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Luther für Katholiken
Kurt Koch (Hg.)
VerLAG NeUe StADtMÜNCHeN · ZÜriCH · wieN
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Klimaneutral gedruckt.Weil jeder Beitrag zählt.
2016, 1. Auflage© Für die Auswahl und Zusammenstellung:
Verlag Neue Stadt GmbH, MünchenGestaltung und Satz: Neue-Stadt-Grafik
Coverabbildung: Lutherporträt von Lucas Cranach d. Ä.
Druck: cpi – Clausen & Bosse, LeckISBN 978-3-7346-1096-7
www.neuestadt.com
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G e L e i t w o r tvon
Kurt Kardinal Koch
im Jahre 2017 begeht die Christenheit das Gedenken der reformation vor fünfhundert Jahren. Dieses Gedenkjahr bezieht sich auf das Jahr 1517, genauer den 31. oktober, der traditionellerweise als Beginn der reformation gesehen wird, und zwar in erinnerung an den sogenannten Anschlag der thesen über den Ablass an die türe der Schlosskirche in wittenberg durch Martin Luther. Seit erwin iserlohs im Jahre 1962 veröffentlichtem Buch „Luthers thesenanschlag – tatsache oder Legende?“ gehen die meisten Historiker freilich davon aus, dass der so
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genannte thesenanschlag in der bisher überlieferten weise nicht stattgefunden hat, dass Martin Luther seine thesen vielmehr an den zuständigen ortsbischof versandt hat und die Veröffentlichung seiner thesen zum Ablass als einladung zu einer gelehrten Disputation konzipiert gewesen ist. Von daher erinnert das Jahr 2017 an jene Zeit, in der es noch gar nicht zum Bruch zwischen dem reformator und der Katholischen Kirche gekommen und die einheit der Christenheit noch nicht zerbrochen gewesen ist, Martin Luther vielmehr noch in der Gemeinschaft der Katholischen Kirche gelebt hat. in diesem Zusammenhang ist auch erneut erkannt worden, dass es Luther um eine durchgreifende reform der Kirche und nicht um eine reformation im Sinne der mit ihr schließlich zerbrochenen einheit der Kirche gegangen ist. er hat keineswegs den Bruch mit der Katholischen Kirche und die Gründung einer neuen Kirche gewollt, sondern die erneuerung der ganzen Christenheit im Geist des evangeliums.
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Solche geschichtlichen erinnerungen bedeuten, dass das reformationsgedenken im Jahr 2017 nicht mehr in derselben weise begangen werden kann, wie dies bei früheren Jahrhundertfeiern der Fall gewesen ist, sondern gar nicht anders als in ökumenischer Gemeinschaft. So verhält es sich zum ersten Mal in der Geschichte, und diese Chance sollte auf jeden Fall genutzt werden für eine weitere Vertiefung der gegenseitigen Annäherung zwischen Lutheranern und Katholiken im Glauben und im Leben des Glaubens.
Die neue Sicht der reformation Luthers darf als reife Frucht des ökumenischen Dialogs gewürdigt werden, der in den vergangenen fünf Jahrzehnten vollzogen worden ist und eine tiefe ökumenische Gemeinschaft zwischen Katholiken und Lutheranern ermöglicht hat. Dieser weg der Versöhnung hat vor allem mit einer kritischen Überprüfung und Überwindung des traditionellen polemischen Bildes von Martin Luther in der Katholischen
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Kirche begonnen. Dieses Bild ist bereits zu seinen Lebzeiten von Johannes Cochläus vertreten worden, der Luther als Zerstörer der Kircheneinheit, als Verderber der Moral und als frechen revolutionär inkriminiert hat. wie sehr diese Sicht über Jahrhunderte hin die wichtigste referenz des katholischen Lutherbildes gewesen ist, wird bei Heinrich Suso Denifle sichtbar, der noch zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts die alte Polemik aufgegriffen und behauptet hat, Luther habe die Lehre der rechtfertigung allein durch Glauben und nicht durch werke, die gewiss in die Mitte seines theologischen Denkens gehört, allein zu dem Zweck erfunden, „um desto sorgloser und sicherer sein ausschweifendes Leben führen zu können“.
