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UNIVERSITÄT BIELEFELD Fakultät für Soziologie
Lehrforschung: „Arbeit im Zeichen der Globalisierung“ Veranstalter: Johannes Augel SS 2000 bis WS 2000/2001
—————————————————————————————————————
INNOVATIVE PRODUKTIONSKONZEPTE DER
AUTOMOBILINDUSTRIE IN BRASILIEN
Industrielle Beziehungen im Transformationsprozess
Ein Lehrforschungsbericht von Michaela Gennes
Bielefeld, März 2001
2
INHALTSVERZEICHNIS
1 EINLEITUNG 3
2 FRAGESTELLUNG UND UNTERSUCHUNGSMETHODEN 4
Fragestellung 4
Forschungsmethode 5
3 DIE BRASILIANISCHE AUTOMOBILINDUSTRIE 7
Historischer Abriss 7
Die Wende der Wirtschaftspolitik in den 90er Jahren 8
Die brasilianische Automobilindustrie seit den 90er Jahren 8
4 „EXPERIMENTIERFELD BRASILIEN“: NEUE FORMEN DER
ARBEITSORGANISATION 10
Neue Produktionskonzepte der Automobilhersteller 10
Modulares Konsortium versus Industrielles Kondominium 12
5 DAS LKW- UND BUSWERK DER FIRMA VW IN RESENDE 13
Die Standortfrage 13
Wirtschaftliche Auswirkungen auf die Region 14
Die Arbeitsorganisation im Konsortium Modular 16
Die Arbeitsbeziehungen in Resende 17
6 DIE INDUSTRIELLEN BEZIEHUNGEN 19
Gewerkschaft 19
Das Arbeitsklima des Konsortium Modular 23
Der Betriebsrat 28
7 ZUSAMMENFASSUNG 31
LITERATUR 34
3
1 EINLEITUNG
Mit fortschreitender Globalisierung finden tiefgreifende Umstrukturierungen im Bereich der
weltweiten Arbeitsteilung und -organisation statt. Gerade die wirtschaftlich bedeutenden
Automobilhersteller suchen wegen der steigenden internationalen Konkurrenz nach neuen
Strategien kostenreduzierender Produktionskonzepte. Die Väter des Fließbandes, Henry Ford
und Alfred Sloan von General Motors, erkannten, dass ein größerer Markt die
Massenproduktion verlangt. In den 80er Jahren wurde das japanische Erfolgsmodell der Just-
in-Time-Produktion weltweit kopiert1. Heute soll die Automobilherstellung mit neuen
Organisationsmodellen, radikalem Outsourcing und neuer Zulieferer-Hersteller-Beziehung
zum dritten Mal revolutioniert werden. Da Europa und Nordamerika mit Autos gesättigt sind,
sollen gleichzeitig neue Absatzmöglichkeiten gefunden werden (Kilper/Pries 1999).
Brasilien stellt weltweit den größten Wachstumsmarkt für Automobile dar. Viele
Analysten und Hersteller bescheinigen ihm trotz starker Konjunkturschwankungen auch für
die Zukunft ein großes Potenzial2. Ein Teil dieser Fähigkeit wurde zu Beginn der 90er Jahre
durch einen politischen Wandel und die selektive Marktöffnung nach den Jahren der
Importsubstitution geweckt3. Seitdem hat der Standort Brasilien bei allen großen Hersteller-
und Zulieferer-Multis Interesse geweckt und ist zu einem beliebten Ziel neuer Investitionen
geworden. Allein die Größe des Landes und die Beteiligung an dem Wirtschaftsabkommen
Mercosul garantieren einen umfangreichen Binnenmarkt, den es zu erschließen gilt (Comin
1997). Die Kernelemente der Restrukturierungsstrategie bilden die Neuorientierung der
Produktpalette mit zahlreichen kostengünstigen Modellen, die Modernisierung existierender
Fabriken und vor allem der Aufbau neuer Werke, sogenannter greenfield plants4.
Für eine in dem Themenbereich „Arbeit im Zeichen der Globalisierung“ angesiedelte
Lehrforschung ergibt sich die Frage, wie sich die Wende in globalen wirtschafts- und
gesellschaftspolitischen Leitvorstellungen in allen Bereichen des sozialen und politischen
Lebens wiederfindet. Welche Bedeutung kommt den industriellen Beziehungen als kollektive
Regulierungsformen der Arbeits- und Beschäftigungsbeziehungen zu. Inwieweit verändern
sich die industriellen Beziehungen mit den Restrukturierungsmaßnahmen?
Vor diesem Hintergrund stand der dreimonatige Feldaufenthalt in der Zeit vom 15. Juli
bis 15. Oktober 2000 in São Paulo und Resende in Brasilien, der mit einem Praktikum bei
VDO/Mannesmann (jetzt Siemens) verknüpft war. VDO/Mannesmann ist ein weltweit
1 Vgl. hierzu und im folgendem Womack 1991a und 1991b. 2 So erwartet der brasilianische Verband der Autohersteller ANFAVEA (Associaςão dos Fabricantes de Veículos Automotores) bis zum Jahr 2003 eine Absatzsteigerung um 45% (vgl. Jornal da Tarde 8.Juni 1999). 3 Zu Konzeption und Entwicklung der Importsubstitution Baer (1972), Fajnzylber (1983 und 1990), Hirschmann (1968), Prebisch (1963). 4 Zur Problematik von Restrukturierungsstrategien in neuen und alten Automobilwerken vgl. Castillo 1995 am Beispiel Fords in Mexiko.
4
führendes Zulieferunternehmen im Bereich der Automobilelektronik mit mehreren Standorten
in Brasilien. Die Beteiligung des Unternehmens an einem völlig neuen Produktionsmodell,
dem Modularen Konsortium der 1997 in Produktion gegangenen LKW- und Busfabrik
Volkswagens in Resende im Bundesstaat Rio de Janeiro, bot sich für eine empirische Arbeit
mit dem skizzierten Forschungshintergrund an. Kernelement des Modularen Konsortiums ist
die direkte Einbindung der Zuliefererfirmen in den Produktionsablauf. Der Hersteller
verzichtet ganz auf direkte Mitarbeiter und konzentriert sich auf Planung, Vermarktung und
Qualitätskontrolle.
An dem Werk in Resende sind sechs Zulieferer und VW selbst beteiligt. Die 1550
Angestellten arbeiten gemeinsam unter einem Fabrikdach und haben einheitliche Löhne und
Sozialleistungen. Nur 250 von ihnen sind direkte VW-Mitarbeiter, bei den restlichen
Arbeitern handelt es sich um Angestellte der Zulieferer. Die betrieblichen Praktiken und
Arbeitpolitiken werden in diesem Sinne nicht nur innerhalb eines Betriebes mit einer
Belegschaft, sondern zwischen verschiedenen Firmen und Arbeitern verhandelt.
Ziel dieser Lehrforschungsarbeit ist es, auf der Mikroebene einer Fabrik festzustellen,
wie betriebliche Praktiken industrieller Beziehungen und neue, experimentelle
Umstrukturierungsprozesse miteinander vereinbar sind. Kommt es zu einer schrittweisen und
wechselseitigen Anpassung oder geraten sie in Konflikt? Die Forschung wurde anhand von
qualitativen Leitfadeninterviews mit leitenden Angestellten, der Firmenleitung, den
Mitgliedern des Betriebsrats, Arbeitern und auch mit einigen „Experten“ wie Professoren,
Gewerkschaftsführern und Mitarbeitern verschiedener Einrichtungen durchgeführt. Besonders
hilfreich für ein vertiefendes Verständnis der Thematik war das Studium der hinzugezogenen
brasilianischen Fachliteratur und Tagespresse.
Im Folgenden werde ich zunächst näher auf die Fragestellung und die
Forschungsmethoden eingehen. Anschließend wird der veränderte politische Kontext in
Brasilien in den 90er Jahren und das Konzept Modulares Konsortium erläutert. Aufbauend
auf diesen Grundlagen sollen die Aus- und Rückwirkungen der neuen Arbeitsorganisation auf
die industriellen Beziehungen am Beispiel des VW-Werks in Resende anhand des
empirischen Materials dargestellt und interpretiert werden. Abschließend werden die
wichtigen Elemente der veränderten Arbeitsbeziehungen in dem Transformationsprozess
zusammengefasst.
2 FRAGESTELLUNG UND UNTERSUCHUNGSMETHODEN
Fragestellung
Die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen (Bezahlungshöhe und Bezahlungsform,
Vertragsdauer, Kündigungsschutz, Unfall- und Gesundheitsschutz, Leistungen und
5
Zumutungen, Arbeitszeiten, Interessenvertretung) sind nicht nur durch individuelle
Absprachen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern festgelegt. Sie sind die Folge eines
komplexen Settings aus formalisierten und allgemeingültigen Normen, aus kollektiv
ausgehandelten Verträgen und Abkommen, aus Tradition und Arbeitskulturen sowie aus
individuellen Aushandlungen (Dombois/Pries 1998).
Die sozioökonomischen Rahmenbedingungen der Arbeitswelt in Lateinamerika
unterscheiden sich grundlegend von denen in Europa. Dort haben sich Qualifizierung,
Demokratie, Zivilgesellschaft und Wohlfahrt in einem langwierigen Prozess herausgebildet.
Die Systeme der industriellen Beziehungen sind über einen langen Zeitraum gewachsen und
der moderne Wohlfahrtstaat hat sich durchgesetzt, während in Lateinamerika diese
Entwicklung viel später einsetzte. Noch bevor sich eine industrielle Arbeiterschaft
herausbilden konnte, kam der Industrialisierungsprozess ins Stocken. Die Folgen sind nicht
formalisierte Beschäftigungsbeziehungen, kleine selbstständige Erwerbsarbeit und ein großer
informeller Sektor. Das wohlfahrtsstaatliche Netz gegen Krankheit und Armut hat sich kaum
ausgebildet. Beschäftigungsverhältnisse und Erwerbsverläufe haben keine einheitliche Norm
oder Qualifizierungsvoraussetzungen. Die kollektivvertraglichen und rechtlichen
Regulierungen der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen haben kein großes,
differenziertes Ausmaß erreicht (Dombois/Pries 1998). In Lateinamerika überwiegt eine
strukturelle Heterogenität der Arbeitswelt. Weder der Staat noch die Gewerkschaften oder die
Arbeitgeberverbände haben die Prägemacht, Mindeststandards durchzusetzen und zu
kontrollieren. Daher stehen die Herausforderungen der Flexibilisierung, Dezentralisierung
und Individualisierung im Zuge der fortschreitenden Globalisierung in Lateinamerika und
Europa ungleichen Kräften gegenüber.
Wegen der zentralen Bedeutung des Automobilsektors in Brasilien sind die
Antworten, die sich in diesem Sektor auf neue unternehmerische Praktiken finden,
exemplarisch. Auf der Mikroebene sollen die industriellen Beziehungen unter
experimentellen Produktionskonzepten in der betrieblichen Praxis untersucht werden. Dabei
wird das Verhältnis von unternehmerischen Arbeitspolitiken und betrieblichen Praktiken als
wechselseitig gefasst.
Forschungsmethode
Die dreimonatige Feldforschung fand als ein Betriebspraktikum bei VDO/Mannesmann (jetzt
Siemens) in Brasilien statt. Schon in der Vorbereitungsphase der Lehrforschung kristallisierte
sich die Beteiligung des Unternehmens an dem VW-Werk in Resende mit dem überall als die
neue Art der Produktion gefeierte Konsortium Modular als ein ergiebiges Feld in Hinblick auf
den Forschungsrahmen heraus. Leider war es nicht möglich, das Praktikum in dem eigentlich
zu untersuchenden Werk in Resende zu absolvieren. Von Seiten VDO`s wurde angeführt,
6
dass das Projekt von São Paulo aus gelenkt würde, in Resende über keine eigene Infrastruktur
verfüge und wegen der VW-Hoheit keine Praktikanten eingesetzt werden könnten. Der
Besuch des Werks wurde aber versprochen. Aus diesem Grund begann die erste Phase der
Feldforschung im Stammsitz des Unternehmens in São Paulo.
Von Anfang an war allen Mitarbeitern klar, dass es sich bei mir nicht um eine normale
Praktikantin handelte, sondern dass mein Aufenthalt mit einem Forschungsinteresse
verbunden war. Mit der Erklärung, an einer studienbegleitenden Lehrforschung zu arbeiten,
gelang es fast immer, ein Vertrauensverhältnis zu den Mitarbeitern aller Bereiche
herzustellen. In der ersten Phase konnte wichtige brasilianische Literatur gesammelt werden,
die von Deutschland aus schwer oder gar nicht zugänglich war. Auch konnten Kontakte zu
lokalen Experten hergestellt werden. Über ein langsames Vortasten in das Feld Konsortium
Modular und industrielle Beziehungen in Brasilien entwickeltete ich zwei Leitfäden für die
Gestaltung der geplanten qualitativen Interviews mit leitenden Angestellten und Arbeitern
entwickelt. Die ersten acht Leitfadeninterviews führte ich mit den leitenden VDO
Angestellten, die an der Planung und Durchführung der Zusammenarbeit mit VW in Resende
beteiligt waren. Nach dieser zweiten Phase stellte sich eine leichte Unzufriedenheit mit der
Situation ein, vor allem weil der versprochene Besuch in Resende immer wieder verschoben
wurde. Über einen mittlerweile guten Kontakt mit lokalen Soziologen ergab sich die
Möglichkeit zur Teilnahme an einem workshop in der Uni Camp mit dem Titel: comparative
research workshop on work and social theory.
