mit leidenschaft für gott und sein volk - erzbistum berlin · 2019-11-12 · mit leidenschaft für...
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Herzlich willkommen!
******* Mit Leidenschaft
für Gott und sein Volk
Seelsorge in Zeiten pastoralen Wandels
Jahrestagung der Geistlichen 2013
Christoph Jacobs Prof. Dr. theol., Lic. phil. (Klin. Psych.) Kirchborchener Str. 42 D-33178 Borchen-Dörenhagen Tel: +49-5293-930505, Fax: 930504 Email: christoph_jacobs@compuserve.com
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Mit Leidenschaft für Gott und sein Volk „Wir verkünden keine gute Nachricht, weil das Evangelium keine
Neuigkeit mehr für uns ist, wir sind daran gewöhnt, es ist für uns eine alte Neuigkeit geworden.
Der lebendige Gott ist kein ungeheures, umwerfendes Glück mehr; er ist ein Gesolltes, die Grundierung unseres Daseins. Glück ist die veränderliche Zutat am Rand Gottes, der bleibt.
Wir geben uns keine Rechenschaft darüber, was Gottes Abwesenheit für uns wäre; so können wir uns auch nicht vorstellen, was sie für die andern ist.
Wenn wir von Gott reden, bereden wir eine Idee, statt eine erhaltene, weiterverschenkte Liebe zu bezeugen. Wir können den Ungläubigen unseren Glauben nicht als eine Befreiung von der Sinnlosigkeit einer Welt ohne Gott verkünden, weil wir diese Sinnlosigkeit gar nicht wahrnehmen.
Wir verteidigen Gott wie unser Eigentum, wir verkünden ihn nicht wie das Leben allen Lebens, wie den unmittelbaren Nächsten all dessen, was lebt. Wir sind keine Erklärer der ewigen Neuheit Gottes, sondern Polemiker, die eine Lebensanschauung verteidigen, welche überdauern soll.
Somit wäre es unnütz, andern nah genug zu sein, um verstanden zu werden, ihre Sprache zu sprechen, gegenwärtig und wirklich für sie zu sein, falls wir – auch wenn all diese Bedingungen erfüllt wären – nicht selber die totale Botschaft wiedergefunden hätten, die wir empfangen haben und weitergeben müssen.“
Madeleine Delbrêl
Überblick: 3 Schritte des Impulses Prolog
– Worum geht es?
Geistliche Vergewisserung: – Wie handelt Gott?
Praktisch-theologische Vergewisserung: – Was bedeutet dies für uns Priester?
– Woran müssen wir uns theologisch orientieren?
Praktische Perspektiven
– Was wird unsere Aufgabe als Priester sein?
– Welche Qualitäten brauchen wir?
Prolog
Worum geht es?
Kirchenentwicklung: Weg und Ziel des Pastoralen Handelns
Kirchen- Entwicklung
Geistliche Entwicklung
Struktur- Entwicklung
Person- Entwicklung
vgl. Chr. Hennecke!
leicht!
herausfordernd!
am bedeutsamsten!
- -
Entwicklungsaufgaben!
Wachstums- Wege
Geistliche Haltungen
Mentale Modelle
Praxis der Seelsorge
Schlüsselpersonen
Menschen, nicht Maschinen…! Angesichts der „Bedrohung der Organisation“ wird der
Blick häufig ausschließlich auf das Überleben der Organisation und dafür notwendige Strukturmaßnahmen gerichtet.
Die gegenwärtige Binnenkultur in den Diözesen trägt Züge einer „pathologischen“ Blickfixierung auf die strukturelle Dimension. Strukturfixierung ist stets problematisch.
Strukturen tragen Gesichter von Menschen: der Strukturwandel ist Kulturwandel, und dieser basiert auf menschlichen Kräften und menschlichem Engagement.
"Culture eats Strategy for Breakfast – Kultur verspeist Strategie zum Frühstück“ (Peter Drucker, „Nestor“ der Management-Lehre)
Schlüsselpersonen des Wandels Die Priester (und Laien) in der Seelsorge sind als
Mitarbeiter des Bischofs die Schlüsselpersonen des Wandels. Der Bischof muss sich auf uns verlassen können.
Die Priester sind stärker vom Wandel betroffen als die Gläubigen. Sie haben „mehr zu verlieren“ – aber viel zu gewinnen.
