieser Arbeit bei weitem übersteigen würde, sämtliche aufgefundenen
Referenzen detailliert zu untersuchen, bilden nur diejenigen Referenzen den Gegenstand der
qualitativen Analyse, die mehrfach in Seilers Werk auftreten und/oder in mehreren
Rezensionen erwähnt werden, oder sich anderweitig auszeichnen und folglich besonders
relevant zu sein scheinen.
Ein Aspekt der qualitativen Untersuchung besteht darin, den Grad an Explizitheit der
intertextuellen und intermedialen Referenzen zu ermitteln. Dabei sieht eine Hypothese dieser
Arbeit vor, dass es sich beim letzten Kapitel in Seilers Kruso, namens Dank, um eine Art von
Quellenverzeichnis handelt. Auf dieser Prämisse gründet sich die Entscheidung, alle
Referenzen, die im Kapitel Dank verzeichnet sind, als explizit2 im Sinne dieser Untersuchung
zu betrachten. Demgegenüber stellen diejenigen der im Werk aufgefundenen Referenzen, die
nicht in diesem Kapitel aufgeführt sind, implizite Referenzen dar.
Die Ergebnisse aus quantitativer und qualitativer Analyse werden schließlich Aufschlüsse
darüber ermöglichen, welche Funktionen besonders relevanten Referenzen in Seilers Werk
zukommen. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass diese Arbeit keinen Anspruch auf
Vollständigkeit erheben kann, da aufgrund der Vielzahl und Vielfalt der in Seilers Roman
2 An dieser Stelle sei erwähnt, dass es auch andere Kriterien zur Bestimmung des Grades an Explizitheit der Referenzen gäbe, von denen hier aber vor allem aus Gründen der inhaltlichen Begrenzung dieser Arbeit abgesehen werden muss. Beispielsweise könnte man auch die typographische Beschaffenheit der einzelnen Referenzen dahingehend untersuchen, inwiefern diese durch Kursivstil oder Anführungszeichen besonders („explizit“) hervorgehoben oder einfach in den Fließtext ohne optische Markierung eingebettet sind.
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identifizierten intertextuellen und intermedialen Referenzen davon auszugehen ist, dass das
Werk weitere Referenzen enthält. Zudem sei erwähnt, dass es sich bei dieser Arbeit um eine
textnahe Untersuchung handelt, im Rahmen derer auch Überlegungen zur Autorintention
angestellt werden. Demgegenüber kann in dieser Analyse aus Platzgründen weder auf
narratologische Aspekte, noch auf Fragen zum avisierten Leser eingegangen werden.
Eine weitere Hypothese dieser Untersuchung besteht darin, dass die inhaltliche und formelle
Ausgestaltung der intertextuellen und intermedialen Referenzen sowie deren Platzierung im
Werk Einfluss auf den Grad an Fiktionalität haben, die einem Werk vom Autor zugeschrieben
und vom Leser wahrgenommen wird. Aus dieser Prämisse folgt die Annahme, dass die
Beschaffenheit und Platzierung intertextueller und intermedialer Referenzen letztlich auch die
Ausprägung der Textgattung beeinflusst.
Terminologie
Intertextualität und Intermedialität
Der Begriff der Intertextualität, der auf die Literaturwissenschaftlerin Julia Kristeva
zurückgeht, bezeichnet im weitesten Sinne das Phänomen, dass Texte miteinander in
Beziehung stehen, wodurch Bedeutung entsteht. Prinzipiell geht man davon aus, dass kein
Text aus dem Nichts entsteht, sondern dass jeder Text Spuren anderer Texte enthält.3 Wie bei
Berndt und Tonger-Erk4 deutlich wird, ist Intertextualität ein äußerst vieldeutiger Begriff, der
je nach Wahl der Literaturtheorie (z.B. Strukturalismus vs. Poststrukturalismus), des
Textbegriffs (eng vs. weit) und nicht zuletzt der Textebene (Mikrostruktur vs. Makrostruktur)
teilweise erheblich variieren kann. Wendet man den Intertextualitätsbegriff auf literarische
Texte an, liegt dem ein verhältnismäßig enger Textbegriff zugrunde. Dabei ist ein literarischer
Text dadurch gekennzeichnet, dass er eine Vielzahl intertextueller Beziehungen eingeht und
nicht zuletzt deshalb über eine besonders komplexe Bedeutung verfügt. Aufgrund seiner
Komplexität ist davon auszugehen, dass der Prozess der Bedeutungsentstehung literarischer
Texte nicht unerheblich vom (literarischen) Bildungshorizont sowohl des Autors als auch des
Lesers literarischer Werke beeinflusst wird.
Erweitert man den Textbegriff dergestalt, dass er neben schriftlichen, literarischen Texten
auch gesprochene Texte und darüber hinaus von der Sprache entkoppelte auditive und
3 Berndt/Tonger-Erk 2013, S. 34 4 Berndt/Tonger-Erk 2013, S. 7-16
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visuelle Medien umfasst, sofern sie über eine komplexe Bedeutung verfügen, bezeichnet man
die Beziehungen zwischen Texten verschiedener Medien stattdessen als Intermedialität.5 Mit
Hilfe der Intermedialität kann man folglich Beziehungen zwischen Texten unterschiedlicher
Medialität, nämlich zwischen Text und Bild, Text und Film sowie Text und Musik, und die
Bedeutung, die als Resultat aus Text- und Medienbezug entsteht, beschreiben.6 Eine
eingehendere Definition des Intermedialitätsbegriffes ist für die Zwecke dieser Untersuchung
nicht erforderlich, sondern es genügt lediglich die hier dargestellte Abgrenzung vom
Intertextualitätsbegriff.
Um die Phänomene von Text-Text-Beziehungen beschreiben zu können, erfordert es neben
einer geeigneten Terminologie auch eines Theorierahmens. Wie bereits vorstehend
angedeutet, ist der Begriff der Intertextualität jedoch vieldeutig. Dazu kommt, dass es eine
Vielzahl konkurrierender Terminologien gibt und eines einheitlichen Theorierahmens
entbehrt. Folglich legen Berndt und Tonger-Erk7 nahe, dass es statt der einen viele
rivalisierende Intertextualitätstheorien gibt. Für die Praxis bedeutet dies nun, diejenige
Intertextualitätstheorie auszuwählen, die am besten den Anforderungen der jeweiligen
Textanalyse genügt. Den theoretischen Rahmen dieser Arbeit bildet Gérard Genettes
fünfstufige Taxonomie zur Beschreibung von Text-Text-Beziehungen, die von ihm als
Transtextualität bezeichnet werden. Mit Hilfe von Genettes Analysemodel, das im Folgenden
näher beleuchtet wird, ist eine Analyse der intertextuellen Beziehungen auf sämtlichen
Ebenen des Textes, von der Mikro- bis zur Makrostruktur, möglich.
Transtextualität
Nach Genette sind alle literarischen Texte dadurch gekennzeichnet, dass sie in expliziter oder
impliziter Beziehung zu anderen Texten stehen. Diese Text-Text-Beziehungen, von Genette
als Transtextualität bezeichnet, treten in fünf verschiedenen Formen auf, die jedoch mehr
oder weniger eng miteinander in Verbindung stehen und sich gegenseitig überschneiden.
Deshalb geht Genette davon aus, dass die fünf Formen der Transtextualität nur relative
Abstufungen ein und desselben Phänomens sind, die sich hinsichtlich ihres Grades an
Abstraktion, Implikation und Globalität unterscheiden. Für diese Arbeit bedeutet dies, dass es
im Einzelfall schwierig sein kann, eine genaue Grenze zwischen den fünf Formen der
5 Berndt/Tonger-Erk 2013, S. 9 6 Berndt/Tonger-Erk 2013, S. 157 7 Berndt/Tonger-Erk 2013, S. 7-16
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Transtextualität zu ziehen. An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass Genette selbst
seine Typologie für unvollständig, provisorisch und damit veränderlich hält, was ihn bereits
mehrfach zu begrifflichen Anpassungen veranlasst hat.8
Die erste Form der Transtextualität, die sich von den übrigen vier Formen dadurch
unterscheidet, dass sie das geringste Maß an Abstraktion, Implikation und Globalität aufweist,
wird von Genette als Intertextualität bezeichnet. Unter Intertextualität versteht Genette „die
effektive Präsenz eines Textes in einem anderen Text“9, wobei dies in Form eines Zitats, eines
Plagiats oder einer Anspielung erfolgt. Während es sich bei einem Plagiat im Prinzip um ein
wörtliches Zitat handelt, dass jedoch nicht als solches kenntlich gemacht wird, versteht man
unter einer Anspielung den eher impliziten Verweis auf einen anderen Text, dessen Deutung
einen literarisch geschulten Leser voraussetzt.10
Genettes Intertextualitätsbegriff bildet einen
Aspekt in der überwiegend quantitativen Analyse dieser Arbeit, mittels derer ein Überblick
über die Vielfalt der in Seilers Werk enthaltenen intertextuellen und intermedialen Referenzen
gewonnen werden soll.
Die zweite Form der Transtextualität wird von Genette als Paratextualität bezeichnet. Hiermit
meint er die Beziehungen, die zwischen dem eigentlichen Text und seinem Paratext bestehen,
worunter solche Elemente verstanden werden, die zwar Teil desselben literarischen Werkes
sind, sich aber außerhalb des eigentlichen Textes befinden. So zählen beispielsweise der Titel,
aber auch Vor- und Nachworte, sowie Fußnoten, Illustrationen und der Umschlag zum
Paratext, dessen Funktion im Wesentlichen darin besteht, auf den Leser, genauer gesagt
dessen Rezeption eines Werkes, einzuwirken. Insbesondere der Titel, bei dem es sich laut
Genette um das wichtigste Element des Paratextes handelt, weckt beim Leser Erwartungen
hinsichtlich der Gattung, der das jeweilige Werk angehört, was Genette in Anlehnung an
Philippe Lejeune als Gattungsvertrag bezeichnet.11
Genette misst dem Paratext eine hohe
Bedeutung bei und widmet ihm daher eine separate Abhandlung,12
deren wesentliche Thesen
im Anschluss an die Darstellung aller fünf Typen der Transtextualität näher erläutert werden.
Im Rahmen der qualitativen Analyse von Seilers Werk Kruso bilden die einzelnen Elemente
des Paratextes einen wichtigen Untersuchungsgegenstand.
8 Genette 1993, S. 9-18, 526 9 Genette 1993, S. 10 10 Genette 1993, S. 10-11 11 Genette 1993, S. 11-13 12 Genette 2001
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Der dritte Typ der Transtextualität nach Genette ist die Metatextualität. Dieser Begriff
bezeichnet die Beziehungen zwischen einem Text und einem weiteren, zumeist theoretischen
Text, dem sogenannten Metatext. Dabei setzt sich der Metatext in der Regel kritisch mit dem
anderen Text auseinander und stellt damit einen Kommentar zu diesem Text dar.13
Nach
diesem Verständnis fallen beispielsweise Äußerungen der Literaturkritik in Form von
Rezensionen und Interpretationen in die Kategorie der Metatexte. Für die überwiegend
quantitativ geprägte Analyse von Seilers Werk, deren Ziel es ist, einen Überblick über die
Vielzahl der enthaltenen intertextuellen und intermedialen Referenzen zu erlangen, werden
mehrere Metatexte in Form von Rezensionen unterschiedlicher Organe der kanonischen
Literaturkritik herangezogen.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass Genette den Begriff des Metatextes sehr kurz und allgemein
definiert,14
wodurch sich verschiedene Möglichkeiten der Interpretation eröffnen. So deuten
Berndt und Tonger-Erk den Metatext dergestalt, dass dieser auch – gleich einem Paratext –
Teil desselben Werkes sein kann, wie der Text, auf den er sich kommentierend bezieht. Dabei
kommt dem Metatext die Aufgabe zu, „eine Vorhersage über einen Text und dessen Wirkung
bzw. Bedeutung zu machen.“15
Entsprechend dieser Auslegung zählen auch selbstreferentielle
Kommentare in einem literarischen Werk zur Kategorie der Metatexte. Ein Aspekt der
qualitativen Analyse in dieser Arbeit wird deshalb darauf abzielen, Seilers Werk auf das
Vorhandensein von Metatexten in Form von selbstreferentiellen Kommentaren zu
untersuchen.
Die vierte Form der Transtextualität nach Genette ist die Hypertextualität. Darunter versteht
man die strukturelle und inhaltliche Beziehung zwischen einem Hypertext und einem
Hypotext, wobei es sich beim Hypertext zumeist um ein literarisches Werk handelt, das aus
dem Hypotext abgeleitet ist und damit einen Text „zweiten Grades“16
darstellt. Diese
Ableitung kann grundsätzlich in zwei verschiedenen Ausprägungen erfolgen, nämlich
entweder als einfache oder direkte Transformation oder als indirekte Transformation, auch
Nachahmung oder Imitation genannt.17
Genette vereinfacht den Unterschied zwischen beiden
13 Genette 1993, S. 13 14 Genette 1993, S. 13 15 Berndt/Tonger-Erk 2013, S. 118-119 16 Genette 1993, S. 15 17 Genette 1993, S. 14-16
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Kategorien dergestalt, dass er die Transformation als einfache und direkte Ableitung
bezeichnet, mit der man „dasselbe anders sagen“ kann, während die Nachahmung eine
komplexere Form der Ableitung ist, mit der man „etwas anderes auf dieselbe Weise sagen“18
kann. Laut Genette werden Hypertexte sechs verschiedener Gattungen unterschieden, wobei
Hypertextualität in Form einer Transformation die Textformen Parodie, Travestie und
Transposition bedingt, während Hypertextualität in Form einer Nachahmung die Textformen
Pastiche, Persiflage und Nachbildung hervorbringt.19
Genette geht davon aus, dass jedes literarische Werk ein Hypertext ist, was im Prinzip mit
Kristevas Intertextualitätsbegriff korrespondiert, demzufolge kein literarischer Text in einem
Vakuum entsteht, sondern mit anderen Texten in Beziehung steht.20
Laut Genette spielt
Hypertextualität vor allem in der Epoche der Moderne bzw. Postmoderne eine besondere
Rolle, da mit Hilfe hypertextueller Verfahren an frühere literarische Epochen angeknüpft
wird. Überhaupt sieht er die Hypertextualität als ein äußerst kreatives Spiel an, im Rahmen
dessen alte Werke, die durch eine im Prinzip endliche Anzahl literarischer Formen
gekennzeichnet sind, zu neuen, komplexeren Werken zusammengebastelt werden, deren
Bedeutung dann den Sinn der ursprünglichen Texte kontaminieren und pervertieren kann.
Hypertextualität stellt somit einen sich unablässig vollziehenden zirkulären Prozess dar,
dessen Produkte in Form der Hypertexte dem Leser eine relationale Lektüre abverlangen, die
wiederum ein gewisses Maß an Verspieltheit auch auf Seiten des Lesers voraussetzt. Nur
wenn die Hypertextualität vom Leser erkannt wird, kann sich ihm auch die Vieldeutigkeit
eines Textes erschließen.21
Genette geht in seinem Modell der Hypertextualität vereinfachend
davon aus, dass sich jeder Hypertext aus nur einem Hypotext ableitet.22
In dieser Arbeit wird
ein möglicher Hypotext einer relationalen Lektüre dahingehend unterzogen, inwiefern dieser
strukturelle und inhaltliche Beziehungen zu Seilers Werk unterhält.
Der fünfte und damit letzte Typ in Genettes Taxonomie transtextueller Beziehungen wird
Architextualität genannt. Im Gegensatz zum eingangs beschriebenen ersten Typ, der
Intertextualität, zeichnet sich diese Form der Transtextualität durch ein Höchstmaß an
Abstraktion, Implikation und Globalität aus. Bei der Architextualität handelt es sich um eine
18 Genette 1993, S. 17 19 Genette 1993, S. 44 20 Genette 1993, S. 20 21 Genette 1993, S. 526-535 22 Gentett 1993, S. 20
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strukturelle Beziehung, die ein Text zu seinem sogenannten Architext unterhält. Darunter
versteht man die einem Text innewohnende Kombination aus Merkmalen und Strukturen, die
diesen Text in Beziehung zu einer bestimmten Textsorte und Gattung setzt. Genette weist an
dieser Stelle allerdings darauf hin, dass Gattungsbegriffe historischen Schwankungen
unterliegen. Wie bereits in einem vorangegangenen Abschnitt erläutert, können auch
paratextuelle Elemente, wie z.B. der Titel eines literarischen Werkes, dem Leser Hinweise zur
Gattungszugehörigkeit geben und damit die Rezeption des Werkes steuern. Es obliegt
allerdings dem Leser, die implizite Beziehung zwischen einem Text und seinem Architext zu
bestimmen und damit Textsorte und Gattung eines Werkes zu definieren, wobei die letztere
unter Umständen sogar im Widerspruch zu der durch den Paratext beanspruchten
Gattungszugehörigkeit des Textes stehen kann. Zusammenfassend wirkt also auch die
Architextualität analog der Paratextualität auf die Erwartungshaltung des Lesers und damit die
Rezeption eines Werkes ein.23
Im Rahmen dieser Arbeit wird Seilers Kruso auch im Hinblick
auf den unterliegenden Architext analysiert. Das Ergebnis dieser Analyse wird dann mit der
vom Paratext proklamierten Textgattung verglichen. Im folgenden Abschnitt werden nun die
für diese Untersuchung relevanten Charakteristika des Paratextes beleuchtet.
Paratext
Laut Genette bestehen literarische Werke nicht nur aus einem Text, sondern verfügen darüber
hinaus auch über ein Beiwerk, den sogenannten Paratext, dessen Aufgabe im Wesentlichen
darin besteht, den eigentlichen Text zu präsentieren und damit auf dessen Rezeption durch
den Leser einzuwirken. Dabei muss man sich den Paratext nicht als einen vom Text deutlich
abgegrenzten, zusammenhängenden Teil vorstellen. Vielmehr handelt es sich dabei um eine
Vielzahl von Diskursen und Praktiken, die mehr oder weniger vom Autor verantwortet
werden und folglich Ausdruck der Autorintention sind. Paratextuelle Elemente unterscheiden
sich entsprechend ihrer räumlichen, zeitlichen, stofflichen, pragmatischen und funktionalen
Eigenschaften, wobei vor allem deren räumliche, stoffliche und funktionale Charakteristika
relevant für diese Arbeit sind und daher im Folgenden näher erläutert werden. 24
Genette unterteilt den Paratext entsprechend seiner räumlichen Situierung in Peritext und
Epitext. Beim Peritext handelt es sich um die Elemente, die im unmittelbaren Umfeld des
Textes stehen, also „innerhalb ein und desselben Bandes, wie der Titel oder das Vorwort,
23 Genette 1993, S. 13-14 24 Genette 2001, S. 9-21
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mitunter in den Zwischenräumen des Textes, wie die Kapitelüberschriften oder manche
Anmerkungen“25
. Der Epitext sieht demgegenüber diejenigen Elemente vor, die sich im
mittelbaren Umfeld des Textes befinden, genauer gesagt „alle Mitteilungen, die zumindest
ursprünglich außerhalb des Textes angesiedelt sind: im Allgemeinen in einem der Medien
(Interviews, Gespräche) oder unter dem Schutz privater Kommunikation (Briefwechsel,
Tagebücher oder ähnliches)“26
.
Im Rahmen dieser Arbeit spielen ausschließlich peritextuelle Elemente eine Rolle, deren
Funktionen und räumliche Situierung im nachfolgenden Abschnitt dargelegt werden. Im
Hinblick auf seine stofflichen Eigenschaften kann der Paratext vereinfachend aus verbalen
Elementen, wie dem Autorennamen oder dem Werktitel, oder aus nicht-verbalen Elementen,
wie z.B. Illustrationen, bestehen.27
Schließlich zeichnet sich der funktionale Charakter
paratextueller Elemente dadurch aus, dass jeder Elementtyp im Prinzip über ein gewisses
Repertoire verfügt. Dabei kann das jeweilige paratextuelle Element auch mehrere Funktionen
gleichzeitig ausüben, die unter Umständen sogar in Widerspruch zueinander stehen.28
Eine
detaillierte Untersuchung der funktionalen Komposition des gesamten Paratextes würde eine
induktive Analyse erfordern, die jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden kann.
Stattdessen zielt die qualitative Analyse von Seilers Werk darauf ab zu ergründen, inwieweit
die Komposition der paratextuellen Elemente stimmig ist, oder aber Diskrepanzen aufweist,
und was diese in einem solchen Fall zu bedeuten haben.
Nach Genette lassen sich peritextuelle Elemente zehn verschiedenen Kategorien zuordnen. Im
Einzelnen handelt es sich dabei um den verlegerischen Peritext, den Autorennamen, den Titel,
den Waschzettel, Widmungen, Motti, das Vorwort, andere Vorworte, Zwischentitel und
Anmerkungen. Im Folgenden werden wesentliche Merkmale der peritextuellen Elemente
erläutert, und zwar in dem Maß, in dem sie für diese Arbeit von Belang sind.
Der verlegerische Peritext, der üblicherweise vom Verleger oder Verlag verantwortet wird,
besteht aus dem äußerlichen Peritext in Form von Umschlag einschließlich Umschlagrücken,
Titelseite und Zubehör sowie der materiellen Realisierung des Werkes, die sich u.a. durch die
Wahl des Formats, des Papiers und der Schrift manifestiert. Während die vier Umschlagseiten
25 Genette 2001, S. 12 26 Genette 2001, ib. 27 Genette 2001, S. 14-15 28 Genette 2001, S. 18-20
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und der Buchrücken vor allem verlegerische und auktoriale Angaben geben sollen, zielt der
Schutzumschlag darauf ab, die Aufmerksamkeit des Lesers gerade kurzfristig auf sich zu
ziehen, was u.a. auch durch die Gattungsangabe erfolgt. Zum Titel zählen u.a. sogenannte
Vorsatzblätter, die meistens nicht bedruckt sind, ein sogenannter Schmutztitel, der den evtl.
abgekürzten Titel des Werkes aufführt, mehrere Seiten, die unterschiedliche verlegerische
Angaben enthalten können, sowie die eigentliche Titelseite. Genettes Ausführungen zum Titel
und dessen Zubehör sind sehr detailliert und spezifisch - so verortet er beispielsweise die
Widmung auf den Schmutztitel – , erheben aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit und
allgemeine Gültigkeit, sondern geben lediglich die am häufigsten auftretende Ausprägung
wieder.29
Der Name des Autors ist Bestandteil sowohl des Epitextes als auch des Peritextes. Im
Gegensatz zum Epitext, in dem der Autorenname recht häufig auftauchen kann, erscheint er
jedoch im Peritext sparsam und ausschließlich vor Beginn des eigentlichen Textes, nämlich
auf dem Titel, den vorderen Umschlagseiten, ggf. dem Umschlagrücken sowie auf dem
Schutzumschlag. Während die Nennung des Autorennamens auf dem Titelblatt eher
zurückhaltend ausfällt, da sie im Prinzip einen Ausdruck gesetzlicher Erfordernisse darstellt,
dient der auf dem Umschlag und vor allem dem Schutzumschlag aufgeführte Name des
Autors hauptsächlich der Vermarktung des Werkes und fällt daher oft sehr großzügig aus.
Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass der Autorenname in Abhängigkeit von der jeweiligen
Gattung des Werkes eine mehr oder weniger große Rolle für den Gattungsvertrag spielt, der
wiederum aus dem Zusammenspiel der Beziehungen zwischen Text und Paratext entsteht. So
hat der Autorenname in der fiktionalen Literatur üblicherweise keine konstituierende
Funktion, während er für die Gattung der Autobiographie den sogenannten
autobiographischen Pakt begründet.30
Ein weiteres peritextuelles Element stellt der Titel des Werkes dar. Genette unterscheidet hier
eigentlich drei Begriffe, nämlich Titel, Untertitel und Gattungsangabe, wobei die beiden
erstgenannten formal definiert sind, während der dritte funktional definiert ist. Was seine
räumliche Situierung angeht, erscheint der Titel gleich mehrfach, und zwar üblicherweise auf
der Umschlagseite eins, dem Umschlagrücken, dem Titelblatt und dem Schmutztitel. Zudem
kann er mehrere Funktionen haben, nämlich eine Bezeichnungs- oder
29 Genette 2001, S. 22-40 30 Genette 2001, S. 41-57
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Identifizierungsfunktion, eine deskriptive Funktion, eine konnotative Funktion, eine
Verführungsfunktion sowie schließlich die Gattungsangabe. Dabei ist nur die erste Funktion
obligatorisch.31
Auch beim Waschzettel handelt es sich um ein Element des Peritextes. Man versteht darunter
einen kurzen Text, „der durch ein Resümee oder jedes andere Mittel auf meistens lobende
Weise das Werk beschreibt, auf das er sich bezieht“32
. Anzutreffen ist der Waschzettel in
zeitgenössischen Werken auf dem Umschlag oder Schutzumschlag, weshalb er auch
Klappentext genannt wird. Dabei kann er bei der Neuauflage eines Werkes durch eine
überarbeitete oder komplett neue Version ersetzt werden.33
Die von Genette Widmungen genannten peritextuellen Elemente bezeichnen gleich zwei
unterschiedliche Praktiken, nämlich einerseits die Widmung eines Exemplars und andererseits
die Zueignung eines Werkes an eine Person oder eine Gruppe von Personen. Widmungen sind
im Allgemeinen zu Beginn eines Buches, häufig auf der rechten Seite nach dem Titelblatt,
angebracht und erscheinen vor allem in der Originalausgabe eines Werkes. Der Zueigner ist
meist der Autor, kann aber im Fall von Werkübersetzungen auch der Übersetzer sein. Ferner
unterscheidet man einen privaten von einem öffentlichen Adressaten einer Zueignung, wobei
der Charakter der Beziehung zwischen Zueigner und Adressaten Grundlage der
Unterscheidung ist.34
Der Zueigner beabsichtigt, mit seiner Zueignung einerseits den
Zueignungsadressaten, andererseits den Leser anzusprechen, da es sich laut Genette bei
diesem Vorgang um eine „(aufrichtige oder unaufrichtige) Zurschaustellung einer (wie auch
immer gearteten) Beziehung zwischen dem Autor und irgendeiner Person, Gruppe oder
Entität“ handelt.35
Ein anderes peritextuelles Element ist das Motto, bei dem es sich laut Genette um ein Zitat
handelt, das einem Werk oder einem Abschnitt des Werkes vorangestellt ist und dessen
Bedeutung sich dem Leser erst nach vollständiger Lektüre des Werkes erschließt. Eine
häufige Form ist dabei das Einleitungsmotto, das am Anfang eines Werkes zwischen
Zueignung und Vorwort zumeist auf der rechten Seite steht und sich in einer für den Leser
31 Genette 2001, S. 58-102 32 Genette 2001, S. 103 33 Genette 2001, S. 103-114 34 Genette 2001, S. 115-133 35 Genette 2001, S. 132
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offenen Beziehung zum Text des Werkes befindet. Beim Motto unterscheidet man den
Zitierten, d.h. den wirklichen Verfasser des Zitats, nämlich zumeist einen Autor, der nicht mit
dem Autoren des Werkes identisch ist, vom Adressanten des Mottos, womit derjenige gemeint
ist, der das Zitat ausgewählt hat, was der Autor, aber unter Umständen auch der Ich-Erzähler
sein kann. Motti werden häufig unter Nennung des Zitierten, aber ohne Quellenangabe
angeführt, wobei sie in Anführungszeichen, kursiv oder in Antiqua präsentiert werden
können. Genette macht nun vier Funktionen aus, die einem Motto zukommen. Die erste
Funktion ist dabei direkt und beinhaltet einen Kommentar bzw. eine Verdeutlichung des
Titels. Die zweite Funktion ist am stärksten kanonisch und stellt einen Kommentar zum Text
dar, der die Bedeutung des Textes präzisiert oder hervorhebt. Die dritte Funktion besteht
darin, dass der Name des zitierten Autors quasi eine indirekte Bürgschaft für den Text abgibt.
Schließlich beinhaltet die vierte Funktion, einem Werk durch das bloße Vorhandensein eines
Mottos ein gewisses Maß an Kultur bzw. Intellektualität zuzuschreiben, was auch als Motto-
Effekt bezeichnet wird und zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine Mottoschwemme
veranlasste.36
Auch das Vorwort wird von Genette zum Peritext gezählt. Dabei versteht er unter diesem
Begriff „alle Arten von auktorialen oder allographen Texten (seien sie einleitend oder
ausleitend), die aus einem Diskurs bestehen, der anlässlich des nachgestellten oder
vorangestellten Textes produziert wurde“37
. Folglich umfasst Genettes Begriff neben dem
Vorwort auch das Nachwort, das er als eine Variante des Vorwortes betrachtet. Zudem
können längere Zueignungen sowie der Waschzettel als Vorwort fungieren, das im Übrigen
nicht obligatorisch ist. Im Hinblick auf den Adressanten unterscheidet Genette verschiedene
Typen von Vorworten, wobei er gleichzeitig einräumt, dass es in der Praxis schwierig sein
kann, den genauen Vorwortadressanten auszumachen. So gibt es denn ein auktoriales oder
autographes Vorwort, bei dem der angebliche Autor Adressant des Textes ist, ein aktoriales
Vorwort, dessen Adressant eine Figur der Handlung ist, und ein allographes Vorwort, das
einer dritten Person zugeschrieben wird. Ferner bezeichnet Genette ein Vorwort als
authentisch, wenn es einer wirklichen Person zugeschrieben werden kann und dies durch alle
sonstigen paratextuellen Signale gestützt wird. Ein fiktives Vorwort wird demgegenüber einer
imaginären Person zugeschrieben, wobei es sich bei der Zuschreibung um ein Manöver
handelt, „das sich durch eine Art ansteckenden Spieltrieb aus der fiktiven Zuschreibung des
36 Genette 2001, S. 141-156 37 Genette 2001, S. 157
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Textes herleitet“38
. Ein Vorwort ist schließlich apokryph, wenn es fälschlich einer wirklichen
Person zugeschrieben wird. Grundsätzlich weist Genette darauf hin, dass sich vor allem
romanhafte Texte durch einen Fiktionsvertrag auszeichnen, der in unterschiedlichen
Elementen des Paratextes, darunter dem Vorwort, auf teilweise widersprüchliche Weise
manifestiert sein kann. Es obliegt dabei dem Leser, die einzelnen paratextuellen Elemente
sowie die Gesamtheit des Werkes hinsichtlich des Grades an Fiktionalität zu deuten.39
Genette verdeutlicht ferner, dass auktoriale Vorworte entweder authentisch oder fiktiv sein
können. Hinsichtlich des authentischen auktorialen Vorwortes unterscheidet Genette zwei
Typen. Dabei handelt es sich einerseits um den bejahenden Typus, der dadurch
gekennzeichnet ist, dass sich der wirkliche Autor im Vorwort für seinen Text verantwortlich
zeigt, was sowohl explizit, z.B. in Form einer Signatur, oder implizit erfolgen kann.
Andererseits handelt es sich um den verneinenden Typus, bei dem ebenfalls Identität
zwischen dem tatsächlichen Autor des Textes und dem Adressanten des Vorwortes vorliegt,
während das Vorwort jedoch durch einen fiktionalen Diskurs gekennzeichnet ist, in dem der
wirkliche Autor behauptet, nicht Adressant des Textes zu sein. Aufgrund seiner fiktionalen
Verleugnung des Textes tendiert das verneinende authentische auktoriale Vorwort eher zur
Fiktion. Ferner unterteilt Genette auch das fiktive auktoriale Vorwort in zwei Gruppen wie
folgt: So unterscheidet er zwischen einem fiktiven auktorialen Vorwort einerseits, dessen
Adressant mit dem angeblichen Autor identisch ist, und einem fiktiven aktorialen Vorwort,
dessen Adressant eine Figur im Werk ist, die nicht mit dem Erzähler identisch ist.40
Wie Genette ausführlich darlegt, lassen sich Vorworte auch im Hinblick auf ihre Funktionen
unterscheiden, wobei die unterschiedlichen funktionalen Typen durch Ort, Zeitpunkt und
Beschaffenheit des Adressanten bestimmt werden. Dabei macht Genette sechs grundlegende
funktionale Typen von Vorworten wie folgt aus: das auktoriale Originalvorwort, das
auktoriale Originalnachwort, das nachträgliche auktoriale Vor- oder Nachwort, das späte
Vor- oder Nachwort, das authentische allographe und aktoriale Vorwort und schließlich das
fiktionale Vorwort. Die hauptsächliche Funktion des bejahenden auktorialen
Originalvorwortes ist, „eine gute Lektüre des Textes zu gewährleisten“41
. Dazu liefert es dem
potentiellen Leser Argumente dafür, warum, vor allem aber wie der Text zu lesen ist. Ferner
38 Genette 2001, S. 183 39 Genette 2001, S. 157-189 40 Genette 2001, S. 173-187 41 Genette 2001, S. 191
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kann das Originalvorwort auch über die Entstehung des Werkes informieren. Diese
Informationen können u.a. im Fall von Fiktionen mit historischem Stoff auch in Form von
Quellenangaben erfolgen. Dabei können diese Quellenangaben auch die Form einer
Danksagung annehmen, wobei dieser dann neben der Informationsfunktion noch die Funktion
zukommt, das Werk in den Augen des Lesers aufzuwerten. 42
Anstelle eines Vorwortes, in dem der Autor mit einem potentiellen, noch uninformierten
Leser vor dessen erwarteter Lektüre eines Werkes kommuniziert, bietet das Nachwort bzw.
der Epilog dem Autor die Möglichkeit, mit dem durch die Lektüre des Werkes informierten
tatsächlichen Leser quasi auf Augenhöhe zu kommunizieren und diesem dadurch eine
„logischere und tiefgehendere Lektüre“43
zu ermöglichen. Gemäß Genette sind
Originalnachworte dennoch ein relativ seltenes Phänomen, was er darauf zurückführt, dass sie
für den Autor und aus pragmatischer Sicht weniger wirksam sind, da die dem Vorwort
zugeschriebenen Hauptfunktionen, nämlich den Leser zur Lektüre zu bewegen und ihn durch
die Lektüre zu führen, hier außer Kraft gesetzt sind.44
Im Gegensatz zum bejahenden auktorialen Vorwort besteht nun die Hauptfunktion des
verneinenden auktorialen Vorwortes sowie aller sonstigen fiktionalen Vorworte bzw.
Nachworte laut Genette darin, eine offenkundig falsche Zuschreibung des Textes
vorzunehmen, was auch als fiktionale oder spielerische Funktionsweise bezeichnet wird, mit
deren Hilfe sich Fiktion als solche inszeniert.45
Ein weiteres peritextuelles Element stellen Zwischentitel dar, bei denen es sich nach Genette
um Titel handelt, die „innerhalb des Textes oder zumindest des Buches stehen“46
und Teile,
Kapitel oder Absätze eines zusammenhängenden Werkes bezeichnen. Dabei richten sie sich
im Gegensatz zum eigentlichen Werktitel nicht an ein umfassendes Publikum, das durchaus
über den Kreis der Leser hinausgehen kann, sondern lediglich an den Leser, der sich bereits
mit dem Werk im Rahmen einer oberflächlichen oder vertiefenden Lektüre beschäftigt hat.
Ferner zeichnen sich Zwischentitel dadurch aus, dass sie im Gegensatz zum Werktitel keine
unbedingte Voraussetzung für die Existenz eines Textes, sondern durchaus entbehrlich sind.
42 Genette 2001, S. 190-227 43 Genette 2001, S. 229 44 Genette 2001, S. 228-230 45 Genette 2001, S. 265-267, 279-280 46 Genette 2001, S. 281
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So wird beispielsweise die literarische Gattung des authentischen oder fiktiven Tagebuches
dadurch charakterisiert, dass statt Zwischentiteln eine eher mechanische Unterteilung des
Textes in Form von Datumsangaben erfolgt. Darüber hinaus unterteilt Genette Zwischentitel
entsprechend ihrer Funktionsweise in thematische, rhematische oder gemischte Typen. Die
zeitgenössische narrative Fiktion kennt auch stumme Unterteilungen, die auf Zwischentitel
oder Nummern verzichten und stattdessen durch Seitenwechsel, Zwischenräume oder
Sternchen markiert werden. Des Weiteren macht Genette drei Anbringungsorte für
Zwischentitel wie folgt aus: zu Beginn eines Abschnittes, als Kolumnentitel oder im
Inhaltsverzeichnis. Dabei können sowohl Kolumnentitel als auch die Auflistung der
Zwischentitel im Inhaltsverzeichnis von einem spielerischen Hinzufügen oder Weglassen
gekennzeichnet sein.47
Schließlich zählt Genette auch Anmerkungen zum Peritext, wobei er einschränkend darauf
hinweist, dass es sich bei dieser Kategorie um einen Sammelbegriff von Elementen handelt,
denen aufgrund ihrer Nähe zum Text „eigentlich keine selbstständige Bedeutung zukommt“48
.
Er definiert folglich Anmerkungen als Aussagen, die mindestens ein Wort umfassen, sich auf
ein Detail des Textes beziehen und entweder auf dieses referieren oder in dessen Umgebung
vermerkt sind. In Abgrenzung vom Vorwort, das einen eher globalen Charakter hat, zeichnet
sich die Anmerkung durch ihren lokalen Charakter aus. Dennoch stehen die im Vorwort
geführten Diskurse mit denen des Anmerkungsapparates in enger Beziehung im Hinblick auf
Kontinuität und Homogenität. Anmerkungen können z.B. durch Ziffern indiziert, als
Marginalien oder am Kapitelende aufgeführt werden. Die Beschaffenheit möglicher
Adressanten der Anmerkungen stimmt im Wesentlichen mit der des Vorwortes überein,
woraus funktionale Übereinstimmungen zwischen Vorwort und Anmerkungen resultieren. Im
Unterschied zum Vorwort sehen die Anmerkungen jedoch eher eine fakultative Lektüre vor
und richten sich nur an die Leser, die sich bewusst auf diese Verzweigung des Textes
einlassen wollen und können. Auktoriale Anmerkungen können als Ergänzung, Abschweifung
oder Kommentare fungieren und bewirken oft Nuancierungs- und Dämpfungseffekte.
Auktionale Anmerkungen zu fiktionalen Werken weisen einen diskursiven Charakter auf und
stellen damit einen Bruch in der Aussageform dar, weshalb sie eindeutig dem Paratext
zugerechnet werden können. Schließlich tragen fiktionale Anmerkungen, unter denen Genette
47 Genette 2001, S. 281-303 48 Genette 2001, S. 304
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„Anmerkungen zu einem fiktionalen oder nicht-fiktionalen Text, deren Adressant selbst
einigermaßen fiktional ist“49
, versteht, zur Fiktion eines Textes bei.50
Im Folgenden werden abschließend nähere Erläuterungen zu einigen literarischen Gattungen
und Epochen gegeben, die für diese Untersuchung relevant sind. Dabei handelt es sich im
Einzelnen um die Begriffe Faction-Erzählungen bzw. Faction-Epik, Postmoderne Literatur,
Bildungs- bzw. Entwicklungsroman und Robinsonade.
Faction-Erzählungen bzw. Faction-Epik
Bo G. Jansson bezeichnet dieses Genre als Faction-Erzählungen bzw. Faction-Epik (meine
Übersetzung) und versteht darunter narrative Texte, die unterhaltsam und spannend gleich
einem Roman sind, von historisch verbürgten Personen und Ereignissen handeln, aber zudem
widersprüchliche Signale hinsichtlich ihres Grades an Fiktionalität an den Leser senden.51
Dabei geben diese Texte nicht nur ein historisches Geschehen wieder, oft mit Hilfe einer
Vielzahl kleiner und zumeist unbedeutender Details, sondern gestalten dieses auch dramatisch
einfühlsam und lassen es dadurch lebendig werden.52
Jansson geht in seiner Definition der Faction-Epik von einem weiten Textbegriff aus, da diese
Gattung drei Hauptformen, im Einzelnen Dokudrama, Dramadokumentation und Dokusoap,
und folglich neben dem literarischen Text auch die Medien Film und Fernsehen umfasst.
Faction-Erzählungen zeichnen sich also durch eine bewusste Ambivalenz zwischen Fiktion
und Nicht-Fiktion aus, wobei Paratext und eigentlicher Text miteinander um den jeweiligen
Grad an Fiktion und Nicht-Fiktion verhandeln. Beispielsweise kann ein und derselbe Text
textinterne Eigenschaften, wie Fokalisierung, ausführlichen Dialog und inneren Monolog,
enthalten, die charakteristischerweise mit Fiktion in Verbindung gebracht werden, und
gleichzeitig über peritextuelle Elemente in Form von fotografischen Illustrationen oder
Referenzen zu anderen Texten oder Dokumenten verfügen, die normalerweise als nicht-fiktiv
wahrgenommen werden.53
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass der Schwerpunkt
dieser Arbeit auf der Analyse des Paratextes des zu untersuchenden Werkes liegen wird,
49 Genette 2001, S. 324 50 Genette 2001, S. 304-327 51 Jansson 2006, S. 44 52 Jansson 2006, S. 44-45, 211-213 53 Jansson 2006, S. 9-12, 42-43
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während textinterne Faktoren, wie z.B. Erzählinstanz oder Erzählperspektive, aus
Platzgründen nicht berücksichtigt werden können.
Ein Text an sich ist weder fiktiv oder nicht-fiktiv, sondern der Grad an Fiktion ist ein
Ausdruck der Schriftstellerintention und der Art der Lektüre durch den Leser. Während man
bei einer nicht-fiktiven Lektüre einen Text als eine Abfolge von Aussagen auffasst, deren
Wahrheitsgehalt mit der tatsächlichen Wirklichkeit abgeglichen wird, zeichnet sich eine
fiktive Lektüre demgegenüber dadurch aus, das der Text als Aufforderung verstanden wird,
den Inhalt des Textes unabhängig von der tatsächlichen Wirklichkeit für wahr zu halten. Vor
allem mithilfe des Paratextes kann nun der Autor die Art der Lektüre durch den Leser
beeinflussen, durch eine bewusste Fehlindexierung sogar manipulieren. Jansson verdeutlicht
dieses Phänomen, indem er die Verwirrung beschreibt, die 1719 beim Erscheinen von Daniel
Defoes Robinson Crusoe entstand, und zwar erst als Reaktion darauf, dass dieses Werk auf
dem Titelblatt als Autobiographie beworben wurde, und dann kurze Zeit später, als eine
enttäuschte Leserschaft das Werk als Roman und damit als unwahr und den Autor
dementsprechend als Lügner überführte.54
Postmoderne Literatur
Dieser Begriff bezeichnet zeitgenössische literarische Werke, für die es allerdings
unterschiedliche, in Teilen sogar gegensätzliche Definitionsansätze gibt. Entsprechend eines
Ansatzes zeichnet sich die Postmoderne Literatur durch das Nebeneinander von Elite- und
Massenkultur sowie eine Pluralität der Formen aus, was eine „ironisch gebrochene
Intertextualität“ sowie die „Wiederverwendung traditioneller Formen“ bedingt. Ein anderer
Definitionsansatz schreibt der Postmodernen Literatur Merkmale der Moderne zu, nämlich
z.B. „Selbstreferenzialität der Literatur“ sowie die „Beteiligung des Lesers am Prozess der
Bedeutungsproduktion“. Gemäß einem weiteren Ansatz ist die Postmoderne Literatur jedoch
gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie sich von der Moderne abwendet. Im Rahmen dieser
Arbeit werden nun die beiden erstgenannten Definitionsansätze zugrunde gelegt.55
54 Jansson 2006, S. 9-42 55 Metzler 2007, S. 603
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Bildungs- bzw. Entwicklungsroman
Dabei handelt es sich um ein literarisches Genre, dessen Wurzeln in der Klassik liegen.56
Die
Begriffe Bildung und Entwicklung werden in der Gegenwart zumeist synonym verwendet. Im
Bildungs- bzw. Entwicklungsroman, der in Form einer fiktionalen Biographie verfasst ist,
bildet der Held seine Individualität in enger Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit aus, d.h.
vor einem bestimmten zeitgeschichtlichen Hintergrund und in einem konkreten räumlichen
Umfeld. Der anfangs jugendliche Held entwickelt dabei im Verlauf unterschiedlicher
krisenhafter Ereignisse eine gestärkte Ich-Identität.57
Robinsonade
Auch bei diesem Begriff handelt es sich um eine Romangattung. Sie weist Ähnlichkeiten mit
den Genres Utopie, Abenteuerroman und Reisebericht auf. Dabei stellt die Robinsonade eine
literarische Bearbeitung des von Daniel Defoe 1719 verfassten Reise- und Abenteuerromans
The Life and Strange Surprising Adventures of Robinson Crusoe dar. In dieser literarischen
Vorlage wird der Erlebnisbericht eines Ich-Erzählers, der nach einem Schiffbruch auf einer
einsamen Insel um sein Überleben kämpfen muss, in Form eines fiktiven Tagebuches
geschildert.58
2. Die Analyse des Materials
In diesem Kapitel wird das Werk Kruso des Schriftstellers Lutz Seiler im Hinblick auf die
darin enthaltenen intertextuellen und intermedialen Referenzen, deren Beschaffenheit,
Platzierung im Werk und die daraus resultierende Bedeutung analysiert. Die Untersuchung,
die sowohl quantitative als auch qualitative Analysemetoden umfasst, ist dabei entlang der
fünf eingangs formulierten Fragestellungen aufgebaut.
Umfang der intertextuellen und intermedialen Referenzen im Werk
Im Rahmen dieser Analyse, die überwiegend quantitativ ausgeprägt ist, geht es im
Wesentlichen darum, einen Überblick über die Vielzahl der in Seilers Werk enthaltenen
intertextuellen und intermedialen Referenzen zu erhalten. Dazu werden sowohl die
Erstausgabe des eigentlichen Werkes als auch mehrere im Internet verfügbare
literaturtheoretische Rezensionen, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung von Kruso
56 Wucherpfennig 2010, S. 101 57 Metzler 2007, S. 88-89 58 Metzler 2007, S. 656
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erschienen sind und die nach Genette eine Form von Metatexten59
darstellen, auf das
Vorhandensein entsprechender Referenzen untersucht. Grundlage der Analyse bildet Genettes
Modell der Transtextualität, genauer genommen deren erste Form, die Intertextualität. Dabei
werden Kruso und die vorerwähnten Metatexte dahingehend analysiert, ob sie Belege für die
„effektive Präsenz“60
anderer Texte in Form von Zitaten, Plagiaten oder Verweisen enthalten.
