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MASTERARBEIT
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum
Lösungen für ein nachhaltiges Straßenraummanagement in Innenstädten
Maximilian Bühn
Betreuer:
Prof. Dr.-Ing. Christine Ahrend Technische Universität Berlin
Dr. Oliver Schwedes Technische Universität Berlin
Berlin, 17. September 2012
Technische Universität Berlin Institut für Land- und Seeverkehr (ILS)
Fachgebiet Integrierte Verkehrsplanung
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
I
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
I
INHALTSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS .................................................................. III
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ................................................................ III
1 Einleitung ............................................................................................ 1
2 Begriffsklärung ................................................................................... 22.1 Öffentlicher Raum .................................................................................................. 2
2.2 Straßenraummanagement ..................................................................................... 4
3 Sozialisierung des Kfz-Verkehrs ...................................................... 5
4 Nutzungsansprüche im öffentlichen Raum ................................... 124.1 Allgemein ............................................................................................................. 12
4.2 Kfz-Verkehr .......................................................................................................... 13
4.3 Fahrradverkehr .................................................................................................... 13
4.4 Fußgängerverkehr ............................................................................................... 14
4.5 Busse und Bahnen .............................................................................................. 15
5 Ansätze zur Lösung von Nutzungskonflikten ............................... 165.1 Vorstellungen der Bürger ..................................................................................... 16
5.2 Raumplanung und verkehrspolitische Rahmenplanung ...................................... 17
5.3 Prinzipien der räumlichen Aufteilung ................................................................... 17
5.3.1 Horizontales Trennungsprinzip ........................................................................... 17
5.3.2 Vertikales Trennungsprinzip ............................................................................... 18
5.3.3 Mischungsprinzip ................................................................................................ 19
5.4 Prinzipien der Anpassung des Kfz-Verkehrs ....................................................... 20
5.4.1 Vermeidung ........................................................................................................ 20
5.4.2 Verlagerung ........................................................................................................ 22
5.4.3 Verstetigung ....................................................................................................... 22
5.4.4 Verlangsamung .................................................................................................. 24
5.4.4.1 Verlangsamung durch Gestaltung 24
5.4.4.2 Verlangsamung durch Tempobeschränkungen 25
5.5 Klassifikation nach Straßenfunktion ..................................................................... 26
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
II
6 Umfassende Lösungskonzepte im Stadtgefüge ........................... 276.1 Schwächung des MIV .......................................................................................... 27
6.1.1 Einfahrgebühr für Innenstädte – Die City-Maut .................................................. 27
6.1.2 Umweltverträgliche Fahrzeugstandards – Die Umweltzone ............................... 29
6.1.3 Bepreisung von Stellflächen – Die Parkraumbewirtschaftung ............................ 30
6.1.4 Verkehrsführungen wider den Durchgangsverkehr ............................................ 31
6.1.5 Flächen des Kfz-Verkehrs zugunsten des ÖPNV reduzieren ............................. 34
6.2 Stärkung des NMIV .............................................................................................. 36
6.2.1 Klassische Fußgängerzone ................................................................................ 36
6.2.2 Fußgängerbereiche mit ÖPNV und Fahrrädern ................................................. 39
6.2.3 Autofreie Stadtplätze als Identitätsobjekte ......................................................... 42
6.2.4 Straßenraum für alle – Die Begegnungszone .................................................... 44
7 Rechtliche Aspekte .......................................................................... 47
8 Fazit ................................................................................................... 48