Die größten Gefahren: 1. die Fallen des „Weiter-So“ und der Professionalität, 2. die Falle des Besitzstandsdenkens, 3. die Angst: Was wird aus mir?
Am wichtigsten: Spirituelle Kraft, Tatkraft, Innovationsbereitschaft und Führungskompetenz
Auf uns muss als „Geistliche“ Verlass sein: Wir müssen Hirten sein, die wissen, „wohin es geht“: wo Raum und Nahrung zum Leben ist!
“Mit angehaltenem Atem, aber eben doch gesagt: Gott umarmt uns.
Wie umarmt uns Gott? Wie umarmen wir ihn?
Gott umarmt uns durch die Wirklichkeit.
Wir umarmen Gott durch die Wirklichkeit.“
Willi Lambert, 1998
Gott umarmt uns durch die Wirklichkeit…
Wie kocht man einen Frosch, "ohne dass er es merkt?!
Wenn du einen Frosch kochen willst, musst du ihn in einen Topf mit kaltem Wasser setzen.
Während der Frosch dann in seliger Genügsamkeit dasitzt, bringe das Wasser langsam zum Kochen.
Wenn der Frosch merkt, was los ist, ist es für ihn zu spät, hinauszuspringen.
Chinesisches Sprichwort
© CJ/MB 2010
Was ist passiert? Wie geht es weiter?!© CJ 2013
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1950 1960 1975 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 2060
Einwohnerzahl
Ressourcen Gläubige Pfarreien Priester
Diaspora-Situation
Kulturelle Minderheit
Missionarische Situation
2030
80
25
„Rollenkonflikte des Pfarrgeistlichen“!
© Chr. Jacobs 2013
„Will man eine Gesellschaft neu ordnen, dann muß man soziale Rollen neu definieren. Man muß festlegen, welche Verhaltensweisen für die Inhaber bestimmter gesellschaftlicher Positionen gelten. Die „Stellenbeschreibung“ muß von den Rollenträgern ebenso wie von den übrigen Akteuren internalisiert werden. Die Vorstellung der Rollenträger muß mit dem Bild, das sich seine Mitakteure machen in Übereinstimmung gebracht werden.
Es muß ein tiefgreifender Sozialisierungsprozeß eingeleitet werden, der schwierig ist, weil wir in eingefahrenen Gesellschaften keine tabula rasa vorfinden, sondern immer erst alte Rollenvorstellungen und Verhaltenserwartungen abbbauen müssen, bevor wir neue einüben können.
Die Kirche bemüht sich zur Zeit um eine solche Neuordnung. Sie will die Seelsorgestrukturen den Erfordernissen (von heute) anpassen, muß dazu unter anderem auch das soziale Rollensystem, das eine Pfarrei, die die Grundeinheit der Seelsorge vorstellt, neu definieren.
Die Konsequenzen eines solchen Unternehmens treffen vor allem die Stellung des Priesters in der Pfarrei. In der Gemeinde der Agarkultur war er nicht nur theologisch, sondern auch soziologisch eine Schlüsselfigur der kirchlichen Organisation. Seine Position wird sich daher wandeln!“
Schwermer, J. (1971). Rollenkonflikte des Pfarrgeistlichen. Theologie und Glaube: 15-24.
Abschied von der alten
Sozialform der Ortskirchen
Das Selbstverständnis der Grundvollzüge
der Kirche in Martyria Diakonia Leiturgia Koinonia
Ende einer Ära… Was bleibt…?
Papst Franziskus: Die Armut der Lösungen "und die Gefahr der Hoffnungslosigkeit! Die Armut der Lösungen tarnt sich:
– Reichtum des Nicht-Leidens: Abschottung – Suchen nach Sündenböcken – Verteidigung der Schätze – Kritisieren – Dramatisieren – Träumen von „apostolischen Expansionsplänen“ – Sich tatenlos verzetteln: „Man müsste – man könnte!“ – Sich nicht die Hände schmutzig machen
„Der hoffnungslose Mensch zieht sich in sein Schneckenhaus zurück, tritt auf der Stelle und bringt keine Frucht.“ (Exerzitienbuch S. 88)
geistlich vergewissern…
Mit Leidenschaft für Gott und sein Volk “Umbruchszeiten sind Gnadenzeiten. Sie bedeuten
Abschied und Aufbruch, Trauerarbeit und Lust zur Innovation. !