Da dieser Arbeit neben Genettes Theorierahmen auch ein weiter Textbegriff im Sinne der
Intermedialität nach Berndt/Tonger-Erk61
zugrunde liegt, werden in der Analyse Belege für
sowohl Text-Text-Beziehungen als auch Text-Bild-, Text-Film- und Text-Musik-
Beziehungen erfasst, wobei die letzteren im Rahmen dieser Untersuchung nicht nur Musik,
sondern auch Töne im weiteren Sinne einbeziehen, und zu einem Korpus zusammengestellt.
Dieser Korpus umfasst dementsprechend die Gesamtheit aller aufgefundenen intertextuellen,
intermedialen und sonstigen Referenzen in Seilers Kruso. Infolge des Umfangs und der
Komplexität des Korpus ist dieser nicht Teil des Fließtextes, sondern wird als Anhang 1 dieser
Arbeit beigefügt. Die jeweiligen Belege für Intertextualität und Intermedialität sind dazu in
einer Tabelle zusammengefasst und nach verschiedenen Kriterien sortiert.
Erstens werden die aufgefundenen Belege entsprechend der Medialität der ihnen zugrunde
liegenden Beziehungen in intertextuelle (Text-Text), intermediale (Text-Bild, Text-Film oder
Text-Musik) und sonstige Referenzen aufgeteilt, wobei die letztere Kategorie ein
Sammelbegriff für Belege ist, deren Zuordnung zu einer bestimmten Medialität nicht
eindeutig möglich ist und deren Erläuterung im Rahmen der qualitativen Analyse erfolgen
wird. Jede dieser drei Kategorien umfasst ferner mehrere Unterkategorien, im Rahmen derer
die einzelnen Belege wiederum entsprechend inhaltlicher Kriterien zu Gruppen
zusammengefasst sind. Zweitens werden die Belege hinsichtlich ihres Fundortes
unterschieden in Referenzen, die im Werk Kruso von Lutz Seiler aufgefunden wurden, und
solche, die in Rezensionen erwähnt werden.
Die einzelnen Belege sind zudem wörtlich wiedergegeben und mit Seitenangabe (Kruso) bzw.
Quellenangabe (Metatexte) versehen. Schließlich informieren weitere Kennzeichnungen u.a.
59 Genette 1993, S. 13 60 Genette 1993, S. 10 61 Berndt/Tonger-Erk 2013, S. 9
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darüber, an welchen Stellen die jeweiligen Referenzen aufgefunden wurden, was jedoch
Gegenstand der qualitativen Analyse ist, die in den folgenden vier Abschnitten erläutert wird.
Im Folgenden werden nun sämtliche Kategorien und Unterkategorien des Korpus aufgeführt
und zudem Angaben zur Anzahl der jeweiligen inhaltlichen Sammelbegriffe und der
einzelnen Belege pro Gruppe bzw. Kategorie gemacht, was aus Gründen der Übersichtlichkeit
in tabellarischer Form erfolgt. Dabei sei darauf hingewiesen, dass nicht alle Belege wörtlich
im Korpus wiedergegeben sind, sondern ähnliche Referenzen teilweise durch mehrere
Seitenangaben in derselben Klammer gekennzeichnet werden, hier aber in die Gesamtanzahl
einfließen. Zudem gibt es mehrere Belege, die gleichzeitig Formen der Intertextualität und
Intermedialität darstellen. Beispielsweise referiert der Satz „Außerdem Camus, der braune
Reclam-Band mit der Pest.“62
sowohl an einen Text, nämlich Albert Camus´ Roman Die Pest,
als auch an das Bild eines Reclam-Bandes mit braunem Einband. Derartige doppeldeutige
Belege werden hier jedoch nur einfach gezählt.
Kategorien entspr.
inhaltlicher Kriterien
Fundort: Kruso von Lutz Seiler Fundort: Rezensionen
Intertextualität – nach Gattungen und/oder Motiven –
9 Kategorien 21+6+3+0+1+1+0+5+16=53
(gesamt)
7+0+2+1+1+3+4+5+6=29 (gesamt)
Intertextualität – nach Schriftstellern –
37 Kategorien 1+4+1+2+1+1+1+1+3+1+1+3+0+1+
1+0+1+1+1+1+1+1+2+1+2+2+2+2+
1+5+1+15+4+1+1+2+0=69 (gesamt)
0+1+1+0+0+0+0+0+1+0+0+0+1+1+
1+1+1+0+0+0+0+0+0+0+2+2+0+0+
0+1+0+2+0+0+0+0+1=16 (gesamt)
46 Kategorien (gesamt) 122 Belege (gesamt) 45 Belege (gesamt)
Intermedialität – Text-Bild –
7 Kategorien 0+1+1+1+1+1+1=6 (gesamt) 1+0+0+0+1+0+0=2 (gesamt)
Intermedialität – Text-Film –
8 Kategorien 1+1+1+1+1+1+1+1=8 (gesamt) 0+0+2+0+0+0+0+0=2 (gesamt)
Intermedialität – Text-Musik (Ton) –
13 Kategorien 1+1+1+2+2+1+1+2+1+
2+1+1+14=30 (gesamt)
keine
28 Kategorien (gesamt) 44 Belege (gesamt) 4 Belege (gesamt)
sonstige Referenzen: Referenzen an reale Personen
5 Kategorien 1+1+1+0+0=3 (gesamt) 0+0+0+2+2=4 (gesamt)
sonstige Referenzen: Referenzen an Philosophen/religiöse Gurus
9 Kategorien 1+1+0+1+1+1+1+1+1=8 (gesamt) 1+1+1+1+0+0+1+0+0=5 (gesamt)
sonstige Referenzen: sprachliche Referenzen an DDR-Alltag
6 Kategorien 12+8+4+11+2+7=44 (gesamt) keine
sonstige Referenzen: Pseudozitate, nicht verifizierbare Zitate
2 Kategorien 4+5=9 (gesamt) keine
sonstige Referenzen: Selbstreferenzen (Metatext)
1 Kategorie 19 (gesamt) keine
23 Kategorien (gesamt) 83 Belege (gesamt) 9 Belege (gesamt)
97 Kategorien (insges.) 249 Belege (insgesamt) 58 Belege (insgesamt)
Tabelle 1 – Anzahl der Belege für Intertextualität und Intermedialität nach Kategorien und Gruppen
62 Seiler 2014, S. 301
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Auffallend ist die relativ hohe Anzahl von 249 Belegen insgesamt, darunter 122 Belege für
Intertextualität, verteilt auf insgesamt 46 Kategorien, und 44 Belege für Intermedialität,
verteilt auf insgesamt 28 Kategorien, die im Werk Kruso aufgefunden wurden. Eine nähere
Erläuterung der sonstigen Referenzen erfolgt im Rahmen der qualitativen Analyse im
folgenden Abschnitt. Zu beachten ist, dass es sich bei den meisten der in den Rezensionen
aufgefundenen Belege um Dubletten der Belege aus Kruso handelt, allerdings mit einigen
Ausnahmen. So konnten für fünf intertextuelle Referenzen, darunter Referenzen an die
Schriftsteller Wolfgang Hilbig, Uwe Johnson und Peter Weiss, die in den untersuchten
Rezensionen aufgeführt sind, keine ausdrücklichen Belege in Kruso gefunden werden.
Umgekehrt wurden bei der Analyse des Werkes Kruso mehrere Belege für Intertextualität und
Intermedialität, z.B. Referenzen an eine Reihe von Schriftstellern, gefunden, die durch die
untersuchten Rezensionen nicht gestützt werden. Hierbei sei jedoch darauf hingewiesen, dass
aus Gründen der Hantierbarkeit dieser Untersuchung lediglich dreizehn Rezensionen
herangezogen werden konnten, was nur einer kleinen Auswahl aller existierenden
Rezensionen entspricht.
Schließlich zeichnen sich vier Gruppen von Referenzen durch eine außergewöhnlich hohe
Anzahl an Belegen aus. Dabei handelt es sich im Einzelnen um drei Gruppen von
intertextuellen Referenzen, nämlich Robinsonade/Schiffbruch-Referenzen mit 21 Belegen,
Bibel-Referenzen mit 16 Belegen, und Referenzen an den Schriftsteller Georg Trakl mit 15
Belegen, sowie um die Gruppe der intermedialen Referenzen an den Deutschlandfunk mit 14
Belegen, was auf eine besondere Bedeutung dieser Referenzen für Seilers Werk schließen
lässt.
Zusammenfassend legen die Ergebnisse der überwiegend quantitativ ausgerichteten Analyse
nahe, dass Seilers Werk eine Vielzahl und Vielfalt an intertextuellen und intermedialen
Referenzen enthält, was sich in der hohen Anzahl von sowohl aufgefundenen Belegen als
auch ermittelten Kategorien entsprechend inhaltlicher Kriterien zeigt.
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Formen der intertextuellen und intermedialen Referenzen im Werk
Mit Hilfe einer qualitativen Analyse soll im Folgenden ergründet werden, welche Formen die
unterschiedlichen Belege für Intertextualität und Intermedialität im Werk Kruso annehmen.
Hierbei wird wiederum Genettes Analysemodel der Intertextualität63
zugrunde gelegt. Dies
bedeutet konkret, dass die einzelnen im Korpus (siehe Anhang 1) aufgelisteten Belege
dahingehend analysiert werden, inwieweit es sich bei ihnen um Zitate, also die mehr oder
wenige wörtliche Wiedergabe anderer Texte, um Plagiate, d.h. die im Wesentlichen wörtliche
Wiedergabe anderer Texte ohne ausdrückliche Kenntlichmachung, oder um Anspielungen,
also eher implizite Verweise auf andere Texte, handelt. Laut Genette zeichnen sich Zitate
zudem dadurch aus, dass sie mit Anführungszeichen und „mit oder ohne genaue
Quellenangabe“64
versehen sind. Auch in dieser Analyse wird dabei von einem weiten
Textbegriff im Sinne der Intermedialität nach Berndt/Tonger-Erk65
ausgegangen, was
bedingt, dass Referenzen sowohl in Form einzelner Wörter bis hin zu zusammenhängenden
Texten als auch in Form von Bildern, Filmen und Musik bis hin zu Tönen im Allgemeinen
berücksichtigt werden.
Die Ergebnisse der Analyse des Korpusmaterials werden aus Gründen der Übersichtlichkeit in
Form einer Tabelle im Folgenden zusammengefasst. Dabei wird die Anzahl der in Seilers
Werk aufgefundenen Zitate, Plagiate und Anspielungen – nach Kategorien sortiert –
aufgelistet:
63 Genette 1993, S. 10 64 Genette 1993, S. 10 65 Berndt/Tonger-Erk 2013, S. 9
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Zitate davon: nicht verifiziert
bzw. Pseudozitate
Plagiate Anspielungen
Intertextualität – nach Gattungen und/oder Motiven – 53 Belege
3 0 34 16
Intertextualität – nach Schriftstellern – 69 Belege
15 4 (davon 3 Pseudozitate) 52 2
18 (gesamt) 86 (gesamt) 18 (gesamt)
Intermedialität – Text-Bild – 6 Belege
1 0 4 1
Intermedialität – Text-Film – 8 Belege
1 1 6 1
Intermedialität – Text-Musik (Ton) – 30 Belege
11 5 18 1
13 (gesamt) 28 (gesamt) 3 (gesamt)
sonstige Referenzen: Referenzen an reale Personen 3 Belege
0 2 1
sonstige Referenzen: Referenzen an Philosophen/religiöse Gurus 8 Belege
0 6 2
sonstige Referenzen: sprachliche Referenzen an DDR-Alltag 44 Belege
0 44 0
sonstige Referenzen: Pseudozitate, nicht verifizierbare Zitate 9 Belege
7 7 (davon Pseudozitate: 3) 1 1
sonstige Referenzen: Selbstreferenzen (Metatext) 19 Belege
0 0 19
7 (gesamt) 53 (gesamt) 23 (gesamt)
38 (insgesamt) 167 (insgesamt) 44 (insgesamt)
Tabelle 2 - Anzahl Zitate, Plagiate und Anspielungen nach Kategorien
Wie sich auf den ersten Blick erkennen lässt, scheint es sich bei der Mehrzahl der Belege für
Intertextualität und Intermedialität in Seilers Werk um Plagiate zu handeln, auf jeden Fall
entsprechend einer engen Deutung von Genettes Begriffsapparat. So sind 167 der insgesamt
249 Belege des Korpus Plagiate, darunter 86 Belege der insgesamt 122 intertextuellen Belege
und 28 der insgesamt 44 intermedialen Belege. Im Korpus sind übrigens nur wenige Belege
ausdrücklich als Plagiate markiert; vielmehr handelt es sich auch bei allen nicht explizit
gekennzeichneten Belegen um Plagiate, wobei viele dieser Belege eine Form von
„Namedropping“ darstellen, z.B. in Form der Wiedergabe eines Schriftstellernamens in der
Kategorie Intertextualität – nach Schriftstellern oder eines Produktnamens in der Kategorie
Sonstige Referenzen – sprachliche Referenzen an den DDR-Alltag.
Die Zuordnung zu den drei Formen der Intertextualität ist dabei nicht unproblematisch, weil
viele Belege in dieser Untersuchung nur deshalb als Plagiate gerechnet wurden, da sie nicht
ausdrücklich mit Anführungszeichen in Seilers Werk gekennzeichnet sind. Einige dieser
Belege, die nämlich statt mit Anführungszeichen kursiv hervorgehoben sind, könnten aber bei
großzügiger Deutung von Genettes Intertextualitätsbegrif durchaus als Zitate berücksichtigt
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werden. Zudem ist zu beachten, dass mehrere der Belege, die im Rahmen dieser Arbeit als
Zitate gerechnet wurden, Teil von direkter Rede sind und daher per se in Anführungszeichen
stehen. Auf jeden Fall macht diese Analyse auch deutlich, dass der Referenzapparat in Kruso
nicht konsequent ist, was sicherlich mit der Gattung dieses Werks zu tun hat, wie in einem
späteren Abschnitt erläutert wird.
Nur zwei der insgesamt 38 als Zitate ermittelten Belege für Intertextualität und Intermedialität
in Seilers Werk sind übrigens mit einer Quellenangabe versehen, die in unmittelbarer
räumlicher Nähe zum jeweiligen Zitat steht. Hierbei handelt es sich einerseits um das Motto
in Kruso: „››Um jedoch auf meinen neuen Gefährten zurückzukommen, so gefiel mir dieser
außerordentlich.‹‹ Daniel Defoe, Robinson Crusoe“66
und andererseits um die
„Umschlagabbildung: Seekartenausschnitt vom Standort des Leuchtturms Dornbusch,
Hiddensee © Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH)“67
. An dieser Stelle wird
auf die vierte der insgesamt fünf Fragestellungen dieser Untersuchung verwiesen, deren
Analyse Gegenstand des übernächsten Abschnitts ist. Im Rahmen dieser Analyse wird zu
ermitteln sein, inwiefern intertextuelle und intermediale Referenzen in Kruso explizit sind in
dem Sinne, dass sie ausdrücklich im Kapitel Dank aufgeführt werden. Entsprechend einer
dieser Arbeit zugrunde liegenden Hypothese handelt es sich bei diesem Kapitel um eine Art
von Quellenverzeichnis, das sich allerdings nicht in unmittelbarer räumlicher Nähe zu den
jeweils aufgeführten Referenzen befindet, da es als letztes Kapitel am Schluss des Werkes
steht.
Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt bemerkt wurde, umfasst der Belegkorpus (siehe
Anhang 1) neben den intertextuellen und intermedialen Referenzen auch eine Reihe von
sonstigen Referenzen. Hierbei handelt es sich um drei Belege für Referenzen an reale
Personen, von denen zwei als Plagiate und eine als Anspielung gewertet werden, um acht
Belege für Referenzen an Philosophen oder religiöse Gurus, von denen sechs Plagiate und
zwei Anspielungen sind, sowie um 44 Belege für sprachliche Referenzen an den DDR-Alltag
in Form von Marken, Produkten, Abkürzungen, Institutionen, Abläufen und sonstigen
sprachlichen Besonderheiten, die ausnahmslos den Plagiaten zugerechnet werden. Ferner gibt
es eine Kategorie, Sonstige Referenzen, in denen neun Belege gesammelt sind, bei denen es
sich um sieben Zitate oder Pseudozitate, ein Plagiat und eine Anspielung handelt, die nicht
66 Seiler 2014, S. 7 67 Seiler 2014, Schutzumschlag/Klappentext
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durch Recherche im Internet oder in sonstigen Sekundärmedien verifiziert werden konnten.
Schließlich umfasst der Korpus eine letzte Kategorie, bei der es sich um Selbstreferenzen im
Sinne eines Metatextes handelt. Diese Kategorie wird eingehender im nächsten Abschnitt
erläutert.
Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass im Rahmen dieser qualitativen Analyse das
Plagiat als häufigste Form der in Seilers Werk aufgefundenen Referenzen für Intertextualität
und Intermedialität identifiziert wurde, auch wenn die formelle Zuordnung nicht ganz
unproblematisch ist, was nicht zuletzt auf die inkonsequente Gestaltung des
Referenzapparates zurückzuführen ist.
Platzierung der intertextuellen und intermedialen Referenzen im Werk
Im Rahmen einer weiteren qualitativen Analyse soll im Folgenden untersucht werden, an
welchen Stellen in Kruso intertextuelle und intermediale Referenzen auftreten. Den
theoretischen Hintergrund dieser Fragestellung bilden Genettes zweite Form der
Transtextualität, die sogenannte Paratextualität,68
seine Ausführungen zum Paratext,69
wobei
die Erläuterungen zum Peritext70
von besonderer Relevanz für diese Arbeit sind, sowie die
Interpretation von Genettes Begriff der Metatextualität nach Berndt/Tonger-Erk,71
der zufolge
auch selbstreferentielle Kommentare in literarischen Werken Metatexten darstellen.
Wie im dieser Arbeit beigefügten Korpus (Anhang 1) zu ersehen ist, wurden die im Werk
aufgefundenen Belege intertextueller, intermedialer und sonstiger Referenzen dahingehend
gekennzeichnet, an welcher der zehn von Genette definierten Stellen im Peritext sie sich
befinden. Im Umkehrschluss sind alle Belege, die keine derartige Markierung aufweisen,
nicht Teil des Peritextes, und damit auch nicht des Paratexes, sondern wurden stattdessen im
eigentlichen Text aufgefunden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die Ergebnisse
dieser Analyse in der folgenden Tabelle zusammengefasst:
68 Genette 1993, S. 10-11 69 Genette 2001, S. 9-21 70 Genette 2001, S. 12 71 Berndt/Tonger-Erk 2013, S. 118-119
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Lfd.
Nr.
Element des Peritextes nach Genette72
Anzahl der Belege Kategorien
1 verlegerischer Peritext 1 Intermedialität (Umschlaggestaltung)
2 Name des Autors -
3 Titel 1 Intertextualität
4 Waschzettel -
5 Widmungen 1 sonstige Referenzen (reale Person)
6 Motto 1 Intertextualität
7 Vorwort -
8 andere Vorworte (Nachwort, Epilog) 8 Intertextualität (6 Belege)
Intermedialität (2 Belege)
9 Zwischentitel 11 Intertextualität (9 Belege)
Intermedialität (2 Belege)
10 Anmerkungen -
gesamt 23
Tabelle 3 - Platzierung intertextueller, intermedialer und sonstiger Referenzen im Peritext
Wie der Tabelle zu entnehmen ist, wurden lediglich 23 Belege für intertextuelle, intermediale
und sonstige Referenzen im Peritext, und somit folglich im Paratext des Werkes Kruso,
aufgefunden. Die überwiegende Mehrzahl aller Belege, nämlich 226 Belege, wurde somit
nicht im Paratext, sondern im eigentlichen Text von Seilers Werk ermittelt. Zudem wird
deutlich, dass es sich bei siebzehn und damit den meisten dieser 23 Belege um Belege für
Intertextualität handelt, während nur fünf Belege für Intermedialität und lediglich ein Beleg
für sonstige Referenzen aufgefunden wurden. An vier Positionen des Peritextes wurden
jedoch keinerlei Belege für Intertextualität, Intermedialität oder sonstige Referenzen
aufgefunden.
Die Entscheidung darüber, an welcher Stelle in Kruso sich die aufgefundenen intertextuellen,
intermedialen und sonstigen Referenzen genau befinden, ist allerdings nicht unproblematisch.
Einerseits beruht dies auf der Tatsache, dass Genettes Definitionen des verlegerischen
Peritextes73
Überschneidungen mit seinen Definitionen des Titels, der Widmung und der
Motti aufweisen. In dieser Untersuchung wurde nun bewusst nur die Umschlaggestaltung als
einziger Beleg, in diesem Fall in Form einer intermedialen Referenz, dem verlegerischen
Peritext zugerechnet, während jeweils ein Beleg ausdrücklich als dem Titel, der Widmung,
hier in Form einer Zueignung, und den Motti zugehörend ausgewiesen wird. Dabei handelt es
sich im Einzelnen um jeweils eine intertextuelle Referenz, die im Titel und im Motto des
Werkes aufgefunden wurde. Demgegenüber ist die in der Widmung ermittelte Referenz eine
sonstige Referenz in Form einer realen Person.
72 Genette 2001 73 Genette 2001, S. 22-40
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Andererseits wurde die Analyse dadurch erschwert, dass das erste Kapitel in Seilers Werk,
Kleiner Mond, durchaus als Vorwort im Sinne von Genettes Definition74
aufgefasst werden
könnte, vor allem infolge seiner exponierten Lage im Werk. So befindet sich zwischen diesem
und dem folgenden Kapitel eine leere Seite, die auch im Inhaltsverzeichnis durch eine
Leerzeile abgebildet ist. Allerdings spricht gegen die Deutung als Vorwort, dass der Inhalt
dieses Kapitels offensichtlich keinen diskursiven Charakter hat, weshalb die in diesem Kapitel
aufgefundenen sonstigen Referenzen in Form von sprachlichen Referenzen an den DDR-
Alltag auch nicht separat ausgewiesen wurden.
Schließlich enthält der Belegkorpus (Anhang 1) die Kategorie Selbstreferenzen/Metatexte.
Zusätzlich ist eine intertextuelle Referenz an den Schriftsteller Georg Trakl gleichzeitig als
Metatext gekennzeichnet. Bei diesen Belegen handelt es sich nun um Referenzen, die im
Sinne von Berndt/Tonger-Erks75
Deutung des Metatextualitätsbegriffes nach Genette
selbstreferentielle Kommentare in Seilers Werk darstellen, wie z.B. „Edgar Bendler hatte
beschlossen, zu verschwinden, ein Satz wie aus einem Roman.“76
. Analog diesem Beispiel
kommentiert der Erzähler in diesen Referenzen den Prozess des Erzählens bzw. Schreibens,
weshalb diese Referenzen im Sinne von selbstreferentiellen Kommentaren zum eigentlichen
literarischen Werk, Seilers Kruso, gewertet werden können.
Zusammenfassend haben die Ergebnisse dieser qualitativen Analyse deutlich gemacht, dass
lediglich eine Minderheit aller im Werk aufgefundenen, und zwar hauptsächlich
intertextuelle, Referenzen, im Peritext und folglich im Paratext von Seilers Kruso platziert
ist, während die Mehrzahl der aufgefundenen Referenzen im eigentlichen Text steht. Zudem
konnten Referenzen im Werk ermittelt werden, die selbstreferentiellen Charakter haben und
damit Metatexte darstellen.