Nach dieser Abwechslung stand nach zweimonatigem Aufenthalt endlich ein
zweitägiger Besuch in dem VW-Werk in Resende an. Die Fabrik und das Produktionsprinzip
konnten vor Ort besichtigt werden. Die knappe Zeit ließ es zu, mit einigen führenden
Angestellten und Arbeitern zu sprechen. Auch ein erster Einblick in die konfliktreichen
industriellen Beziehungen in einem Konsortium gelang. Vor Ort konnte ich durchsetzten, den
Rest des Praktikums in Resende zu verbringen. Diese Zeit entwickelte sich zu der
produktivsten Phase der Feldforschung. Mit der direkten Eingliederung in den Arbeitsprozess
in dem Konsortium Modular konnten alle alltäglichen Ereignisse, Probleme und Handlungen
beobachtet werden. In dem engen Zeit- und Personalrahmen der just-in-time-Produktion war
es nicht immer einfach, Arbeiter freizustellen. Insgesamt konnte ich mit 56 Arbeitern
halbstündige Interviews führen. Hinzu kamen sechs Interviews mit leitenden Angestellten und
dem Manager VDO´s und Gespräche mit lokalen Gewerkschaftsführern, Politikern und
Mitarbeitern der Industrie und Handelskammer.
In der Fabrik hat sich schnell ein Vertrauensverhältnis zu den Arbeitern und vor allem
zu den Mitgliedern des gerade gegründeten Betriebsrats entwickelt. Ich hatte den Eindruck,
dass meine Anwesenheit und die Beschäftigung mit dem Fabrikalltag begrüßt wurde. Mir
wurde viel Offenheit und Vertrauen entgegengebracht: Arbeiter kamen freiwillig zu mir, um
7
von ihrem Arbeitsalltag und Problemen zu berichten, leitende Angestellte erklärten mir
Hintergründe und Insider-Informationen und die Mitglieder des Betriebsrats kamen auf die
Idee, mir ihre Verhandlungen mit VW und dem Konsortium mit einem Diktiergerät
aufzuzeichnen. Ich wurde zu Gewerkschaftsgrillfesten und sportlichen Wettkämpfen
eingeladen. So konnte obwohl die Feldphase in dem relevanten Werk relativ kurz ausgefallen
ist, ausreichend Material gesammelt werden.
Eine Betriebspraktikums ist an Vorgaben und Einhalten von Regeln gebunden und für
eine Feldforschung nicht immer erstrebenswert. In meinem Fall wurde mir aber trotz einiger
organisatorischer Schwierigkeiten und Grenzen Forschungsfreiheit und Unterstützung
gewährt. Im Gegensatz zu „Forschung von außen“ konnten wichtige interne Einblicke in den
Betriebsalltag und damit ein besseres Verständnis gewonnen werden. Über den Austausch mit
anderen Forschungsgruppen konnten die eigenen begrenzten Daten und Interviews ergänzt
werden und über einen zeitlich längeren Rahmen ausgedehnt werden.
3 DIE BRASILIANISCHE AUTOMOBILINDUSTRIE
Historischer Abriss
Die Automobilproduktion reicht in Brasilien bis in die 20er Jahre zurück, als die beiden
nordamerikanischen Konzerne Ford (1919) und General Motors (1924) Werke errichteten
(Cardoso/Comin 1996). Der take-off setzte mit der importsubstituierenden Industrialisierung
in den 50er Jahren ein, als Ford, GM und VW Produktionsstätten in Brasilien gründeten. Sie
lagen ausschließlich im Staat São Paulo in der ABC-Region der Städte Santo André, São
Bernardo und São Caetano konzentriert. Der Großraum São Paulo entwickelte sich zu einer
rasch wachsenden Metropole mit einer führenden und starken Gewerkschaftsbewegung seit
den 70er Jahren (Doleschal 1987).
Die hohen Importzahlen, Kreditvergünstigungen für ausländische Investoren und ein
Anstieg der Massenkaufkraft in der brasilianischen Mittelschicht führten in den Jahren 1968
bis 1973 zu einem Aufschwung der brasilianischen Wirtschaft mit der Automobilindustrie im
Zentrum. Nach 1973 brachten die Wirtschaftskrise und die hohen Ölpreise die gesamte
Industrie ins Stocken. Obwohl als ein Ausweg die Exporte gesteigert werden konnten,
schlugen Anfang der 80er Jahre die Strukturprobleme des Automobilsektors und des
Entwicklungsmodells der importsubstituierenden Industrialisierung durch. Wie in vielen
Ländern Südamerikas gelten die 80er Jahre auch in Brasilien als ein „verlorenes Jahrzehnt“.
Unter den Bedingungen stagnierender Nachfrage, Hyperinflation und eines abgeschotteten
Marktes blieben die notwendigen Modernisierungen aus (Altvater 1987; Meyer-Stamer 1994).
8
Die Wende der Wirtschaftspolitik in den 90er Jahren
Zu Beginn der 90er Jahre vollzog Brasilien einen Richtungswechsel von den gescheiterten
Versuchen, die Erfolge der importsubstituierenden Industrialisierung zu retten, hin zu einer
neoliberalen Strukturanpassungspolitik (Dombois/Pries 1998). Die entscheidenden
Wirtschaftsreformen begannen unter der Regierung Coller de Mello (1990-92) und wurden
unter Itamar Franco (1992-1994) und Fernando Henrique Cardoso (seit 1994) fortgesetzt
(Calcagnotto 1997). Mit der Integration in den Mercosul, ein Wirtschaftsabkommen zwischen
Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, erfolgte der Abbau der Handels- und
Zollschranken und damit ein rascher regionaler Integrationsprozess. Weite Teile der
staatlichen Monopolsektoren (so Banken, Telekommunikation, Erdöl- und
Erdgasunternehmen) wurden privatisiert. Hinzu kam eine Verfassungsreform, die zahlreiche
Wirtschaftsbeschränkungen der importsubstituierenden Zeit aufhob. Mit der Stabilisierung
des Geldwertes durch den Plano Real wurde eine neue Vertrauensbasis für ausländische
Investoren geschaffen. Die ausländischen Direktinvestitionen stiegen von 0.7 Mrd. US $ 1991
auf 17 Mrd. US $ 1997 womit Brasilien zum attraktivsten lateinamerikanischen
Investitionsstandort aufstieg5.
Obwohl mit der wirtschaftspolitischen Wende in den 90er Jahren einige Erfolge und die
Integration in den Weltmarkt erzielt werden konnte, setzten sich die tiefgreifenden
Strukturprobleme Brasiliens fort. Die Auswirkungen der asiatischen Finanzkrise 1997 und der
Währungsverfall 1999 lassen auf die Abhängigkeit von internationalen Kapitalbewegungen
schließen. Hinzu kamen die hohe Staatsverschuldung, ein Handelsbilanzdefizit und ein akutes
Beschäftigungsproblem. So hat die Informalisierung der Arbeitsmärkte schätzungsweise 50%
der erwerbstätigen Bevölkerung erfasst (Muñoz 1995).
Die brasilianische Automobilindustrie seit den 90er Jahren
Die Automobilindustrie behielt ihre Schlüsselstellung in der brasilianischen Wirtschaft nach
den Veränderungen der 90er Jahre bei. Unter Einschluss der Zulieferer- und
Nutzfahrzeugindustrie werden hier 20% des industriellen und 7,5% des gesamten BIP
erwirtschaftet (Cardoso 1997). Der generelle wirtschaftspolitische Wandel wird in der
Automobilindustrie mit einer spezifischen Förderungspolitik verknüpft. Mit der sektoralen
Strukturpolitik sollen die Konsequenzen der neoliberalen Maßnahmen abgefangen, die
Nachfrage belebt und die Angebote modernisiert werden. 1992 setzte mit der Steuersenkung
für Autokäufe, der Einführung eines günstigen Autofinanzierungssystems und eines neuen
günstigen Kleinwagentyps, dem „carro popular“, ein explosionsartiger Anstieg der Nachfrage
ein. Die für eine neue Käuferschicht erschwinglich gewordenen Automobile entwickelten sich
5 Vgl. zur Einschätzung der wirtschaftlichen Öffnungspolitik DIEESSE 1996; Salerno el al. 1998.
9
schnell zum Motor des Nachfragebooms. Auf diese Weise wurden alle Massenhersteller
gezwungen, mit attraktiven und preisgünstigen Modellen aufzuwarten (Dombois/Pries 1999).
In Tabelle 1 wird der drastische Bedeutungsanstieg solcher Kleinwagen im gesamten
Autoverkauf verdeutlicht. In nur acht Jahren stieg ihr Anteil von 4,3% auf 72,6%.
Tabelle 1: Prozentualer Anteil von „Carros Populares“ im gesamtem Autoverkauf
Jahr 1990
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998
„Carros Populares“
4.3 11.5 16.0 28.4 45.9 53.8 56.3 64.0 72.6
Quelle: Anfavea 1999: Anuário Estatístico da Indústria Automobilística Brasileira, São Paulo: A Associação: 84.
Mit der Einbindung der Gewerkschaften in die sektorale Strukturpolitik bildete sich die
in den 80er Jahren sehr hohe Konfliktbereitschaft der Arbeiter und die Streikhäufigkeit
deutlich zurück, so dass die Basis für ein konsensuales Klima entstand. Umso enttäuschender
war die Abkehr von dieser Politik unter dem ehemaligem Finanzminister (1993) und
heutigem Präsidenten Fernando Henrique Cardoso. Es entstand eine enge Kooperation
zwischen den großen Multis und dem Staat (Leite 1999). Das 1995 ausgehandelte
Automobilregime (Regime Automotivo) gewährte den einheimischen Produzenten den
zollfreien Import von 90% der Ausrüstungsgüter und 85% der Zulieferteile (Cardoso u.a.
1997). Damit wurde ein deutliches politisches Zeichen zugunsten der Automobilhersteller und
führender multinationaler Zulieferer gesetzt, das sich zu Ungunsten des
Gewerkschaftseinflusses und der lokalen brasilianischen Zulieferindustrie auswirkte.
Während die Modernisierungsinvestitionen in bestehende Anlagen mit der
wirtschaftspolitischen Wende zu Beginn der 90er Jahre einsetzte, kam es mit der
Währungsstabilisierung durch den Plano Real, dem Nachfrageboom und der Verabschiedung
des Automobilregimes zu einer Welle von Investitionen in neue Werke. Zum Teil begannen
auch Hersteller, die bis dahin nicht in Brasilien aktiv waren, neue Produktionsstätten zu
errichten. Verstärkend kam hinzu, dass die Hersteller im Zuge des Globalisierungsprozesses
und stagnierender traditioneller Märkte auf der Suche nach neuen emergent markets waren. In
dieser Phase verwandelte sich Brasilien zu dem weltweit bedeutendsten Zentrum der
Automobilindustrie. Die neuen Fabriken wurden hauptsächlich weit entfernt von der
Gewerkschaftshochburg São Paulo errichtet. Mit oftmals langjährig gewährter Steuerfreiheit
und kostenloser Bereitstellung der Grundstücke und der Infrastruktur lieferten sich die
einzelnen Bundesstaaten geradezu einen Wettkampf um die Ansiedlung solcher Werke (Arbix
2000)6. Hinzu kamen die im internen brasilianischen Vergleich niedrigen Löhne und die
schwächere gewerkschaftliche Präsenz außerhalb der ABC-Region. Neue Formen der
Arbeitsorganisation können in greenfield Fabriken leichter durchgesetzt werden (Carillo
6 In der Literatur wird dieser Wettkamp f oft als Steuerkrieg (guerra fiscal) bezeichnet.
10
1995). Brasilien avancierte damit zu einem „Experimentierfeld der Autoindustrie“
(Dombois/Pries 1998). Trotz der Neuinvestitionen werden in der Automobilindustrie weniger
Arbeitsplätze bereit gestellt. Waren 1989 noch 143.000 in den Automobilwerken und 310.000
in der Zuliefererindustrie beschäftigt, gibt es 1997 insgesamt nur noch 329.000 direkte
Arbeitsplätze in der Automobilindustrie (Arbix/Rodriguez 1999). Diese Daten beinhalten
einen Anstieg der Produktivität, ohne neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Tabelle 2 zeigt die Investitionssumme und die Standort der einzelnen Hersteller.