Quellen ................................................................................................... 50
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
III
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Menschen- vs. maschinenorientierte Planung ......................................................... 3
Abbildung 2: Soziale Interaktion auf Hauptstraßen in Korrelation zur Verkehrsstärke ................. 5
Abbildung 3: Prioritäten der EU-Bürger ....................................................................................... 16
Abbildung 4: Tiefgarage unter dem Place de la République in Lyon .......................................... 19
Abbildung 5: Fahrzyklen bei unterschiedlich stetigem Verkehrsablauf ....................................... 23
Abbildung 6: Erhöhter Durchgangswiderstand durch angepasste Gestaltung ............................ 24
Abbildung 7: Funktionelle Straßen-Klassifikation des ARTISTS-Projekts ................................... 26
Abbildung 8: Verkehrsführung im Stadtzentrum von Cambridge ................................................ 32
Abbildung 9: Veränderte Straßen-Klassifikation der Innenstadt von Cambridge ........................ 33
Abbildung 10: Reallokation von Straßenraum für die Straßenbahn in Straßburg ....................... 34
Abbildung 11: Neugestaltung des Platzes der Alten Synagoge in Freiburg ................................ 36
Abbildung 12: Fußgängerzone in Nürnberg mit Bus- und Lieferverkehr ..................................... 40
Abbildung 13: Typologie der Belastungen an NO2 in Nürnberg vorher und nachher .................. 41
Abbildung 14: Trafalgar Square nach der Umgestaltung der North Terrace ............................... 42
Abbildung 15: Exhibition Road in London nach der Umgestaltung ............................................. 45
Abbildung 16: Place de la République in Lyon ............................................................................ 46
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
MIV – Motorisierter Individualverkehr
NMIV – Nichtmotorisierter Individualverkehr
Kfz – Kraftfahrzeug
LSA – Lichtsignalanlage
ÖPNV – Öffentlicher Personennahverkehr
Pkw – Personenkraftwagen
StVO – Straßenverkehrsordnung
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
1
1 Einleitung
Die Straße ist für alle da – oder vielleicht auch nicht? Vor allem im verdichteten Raum der
Innenstädte überlagern sich zahlreiche Nutzerinteressen, die in einem nachhaltigen Stra-
ßenraummanagement fair berücksichtigt werden müssen. Die neue ökologische Einstel-
lung einer breiten Öffentlichkeit für mehr Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit führte
zu einem neuen Bewusstsein für das Fahrradfahren, das Zufußgehen sowie für die Be-
nutzung des öffentlichen Verkehrs. Die Gestaltung von Straßenräumen und die Aufteilung
der Verkehrsflächen sind hoch komplex geworden und verlangen nach wandlungsfähigen
Konzepten. Wo sonst Richtlinien und Empfehlungen Hilfestellung geben, ist die Verkehrs-
planung im engen Innenstadtbereich auf Kreativität, Erfahrung, intensive Kommunikation
mit den Betroffenen und nicht zuletzt auf ein gewisses Maß an Experimentierfreudigkeit
angewiesen.
Diese Arbeit zeichnet ein Bild von den Ansätzen und Konzepten, mit denen sich Planer
dieser Herausforderung stellen. Ausgangspunkt ist die Entwicklung der letzten 30 Jahre:
Von der Dominanz des Kfz bis zur neuen Mündigkeit der Bürger, die auf den öffentlichen
Raum Anspruch erheben. Jedoch ist es mit dem neuen urbanen Bewusstsein nicht getan.
Die Verkehrsplanung braucht Zeit, um sich mit neuen praxistauglichen Konzepten für die
neuen Anforderungen zu rüsten. Aufenthalts- und Verbindungsfunktion sollen möglichst in
einem Straßenraumentwurf Platz finden und das Straßenraummanagement verlangt nach
neuen Standards wie Umweltverträglichkeit.
Doch was bedeutet das? Lässt sich Kfz-Verkehr in einer wirtschaftlich orientierten Welt,
deren Mittelpunkte die Städte sind, umweltverträglich abwickeln? Welche Prinzipien kön-
nen dazu neben den klassischen Ansätzen wie Verkehrsverlagerung und -vermeidung
verwendet werden? Inwiefern lassen sich Aufenthalts- und Verbindungsfunktion vereinen?
Ist das Trennungsprinzip in Zeiten der Begegnungszone noch zeitgemäß? Lassen sich
die Vorteile von Trennungs- und Mischungsprinzip sinnvoll in einem Prinzip vereinen?
Sollte zur Reduzierung der Auswirkungen des MIV eher der MIV geschwächt oder der
NMIV gestärkt werden? Wie soll der nur begrenzt verfügbare Straßenraum effektiv aufge-
teilt werden und was wird dann aus dem ruhenden Verkehr? Kann es einen Straßenraum
geben, der allen Verkehrsteilnehmern gerecht wird? Es liegt nahe, dass Kompromisse
eingegangen werden müssen, doch wie sehr müssen einzelne Nutzer dabei ihre Interes-
sen zurückstecken und mit welchen Folgen?
Ergo: Wie sieht das Straßenraummanagement der Zukunft aus? Sind gängige Konzepte
wie Umweltzone, Parkraumbewirtschaftung und Fußgängerzone den neuen Anforderun-
gen gewachsen, und welche alternativen Konzepte sind denkbar?