Gott selbst ist es, der unsere Verhältnisse gründlich aufmischt, um uns auf Neuland zu locken wie Abraham, wie Mose, wie Bonifatius. !
Ja, wir haben eine Mission in unserem Land und weltweit. Darin sind wir unvertretbar. Haben wir doch mit dem Evangelium eine Botschaft, für die es in dieser Welt keine bessere Alternative gibt“.!– Die Deutschen Bischöfe (2004). "Gemeinsamer Hirtenbrief der deutschen Bischöfe anlässlich des Bonifatius-
Jubiläums." Kirchliches Amtsblatt für die Erzdiözese Paderborn 147(9): 127-129.
Bonifatiushirtenbrief
Vergewisserung
„Denkt nicht mehr an das,
was früher war.
Seht her, nun mache ich etwas
Neues. Schon kommt es zum
Vorschein, merkt ihr es nicht?“ (Jes 43, 18-19)
© CJ 2013
Zu Beginn und als Fundament:
Eine Botschaft des Vertrauens und der Zuversicht 1 Jetzt aber - so spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, und
der dich geformt hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich ausgelöst, ich habe dich beim Namen gerufen, du gehörst mir. 2 Wenn du durchs Wasser schreitest, bin ich bei dir, wenn durch Ströme, dann reißen sie dich nicht fort. Wenn du durchs Feuer gehst, wirst du nicht versengt, keine Flamme wird dich verbrennen. 3 Denn ich, der Herr, bin dein Gott, ich, der Heilige Israels, bin dein Retter. Ich gebe Ägypten als Kaufpreis für dich, Kusch und Seba gebe ich für dich.
4 Weil du in meinen Augen teuer und wertvoll bist und weil ich dich liebe, gebe ich für dich ganze Länder und für dein Leben ganze Völker. 5 Fürchte dich nicht, denn ich bin mit mit dir.
11 Ich bin Jahwe, ich, und außer mir gibt es keinen Retter. 12 Ich habe es selbst angekündet und euch gerettet, ich habe es euch zu Gehör gebracht. Kein fremder (Gott) ist bei euch gewesen. Ihr seid meine Zeugen - Spruch des Herrn. Ich allein bin Gott; 13 auch künftig werde ich es sein. Niemand kann mir etwas entreißen. Ich handle. Wer kann es rückgängig machen?
18 Denkt nicht mehr an das, was früher war; auf das, was vergangen ist, sollt ihr nicht achten. 19 Seht her, nun mache ich etwas Neues. Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht? Ja, ich lege einen Weg an durch die Steppe und Straßen durch die Wüste.
1 Jetzt aber höre, Jakob, mein Knecht, Israel, den ich erwählte. 2 So spricht der Herr, dein Schöpfer, der dich im Mutterleib geformt hat, der dir hilft: Fürchte dich nicht, Jakob, mein Knecht, du, den ich erwählte. 3 Denn ich gieße Wasser auf den dürstenden Boden, rieselnde Bäche auf das trockene Land. Ich gieße meinen Geist über deine Nachkommen aus und meinen Segen über deine Kinder… – Jes 43f
…theologisch deuten…
Mit Leidenschaft für Gott und sein Volk: Fünf theologische Bilder der Orientierung
Neu-Schöpfung („Mutation“)
Exodus
Exil / Gericht / Diaspora
Lunare Ekklesiologie
Mysterium Paschale
© Chr. Jacobs 2012
Neue Schöpfung Sprung auf die höhere Ebene
Wehen / Geduld
in Hoffnung
dem Zugriff des Menschen entzogen
Geburt
Pubertät
Erwachsenwerden
Sterben
• Grundgesetz: Wenn das Weizenkorn…
• „Passivität“ in einer größeren Gesetzmäßigkeit
© Chr. Jacobs 2012
Exodus Aufbruch Knechtschaft Freiheit Gott / Götze Mose Durchzug Wüstenwanderung Sinai Manna Wasser aus dem Felsen Wolkensäule Kundschafter …
© Chr. Jacobs 2012
B E F R E I U N G
Exil / Gericht / Diaspora
Entwurzelung Fremdheit Gericht Zwang Minderheit Trauer Abhängigkeit Hoffnung Sehnsucht Erwartung Bewährung Treue
© Chr. Jacobs 2012
V E R I N N E R L I C H U N G
Lunare Ekklesiologie Wie der Mond das Licht der Sonne widerspiegelt, so reflektiert die Kirche
das Licht der Botschaft Christi. Dadurch strahlt sie in die Nacht der
Menschheit hinein.