Tabelle 2: Neue Automobilhersteller und Marken in Brasilien
Herkunftsland Hersteller Ansiedlung/geplanter Produktionsbeginn
Angekündigte Investitionen (Mio US$)
Jährliche Produktions-Kapazität
Deutschland Mercedes (A-Klasse) VW-Audi (A3, Golf, Passat) VW (LKWs) VW (Motoren)
Juiz de Fora (MG), in Betrieb S. José dos Pinhais (PR), in Betrieb Resende (RJ), in Betrieb S. Carlos (SP), in Betrieb S. Bernardo do Campo (SP), in Betrieb
820 600 250 250 150
70.000 120.000 50.000 300.000 15.000
Korea Kia (Kleinlaster) Asia (Towner, Topic) Hyundai (H1000)
Itu (SP), nicht bekannt Camacari (BA), nicht bekannt* Aratu (BA), nicht bekannt*
50 500 280
10.000 60.000 20.000
USA Chrysler (Dakota) Chrysler/BMW (Motoren) GM (Preßwerk) GM (Celta) Ford (PKW) Navistar (LKW)
Campo Largo (PR), in Betrieb Capo Largo (PR), 2000 Mogi das Cruzes (SP), nicht bekannt Gravataí (RS), in Betrieb Gravataí (RS), 2001 Caixas do Sul (RS), in Betrieb
315 600 150
600 500 500
12.000 400.000 1.6 Mio. 120.000 100.000 5.000
Frankreich Renault (Scenic, neuer Clio) PSA.Peugot (PKW)
S. José Pinhais (PR),in Betrieb Porto Real (RJ), 2000
750
600
100.000 100.000
Italien Iveco (Kleinlaster) Fiat (Motoren) Fiat (Pick-up)
Sete Lagoas (MG), in Betrieb Betim (MG), in Betrieb Belo Horizonte (MG), in Betrieb
250 500 200
20.000 500.000 100.000
Japan Toyota (PKW) Mitsubishi (Pick-up) Honda (PKW, Civic)
Indaiatuba (SP), in Betrieb Catalão (GO), nicht bekannt Sumaré (SP), in Betrieb
150 35 100
15.000 8.000 30.000
Quelle: Salerno et al. 1998b: 593 (geringfügig nach eigenen Informationen aktualisiert)
*Die Investition wird neu diskutiert
4 „EXPERIMENTIERFELD BRASILIEN“: NEUE FORMEN DER
ARBEITSORGANISATION
Neue Produktionskonzepte der Automobilhersteller
Durch den verstärkten Wettbewerb zwischen den Herstellern und der Verengung des Marktes
sucht die Automobilindustrie nach neuen Rationalisierungsstrategien. So ist sich der
Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG Ferdinand Piech sicher, dass von den derzeit fast
11
20 selbstständigen Automobilunternehmen weltweit künftig nur acht oder neun
Herstellergruppen übrigbleiben (zitiert nach Neumann 1998: 5). Aufgrund dieser
Entwicklungen werden die Hersteller vor neue strukturelle Anforderungen gestellt. Die
internationale Konkurrenz um Absatzmärkte, die hohen Anforderungen an Varianten und
Ausstattungsvielfalt zwingen sie dazu, dass neue, möglichst kostengünstige, jedoch
gleichzeitig flexible Produktionskonzepte entworfen werden. Die im dritten Abschnitt
erörterten günstigen Bedingungen in Brasilien bieten sich der Automobilindustrie geradezu
als ein Experimentierfeld für solche neuen Produktionskonzepte an. Zumal in Brasilien nach
den Jahren der Importsubstitution ein hoher Nachholbedarf an Investitionen in rationale
Konzepte besteht, die dem Weltmarkt standhalten können.
Die Strategien der Automobilhersteller sind vielseitig. Sie reichen von der Verringerung
der Fertigungstiefe (out-sourcing), der weltweiten Beschaffung (global-sourcing) von
Fahrzeugteilen, der Konzentration der Beschaffung auf maximal zwei Lieferanten (single-
/doubel-sourcing), über die Beschaffung von komplexen Modulteilen (modular-sourcing), hin
zu der Zulieferung von Teilen zum richtigen Zeitpunkt (just-in-time-production)7. Tabelle 3
zeigt die von verschiedenen Herstellern in Brasilien eingeführten Systemtypen der
Produktion.
Tabelle 3: Neue Produktionskonzepte der Automobilhersteller
Hersteller Systemtyp Vom Hersteller gefertigte Teile
Zulieferer im Kondominium bzw.
nahegelegen VW Resende
Modulares Konsortium keine direkte Produktion; 7 von Zulieferern betriebene Module, interne Logistik und Instandhaltung durch Dritte
Mercedes-Benz Juiz de Fora (A-Klasse)
Industrielles Kondominium
Rohbau, Lackiererei, Endmontage, Presswerk und Achsfertigung. Im Lkw-Werk (São Bernado), Motor und Getriebe aus Deutschland
acht Betriebe Sitze, lackierte Plastikteile, Reifenvormontage, Auspuff, Schalttafeln, Kabelstränge
VW Taubaté
traditionell, mit beginnendem Kondominium
Presswerk, Rohbau und Lackiererei, Endmontage, Plastikteile-Fertigung, Motoren und mechanische Fertigungsteile von anderen VW-Werken im Mercosul (vor allem São Bernado und São Carlos – Brasilien)
in der Umgebung Sitze, Achsen, Stoßfänger, Kabelstränge, Kraftstofftank, Pressteile
VW/Audi Curitiba
Kondominium mit Konsortiumsanteilen
Presswerk, Rohbau, Lackiererei, mechanische Fertigungs- und Pressteile aus Mercosul-Raum (vor allem São Bernado und São Carlos) und
elf Betriebe betätigt Sitze, Plastikteile, Kraftstoffsystem, Achsen, Reifenvormontage, Auspuff, Lichtsystem,
7 Für eine ausführliche Darstellung der Innovationen in der brasilianischen Automobilindustrie vgl. Castro et al. 1996
12
Deutschland Kühls ystem, Windschutzscheibe
Ford São Bernado
traditionell mit beginnendem Kondominium
Presswerk, Rohbau, Lackiererei, Endmontage, mechanische Teilefertigung in einem 130 km entfernten Werk
Sitze, Reifenvormontage, Achsen, Lackiervorbereitungen, Schrauben-Management
GM Gravataí
Kondominium mit Konsortiumelementen
Presswerk, Rohbau, Lackiererei, Endmontage zum Teil durch GM zum Teil durch (in Konsortium angesiedelte) Zulieferer
Feinblechschneiden, Pressteile (teilweise), Sitze und Innenausstattung, Schalttafeln, Auspuff, Lenksystem, Plastikteile, Windschutzscheibe, Kühlsystem
Renault São José dos Pinhais
Kondominium Rohbau, Lackiererei, Endmontage, mechanische Teilefertigung aus Mercosul und Frankreich
während der Untersuchung in der Entscheidungsphase: Sitze, Kühlsystem, Pressteile
Chrysler (Jeeps) Campo Largo
Partielles Konsortium Montagewerk: Motoren von „Detroit Diesel“ in Campo Largo montiert und angeliefert
Motorenmontage, Fahrgestell – letzte Entscheidungen hierüber wurden gerade getroffen
Quelle: Salerno et al. 1999: 133 Allen Konzepttypen ist gemeinsam, dass die notwendige Flexibilität nicht mehr mit einem
kostenintensiven Lagerbestand abgesichert wird, sondern aus einer zeitgenauen und
auftragsgebundenen Koppelung aus Disposition, Zulieferung, Fertigung und Vertrieb
resultiert. Vor allem die Modularisierung (Konzept des Modularen Konsortium) und die enge
Kooperation (Konzept des Industriellen Kondominiums) mit den Zulieferern werden als
Lösungsstrategien der skizzierten Herausforderungen angesehen. Das Konzept des Modularen
Konsortium liegt der näher zu untersuchenden VW-Fabrikationsstätte in Resende zu Grunde,
so dass im folgenden dieses in Abgrenzung zu dem Industriellem Kondominium kurz erläutert
wird.
Modulares Konsortium versus Industrielles Kondominium
Die Grundlage der Idee des Modularen Konsortiums stammt von José Ignacio López de
Arriortúa, dem ehemaligen Chef von General Motors. Er merkt er zu der neuen
Fertigungsphilosophie an, dass „the concept can easily be expended to large-production passenger
cars“, womit er eine dritte Revolution in der Automobilindustrie voraussagt (zitiert nach
Neumann1998: 28).
Das Konzept wird erstmals im LKW- und Buswerk der Firma VW in Resende im
Bundesstaat Rio de Janeiro umgesetzt. Die Grundlage des Konzepts ist eine direkt
Einbindung der Zulieferfirmen in den Produktionsablauf. Die Zulieferer sind auf dem
Werksgelände so angesiedelt, dass sie neben der Montagelinie die zu fertigenden Module
erstellen und mit ihren Mitarbeitern auch in das entstehende Fahrzeug einbauen. In diesem
Konzept sind die entscheidenden Mitarbeiter, welche die Fahrzeugmontage vornehmen, nicht
13
bei dem Autohersteller selbst, sondern bei den Zulieferfirmen angestellt. Salerno bezeichnet
diese Art der Zusammenarbeit als Modulares Konsortium in Abgrenzung zu dem
Industriellen Kondominium wie es z.B. von General Motors in dem neuen Werk in Gravataí
im Bundesstaat Rio Grande do Sul angewendet wird. In einem Industriellem Kondominium
sind die Zulieferer ähnlich wie in einem Industriepark in der direkten Nähe oder auf dem
gleichen Gelände wie der Hersteller angesiedelt. Die Zulieferer stehen in direktem Kontakt
mit dem eigentlichem Werk und produzieren ihre Produkte und Module für diese just-in-time
(Humphrey 1996). Die Teile werden an den Hersteller übergeben und dann von werkseigenen
Mitarbeitern montiert. Das Konzept des Modularen Konsortiums geht einen entscheidenden
Schritt weiter. Der Hersteller verzichtet ganz auf direkte Mitarbeiter und konzentriert sich auf
die Aufgaben der Planung, Qualitätskontrolle und Vermarktung. Weil die direkte Arbeitskraft
von den Zulieferern gestellt wird, ist der Hersteller von den täglichen Problemen der
Arbeitsorganisation entbunden. Da die gesamte Produktion unter einem Dach stattfindet,
besteht gleichzeitig die ständige Möglichkeit der Überwachung. In beiden Konzepten findet
die Zusammenarbeit mit wenigen großen Zulieferern statt, die sich gleichzeitig an den
Investitionskosten und der Produktentwicklung beteiligen. Auf diese Weise wird ein Teil des
Risikos und der Verantwortung von den Herstellern auf die Zulieferer abgewälzt.
5 DAS LKW- UND BUSWERK DER FIRMA VW IN RESENDE
Die Standortfrage
Mit der Absicht den lateinamerikanischen Markt für Nutzfahrzeuge zu sichern, beschloss der
Volkswagenkonzern 1995 den Aufbau einer neuen Fertigungsstätte in Brasilien. Das neue
Montagewerk sollte nach der Trennung von Ford die LKW- und Bus- Produktion des
Konzerns übernehmen8. Ziel war es die Produktion möglichst flexibel und kostengünstig zu
gestalten und sich von den Konflikten der Arbeitregulierung zu befreien, die in dem
traditionellen Standort São Paulo an der Tagesordnung waren. Die Entscheidung viel daher
für ein experimentelles Werk nach dem Prinzip des Konsortium Modulares in einer von der
Gewerkschaft und hohen Lohnforderungen unbeeinflussten Gegend. Nach Abwägung von
mehreren Alternativen in den Bundesländern Minas Gerais, São Paulo und Rio de Janeiro viel
die Wahl auf die 140 000 Einwohner zählende Stadt Resende im Juli desselben Jahres Die
Vorteile dieses Standortes wurden in der unmittelbaren Nähe zu den Ballungszentren Sao
Paulo und Rio de Janeiro gesehen. Obwohl Resende verkehrsgünstig an der Autobahn
„Dutra“ liegt, die beide Städte miteinander verbindet, liegt es weit genug entfernt, um nicht
8 Volkswagen do Brasil war von 1987 bis 1995 mit dem brasilianischen Ford-Unternehmen in der Autolatina zusammengeschlossen. Die Produktion der Nutzfahrzeuge beider Marken fand in Brasilien in den Ford-Werken statt. Nach der Trennung von Ford entschloss sich VW do Brasil ein eigenes Werk für diesen Bereich zu errichten.
14
von den starken Gewerkschaftsverhältnissen und hohen Löhnen in Sao Paulo beeinflusst zu
werden. Hinzukommt, dass VW im Rahmen des brasilianischen „Steuerkriegs“ von der
Landesregierung Rio de Janeiros optimale Konditionen geboten wurden. Neben Steuerfreiheit
für die nächsten 20 Jahre wurden 15 Mio. US $ in die Infrastruktur investiert. Davon 4 Mio.
US $ in Elektrizität, 7,3 Mio. US $ in eine 7,3 km lange Gasleitung, 2,3 Mio. US $ in eine
asphaltierte Zufahrtsstraße, 2,1 Mio. US $ in Straßenlaternen, Straßensignale, Wasser und
Transport und der Rest in eine Telekommunikationsstruktur9. Die Zulieferer wurden in eine
Joint Enterprise mit Volkswagen eingebunden, um das modulare Produktionssystem
aufzubauen. Auf diese Weise wurden die Zulieferer auch finanziell in das neue System
integriert und tragen einen Teil des Risikos (Abreu/Beynon/Ramalho 2000). Von den 300
Millionen in das neue Werk investierten US $, wurden 50 000 Millionen US $ von den
Zuliefern aufgebracht. Die geplante Produktionsstärke lag bei 30 000 LKWs und Bussen
jährlich.
Für einen Fahrzeugwerkstandort außerhalb der ABC Region stellte zu Beginn die
Ausbildung und Qualifikation der Arbeiter ein Problem dar. VW und die Zuliefererbetriebe
lösten dies mit zwei Komponenten. Führungskräfte und hochqualifizierte Mitarbeiter wurden
aus der Region São Paulo importiert. In lokaler Hinsicht kam hinzu, dass in Resende bereits
eine technischen Schule existierte. Diese Schule „SENAI“ (Serviço Nacional de
Aprendizagem Industrial) ist eine staatliche Einrichtung, die versucht, mittels
Qualifizierungsmaßnahmen Personen für einen technischen Beruf auszubilden.
