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Ringvorlesung Einführung inpsychologischeGrundlagen
GeschichtederPsychologie
Prof.Dr.LisavonStockhausen
Literatur:
Schmithüsen,F.&Krampen,G.(2015).GeschichtederPsychologie.InF.Schmithüsen (Hrsg.),Lernskript Psychologie. Springer-Lehrbuch,Heidelberg:Springer
Gadenne,V.(2016).Seele.InM.A.Wirtz (Hrsg.),Dorsch – Lexikon derPsychologie.Abgerufen am01.09.2016vonhttps://portal.hogrefe.com/dorsch/seele/
Schönpflug,W.(2004).GeschichteundSystematik derPsychologie (2.überarb.Auflage).Weinheim:Beltz
Wie untersuchtmandieGeschichteeinesFaches?
• QuellenstudiumundhermeneutischeMethode- AnalysevonPrimär-,Sekundär- undTertiärliteratur;historischeEinordnungundInterpretationderQuelleninihremwechselseitigenBezug(hermeneutischerZirkel)
• Archive,Museen- UntersuchungsapparatederfrühenExperimentalpsychologie(UniversitätWürzburg,DeutschesMuseum,München);Museen,diebedeutendenPersönlichkeitengewidmetsind
• BefragungvonZeitzeugenRingvorlesungEinführunginpsychologischeGrundlagenWS16/17:GeschichtederPsychologie;Prof.Dr.LisavonStockhausen
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Wie untersuchtmandieGeschichteeinesFaches?
• Zeitreihenanalysen- ErmittlungzeitabhängigerhistorischerTrends(z.B.EntwicklungderSuizidalitätanhandderAnalysevonSuizidraten;ForschungsthemenaufFachkonferenzen)
• Bibliometrie- HerausarbeitenvonTrendsanhandvonPublikationsschwerpunkten- einschlägigeDatenbankenPSYNDEX(gesamtepsychologischeFachliteraturdtsch-sprachigerLänder)undPsycINFO (vorallemangloamerikanischeFachliteratur)
ØFürALLEQuellengilt:Siesindselektiventstandenundhabenselektivüberdauert
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Wozu untersuchtmandieGeschichteeinesFaches?
• Ordnen- durchEinordnenindenhistorischenKontext
• Korrigieren- welcheFehlerwurdengemachtundsolltennichtwiederholtwerden?
• Perspektiveerweitern- WelcheSichtweisenwurdenschonaufThemeneingenommen(undkönntenauchaktuellweiterhelfen)?
• Relativieren- Wasgabesschon?WelcheEntwicklungensindnichtneu,sondernWiederholungen?
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PerspektivenderUntersuchung• Problemgeschichte
- FokusaufbestimmtenKonzeptenunddemVerlaufihrerBehandlungüberdieZeit- inhaltsorientiertesVorgehen- inderPsychologierelevantbspw.Seele,Bewusstsein,Erleben/Verhalten,Leib-Seele-Problem,Anlage-Umwelt-Debatte
• Ideengeschichte- wannentstandenwelcheIdeeninwelchenhistorischenKontexten- chronologischesVorgehen
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ZentraleKonzeptederPsychologie• Seele
- gr. ψυχή (psyche),lat.[anima],syn.Psyche,ursprünglichdaslebensspendendePrinzipimMenschen,auchdiedenLeibgestaltendeundbewegendeKraft
- früheUnterscheidungzwischenmehrerenAspekten(denGeistbzw.Körperbetreffend)- inderzeitgenössischenPsychologiehatdasKonzeptkeineBedeutungmehr;AblösungdurchdenBegriffderPerson/Persönlichkeit,dermentalen/psychischenProzesse
• Bewusstsein- UnmittelbaresGewahrseinunseresErlebens,FähigkeitzuIntentionalitätundReflexivität- ModelledesBewusstseinsunddesUnbewussteninverschiedenenForschungstraditionen(Psychoanalyse,Lern- undKognitionspsychologie–>SeminarAusgewählteForschungsbereichederAllgemeinenPsychologie)
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ZentraleKonzeptederPsychologie• ErlebenundVerhalten
- GegenstandderPsychologie(alsWissenschaftdesErlebensundVerhaltens)- historischauchGegenstandmethodischerDiskussionen(WiekannErlebenwissenschaftlichuntersuchtwerden?MüssenwirunsaufdasreinBeobachtbarebeschränken(Behaviorismus)?KognitiveWendehinzumGescheheninder„blackbox“)