Nun ist der Mond aber nicht immer nur Vollmond. Er ist deswegen Mond,
weil er zyklische Wachstums- und Sterbeprozesse kennt.
So ist es auch mit der Sozialgestalt der Kirche. Auch sie kennt
Sterbeprozesse, Phasen der Nicht-Attraktivität bis hin zur Null-Phase.
Doch die Kirche weiß: in österlicher Hoffnungsgewißheit, daß gerade durch
solche Sterbeprozesse hindurch sich doch neue eine Kirchengestalt
herausentwickelt, herausgebiert,
Eine solche Kirchengestalt kann neu zeitgemäß (nicht modisch!) sein und
im Vergleich zur vergangenen Gestalt attraktiver, lebensermutigender,
hoffnungsstiftender, sinnvermittelnder. Gotthard Fuchs
© Chr. Jacobs 2012
Mysterium Paschale Wandlung - Verwandlung - Veränderung
Was geschah da? Wie kann Jesus seinen Leib austeilen und sein Blut? Indem er Brot zu seinem Leib und Wein zu seinem Blut macht und austeilt, nimmt er seinen Tod vorweg, nimmt er ihn von innen her an und verwandelt ihn in eine Tat der Liebe. Was von außen her brutale Gewalt ist - die Kreuzigung - wird von innen her ein Akt der Liebe, die sich selber schenkt, ganz und gar. Dies ist die eigentliche Wandlung, die im Abendmahlssaal geschah, und die dazu bestimmt war, einen Prozess der Verwandlungen in Gang zu bringen, dessen letztes Ziel die Verwandlung der Welt dahin ist, dass Gott alles in allem sei (vgl. 1 Kor 15, 28).
Alle Menschen warten immer schon irgendwie in ihrem Herzen auf eine Veränderung und Verwandlung der Welt. Dies nun ist der zentrale Verwandlungsakt, der allein wirklich die Welt erneuern kann: Gewalt wird in Liebe umgewandelt und so Tod in Leben. Weil er den Tod in Liebe umformt, darum ist der Tod als solcher schon von innen her überwunden und Auferstehung schon in ihm da. Der Tod ist gleichsam von innen verwundet und kann nicht mehr das letzte Wort sein.
Das ist sozusagen die Kernspaltung im Innersten des Seins – der Sieg der Liebe über den Hass, der Sieg der Liebe über den Tod. Nur von dieser innersten Explosion des Guten her, die das Böse überwindet, kann dann die Kette der Verwandlungen ausgehen, die allmählich die Welt umformt. Alle anderen Veränderungen bleiben oberflächlich und retten nicht. Darum sprechen wir von Erlösung: Das zuinnerst Notwendige ist geschehen, und wir können in diesen Vorgang hineintreten.
Papst Benedikt XVI. (Köln 2005)
© Chr. Jacobs 2012
Unsere Rolle als Priester…
… wird sich wandeln!
Viele Priester wollten gar nicht Priester werden!
Sie wollten Pfarrer werden!
Kreisquadrat Pfarrgemeinde © Chr. Jacobs 2010
Pfarrei
Gemeinde
(theologisch)
Pfarr- Gemeinde
≠
?
Exkurs: Das Scheitern der „Pfarrgemeinde-Utopie“ (1)
Das Gemeindekonzept der unmittelbaren Nachkonzilszeit bis heute war definiert als „Nachfolgestruktur“ der als anonym, bindungs- und entscheidungsschwach wahrgenommenen volkskirchlichen Pfarreistruktur (RB 42).
Versuch der theologischen Begründung einer zeitbedingt sinnvoll erscheinenden Sozialform
Maßstab: Nahraumbildung einer überschaubaren, kommunikativ verdichteten Großfamilie
– Wichtig: bis dahin war die Pfarreigröße seit der Antike bis zum Tridentinum niemals Kriterium der Zuordnung von Hirt und Herde
– Gemeindemodell als Hoffnungsträgerin einer sich erneuernden Kirche
Grund: Gegensteuerung gegen den Erosionsprozess der kirchlichen Milieus.
Die Pfarrgemeindetheologie wurde innerhalb kürzester Zeit um symbolträchtigen Realisierungsort tridentinischen Denkens unter dem Deckmantel nachvatikanischen „demokratischen“ Aufbruchs.
vgl. R. Bucher!