VW und die Zulieferbetriebe nutzten diese Schule, um qualifizierte Mitarbeiter zu
rekrutieren. Der lokale Direktor des SENAI Ari P. de Almeida erklärt: „Sie wollten wissen, wie wir ihnen helfen könnten. Es war eine interessante Arbeit, da es eine neue Philosophie - die des Konsortium Modular - einschloss. Es war ein Unterschied zu São Bernardo. Für uns war es eine positive Erfahrung und bei dem größten Teil der Arbeitskräfte bei VW handelte es sich um SENAI Schüler“ (zitiert in Abreu/Beynon/Ramalho, 2000: 274).
Die Firmen gründeten mit SENAI ein Zentrum für Automobiltechnologie, um Arbeiter in den
Produktionsprozessen aus- und fortzubilden.
Wirtschaftliche Auswirkungen auf die Region
Für die süd-fluminesische Region im Staat von Rio de Janeiro bedeutete die Installation der
VW-Fabrik einen entscheidenden wirtschaftlichen Wendepunkt - vor allem seit 1999
zusätzlich die Peugeot/Citroen Fabrik an demselben Standort in Porto Real, dem Nachbarort
Resendes ein Werk errichtete. In der Region fand ein wirtschaftlicher Aufschwung statt, bei
dem direkte und indirekte Arbeitsplätze hinzu gewonnen wurden. Allerdings ist die Gründung
der VW-Fabrik lokalpolitisch „ausgeschlachtet“ worden, und es sind mehr Arbeitsplätze
9 Information der Industrie und Handelskammer Resende
15
versprochen worden als schließlich angeboten werden konnten. Sofort mit dem Einzug VWs
erhöhten sich die Lebenserhaltungskosten in Resende.
Die Kooperation mit SENAI und die Gründung des technologischen
Ausbildungszentrums ist ein wichtiger Gewinn für die Region und die dortigen
Qualifizierungsmöglichkeiten.
Die Produktionsphilosophie in Resende
Das VW-Werk in Resende ist exemplarisch für die neue revolutionäre Entwicklung der
Automobilindustrie in den letzten Jahren. Neu hieran war die Form der „Subkontraktion“ von
Arbeitskraft. Die Zulieferer wurden direkt als Monteure in die Fabrik eingebracht. Von den
1550 Angestellten handelt es sich nur bei 250 um direkte VW- Mitarbeiter, die vorwiegend
leitende und kontrollierende Funktionen übernehmen. Die eigentliche Montagearbeit wird
vom Rest der Angestellten geleistet, die direkte Mitarbeiter der verschiedenen Zulieferer sind.
Roberto Baretti beschreibt die zentrale Idee, die hinter dem neuen Konzept steht
folgendermaßen: „the idea is like this: the house is ours, the furniture is yours” (zitiert in
Abreu/Beynon/Ramalho 2000: 269). Rechtlich bleiben die einzelnen Unternehmen
unabhängig. Weil die Arbeiter den Bedingungen des jeweiligen Unternehmen unterstehen, ist
es für VW möglich, sich auf die Produktentwicklung und Vermarktung zu konzentrieren.
Schaubild 1: Produktionsablauf des Modularen Konsortium
Quelle: Pires 1998: 10
Wie im obigem Schaubild verdeutlicht wird, findet die gesamte LKW- und Busmontage
unter einem Fabrikdach statt. Die sechs Zulieferer sind so angesiedelt, dass sie neben der
Montagelinie die zu fertigenden Module just-in-time erstellen, übergeben und sie dann mit
ihren Mitarbeitern in das entstehende Fahrzeug einbauen. Dementsprechend wird das
fertiggestellte Chassis des Herstellers MAXION an MÉRITOR übergeben, der die Achse, die
Bremsen und die Radaufhängung montiert. Mit den Rädern und Reifen wird das Fahrgestell
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von REMON komplettiert und der Hauptmontagelinie zugeführt. Hier wird nun der Motor
und das Getriebe von POWERTRAIN eingebaut. Die Fahrerkabine wird in einer Seitenlinie
von DELGA gefertigt und dann von CARESE lackiert. VDO/Mannesmann (jetzt Siemens)
nimmt mit dem Cockpit, den Sitzen sowie den restlichen Bestandteilen die Montage der
Innenausstattung des Fahrerhauses vor. Einige Mitarbeiter VDOs montieren abschließend das
komplette Fahrerhaus auf bereits fertiggestellte Fahrgestelle mit Motor auf der
Hauptmontagelinie an. Volkswagenmitarbeiter übernehmen während des
Produktionsprozesses ausschließlich die Koordination des Gesamtprozesses und die
abschließende Qualitätskontrolle. Für das Auffüllen der Materialien und die Sauberkeit ist
eine weitere eigenständige Firma, die UNION MANTEM, zuständig.
Die Arbeitsorganisation im Konsortium Modular
In der öffentlichen Diskussion über das Konsortium Modular stand die Modernität und der
Beitrag für eine zukünftige Transformation von Automobilproduktionstechniken im
Vordergrund. So sprach die Firmenleitung davon „mit Resende die Ära des Fordismus
zurückzulassen und in das 21. Jahrhundert einzuziehen“ (O Globo, 2. November 1996). Auch
der brasilianische Präsident Cardoso bestätigte dem Werk eine große Bedeutung: „Die Kompanie hat die Fähigkeit, die Produktion zu revolutionieren. Wir lassen die Geschichte zurück, in der Menschen zu Maschinen wurden (...) Heute befehlen Menschen über Maschinen“ (Jornal do Brasil, 2. November 1996)10.
Im Widerspruch zu dieser positiven Stimmung steht, dass sich in Resende nur minimale
Neuerungen in der Organisation von Arbeit finden. Innerhalb der Fabrik gibt es keinerlei
Innovationen im Bereich von neuen Arbeitmethoden wie Gruppenarbeit. Es wurde auch nicht
darauf geachtet, den Arbeitern ein möglichst großes Maß an Selbstständigkeit zu geben. Das
Werk ist in einem konventionalen Fließproduktionskonzept begründet, in dem kein
übermäßiger Gebrauch von technologischer Ausrüstung wie Computern und Robotern
gemacht, und kaum Platz für das Einbringen von Vorschlägen seitens der Arbeiter oder der
Gewerkschaft eingeräumt wird (Arbix/Zilbovicius 1997). Die „revolutionäre Neuerung“ des
Werks liegt einzig in dem Aufsplittern der Produktion in einzelne Module und in der Montage
durch die Zulieferer. Für VW ist der entscheidenden Vorteil die Befreiung von einem großen
administrativen Aufwand. „Die VW-Fabrik in Anchieta ist eine enorm große Fabrik. Sie wurde rationalisiert, sie wurde restrukturiert, aber es gab Zeiten, in denen es dort 25 000 Arbeiter gab, das ist wie eine Stadt und unmöglich zu verwalten. Sie verlieren die Kontrolle. Und deswegen ist der Clue in einer Modul-Fabrik, das sie von diesem ganzen Organisationsaufwand befreit sind“ (VW leitender Angestellter).
10 Dieses und alle folgenden Zitate sind von der Verfasserin aus dem brasilianischen Portugiesisch übersetzt worden.
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Da die ganze Produktion unter einem Dach stattfindet, verliert Volkswagen zwar die
Verantwortung, aber nicht die Kontrolle über die Produktion und Arbeitsabläufe. „Volks sagt wo es langgeht. Volks ist unser Klient. Wir müssen ihm zu Diensten sein. Volkswagen ist unser Klient, er kommt zur VDO und sagt genau wie alles gemacht werden soll, und wir programmieren darauf hin alles so wie er es will. VW gibt den Rhythmus und den Ton der Produktion an“(VDO leitender Angestellter).
Um die Tagesproduktion zu koordinieren, findet jeden Morgen eine Konferenz mit dem
Management Volkswagens und allen Zulieferern statt. Parallel hierzu werden alle Arbeiter zu
einer zehnminütige Morgenbesprechung gebeten. Alle Manager treffen gegen Ende der
Schicht wieder zum Audit Final zusammen, in dem die an zwei ausgesuchten LKWs der
Tagesproduktion gefundenen Mängel diskutiert werden. In dieser Zusammenkunft zeigt sich
das große Konfliktpotential, das in der neuen Form der Zusammenarbeit steckt.
Schuldzuweisungen oder Lösungsstrategien werden oft heiß und lautstark diskutiert, weil ein
Fehler, der in einem Modul auftritt, nachfolgend die anderen Zulieferer in der Produktion
behindern kann.
Die Arbeitsbeziehungen in Resende
Die neue Form der Zulieferer-Hersteller Kooperation in experimentellen Werken bedeutet
nicht nur eine neue Erfahrung in der Produktion, sondern auch ganz neue Bedingung für das
Aushandeln der internen Arbeitsbeziehungen. An Stelle eines Unternehmens stehen sich in
dem Konsortium Modular sieben verschiedene Firmen mit unterschiedlichen
Firmenphilosophien gegenüber, wenn es um Entscheidungen in Gewerkschafts-
angelegenheiten, Sozialleistungen und Arbeitsbedingungen geht. Ungleichheiten zwischen
den 1550 Angestellten aller Zulieferer und VW erhöhen das Konfliktrisiko. Um dem
entgegenzuwirken, tragen alle 1550 weiblichen und männlichen Angestellten, vom
Mechaniker bis zum Manager, die gleiche Arbeitskleidung. Diese besteht aus einem
Jeanshemd und einer dunkelblauen Hose. Der Unterschied liegt einzig in einem auf der linken
Brusttasche aufgestickten Firmenemblem. Alle Arbeiter erhalten die gleichen sozialen
Leistungen und nutzen die Kantine und andere Einrichtungen des Werkes gemeinschaftlich.
VW besteht darauf die Löhne aller VW- und Zuliefererangestellten möglichst einheitlich zu
gestalten und selbst zu bestimmen. Der Werkmanager Luiz de Luca fürchtet: „wenn wir
beginnen unterschiedliche Löhne zu zahlen, steht die Fabrik am nächsten Tag still“ (zitiert in
Abreu/Beynon/Ramalho 2000: 274). Die bessere Bezahlung der VW-Mitarbeiter (zur Zeit um
900 Reais) wird mit dem unterschiedlichem Aufgabenniveau begründet. Obwohl Kleidung,
Lohn und soziale Leistungen übereinstimmen, soll keine einheitliche Identifikation mit dem
Werk stattfinden. Jeder Monteur soll sich als „VDO-“, „MAXION-“, MERITOR-“,
„REMON-“, „CARESE-“, „POWEWERTRAIN-“, „UNION MANTEM-“oder DELGA-
Angestellter fühlen und nicht als VW-Arbeiter.
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Bei dem Umzug nach Resende verheimlichte die Firmenleitung nicht die Tatsache, dass
die wichtigsten Argumente für die Standortwahl die deutlich niedrigeren Löhne in der Region
und die schwache Gewerkschaft waren. Volkswagen führte vorab eine Studie durch, um die
durchschnittlich gezahlten Löhne zu ermitteln. Nach Luiz de Luca, „sollten die marktüblichen
Preise nicht zerstört werden“. Weiterhin war er bestrebt, „die schlechten Eigenschaften von São
Bernado do Campo zu umgehen“, wo es unmöglich sei mit der Gewerkschaft zu verhandeln
(Folha de São Paulo, 9. Dezember 1996). Zum andern werden in einem Modularen
Konsortium über den niedrigen Lohndurchschnitt bei Zuliefererbetrieben höhere Tariflöhne in
der Automobilhersteller umgangen.
Resende ist ein Zentrum der Força Sindical. Dieser Gewerkschaftsdachverband hat den
Ruf verantwortungsvoller und konservativer als die sozialistische Central Ùnica dos
Trabalhadores (CUT) zu sein (Calcagnotto 1994). Im Gegensatz zu der den ABC-Distrikt
dominierenden und kämpferischen CUT konnte die Força Sindical keine Erfahrungen im
Umgang mit der Automobilindustrie sammeln. Die positiven Erwartungen, die von der Força
Sindical in Bezug auf neue Arbeitsplätze für die Region ausgingen, verstärkte den Eindruck,
dass die Gewerkschaft als eine Art „hauseigene Institution“ fungieren würde. Es wurde
angenommen, dass sie auf der Seite der betrieblichen Politiken stehen, und den Argumenten
und Bedürfnissen VWs offen gegenüberstehen würde. Während Luiz de Luca davon spricht,
„dass heute jeder aus der ABC Region flüchtet“ bezeichnet er das Verhältnis mit der Força
Sindical als eine „perfekten Harmonie“ (Folha de São Paulo, 9. Dezember 1996).
Im Gegensatz zu den gewerkschaftlichen Verhältnissen wollte VW einen anderen
Aspekt aus São Bernardo übernehmen: das Stundenkonto. Hierbei handelt es sich um ein
System, bei dem eine durchschnittliche Arbeitswoche von der Firma reduziert oder erhöht
werden kann. Die Arbeiter verlieren in Wochen mit kurzer Arbeitszeit keinen Lohn, erhalten
aber auch keinen zusätzlichen Lohn für Wochen mit überdurchschnittlicher Arbeitszeit und
für individuelle Überstunden. VW wollte mit dieser Einrichtung bis zu 300 Arbeitsstunden
abdecken. Entscheidend für den Wandel der industriellen Beziehungen war, dass kein
gemeinsamer Betriebsrat geplant war. Die Interessenvertretung sollte in den
Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Herstellers fallen. Dies beinhaltete, dass die
Interessenvertretung in mehrere Bereiche aufgeteilt war, und zum anderen, dass VW von
einer Auseinandersetzung mit der ganzen Belegschaft des Werkes befreit war. Die 1550
Arbeiter des Werkes wiederum hatten keinen einheitlichen Ansprechpartner für ihre Anliegen.