• ZusammenhangzwischenGeistundKörper(Leib-Seele-Problem)- Dualismus,Parallelismus,Monismus- heutevorherrschendMaterialismus:alleseelischen(geistigen)VorgängeletztlichaufkörperlicheProzessezurückzuführen–>SeminarAusgewählteForschungsbereichederAllgemeinenPsychologie 7
ZentraleKonzeptederPsychologie
• AnlageUmweltDebatte- Nativismus:angeboreneFaktorenbestimmendieEntwicklungdesMenschen
- Empirismus:alleindieErfahrungprägtdenMenschen- heutevorherrschendeSicht,dassInteraktionmaßgeblichist;SchwerpunkteaberinzahlreichentheoretischenAnsätzensichtbar,z.B.Behaviorismus,Kognitivismus,EvolutionspsychologischerAnsatz,etc.
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SiebenEpochenderIdeengeschichtederPsychologie
1.ca.2000-500v.Chr.KonzeptderSeeleundpsychologischeFragenwerdeninReligionundMythologiebehandelt(IdeenzurEntstehungderGötter,desWeltalls,desMenschen)
2.ca.500– 200v.Chr.ÜbergangvommagischenzumstärkerwissenschaftlichgeprägtenDenken;psychologischeFragestellungenwerdennunauchinPhilosophieundMedizinbehandelt(z.B.LehredervierTemperamente/KörpersäftenachHippokrates,Elementenlehre nachEmpedokles;InduktionalsErkenntniswegbeiAristoteles,DeduktionbeiPlaton)
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SiebenEpochenderIdeengeschichtederPsychologie
3.ca.200v.Chr.– 1600n.Chr.EntwicklungzurückzurMythologie;imMittelalterchristlicheDogmenlehrealszentralerLehrrahmen(GottesbestimmtheitdesMenschen;allesWissenstammtvonGottundkannnurdurchGottesnäheerreichtwerden);abdem11.Jh.mitderEntwicklungderScholastik(z.B.ThomasvonAquin)derVersuch,ErkenntnissederAntikeundDogmenlehremiteinanderzuverbinden
4.ca.1600– 1900n.Chr.ZeitalterderAufklärungundderVernunft;AusdifferenzierungderWissenschaften,Vertrauen indieErkenntnisfähigkeit desMenschen;Rationalismus (z.B.Descartes,Spinoza,vonWolff)undEmpirismus (z.B.Hobbes,Locke,Hume)alswichtigeStrömungen;PsychologienochkeineeigenständigeWissenschaft 10
SiebenEpochenderIdeengeschichtederPsychologie
5.Endedes19.Jh.:GründungsphasederPsychologie
- ErnstHeinrichWeber(1851)sowieGustavTheodorFechner(1860/1889),beideProfessoreninLeipzig,unternehmenzukunftsweisendeUntersuchungenzurSkalierungpsychischerEmpfindungen(Psychophysik)
- 1875erhältWilhelmWundt,ebenfallsinLeipzig,denerstenLehrstuhlfürPsychologie(BegründungderSchuledesStrukturalismusundElementarismus)
- SigmundFreudbeginntmitseinenArbeitenzurPsychoanalyse
E.H.Weber(1795-1878)
G.T.Fechner(1801-1887)
W.Wundt(1832-1920)S.Freud(1856-1939)
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SiebenEpochenderIdeengeschichtederPsychologie
6.ca.1900– 1940/60:Konsolidierung- PsychologieverankertsichalsWissenschaft;weitereUniversitätenrichtenLehrstühlefürPsychologieein
- EntstehungverschiedenerStrömungen/Schulen;nebenStrukturalismusundPsychoanalyse:Behaviorismus,Gestaltpsychologie,Funktionalismus,phänomenologischePsychologie
- „JederhattenatürlichandereIdeen,kritisiertfleißigdieVorgängerundversuchte,bessereundpassendereErklärungsmodellefürdasFunktionierenvonMenschenzufinden“(S&K,2015,S.9)
- keineIntegrationderverschiedenenAnsätze 12
SiebenEpochenderIdeengeschichtederPsychologie
7.seitca.1960:diemodernePsychologie- AuflösungdesSchulendenkens beiweiterhinbestehendenmethodologischenundtheoretischenPräferenzen
- Ausrichtungenteilweisenachwievorehernatur-,sozial- odergeisteswissenschaftlich(ZugehörigkeitzuverschiedenenFakultäten;VerleihungverschiedenerDoktortitel– Dr.phil.,Dr.rer.nat.,Dr.rer.soc.)