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
2
2 Begriffsklärung
2.1 Öffentlicher Raum
Mit dem Begriff „Öffentlicher Raum“ ist im Rahmen dieser Arbeit der zivilgesellschaftliche
Raum gemeint. Er beschreibt öffentliche Flächen innerhalb bebauter Ortschaften und ist
dem Namen nach der Öffentlichkeit, also allen Mitgliedern der Gesellschaft, frei zugäng-
lich und Bedingung sowie Indikator für Urbanität. Oder auch: „Öffentlichkeit benötigt einen
Raum, in dem sie stattfinden kann“.1
Ist die Benutzbarkeit des öffentlichen Raums im Regelfall nicht gegeben, ist dies meist der
Dominanz einer oder mehrerer Nutzungsansprüche geschuldet. Die prägnantesten Bei-
spiele dafür sind der Fahrbahnbereich einer stark befahrenen Straße oder größere Stell-
platzflächen für Kfz. Kann ein solcher Raum, der durch „Tabuzonen“ geprägt ist, lebens-
wert gestaltet werden?
„Jeder Raum besteht auch aus den begrenzenden Elementen. Er kann nur dann zu einem
lebenswerten Umfeld gestaltet werden, wenn die begrenzenden Elemente aufeinander ab-
gestimmt sind und zueinander passen.“
– Knoflacher, 1993. S. 156.
„Lebenswert“ bedeutet Lebensqualität. Wie aber kann die Qualität des öffentlichen Raums
gemessen werden? Ein wichtiger Indikator dafür ist Vielfalt.1 Während sich der moderne
Städtebau scheinbar dem Prinzip der Einfalt verschrieben hat, besteht durch die überlegte
Aufteilung und Gestaltung des ebenerdigen Raums die Chance, mehr Attraktivität zu
schaffen. Etwa durch eine heterogene Struktur, in der ein „feinmaschiges Netz lohnender
Ziele eine Rhythmik von Bewegung und Ruhe im Tagesablauf entstehen lässt“.2 Die Viel-
falt des Raums ergibt sich aus der Heterogenität der Randbedingungen, etwa in Bezug
auf Topografie, Soziologie und Wirtschaft.3 Demnach muss der öffentliche Raum ebenso
differenziert betrachtet werden wie das ihn umgebende, heterogene Stadtumfeld.
Ein weiterer Ansatz, die Qualität des öffentlichen Raums zu bemessen, ist seine Verträg-
lichkeit in Bezug auf die Umwelt und das soziale Umfeld.4 Dabei ist klar, dass die einzel-
nen Faktoren einander bedingen. Wenn die Schadstoff- und Lärmbelastungen gering sind
und der Straßenraum angemessen begrünt ist, kann der Raum auch als Treffpunkt und 1 Bihler, M. A.: Stadt, Zivilgesellschaft und öffentlicher Raum: Das Beispiel Berlin Mitte. LIT.
Münster, 2004. S. 40. 2 Knoflacher, 1993. S. 174. 3 Knoflacher, 1993. S. 196. 4 Beaujean, K.: Aufwertung öffentlicher (Straßen-)Räume durch Umsetzung ganzheitlicher Gestaltungskon-
zepte. In: Wiegandt, C.-C.: Öffentliche Räume, öffentliche Träume – Zur Kontroverse über die Stadt und die Gesellschaft. LIT. Münster, 2006. S. 87f.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
3
Bühne für soziale Kontakte genutzt werden. Insbesondere die Begrünung scheint für das
Wohlbefinden von zentraler Bedeutung zu sein. Bäume und Sträucher geben dem Raum
Struktur und sorgen für ein angenehmes Stadtklima. Die soziale Verträglichkeit ist von
besonderer Bedeutung in einem Stadtraum, in dem ein komplexes soziales Gefüge vom
nebeneinander Wohnen und vor allem Leben auf engstem Raum existiert.
Gerade weil das Sozialleben in der Stadt eher von Anonymität geprägt ist, sollte der öf-
fentliche (Straßen-)Raum ein Ort der Begegnung und Kommunikation sein und auch dazu
einladen. Der Straßenraum ist allerdings bis heute vielerorts kein sozialer öffentlicher
Raum.5 Knoflacher sieht eine Ursache darin, dass private Anrainer links und rechts der
Straße durch die Öffentlichkeit des Raums keine Verantwortung für den Straßenraum
übernehmen können. Der öffentliche Raum könnte sonst Bindeglied werden zwischen den
Funktionen der Stadt und der Gesellschaft.5 Voraussetzung für die Gestaltung des öffent-
lichen Raums sei seine Einbeziehung in die benachbarten Objekte – rechtlich, finanziell
und formal. Es würde sich herausstellen, dass es wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, den be-
grenzten Raum als „Lagerplatz für Fahrzeuge“ zu verwenden, da er viel zu kostbar sei.