Im Gegensatz zu der Lohnpolitik und der Arbeitsorganisation, in der VW die Vorgaben
festlegt, sollte die Aushandlung und Regulierung der internen Arbeitskonflikte den
Zulieferern überlassen werden.
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6 DIE INDUSTRIELLEN BEZIEHUNGEN
Gewerkschaft
Die Automobilindustrie hat in Brasilien eine traditionell besonders große Bedeutung nicht nur
für die gesamte Wirtschaft, sondern auch für die allgemeine Struktur und Dynamik der
Industriellen Beziehungen. Über Jahrzehnte waren die Produktionsstätten ausschließlich im
Staate São Paulo. Unter diesen Bedingungen wurde die Metallarbeitergewerkschaft zu einem
der wichtigsten Akteure in der brasilianischen Gewerkschaftsbewegung. Vor allem im
Zusammenhang mit Arbeitskonflikten baute sie eine effiziente Vertretungsstruktur auf
(Doleschal 1987). Die lokalen Gewerkschaften außerhalb der ABC-Region verfügen im
Gegensatz dazu kaum über Erfahrung mit den Arbeitsbeziehungen dieses partikulären
Industriesektors. Die Força Sindical stand mit dem Einzug VWs vor einer neuen Situation.
Sie musste sich nicht nur auf den Umgang mit einem Automobilhersteller auseinander
setzten, sondern auch mit den neuen Aspekten des Konsortium Modulares.
In dieser ungewohnten Konstellation verhielt sich die zuständige Gewerkschaft nicht so
konform wie von den Planern angenommen. Weil an dem traditionellen Standort der
Automobilindustrie, der ABC-Region, die CUT die führende Gewerkschaft war, verfügte die
Força Sindical über keine Erfahrung mit den industriellen Beziehungen in diesem
Industriezweig. Es gelang ihr jedoch schnell, lokale Akteure mit Wissen auszustatten, um die
in den Neuerungen auftretenden Probleme und Themen verstehen zu können. Auch war es
den Gewerkschaftlern von Anfang an bewusst, dass die Löhne in Resende niedriger liegen als
für einen Arbeiter in São Paulo, der eine vergleichbare Arbeit ausführt: „Löhne sind niedrig in dieser Region. Der Durchschnittslohn hier ist 400 Reais, während der Durchschnitt in São Bernado 60% höher ist “ (zitiert in: Abreu/Beynon/Ramalho, 2000: 273).
Ein Interview mit dem lokalen Gewerkschaftsführer Isaac Moraes zeigt, dass sich die
Gewerkschaft über die besonderen Bedingungen, denen sie sich in dem Konsortium Modular
gegenübergestellt sieht, bewusst ist. Es wurden nicht nur rasch die Zusammenhänge erfasst,
sondern auch die Schwachstellen erkannt, die zu einem Vorteil für die eigene
Verhandlungsposition führen. „Das Konsortium Modular ist in Fragen der radikalen Gewerkschaftsbewegung sehr verletzbar, es ist sehr verletzbar, weil wenn sie einen Teil anhalten, so klein er auch ist, steht die gesamte Produktion still.“
Die Gewerkschaft steht, ähnlich wie der Betriebsrat, vor einer neuen Situation, weil sie
unterschiedlichen Firmenphilosophien gegenüber steht. In dem Konsortium Modular müssen
alle Verhandlungen mit sieben Firmen geführt werden. Wie in einem nationalen Konsens
muss eine Einigung aller Teilnehmer auf eine Politik erreicht werden. Auch haben die
Firmenleitungen unterschiedliche liberale Ansichten in bezug auf den Umgang mit der
Gewerkschaft und der internen Konfliktregelung.
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„Ein sehr kritisches Beispiel ist die Haltung Volkswagens gegenüber der Gewerkschaft. VW hat eine Philosophie, eine Art mit der Gewerkschaft umzugehen, die nicht mit der politischen Philosophie der anderen Unternehmen hier drin übereinstimmt. Das hat eine Reihe von Konflikten und Problemen aufgeworfen. Sie wollten eine Beziehungsform einbringen, die von Deutschland kommt, und die funktioniert hier nicht, weil wir haben hier eine andere Kultur, ein anderes Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit“ (VDO leitender Angestellter).
Die Gründung des LKW- und Buswerks wurde von der Gewerkschaft mit der Hoffnung auf
neue Arbeitsplätze begrüßt. Es wurde jedoch schnell klar, dass die Arbeitsbeziehungen
innerhalb eines privaten, multinationalen Konzerns nach anderen Prinzipien ausgehandelt
werden als in der staatlichen Companhia Siderúrgica Nacional, auf der die bisherigen
Erfahrungen der Gewerkschaft beruhten.
Die Gewerkschaftsentwicklung in den Jahren seit der Gründung des VW-Werkes zeigt,
dass sie sich in den Verhandlungen mit VW und den Partnern zwar hauptsächlich defensiv
verhielt, aber ein effektives Instrument zur Verteidigung der Interessen der Arbeiter darstellte.
Die Gewerkschaft engagierte sich in Diskussionen über Lohnvorteile und
Arbeitsbedingungen. Sie zeigte Präsenz in Verkündungen über Megaphon vor den Toren der
Fabrik. Nachdem sich nach zwei Jahren Betriebszeit der Fabrik einige ungelöste Problemen
angehäuft haben, wandelte sich die Haltung der Gewerkschaft von defensiv zu konfliktiv.
Diese Thesen lassen sich mit einem ersten Werkstillstand 1997 und mit einem Streik 1999
untermauern. Die positive Einstellung der Gewerkschaft hatte sich gewandelt, als sie mit den
konkreten Problemen, welche die Arbeiterschaft mit VW hatte, konfrontiert wurde. Um sich
ein konkretes Bild von der Situation zu machen, ergriff sie die Initiative, und führte vor den
Fabriktoren eine Umfrage über die wichtigsten Aspekte (Lohnerhöhung, Zusatzleistungen und
Stundenkonto) durch. Die Ergebnisse sollten dazu dienen, die Meinung der Arbeiter in die
Verhandlungen 1997 einfließen zu lassen. Die hohe Beteiligung und die klaren Forderungen
nach der Abschaffung der Stundenbank11 und einer Lohnerhöhung waren sowohl für die
Gewerkschaft als auch für VW und die Partner überraschend. Die „komplette Harmonie“ mit
der Gewerkschaft löste sich weiter auf, als die Fabrik 1999 für eine ganze Woche stillstand.
Diese für VW überraschend konfliktreiche Wendung förderte den Wunsch nach einem
einheitlichen Betriebsrat als ein interner Verhandlungspartner in ähnlichen Situationen.
Von Beginn an ist es ein Hauptziel der Gewerkschaft, die Löhne zu erhöhen und sich den in
São Paulo zugrundliegenden Richtwerten anzunähern. Der Streik im August 1999 ist das
Ventil für alle Forderungen und alle Probleme, die in den ersten zwei Jahren der
Fabrikfunktion aufgetreten sind. „Hier im Konsortium Modular leben die Menschen seit langer Zeit mit einer Reihe von Problemen. Deshalb kommen wir (Força Sindical), um Vorschläge zu machen und um zu verhandeln, ohne auch nur einen Erfolg in den Verhandlungen zu haben. Volkswagen redet immer ohne die Sache, um die es eigentlich geht, zu erkennen. Sie sagen, dass sie nicht noch
11 Vgl. mit dem Abschnitt über die Arbeitsbeziehungen in Resende
21
eine zusätzliche Ausgabe machen können. Die Probleme vermehren sich ständig: Transport, Stundenkonto, Nichteinhaltung von Verträgen, Ausbeutung der Arbeitskräfte hier drin (...) also haben wir eine Abhandlung über das alles geschickt. Die Abhandlung wurde übergeben, wir haben etwas Zeit gegeben, wir haben verhandelt und als Resultat ein Ultimatum an Volkswagen gestellt. Das Resultat war in keiner Weise positiv, und die Arbeiter haben einfach in einer Versammlung mit dem Megaphon entschieden, die Aktivitäten zu lähmen“ (Isaac Moraes, Direktor Força Sindical in Resende, zitiert in Ramalho 2000).
In der Belegschaft und Interessenvertretung hatte sich seit langem das Gefühl aufgebaut, nicht
wahrgenommen zu werden und nur mit einer Aktion, die Aufsehen erregen würde, eine
Lösung der angestauten Probleme durchsetzten zu können. „Wir müssen den Betrieb lahm legen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Das ist mehr oder weniger so: wenn sie jeden Tag mit einer Person reden und sagen hallo ich will mit dir reden und keine Antwort bekommen, dann müssen sie ihr erst ins Gesicht schlagen, um angehört zu werden“ (VW- Mitarbeiter).
Die Auswertung des Streikes war für die Gewerkschaft positiv. Abgesehen von den
Lohnerhöhungen ließ der Streik die lokale Gewerkschaft trotz der geringen Erfahrung
wachsen. Gleichzeitig war es möglich, Erfahrungen mit den möglichen Aktionen gegenüber
dem Konsortium zu machen. „Der Streik war sehr positiv. (...) Wir hatten schon einen Kollektivvertrag über 2,5% (Lohnerhöhung) geschlossen. Wir machten den Streik und wir haben gesiegt und zwischen 2,5% und 10,9% gewonnen. Diese 2,5% waren für die, die über 2500 Reais verdienten, für die, unter 447 Reais verdienten haben wir das Minimum auf 487 (Reais) angehoben. Wer bis jetzt 18 Monate brauchte, um den höchsten Lohn zu erreichen, wir haben die Zeit auf 14 Monate reduziert. Und deswegen, mit diesen Unterschieden, gibt es Kollegen, die bis zu 10,9% mitgenommen haben. In der Frage der Zahnarztversorgung waren wir auch siegreich (...) In der Frage des Transportes sind bereits drei Firmen vorgeschlagen, die den kostenlosen Transport der Arbeiter zur Fabrik vornehmen werden. (...) Ein sehr wichtiger Punkt, den wir durchsetzen konnten, war der Betriebsrat. Wir haben jetzt eine vorläufige Interessenvertretung. Die Wahlen werden wir im Januar nächstes Jahr durchführen. Die kollektiven Betriebsvereinbarungen werden weiter sein, so dass alle Arbeiter bessere Arbeitsbeziehungen haben werden und auch eine größere Arbeitsplatzgarantie“ (Isaac Moraes, Direktor Força Sindical in Resende, zitiert in Ramalho 2000).
Die symbolische Bedeutung dieses ersten Streikes in Resende zeigte sich auch darin, dass der
nationale Präsident der Força Sindical anreiste, um an den Verhandlungen mit Volkswagen
und den Konsortiumsbetrieben teilzunehmen. Die industriellen Beziehungen in diesem Werk
werden als exemplarisch für den Rest Brasiliens aufgefasst. „Wir haben in einem Treffen in Rio de Janeiro diskutiert, dass es nötig sei, hier (Resende) wegen den Arbeitsbedingungen einen Streik zu produzieren. Es gab keinen Bus, keine Interessenvertretung, das ganze Stundenkonto voller Probleme, die Löhne hier sind niedriger; also war es nötig hier zu kämpfen. Die Gewerkschaft kam hierher und hat den Streik gemacht (...).zusammen mit den Arbeitern. Danach hat mich die Firmenleitung aufgesucht, weil wir eine Beziehung mit den leitern der Mutterfirma in São Paulo haben und da kam der Direktor des Unternehmens und hat zu mir gesagt:`Wir müssen das da lösen und ich möchte mit Dir dort eine Konferenz halten`. Deshalb bin ich hierhin gekommen und habe an den Verhandlungen teilgenommen“(Paulo Pereira, President der Força Sindical, zitiert in Ramalho 2000).
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Das Problem der Lohnungleichheit wurde europaweit und in den USA als schwerwiegend
erkannt und als solches diskutiert (Abreu/Beynon/Ramalho 2000). Mit der Aussicht darauf,
dass immer mehr Konzerne der Automobilindustrie die ABC Region verlassen, bekommt das
Thema auch dort Gewicht.
Ein anderer wichtiger Aspekt des Jahres 1999 war die Partizipation der regionalen
Gewerkschaft an der brasilienweiten Mobilisierung für einen Kollektivvertrag der
Automobilhersteller. Die beiden stärksten Gewerkschaften Força Sindical und CUT
verbündeten sich, um mit gemeinsamen Kräften die Aufmerksamkeit auf das Lohngefälle zu
lenken. Zu diesem Zeitpunkt verdiente ein Automobilarbeiter in der ABC-Region
durchschnittlich 1500 Reais, während z.B. ein Arbeiter bei Fiat in Minais Gerais 800 Reais
und ein Arbeiter in Resende 600 Reais verdiente. In dem geplanten Fordwerk in Bahia sollten
die Löhne sogar bei dem Rekordtief von 300 Reais liegen. In der Opposition wehrte sich der
VW- Vizepräsident für Personalfragen gegen diesen Vorschlag mit deutlichen Worten: „Die Automobilhersteller werden keine Vorschläge für einen vereinheitlichten nationalen Lohn annehmen. (...) Die Gewerkschaften sollten die Idee vergessen Löhne auf der Basis der ABC Region zu regeln vergessen. Dies wird nicht passieren. Es würde die brasilianische Automobilindustrie töten“ (O Globo 26. August 1999)
Die gemeinsamen Aktionen von CUT und Força Sindical gegen das Lohngefälle innerhalb
Brasiliens wurde in VW- Resende begonnen. Mit dem unter dem Namen „Streik Festival“12
bekannt gewordenen Protest wurden nacheinander mehrerer Automobilwerke für einen Tag
von den Gewerkschaften stillgelegt. „In der nächsten Woche wird dieselbe Aktion, mit der Partizipation beider Gewerkschaftszentralen, bei Fiat stattfinden (...) auch in der Suche dieses Objektives das großartig ist (...) damit ihr Arbeiter die gleichen Konditionen wie eure Kameraden in anderen Automobilwerken haben werdet. Als Beispiel, Ford plant nach Bahia zu gehen und will dort einen Hungerlohn zahlen (...), 300 Reais. Das hat einen direkten Zusammenhang mit den Kollegen hier im Konsortium Modular, weil wenn Ford überlegt diesen Hungerlohn zu zahlen, wird sich Ford auch überlegen Autos, Lastwagen und Busse viel billiger auf den Markt zu bringen und damit wird genau dieser Markt getötet (...), weil die Fabriken, die mehr bezahlen, nicht die Bedingungen haben, um den Preis zu reduzieren. Automatisch wird es hier eine Entlassungswelle geben“ (Auszug aus der Rede Isaac Moraes am Tag des Streiks im Rahmen des „festival de greve“, in: Jornal da Comissão de fábrica).