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EingenauererBlickaufdieSchulenentwicklung
• WilhelmWundtunterschieddiePsychologieinzweiTeilbereiche- experimentellePsychologie:dasIndividuum,derEinzelnealsForschungsgegenstand
§ MethodederIntrospektion(„eineetwashochtrabendeBezeichnungfür„HinsetzenundNachdenken“(S&K,2015,S.11))undexperimentelleAnordnungen,beidenenerdieTeilnehmendengenaunachihrenEmpfindungenbefragte
- Völkerpsychologie:kulturelle,historische,sozialeBedingungen§ heuteeherGegenstandderSoziologie,Anthropologie,aberauchderKulturvergleichenden- undSozialpsychologie
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EingenauererBlickaufdieSchulenentwicklung
• GrundannahmendesStrukturalismusnachWilhelmWundt- Subjektivismus:AlleErfahrungensindsubjektiv- Elementarismus:DiePsycheistinEinzelteilezerlegbar- Sensualismus:EmpfindungensindderUrsprungvonDenkenundHandeln
- Mechanismus:AnnahmemechanischerVerarbeitungsprozesse;einzelneElementeverbindensichdurchAssoziationzuKetten
- dualistischerParallelismus:LeibundSeelesindvoneinandergetrennteSysteme
Abb.ausGoldstein,B.E.(2008).Wahrnehmungspsychologie(7.Auflage).Heidelberg:Spektrum.
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EingenauererBlickaufdieSchulenentwicklung
• SigmundFreudbegründetediePsychoanalyse- ArbeitmitPatienten,diekörperlicheBeschwerdenohne(damals)nachweisbarekörperlicheUrsachehatten
- StudienreisenzuJeanMartinCharcot,einemberühmtenPathologenundNeurologeninParis,undzuHippolyteBernheim,NeurologeundPsychiaterinNancy;beidearbeitetenmitderMethodederHypnose
- SchlussaufeinUnbewusstes,dasVerhaltenundErlebensteuert;wirdUrsachefürKrankheitausdemUnbewussteninsBewusstseingebracht,istderMenschgeheilt
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EingenauererBlickaufdieSchulenentwicklung
• PsychoanalysenachFreud- Unterscheidungvon3BereichenderPsyche
§ dasBewusste:GegenstandimjeweiligenMomentimBewusstsein§ dasVorbewusste:GegenstandderzeitnichtimBewusstsein,aberjederzeitabrufbar§ dasUnbewusste:Informationennichtbewusstabrufbar;ZugangüberfreieAssoziationenoderTräume
- StrukturmodellderPsyche§ Es:Lustprinzip;StrebennachdirekterTriebbefriedigung§ Ich:Realitätsprinzip;VermittlungzwischenEsundRealität,zwischenEsundÜber-Ich§ Über-Ich:Gewissen,Moralprinzip;RegelnundNormen,dieTeilderPersonwerden
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EingenauererBlickaufdieSchulenentwicklung
• BeitragzurMotivationspsychologie(TriebtheoriedesGefühlslebens)undzurEntwicklungspsychologie(PhasenlehredermenschlichenEntwicklung);schnelleinternationaleVerbreitung
• Kritik- Konstrukteempirischkaumfassbar,starksubjektiveMethodik,Theoriesehrstarkverallgemeinert
- stößtWeiterentwicklung,bzw.EntwicklungalternativerErklärungenfürmenschlichesErlebenundVerhaltenan;setztImpulsefürdiePersönlichkeits-,Motivations-,EntwicklungspsychologieunddiePsychopathologie