Der öffentliche Raum und seine Gestalt charakterisieren sich vor allem durch ihren Pla-
nungsschwerpunkt. In der Zeit der auto-orientierten Planung galt der Autoverkehr als
Maßstab für die Gestaltung („Maschinenorientierter Mechanismus“, vgl. Abbildung 1) und
für die übrigen Nutzungen standen nur die Restflächen zur Verfügung. Heutzutage wird
menschenorientiert geplant. Dabei werden dem Autoverkehr nicht pauschal Flächen zu-
gesprochen, sondern es wird eine sinnvolle Flächenaufteilung angestrebt, bei der notfalls
Kfz-Verkehr reduziert wird. Die beiden Planungsmaßstäbe stehen stellvertretend für einen
Wertewandel, der sich in den letzten dreißig Jahren vollzogen hat (vgl. Abschnitt 3).
Abbildung 1: Menschen- vs. maschinenorientierte Planung
QUELLE: Knoflacher, 1995. S. 21. Abb. 2.
5 Knoflacher, 1993. S. 156f.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
4
2.2 Straßenraummanagement
Während es relativ einfach ist, entweder eine Hauptstraße für die Belange des fließenden
Verkehrs oder eine Straße für städtische Aktivitäten zu gestalten, ist es nicht besonders
trivial, diese beiden Ansprüche in der Gestaltung einer einzigen Straße zu kombinieren.6
Und doch ist genau das der Ehrgeiz eines nachhaltigen Straßenraummanagements. Es
muss sowohl die immateriellen als auch die materiellen Ansprüche berücksichtigen.7 Zu
den materiellen Ansprüchen zählt die verkehrliche und technische Wirksamkeit der Stra-
ßenraumgestaltung, während die immateriellen, subjektiven Aspekte wie Identifikation,
soziale Brauchbarkeit und Attraktivität umfassen.8
Um diesen Ansprüchen zu genügen, bedient sich das Straßenraummanagement aus dem
Portfolio des Verkehrssystemmanagements und des Mobilitätsmanagements.9 Das Ver-
kehrssystemmanagement umfasst „harte Maßnahmen“ zur direkten Beeinflussung des
Verkehrs durch bauliche, betriebliche, preis- und ordnungspolitische Ansätze.10 Dazu ge-
hört zum Beispiel die gestalterische Aufwertung des Straßenraums, die Neuaufteilung des
Querschnittes oder die Abwicklung und Entschärfung von Konfliktsituationen durch Maß-
nahmen wie Querungshilfen.
Dieses klassische Straßenraummanagement bildet den Schwerpunkt dieser Arbeit. Je-
doch soll der Vollständigkeit halber auch das Mobilitätsmanagement erwähnt werden, das
bereits früher ansetzt.11 Es versucht, die Verkehrsnachfrage mit „weichen Maßnahmen“
wie Verkehrserziehung, Information und Anreizsteuerung zu beeinflussen; vor allem, um
Ressourcen optimal auszunutzen und Alternativen zum Kfz-Verkehr aufzuzeigen.12 Dabei
werden Ideen koordiniert und organisiert, die auf eine Anpassung oder Stärkung bestimm-
ter Mobilitätsmuster abzielen.