Das Jahr 1999 hat zwei wichtige Punkte für die Gewerkschaft herausgestellt: zunächst eine
überraschende Organisations- und Mobilisierungsfähigkeit, die sich in dem ersten Streik bei
VW in Resende zeigte; zweitens die Integration dieser Gewerkschaft und der Fabrikarbeiter in
einer nationalen Bewegung, welche die Kräfte von CUT und Força Sindical vereinte. Dabei
ging es darum, eine Möglichkeit zu finden, die Ungleichheit, die durch die Installation neuer
Fabriken hervorgerufen wurde, zu reduzieren.
12 Festival de greves
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Mit der Produktionsaufnahme der neue Peugeot/Citroen-Fabrik wird die Gewerkschaft
erneuten Zulauf haben und an Stärke gewinnen. Außerdem wird Peugeot/Citroen in Zukunft
in Konkurrenz mit VW um qualifizierte Arbeiter treten. Die Gründung eines zweiten
Automobilwerkes wird von der Gewerkschaft begrüßt: „Wir haben schon Treffen mit Peugeot gehabt, und als sie gekommen sind, um uns zu besuchen, hatten sie schon eine Ahnung von unserem Gewerkschaftsprofil. (...) Die Ankunft der Firma ist exzellent, vor allem für die Arbeiter, weil heute eine Schwierigkeit der Arbeitsplätze besteht. Morgen, mit der Installation von Peugeot, wird es eine Konkurrenz um Arbeitskraft geben“ (Isaac Morais, Direktor der Força Sindical in Resende).
Das Arbeitsklima des Konsortium Modular
Die Mehrzahl der Arbeiter des Konsortium Modular ist männlich, zwischen 20 und 30 Jahre
alt und verfügt über einen mittleren Schulabschluss13. Diese für ein brasilianisches
Automobilwerk überdurchschnittlich junge und qualifizierte Zusammensetzung ergibt sich
aus dem kurzen Bestehen des Werkes. Weil man außerhalb der ABC-Region nicht auf in der
Fahrzeugmontage erfahrene Arbeiter zurückgreifen konnte, wurde darauf geachtet, zumindest
eine hohe Schulausbildung vorauszusetzen. Da es sich bei Resende um eine Region mit einem
Mangel an qualifizierten Arbeitsplätzen handelte, wurden von Seiten der lokalen Politiker und
der Bevölkerung große Hoffnungen in das neue Werk und die Arbeitsplätze gelegt. „An Arbeitskraft fehlt es nicht. Die Menschen sind von der Arbeit abhängig. Sie müssen ihre Familien unterstützen und würden alle möglichen Arbeiten verrichten. Die Menschen hier leben nicht gut. Resende ist sehr teuer, (...) die Leute schaffen es gerade zu überleben. Die Mehrheit der Arbeiter lebt in einem armen Viertel. Es fehlt an nichts, um zu überleben, aber es reicht nicht für viel mehr“ (VDO Mitarbeiter).
Die Angestellten des Konsortium Modular sind generell stolz darauf, einen Arbeitsplatz bei
einem bekannten Automobilhersteller zu haben. Mit diesem Arbeitsplatz verbindet sich ihre
materielle Abgesichertheit, die gesamte Sozial- und Gesundheitsversorgung und ihr
gesellschaftliches Ansehen. „Der Gesundheitsplan ist fundamental für uns alle. Jetzt haben sie uns auch einen Zahnarztplan gegeben. In Bezug auf den Lohn hilft der Gesundheitsplan sehr. Wenn sie keinen Gesundheitsplan haben, machen sie heute einen Termin mit dem Konsulthorium und werden erst in 30 oder 40 Tagen behandelt. In unserem Fall muss man nur anrufen, und sie machen bald einen Termin, und wenn es dringend ist behandeln sie sie sofort“ (VDO Mitarbeiter).
Die Idee des Konsortium Modular beginnt schnell, auf die rekrutierten Arbeiter zu wirken.
Die Art und Weise, auf die sie den neuen Prozess beschreiben, zeigt, dass sie diesen gut
verstehen und verinnerlicht haben. „Ich bin Qualitätskontrolleur bei VW. VW ist ein Konsortium Modular. Es hat sieben Unternehmen, die den VW- LKW und Bus montieren. Volkswagen registriert nur den Firmennamen auf den Fahrzeugen. (...) Es gibt eine Produktionsstraße von mehr oder weniger 100m und an dieser Straße macht eine der sieben Firmen ihre Arbeit. (...) VW macht nur die administrativen und kontrollierenden Arbeiten. (...) Der Vorteil für das Unternehmen liegt
13 Segundo grau completo
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darin, dass sie mehr Gewinn machen, ohne Kopfschmerzen mit den Arbeitern zu haben. (...) Und die Produktivität ist höher“(VW Mitarbeiter).
Die Idee, die hinter der Nutzung einer gemeinsamen Uniform steht, die sich nur durch ein
Firmenemblem unterscheidet, hat dazu geführt, bei den Arbeitern eine Identifizierung mit
dem Werk zu garantieren. „Die Uniform ist ein Mittel, um alle zu vereinheitlichen und Identifikation zu schaffen. Wir sind wie eine Familie. Wir müssen mit unseren Unterschiedlichkeiten und Gleichheiten leben“(VDO Mitarbeiter).
Ramalho befürchtet, dass das System des Konsortium Modular eine vertikale Teilung der
Arbeitskräfte nach sich ziehen könnte (Ramalho 1999). Die kollektiven Aktionen innerhalb
des Werkes führen aber dazu, dass sich bei den Arbeitern eine andere Realität entwickelt. Sie
fühlen sich eindeutig als VW- Arbeiter. „Ich sage immer, dass ich für das Konsortium Modular von Volkswagen arbeite. Hier in Resende verstehen die meisten Menschen nichts von einem Konsortium Modular. Wenn doch, dann sage ich für welche Firma ich arbeite. Ich sage für VDO“ (VDO Mitarbeiter).
Alle Interviews zeigen, das die Arbeiter sich eine klare Identität als VW-Arbeiter geschaffen
haben. Während die Rhetorik des Unternehmens ständig auf das Prinzip des Konsortium
Modular und dessen Bedeutung abzielt, haben Arbeiter und Gewerkschaft eine andere
Sichtweise entwickelt. In ihrer Auffassung spielt VW die zentrale Rolle, wenn es um die
Arbeiterinteressen und die Zukunft des Werkes geht. „Bei Volkswagen gibt es aus meiner Sichtweise eine Menge Dinge, die geändert werden müssen. Es beginnt mit den Köpfen. Die Köpfe einiger Leute müssen sich ändern, weil wir uns in Brasilien weiterentwickelt haben. Arbeiter können heute nicht mehr wie vor 50 Jahren behandelt werden. Sie müssen sie nach ihrer Meinung und ihrem Befinden fragen weil alle wertvoll sind“ (VDO Mitarbeiter).
Insgesamt ist nur ein Arbeiter aller Interviewten damit zufrieden, bei einem Zulieferer zu
arbeiten und nicht bei VW, weil er sich von einem kleineren Betrieb ein familiäreres
Arbeitsverhältnis verspricht. Die Mehrheit der Arbeiter hofft darauf, dass VW in Zukunft alle
Arbeitsverhältnisse übernehmen wird oder hofft darauf ein direktes Arbeitsverhältnis mit VW
aufnehmen zu können. Die häufige Verwendung der Begriffe „Traum“ und „Hoffnung“ in
den folgenden Interviewausschnitten zeigt, wie wichtig die Auseinandersetzung mit den
unterschiedlichen Firmenzugehörigkeiten genommen wird. „Der Traum aller hier drin ist, dass Volkswagen für alle verantwortlich wird. Das ist der Traum aller“ (Delga Mitarbeiter). „Ich arbeite für VW. Hier ist es für alle der große Traum, für VW zu arbeiten“ (VW Mitarbeiter). „Es ist sehr schwer bei VW einzutreten, aber viele Leute hier drin haben die Hoffnung dort einzutreten. Es gibt dort mehr Möglichkeiten“ (VDO Mitarbeiter). „Alle haben die Hoffnung bei VW anzufangen, dort ist es viel besser“ (VDO Mitarbeiter).
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„Ich glaube VW ist ein Unternehmen, über das viel geredet wird. Ich weiß nicht warum, aber alle Welt will zu ihm gehen“ (Carese Mitarbeiter) „Mit Sicherheit würde ich gerne für VW arbeiten. Ich glaube alle Welt die in diesem Konsortium Modular...ich glaube für die die hier sind ist es die beste Chance. Und alle wollen für Volkswagen arbeiten mit Sicherheit“ (VDO Mitarbeiter).
Zwischen den Mitarbeitern der einzelnen Module besteht ein positives kollegiales Verhältnis.
Die meisten Angestellten kennen sich aus dem privaten Bereich und treffen Kollegen anderer
Module in der gemeinsamen Kantine, bei dem kollektiven Transport in die Fabrik oder bei
Fortbildungen. Sie identifizieren sich als Angestellte ein und desselben Betriebes und
empfinden gemeinsame Interessen, die sie gegenüber der zusammengesetzten Firmenleitung
vertreten. Das zeigt sich vor allem darin, dass gleich nach der Produktionsaufnahme der
Fabrik ein inoffizieller, modulübergreifender Betriebsrat gegründet wurde. Die theoretisch
geplante Aufspaltung der Arbeitskräfte konnte in der Praxis nicht aufrechterhalten werden.
Trotz der formalisierten Arbeitsverhältnisse mit den Zulieferern sieht sich die Mehrheit als
VW-Arbeiter und von VW abhängig. Innerhalb der Belegschaft kommt es zwischen Arbeitern
von Herstellern oder Zulieferern zu Konflikten. Auch wenn VW-Arbeiter in der
Firmenhierarchie eine niedrige Position ausüben, werden sie auf Grund ihrer direkten VW-
Zugehörigkeit als privilegiert empfunden. Das Verhalten der wenigen „wirklichen“ VW-
Angestellten verstärkt die Kluft, weil sie sich ihre besondere Stellung bewusst sind, sich „als
etwas Besseres“ empfinden und sich dementsprechend verhalten. „Ich hatte einen Streit mit einem Freund von mir hier, ein Freund, mit dem man Bier trinken geht. Heute gehe ich nicht mehr mit ihm aus. Nein, weil ich gespürt habe, dass er sich als etwas besseres fühlt. Er fühlte sich besser als andere Kollegen, weil er für VW arbeitet. Das hat in mir zu einer Revolte geführt, ich bin nicht besser als ein anderer, das kann nicht sein. Sie halten sich für die besten der Fabrik“ (VDO Mitarbeiter).
Einzig in dem Verhältnis zwischen Arbeitern von VW und Zulieferern findet sich die von
Ramalho befürchtete Aufspaltung der Belegschaft in zwei Teile. Es besteht ein Misstrauen
gegenüber den VW-Arbeitern. Ein Mitglied des Betriebsrates, der bei VW als ein
Qualitätskontrolleur angestellt ist, klagt darüber, dass er bei manchen Arbeitern auf Grund
seiner Stelle kein Vertrauen gewinnen kann. „Es ist der Traum aller, für VW zu arbeiten, und genau an der Stelle gibt es Schwierigkeiten im Umgang miteinander. Mir wird oft vorgeworfen, dass ich bestimmte Ansichten nur habe, weil ich ja gut verdiene und für Volkswagen arbeite. Dass ich keine Ahnung habe, wie sich die Arbeiter fühlen. Ich sage immer, dass ich genau wie die anderen Arbeiter bin und genauso hart arbeite. (...) Ich versuche immer, mit allen Arbeitern im Konsortium Modular die gleiche Freundschaft zu pflegen“ (VW Mitarbeiter und Mitglied des Betriebsrates).
In dem Konsortium Modular entsteht auf Grund der unterschiedlichen Arbeitsverhältnisse
eine widersprüchliches Arbeitssituation. Die Angestellten der Zulieferer stellen sich nach
außen hin als VW- Arbeiter dar, um von dem Prestige des großen Unternehmens profitieren
zu können. Sie fühlen sich aber innerhalb der Fabrik benachteiligt. Mit dem Wunsch, für VW
26
zu arbeiten, verbindet sich nicht nur die Aussicht auf ein höheres Ansehen, sondern auch
Hoffnung auf höheren Lohn, bessere Sozial- und Zusatzleistungen und
Aufstiegsmöglichkeiten. Die strikte Trennung der Module wirkt so demotivierend. „Die Arbeiter werden demotiviert. Normalerweise wenn man in einer Fabrik arbeitet, strengt man sich an, um vorwärts zu kommen. Hier hat man keine Aufstiegsmöglichkeiten. Sie holen Leute von draußen, die uns kontrollieren sollen, denen muss man aber erst alles erklären. Aus diesem Grund verliert man die Lust zu arbeiten. Viele sagen, ich werde kündigen, weil ich keine Zukunft für mich sehe“ (VDO Mitarbeiter).