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EingenauererBlickaufdieSchulenentwicklung
• Funktionalismus- entstehtinReaktionaufStrukturalismusundElementarismus- FragenachdemWarum(nichtnachdemWie?),derFunktion,derDynamikpsychischerProzesse
- WilliamJamesalswichtigerVertreter,derdiePsychologiealsFachbereichanus-amerikanischen Universitätenetablierte
- BehandlunglernpsychologischerThemenunddamitÜberleitungzumBehaviorismus
§ EdwardThorndikeformuliertdasGesetzdesEffektes:HatineinerbestimmtenSituationeinebestimmteReaktionpositiveKonsequenzen,wirddieAssoziationzwischenSituationundReaktiongefestigt (d.h.Reaktionen,aufdieBefriedigung folgt,werden mit derSituationverknüpftundwahrscheinlicher)
WilliamJames(1842-1910)
19EdwardThorndike(1874-1949)
EingenauererBlickaufdieSchulenentwicklung
• Funktionalismus- bringtdynamischeSichtweiseaufdiePsycheein- betontZielgerichtetheitvonDenkenundVerhalten;AbkehrvonUrsachen,dieinderVergangenheitliegen
- zentraleBeiträgezumVerständnisdesLernens(GesetzdesEffektes)- FragenachderFunktionvonVerhaltenstelltzudemGeburtsstundederMotivationspsychologiedar
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EingenauererBlickaufdieSchulenentwicklung
• Behaviorismus- entwickeltsichausdemFunktionalismusmitnochradikalererSkepsisgegenüberSubjektivität;deutlicheAbgrenzunggegenStrukturalismusundPsychoanalyse
- ExperimentalsmethodischerKönigsweg;nurBeobachtbaresundsinnlichWahrnehmbareskannGegenstandderForschungsein
- inhaltlicherSchwerpunktsindLernprozesse,dieimRahmenvonStimulus–Response–Theorienanalysiertunderklärtwerden
- waszwischenSundRgeschieht,istTeilder„black box“undnichtGegenstandderForschung
- zentraleVertreterJohnWatson,Burrhus F.Skinner,ClarkHull,EdwardTolman
J.B.Watson(1878-1958)
B.F.Skinner(1904-1990)
C.L.Hull(1884-1952)
E.C.Tolman (1886-1959)
EingenauererBlickaufdieSchulenentwicklung
• Gestaltpsychologie- inReaktionaufElementarismus desStrukturalismusØDasGanzeistMEHRalsdieSummeseinerTeile;stattinEinzelteilezuzerlegen(denMenschenoderObjekte),mussdasGanze,dieGestalt,indenBlickgenommenwerden
- FormulierungvonGestaltgesetzen(1.DasGanzeistmehr...)- Anwendungauf
§ Wahrnehmungsprozesse(z.B.MaxWertheimer)§ Einsichtslernen(WolfgangKöhler)§ ZusammenspielvonPersonundSituation(Feldtheorie;KurtLewin)§ Denkprozesse(u.a.OswaldKülpe;VorbereiterderkognitivenWende) 22
EingenauererBlickaufdieSchulenentwicklung
• Gestaltpsychologie- inReaktionaufElementarismus desStrukturalismusØDasGanzeistMEHRalsdieSummeseinerTeile;stattinEinzelteilezuzerlegen(denMenschenoderObjekte),mussdasGanze,dieGestalt,indenBlickgenommenwerden
- FormulierungvonGestaltgesetzen(1.DasGanzeistmehr...)- Anwendungauf
§ Wahrnehmungsprozesse(z.B.MaxWertheimer)§ Einsichtslernen(WolfgangKöhler)§ ZusammenspielvonPersonundSituation(Feldtheorie;KurtLewin)§ Denkprozesse(u.a.OswaldKülpe;VorbereiterderkognitivenWende)
K.Lewin(1890-1947)
