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Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Diagnostik und Therapie der Benzodiazepinabhängigkeit
(ICD-10: F13.2)
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und PsychotherapieZentrum für Psychosoziale Medizin
Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf (UKE)
Vorlesung, Seminar, UaK (G2, G3)
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Erstellung des Inhalts:Prof. Dr. Martin Lambert LehrbeauftragterKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und PsychotherapieZentrum Psychosoziale MedizinUniversitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)Martinistr. 52, 20246 Hamburg Gebäude W37Tel.: +49-40-7410-24041Fax: +49-40-7410-52229E-Mail: lambert@uke.de
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Vorlesung, Seminar, UaK (G2, G3)
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
ÜberblickKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Übersicht zum Krankheitsbild
• Epidemiologie• Neurobiologie• Symptomatik
Grundlagen
Therapie
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Übersicht zum Krankheitsbild
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Übersicht zum Krankheitsbild
Krankheitsaspekt Wissen
Punktprävalenz (Deutschland)
Medikamentenabhängigkeit: geschätzt 1,1–1,9 Millionen
Abhängige Benzodiazepinabhängigkeit: geschätzt 1,2 Millionen
Abhängige v.a. zwischen 18 und 59 Jahren
Geschlechterverhältnis, charakteristisches Erkrankungsalter
Schädlicher Gebrauch: Männer 3,2 %, Frauen 5,5 %, Steigerung der Prävalenz mit zunehmendem Alter, insbes. ab dem 50. Lebensjahr
Wichtige Komorbiditäten
Angsterkrankungen, Schlafstörungen, Depressionen, Schmerzerkrankungen, Persönlichkeitsstörungen, andere Suchterkrankungen
Vorhandene Leitlinien AWMF-Leitlinie 076–009:
Medikamentenabhängigkeit (2006)
Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Grundlagen:Epidemiologie
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Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Epidemiologie (I)
Benzodiazepine, v.a. Hypnotika und Tranquilizer, gehören innerhalb der Psychopharmaka zu den häufigsten verordneten Medikamenten
Von den 2010 verkauften 28 Mio. Packungen Schlaf- und Beruhigungsmitteln (Umsatz: 122 Mio.) entfielen 19,9 Mio. (59%) aller Packungen auf benzodiazepinhaltige oder benzodiazepinähnliche Wirkstoffe
In der Psychiatrie werden Benzodiazepine als Hypnotika und Anxiolytika zur Behandlung von Entzugssyndromen sowie als Antiepileptika und gelegentlich als Muskelrelaxanzien verwendet
Nach Schätzungen sind 1,1 - 1,2 Mio. Menschen von Benzodiazepinen und entsprechenden Derivaten abhängig
Im Allgemeinkrankenhaus wurde die Prävalenz für Sedativa-/Hypnotika-Abhängigkeit mit 1,2–1,4% ermittelt
Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Verschreibungen, länger als 3 bis 4 Monate, prädisponieren für eine Abhängigkeitsentwicklung
Daher wird eine strenge Indikationsstellung, die Wahl der niedrigst notwendigen Dosis und eine Verordnung, wenn möglich, nicht über 4 bis 6 Wochen hinaus empfohlen
Das Hypnotikum Flunitrazepam hat ein besonders hohes Abhängigkeitsrisiko
Psychiatrischen Vorerkrankungen, speziell Angsterkrankungen, oder eine primäre Sucht wie z.B. Alkohol- oder Drogenabhängigkeit sind Risikofaktoren für Abhängigkeitsentwicklungen
Dosissteigerungen sind selten und in vielen Fällen gibt es, dies ist eine Besonderheit für Benzodiazepine, offensichtlich eine „low dose dependence“
Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013
Epidemiologie (II)
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Multifaktorielle Ursachen von Abhängigkeit: Epidemiologie – Ergebnisse der Bundesstudie 1997; Einnahmeverhalten in den letzten 4 Wochen
Frauen (%) Männer (%)
Analgetika 13,5 8,6
Schlafmittel 3,2 2
Tranquilizer 4,4 2
Anregungsmittel 1 0,8
Abführmittel 3,1 0,9
Appetitzügler 1,2 0,4
Psychoaktive Substanzen gesamt 19,5 11,5
Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013
Epidemiologie (III)
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Grundlagen:Neurobiologie
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