Der Umstand, dass die Gruppe der höher qualifizierten Arbeiter anfangs ausschließlich aus
São Paulo rekrutiert wurde, verschärft das ungute Arbeitsklima innerhalb des Werkes.
Besonders missbilligt wurden, dass die Arbeiter aus São Paulo höhere Löhne erhielten. „Die Arbeiter, die aus São Paulo kamen (...) die Typen verdienen mehr, sie haben andere Rechte (...) sie machen die gleichen Sache und haben andere Rechte als die Leute hier haben. Wieso das? Ich wüsste nicht, dass so etwas in anderen Volkswagen-Werken vorkommen würde. Das hat uns sehr getroffen und ist bis heute hängen geblieben“ (Carese Mitarbeiter, Mitglied des ersten „inoffiziellen“ Betriebrates).
Dank der engen Zusammenarbeit mit SENAI können mittlerweile auch Arbeiter mit höheren
Qualifizierungsanforderungen in der Region rekrutiert werden. Durch diesen Umstand ist das
Problem der Lohndiskrepanz zwischen Arbeitern aus São Paulo und Resende etwas
abgeschwächt worden. Die meisten Führungskräfte kommen allerdings weiter aus der ABC-
Region. Seit der Eröffnung des neuen Peugeot/Citroen-Werkes in Resende tritt neben die
Hoffnung einen der seltenen direkten VW- Arbeitsplätze zu ergattern, die naheliegende
Strategie, direkt bei der Konkurrenz eine Anstellung zu suchen. „Ich habe einen Bruder, der bei Delga arbeitet. Jetzt hat er gekündigt, um bei Peugeot anzufangen. Hier haben die Leute keine großen Möglichkeiten zu wachsen. Ich glaube, dass es hier viele Leute geben wird, die dort Arbeit suchen werden. Der Lohn wird dort höher sein“ (VDO Mitarbeiterin).
Auf diese Weise wird es für Peugeot/Citroen einfach möglich sein, qualifizierte und
motivierte Arbeitskräfte anzustellen. Gleichzeitig ist es für das zweite Automobilunternehmen
in der Region von Vorteil, auf die von VW installierte Infrastruktur in Bezug auf den
Dienstleistungssektor und die Ausbildungsmöglichkeiten zurückzugreifen. Die Konsortium-
Mitarbeiter finden zumindest in der Anfangszeit des Unternehmens einen Ausweg aus ihrer
mehrdimensionalen Firmenabhängigkeit. Der Betriebsrat hat das innerbetriebliche Problem
erkannt und es sich zum Ziel gesetzt, etwas an dem Verhältnis zwischen Zulieferer- und VW-
Angestellten zu verbessern. „Es gibt hier drin viele solcher Konflikte, aber das muss sich ändern. Die Einstellung der Menschen muss sich ändern (...) Wir sind Kollegen. Wir sind alle gleich, unabhängig von Aufgaben und Hierarchie. (...) Wir werden versuchen das Ambiente in dem wir arbeiten zu verbessern. Wir werden versuchen, mit dieser Sache aufzuhören, zu sagen ich bin besser, weil ich für VW arbeite“ (VDO Mitarbeiter).
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Der Punkt, der am meisten zu den meisten Auseinandersetzung zwischen den Arbeitern und
der Werksleitung führte, war das Stundenkonto. Das System wurde von den Arbeitern
abgelehnt, weil sie das Gefühl hatten, dass es nur dem Unternehmen zugute kam. Sie konnten
nicht nachvollziehen, wohin ihre Überstunden flossen und hätten es lieber gesehen, wenn
ihnen das Geld ausgezahlt worden wäre. „Das Stundenkonto ist nur und inklusive im Interesse Volkswagens und des Konsortium Modulares. Sie haben es immer verteidigt. So als ob das Stundenkonto in Zeiten guter Verkäufe und schlechter Verkäufe und in anderen Krisenmomenten die Arbeitsplätze sichern würde. Das war in der Tat gelogen. Als es eine Krise gab, haben trotzdem Entlassungen stattgefunden“ (Delga Angestellter, Mitglied des Betriebsrates).
Nach langfristigen und unergiebigen Verhandlungen der Gewerkschaft und des Betriebsrates
mit der Werksleitung stimmte die gesamte Belegschaft mit Hilfe von Megaphone vor den
Werkstoren öffentlich über die Abschaffung des Stundenkontos ab. Mit nur einer
Gegenstimme wurde das System abgelehnt. Die Entscheidung wurde daraufhin von der
Werksleitung akzeptiert. „Isaac (lokaler Gewerkschaftsführer) und der Betriebsrat haben es zusammen geschafft, das Stundenkonto abzuschaffen. In einer Abstimmung vor dem Werkstor mit einem Megaphon haben die Arbeiter darüber abgestimmt und das Stundenkonto abgeschafft. Es ist die einzige VW- Fabrik in der es kein Stundenkonto mehr gibt“ (Delga Angestellter, Mitglied des Betriebsrates).
Damit ist das LKW- und Buswerk in Resende das einzige Werk des VW-Konzerns in
Brasilien, in dem von Seiten der Arbeiterschaft durchgesetzt werden konnte, dass das
Stundenkonto abgeschafft wurde. Diese Tatsache ist in dem Sinne erstaunlich, da das
Konsortium Modular in der kollektiven Interessenvertretung als benachteiligt erscheint. Ein
anderes Vorkommnis im Juli 2000 zeigt, dass die Belegschaft des Konsortium Modular nicht
immer in ihren Interessen vereint auftritt. „Im Fall Delga. Sie haben die Produktion blockiert, weil sie eine Lohnerhöhung wollten. (...) Sie haben eine Woche gestreikt. Sie kamen hier hin, haben dann gestempelt und sind draußen geblieben und haben sich gesonnt. Und alle haben wegen ihnen Zeit verloren, weil die Kabine von ihnen kommt. (...) Es gab nur einen Vorrat von 200 Kabinen. Am Ende haben sie es geschafft, die ganze Fabrik anzuhalten, weil am letzten Tag keine Kabinen mehr da waren“ (VDO Mitarbeiter).
An dem Streik der Arbeiter eines Moduls, hier Delga, lassen sich zwei Dinge erkennen. Zum
einen verfügt das Konsortium Modular über eine Schwachstelle. Fällt eines der Module aus,
können auch die anderen nicht produzieren. Darüber waren sich wohl auch die streikenden
Delga Angestellten bewusst, die sich eine Druckmöglichkeit versprochen hatten. Andererseits
ist es für die Angesellten eines einzelnen Moduls nicht möglich gewesen, ihre Interessen
gegenüber dem Konsortium Modular und VW durchzusetzen. „Mit Delga war es so, dass sie eine Lohnerhöhung nach Kategorien wollten. Sie dachten, dass sie härter als alle anderen arbeiten und wollten deswegen auch mehr Geld als alle anderen. In jedem Kopf stecken andere Ideen. Das war in keiner Weise o.k. (...) Sie haben mit niemandem darüber gesprochen und sind nicht innerhalb der Abmachungen geblieben.
28
15 Personen wurden entlassen. Die Gewerkschaft hat es geschafft, dass nur fünf endgültig gehen mussten. Die Gewerkschaft konnte nicht mehr helfen, weil sie außerhalb der Abmachungen gehandelt haben. Wenn sie innerhalb der Fabrik -Gesetze geblieben wären, hätte niemand gehen müssen. So haben sie mehr kaputt gemacht, als sie erreicht haben“ (VDO Mitarbeiter).
Es ist für die Firmenleitung wichtig, ein einheitlich und positives Arbeitsklima zu schaffen
um das Fortlaufen der Produktion zu gewährleisten. Für die Angestellten ist es die beste
Strategie, gemeinsame Interessen zu bestimmen und diese innerhalb der vereinbarten Regeln
kollektiv vorzubringen.
Der Betriebsrat
Obwohl das Konzept des Modularen Konsortiums keine gemeinsame Interessenvertretung
vorsieht, wurde von der Arbeiterschaft gleich zu Beginn ein kollektiver Betriebsrat gegründet.
Dieses de facto Komitee existierte illegaler Weise bis 1999, konnte aber gegenüber dem
Konsortium nicht offiziell auftreten, da es ihm an der Legitimation fehlte. „Die anderen Betriebsräte, die es hier gab, waren nicht offiziell. Sie haben sehr viele Zweifel hinterlassen und das hat Misstrauen geschürt. In dieser Zeit gab es keinen Zusammenhalt zwischen Arbeitern, Gewerkschaft und Betriebsrat“ (VW Mitarbeiter, Mitglied des Betriebsrates).
Der Gewerkschaft und den Arbeitern war klar, dass sie die Einrichtung eines offiziellen
Betriebrates durchsetzen mussten, um legitimiert zu sein, ihre Interessen vorzubringen. Auch
für das Management wurde es nach dem Streik von 1999 nötig einen Verhandlungspartner zu
haben mit dem eine Konfliktregulierung stattfinden könnte. Alle Unternehmen des
Konsortium Modular stimmten offiziell zu, eine unabhängige betriebliche
Interessenvertretung zu installieren. „Vorher gab es keine Repräsentation zwischen Unternehmen und Angestellten. Es war praktisch so, dass die Fabrik alles entschieden hat und dann nur das bereits Entschiedene weitergegeben hat. Heute ist das nicht mehr so, heute reden sie mit uns, informieren, fragen. Wir bringen auf der anderen Seite unsere Sorgen vor. Wir tragen die Vorschläge und Probleme der Fabrik vor, auf diese Weise funktionieren wir wie Abgeordnete“ (VDO Mitarbeiter, Mitglied des Betriebsrates ).
Nach dem Streik wurde bis zu den offiziellen Wahlen, die schließlich im Frühjahr 2000
stattgefunden haben, eine vorläufige Interessenvertretung eingesetzt. Die sah sich selbst als
eine zwischen den beiden Positionen vermittelnde Institution, die vorwiegend die kleinen
Probleme des Arbeitsalltags lösen wollte. „Es sind die kleinen Probleme, die wir lösen wollen. Kleine Probleme, die wachsen können und bis zu einem Streik führen können. Dieser Betriebsrat der Fabrik und der neuen Einheiten von VW funktioniert so auf diese Art und Weise. Das hat nicht viel mit irgendeiner Politik zu tun und allem was es in São Paulo gibt. Dort sind es Jahre und Jahre, dass es einen Betriebsrat gibt. Wir haben auch etwas Hilfe von der Gewerkschaft, aber nicht so stark wie in São Paulo“ (VW Mitarbeiter, Mitglied des Betriebsrates ).
29
Die neue Interessenvertretung begann die Lohnpolitik des Konsortium Modular zu
hinterfragen. Zusammen mit der Gewerkschaft untersuchen sie die Lohnverhältnisse in
anderen industrialisierten Regionen Brasiliens. „Unser Lohn ist im Verhältnis zu unserer Profession in Brasilien sehr unterschiedlich. Im Sektor von São Paulo, genau wie in anderen Sektoren in anderen Staaten, die Automobilindustrie haben, unser Lohn ist sehr unterschiedlich. (...) Wir haben eine Untersuchung gemacht pro Region und mit den Informationen, die wir hatten, und keine hat verloren (gegenüber Resende). Das Werk, das am wenigsten zahlt ist Resende“ (Interessenvertretungsmitglied 1999; zitiert in Ramalho: 2000).
Die Tagesordnung, die von der vorläufigen Interessenvertretung aufgesetzt wurde, machte
deutlich, dass in den ersten zwei Jahren der Funktion des Werkes entscheidende Erkenntnisse
gesammelt werden konnten. „Ich werde Ihnen die ersten 10 Punkte sagen, die auf unserer Tagesordnung stehen: An erster Stelle, dass Volkswagen und das Konsortium Modular die Löhne seiner Angestellten um 16,8% anpasst, das ist die Rate, die von den Wirtschaftsinstituten, die die Untersuchung gemacht haben, vorgeschlagen wurde. Dass sie eine Zusatzzahlung von 700 Reais an ihre Angestellten zahlen, dass sie cestas basicas (Korb mit Grundnahrungsmittelversorgung) oder Tickets für den kostenlosen Supermarkteinkauf verteilen. Dass die Zuzahlungen bei Medikamenten um 80% erhöht werden. Dass sie eine kostenlose Zahnarztversorgung in den Gesundheitsplan aufnehmen. Dass sie Studienstipendien für alle Angestellten und deren Kinder bis 12 Jahren anbieten. Dass sie den Plan von Posten und Gehalt verändern. (...).Dass sie die Zeit, in der ein Arbeiter den höchsten Lohn erreicht, von 18 auf 9 Monate gesenkt wird und dass die Praktikanten dieselben sozialen Rechte bekommen wie die Angestellten“ (Interessenvertretungsmitglied 1999; zitiert in Ramalho: 2000).