Dieses äußerst negative und polemische Lutherbild ist natürlich auch als reaktion auf das spiegelverkehrte heroische Lutherbild in der protestantischen tradition zu verstehen, wie es seinen besonderen Ausdruck jeweils bei den Jahrhundertfei
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ern der reformation gefunden hat. So stand bei der ersten Centenarfeier im Jahre 1617, als sich europa auf einen schwerwiegenden Konflikt und sogar auf einen blutigen Glaubenskrieg hinbewegt hat, Luthers Kampf gegen rom und das Papsttum, von dem er die Christenheit befreit habe, im Vordergrund. im Zeitalter der Aufklärung wurde Luther als Befreier vom finsteren Mittelalter und als Begründer der Neuzeit verherrlicht, und im Pietismus wurde er als das große religiöse Genie verehrt. Und während der reformationsfeier im Jahre 1917 wurde Luther nicht nur als Schöpfer der deutschen Sprache, sondern überhaupt als Personifikation des wahren Deutschen gefeiert.
An die Stelle solcher heroischen Darstellungen von Leben und werk Martin Luthers ist in der Zwischenzeit auch in der protestantischen Geschichtsschreibung ein adäquateres Bild sowohl der damaligen Situation der Katholischen Kirche als auch des wirkens von Martin Luther ge
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treten. in dieser weise ist deutlich geworden, dass auf der einen Seite das Mittelalter keineswegs so finster gewesen ist, wie es zu gerne und zu lange gezeichnet worden ist, und dass auf der anderen Seite Martin Luther viel mehr im mittelalterlichen Denken verwurzelt gewesen ist, als man zugestanden hat. Auf diesem geschichtlichen Hintergrund ist es schließlich möglich geworden, unbefangen auch die Schattenseiten im Leben und wirken Martin Luthers beim Namen zu nennen, wie seine stets deftiger werdenden Attacken gegen die Katholische Kirche und vor allem gegen das Papsttum, seine heftigen Angriffe gegen die Bauern während des Bauernkrieges, seine Befürwortung und theologische rechtfertigung der Verfolgung der täufer und seine gehässigen Äußerungen über die Juden.
Diese differenziertere wahrnehmung Martin Luthers und seiner wittenberger reformation bei lutherischen theologen hat die entwicklung eines im Ganzen po
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sitiven katholischen Lutherbildes nicht behindert, sondern im Gegenteil gefördert. Sein Durchbruch in der katholischen Lutherforschung ist dabei vom katholischen Historiker Joseph Lortz vollzogen worden, der Martin Luther als Mönch, der sein Christsein und sein ordensleben sehr ernst genommen hat, charakterisiert und von daher die berühmt gewordene these vertreten hat, Luther habe in sich selbst einen Katholizismus niedergerungen, „der nicht katholisch war“. Diese neue Sicht hat auch eine kirchenoffizielle Bestätigung gefunden, als sich der zweite Präsident des Päpstlichen rates zur Förderung der einheit der Christen, Johannes Kardinal willebrands, in seinem Grundsatzreferat bei der fünften Vollversammlung des Lutherischen weltbundes in evianlesBains in einer sehr positiven weise über Martin Luther geäußert hat, und zwar in der Überzeugung, dass eine „gerechtere Beurteilung der Person und des werkes Martin Luthers“ von katholischer Seite einen notwendigen weg darstellt, „um die verlorengegangene einheit
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wiederherzustellen“. in dieser Grundhaltung hat Kardinal willebrands den reformator sogar als Lehrer des Glaubens gewürdigt: „er mag uns darin gemeinsamer Lehrer sein, dass Gott stets Herr bleiben muss und dass unsere wichtigs te menschliche Antwort absolutes Vertrauen und die Anbetung Gottes zu bleiben hat.“
Diese Neubewertung Luthers ist anlässlich der 500. wiederkehr seines Geburtstages im Jahre 1983 nochmals bestätigt worden mit der ehrlichen würdigung von wesentlichen Anliegen des reformators Luther in der ökumenisch gemeinsamen Überzeugung: „weder die evangelische noch die katholische Christenheit kann an der Gestalt und an der Botschaft dieses Menschen vorbeigehen.“