Grad an Explizitheit der Referenzen im Werk
Mit Hilfe der folgenden Analyse soll ein Einblick darin verschafft werden, welche der in
Seilers Werk enthaltenen intertextuellen, intermedialen und sonstigen Referenzen explizit in
Erscheinung treten. Grundlage dieser Untersuchung bilden Genettes theoretische
74 Genette 2001, S. 157 75 Berndt/Tonger-Erk 2013, S. 118-119 76 Seiler 2014, S. 26
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Erläuterungen zur Intertextualität77
sowie zur Paratextualität mit einem Schwerpunkt auf den
peritextuellen Elementen Vorwort und andere Vorworte.78
Wie bereits erwähnt, liegt dieser Arbeit die Hypothese zugrunde, dass es sich beim Kapitel
Dank79
um eine Art von Quellenverzeichnis handelt, welches sich allerdings im Gegensatz zu
den im ersten Abschnitt behandelten Quellenangaben nicht in unmittelbarer räumlicher Nähe
zu den jeweiligen Referenzen befindet, sondern stattdessen am Schluss des Werkes steht. Die
Hypothese wird dabei vor allem durch Genettes Definition des Vorwortes sowie der anderen
Vorworte gestützt. So schreibt Genette dem Vorwort u. a. eine Informationsfunktion zu, die
auch die Angabe von Quellen beinhalten kann. Dabei räumt er ergänzend ein, dass als
Sonderfall dieser Quellenangaben unter Umständen „Danksagungen an Personen und
Institutionen […], die dem Autor bei der Vorbereitung, Abfassung und Herstellung eines
Buches verschiedentlich geholfen haben“80
, angesehen werden können. Aufgrund der
Platzierung des Kapitels Dank am Schluss des Werkes ist nun davon auszugehen, dass es sich
dabei nicht um ein Vorwort im eigentlichen Sinne, sondern stattdessen eher um eine Art
Nachwort, also eine Unterform des peritextuellen Elementes andere Vorworte, handelt.
Als Konsequenz dieser Hypothese, der zufolge die Danksagung als eine Art von
Quellenverzeichnis funktioniert, resultiert nun die Entscheidung, diejenigen der im Werk
aufgefundenen Referenzen, die ausdrücklich im Kapitel Dank aufgeführt sind, als explizit im
Sinne dieser Untersuchung zu betrachten. Im Umkehrschluss werden Referenzen, die nicht in
diesem Kapitel aufgeführt sind, im Rahmen dieser Arbeit als implizit aufgefasst. Im
Folgenden wird nun der Inhalt des Kapitels Dank, der sich auf Texte im weitesten Sinne
bezieht, auf Übereinstimmungen mit den im Korpus (siehe Anhang 1) zusammengestellten
Belegen für intertextuelle, intermediale und sonstige Referenzen verglichen. Dabei werden
Danksagungen an natürliche Personen nicht berücksichtigt. Das Ergebnis dieses Vergleiches
wird aus Gründen der Übersichtlichkeit in tabellarischer Form präsentiert:
77 Genette 1993, S. 10 78 Genette 2001, 157 f., 228 f. 79 Seiler 2014, S. 480-481 80 Genette 2001, S. 205
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Lfd.
Nr.
Bestandteile des Kapitels Dank81
Belege im Korpus
(Anhang 1)
Kommentare
1 Dokumentationen Ûber die Ostsee in
die Freiheit und Hinter dem
Horizont liegt die Freiheit von
Christine Vogt-Müller und Bodo
Müller
S. 439 (Epilog, Plagiat)
2 Flugtrute Østersøen von Jesper
Clemmensen
S. 475 (Epilog, Plagiat)
3 László F. Földényis Überlegungen
zu Perspektiven der Freiheit in
Europa nach 1989
keine Belege Perspektiven der Freiheit ist
als Werk in deutscher
Übersetzung nicht verifi-
zierbar!82
4 Gedicht Melopee des flämischen
Dichters Paul van Ostaijen in der
Übertragung von Klaus Reicherts
S. 91 (Zwischentitel, Plagiat)
S. 96-97, 248,289 (Zitate)
5 verstreute Zitate aus Robinson
Crusoe von Daniel Defoe in der
Übersetzung Anna Tuhtens in
Ausgabe des Verlags Philipp Reclam
jun. Leipzig 1950
S. 7 (Motto, Zitat) Zitat in Anna Tuhtens
Übersetzung nicht
verifizierbar; Abweichung:
„Um jedoch auf meinen neuen
Gefährten zurückzukommen,
so gefiel mir dieser derselbe
außeror-dentlich.“
keine sonstigen Zitate
auffindbar!
6 Antonin Artaud wird in
Nachdichtung Elena Kapraliks
wiedergegeben
S. 108 (Plagiat)
S. 205 (2 Zitate: 1 nicht verif.)
S. 238 (Pseudozitat)
7 Verse aus Georg Trakl enstammen
dem von Franz Fühmann
herausgegebenen Band Von
Feuerschlünden. Erfahrungen mit
Georg Trakls Gedicht, Hinstorff
Verlag 1984
insgesamt 15 Belege für
Referenzen, darunter:
4 Zitate (S. 173,274,292,414),
2 Zwischentitel (S. 15, 129),
1 Plagiat (S. 467, Epilog)
intressant:
genaue Quellenangabe im
Dank!
8 aus „Edgars Beständen“ Zeilen von:
Jürgen Becker keine Belege
Friedrich Nietzsche S. 219, 362 (Zitat)
Gottfried Benn keine Belege
Peter Huchel S. 345 (Zitat)
9 in „einzelnen Sätzen werden zitiert“:
Fjodor Dostojewski S. 195 (Plagiat)
S. 242 (Zwischentitel, Plagiat)
S. 248 (Plagiat)
Marguerite Duras keine Belege
Don DeLillo keine Belege
Thomas Morus S. 258 (Zitat)
Das Alte Testament insgesamt 16 Belege für
Referenzen
Keine Unterscheidung in Altes
und Neues Testament
Nachrichten und Wetterberichte des
Deutschlandfunks
insgesamt 14 Belege für
Referenzen
Zitate sind im Prinzip nicht
verifizierbar, da kein Zugang
zum Tonarchiv erfolgte
17 Positionen (gesamt) 12 Positionen belegt
(gesamt)
davon: 5 Positionen nicht
belegt (gesamt)
Tabelle 4 - Vergleich Dank mit aufgefundenen intertextuellen, intermedialen und sonstigen Referenzen 81 Seiler 2014, S. 480-481 82 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%A1szl%C3%B3_F._F%C3%B6ld%C3%A9nyi, eingesehen am 05.01.2016
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Die Auswertung der Tabelle zeigt, dass es grundsätzlich mehr Übereinstimmungen als
Abweichungen zwischen den im Kapitel Dank aufgeführten Quellen und den im Werk
aufgefundenen intertextuellen, intermedialen und sonstigen Referenzen gibt. Konkret können
Übereinstimmungen zwischen den in Kruso aufgefundenen Referenzen mit zwölf der in der
Danksagung aufgeführten Quellen festgestellt werden, die folglich als explizite Referenzen im
Sinne dieser Untersuchung betrachtet werden. Darunter befinden sich beispielsweise
Referenzen, die den vier größten Gruppen von Referenzen, die im Rahmen der quantitativen
Analyse im ersten Abschnitt ermittelt wurden, angehören, nämlich Referenzen an Daniel
Defoes Robinson Crusoe, die Bibel bzw. Das Alte Testament, Georg Trakl sowie an den
Deutschlandfunk. Demgegenüber lassen sich für lediglich fünf der im Dank aufgeführten
Quellen keine Referenzen in Seilers Werk finden, und zwar weder für Földényis
Überlegungen zu Perspektiven der Freiheit, Jürgen Becker, Gottfried Benn, Marguerite
Duras, noch zu Don DeLillo.
Was die Tabelle allerdings nicht verdeutlicht ist, dass es sehr viele der im Werk
aufgefundenen intertextuellen, intermedialen und sonstigen Referenzen gibt, für die im Dank
keine Quellenangaben aufgeführt sind, was diese damit zu impliziten Referenzen im Sinne
dieser Arbeit macht. Wie jedoch ein Blick auf die im ersten Abschnitt enthaltene Tabelle 1
zeigt, wurden im Rahmen der quantitativen Analyse insgesamt 97 unterschiedliche
Kategorien festgestellt, zu denen sämtliche im Werk aufgefundenen Referenzen zugeordnet
werden können. Nach Abzug der im Rahmen dieser qualitativen Untersuchung ermittelten
zwölf expliziten Referenzen verbleiben 85 Kategorien, deren Referenzen somit impliziten
Charakter im Sinne dieser Untersuchung haben.
Zu den impliziten Referenzen gehören beispielsweise die Anspielung in Form des Namens
einer Hauptfigur, Ed, an die Hauptfigur Edgar Wibeau in Die neuen Leiden des jungen W. von
Ulrich Plenzdorf und das Plagiat „eine Abhandlung über Faust in Italien von Paola Del
Zoppo“83
. Die letztere Referenz stellt sich zudem als fehlerhaft heraus, da diese Abhandlung
erst 2009, und somit zehn Jahre, nachdem sich die Handlung im Werk zugetragen haben soll,
und zudem lediglich in italienischer Originalsprache84
veröffentlicht wurde. Es gibt aber auch
Belege für Zitate, die in Seilers Werk aufgefunden wurden, aber nicht als Quelle im Dank
83 Seiler 2014, S. 296 84 Irisnews, http://irisnews.net/paola-del-zoppo/, eingesehen am 02.01.2016
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verzeichnet sind, darunter ein mit Anführungszeichen markierter Auszug aus dem Gedicht
Kirschblüte bei der Nacht85
des Dichters Barthold Heinrich Brockes.
Ferner ist noch anzumerken, dass sich unter den expliziten Referenzen auch solche befinden,
die im Rahmen der im zweiten Abschnitt vorgenommenen qualitativen Analyse als Plagiate
identifiziert wurden, da sie entsprechend Genettes Definition86
zwar wörtlich wiedergegeben,
aber nicht mit Anführungszeichen markiert sind. Hinsichtlich der ebenfalls expliziten
Referenzen an den Deutschlandfunk zeigt sich zudem deutlich, dass Seiler bei der
typografischen Ausgestaltung seines Referenzapparates inkonsequent ist, da einige der
aufgefundenen Belege für intermediale Referenzen mit Anführungszeichen hervorgehoben
werden, während andere kursiv geschrieben sind.
Schließlich deuten die Ergebnisse dieser qualitativen Untersuchung darauf hin, dass die
Danksagung in Seilers Werk ein selektives und unvollständiges Quellenverzeichnis darstellt,
was allerdings mit der Inkonsequenz, die hinsichtlich der Ausprägung des Referenzapparates
im Werk festgestellt wurde, in Verbindung zu stehen scheint. Nähere Betrachtungen hierzu
werden im anschließenden letzten Abschnitt angestellt.
Zusammenfassend hat sich im Rahmen dieser qualitativen Analyse gezeigt, dass es zwar
zwölf explizite Referenzen gibt, dass aber die Mehrzahl aller in Seilers Werk aufgefundenen
Referenzen impliziten Charakter im Sinne dieser Arbeit hat.
Bedeutung besonders relevanter Referenzen im Werk
Im Rahmen dieser abschließenden qualitativen Analyse soll Klarheit in die Frage nach der
Bedeutung besonders relevanter intertextueller, intermedialer und sonstiger Referenzen in
Seilers Kruso gebracht werden, die ihnen nicht zuletzt infolge ihrer Beschaffenheit und
Platzierung sowie ihres Grades an Explizitheit zukommt. Diese Untersuchung stützt sich
dabei vor allem auf den zweiten, vierten und fünften Typ in Genettes Modell der
Transtextualität, und zwar im Einzelnen die Paratextualität,87
Hypertextualität88
und
85 Seiler 2014, S. 19 86 Genette 1993, S. 10 87 Genette 1993, S. 11-13 88 Genette 1993, S. 15
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Architextualität.89
Daneben gründet sich diese Analyse auch in gewissem Maß auf den
Begriff der Faction-Erzählungen bzw. Faction-Epik, so wie er bei Jansson90
erörtert ist.
Der Begriff der Paratextualität wird insofern von Bedeutung sein, als mehrere Elemente des
Paratextes, genauer gesagt des Peritextes, eine wichtige Rolle beim sogenannten
Gattungsvertrag,91
d. h. der Verhandlung zwischen Autor und Leser um die Gattung des
jeweiligen literarischen Werkes, spielen. Der Begriff der Hypertextualität ermöglicht
demgegenüber, die Vieldeutigkeit92
eines Werkes zu erkennen, indem der einem literarischen
Werk zugrunde liegende Hypotext mit Hilfe einer sogenannten relationale Lektüre ermittelt
wird. Schließlich dient auch der Begriff der Architextualität – in Ergänzung zur
Paratextualität – dazu, Hinweise über die Gattungszugehörigkeit eines literarischen Textes zu
deuten, indem der diesem Text zugrunde liegende Architext93
hergeleitet wird.
Ermittlung eines Hypotextes
Im Rahmen einer relationalen Lektüre wird im Folgenden analysiert, inwiefern ein Text einen
möglichen Hypotext zu Seilers Werk darstellt. Grundsätzlich kommen gleich mehrere Texte
für eine derartige Lektüre in Frage, z.B. Ulrich Plenzdorfs Die neuen Leiden des jungen W.,
Uwe Tellkamps Der Turm. Geschichte aus einem versunkenen Land oder Christoph Heins
Der Tangospieler. Um aber den Rahmen dieser Untersuchung nicht zu überschreiten, wird die
relationale Lektüre auf nur einen Text begrenzt. Angesichts seiner bereits nachgewiesenen
namentlichen und inhaltlichen Nähe, die vor allem durch eine Vielzahl entsprechender Belege
für intertextuelle, intermediale und sonstige Referenzen im Korpus (siehe Anhang 1)
dokumentiert wurde, bietet sich hierfür Daniel Defoes Robinson Crusoe an. Im Folgenden
werden wesentliche Erkenntnisse der vergleichenden Lektüre zwischen Seilers Kruso und
Defoes Werk in Form einer Tabelle stichpunktartig aufgeführt:
89 Genette 1993, S. 13-14 90 Jansson 2006, S. 44 91 Genette 1993, S. 11-13 92 Genette 1993, S. 526-535 93 Genette 1993, S. 13-14
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Robinson Crusoe
Kruso
Romantitel = Anspielung an Robinson Crusoe
obwohl die Hauptfigur Edgar Bendler (=Freitag) ist
(S. 80, 105)
Vorwort: „Um jedoch auf meinen neuen Gefährten
zurückzukommen, so gefiel mir dieser
außerordentlich.“ = Zitat aus Robinson Crusoe (S.7)
Tagebuchstil: Ich-Erzähler Robinson Crusoe
(ab s. 21)
Referenzen an Tagebuchstil: ab Kapitel Das
Tagebuch (S. 62): Einträge in kleinen Hermes-
Kalender von Ich-Erzähler Ed (Edgar Bendler)
Literarische Perspektive:
Ich-Erzähler Robinson Crusoe Literarische Perspektiven:
Er-Erzähler, Hauptfigur: Edgar Bendler (S. 108),
Ich-Erzähler Ed bei Kalendereinträgen und Epilog
Kruso ist Nebenfigur; Ed=Freitag ist Hauptfigur
-> Perspektivverschiebung
Motiv:
Ausblendung des Weltgeschehens zugunsten einer
Perspektive auf das Individuum
Politische Wende 1989 in der DDR wird auch nahezu
ausgeblendet zugunsten einer individuellen
Perspektive (S. 244, 284-285)
Motiv:
Insel „Die Insel der Verzweiflung“ (S. 21)
Insel als Zufluchtsort/Schutz (S. 32-33, 164-165)
-> Umkehrung der emotionalen Bedeutung des
Inselmotives
Motiv:
Mensch in Notlage zum Äußersten fähig/Betonung
von körperlicher Anstrengung, Arbeit (S. 10, 24, 34)
-> Bildungs-/Entwicklungsroman
Ed (und nahezu die gesamte Mannschaft im Klausner)
wird vom „Kopfarbeiter“ zum „Malocher“ im
Abwasch (S. 79-80)
Motiv:
Bedeutung von geistiger Bildung sowie von Literatur
(S. 19/20)
Ed und Kollegen haben Hochschulabschluss/-
erfahrung; viele literarische Referenzen und Zitate
Motiv:
Geld wertlos außerhalb der Zivilisation (S. 16. 50)
Geld steht im Prinzip nicht zur Verfügung, stattdessen
Naturalien (Essen, Wein usw.)
Motiv:
Verteidigung (gegen Bestien und Kannibalen)
(S. 17, 66)
-> Umkehrung des Verteidigungsmotives:
Verteidigung gegen übermächtigen Staat durch innere
Emigration
(statt Kannibalen Soldaten, die die eigenen Landsleute
bei der Flucht erschießen!)
Motiv:
Gefahr beim Stranden auf der Insel (S.21)
Gefährliche Anreise (Hotelszene in Stralsund, S. 30)
Motiv:
Flucht als Rettung vor Einsamkeit (S. 58)
Flucht als Rettung vor totalitärem Staat,
Referenzen an Fluchtversuche z.B.im Nachwort
(ab S. 437)
Motiv:
Fernglas (S. 47) zum Schutz Crusoes
Fernglas als Instrument der Sehnsucht für den Blick
nach Moen (S. 122-123)
Motiv:
Freiheit – Unfreiheit (S. 59)
Inszenierte Freiheit im Klausner inmitten von
staatlicher Unfreiheit
Motiv:
Rhythmus/Rutinen wichtig (S. 23)
Täglich wiederkehrende Rutinen im Klausner
(S. 61, 80)
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Motiv:
Unterschiedliche Ansiedelungen Crusoes: „die Burg,
den Landsitz (meine sogenannte Villa) und die
Anlagen im Walde“ (S. 46)
Krusos weit verzweigtes Netz aus
Übernachtungsplätzen (S. 164-175)
Motiv:
Männerbeziehung
Herr/Lehrmeister vs. Diener/Schüler, Freund (S. 52,
54)
Liebe (S. 56)
Männerbeziehung Kruso – Ed enthält
dementsprechende Elemente, z.B Blutsbrüderschaft
(S. 319)
Motiv:
Untertanen: Crusoe erhält „förmlichen Reichtum an
Untertanen“ (S. 66)
Crusoe instruiert neue Inselbewohner (S. 78)
Nebenfigur Kruso „herrscht“ über „Gestrandete“ =
Untertanen durch „Vergabe“
Motiv:
Rettung durch Schiff (S. 77)
Panzerkreuzer holt totkranken Kruso ab (S. 420-422)
Tabelle 5 - Ergebnisse der relationalen Lektüre zwischen Kruso und Robinson Crusoe
Wie aus der Tabelle hervorgeht, weist Seilers Werk nicht nur namentliche Ähnlichkeiten mit
Robinson Crusoe auf, sondern zeigt zudem auch mehrere Übereinstimmungen hinsichtlich
von Motiven. Allerdings werden auch einige wesentliche Unterschiede zwischen den Werken
deutlich, die sich z.B. in der Verschiebung der Erzählerperspektive und in der Umkehrung
einiger Motive äußern. Aufgrund der unter Beweis gestellten Ähnlichkeiten kann jedoch
davon ausgegangen werden, dass Robinson Crusoe einen Hypotext zu Seilers Werk darstellt,
was damit Kruso zum Hypertext macht.
Unter Berücksichtigung von Genettes Analyseapparat kann der Hypertext Kruso als Produkt
einer indirekten Transformation, auch Nachahmung oder Imitation94
genannt, betrachtet
werden. Ausschlaggebend hierfür ist die Feststellung, dass Seiler in seinem Werk, dem
Hypertext, „etwas anderes auf dieselbe Weise“95
als im Hypotext sagt, was sich darin
manifestiert, dass Kruso einen anderen Helden, nämlich Ed, hat, und dass sich die Handlung
an einem anderen Ort und in einer anderen Zeit abspielt. Zudem lässt die Vielzahl und
Vielfalt der in Seilers Werk aufgefundenen und in den vorstehenden Abschnitten analysierten
Referenzen vermuten, dass es neben Defoes Werk noch weitere Hypotexte gibt, was
wiederum die Annahme bestärkt, dass es sich bei Kruso um das Produkt einer indirekten
Transformation handelt. Obwohl Genettes Kategorisierung teilweise schwer nachvollziehbar
ist, was nicht zuletzt daran liegt, dass er unterstellt, dass jedem Hypertext genau nur ein
Hypotext zugrunde liegt,96
kann wohl davon ausgegangen werden, dass diese Art der
94 Genette 1993, S. 14-16 95 Genette 1993, S. 17 96 Genette 1993, S. 20
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indirekten Transformation spielerisch motiviert ist. Tatsächlich soll im Folgenden gezeigt
werden, dass Seiler ein hohes Maß an spielerischer Kreativität an den Tag legt.
Ermittlung der Textgattung
Bei dieser Analyse geht es in aller Kürze darum herauszufinden, welche Textgattung durch
den dem Werk zugrunde liegenden Architext und die peritextuellen Elemente impliziert wird.
Gemäß Genette97
können dabei die Signale, die vom Paratext ausgehen, durchaus im
Widerspruch zu denen des Architextes stehen. Genette verdeutlicht dazu, dass die
Architextualität, also die „taxonomische Zugehörigkeit eines Textes [bestenfalls in einem
paratextuellen Hinweis] zum Ausdruck kommen kommt“98
, z.B. in Form eines Titels oder
Untertitels. Seilers Kruso verfügt über die Gattungsbezeichnung Roman im Titel99
und ist
zudem als bester deutschsprachiger Roman des Jahres vom Börsenverein des deutschen
Buchhandels mit dem Deutschen Buchpreis 2014 ausgezeichnet worden.100
Insofern kann
davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem zugrunde liegenden Architext um die
fiktionale Textgattung Roman handelt.
Im Gegensatz dazu sendet der Waschzettel101
des Werkes Signale, die Seilers Werk eher in
die Nähe zu nicht-fiktionalen Texten rücken sollen, indem er „[d]ie einzigartige Recherche,
die diesem Buch zugrunde liegt, […]“102
, proklamiert. Die grafische Umschlaggestaltung
verstärkt diese Signale noch, was hauptsächlich auf die Wirkung der intermedialen Referenz
in Form eines Seekartenausschnittes103
zurückzuführen ist, bei der es sich um ein Zitat mit
ausdrücklicher Quellenangabe handelt.
Demgegenüber lenkt das Motto104
in Seilers Werk, bei dem es sich um ein mit Quellenangabe
versehenes Zitat aus dem ermittelten Hypotext, Robinson Crusoe, handelt, den Blick zurück
in Richtung eines fiktionalen Textes.