Aufgrund des gemeinschaftlichen Drucks, der von dem Betriebsrat und der Gewerkschaft
ausging, haben einige Veränderungen durch das Managements bezüglich der
Arbeitsbeziehungen stattgefunden. Bedeutend ist die Einführung von Teamarbeit, die im
Februar 1999 in allen Betrieben des Konsortiums installiert wurde. „Alle 15 Tage findet mit dem Management ein Treffen statt, um Probleme zu präsentieren und nach Problemen zu suchen, manchmal sofort, manchmal nicht. Und zumindest in unserer Abteilung funktioniert es. Es sind 55 Teams. Die ganze Fabrik ist in diese Nummer von Teams geteilt worden. (...) Die Rolle des Kapitäns ist wie die des Kapitäns in einem Fußballteam. Er ist der Techniker, der das Team im Feld anführt, aber er ist nicht der Chef, noch bestimmt er, wo es langgeht. Er ist verantwortlich für eine Gruppe von Multiplikatoren, wo es Probleme gibt. Es sind die Multiplikatoren der Qualität, der Produktivität, der Verschwendung, housekeeping und des Personals. Wer ein Problem hat, spricht mit dem Kapitän. Der Kapitän versammelt sein Team, fünf oder sechs Köpfe, die überlegen, wie dieses Problem gelöst werden könnte“ (Mitglied der vorläufigen Interessenvertretung, zitiert in Ramalho: 2000).
Der offizielle Betriebsrat wurde im Frühjahr 2000 gewählt. Der Kollektivvertrag wurde im
Mai 2000 von der Gewerkschaft und allen Betrieben des Konsortiums unterschrieben. Dort ist
ein Vertreter für die Firmen DELGA und CARESE, einer für MAXION, POWERTRAIN,
REMON und VDO und einer für VW vorgesehen. Der neuen Commissão de Fabrica wird
mehr Raum und Zeit für ihre Arbeit zugestanden. So wird der Koordinator der Kommission
einen Arbeitstag zur Vertretung freigestellt. Allen anderen Mitgliedern des Betriebrates wird
ein halber Tag zugestanden. Kollektive Verhandlungen finden zwischen VW, den Zulieferern,
30
der Gewerkschaft und dem Betriebsrat statt. Die Mitglieder nehmen an allen VW Treffen der
Interessenvertretungen der unterschiedlichen Werke in Brasilien und internationaler Treffen
teil. Die Kommunikationsmöglichkeit mit anderen Betriebsräten ist für die Arbeiterschaft in
Resende sehr wichtig, um Unterstützung zu erlangen und ein kompetenter
Verhandlungspartner zu werden. So zeigt sich im Diskurs des Betriebsrates, wie in der
Gewerkschaft die Kenntnisse vermehrt wurden. „Sie verlassen die Zentren und gehen in Gegenden, wo es billige Arbeitskräfte in Überfluss gibt und wo es vorher keine Erfahrung mit der Präsentation von Arbeitern gab. Hier ist VW für 25 Jahre davon befreit Steuern zu zahlen, sie zahlen die Hälfte des Lohnes, den sie in São Paulo zahlen würden und tragen kaum Sozialleistungen und verkaufen den LKW für denselben Preis. Der Gewinn steigt für das Unternehmen und der Arbeiter partizipiert nicht daran und was noch schlimmer ist, er ist nicht mal VW-Arbeiter, er ist Arbeiter der Zulieferer“ (Delga Mitarbeiter, Mitglied des Betriebrates).
Der Betriebsrat wendet sich neben den alltäglichen Problemen und der Interessenvermittlung
auch arbeitspolitischen Themen zu. „Es scheint so, als ob sich das schon ändert. Es gibt einen Prozess, um einen einheitlichen Mindestlohn für alle nationalen Betrieb durchzusetzen. Einen Mindestlohn von 800 Reais für alle Automobilhersteller. Weil es absurd ist, dass ein Hersteller 320 zahlt und ein anderer 1200“ (Delga Mitarbeiter, Mitglied des Betriebrates). „In dem Steuerkrieg helfen die Staaten und Regierungen geradezu, einen billigen Arbeitsmarkt zu kreieren. Wenn es einem Unternehmen heute einfällt, alle zu entlassen und in einen anderen Staat zu ziehen und dort nur 300 Reais zu zahlen, werden sie unterstützt“ (VW Mitarbeiter, Mitglied des Betriebrates).
In dieser Entwicklung besinnen sich die Mitglieder des Betriebsrates darauf, verstärkt mit der
Gewerkschaft zusammen zu arbeiten und auf deren Know-how zurückzugreifen. „Weil es sich um Volkswagen handelt, ein sehr großes Unternehmen, müssen wir eine Gewerkschaft haben und wir müssen einen Betriebsrat haben. Auf diese Weise sind die Dialoge und Verhandlungen einfacher. Der Repräsentant benötigt die Hilfe der Gewerkschaft um innerhalb der Regeln zu arbeiten, um zu wissen, um was er bitten soll, wie viele Stunden er vorschlagen soll usw. (...) Die Gewerkschaft ist eine von dem Unternehmen unabhängige Institution. Und ich arbeite für das Unternehmen“ (VW Mitarbeiter, Mitglied des Betriebrates).
Ein Problem, mit dem der Betriebsrat genau wie die Gewerkschaft konfrontiert ist, sind die
unterschiedlichen Firmenpolitiken.
„Wir schaffen es nicht, Dinge schnell zu lösen. Das liegt, wie der Betriebsrat glaubt, an den Modulen. Jedes einzelne hat eine Politik, jedes einzelne hat eine unterschiedliche Auffassung. Jedes Modul hat eine andere Auffassung darüber, wie die Arbeit zu organisieren ist. Es gibt einige Chefs hier drin, von denen wir wissen, dass sie sich nicht um die Lebensqualität ihrer Angestellten scheren. Sie denken in keiner Weise an die Arbeiter, nur an den Vertrag den sie mit VW haben und wie sie den erfüllen können. Einige Module – nicht im Fall der VDO – VDO hat einen der einzigen Manager hier drin, der sich um Lebensqualität der Arbeiter kümmert. Es gibt in diesem Zusammenhang zwei sehr schlechte Module“ (VW Mitarbeiter, Mitglied des Betriebrates). „Das grundlegende Problem ist es, dass wenn man eine Sache regeln möchte, schafft man es nicht, weil ein Modul annimmt, ein anderes lehnt ab, ein anderes will nicht, ein anderes kann
31
nicht. Auf diese Weise schaffen wir nichts durchzusetzen. Um eine kleine Verbesserung durchzusetzen, ist es ein enormer Aufwand“ (VDO Mitarbeiter, Mitglied des Betriebrates).
Der Betriebsrat konnte zusammen mit der Gewerkschaft einige kleinere und größere
Interessen durchsetzten. Die Zusammenarbeit mit dem Managment des Die Löhne wurden in
den drei Jahren der LKWs und Busproduktion verdoppelt. Ein kollektives Transportsystem
hin und zurück zur Arbeit wurde eingerichtet. Die Kantine, die für einen großen Ansturm in
der halbstündiger Pause als zu klein empfunden wird, wird vergrößert. Die Arbeit an
Samstagen wird abschafft.
7 ZUSAMMENFASSUNG
Die Errichtung des neuen LKW und Buswerks der Firma Volkswagen in Resende spiegelt in
erster Linie die Attraktivität Brasiliens für neue ausländische Investitionen wider. Mit den
politischen Entwicklungen, der Marktöffnung, der Beteiligung am Mercosul und dem
Automobilregime wurde Brasilien zu einem beliebten Standort der Automobilindustrie.
Indem die neuen Werke auf sogenannten greenfield-sites außerhalb des traditionellen
Automobilstandortes und der Gewerkschaftshochburg der ABC-Region errichtet wurden,
waren weitere Vorteile wie niedrige Löhne und schwacher Gewerkschaftseinfluss gesichert.
Zu diesen außergewöhnlich guten Bedingungen kommt der brasilianische Steuerkrieg hinzu.
Die einzelnen Bundesstaaten, die sich von der Ansiedlung neuer Automobilwerke einen
wirtschaftlichen Aufschwung und neue Arbeitplätze in ihrer Region versprechen, überbieten
sich geradezu in Steuervorteilen und dem kostenlosen Bereitstellen von Land und
Infrastruktur. Auf diese Weise konnte es dem Staat Rio de Janeiro gelingen, das neue VW-
Konsortium Modular in Resende anzusiedeln. In der Region entwickelten sich schnell hohe
Erwartungen in Bezug auf Arbeitsplätze und einem wirtschaftlichen Aufschwung. Diese
Erwartungen wurden weitestgehend enttäuscht. Die Zahl der direkt im Konsortium Modular
Angestellten ist weit geringer als verkündet wurde und hat zusätzlich Menschen aus anderen
Regionen angezogen. Trotzdem hat Resende einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt.
Neben den direkten Arbeitsplätzen hat sich der lokale Arbeitsmarkt über die dadurch
entstandenen indirekten Arbeitsplätze erholt. Die Nutzung bestehender lokaler Institutionen
wie der SENAI hat diese Art von Aktivitäten in der Region gestärkt. Auf diese Weise konnte
Qualität und Quantität der Ausbildung erheblich gesteigert werden. Es sind Ex-Schüler des
SENAI, die zu neuen Angestellten im Konsortium Modular und in Zukunft bei
Peugeots/Citroen werden. Die positiven Jobaussichten haben Einfluss bis hin zu den Schulen,
die sich verstärkt bemühen, gute Schüler auszubilden.
Im Gegensatz zu der ABC-Region mit seiner hohen institutionellen Stärke hat die hier
ins Auge gefasste Region keinen hohen Grad der Institutionalisierung. Die lokale
32
Gewerkschaft war verhältnismäßig klein und wurde aufgrund ihrer nicht vorhandenen
Erfahrung mit der Automobilindustrie als arbeitgeberkonform eingeschätzt. Im Gegensatz zu
den Erwartungen lernte die Força Sindical jedoch mit den Arbeitsbeziehungen innerhalb eines
Automobilwerkes umzugehen. Die lokalen Gewerkschaftsakteure machten sich schnell mit
den Realitäten und Problemen des Konsortium Modular bekannt und lernten die Stimmen der
Arbeiterschaft zu hören und deren Interessen vor VW zu repräsentieren und Vorschläge
einzubringen. Nach einem Streik, für den viele Arbeiter mobilisiert werden konnten, wurden
die meisten wichtigen Interessen durchgesetzt. Die besondere Situation des Konsortiums
findet Aufmerksamkeit bei den Dachverbänden beider zentraler brasilianischer
Gewerkschaften und führt zu gemeinsamen Protestaktionen.
Das innovative Konzept des Konsortium Modular beinhaltete, abgesehen vom zentralem
Punkt der Bereitstellung der Arbeitskraft durch die Zulieferer, kaum innovative Konzepte der
Arbeitorganisation. Obwohl die rekrutierten Arbeiter eine Befriedigung darin spüren, für eine
Fabrik mit Prestige zu arbeiten, häufen sich schnell die Probleme. Zunächst identifizieren sich
die Arbeiter mit VW und finden, dass ihr Arbeitsplatz von VW abhängig ist, in der Realität
sind sie aber Angestellte eines anderen Unternehmens. Die empfundenen Probleme führen
schnell zu Arbeitskonflikten und Auseinandersetzungen. Vor allem das durchschnittlich hohe
Bildungsniveau und der niedrige Altersdurchschnitt erleichtern es der Belegschaft
Zusammenhänge wahrzunehmen und eigene Interessen zu formulieren.
Gleich zu Anfang haben die Arbeiter begonnen sich über die Konsortiumsgrenzen hinweg
kollektiv zu organisieren. Sie gründeten eine inoffiziell funktionierende Interessenvertretung,
die mit der Gewerkschaft zusammenarbeitete. Die Anzahl der Zugeständnisse, die bis heute
durchgesetzt werden konnte ist beachtlich. Das Stundenkonto „Banco de horas“ ist
abgeschafft worden, eine offizielle Interessenvertretung wurde eingerichtet. Die aus drei
Mitgliedern bestehende Interessenvertretung erkämpft sich mehr Rechte, Zeit und Raum und
die Teilnahme an allen kollektiven Verhandlungen zwischen VW, den Zulieferern und der
Gewerkschaft und den überregionalen VW- Konferenzen im Rahmen der
Interessenvertretung. Die Löhne steigen in den drei Jahren die LKWs und Busse produziert
werden von maximal 378,82 Real auf maximal 799,72 Real. Es wird ein kollektives
Transportsystem hin und zurück zur Arbeit eingerichtet. Die als zu klein empfunden Kantine
wird vergrößert. Es werden öffentliche Telefone eingerichtet. Die Arbeit an Samstagen wird
abgeschafft.
Es zeigt sich am Beispiel des greenfield Werkes von VW in Resende, dass die
theoretisch Angedachten experimentellen Produktionskonzepte der Automobilindustrie in der
Praxis über die Konfliktregulierungsmechanismen industrieller Beziehungen modifiziert
werden. Die vermeintlichen Vorteile, wie eine schwache Gewerkschaft, kein einheitlicher
Betriebsrat und niedrige Löhne, werden von den betroffenen Akteuren erkannt und in Protest
33
umgesetzt. Die lokale, unerfahrene Gewerkschaft schafft es schnell, sich zu informieren und
in den nationalen Diskurs einzubringen. Die Arbeiter organisieren sich über die im
theoretischen Konzept aufgesetzten neuen Grenzen innerhalb eines Werkes hinweg und
setzten ihre Interessen um. Die globalen, allgemeingültigen Konzepte werden auf der Ebene
der industriellen Beziehungen auf lokaler Ebene auf diese Weise transformiert.
34
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