W.Köhler(1887-1967)
M.Werteimer(1880-1943)
O.Külpe (1862-1915)
EingenauererBlickaufdieSchulenentwicklung
• GeisteswissenschaftlichePsychologie- GegenbewegungzumElementarismus (wieauchGestaltpsychologie)
- KritikdesObjektivismus desBehaviorismus- NotwendigkeiteinesdeutendenverstehendenAnsatzes- GegenstandistdiePhänomenologiedesErlebensundVerhaltens;MethodeistdieHermeneutik
- VertreterWilhelmDilthey(ErklärungpsychischerPhänomeneausihremKontextheraus),EdmundHusserl(BetonungdessubjektivenErlebensfürdieBeschreibungdesSeelischen),EduardSpranger,KarlJaspers
W.Dilthey(1833-1911)
E.Husserl(1859-1938)
E.Spranger(1882-1963)
K.Jaspers(1883-1969)
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10 Kapitel 1
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1.3.2 Schulen und Psychotherapieformen
Die Uneinigkeit in der Psychologie, einhergehend mit dem Ringen um Berech-tigung und Anerkennung der jeweiligen Ideen, sorgt im Psychologiestudium oft für Verwirrung. Deshalb steht zunächst eine wichtige begriffliche Unter-scheidung im Vordergrund.
Die Ideenvielfalt der Psychologie spiegelt sich in zwei Kontexten wider: zum einen im Forschungskontext, in dem man von Schulen der Psychologie spricht und damit die verschiedenen Denkrichtungen bezeichnet, die in der Vergangen-heit an den Universitäten vorherrschend waren; zum anderen im Anwendungs-kontext, in dem man verschiedene Psychotherapieformen unterscheidet, die jeweils andere Ansätze an die Behandlung von psychischen Störungen haben. Beides hängt miteinander zusammen, da die Anwendungspraxis aus den uni-versitären Gedanken entstanden ist. Allerdings ist die Einteilung der einzel-nen Ideen je nach Kontext etwas unterschiedlich: Wenn man von Schulen der Psychologie spricht, meint man damit i. d. R.: Strukturalismus/Elementarismus, Psychoanalyse/Tiefenpsychologie, Funktionalismus, Behaviorismus, Gestalt-psychologie und geisteswissenschaftliche Psychologie. Wenn man jedoch die Psychotherapieformen beschreiben will, unterteilt man in: tiefenpsychologische/psychodynamische, verhaltenstherapeutische (manchmal noch in lerntheoreti-sche und kognitive Verhaltenstherapie geteilt), humanistische und systemische Ansätze sowie die allgemeine Psychotherapie (etwa von Klaus Grawe), die ver-sucht, alle Ideen zu vereinen. Zum Teil ist begrifflich klar, was woraus entstanden ist bzw. sich beeinflusst hat. Allerdings nimmt z. B. die systemische Therapie eine
. Tab. 1.1 Übersicht über die verschiedenen Schulen der Psychologie. (Nach Bourne & Ekstrand, 1992; Krampen, 2006)
Schule Vertreter Forschungs-methode
Psychologische Fach-bereiche
Forschungs-gegenstand
Grundannahmen
Strukturalis-mus/Elemen-tarismus
Wundt Introspektion, experimentelle Ansätze
Völkerpsychologie, experimentelle Psy-chologie
Wahrnehmung und Sinnes-empfindungen
Jede Erfahrung ist aus einzelnen Teilen zusammen-gesetzt.