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Neurobiologische Grundlagen (I)
Benzodiazepine wirken im Gehirn über den inhibitorisch wirkenden Neurotransmitter Gamma-Aminobuttersäure (GABA)
Molekularbiologisch wurden am GABAA-Rezeptor mehrere Untereinheiten (Alpha: α1 bis α6, Beta: β1 bis β3, Gamma: γ1 bis γ3) identifiziert, wobei am GABAA-Rezeptor bestimmte Benzodiazepin-Rezeptoren existieren
Benzodiazepin-Rezeptoren wirken modulierend auf die Dopamin-Ausschüttung im Nucleus accumbens und im ventralen Tegmentum ein, was als gemeinsame Endstrecke der meisten Suchtmittel angesehen wird
Klinisch kann man u.a. kurz und lang wirksame Benzodiazepine bzw. solche mit und ohne pharmakologisch aktiven Metaboliten unterscheiden
Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Liste der international erfassten Benzodiazepine Name Wirkdauer Häufigster Handelsname
Sedativa/Hypnotika
Brotizolam Kurz Lendormin®
Estazolam* Mittel Pro-Som®
Flunitrazepam Kurz/Mittel Rohypnol®
Flurazepam Lang Dalmadorm®
Haloxazolam* Lang Somelin®
Loprazolam* Mittel Dormonoct®
Lormetazepam Kurz Noctamid®
Midazolam Kurz Dormicum®
Nimetazepam* Lang Erinin®
Nitrazepam Mittel Mogadan®
Temazepam Kurz Planum®
Triazolam* Kurz Halcion®
Neurobiologische Grundlagen (II)
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Liste der international erfassten Benzodiazepine Name Wirkdauer Häufigster Handelsname
Anxiolytika
Alprazolam Kurz Tafil®
Bromazepam Lang Lexotanil®
Camazepam* - Albego®
Chlordiazepoxid Lang Librium®
Clobazam Lang Frisium®
Clonazepam Mittel Rivotril®
Clorazepat* Lang Tranxene®
Clotiazepam* Kurz Trecalmo®
Cloxazolam* Lang Sepazon®
Delorazepam* Lang En®
Diazepam Lang Valium®
Ethyl loflazepat* Lang Meilax®
Neurobiologische Grundlagen (III)
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Liste der international erfassten Benzodiazepine Name Wirkdauer Häufigster Handelsname
Fludiazepam* Kurz Erispan®
Halazepam* Lang Pacinone®
Ketazolam* Lang Anseren®
Lorazepam Kurz/Mittel Tavor®
Medazepam Lang Rudotel®
Nordazepam* Lang Stilny®
Oxazepam Kurz Adumbran®
Oxazolam* Lang Tranquit®
Pinazepam* Lang Domar®
Prazepam Lang Demetrin®
Tetrazepam Kurz Musaril®
* In Deutschland nicht erhältliche Präparate Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013
Neurobiologische Grundlagen (IV)
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Symptomatik
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Symptomatik
Symptome bei Überdosierung
Symptome einer Benzodiazepin-Überdosierung
Ausgeprägte Sedation, Müdigkeit, motorische Schwächung, Verlangsamung, Dysarthrie, Ataxie, konsekutiv Sturzneigung etc.
Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013
Benzodiazepinentzugssymptome
Psycho-pathologische Symptome
Vermehrte Ängstlichkeit, Schreckhaftigkeit, Schlafstörungen, innere Unruhe, ängstlich depressive Syndrome, erhöhte Irritabilität, psychoseähnliche Zustände, Delirien, Depersonalisation, Derealisation, Verwirrtheitszustände
Vegetative Symptome
Zittern, Schwitzen, Übelkeit, Erbrechen, motorische Unruhe, Dyspnoe, erhöhte Herzfrequenz, Blutdrucksteigerung, Kopfschmerzen, Muskelverspannungen
Neurologische und internistische Komplikationen
Erhöhte Krampfneigung (!), Störung der Willkür/Motorik, kognitive Beeinträchtigungen Störung der Merkfähigkeit, ausgeprägte Wahrnehmungs- und Perzeptionsstörung, Hyperakusis, Photophobie, Hypersomnie, Dysästhesien, kinästhetische Störungen, Muskelzittern und Faszikulationen
Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Therapie
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Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Benzodiazepinentzugsbehandlung mit Oxazepam
Tag 1:
Umrechnung der bisherigen Benzodiazepineinnahme auf Oxazepam-Äquivalendosen (10mg Diazepam = 40mg Oxazepam) in vier Einzeldosen. Entzugsüberwachung 2-stündlich
Tag 2 Evtl. Adaptation der Oxazepamdosis abhängig von Entzugssymptomatik
Tag 3 Reduktion von 50mg Oxazepam täglich, bis auf eine Tagesdosis von 100mg. Dann folgendes Schema:• 25-25-25-25mg / tägl.• 25-25-0-25mg / tägl.• 25-0-0-25mg / tägl.• 10-5-5-10mg / tägl.• 10-0-0-10mg / tägl.• 5-0-0-5mg / tägl.• 0-0-0-5mg / tägl.• 0-0-0-0mg / tägl.