Exkurs: Das Scheitern der „Pfarrgemeinde-Utopie“ (2)
Problematik: Vergemeinschaftsorientierung war zum Scheitern verurteilt – Aufgabenorientierung war nicht im Blick.
„Die Gemeindetheologie war der letzte Ausläufer des tridentinischen Projekts. Wie dieses suchte sie den Erosionsprozessen kirchlicher Sozialräume durch Verdichtung, Formierung und Überschaubarkeit gegenzusteuern, wenn auch diesmal unter typisch modernen Kategorien wie „Mündigkeit“, „Subjekt“ und „Modernität“. Dies geschah auf familiaristischer Basis, schien doch damals die Familie die letzte stabile Sozialform der Moderne. Aber wie sich auch an der „Pfarrfamilie“ erweisen sollte: dem war nicht so.“ (RB 46).
Freigeben und einfangen unter einem Leitungsmonopol und/oder Gebietsmonopol: das funktioniert „postmodern“ nicht.
vgl. R. Bucher!
Exkurs: Das Scheitern der „Pfarrgemeinde-Utopie“ (3)
Realität: Die Bindewirkung der kirchlichen Milieus hat seit 1950 um 70% abgenommen.
„Der Versuch, die katholische Kirche von einer amtszentrierten Heilsinstitution zur quasi-familiären gemeindlichen Lebensgemeinschaft umzuformatieren, ist denn auch nicht am Widerstand der alten Kirchenformation gescheitert, sondern an seinem Charakter als halbierte, ja selbstwidersprüchliche Modernisierung.“ (RB 47).
Die Tradierung des Christlichen kann nicht über die gemeindliche Institutionalisierung und auch nicht über Professionalisierung abgesichert werden.
Grundfrage heute: Wie stiften freie Menschen neue stabile und flüchtige Gemeinschaft(en) unter der Bedingung, dass Leben immer an Orten konkret wird?
vgl. R. Bucher!
Biblische Orientierung
Und er sandte sie aus mit dem Auftrag, das Reich Gottes zu verkünden und zu heilen (Lk 9, 1-11)! 1 Dann rief er die Zwölf zu sich und gab ihnen die Kraft und die
Vollmacht, alle Dämonen auszutreiben und die Kranken gesund zu machen. 2 Und er sandte sie aus mit dem Auftrag, das Reich Gottes zu
verkünden und zu heilen. 3 Er sagte zu ihnen: Nehmt nichts mit auf den Weg, keinen Wanderstab und
keine Vorratstasche, kein Brot, kein Geld und kein zweites Hemd. 4 Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst. 5 Wenn euch aber die Leute in einer Stadt nicht aufnehmen wollen, dann geht
weg und schüttelt den Staub von euren Füßen, zum Zeugnis gegen sie. 6 Die Zwölf machten sich auf den Weg und wanderten von Dorf zu Dorf. Sie
verkündeten das Evangelium und heilten überall die Kranken. • 7 Der Tetrarch Herodes hörte von allem, was geschah, und wusste nicht, was er davon
halten sollte. Denn manche sagten: Johannes ist von den Toten auferstanden. • 8 Andere meinten: Elija ist wiedererschienen. Wieder andere: Einer der alten Propheten ist
auferstanden. • 9 Herodes aber sagte: Johannes habe ich selbst enthaupten lassen. Wer ist dann dieser
Mann, von dem man mir solche Dinge erzählt? Und er hatte den Wunsch, ihn einmal zu sehen.
10 Die Apostel kamen zurück und erzählten Jesus alles, was sie getan hatten. Dann nahm er sie beiseite und zog sich in die Nähe der Stadt Betsaida zurück, um mit ihnen allein zu sein.
11 Aber die Leute erfuhren davon und folgten ihm. Er empfing sie freundlich, redete zu ihnen vom Reich Gottes und heilte alle, die seine Hilfe brauchten.
- -
Biblische)Pastoralkonzep3on) 1. Sich rufen lassen
2. Kraft und Vollmacht empfangen
3. Zurückkehren
das Reich verkünden
Heilen
Heil werden
Heil wirken
Theologische Grundorientierung:
Vatikanum II
Wesen und Auftrag der Kirche
Das Selbstverständnis der Kirche „Zur Erfüllung dieses ihres Auftrags obliegt der Kirche
allzeit die Pflicht, nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten.