Psychoanalyse/Tiefenpsycho-logie
FreudJungAdler
Introspektion, Einzelfallana-lyse
Persönlichkeitspsycho-logie, Motivationspsy-chologie, Entwick-lungspsychologie, klinische Psychologie
Das Unbewus-ste, Triebe, Abwehr
Verhalten und Erleben werden maßgeblich von unbewussten Inhalten ge-steuert.
Funktionalismus DeweyJames
Introspektion, Tierexperiment
Lernpsychologie, Moti-vationspsychologie
Lernprozesse, Assoziationen
Denken und Verhalten erfüllen eine Funktion und sind ständiger Veränderung unterworfen.
Behaviorismus WatsonSkinnerHullTolman
Experiment Lernpsychologie, Methodik in der Psy-chologie
Klassische und operante Kon-ditionierung
Menschliches Verhalten ist erlernt und lässt sich durch Reiz-Reaktions-Ketten er-klären (S-R-Theorien).
Gestaltpsycho-logie
WertheimerKöhlerLewinKülpe
Experiment Wahrnehmungs- und Denkpsychologie
Wahrnehmung, Gestaltgesetze
Will man etwas über die Psyche herausfinden, muss man das Ganze in den Blick nehmen.
Geisteswissen-schaftliche Psychologie
DiltheyHusserlSprangerJaspers
Hermeneutik Phänomenologie Menschliches Erleben (z. B. Gefühle)
Um psychische Phänomene zu verstehen, ist ein deuten-der Ansatz nötig.
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KriseninderPhasederKonsolidierung
1. KriseumGegenstandundMethodenderPsychologie
• KarlBühler(1927)zurLagederPsychologie- naturwissenschaftlicherAnsatz(Strukturalismus,Funktionalismus,Behaviorismus)
- gestaltpsychologischerundgeisteswissenschaftlicherAnsatz
- KonfliktzwischenqualitativerundquantitativerMethodik,wenigganzheitlicheTheorienbildung
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logie. 1927 setzte sich Karl Bühler mit dem damaligen Stand der Psychologie auseinander und fand zwei Pole in der Psychologie, die sich gegenüberstanden: Auf der einen Seite stand der naturwissenschaftliche Ansatz, der vom Struk-turalismus, Behaviorismus und Funktionalismus vertreten wurde, und auf der anderen Seite der gestaltpsychologische und geisteswissenschaftliche Ansatz. Levy vertrat die Hypothese, die Krise der Psychologie komme durch eine ein-seitige quantitative Herangehensweisen an die Psychologie zustande und es fehle an ganzheitlicher Theorienbildung. Durch diese Kritik wurde der Gegen-satz von qualitativer und quantitativer Methode offensichtlich, der in . Tab. 1.2 dargestellt ist, aber nicht im Sinne eines absoluten Entweder-Oders, sondern eher im Sinne eines abwägenden Sowohl-als-Auchs behandelt werden sollte.
Die 2. Krise der Psychologie bestand in der Ideologisierung des Fachbe-reichs während der NS-Zeit. Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 wurden viele Professoren entlassen, und es kam zu einer Emigrationswelle, die die psychologische Forschung auf bestimmten Gebieten sehr ins Stocken brachte. Psychologische Theorien, die nicht in das Schema der NS-Ideologie passen, wurden angepasst. Die Psychologie, die in Deutschland noch geduldet, ge-braucht und genutzt wurde, war die Arbeits- und Militärpsychologie, in der man Eignungsverfahren für das Militär entwickelte. Die pädagogische Psy-chologie profitierte sogar von dieser Zeit, was sich konkret im Ausbau von Erziehungsberatungsstellen äußerte, die dem Ziel dienten, auf die Familien Einfluss zu nehmen. Kontrolle auszuüben war für die Nationalsozialisten auch im Hinblick auf das Psychologiestudium wichtig: So entwickelten sie die 1. Diplomprüfungsordnung und bauten psychologische Institute aus, die mit der Ideologie konform waren.