97 Genette 1993, S. 13-14 98 Genette 1993, S. 12 99 Seiler 2014, S. 3 (Titel) 100 Deutscher Buchpreis, http://www.deutscher-buchpreis.de/news/eintrag/lutz-seiler-erhaelt-den-deutschen-buchpreis-2014-fuer-seinen-roman-kruso/, eingesehen am 07.03.2015. 101 Genette 2001, S. 103-114 102 Seiler 2014, Schutzumschlag (Klappentext auf der linken Innenseite) 103 Seiler 2014, Schutzumschlag (Umschlaggestaltung) 104 Genette 2001, S. 141-156
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Wie in einem vorangegangenen Abschnitt dargestellt, wird im Rahmen dieser Arbeit davon
ausgegangen, das optisch durch Leerseite bzw. Leerzeile hervorgehobene erste Kapitel aus
inhaltlichen Gründen nicht als Vorwort im Sinne Genettes105
zu werten. Allerdings weist
Kruso bei genauerer Betrachtung zwei Nachworte106
auf, die sich noch dazu im Hinblick auf
die von ihnen ausgehenden Gattungssignale unterscheiden. So handelt es sich beim Epilog /
Abteilung Verschwunden107
um ein Nachwort, dass durch seinen Untertitel Edgars Bericht
eindeutig seinen fiktionalen Charakter ausdrückt. Allerdings können zwei Unterschiede in der
Funktion dieses Nachwortes ausgemacht werden. So stellt der Epilog einerseits ein fiktives
aktoriales Nachwort108
in Bezug auf den Großteil des Textes in Seilers Kruso dar, da sein
Adressant, Edgar, eine Figur im Werk ist, die nicht mit dem Erzähler identisch ist. Anderseits
funktioniert der Epilog aber auch als fiktives auktoriales Vorwort,109
nämlich im Verhältnis zu
den Tagebucheinträgen in Seilers Werk,110
die eine Referenz an das als Hypotext identifizierte
Werk Robinson Crusoe und damit das Resultat einer indirekten Transformation darstellen. Ed,
der Adressant des Nachwortes ist dabei mit dem angeblichen Autor der Tagebucheinträge
identisch.
Neben dem Epilog kann auch das Kapitel Dank, das im vorangegangenen Abschnitt
Gegenstand näherer Betrachtungen war, als eine Form von Nachwort gedeutet werden.
Allerdings erweckt dieses infolge seiner aufgezeigten Funktion als Quellenverzeichnis sowie
infolge der enthaltenen Danksagungen an reale Personen zumindest den Eindruck eines
authentischen111
Charakters. Damit signalisiert es aber, im Gegensatz zum fiktionalen
Nachwort, einen nicht-fiktionalen Eindruck und steht damit in Kontrast zu den mit der
Gattung Roman in Verbindung gebrachten Gepflogenheiten, die beispielsweise keinerlei
Quellenangaben vorsehen.
Schließlich weisen die Zwischentitel112
in Seilers Werk erneut in Richtung Fiktion, was nicht
zuletzt daran liegt, dass mehrere dieser peritextuellen Elemente Referenzen in Form von
Plagiaten an die Bibel sowie an mehrere Schriftsteller von Prosa- bzw. fiktionalen
literarischen Texten sind.
105 Genette 2001, S. 157 106 Genette 2001, S. 228-230 107 Seiler 2014, S. 435-476 108 Genette 2001, S. 173-187 109 Genette 2001, ib. 110 Seiler 2014, S. 61 f. 111 Genette 2001, S. 173-187 112 Genette 2001, S. 282-303
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Wie diese Analyse zeigt, senden Architext und Paratext in Gestalt der peritextuellen Elemente
teilweise widersprüchliche Signale hinsichtlich der Gattungszugehörigkeit des Werkes, indem
sie den Text wechselweise in Richtung Fiktion und Nicht-Fiktion verorten. Zu einem großen
Teil ist dies auf die Beschaffenheit und Platzierung der in Seilers Kruso aufgeführten
intertextuellen, intermedialen und sonstigen Referenzen zurückzuführen, womit eine Funktion
dieser Referenzen im Werk analysiert ist, die damit auch eine der eingangs gestellten
Hypothesen bestärkt. Dieser Hypothese zufolge wurde nämlich angenommen, dass die
inhaltliche und formelle Ausgestaltung der Referenzen sowie deren Platzierung im Werk
Einfluss auf den Grad an Fiktionalität haben, die einem Werk vom Autor zugeschrieben und
vom Leser wahrgenommen wird. Damit legte diese Hypothese nahe, dass die Beschaffenheit
und Platzierung intertextueller und intermedialer Referenzen letztlich auch die Ausprägung
der Textgattung beeinflusst, was im Verlauf dieser Untersuchung aufgezeigt werden konnte.
Aufgrund der widersprüchlichen Signale hinsichtlich seines Grades an Fiktionalität erweckt
nun das Werk Kruso den Eindruck, dass es sich dabei um eine Mischung aus Fiktion und
Nicht-Fiktion handelt. Texte, die derart widersprüchliche Signale hinsichtlich ihres fiktionalen
Charakters aussenden, werden von Janssen der Gattung der Faction-Erzählungen bzw.
Faction-Epik113
zugeordnet.
Neben der analysierten Funktion der in Kruso enthaltenen intertextuellen und intermedialen
Referenzen, die also darin besteht, widersprüchliche Signale hinsichtlich des Grades an
Fiktionalität im Werk auszusenden bzw. zu verstärken und damit die Gattungszugehörigkeit
des Werkes zumindest mitzubestimmen, kommt den intertextuellen, intermedialen und
sonstigen Referenzen wenigstens noch eine weitere Funktion zu. Diese ergibt sich aus der
spielerischen Kreativität, die bereits vorstehend Lutz Seiler zugeschrieben wurde. Im
Folgenden werden daher Belege für den „Spieltrieb“ des Autors aufgeführt, die sich auf die
Verwendung des Referenzapparates zurückführen lassen.
Wie sich in der vorwiegend quantitativen Analyse gezeigt hat, zeichnet sich der
Referenzapparat des Werkes durch eine Vielzahl und Vielfalt von intertextuellen,
intermedialen und sonstigen Referenzen aus. Die weitere qualitative Untersuchung hat zudem
zu Tage gebracht, dass diese Referenzen eine große Formenvielfalt aufweisen, wobei Plagiate 113 Jansson 2006, S. 44-45, 212-213
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überwiegen. Als weiterer Ausdruck der Spielfreude des Autors darf auch gewertet werden,
dass der Referenzapparat des Werkes vor allem hinsichtlich seiner typografischen
Ausgestaltung recht inkonsequent ist, und dass das werkeigene Quellenverzeichnis selektiv
und unvollständig ist. Schließlich leisten auch die sonstigen Referenzen, gerade in Form der
selbstreferentiellen Referenzen und Metatexte, ein Übriges, den spielerischen Eindruck des
Werkes noch zu verstärken.
Abschließend seien noch einige Referenzen erwähnt, die in besonderer Weise bei der Analyse
hervorgetreten sind. Dazu gehört unbedingt die Paola Del Zoppo zugeschriebene Abhandlung
über Faust in Italien,114
die als „fehlerhafte“ intertextuelle Referenz insofern überführt wurde,
als diese Schrift erst 2009 und bisher nicht auf Deutsch erschienen ist und damit unmöglich
von der Hauptfigur Ed bereits 1989 gelesen werden konnte. Dazu gehört des Weiteren eine
intertextuelle Referenz an einen ominösen Autor mit Namen Gennadi Vorsterberg,115
der auch
nach eingehender Recherche nicht verifiziert werden kann, sondern vermutlich eine reine
Erfindung des Autors darstellt.
Ferner zählt hierher auch eine sonstige Referenz, die aus Gründen der Übersichtlichkeit in der
Kategorie sprachliche Referenzen an den DDR-Alltag – weitere Marken im Korpus (Anhang
1) aufgeführt wurde. Dabei handelt es sich um eine Referenz an einen „NIVEA-
Wasserball“116
, ein typisches Produkt Westdeutschlands, der von der Hauptfigur Ed
verwendet wird, obwohl ansonsten ausnahmslos DDR-Produkte zur Anwendung gelangen.
Diese Referenz, die bezeichnenderweise dem Kapitel Die Aufgabe des Ostens entstammt,
steht damit in einer spannungsgeladenen, im Prinzip intertextuellen Beziehung zu der am
Beginn des Werkes aufgeführten Referenz an „Florena-Creme“117
, dem Nivea-Creme
vergleichbaren DDR-Produkt.
Daneben zeugt auch die folgende Referenz, die sowohl eine intertextuelle als auch eine
selbstreferentielle Referenz darstellt, vom Spieltrieb des Autors, indem der Erzähler sogar den
literaturtheoretischen Begriff der Transformation gebraucht: „Drei Strophen, dann hatte Ed es
114 Seiler 2014, S. 296 115 Seiler 2014, S. 217 116 Seiler 2014, S. 407 117 Seiler 2014, S. 9
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begriffen: Das war nicht Trakl, das war Kruso. Krusos Ton, der aus Trakl etwas Eigenes
machte, eigene Worte, eigene Gedanken, eine ungeheuerliche Transformation.“118
.
Nicht zuletzt sei hier auch noch der kreative Reiseruf aufgeführt, mit dem der Erzähler Ed
seinen Freund Kruso ausrufen lässt,119
der im Prinzip einer direkten Transformation des
unmittelbar vor dieser Referenz wiedergegebenen Reiserufs des Deutschlandradios entspricht.
Wie diese Analyse gezeigt hat, besteht somit die zweite Funktion der Referenzen in Seilers
Werk darin, dass sie Elemente eines kreativen Bastel- und Spielprozesses sind, den der Autor
durch die Produktion eines vieldeutigen Werkes angestoßen hat, den aber der Leser, u.a.
durch eine relationale Lektüre weiterführen muss, um sich die Vieldeutigkeit120
des Textes
erschließen zu können.
In diesem Sinne deuten auch mehrere der analysierten Rezensionen Seilers einfallsreichen
Schöpfungsprozess. So konstatiert z.B. Cammann in der Zeit, dass Lutz Seiler „[t]atsächlich
[…] ein neues spezielles Amalgam gelungen [ist]“121
, während Böttiger im Deutschlandradio
Kultur bemerkt, dass „es […] in diesem Roman ein dichtes Netz von lyrischen Verweisen
[gibt], die Seilers Beschäftigung mit Poesie auf neue Weise weiterführen“122
.
3. Zusammenfassende Diskussion
Ziel dieser Arbeit war es, Lutz Seilers Werk Kruso auf das Vorhandensein intertextueller und
intermedialer Referenzen zu untersuchen und die Ergebnisse dieser Analyse in Form von
verschiedenen intertextuellen und intermedialen Referenzen hinsichtlich ihrer Beschaffenheit,
ihrer Platzierung im Werk und ihrer Bedeutung zu untersuchen.
Den theoretischen Rahmen dieser Untersuchung bildeten dabei sowohl Kristevas
Intertextualitätsbegriff als auch der Begriff der Intermedialität. Genettes fünfstufige
Taxonomi der Transtextualität sowie seine Einteilung des Paratextes spielten eine besonders
wichtige Rolle. Daneben flossen auch Janssons Theorien über die Gattung der Faction-
Erzählungen in die Arbeit ein.
118 Seiler 2014, S. 188 119 Seiler 2014, S. 295 120 Genette 1993, S. 526-535 121 Cammann, http://www.zeit.de/2014/35/lutz-seiler-kruso-hiddensee/komplettansicht, eingesehen am 07.03.2015 122 Böttiger, http://www.deutschlandradiokultur.de/roman-robinsonade-auf-hiddensee.950.de.html?dram:article_id=296013, eingesehen am 07.03.2015
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Im Einzelnen wurden fünf Fragestellungen formuliert, deren Beantwortung im Rahmen von
quantitativen und qualitativen Analysen ermöglicht werden sollte. So wurde erstens
untersucht, in welchem Umfang Seilers Werk intertextuelle und intermediale Referenzen
aufweist und inwieweit diese inhaltliche Übereinstimmungen zeigen.
Dabei wurde deutlich, dass Seilers Werk eine Vielzahl und Vielfalt an intertextuellen und
intermedialen Referenzen enthält, was sich vor allem in der hohen Anzahl von sowohl
aufgefundenen Belegen als auch ermittelten Kategorien entsprechend inhaltlicher Kriterien
zeigt.
Zweitens sollte analysiert werden, welche Formen intertextuelle und intermediale Referenzen
in Seilers Kruso annehmen.
Im Rahmen einer qualitativen Analyse ergab sich, dass das Plagiat die häufigste Form der in
Seilers Werk aufgefundenen Referenzen für Intertextualität und Intermedialität ausmacht,
auch wenn die formelle Zuordnung nicht ganz unproblematisch ist, was nicht zuletzt auf die
inkonsequente Gestaltung des Referenzapparates in Kruso zurückzuführen ist.
Drittens sollte herausgefunden werden, an welchen Stellen in Seilers Werk intertextuelle und
intermediale Referenzen auftreten.
Eine weitere qualitative Analyse machte deutlich, dass lediglich eine Minderheit aller im
Werk aufgefundenen, und zwar hauptsächlich intertextuelle, Referenzen, im Peritext und
folglich im Paratext von Seilers Kruso platziert ist. Zudem wurden Referenzen im Werk
ermittelt, die selbstreferentiellen Charakter haben und damit Metatexte darstellen.
Viertens sollte untersucht werden, inwiefern intertextuelle und intermediale Referenzen
explizit im Werk in Erscheinung treten.
Im Rahmen dieser qualitativen Analyse konnte aufgezeigt werden, dass es zwar zwölf
explizite Referenzen gibt, dass aber die Mehrzahl aller in Seilers Werk aufgefundenen
Referenzen impliziten Charakter im Sinne dieser Arbeit hat. Zudem wurde eine eingangs
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formulierte Hypothese, der zufolge das Kapitel Dank ein Quellenverzeichnis darstellt,
bestätigt werden
Fünftens schließlich galt es zu analysieren, welche Bedeutung besonders relevanten
Referenzen in Seilers Kruso zukommt, nicht zuletzt aufgrund ihrer Beschaffenheit und
Platzierung sowie ihres Grades an Explizitheit.
Diese Analyse legte im Wesentlichen zwei Funktionen der in Kruso enthaltenen
intertextuellen und intermedialen Referenzen offen. Dabei besteht die eine Funktion darin,
widersprüchliche Signale hinsichtlich des Grades an Fiktionalität im Werk auszusenden bzw.
zu verstärken und damit die Gattungszugehörigkeit des Werkes zumindest mitzubestimmen.
Die andere Funktion der Referenzen in Seilers Werk besteht hingegen darin, dass sie
Elemente eines kreativen Bastel- und Spielprozesses sind, den der Autor durch die Produktion
eines vieldeutigen Werkes in Gang gesetzt hat, den aber der Leser, u.a. durch eine relationale
Lektüre weiterführen muss, um sich die Vieldeutigkeit des Textes erschließen zu können. Es
gelang dabei auch, die zweite der eingangs formulierten Hypothesen zu bestärken, der zufolge
die Ausprägung und Platzierung der Referenzen im Werk Einfluss auf den Grad der
Fiktionalität eines Werks und damit letztlich auf die Gattungsausgestaltung haben.
Aufgrund der erforderlichen Beschränkungen hinsichtlich des Gesamtumfanges dieser Arbeit
konnten mehrere Fragestellungen nicht behandelt oder nur oberflächlich berührt werden.
Einige dieser Probleme könnten daher den Gegenstand künftiger Untersuchungen bilden, z.B.
eine vertiefende Analyse des Referenzapparates in Lutz Seilers Kruso unter Berücksichtigung
anderer Kriterien zur Bestimmung des Grades an Explizitheit der Referenzen und/oder unter
Berücksichtigung eines umfangreicheren Materials in Form von zusätzlichen Metatexten
(=Rezensionen) und auch von Epitext (z.B. Interviews und Kommentare des Autors) und/oder
unter Berücksichtigung narratologischer Aspekte.
Wenn diese Analyse mit wenigen Worten zusammengefasst werden soll, so geschieht dies am
besten erneut mit den Worten Edgar Wibeaus in Ulrich Plenzdorfs Roman Die neuen Leiden
des jungen W., die bereits am Anfang der Arbeit zitiert wurden: „Ich meine, um ein Buch zu
schreiben, muß einer ein paar Tausend Stück andere gelesen haben.“123
. Auf wen trifft diese
Aussage besser zu als auf Lutz Seiler, den Autor des Werkes Kruso, der durch die spielerische 123 Plenzdorf 1973, S. 32-33
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Gestaltung seines Referenzapparates einen Beweis dafür erbracht hat, dass er, wenn auch
vielleicht nicht „ein paar Tausend“, so doch zumindest viele Hundert Bücher gelesen haben
muss!
Und damit schließt sich der kreative Bastel- und Spielprozess, dessen Offenlegung ein
wesentliches Anliegen dieser Arbeit war.
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4. Literaturverzeichnis
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Tageszeitung. Berlin. Online:
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Hash=1bc81eaf3c8faad4d49587c3e8c04679, eingesehen am 17.01.2016.
Schröder, Christoph (16.09.2014): Roman über die Wendezeit. Utopia in Seepferdchenform.
In: taz. Die Tageszeitung. Berlin. Online: http://taz.de/Roman-ueber-die-Wendezeit/!146021/,
eingesehen am 17.01.2016.
Stadtgeschichtliches Museum Leipzig – Objektdatenbank online:
http://museum.zib.de/sgml_internet/sgml.php?seite=&db=0, eingesehen am 01.01.2016
Traub, Ulrike (2010): Theater der Nacktheit. Zum Bedeutungswandel entblößter Körper auf
der Bühne seit 1900. Bielefeld: Transcript Verlag. Online:
https://books.google.de/books?id=_5LJBAAAQBAJ&pg=PA260&lpg=PA260&dq=da+wo+e
s+nach+scheisse+riecht+riecht+es+nach+leben&source=bl&ots=mRbhidedYC&sig=MoObl
Na_oehjIOInlxpOCLx9sdc&hl=sv&sa=X&ved=0ahUKEwiJmfuvhYvKAhWFfiwKHQlZCP
4Q6AEILDAC#v=onepage&q=da%20wo%20es%20nach%20scheisse%20riecht%20riecht%
20es%20nach%20leben&f=false, eingesehen am 01.01.2016
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50
Verdofsky, Jürgen (05.09.2014): Dort drüben liegt Møn. In: Frankfurter Rundschau. Online:
http://www.fr-online.de/literatur/lutz-seiler–kruso–dort-drueben-liegt-m-
n,1472266,28331620,view,printVersion.html, eingesehen am 17.01.2016.
Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Hauptseite, eingesehen am 01.01.2016
WomenWeb.de:
http://www.womenweb.de/vorlagen/userarticle.asp?selectiontype=4&editoruserid=919837&a
rticleid=172008, eingesehen am 01.01.2016
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51
Anhang 1 – Korpus: Belege für Intertextualität und Intermedialität
Belege für Intertextualität und Intermedialität
Kategorien entsprechend inhaltlicher
Kriterien
Fundort:
Kruso von Lutz Seiler
(mit Seitenangabe und Kennzeichnung
der Fundstelle im Peritext)
Fundort:
Rezensionen
(Quellenangaben in Klammern und,
sofern möglich, wörtliche Wiedergabe)
Intertextualität
– nach Gattungen und/oder Motiven –
Robinsonade, Schiffbruch
Romantitel Kruso (Titel,
Anspielung an Daniel
Defoes Robinson Crusoe)
„››Um jedoch auf meinen
neuen Gefährten
zurückzukommen, so gefiel
mir dieser außerordentlich.‹‹
Daniel Defoe, Robinson
Crusoe (S. 7, Motto, Zitat)
„Alles, was er verstand, war
das Wort ››Klausner‹‹, und
dann ››Crusoe, Crusoe - - ‹‹,
als würde Ed eine geheime
Botschaft übermittelt.
Wahrscheinlicher war, dass
der Mann ihn verspotten
wollte mit der alten
Geschichte vom
Schiffbruch.“ (S. 35, auch S.
51)
Kapitel Kruso (S. 66-75;
Zwischentitel, Anspielung)
„››Vergessen wir nicht, dass
wir alle auf irgendeine Weise
Schiffbrüchige sind…‹‹“(S.
85: Direktor des Klausner,
Anspielung)
„Freitag bekam sein
Ziegenfell.“ (S. 105)
„Schon von daher lag seine
Nähe zu Kruso auf der Hand,
ein Freitag an der Seite
Robinsons,…“ (S. 108)
Ed = Freitag, Robinson-
Crusoe-Analogie
(Quelle: Schröder/taz)
Kruso wird für Ed was
Robinson Crusoe für Freitag
war: väterlicher Freund und
Lehrer
(Bucheli/NZZ)
Es ist in erster Linie eine
Robinsonade; Ed = Freitag,
Schülerfigur in Robinson
Crusoe
(Böttiger/Deutschlandradio)
packende Robinsonade,
persönlicher und historischer
Schiffbruch
(Deutscher Buchpreis)
schöne alte
Abenteuergeschichten wie
Schatzinsel und Flusspiraten
vom Mississippi spielen
herein (Jäger/FAZ)
mit Robinson aus Daniel
Defoes Roman ist dieser
Kruso und sein Freitag, der
Ich-Erzähler Ed, nur entfernt
verwandt
(Müller/SZ)
DDR-Robinsonade; Kruso =
en wahrer Crusoe; Edgar
Bendler wird sein Insel-
Freitag
(Jandl/Die Welt)
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52
Kapitel Die Schiffbrüchigen I
(S. 122-137, Zwischentitel,
Anspielung) und Die
Schiffbrüchigen II (S. 233-
237, Zwischentitel,
Anspielung)
„Eine Weile beobachteten sie
die Gäste, die Kruso unsere
Obdachlosen, meist aber
auch nur die Schiffbrüchigen
nannte.“ (S. 125,
Anspielung)
„[…]Robinson träumt von
Freitag und Freitag
erscheint.“ (S. 360, auch S.
373, 389, 425)
Abenteuerroman, Märchen,
Sagen
Referenzen an:
Der Seewolf von Jack
London (Schiff Ghost)124
,
Die Schatzinsel von Robert
Louis Stevenson (Schiff
Hispaniola)125
,
Robinson Crusoe von Daniel
Defoe,
Die Flusspiraten des
Mississippi von Friedrich
Gerstäcker126
,
Alexander Selkirk =
schottischer Abenteurer, gilt
als Vorbild für Robinson
Crusoe127
,
Peter Serrano und Mosquito-
William: nicht
verifizierbar!,
Meuterei auf der Bounty =
Verfilmungen128
Wolf Larsen und Humphrey
van Weyden = Figuren aus
Seewolf von Jack London129
;
„Man brauchte nur ein paar
Worte auszutauschen und das
Ganze war ein Märchen,
kaum weniger abenteuerlich
als eine Fahrt auf der Ghost
oder der Hispaniola. […]
Warum sollte er nicht – […]
– dort wieder ansetzen
können, wo die großen
Vierteiler über Crusoe und
Seewolf zu Ende gegangen
waren, dort, in jenen Tagen?
Bevor die Schatzinsel und die
Geschichten über Alexander
Selkirk und Peter Serrano,
über Mosquito-William und
die Flusspiraten des
Mississippi und all die
anderen Legenden der
Kindheit […].“ (S. 60)
„Sie erinnerte ihn an die
Hosen der Matrosen auf der
››Bounty‹‹, an die Hosen
Wolf Larsens und van
Weydens zum Beispiel.“ (S.