So kann sie dann in einer jeweils einer Generation angemessenen Weise auf die bleibenden Fragen der Menschen nach dem Sinn des gegenwärtigen und des zukünftigen Lebens und nach dem Verhältnis beider zueinander Antwort geben.
Es gilt also, die Welt, in der wir leben, ihre Erwartungen, Bestrebungen und ihren oft dramatischen Charakter zu erfassen und zu verstehen.“ (GS4)
(…) Wie es bei jeder Wachstumskrise geschieht, bringt auch diese Umgestaltung nicht geringe Schwierigkeiten mit sich. (GS4)
Das Wesen der Kirche: unser Auftrag
© Chr. Jacobs 2013
Der Geist – führt die Kirche in alle Wahrheit ein,
– eint sie in Gemeinschaft und Dienstleistung (communio et ministratio),
– bereitet und lenkt sie • durch die verschiedenen hierarchischen
• und charismatischen Gaben
– und schmückt sie mit seinen Früchten. • Lumen Gentium, Art. 4
- -
Wesen und Auftrag der Kirche!
Auftrag der Kriche
Frucht bringen
Gemeinschaft stiften
Zu Diensten sein
Praktische Perspektiven
des Paradigmenwechsels
in der Seelsorge
Facetten des Paradigmenwechsels
1. Trägerschaft der Pastoral
2. Gestalten des Gläubig-Seins 3. Gestalten der Seelsorge-
Organisation
Facetten des Paradigmenwechsels
1. Trägerschaft der Pastoral
(≈ der Heilsmission der Kirche an der Welt)
!
Das gemeinsame Priestertum"aller Getauften!
© Chr. Jacobs 2013
Ihr aber seid ein auserwähltes
Geschlecht, eine königliche Priesterschaft,
ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein
besonderes Eigentum wurde, damit ihr die
großen Taten dessen verkündet, der euch
aus der Finsternis in sein wunderbares
Licht gerufen hat. – 1 Petr 2,9
Paradigmenwechsel: Das Volk Gottes als Träger der Hirtensorge
© Chr. Jacobs 2013
Aus pastoraltheologischer Perspektive ist das Volk Gottes in seiner Taufberufung aus Sicht des II.
Vatikanischen Konzils als
Träger der Pastoral der Zukunft
anzusehen.
– Damit liegt ein Paradigmenwechsel vor, der auch in kirchenrechtlicher Perspektive gestützt, wenn auch noch
nicht konsequent konzeptbildend genutzt wird.
Der Auftrag der Priester (SeelsorgerInnen): Dienst am
Gemeinsamen Priestertum aller Getauften
© Chr. Jacobs 2013
Die geweihten Hirten wissen sehr gut, wieviel die Laien
zum Wohl der ganzen Kirche beitragen.
Sie wissen ja, dass sie von Christus nicht bestellt sind,
die ganze Heilsmission der Kirche an der Welt allein auf
sich zu nehmen, sondern dass es ihre vornehmliche
Aufgabe (praeclarum munus) ist,
– die Gläubigen so als Hirten zu führen (pascere)
– und ihre Dienstleistungen und Charismen so zu prüfen (recognoscere),
dass alle in ihrer Weise zum gemeinsamen Werk einmütig zusammenarbeiten (cooperentur).
• Lumen Gentium, Art. 30)
Führen…
Dienstleistungen wertschätzen…
Charismen wertschätzen… Zur Kooperation
anstiften…
- -
Wozu sind wir Priester da?
Führen: Dorthin, wo
Leben und Nahrung ist
Dienstleistungen und Charismen wertschätzen
Zur Kooperation
anstiften
Aufgabe der Priester
Facetten des Paradigmenwechsels
2. Gestalten des Gläubig-Seins
!
Gläubige „vor Ort“! Der Gläubige vor Ort ist die Kerngestalt des Christen der
vergangenen Jahrzehnte. Sie wird häufig in der Figur des „regelmäßig Praktizierenden“ abgebildet.
Die Figur des „regelmäßig Praktizierenden“ ist verbunden mit einer Epoche, die durch Territiorialisierung der Gemeindezugehörigkeit und durch die Verankerung der Glaubensweitergabe in der Autorität und Kompetenz der „Professionellen“ gekennzeichnet war.
– Dieses Modell ist durch die Entwicklungen der Moderne radikal in Frage gestellt.