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Pharmakologische Strategien (I)
Die Evidenzbasierung verschiedener pharmakologischer Strategien zum Benzodiazepinentzug ist relativ begrenzt
Patienten mit hohen Dosen und starkem Craving haben eine schlechtere Prognose
Benzodiazepinentzüge verlaufen häufig für den Patienten subjektiv sehr beeinträchtigend über viele Wochen und die Abbruchquoten sind zumindest bei zu abruptem Vorgehen oft hoch
Bei längerer Benzodiazepin-Einnahme ist die stufenweise Reduktion von Benzodiazepinen sehr wichtig und abruptes Absetzen zu vermeiden (über Wochen bis Monate ausschleichen, nicht jedoch länger als 6 Monate)
Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Die ersten 50% einer Benzodiazepin-Dosis können relativ rasch, die nächsten 25% eher langsam und die letzten 25% sehr langsam abgesetzt werden, wobei die unterschiedliche
Halbwertszeit von Benzodiazepinen zu berücksichtigen ist Hochpotente, kurz wirksame Benzodiazepine führen beim Absetzen
erfahrungsgemäß rascher und stärker zu Entzugserscheinungen Häufig wird ein Umsetzen auf eine Äquivalenzdosis eines lang
wirksamen Benzodiazepins durchgeführt Die Substitution von Benzodiazepinen durch Diazepam wird
empfohlen Die Benzodiazepin-Entzugssymptomatik wird in vielen Fällen
syndromal behandelt (z.B. schwere depressive Syndrome mit Antidepressiva)
Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013
Pharmakologische Strategien (II)
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Psychotherapeutische Strategien (I)
Eine psychotherapeutische Unterstützung der Entgiftung/Entwöhnung ist unerlässlich
Drei wichtige Behandlungsabschnitte
Psychoedukation Vermittelt Wissen zu Wirkungen und Nebenwirkungen, Indikationen und Kontra-
indikationen des Einsatzes von Benzodiazepinen sowie verwandter Substanzen Schafft die Voraussetzung für eine kritische Reflexion des Nutzungsverhaltens
Techniken zur Motivations-förderung
Basieren auf dem transtheoretischen Modell unter Verwendung der „Motivierenden Gesprächsführung“ sowie der „Sokratischen Gesprächsführung“ mit den Zielen:a) Schaffung eines Problembewusstseinsb) Unterstützung der kognitiven Dissonanz im Sinne einer Entscheidungsbildung für
eine Veränderung des Problemverhaltens c) Unterstützung der ersten Veränderungsschritte d) Stabilisierung der Abstinenzmotivation nach erfolgreicher Konsumbeendigung
Psychotherapie
Umfassen Ablehnungstraining, Selbstkontrollmethoden, Entspannungstraining (Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson oder Autogenes Training)
Bei Angstpatienten: Expositionsbehandlung, systematische Desensibilisierung, soziales Kompetenztraining oder Techniken zur Angstbewältigung
Bei Schlafstörungen: Maßnahmen zur Förderung der Schlafhygiene Bei depressiven Erkrankungen: Kognitive Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch
fundierte Psychotherapie
Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Die Wirksamkeit der motivierenden Gesprächsführung sowie kognitiv-verhaltenstherapeutischer Techniken sind sowohl als alleinstehende Maßnahmen als auch in Kombination mit einer medikamentösen Therapie belegt
Eine Schweizer Arbeitsgruppe (Liebrenz et al. 2010) schlug die „Substitution“ mit lang wirksamen Benzodiazepinen bei anders nicht zu behandelnden Langzeitkonsumenten vor, ohne jedoch empirische Daten vorzulegen
Flumazenil ist zur Behandlung von Intoxikationen wirksam, wobei zur Behandlung von Entzugssyndromen eine ausreichende Evidenz fehlt
Flumazenil kann schwere Entzugspsychosen und epileptische Anfälle auslösen, weswegen diese nichtfavorisierte Behandlungsmethode zumindest stationär erfolgen sollte
Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013
Psychotherapeutische Strategien (II)
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Bei Fragen bitte unter:
http://www.uke.de/kliniken/psychiatrie/index_2512.php
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