1.3.6 7. Epoche: Charakteristika der modernen Psychologie
Die moderne Psychologie, die sich ab den 1960er/70er Jahren entwickelt, zeichnet sich durch folgende Charakteristika aus:
5 Es kommt zu einem enormen personellen Aufschwung in der Lehre, Forschung und Anwendung, gesprochen wird auch von einem »Psycho-Boom« in den Industrieländer.
. Tab. 1.2 Übersicht über die Gegensätze zwischen qualitativer und quantitati-ver Methodik. (Nach Bortz & Döring, 2006)
Quantitative Methode Qualitative Methode
Naturwissenschaftlich Geisteswissenschaftlich
Partikulär Holistisch
Nomothetisch Idiographisch
Laborstudien Feldstudien
»Forschungsobjekte« »Forschungssubjekte«
Reliabilität und interne Validität häufig gut Reliabilität und interne Validität oft fragwürdig
Externe Validität häufig fragwürdig Externe Validität häufig gut
Deduktiv Induktiv
Erklären Verstehen
1.3
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KriseninderPhasederKonsolidierung2.KrisedurchIdeologisierungdesFachswährendderNS-Zeit
- NachderMachtergreifungdurchHitler,Entlassungs- undEmigrationswelle,dieForschunginvielenBereichenzumStockenbrachte
- AusbauvonideologiekonformenInstitutenundFachbereichen§ Arbeits- undMilitärpsychologiesowiePädagogischePsychologiedienenideologischenZwecken(EntwicklungvonEignungsverfahrenfürdasMilitär,AusbauvonErziehungsberatungsstellen,umEinflussaufFamilienzunehmen)
- ErichJaensch1934im Kongressbericht derDeutschen Gesellschaft für Psychologie:§ „Wir Deutschen standen anderthalb Jahrzehnte lang unter dem Druck einer Gewaltherrschaft,jaeinesTerrors,dendievorwiegend jüdischen Gruppen,vondendamaligen Regierungen begünstigt,inunserem Fache ausübten.“(zit.nach Riedesser &Verderber,1985,p.66)
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WaszeichnetdiemodernePsychologieaus?• Zeitabden1960/70erJahrenbringtpersonellenAufschwunginLehre,ForschungundAnwendungderPsychologieindenIndustrieländern
• theoretischerPluralismus,AuflösungdesSchulendenkens ausderErkenntnis,dasskeineSchulealleinederKomplexitätvonErlebenundVerhaltengerechtwird
• allerdingssindSchulenindenpsychotherapeutischenRichtungennochdeutlichsichtbar:Verhaltenstherapie,Tiefenpsychologie/Psychoanalyse,klientenzentrierte (humanistische)undsystemischeTherapie
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WaszeichnetdiemodernePsychologieaus?• zunehmendeInstitutionalisierung(inVereinen,Gesellschaften,Interessensverbänden)
• Ausbildungwirdanwendungsorientierter(AnwendungsfächerPäd.Psy.,KLIPS,A&O),dieForschungspezialisierter(sichtbarbspw.inspezialisiertenFachzeitschriften)
• inderForschungMethodenpluralismusmitDominanzdernaturwissenschaftlichenimVergleichzurgeisteswissenschaftlichenOrientierung
• hoheAkzeptanzinderGesellschaft29
FazitDiePsychologiehateinelangeVergangenheit,abernureinekurzeGeschichte.
HermannEbbinghaus,1908
DiePsychologiehatnureinekurzeGeschichte,docheinelangeZukunft.WolfgangSchönpflug,2000
DiePsychologieistalsWissenschaftgutetabliertmiteinemklarenFächerkanon(–>Ringvorlesung)trägtzuzahlreichenanderenAusbildungs- undStudiengängenbei(anderUDEbspw.Lehramt,SozialeArbeit,Erziehungswissenschaft,Medizin)istinzahlreichenAnwendungsbereichenerfolgreich(–>Ringvorlesung)
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