Diese positive würdigung Martin Luthers als „gemeinsamer Lehrer“ und als „Zeuge des evangeliums“ haben auch verschiedene Päps te aufgegriffen, am deut lichsten wohl Papst Benedikt XVi. bei seinem Besuch im Jahre 2011 im Augus tiner
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kloster erfurt, wo Luther theologie studiert hat und zum Priester geweiht worden ist. An erster Stelle hat Benedikt XVi. die leidenschaftliche Gottsuche im Leben und wirken von Martin Luther gewürdigt: „was ihn umtrieb, war die Frage nach Gott, die die tiefe Leidenschaft seines Lebens und seines ganzen weges gewesen ist.“ Daraus hat Benedikt XVi. den Schluss gezogen, dass in der Nachfolge Luthers der ökumenische Dienst in der heutigen Zeit darin bestehen muss, in den weithin säkularisierten Gesellschaften die Gegenwart des lebendigen Gottes zu bezeugen. Benedikt XVi. hat zudem hervorgehoben, Luther habe nicht an irgendeinen Gott geglaubt, sondern an jenen Gott, der uns sein konkretes Gesicht im Menschen Jesus von Nazareth gezeigt hat, und Luther habe deshalb seine leidenschaftliche Gottsuche in der Christozentrik seiner Spiritualität und theologie konkretisiert und vertieft.
Zentralität der Gottesfrage und Christozentrik und die daraus folgende große
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Bedeutung des wortes Gottes, des Glaubens und des Gebetes sind in der tat die Herzensanliegen des Christen, theologen und reformators Martin Luther gewesen, wie sie im vorliegenden Büchlein bezeugt werden: „Gott verlangt vom Menschen nichts weiter, als dass er ihn zum Gott mache“ (wort 4), und: „im gekreuzigten Christus liegt die wahre theologie und Gotteserkenntnis“ (wort 18).
Die im vorliegenden Büchlein ausgewählten „100 worte“ eignen sich als Führer, um den Glaubenszeugen Martin Luther besser kennenzulernen, die Lesenden in die Herzmitte des theologischen Denkens des reformators mit seinem bunten Facettenreichtum hineinzubegleiten und sich auf diesem weg des eigenen Glaubens zu vergewissern und ihn zu vertiefen.
Die „100 worte“ verstehen sich auch als einladung an Katholiken und Lutheraner, im Geist Martin Luthers sich gemeinsam auf die Zentralität der Gottesfrage und
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die Christozentrik einzulassen. Denn nur auf diesem weg wird ein reformationsgedenken in wahrhaft ökumenischer Gemeinschaft möglich, und zwar nicht einfach in einem pragmatischen, sondern im tiefen Sinn des Glaubens an den gekreuzigten und auferstandenen Christus, den Luther in frischer weise zum Leuchten gebracht hat. Die „100 worte“ bezeugen, dass nur ein solches ökumenisches reformationsgedenken Martin Luther wirklich gerecht zu werden vermag.
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wenn der Mensch es mit Gott zu tun bekommen
und von ihm etwas empfangen soll, kann nicht der Mensch beginnen
und den ersten Stein legen; sondern Gott allein muss zuvor
ohne alles ersuchen und Begehren des Menschen kommen
und ihm eine Zusage geben. ebendieses wort Gottes
ist das erste, der Grund, der Fels, auf dem sich dann alle werke, worte und Gedanken des Menschen bauen.
Dieses wort muss der Mensch dankbar aufnehmen,
er muss der göttlichen Zusage vertrauensvoll glauben …
Dieses Vertrauen und dieser Glaube ist Anfang, Mitte und ende
aller werke und Gerechtigkeit.
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Einen Gott haben, das ist nichts anderes alsihm von Herzen trauen
und glauben …
einen Gott haben, das heißt auch …,
dass man ihn nicht mit Händen greifen und fassen kann,
noch in einen Beutel steckenoder in einen Kasten schließen.
ihn fassen kann man nur, wenn das Herz ihn ergreift
und an ihm hängt.
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Gott ist ein glühender Backofenvoller Liebe,
der da reicht von der Erdebis zum Himmel.
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