149: Zitat, auch Text-Film)
124 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Seewolf, eingesehen am 01.01.2016 125 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Schatzinsel, eingesehen am 01.01.2016 126 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Flu%C3%9Fpiraten_des_Mississippi, eingesehen am 01.01.2016 127 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Selkirk, eingesehen am 01.01.2016 128 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Meuterei_auf_der_Bounty, eingesehen am 01.01.2016
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53
„››So war es seit Hithin und
Högin und König Hedin von
Hedinsey…‹‹ Während
Kruso auf die schicksalhafte
Rolle ihres Eilands in den
Sagen des Nordens verwies,
fingerte er Stück für Stück
des knittrigen Packpapiers
aus seinem Brustbeutel
hervor, ››… die Edda also,
aber auch das Gudrunslied,
wo die Könige…‹‹“ (S. 261,
Referenzen an u.a. Edda130
und Kudrunlied131
)
„Sein Löffel berührte Krusos
Mund, und der Sesam öffnete
sich.“ (S. 410, Anspielung
an: Zauberformel „Sesam,
öffne dich!“ aus Ali Baba
und die vierzig Räuber132
)
„Brüderchen, was machst du,
schläfst du oder wachst du?“
(S.411, Anspielung an:
„König, was machst du?
Schläfst du oder wachst du?
aus dem Märchen Die drei
Männlein im Walde der
Brüder Grimm133
)
„Sie sagte: ››Ich esse meine
Suppe nicht‹‹ und lachte.“ (S.
424, Plagiat: Der
Struwelpeter134
)
Insel Hiddensee als
literarischer Ort/Mythos
Hiddensee
„Versteck im See, geheime
See, Hiddensee… Er kannte
die Geschichten. Ein
unablässiges Raunen
umspülte das Eiland.“ (S. 32)
Vergleich mit Der
Tangospieler von Christoph
Hein: handelt von Historiker,
der auf Hiddensee im
Klausner als Kellner arbeitet
(Schröder/taz;Verdofsky/FR)
129 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Seewolf, eingesehen am 01.01.2016 130 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Edda, eingesehen am 02.01.2016 131 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Kudrun, eingesehen am 01.01.2016 132 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Ali_Baba, eingesehen am 03.01.2016 133 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Die_drei_M%C3%A4nnlein_im_Walde, eingesehen am 03.01.2016 134 Germanstories, http://germanstories.vcu.edu/struwwel/kaspar.html, eingesehen am 02.01.2016
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54
„Sicher, er hatte Experten
gehörte, die behaupteten,
dass Hiddensee im Grunde
schon außerhalb läge,
exterritorial, eine Insel der
Seligen, der Träumer und
Traumtänzer, der
Gescheiterten und
Ausgestoßenen. Andere
nannten sie das Capri des
Nordens, auf Jahrzehnte
ausgebucht.“ (S. 33)
„Am Ende aller Reden schien
Hiddensee ein schmales
Stück Land von mythischem
Glanz, der letzte, der einzige
Ort, eine Insel, die immer
weiter hinaustrieb, außer
Sichtweite geriet – […].“ (S.
34)
Vergleich mit Der Turm von
Uwe Tellkamp: in einem
Kapitel macht das gesamte
Personal gleichzeitig auf
Hiddensee Urlaub;
Kulturlandschaft =
Hiddensee-Mythos
(Cammann/Zeit)
Ort an der Ostsee als
literarischer Ort
Vergleich mit Ostseeorten in
wegweisenden Romanen von
Thomas Mann: Lübeck,
Günter Grass: Danzig, Walter
Kempowski: Rostock
(Cammann/Zeit)
Fluchtschilderung Epilog Abteilung
Verschwunden (S. 437-476:
Bericht über
Ostseeflüchtlinge, Epilog –
andere Vorworte)
Vergleich mit Der Stand der
Dinge von Gregor Sander,
handelt von Seeflüchtling
(Verdofsky/FR)
Utopie „In Utopia würde drei
Stunden gearbeitet am
Vormittag, dann zwei
Stunden Pause, für
››literarische Studien‹‹, so
stand es bei Thomas Morus,
Kruso hatte es ihm
vorgelesen.“ (S. 258: Zitat)
Hiddensee = langgestrecktes
Utopia in Seepferdchenform
(Schröder/taz;)
Utopia von Thomas Morus;
Freiheit in Diktatur/Wie ist
Freiheit möglich?;
Vergleich mit „Staat“ nach
Stefan George
(Cammann/Zeit)
das Utopia von Thomas
Morus
(Jandl/Die Welt)
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55
Wenderoman/Roman über
Zeitenwende
Der proletarische Zauberberg
= Kruso das erste würdige
Gegenstück der deutschen
Literatur zu Thomas Manns
Zauberberg
(Schmitter/Der Spiegel)
ein Endzeitroman der
besonderen Art, ein Buch
über die letzten Monate der
DDR
(Schröder/taz)
Roman erzählt von der
deutschen Wende, ohne die
entscheidenden Ereignisse in
den Blick zu nehmen
(Bucheli/NZZ)
kein Wenderoman
(Jäger/FAZ)
Bildungs-
/Entwicklungsroman
Entwicklung eines
Dichters/Entstehung eines
Autors; Name der Figur Ed =
Anspielung an Edgar
Wibeau in Die neuen Leiden
des jungen W. von Ulrich
Plenzdorf
„In seiner Lebensverwirrung
hatte er einen
unvergleichlichen Lehrer
gefunden.“ (S. 80: Ed über
Kruso, Anspielung)
„Dabei ging es in der Regel
nur um die täglichen
Unterweisungen Eds, des
neuen Abwäschers und
Heizers.“ (S. 108,
Anspielung)
„…es handelte sich um eine
weitere Unterweisung, […],
diesmal aber war es eine
entscheidende
Unterweisung,…“ (S. 126;
auch: S. 181, Anspielungen)
Ed = Echo auf Plenzdorfs
Edgar Wibeau
(Schröder/taz)
Ed erlebt seinen eigenen
Bildungsroman
(Böttiger/Deutschlandradio)
Entwicklungsroman eines
Dichters
(Deutscher Buchpreis)
Geschichte der Entstehung
eines Autors
(Müller/SZ)
das große Thema dieses
deutschen Bildungsromans
(Schmitter/Der Spiegel)
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56
„Während ihrer Streifzüge
wurde Ed von Kruso
eingeweiht in die schwarzen
Quartiere und ihre Details…“
(S. 171-172, Anspielung)
Bibel „[…], und irgendwann wird
sich auch der Klausner,
unsere Arche, auf den Weg
machen, […].“ (S. 47)
„Jeden Morgen um sieben
Uhr war die Tafel komplett
eingedeckt. Zwölf Teller, je
fünf an den Längsseiten,
zwei an den Stirnseiten.“ (S.
80, Referenz an Abendmahl/
12 Jünger, Anspielung)
„Das Auf und Ab seiner
weichen, auf Kopfhöhe
erhobenen Hand und ihr
Weiterrücken im Halbkreis
von Stuhl zu Stuhl erinnerte
Ed an die Erteilung des
Segens.“ (S. 85)
„Ohne weiteres drückte er
seinen Kopf ins Becken fürs
Grobe. Ed schreckte zurück,
wich aus, aber Kruso hatte
die Kraft, sein Griff war
unerbittlich.“ (S. 136:
Anspielung: Taufe)
Kapitel Der Gral (S. 137,
Zwischentitel)
„An Grit begriff Ed seine
Rolle; er war ein Mitglied
der legendären Arche Kruso,
die Grit aufgenommen
hatte.“ (S. 240)
„››Ist das Wasser so gut?‹‹,
fragte Ed, als wäre er ein
Friseur. Oder ein Geistlicher
– bei seiner ersten Taufe,
fuhr es Ed durch den Kopf,
sinnloserweise.“ (S. 264)
12 Angestellte des Klausners
= 12 Jünger
(Schröder/taz;Cammann/Zeit)
gemeinsames Mahl der
Zwölf, aber in der Früh, nicht
am Abend
(Verdofsky/FR)
die Jünger beim letzten
Abendmahl
(Jandl/Die Welt)
auf der Insel Gestrandete =
Pilger: das klingt biblisch, ist
aber esoterisch; Roman ruft
literarische und biblische
Referenzsysteme nur
andeutungsweise auf
(Bucheli/NZZ)
Gaststätte Klausner = Arche
Noah
(Böttiger/Deutschlandradio)
Roman von
alttestamentarischer Wucht;
die Jünger beim letzten
Abendmahl
(Jandl/Die Welt)
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57
„Das Mädchen musste sich
nochmals drehen, den Kopf
direkt unter den Hahn und
die Stirn auf den eisernen
Grund des Beckens legen,
wie zum Gebet.“ (S. 265)
„Aus jedem Haar ein Pilz,
aus jeder Waschung eine
Suppe, Taufe, Wiedergeburt,
phantasierte Ed, […].“ (S.
265)
„All diese Schiffbrüchigen
waren Pilger, Pilger auf
Pilgerschaft […].“ (S. 265)
„Eine Sekunde später erhob
sich Kruso feierlich und
vollführte mit der Hand eine
behütende Geste über dem
Schachtisch, die einer
Segnung glich […].“ (S. 370)
„Kruso saß sehr gerade, ein
Heiliger, dachte Ed, der
seinem Stammplatz in der
Ewigkeit entgegensah.“ (S.
377)
Kapitel Exodus (S. 336-346,
Zwischentitel)
„Obwohl Ed voller Sorge
war (eine stetig wachsende
Sorge seit dem Tag, da Mona
und Cavallo sie verlassen
und der Exodus begonnen
hatte), […].“ (S. 378)
„Für einen unsinnigen
Moment der Gedanke, sein
Gefährte könnte
eingeschlossen sein in einem
der Fässer – Jona auf dem
Weg ins Meer.“ (S. 384)
Kapitel Auferstehung (S.
422-434, Zwischentitel)
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58
Intertextualität
– nach Schriftstellern –
Peter Altenberg (1859-1919),
österreichischer
Schriftsteller135
Referenzen an Werke
Fechsung, Nachfechsung und
Märchen des Lebens
„Er trat näher und erkannte
die Reste einiger Titel von
Anton Kuh und Peter
Altenberg, Fechsung,
Nachfechsung und Märchen
des Lebens.“ (S. 379)
Antonin Artaud (1896-1948),
französischer Schauspieler,
Dramatiker, Regisseur,
Zeichner, Dichter und
Theater-Theoretiker136
„Rimbaud hat mir heute ein
Buch gezeigt und daraus
vorgelesen, es heißt ››Das
Theater der Grausamkeit‹‹,
ein Westbuch.“ (S. 108: Eds
Tagebucheintrag)
„Die Bücher trugen Titel wie
Schluß mit dem Gottesgericht
oder Van Gogh, der
Selbstmörder durch die
Gesellschaft. Ed musste
zugeben, dass ihn Rimbauds
Lesungen Artauds ratlos
machten, […]. ››Da, wo es
nach Scheiße riecht, / riecht
es nach Leben.‹‹ […] ››Es
gibt im Leben / etwas
besonders Verführerisches
für / den Menschen / und
dieses Etwas ist, mit Recht
/DIE KACKA.‹‹ (S. 205,
Zitate: 1. Zitat aus Theater
der Grausamkeit137
, 2. Zitat
nicht verifiziert!)
„Noch stärker als die Texte
beeindruckten Ed allerdings
die Fotografien des Autors
im Anhang (von einem
Fotografen namens Georges
Pastier) – er hatte noch nie
einen Mann ohne Lippen
gesehen.“ (S. 205,
Anspielung, auch Text-
Bild)
Antonin Artauds Theater der
Grausamkeit
(Jandl/Die Welt)
135 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Altenberg, eingesehen am 02.01.2016 136 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Antonin_Artaud, eingesehen am 02.01.2016 137 Traub 2010, S. 260
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59
„››Das Hirn aus dem Kopf‹‹ -
vielleicht war das sogar ein
Zitat von Artaud.“ (S. 238,
Pseudo-Zitat: nicht
verifiziert)
Rudolf Borchardt (1877-
1945), deutscher
Schriftsteller, Lyriker,
Übersetzer und Redner138
„[…]››Du kannst das alles
retten, reinigen, bergen,
trocknen – jedes Geräusch ist
eine Höhle, ist eine Sprache,
Ed. Du verstehst das, denn
du wohnst im Geräusch.‹‹“
(S. 216; Plagiat: nicht
direkt verifizierbar)
„Ich habe nichts als
Rauschen“, schrieb Rudolf
Borchardt, gut und gerne
könnte dies das Motto des
Romans sein. „Du wohnst im
Geräusch“, sagt Kruso
einmal zu Edgar.
(Jäger/FAZ)
Barthold Heinrich Brockes
(1680-1747), deutscher
Schriftsteller und Dichter der
frühen deutschen
Aufklärung139
„Die halbe Nacht hatte Ed
gelesen, für das Brockes-
Seminar von Dr. Z.: ››Indem
ich nun bald hin, bald her /
Im Schatten dieses Baumes
gehe…‹‹“ (S. 19, Zitat:
„Kirschblüte bei der
Nacht“140
)
„Plötzlich hatte seine Stimme
versagt, stattdessen das
Summen in seinem Schädel,
Brockes, Eichendorff und
immer wieder Trakl, der am
unerbittlichsten tönte mit
seinen Versen aus Laub und
Braun, weshalb Ed sich an
den Kopf fassen musste.“ (S.
29-30)
Albert Camus (1913-1960),
französischer Schriftsteller
und Philosoph141
Referenz an Die Pest
„Außerdem Camus, der
braune Reclam-Band mit der
Pest. Nichts Verbotenes, kein
Westbuch.“ (S. 301, auch
Text-Bild)
138 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Borchardt, eingesehen am 02.01.2016 139 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Barthold_Heinrich_Brockes, eingesehen am 01.01.2016 140 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Barthold_Heinrich_Brockes, eingesehen am 01.01.2016 141 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Camus, eingesehen am 02.01.2016
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60
Hanns Cibulka (1920-2004),
deutscher Schriftsteller
(Lyriker, Erzähler und
Tagebuchautor)142
„Nicht wenige haben hier auf
der Insel ihre Werke
geschöpft, große Namen,
weiß Gott, ich nenne nur
Lummitsch, Cibulka, Pludra
und natürlich Gerhard
Hauptmann und Joachim
Ringelnatz, Geistesgrößen
vergangener Zeiten, Vertreter
des bürgerlichen
Humanismus.“ (S. 401-402)
Jesper Clemmensen,
dänischer Regisseur und
Schriftsteller143
„Das Museum habe den
Verfasser des soeben
erschienenen Buches
Flugtrute Østersøen, Jesper
Clemmensen, damit
beauftragt, Gegenstände,
Namen und andere Tatsachen
zu erkunden.“ (S. 475,
Epilog – andere Vorworte)
Paola Del Zoppo (*1975)
Abhandlung Faust in Italien
von 2009144
(!): fehlerhafte
Referenz?!
„Dazu eine Abhandlung über
Faust in Italien von Paola
Del Zoppo und Goethes
Italienische Reise.“ (S. 296)
Fjodor Michailowitsch
Dostojewski (1821-1881),
einer der bedeutendsten
russischen Schriftsteller145
„[…] ››Ich meine, du weißt,
wie in Schuld und Sühne.‹‹“
(S. 195)
Kapitel Dostojewski (S. 242-
250, Zwischentitel)
„››Dostojewski‹‹, stöhnte
Cavallo, ››er ist jetzt bei
Dostojewski…‹‹“ (S. 248)
Dostojewski
(Jandl/Die Welt)
142 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Hanns_Cibulka, eingesehen am 02.01.2016 143 MDR, http://www.mdr.de/ahnen/flucht-ueber-die-ostsee100_zc-45cbc914_zs-06d00e19.html, eingesehen am 02.01.2016 144 Irisnews, http://irisnews.net/paola-del-zoppo/, eingesehen am 02.01.2016 145 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Fjodor_Michailowitsch_Dostojewski, eingesehen am 01.01.2016
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61
Joseph von Eichendoff
(1788-1857), Lyriker und
Schriftsteller der deutschen
Romantik146
„Plötzlich hatte seine Stimme
versagt, stattdessen das
Summen in seinem Schädel,
Brockes, Eichendorff und
immer wieder Trakl, der am
unerbittlichsten tönte mit
seinen Versen aus Laub und
Braun, weshalb Ed sich an
den Kopf fassen musste.“ (S.
29-30)
Carlo Emilio Gadda (1893-
1973), italienischer Ingenieur
und Schriftsteller147
„Chris hat mir im Abwasch
geholfen, einfach so, und
Cavallo hat mir ein Buch ins
Nest gelegt (Carlo Emilio
Gadda), er nennt sich jetzt
Edgardo.“ (S. 187, Eds
Tagebucheintrag)
Gerhart Hauptmann (1862-
1946), deutscher Dramatiker
und Schriftsteller; Komödie
Schluck und Jau (1900)148
„Der Naturalist Gerhart
Hauptmann hatte behauptet,
auf der Insel hießen alle
Menschen Schluck und Jau,
eigentlich gäbe es nur diese
beiden Familien: Schluck
und Jau.“ (S. 37, Ed;
Anspielung an Komödie)
„Im Schaukasten des
Gerhart-Hauptmann-Hauses
hing ein Hauptmanngedicht.“
(S. 120, auch Text-Bild)
„Nicht wenige haben hier auf
der Insel ihre Werke
geschöpft, große Namen,
weiß Gott, ich nenne nur
Lummitsch, Cibulka, Pludra
und natürlich Gerhard
Hauptmann und Joachim
Ringelnatz, Geistesgrößen
vergangener Zeiten, Vertreter
des bürgerlichen
Humanismus.“ (S. 401-402)
Wolfgang Hilbig Im Text finden sich
Referenzen an Wolfgang
Hilbig
(Verdofsky/PR)
146 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_von_Eichendorff, eingesehen am 01.01.2016 147 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Carlo_Emilio_Gadda; eingesehen am 01.01.2016 148 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Gerhart_Hauptmann, eingesehen am 01.01.2016
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62
Peter Huchel (1903-1981),
deutscher Lyriker und
Redakteur149
aus Gedicht Oktoberlicht“
wird hier zitiert150
„››Oktober, und die letzte
Honigbirne / hat nun zum
Fallen ihr Gewicht.‹‹ In der
Übermüdung meldeten sich
seine Bestände zurück, […].“
(S. 345, Zitat)
Peter Huchel klingt herein
(Jäger/FAZ)
Hans Henny Jahnn (1894-
1959), Schriftsteller,
politischer Publizist,
Orgelbauer und
Musikverleger151
Referenz an Roman Die
Nacht aus Blei152
„Das Buch trug den Titel Die
Nacht aus Blei; es war
dieselbe bleierne Dunkelheit,
die sich in diesen Minuten
über den Versammlungsplatz
senkte.“ (S. 222)
hin zu Hans Henny Jahnns
Fluss ohne Ufer, dem Seilers
Roman vielleicht mehr
verdankt als nur ein paar
Erlösungsfantasien
(Jandl/Die Welt)
Uwe Johnson Im Text finden sich
Referenzen an Uwe Johnson
(Verdofsky/PR)
Franz Kafka (1883-1924),
deutschsprachiger
Schriftsteller153
Referenz an Die
Verwandlung von 1915
Kapitel Die Verwandlung
(S. 206-213, Zwischentitel)
Nur mühsam lässt sich der
Vergleich mit Kafka
vermeiden.
(Jäger/FAZ)
Heinrich von Kleist (1777-
1811), deutscher Dramatiker,
Erzähler, Lyriker und
Publizist154
„[…] es war ihr Physikum,
bestehend aus Sätzen von
Musil oder Kleist, an denen
nicht wenige verzweifelt und
gescheitert waren.“ (S. 99)
Rainer Kirsch (1934-2015),
deutscher Schriftsteller und
Lyriker155
„An Stelle des
Hauptmanngedichts hing die
Ankündigung einer Lesung
des Schriftstellers Rainer
Kirsch hinter dem Glas; sein
neuer Band wurde
vorgestellt.“ (S. 315, auch
Text-Bild)
Anton Kuh (1890-1941),
österreichisch-jüdischer
Journalist, Essayist, Erzähler
und Redner156
„Er trat näher und erkannte
die Rester einiger Titel von
Anton Kuh und Peter
Altenberg, Fechsung,
Nachfechsung und Märchen
des Lebens.“ (S. 379)
149 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Huchel, eingesehen am 01.01.2016 150 WomenWeb.de, http://www.womenweb.de/vorlagen/userarticle.asp?selectiontype=4&editoruserid=919837&articleid=172008, eingesehen am 01.01.2016, eingesehen am 01.01.2016 151 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Henny_Jahnn, eingesehen am 02.01.2016 152 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Nacht_aus_Blei, eingesehen am 02.01.2016 153 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Kafka, eingesehen am 02.01.2016 154 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_von_Kleist, eingesehen am 01.01.2016 155 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Rainer_Kirsch; eingesehen am 02.01.2016 156 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Kuh, eingesehen am 02.01.2016
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Uwe Lummitsch (1956-
1988), deutscher Dichter157
„Nicht wenige haben hier auf
der Insel ihre Werke
geschöpft, große Namen,
weiß Gott, ich nenne nur
Lummitsch, Cibulka, Pludra
und natürlich Gerhard
Hauptmann und Joachim
Ringelnatz, […].“ (S. 401-
402)
Bodo Müller und Christine
Vogt-Müller
Referenz zu Über die Ostsee
in die Freiheit (1992)158
Ein paar Tage später, bei
einem meiner ziellosen
Streifzüge durch die
Regalreihen der
Stadtbibliothek, las ich den
Titel: Über die Ostsee in die
Freiheit, der meeresgraue
Umschlag mit dem Untertitel
Dramatische
Fluchtgeschichten.“ (S. 439,
Epilog – andere Vorworte)
Heiner Müller (1929-1995),
einer der wichtigsten
deutschsprachigen
Dramatiker der zweiten
Hälfte des 20.
Jahrhunderts159
„Eine vergleichbare
Physiognomie, wenn auch
nicht in dieser allerletzten
Gestalt, war Ed bisher nur
von Fotos des berühmten und
bei den Esskaas, die Bücher
lasen, hochgeschätzten
Autors Heiner Müller in
Erinnerung, der – Rimbaud
zitierte es allenthalben –
gesagt haben sollte: ››Artaud,
die Sprache der Qual!‹‹ […],
stattdessen zitierte er noch
einmal Müller: ››Artauds
Texte, auf den Trümmern
Europas gelesen, werden sie
klassisch sein.‹‹“ (S. 206,
auch Text-Bild, Zitate: Zitat
1: Titel eines Textes von
Müller160
, Zitat 2:
verifizierter Ausspruch
Müllers161
157 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Uwe_Lummitsch, eingesehen am 02.01.2016 158 Konrad-Adenauer-Stiftung, http://www.kas.de/akademie/de/events/33813/, eingesehen am 02.01.2016 159 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Heiner_M%C3%BCller, eingesehen am 02.01.2016 160 Schmitt, http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=8688&ausgabe=200511, eingesehen am 02.01.2016 161 Laudenbach, http://www.berliner-zeitung.de/archiv/grenzen-der-buehnenkunst-gesprengt---zum-100--geburtstag-des-franzoesischen-theatermanns-mueller--artaud-ist-der-ernstfall,10810590,9174600.html, eingesehen am 02.01.2016
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Robert Musil (1880-1942),
österreichischer Schriftsteller
und Theaterkritiker162
„[…] es war ihr Physikum,
bestehend aus Sätzen von
Musil oder Kleist, an denen
nicht wenige verzweifelt und
gescheitert waren.“ (S. 99)
Friedrich Nietzsche (1844-
1900), Philosoph und
Dichter163
aus Herbstgedicht wird hier
zitiert164
„››Dies ist der Herbst, der –
bricht dir noch das Herz…‹‹
Seine Auswendigbestände
meldeten sich, aber der
Name des Autors war im
entfallen, und auch der Rest
des Gedichts lag im Nebel.“
(S. 362, auch S. 219: Zitat)
Nietzsche mit einem
Herbstgedicht klingt herein
(Jäger/FAZ)
kurz angebunden „an den
Pflock des Augenblicks“, wie
es bei Nietzsche heiβt
(Schmitter/Der Spiegel)
Novalis, eigentlich: Friedrich
von Hardenberg (1772-
1801), deutscher
Schriftsteller der
Frühromantik und
Philosoph165
aus Hymnen an die Nacht
zitiert166
„In seiner Familie (im
deutschen Zweig, so fuhr
Henri fort) gebe es eine
entferne Verwandtschaft mit
Friedrich von Hardenberg.