– In einer Gesellschaft von Individuen gerät die Pädagogik der Weitergabe des Glaubens und ihre „Überwachung durch die Institution grundsätzlich in die Krise“.
Die Identität des „regelmäßig Praktizierenden“ ist die Basis für den Kern der Religion und das dauerhafte Bestehen von Gemeinschaften, die für die großen Religionen unverzichtbar sind.
Der Gläubige „unterwegs“.!
In der Geschichte der Religionen gibt es dafür einen Topos:
der Pilger. Pilgerschaft im Glauben ist „eine überaus
alte und lange bestehende Form der Religion und der religiösen Gemeinschaftsbildung.“ (S. 64).
Das Phänomen der Pilgerschaft ist immer dann bedeutsam, wenn sich Gesellschaft geschichtlich im Umbruch befindet.
- -
3 Formen der Nähe
Christen �vor Ort� nahe sein
Suchenden/Gläubigen � unterwegs nahe sein (�Pilgerbegleitung�)
Menschen auf dem Bekehrungweg
nahe sein
Seelsorge als Nähe
- -
Begleitung auf dem Glaubensweg
Christen �vor Ort� begleiten
…ut unum cooperentur…!
Suchende/Gläubige � unterwegs begleiten (�Pilgerbegleitung�)
Menschen auf dem Bekehrungweg
begleiten
50% Ressourcen
25% Ressourcen
25% Ressourcen
Facetten des Paradigmenwechsels
3. Gestalten der Seelsorge-
Organisation
!
Worum geht es in Zukunft?!
G. gründen
G. gestalten vernetzen G. leiten
Pastorale Schlüssel- Aufgaben
Priesterliche Wachstumsaufgaben
– Seelsorgliche Kompetenzen
und Qualitäten
Priesterliche Wachstumsaufgaben!
© Chr. Jacobs 2013
Die eigene Berufung wertschätzen… Sich immer neu rufen lassen…
Sich Kraft und Vollmacht schenken lassen…
Gemeinsam die „Missionserfahrungen“ bedenken…
Den „Weg der Mittellosigkeit wählen…
„Die Geister unterscheiden“…
Der Hoffnungslosigkeit Widerstand leisten…
Mit Jesus zusammen allein sein…
Für sich selbst Sorge tragen…
Mit der Überfülle rechnen…
Versammeln
Inspirieren Hirte sein
Symbolisch handeln
Priesterliche Schlüsselqualitäten
„Kirchenverwalter“ Volk-Gottes- Begleiter
Kulturchef / Animateur Geistlicher
„Gott-Verteiler“ Gott-Kundiger Gott-Sucher
Sakramenten- Pädagoge
Sakramenten- Mystagoge
Versorger Zeichenhaft Handelnder
Absolvierender Liturge
Liturge mit Sinn für „Ästhetik“
Mentale Modelle
Handlungs- Modelle früher morgen
Pontifex-Identität: Nachvollzug des Communio-Handelns
Jesu Christi: Sakrament der Einheit
„PILGER / Bekehrte“ begleiten
gast- Freundlich
sein
Sich selbst organisierende
Gemeinden Große
Pfarreien
Geistliche Zentren
Verkündigen Gottesdienst feiern
Diakonisch handeln
Grunddienste sicher stellen
Thesen zum Abschluss:
Zehn Orientierungen
für die Seelsorge
in Zeiten pastoralen Wandels
Orientierungen für die Pastoral in Zeiten pastoralen Wandels!
© Chr. Jacobs 2013
1. Kirchenentwicklung als Zentrum der Pastoral begreifen – und nicht als Strukturentwicklung oder Summenbildung von Pfarreien oder Abläufen.
2. Die „Pastoral der Erschöpfung“ verabschieden. Das Vergangene wertschätzen und Trauerarbeit leisten. Den Paradigmenwechsel in den Köpfen, in den Herzen und in der Praxis voran bringen.
3. Die Pastoral von der Taufwürde und ihren Charismen her aufbauen: Die Gläubigen sind die Ressourcen der Zukunft – die SeelsorgerInnen die Schlüsselpersonen.
4. Sich vordringlich und ausgiebig Zeit für das Neue aus der Hand Gottes nehmen: sich neu in Gott gründen und so im Vertrauen wachsen: Konzepte nicht machen, sondern wachsen lassen.
5. Das „Charisma des Ortes“ im Pastoralen Raum entdecken und die Ungleichzeitigkeit schätzen lernen.
Orientierungen für die Pastoral in Zeiten pastoralen Wandels!