[…], und ohne weiteres
begann er ein paar Worte aus
den Hymnen zu zitieren:
››Hast auch du ein Gefallen
an uns, dunkle Nacht? Was
hältst du unter deinem
Mantel…‹‹“ (S. 461, Epilog
– andere Vorworte, Zitat)
„››Bei Novalis sind die Toten
die Guten, Herr Bendler!‹‹“
(S. 465, Epilog – andere
Vorworte)
Protagonist Edgar hat inniges
Verhältnis zur Dichtung von
Novalis
(Jäger/FAZ)
Novalis
(Jandl/Die Zeit)
Fernando Pessoa (1888-
1935), portugiesischer
Dichter und Schriftsteller167
„Der Mann trug ein weißes
Hemd und eine runde
schwarze Brille, viel mehr
war nicht zu erkennen von
ihm; er sah aus wie Fernando
Pessoa.“ (S. 389, auch Text-
Bild)
162 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Musil, eingesehen am 01.01.2016 163 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Nietzsche, eingesehen am 01.01.2016 164 mumag, http://www.mumag.de/gedichte/nie_f04.html, eingesehen am 01.01.2016 165 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Novalis, eingesehen am 01.01.2016 166 Projekt Gutenberg, http://gutenberg.spiegel.de/buch/hymnen-an-die-nacht-5237/2, eingesehen am 01.01.2016 167 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Fernando_Pessoa, eingesehen am 01.01.2016
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„››Mache dich auf, geh nach
Ninive …‹‹ Der Pessoa-
Mann hatte wieder zu
sprechen begonnen.“ (S. 390,
Pseudozitat: nicht
verifizierbar)
Benno Pludra (1925-2014),
deutscher Schriftsteller168
„Unter den übriggebliebenen
erkannte er Benno Pludra,
Lütt Matten und die weiße
Muschel.“ (S. 301)
„Nicht wenige haben hier auf
der Insel ihre Werke
geschöpft, große Namen,
weiß Gott, ich nenne nur
Lummitsch, Cibulka, Pludra
und natürlich Gerhard
Hauptmann und Joachim
Ringelnatz, Geistesgrößen
vergangener Zeiten, Vertreter
des bürgerlichen
Humanismus.“ (S. 401-402)
Rainer Maria Rilke (1875-
1926), Lyriker deutscher
Sprache169
„Ein Gesicht wie Rilke,
langgezogen, dicke Augen
und Schnauzbart, wie fast
alle hier.“ (S. 64, Eds
Tagebucheintrag, auch Text-
Bild!)
Arthur Rimbaud (1854-
1891), französischer
Dichter170
„[…] in seinem Schädel
polterten die Bestände: Das
Trunkene Schiff in der freien
Nachdichtung Paul
Zechs…››Rimbaud!‹‹, rief es
noch einmal aus dem Inneren
des Klausners, und Ed
begriff, dass der Kellner mit
dem Schnauzbart gemeint
war.“ (S. 45)
„Noch einmal spielte sein
Schädel ein paar Zeilen des
Trunkenen Schiffes; das
Summen der Bestände.“ (S.
75)
Arthur Rimbaud, Autor des
Trunkenen Schiffs
(Jandl/Die Welt)
168 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Benno_Pludra, eingesehen am 02.01.2016 169 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Rainer_Maria_Rilke, eingesehen am 01.01.2016 170 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Arthur_Rimbaud, eingesehen am 02.01.2016
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66
„Und hier, vom gleichen
akademischen Grad, sein
Freund Rimbaud, unser
Philosoph – hab schon fast
vergessen, wie du wirklich
heißt, mein Lieber, einmal
geheißen hast, meine ich…“
(S. 85)
„Es handelte sich um die
schlechte Reproduktion eines
Jugendfotos, aus einer
Zeitschrift gerissen und auf
Pappe geklebt. Am Tag
seines Dienstantritts hatte
Rimbaud das Bild auf der
Kasse platziert und sich
damit seinen Namen
erworben.“ (S. 91, auch
Referenz: Text-Bild)
„Allein diese von den
Esskaas an fünf Abenden in
der Woche zelebrierte
››Opposition der Tresen‹‹
(ein Wort Rimbauds) enthielt
einen Begriff von politscher
Bedeutung.“ (S. 165,
Pseudozitat: nicht
verifizierbar!)
Joachim Ringelnatz (1883-
1934), deutscher
Schriftsteller, Kabarettist und
Maler171
„Nicht wenige haben hier auf
der Insel ihre Werke
geschöpft, große Namen,
weiß Gott, ich nenne nur
Lummitsch, Cibulka, Pludra
und natürlich Gerhard
Hauptmann und Joachim
Ringelnatz, Geistesgrößen
vergangener Zeiten, Vertreter
des bürgerlichen
Humanismus.“ (S. 401-402)
171 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_Ringelnatz, eingesehen am 02.01.2016
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Georg Trakl (1887-1914),
österreichischer Dichter des
Expressionismus mit starken
Einflüssen des
Symbolismus172
Kapitel Trakl und Trakl
vorgetragen (S. 15-19 und
129-137, Zwischentitel)
„Plötzlich hatte seine Stimme
versagt, stattdessen das
Summen in seinem Schädel,
Brockes, Eichendorff und
immer wieder Trakl, der am
unerbittlichsten tönte mit
seinen Versen aus Laub und
Braun, weshalb Ed sich an
den Kopf fassen musste.“ (S.
29-30)
„Ohne ein einziges Mal zu
stocken, sagte er Georg
Trakls Gedicht Die
Verfluchten auf, dann das
Gedicht Psalm. Zweite
Fassung. Dann das Gedicht
Sonja, das er schon sehr
immer sehr gemocht, und
dann Unterwegs, wieder ein
langes Gedicht, […] aber
schließlich wollte er auch
noch O das Wohnen und Die
blaue Nacht …“ (S. 136)
„Er überflog die erste Zeile,
und augenblicklich wusste er
es: Er hatte Trakl
vorgetragen.“ (S. 138, auch
S. 29-30, 410)
„Die Bestände dröhnten.
Trakl trat auf, seine
bäurische Gestalt, sein
großes, infantiles Gesicht.“
(S. 148, auch: Text-Bild)
Protagonist Edgar hat inniges
Verhältnis zur Dichtung von
Georg Trakl
(Jäger/FAZ)
Kruso = Fan des Lyrikers
Georg Trakl; Trakl-Dissertant
Edgar Bendler
(Jandl/Die Welt)
172 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Trakl, eingesehen am 01.01.2016
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„››… das alte Gerät / Der
Väter. / Dieses erschüttert die
Brust des Fremdlings …‹‹,
hatte es plötzlich getönt aus
Eds Beständen.“ (S. 173:
Zitat: Georg Trakl Anif173
)
„Drei Strophen, dann hatte
Ed es begriffen: Das war
nicht Trakl, das war Kruso.
Krusos Ton, der aus Trakl
etwas Eigenes machte,
eigene Worte, eigene
Gedanken, eine
ungeheuerliche
Transformation.“ (S. 188,
auch Metatext!)
„Sie hatten sich Trakls Sonja
vorgetragen, […].“ (S. 214)
„››Alle Straßen münden in
schwarze Verwesung‹‹ […].“
(S. 274, Zitat: aus Gedicht
Grodek174
)
„Er hatte auch andere
Freunde, Reste seiner
Bestände zum Beispiel,
mutige Helfer, die ihm, ja,
wie immer, etwas flüstern
wollten. Einen Rat, eine Idee,
noch in letzter Sekunde.
››Und leise greift in seinen
Mund die Hand Der Toten.
Sonja lächelt sanft und schön
…‹‹“ (S. 392, Zitat: Die
Verfluchten175
)
173 Projekt Gutenberg, http://gutenberg.spiegel.de/buch/georg-trakl-gedichte-5445/30, eingesehen am 02.01.2016 174 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Grodek, eingesehen am 02.01.2016 175 Bibliotheca Augustana, https://www.hs-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/20Jh/Trakl/tra_seb1.html, eingesehen am 02.01.2016
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69
„Dann umfasste Ed ihn noch
fester und summte das
Gedicht. ››Abend kehrt in
alten Garten; Sonjas Leben,
blaue Stille. Wilder Vögel
Wanderfahrten …‹‹“ S. 414,
Zitat: Sonja176
)
„Nicht nur Novalis, auch bei
Trakl waren die Toten die
Guten – in diesem
Augenblick begriff ich es.
Trakl war nicht nur ein
Trauma, er war auch eine
Sehnsucht gewesen.“ (S. 467,
Epilog = andere Vorworte)
Paul van Ostaijen (1896-
1928), belgischer Dichter
und Groteskenschreiber177
Gedicht Melopee wird hier
zitiert178
Kapitel Warum ziehen der
Mond und der Mann (S. 91-
100, Zwischentitel)
„Ed tauchte die Hände in
sein Becken, um sich einen
Teller zu greifen, als der
Chor anhob:
››Am Hochried vorbei, am
Niedermoor vorbei, zieht das
Boot nach dem Meer. Zieht
mit dem ziehenden Mond das
Boot nach dem Meer…‹‹
[…] ››So sind sie Gefährten
zum Meer, das Boot, der
Mond und der Mann…‹‹
[…] ››Warum ziehen der
Mond und der Mann zu zweit
so bereit nach dem Meer, so
bereit nach dem Meer!‹‹ […]
Es entsprach nur der Würde
des Gedichts, das sie
gemeinsam vorgetragen
hatten, offensichtlich eine
Art Hymne des Klausners,
››unser Heiliges‹‹, wie Kruso
es später noch öfter erklärte.“
(S. 96-97, auch S. 248, 289:
Zitat)
176 Garten-Literatur, http://www.garten-literatur.de/Leselaube/trakl_sonja.htm, eingesehen am 02.01.2016 177 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_van_Ostaijen, eingesehen am 01.01.2016 178 Groenewold, http://cafe-deutschland.blogspot.se/2014/10/warum-ziehen-der-mond-und-der-mann.html, eingesehen am 01.01.2016
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70
Jules Verne (1828-1904),
französischer Schriftsteller179
„Ed fiel eine Broschüre mit
der Geschichte der
Zoologischen Station Neapel
zu. Der Umschlag zeigte eine
Villa am Golf von Neapel,
mit Kanälen, die vom Wasser
her direkt in die
unterirdischen Gewölbe des
Gebäudes reichten – wie von
Jules Verne erdacht.“ S. 296,
auch Text-Bild)
August Heinrich Hoffmann
von Fallersleben (1798-
1874), Dichter und Verfasser
der Nationalhymne180
„Die Nationalhymne war
unsäglich schön, und wie zur
Feier rief sie das Verbotene
herbei, den alten,
sehnsuchtskranken Text von
Deutschland über allem,
Musik und Text schienen
untrennbar zu sein. […] Wie
der Dichter August Heinrich
Hoffmann von Fallersleben
auf einer ehemals englischen
Insel gesessen […].“ (S. 346,
Plagiat: aus der
Nationalhymne)
Johann Wolfgang von
Goethe (1749-1832), einer
der bedeutendsten
Repräsentanten
deutschsprachiger
Dichtung181
„Dazu eine Abhandlung über
Faust in Italien von Paola
Del Zoppo und Goethes
Italienische Reise.“ (S. 296)
„Den ganzen Tag, gesessen
und gebaut, Häuser Brücken,
Straßen, bis am Abend die
Erwachsenen kamen und
seine Sandburg bewunderten,
die riesig war und über alles
verfügte, was die Welt im
Innersten zusammenhielt:
[…].“ (S. 387: Plagiat:
Faust. Der Tragödie Erster
Teil182
)
179 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Jules_Verne, eingesehen am 02.01.2016 180 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/August_Heinrich_Hoffmann_von_Fallersleben, eingesehen am 02.01.2016 181 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Wolfgang_von_Goethe, eingesehen am 02.01.2016 182 Projekt Gutenberg, http://gutenberg.spiegel.de/buch/-3664/4, eingesehen am 02.01.2016
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71
Peter Weiss die Utopien egalitärer und auf
Freundschaft beruhender
Gesellschaften, wie sie in
Peter Weiss` Groβroman
Ästhetik des Widerstand“
entworfen werden
(Jandl/Die Welt)
Intermedialität
– nach Medium –
Text-Bild:
Arnold Böcklin das politische und
allgemeinmenschliche
Abendrot, in das die Szenerie
getaucht ist, wäre eines
Théodore Géricault oder
eines Arnold Böcklin würdig
(Jandl/Die Welt)
Pierre Bonnard (1867-1947),
französischer Maler des Post-
Impressionismus183
„Sie ist unserer eigenen Seele
verwandt, ergänzte Ed, wie
man es sehen kann in den
Bildern von Bonnard zum
Beispiel.“ (S. 249)
Sandro Botticelli (1445-
1510), italienischer Maler
und Zeichner der frühen
Renaissance184
Referenz an berühmtes Bild
Geburt der Venus
„Aus jedem Haar ein Pilz,
aus jeder Waschung eine
Suppe, Taufe, Wiedergeburt,
phantasierte Ed, […], um
Heike etwas Schaum aus
dem Nacken zu spülen. […]
Wie Aphrodite entstieg
Heike dem Abwasch.“ (S.
265, Anspielung)
Leonardo da Vinci (1452-
1519), italienischer Maler,
Bildhauer, Architekt,
Anatom, Mechaniker,
Ingenieur und
Naturphilosoph185
Referenz an berühmtes
Gemälde Das Abendmahl
„In einer zweiten Gruppe,
praktisch übereck, den alten
Besatzungen gegenüber,
hingen die Bilder berühmter
Gäste, von denen Ed nur
Billy Wilder und Thomas
Mann sofort erkannte, dann
entdeckte er noch Lotte
Lenya. Neben ihr eine
winzige Reproduktion des
Abendmahls von Leonardo.“
(S. 86, auch Text-Foto)
183 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Pierre_Bonnard, eingesehen am 01.01.2016 184 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Sandro_Botticelli, eingesehen am 02.01.2016 185 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Leonardo_da_Vinci, eingesehen am 02.01.2016
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72
Théodore Géricault (1791-
1824), französischer Maler
und Vertreter der
Romantik186
„Ich hatte Bilder von
Géricault vor Augen, […].“
(S. 450: Epilog – andere
Vorworte)
nur ein Schritt zum Inbild der
Schiffbrüchigen, wie es
Théodore Géricault mit
seinem Floβ der Medusa
gemalt hat
(Jandl/Die Welt)
Ivo Hauptmann (1886-1973),
deutscher Maler, ältester
Sohn von Gerhard
Hauptmann187
„Im Schaukasten des
Gerhart-Hauptmann-Hauses
hing ein Hauptmanngedicht.
Daneben ein Aquarell von
Ivo Hauptmann.“ (S. 120)
Umschlaggestaltung:
Seekarte
„Umschlagabbildung:
Seekartenausschnitt vom
Standort des Leuchtturms
Dornbusch, Hiddensee ©
Bundesamt für Seeschifffahrt
und Hydrographie (BSH)“
(siehe: Anlage 2,
verlegerischer Peritext:
Schutzumschlag, Zitat)
Text-Film:
Inselkino: Referenz an
mehrere in der DDR gedrehte
Spielfilme
„››Irgendwann wollte C. ins
Inselkino. An jedem
Nachmittag läuft dort Lütt
Matten und die weiße
Muschel, am Abend Einer
trage des anderen Last und
als Spätvorstellung Bis daß
der Tod euch scheidet.‹‹“ (S.
208)
Das Klondike-Fieber, Teil 2
des ZDF-
Abenteuervierteilers von
1975188
„Er dachte an Klondike-
Fieber, an den Mann in der
Wüste aus Schnee, dem es in
letzter Sekunde gelungen
war, ein Feuer zu entzünden,
mit seinem letzten Streich-
holz, aber dann…“ (S. 38)
Panzerkreuzer:
Referenz an Sergej
Eisensteins Stummfilm
Panzerkreuzer Potemkin von
1925189
„Im ersten Moment war kein
Boot zu entdecken, nur der
Panzerkreuzer, riesig im
Nebel, […].“ (S. 420,
Anspielung, auch Text-
Film)
Panzerkreuzer Aurora 1917,
Petrograd/Oktoberrevolution
(Camman/Zeit)
fährt als Deus ex Machina ein
russischer Panzerkreuzer auf
(Verdofsky/FR)
186 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Th%C3%A9odore_G%C3%A9ricault, eingesehen am 02.01.2016 187 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Ivo_Hauptmann, eingesehen am 01.01.2016 188 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Lockruf_des_Goldes, eingesehen am 01.01.2016 189 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Panzerkreuzer_Potemkin, eingesehen am 02.01.2016
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73
Unser Sandmännchen =
DDR-Kinderprogramm
„… - Kreuzspinne und
Kreuzschnabel!“ (S. 73,
Zitat: (berühmter Ausruf von
Herrn Fuchs aus Herr Fuchs
und Frau Elster190
)
Fleisch, Thriller von
Regisseur Rainer Erler aus
dem Jahr 1979191
„Seltsamerweise fiel ihm
Fleisch ein, ein
westdeutscher Film, wenn er
sich richtig erinnerte, der
trotzdem in die Kinos
gekommen war.“ (S. 285)
Film über Max Ernst,
Referenz nicht verifizierbar!
„8. Januar: Ein Film über
Max Ernst im Filmclub 66.
Was sich ihm eingeprägt
hatte, waren die Bilder vom
Hausbau in der Wüste, Sonne
und Holz, das eigene Haus,
wie der Maler es plante und
baute und sich so eine Höhle
schuf für seine Arbeit, weitab
von allem, ungestört. […].“
(S. 307)
Verfilmung des Romans Der
letzte Mohikaner von James
Fenimore Cooper192
„Ed dachte an Bilder in
einem Film, er war jetzt
selbst in einem Film. Er war
die Hauptfigur, der letzte
Mohikaner.“ (S. 394)
Film des NDR über die
Ostseefluchten
„Knapp zwanzig Jahre später
sah ich, wie ein Mann auf
eine weite leere Wiese zeigte
und sagte: ››Hier liegen
überall die Toten begraben.‹‹
Es war ein Film des
Norddeutschen Rundfunks
über die Ostseefluchten.“ (S.
447, Epilog – andere
Vorworte, Zitat: nicht
verifizierbar!)
Text – Musik:
Russisches Kampflied
Partisanen von Amur
„Rimbaud und das
Tresenehepaar haben
Kampflieder gesungen,
durchs Gebirge, durch die
Steppe zog…“ (S. 156, Eds
Tagebucheintrag: Plagiat193
)
190 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Herr_Fuchs_und_Frau_Elster, eingesehen am 01.01.2016 191 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Fleisch_(1979), eingesehen am 02.01.2016 192 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Der_letzte_Mohikaner_(1992), eingesehen am 02.01.2016 193 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Partisanen_vom_Amur, eingesehen am 02.01.2016
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74
Orchestermusik „Vom Friedhofstor an spielte
ein kleines Orchester ››Treue
Kameraden‹‹.“ (S. 198,
Plagiat: vermutlich Der gute
Kamerad194
)
Unser Sandmännchen =
Kinderprogramm195
„››Sandmann, lieber
Sandmann…‹‹ (S. 208,
Zitat: Auszug aus
Erkennungsmelodie von
Unser Sandmännchen)
Musical Evita:
Zitat aus Lied von Julie
Covington von 1977: Don´t
cry for me Argentina196
„[…] oder ››Don´t cry for me
Argentina‹‹, Schlagertexte
von den Magnettonbändern
seiner Eltern.“ (S. 219, Zitat)
„Aber da lag Ed schon auf
dem Teppich, mit
ausgebreiteten Armen, in
Erwartung der außerirdischen
Stimme einer Sängerin
namens Julie Covington.“ (S.
332)
Musikgruppe Feeling B:
Zitat aus Song: Mix mir
einen Drink197
„Ed verstand in kaum. Meist
schien es um einen Drink zu
gehen, den jemand für ihn
mixen sollte, ››Mix mir einen
Drink, der mich woanders
hinbringt‹‹, es war mehr ein
Krächzen und Quäken, ohne
Rhythmus, ohne Melodie.“
(S. 221, Zitat)
„Das Lied schien bekannt.
[…] ››Ju-gend voran, Ju-
gend pack an, brich dir sel-
ber die Baa-haahan, kein
Zwang und kein Drill, der
eigene Will, bestimme dein
Leben fortaa-haahan…‹‹“ (S.
223, Anspielung an DDR-
Jugendlied Bau auf198
)
194 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Der_gute_Kamerad, eingesehen am 02.01.2016 195 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Unser_Sandm%C3%A4nnchen, eingesehen am 02.01.2016 196 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Don%E2%80%99t_Cry_for_Me_Argentina, eingesehen am 02.01.2016 197 Hiddensee-Kultur, http://www.hiddensee-kultur.de/1961_punk.php, eingesehen am 02.01.2016 198 inge.borg, http://ingeb.org/Lieder/jugender.html, eingesehen am 02.01.2016
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75
Traumzauberbaum =
Geschichtenliederproduktion
von Reinhard Lakomy und
Monika Ehrhardt199
„Manche sagen auch
Traumzauberbaum.“ (S. 225)
Ein Schiff wird kommen:
deutsche Version des
Schlagers Ta pedia tou Pirea
von Manos Hadjidakis aus
dem Jahr 1960200
„Ein Schiff wird kommen,
dachte Ed.“ (S. 263)
Blowin´ in the Wind:
Folksong von Bob Dylan von
1962201
„Ein blonder Gitarrist mit
nach hinten gekämmten
Haaren, Eisverkäufer der
››Heiderose‹‹, setzte sich
neben Heike und begann mit
Blowin´ in the Wind.“ (S.
272, auch S. 273)
Freiheit, die ich meine:
- die mein Herz erfüllt von
Max von Schenkendorf
(1783–1817) oder
- ist kein Schattenbild von
Christian Heinrich Zeller
(1779–1860)
Beide Lieder werden nach
der 1818 entstandenen
Melodie von Karl August
Groos gesungen.202
„››Freiheit, die ich meine‹‹,
schepperte es aus der Tiefe
des Essgeschirrs an seiner
Seite, […].“ (S. 273, Zitat)
Pjotr Iljitsch Tschaikowski
(1840-1893), russischer
Komponist203
Kapitel Tschaikowski (S.