© Chr. Jacobs 2013
6. Mehr Energie in die Gründung von Gemeinschaften investieren als in der Vergrößerung der Strukturen binden.
7. Den Schwerpunkt der „Pastoral der Gemeinschaft“ durch den Schwerpunkt der „Pastoral der Dienstleistung“ ergänzen: 50% zu 50%.
8. Eine ressourcenorientierte Pastoral pflegen – allerdings: die Ressourcen zu 100% nicht an die 5-20% Bevorzugten der alten Pastoral binden, sondern mehr und mehr für die religiösen und menschlichen Verlierer der Moderne (darunter die Bevorzugten Jesu) einsetzen.
9. Drei Schwerpunkte einer Pastoral der Nähe entwickeln: 1. vor Ort, 2. auf Pilgerwegen, 3. auf Bekehrungswegen
10. Für sich selbst Sorge tragen: Die eigene Berufung leben, sich an den Ressourcen orientieren, die Stärken stärken, das Fragmentsein annehmen und Freude an der Hingabe haben.
Glaubensbekenntnis Johannes XXIII.!
© Chr. Jacobs 2013
„In Gegenwart meiner Mitarbeiter kommt es mir spontan in den Sinn, den Akt des Glaubens zu erneuern. So ziemt es sich für uns Priester, denn zum Wohl der ganzen Welt haben wir es mit den höchsten Dingen zu tun, und deshalb müssen wir uns vom Willen Gottes leiten lassen.
Mehr denn je, bestimmt mehr als in den letzten Jahrhunderten, sind wir heute darauf ausgerichtet, dem Menschen als solchem zu dienen, nicht bloß den Katholiken, darauf, in erster Linie und überall die Rechte der menschlichen Person und nicht nur diejenigen der katholischen Kirche zu verteidigen.
Die heutige Situation, die Herausforderung der letzten 50 Jahre und ein tieferes Glaubensverständnis haben uns mit neuen Realitäten konfrontiert, wie ich es in meiner Rede zur Konzilseröffnung sagte.
Glaubensbekenntnis Johannes XXIII.!
Nicht das Evangelium ist es, das sich verändert; nein, wir sind es, die gerade anfangen, es besser zu verstehen.
Wer ein recht langes Leben gehabt hat, wer sich am Anfang dieses Jahrhunderts den neuen Aufgaben einer sozialen Tätigkeit gegenübersah, die den ganzen Menschen beansprucht, wer wie ich zwanzig Jahre im Orient und acht in Frankreich verbracht hat und auf diese Weise verschiedene Kulturen miteinander vergleichen konnte, der weiß, dass der Augenblick gekommen ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen, die von ihnen gebotenen Möglichkeiten zu ergreifen und in die Zukunft zu blicken.“
Papst Johannes XXIII., kurz von seinem Tod
Glaubensbekenntnis Johannes XXIII.!
„Ich ziehe es vor, in dieser geschichtlichen Stunde
geboren zu sein, als in vergangenen Zeiten.
Der Zeit, die war, ziehe ich die Zeit vor, die ist.
(…)
Die Gegenwart ist ja … die einzige Zeit, der wir
angehören. Darum ist sie für den, der in ihr lebt,
unüberbietbar und zutiefst wertvoll.“
Johannes XXIII. in ScrDis II/30
Mit Leidenschaft für Gott und sein Volk
„Wir müssen von Grund auf neu lernen, worum es sich für uns handelt. Weil es in christlichen Milieus keine Evangelisierung gab, war sie dort unbekannt.
Evangelisierung ist kein Zeitvertreib. Sie ist Frucht eines Lebens, normale Auswirkung eines normalen Lebens.
(Und es gilt:)
Das Wort Gottes trägt man nicht in einem Köfferchen bis zum Ende der Welt: man trägt es in sich, man nimmt es mit auf den Weg.
Wenn wir in einer atheistischen Umwelt leben, stellt sie uns vor die Wahl: zu missionieren oder zu demissionieren, den Glauben zu verkünden oder zu gehen.“
• Madeleine Delbrêl
Epilog Seht auf eure Berufung, Brüder! ! Da sind nicht viele Weise im irdischen Sinn,
nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme, nicht viele Leistungsträger, nicht viele Hochkompetente…!
Denn das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen, und das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen (vgl. 1Kor1,26f).!
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