290-295, Zwischentitel)
„Während Viola
Tschaikowski spielte,
schmierte Cavallo Brote,
kochte Eier und wusch
Äpfel.“ (S. 294)
Brüder, zur Sonne, zur
Freiheit: deutsche
Nachdichtung eines
russischen Arbeiterliedes204
„››Brüder, zur Sonne, zur
Freiheit‹‹, mahnte Kruso,
dann ein unverständliches
Gemurmel. Tatsächlich
stimmte er das Lied an, leise,
fast unhörbar. Brüder zum
Lichte empor.“ (S. 320,
Plagiat)
199 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Traumzauberbaum, eingesehen am 02.01.2016 200 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Ein_Schiff_wird_kommen, eingesehen am 02.01.2016 201 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Blowin%E2%80%99_in_the_Wind, eingesehen am 02.01.2016 202 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Freiheit,_die_ich_meine, eingesehen am 02.01.2016 203 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Pjotr_Iljitsch_Tschaikowski, eingesehen am 02.01.2016 204 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Br%C3%BCder,_zur_Sonne,_zur_Freiheit, eingesehen am 02.01.2016
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76
Schlager/Seemansslied
Draußen auf der Mole:
Zitat?: nicht verifizierbar!
„››Draußen auf der Mole
schauten sie aufs weite Meer,
draußen auf der Mole warn
die Herzen sehnsuchtsschwer
…‹‹“. (S. 432, Zitat: nicht
verifizierbar!)
Deutschlandfunk Kapitel Deutschlandfunk (S.
346-348, Zwischentitel)
„Aus der unteren Etage
kamen Radiogeräusche,
Stimmen, manchmal Musik,
[…]. Vor Mitternacht Haydn,
eigentlich schön und
rätselhaft in seinem zittrigen
Klang, aber dann war es
wieder zu laut auf dem Flur.“
(S. 65)
„Derart verstümmelt,
empfing Viola nur noch
Deutschlandfunk […].“ (S.
110)
„Am Ende das Wetter,
Wasserstände,
Windgeschwindigkeiten. Es
gab Suchmeldungen und
Reiserufe, und auch eine
Sturmwarnung brauchte
keine besondere Betonung.
››Bundeswirtschaftsminister
Haussmann hat seine
Warnung wiederholt, die
Arbeitszeit zu verkürzen. Die
Bevölkerung in der
Bundesrepublik soll von
Tiefflügen entlastet werden.
Hören Sie nun die
Meldungen im Einzelnen.‹‹“
(S. 111, Zitat: nicht
verifizierbar!)
„Viola spielte Haydn, ein
Konzert, und Kruso redete
mit Ed.“ (S. 136)
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77
„Um Mitternacht Viola.
››Zum Tagesausklang hören
Sie die Nationalhymne‹‹“ (S.
186, Zitat: nicht
verifizierbar!)
„Erst dann, nach und nach,
tauchte Viola wieder auf, das
››Konzert am Abend‹‹, später
die Stimme des
Nachrichtensprechers, […].“
(S. 228, Zitat)
„Den Nachrichten folgte das
››Nachtradio‹‹. Ein neuer
Bericht über Flüchtlinge in
Ungarn, tägliche Fluchten
über die Grenze, […].“ (S.
229, Zitat)
„Ed hörte das Konzert zu
Ende. Vladimir Horowitz am
Klavier. Dann die
Programmvorschau, dann die
Hymne, dann die 0-Uhr-
Nachrichten und ein
Reiseruf: ››Herr Dorgelow,
zur Zeit vermutlich
unterwegs im Raum
Hamburg mit einem grünen
VW Käfer, amtliches
Kennzeichen HH PN 365,
wird dringend gebeten, zu
Hause anzurufen.‹‹“ (S. 295,
Zitat: nicht verifizierbar!)
Es ist sieben Minuten vor
Mitternacht. Wie ein
Märchen brachte Viola das
Programm des kommenden
Tages.[…] So weit die
Programmvorschau.
Deutschlandfunk. Zum
Tagesausklang die
Nationalhymne. Um null Uhr
melden wir uns wieder mit –
Nachrichten.“ (S. 346, auch
S. 233 und 292, Plagiat:
nicht verifizierbar!)
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78
„0 Uhr. Deutschlandfunk –
die Nachrichten. Die
Perestroika in der UdSSR
kann nach den Worten des
Staats- und Parteichefs
Gorbatschow nicht länger
als Revolution von oben
bezeichnet werden. Einfache
Lösungen für enorme
Probleme zu versprechen
hieße, das Volk zu täuschen.
Disziplin sei mehr denn je
notwendig.“ (S. 347, Plagiat:
nicht verifizierbar!)
„Dann verschlief er das
Opernkonzert, beginnend mit
dem Vorspiel ››Morgen-
dämmerung an der Moskwa‹‹
von Modest Mussorgski,
dann eine Motette Monte-
verdis für acht Stimmen.
Kurz vor fünf Uhr erklangen
noch einmal die sieben Töne
der wunderbaren Spieluhr. Es
war das Sendezeichen. Oder
die Außerirdischen, dreimal
hintereinander. Im
Halbschlaf die Presseschau.
Ab und zu irdische
Volksmusik. Die Schneefall-
grenze war auf 1500 Meter
gesunken. Die Menschen, die
wegmachen wollen, glauben
der Führung nicht mehr.“ (S.
348, Zitat: nicht
verifizierbar!)
sonstige Referenzen
Referenzen an reale Personen:
Charlotta Seiler Brylla, Lutz
Seilers Ehefrau205
„Für Charlotta“ (S. 6,
Widmung (Zueignung),
Anspielung)
Wolfgang Lippi Lippert,
einer der beliebtesten
Unterhaltungskünstler der
DDR206
„Einige, von denen es hieß,
sie seien berühmt, darunter
ein großer dünner Mann mit
Brille, den man Lippi nannte
und aus dem Fernsehen
kannte.“ (S. 267)
205 fnp, http://www.fnp.de/lokales/frankfurt/Ein-Prosit-auf-Lutz-Seiler;art675,1066676, eingesehen am 05.01.2016 206 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Lippert, eingesehen am 02.01.2016
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79
Dieter Quaster Hertrampf,
Gitarrist und Sänger,
Gründungsmitglied der
DDR-Rockband Puhdys207
„Neben ihm ein anderer
Mann, der trotz der Hitze
eine Lederjacke trug mit
geflochtenen Schulterstücken
und von Fans begeistert mit
››He, Quaster!‹‹ angerufen
wurde.“ (S. 267)
Aljoscha Rompe (DDR-
Punkband Feeling B) konkretes Vorbild für Kruso-
Figur
(Cammann/Zeit)
spielt im Roman eine Rolle
(Böttiger/Deutschlandradio)
Robert Rompe (Aljoschas
Stiefvater, Physiker und
Wissenschaftsfunktionär)
Vorlage für Figur des
Röntgenstrahlen-Forschers
Rommstedt
(Böttiger/Deutschlandradio),
Vorlage für Krusos Stiefvater
(Cammann/Zeit)
Referenzen an Philosophen/ religiöse Gurus:
François Noël Babeuf,
genannt Gracchus Babeuf
Babeuf (1760-1797),
Journalist und
linksrevolutionärer
französischer Agitator
während der ersten
französischen Revolution208
„Kruso zeigte ihm Bücher.
Die Sammlung von
höchstens zwanzig Titeln
nannte er seine
››Bibliothek‹‹. Darunter
Autoren wie Lew Schestow
und Gennadi Vorsterberg,
von denen Ed nie gehört
hatte, und andere wie
Babeuf, Bloch, Castaneda.“
(S. 217)
Kruso predigt seinen Adepten
von Gracchus Babeuf, dem
ersten radikalen
Gleichmacher der
Französischen Revolution
(Jäger/FAZ)
Ernst Bloch (1858-1985-
1977), deutscher
Philosoph209
„Kruso zeigte ihm Bücher.
Die Sammlung von
höchstens zwanzig Titeln
nannte er seine
››Bibliothek‹‹. Darunter
Autoren wie Lew Schestow
und Gennadi Vorsterberg,
von denen Ed nie gehört
hatte, und andere wie
Babeuf, Bloch, Castaneda.“
(S. 217)
Kruso predigt seinen Adepten
von Ernst Bloch, dem
utopischen Philosophen
(Jäger/FAZ)
207 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Dieter_Hertrampf, eingesehen am 02.01.2016 208 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Fran%C3%A7ois_No%C3%ABl_Babeuf, eingesehen am 01.01.2016 209 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Bloch, eingesehen am 01.01.2016
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80
Hans Blumenberg
(Philosoph)
Kruso = gleichnishafte
Erzählung über „Lebenszeit
und Weltzeit“, wie der
Philosoph Hans Blumenberg
die Spannung zwischen dem
historischen Geschehen und
der persönlichen Erfahrung
nennt
(Schmitter/Der Spiegel)
Carlos Castaneda (1925-
1998), US-amerikanischer
Anthropologe und
Schriftsteller210
„Kruso zeigte ihm Bücher.
Die Sammlung von
höchstens zwanzig Titeln
nannte er seine
››Bibliothek‹‹. Darunter
Autoren wie Lew Schestow
und Gennadi Vorsterberg,
von denen Ed nie gehört
hatte, und andere wie
Babeuf, Bloch, Castaneda.“
(S. 217)
Kruso predigt seinen Adepten
von Carlos Castaneda, der
Wege der Bewusstseinser-
weiterung aus angeblich
indianischen Quellen vortrug
(Jäger/FAZ)
Rosa Luxemburg (1871-
1919), einflussreiche
Vertreterin der europäischen
Arbeiterbewegung, des
Marxismus, Antimilitarismus
und proletarischen
Internationalismus211
„››Die Freiheit…‹‹, flüsterte
Ed in das Becken, ››die
Freiheit ist immer auch …‹‹,
nein, das war falsch, ››die
Freiheit ist anders …‹‹, nein.
››Die Freiheit des anderen ist
– die Freiheit?‹‹ Es war
jämmerlich. Er brachte den
Satz nicht zustande, den Satz,
den hier wahrscheinlich jeder
wusste, wissen musste,
Luxemburg, London,
ausweisen, ausreisen […].“
(S. 278, Anspielung an
Zitat: „Freiheit ist immer
Freiheit des anders
Denkenden."212
)
210 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Carlos_Castaneda, eingesehen am 01.01.2016 211 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Rosa_Luxemburg, eingesehen am 02.01.2016 212 ib.
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81
Jean-Jaques Rousseau (1712-
1778), französischsprachiger
Genfer Schriftsteller,
Philosoph, Pädagoge,
Naturforscher und
Komponist der Aufklärung213
„Die Insel ist das Versteck,
die Insel ist der Ort, wo sie
zu sich kommen, wo man
zurückkehrt in sich selbst,
das heißt zur Natur, zur
Stimme des Herzens, wie
Rousseau es sagt.“ (S. 175
Anspielung: „Zurück zur
Natur!“, denkt man sofort,
wenn der Name Rousseau
fällt. Nur dass sich dieser
Ausruf in den Schriften des
1712 in Genf geborenen
Philosophen nirgends findet,
zumindest nicht wörtlich. 214
)
Leo Isaakowitsch Schestow
(1866-1938), russischer,
jüdischer Philosoph des
Existentialismus215
„Kruso zeigte ihm Bücher.
Die Sammlung von
höchstens zwanzig Titeln
nannte er seine
››Bibliothek‹‹. Darunter
Autoren wie Lew Schestow
und Gennadi Vorsterberg,
von denen Ed nie gehört
hatte, und andere wie
Babeuf, Bloch, Castaneda.“
(S. 217)
Kruso predigt seinen Adepten
die Lehren des religiösen
Existentialisten Leo
Schestow
(Jäger/FAZ)
Rudolf Steiner (1861–1925):
Philosophie der Freiheit –
Grundzüge einer modernen
Weltanschauung – seelische
Beobachtungsresultate nach
naturwissenschaftlicher
Methode = philosophisches
Hauptwerk von 1893216
„Von seiner Philosophie der
Freiheit gewannen dabei die
wenigsten einen Begriff.“ (S.
168)
Gennadi Vorsterberg
(nicht verifizierbar!)
„Kruso zeigte ihm Bücher.
Die Sammlung von
höchstens zwanzig Titeln
nannte er seine
››Bibliothek‹‹. Darunter
Autoren wie Lew Schestow
und Gennadi Vorsterberg,
von denen Ed nie gehört
hatte, […]“ (S. 217)
213 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Jean-Jacques_Rousseau, eingesehen am 01.01.2016 214 Ott, https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/jean-jacques-rousseau-lieber-ohne-mich, eingesehen am 01.01.2016 215 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Leo_Isaakowitsch_Schestow, eingesehen am 01.01.2016 216 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie_der_Freiheit, eingesehen am 01.01.2016
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82
(sprachliche) Referenzen an DDR-Alltag:
z.B. Marken, Produkte, Abkürzungen, Institutionen, Abläufe, Sprache
Marken, z.B.:
Exlepäng = Haarpflegemittel,
in der DDR hergestellt217
„Krombachs Exlepäng. Er
nahm eine frische Flasche
aus dem Schrank, der
Beipackzettel fiel ihm in die
Hand. Es ist nie zu spät, aber
auch nie zu früh…Pflege und
Nahrung, wie jeder Boden,
der Frucht bringen
soll…erfrischt und
verjüngt… Der Name
Exlepäng garantiert weit
über ein halbes Jahrhundert
für Qualität und Wirkung.“
(S. 408, kursiv = Plagiat,
nicht verifizierbar!)
Marken, z.B.
Gelonida =
Schmerztabletten, in der
DDR hergestellt218
„Er gab Zucker und zwei
Gelonida dazu, die er neben
einem Fläschchen Jodtinktur
und ein paar ergrauten
Kompressen in Krombachs
Rotkreuzkasten gefunden
hatte.“ (S. 408)
weitere Marken: Florena-Creme (S. 9:
Gesichtscreme)
→ Spiel mit: NIVEA-
Wasserball (S. 407: Kapitel
Die Aufgabe des Ostens!)
Mitropa (S. 10:
Bahnhofsrestaurant)
Rügener Badejunge (S. 18:
Camembert)
Echt Foto-Postkarten von
Bild und Heimat
Reichenbach (S. 52)
Mifa-Fahrrad (S. 55:
Minifahrrad)
Stralsunder (S. 128: Bier)
Rosenthaler Kadarka (S.
245: Rotwein)
Goldkrone (S. 245:
Weinbrand)
Ikarus (S. 275: Autobus)
Produkte:
Dederonbeutel (S. 10)
Soljanka (S. 11)
217 Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, http://museum.zib.de/sgml_internet/sgml.php?seite=5&fld_0=z0061213, eingesehen am 01.01.2016 218 DHM, http://www.dhm.de/datenbank/dhm.php?seite=5&fld_0=AK200046, eingesehen am 30.12.2015
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83
Pressspanplatten (S. 55)
Mehrfruchtmarmelade (S.
83)
Südfrüchte (S. 122:
importiertes Obst)
B 56/B 100 (S. 219, 331:
tschechische Tonbandgeräte)
echter Bohnenkaffee (S. 321)
Abkürzungen: NSW (S. 18:
Nichtsozialistisches
Wirtschaftsgebiet219
)
Esskaas (S. 49: Saisonkräfte)
Persoplatten, Persofrühstück
(S. 83: Personal~)
VEB (S. 349: Volkseigener
Betrieb)
Institutionen, z.B.
Samisdat = im Selbstverlag
erschienene [verbotene]
Literatur in der UdSSR220
„[…], Blätter des
sogenannten Samisdats, die
in den größeren Städten seit
Jahren wie Pilze aus dem
Boden schossen.“ (S. 142)
weitere Institutionen: zentrale Vergabe (S. 24: bei
Wohnungsvergabe)
Zentrale Wohnraumlenkung
(S. 25)
Altstoffhandel (S. 60)
anerkannte Vertreter der
Arbeiterklasse (S. 113)
Russenstädtchen Nr. 7 (S.
191: Unterkunft der
sowjetischen Armee in der
DDR)
Helden der Arbeit (S. 246)
Kollektiv (S. 293: Team)
Betriebsferienheim (S. 293)
FDGB-Hotel (S. 329: Hotel
der Gewerkschaft)
Jungpioniere (S. 383:
Jugendorganisation)
Abläufe Schlüsselkind (S. 26: Kinder
mit eigenem
Wohnungsschlüssel)
Kaderakte (S. 293:
Personalakte)
219 Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Nichtsozialistisches_Wirtschaftsgebiet, eingesehen am 02.01.2016 220 Duden, http://www.duden.de/rechtschreibung/Samisdat, eingesehen am 30.12.2015
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84
sonstige sprachliche
Besonderheiten
z.B. Name Mike (S. 57)
z.B. Spitznamen für
alkoholische Getränke
Blauer Würger (S. 159),
Kali, Kiwi (S. 220, 245)
z.B. Bezeichnung für
Klebeband: Gänsehausband
(S. 244)
z.B. Jugendsprache Kunden
(S. 275), urst (S. 277)
sonstige Referenzen:
Pseudozitat: Quelle = Eds
Vater
„››Die Natur ist kein
Zuckerschlecken, jawoll‹‹,
murmelte Ed; er imitierte die
Stimme seines Vaters und
musste kichern dabei.“ (S.
41: Pseudozitat)
Anspielung: nicht
verifizierbar!
„Aus den
Auswendigbeständen
summten ein paar Verse
herüber, in denen es hieß, die
kleine schlappe Ostseewelle
ahme das Flüstern der Toten
nach.“ (S. 40, Anspielung:
nicht verifizierbar!)
Zitat: nicht verifizierbar! „[…]››flach wie ein
Hundegaumen‹‹, dachte Ed
oder flüsterten seine
Bestände.“ (S. 123: Zitat?:
nicht verifizierbar!)
Plagiat: nicht verifizierbar! „Wie nur durch Nähe etwas
ein Wesen wird. Wie durch
einen Spiegel tritt der neue
Freund ins Zimmer. Ed
wusste nicht genau, was er
mit diesem Satz anfangen
sollte, das Denken fiel
schwer so nah am Meer.“ (S.
146, Plagiat: nicht
verifizierbar!)
Zitat: nicht verifizierbar! „››Das Maß der Freiheit.‹‹
Ed zuckte zusammen. Der
letzte Satz war nicht von
Kruso gekommen.“ (S. 163,
Zitat?: nicht verifizierbar!
Pseudozitat „››Die Geschlechtstiere der
Honigbiene…‹‹ Kruso
schluckte und begann erneut.
[…].“ (S. 341, Pseudozitat)
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Pseudozitat „Über dem Eingang zum
Pfarrhaus hing ein Plakat mit
den Worten ››Die
Reformation geht weiter‹‹.
Ed hielt an und las den
Aushang im Schaukasten der
Gemeinde. In einem
››Offenen Brief‹‹ forderten
die Insulaner einen ››Prozess
der Erneuerung‹‹.“ (S. 379-
380, Pseudozitate, auch
Text-Bild)
Zitat: nicht verifizierbar!
„Die schmutzig gelbe Ti-
telseite des Fernsprechbuchs
(eine Ausgabe von 1986) war
mit gestrichelten Linien
überzogen, […]. Auf Seite 1
hatte man ››Signale zur War-
nung‹‹ aufgelistet. […] ››Im
Interesse der gegenseitigen
Rücksichtnahme und besse-
ren Erreichbarkeit: FASSE
DICH KURZ!‹‹ war fett
gedruckt.“ (S. 413, Zitat:
nicht verifizierbar!, auch
Text-Bild)
Pseudozitat „Im Verlauf der
Herbstwochen hatte sich
Wulf D. Wätjen vom
Kirchenrat in Kopenhagen
noch einmal gemeldet. ››Es
tut mir immer noch sehr leid,
dass ich Ihnen bei Ihrer
Recherche nicht mehr helfen
konnte …‹‹, so begann
seinen Mail, und ich muss
zugeben, dass ich gerührt
war von diesem Satz.“ (S.
475, Epilog – andere
Vorworte: Pseudozitat)
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Selbstreferenzen (Metatext)
„Edgar Bendler hatte
beschlossen, zu
verschwinden, ein Satz wie
aus einem Roman.“ (S. 26)
„Ed misstraute diesen
Namen, Schluck und Jau, das
klang unglaubwürdig,
erfunden. Ja, in der Literatur
war es möglich, aber nicht im
Leben.“ (S. 37)
„[…], er sah nur Bestände,
die ihm drohten; irgendwo in
einer Ecke seines vernebelten
Schädels lauerte die
Auswendigkraft mit ihrer
Unersättlichkeit.“ (S. 131,
auch S. 185, 189, 257, 283,
345)
„››Mach es wie die Erzähler.
Wenn sie sich etwas vom
Leib halten müssen,
benutzten sie einfach eine
andere Person – er, du, sie,
es.‹‹“ (S. 209-210, Fuchs an
Ed)
„››In gewissem Sinne waren
sie wie Leser. Sie kannten
nicht nur meine Schokolade
oder die schmutzige Wäsche
in meinem Schrank aus dem
Effeff, sie kannten auch
meine Briefe nach Hause und
auch meine euphorischen
Versuche, Gedichte zu
verfassen, Wort für Wort…‹‹
››Du hast deine Leser
erschlagen.‹‹“ (S. 211, Ed
und Fuchs)
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87
„Auch er, dachte Ed, alle
warten. Alexander
Krusowitsch, unterwegs im
Raum Sehnsucht mit einer
großen leuchtenden Verk-
ündigung, amtliches Kenn-
zeichen unbekannt, wird
gebeten, sich unverzüglich
mit seiner Familie in
Verbindung zu setzen. Ich
wiederhole…“ (S. 295,
Anspielung an Reiseruf des
Deutschlandfunks S. 295
s.o.)
„Alles, was er tat, geschah
im Sinne dieser Geschichte,
als sei er allein
verantwortlich dafür, dass sie
irgendwann einmal erzählt
werden konnte.“ (S. 378)
„Alle Umstände gelten als
geklärt, und so schwer es mir
auch fällt, damit
abzuschließen, sie gehören
nicht in diesen Bericht.“ (S.
437, auch S. 440, 441,
Epilog – andere Vorworte)
„Die Quelle berührte mich
am Arm, und mein Blick fiel
auf das Schild an seiner
Brust: ein Name, an den ich
mich nicht mehr erinnern
kann, darunter die
Bezeichnung Konsulent.“ (S.
459, Epilog – andere
Vorworte)
„Keine Ahnung, woher Henri
Madsen (Henri oder Hendrik,
Madsen der Mattson, die
Anspannung war einfach zu
groß, um alles genau zu
verstehen) so plötzlich
gekommen sein konnte,
[…].“ (S. 460, Epilog –
andere Vorworte)
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„Auch mein Bericht verrät,
wie wenig ich für all das
geeignet, wie wenig ich der
Aufgabe gewachsen war. Ein
Bericht voller
nebensächlicher Details,
dazu Gefühle und Gedanken,
wo es nur um Fakten gehen
sollte.“ (S. 472, Epilog –
andere Vorworte)
„Keine Ahnung, wie das, was
folgte, Teil irgendeines
Berichts werden kann. Als
ich in diesen Tagen noch
einmal mein Kopenhagen-
Notizbuch zur Hand nahm,
hielt ich es für
wahrscheinlicher, dass
irgendwer dort
eingeschrieben hatte, […],
aber nicht ich. Jemand hatte
das notiert, mit hastiger
Schrift, über einige Seiten,
genau so:
- Fuß in Schuh, faulig. […]“
(S. 467, Epilog – andere
Vorworte)
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Anhang 2 – Schutzumschlag
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