Trotz der genannten Unterschiede gibt es Überschneidungen zwischen den beiden An-
sätzen bzw. das eine kann nicht ohne das andere betrachtet werden. Ohne den Prozess
des Umdenkens und der Akzeptanz bestimmter Verkehrsmodi bleibt selbst der größte
technische und gestalterische Aufwand ohne Wirkung.11
6 ARTISTS-Projekt. Abschlussbericht. S. 5. 7 Vogt, Steierwald, 2005. S. 453. 8 Schwarz, 2008. S. 11. 9 Schwarz, 2008. S. 18. 10 Haag, M., Hupfer, C.: Wirkungen von Verkehrsmanagement – systemanalytisch untersucht. Grüne Reihe
Nr. 29. Fachgebiet Verkehrswesen, Universität Kaiserslautern. Kaiserslautern, 1995. S. 73. 11 Klewe, H.: Mobilitätsmanagement als Ansatz zur Lösung verkehrlicher Probleme. Institut für Landes- und
Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen. Dortmund, 2002. S. 1. 12 Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein- Westfalen (ILS NRW), Institut
für Stadtbauwesen (Hrsg.): Mobilitätsmanagement Handbuch. Dortmund, 2000. S. 11.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
5
3 Sozialisierung des Kfz-Verkehrs
Die in der einschlägigen Literatur als verfehlt bezeichnete auto-orientierte Planung, die bis
in die 1970er Jahre hinein das Tagwerk der Planer bestimmte,13 wurde ab den 1980er
Jahren mit einem neuen Bewusstsein konfrontiert. Was aus heutiger Sicht stellenweise
wie autofeindliche Polemik anmutet (MONHEIM, 1990), entwickelte sich bald zu sachli-
chen Konzepten allgemeinverträglicher Verkehrsplanung. Zunächst musste jedoch ein
planerisches Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass die Massenmotorisierung
nachweislich das Stadtleben und damit andere Nutzungsinteressen beeinträchtigt. Zwar
war dies für jeden nachvollziehbar, der nur einen Fuß auf eine stark befahrene, innerstäd-
tische Hauptverkehrsstraße setzte, aber ein wissenschaftlicher Nachweis fehlte bis dahin.
Der US-amerikanische Stadtplaner Donald Appleyard (1928–1982) veröffentlichte im
Jahr 1981 eine Untersuchung der Sozialverträglichkeit dreier vergleichbarer Straßen mit
verschiedenen Verkehrsbelastungen in San Francisco.
Abbildung 2: Soziale Interaktion auf Hauptstraßen in Korrelation zur Verkehrsstärke
QUELLE: Appleyard, 1981. Fig. 3, S. 21. 13 Vgl. Vogt, Steierwald, 2005. S. 3ff.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
6
Darin kommt er zu dem Schluss, dass in der am wenigsten befahrenen Straße deutlich
mehr soziale Verbindungen in Form von Freundschaften und Bekanntschaften sowie
mehr Treffpunkte im Seitenbereich existieren. Darüber hinaus hat die Studie gezeigt, dass
die Bewohner ihre Umgebung anders wahrnehmen. Während sich das Zuhause in der
autodominierten Straße meist auf die eigene Wohnung oder das Haus beschränkt, öffnete
sich der Lebensraum der Bewohner in den weniger belasteten Straßen und erstreckte
sich bis in den Straßenraum. Auf die Aufforderung hin, eine Skizze ihrer Straße anzuferti-
gen, zeichneten sie deutlich mehr Details wie Briefkästen und Bepflanzungen. Dies zeigt,
dass sich die Bewohner mit dem Straßenraum identifizierten und ihn als Lebensraum an-
nahmen, statt ihn zu meiden (APPLEYARD, 1981).
Appleyards Erkenntnisse blieben jedoch zunächst ohne Folgen für die angewandte Ver-
kehrsplanung, zumal kein versierter Lösungsansatz dargestellt wird. Zwar forciert App-
leyard einen partizipativen Planungsansatz für mehr Mitbestimmung der Anwohner,14 al-
lerdings in einer Zeit, in welcher der Partizipationsgedanke in der Verkehrsplanung noch
keine bedeutende Rolle spielte. Von ihm beschriebene Werkzeuge wie Geschwindigkeits-
beschränkungen, Abbiegeverbote, Stoppschilder und Signalanlagen werden nur lose auf-
geführt, statt maßnahmenwirksam und umfassend beschrieben zu werden.15 Zu dieser
Zeit existierte noch kein Planungsbewusstsein dafür, die soziale Verträglichkeit größerer
Verkehrsachsen durch Verkehrsberuhigung oder neue Gestaltungen zu verbessern.
Die US-amerikanische Studie fällt in einen Zeitabschnitt, in dem in Europa vor allem die
Verkehrsberuhigung von Wohngebieten nach niederländischem Vorbild im Vordergrund
stand. Die Projekte zur flächenhaften Verkehrsberuhigung in Wohngebieten 1976 in Nord-
rhein-Westfalen16 und 1980 in verschiedenen Gemeinden Deutschlands, unter anderem in
Berlin-Moabit,17 zeigen deutlich, dass die Verkehrsplanung die stark frequentierten Berei-
che in den Innenstädten zunächst dem Auto überließ. Selbst die Tempo-30-Zone, die im
Jahr 1983 in der Innenstadt von Buxtehude eingeführt wurde,18 bedeutete überwiegend
keine Verbesserung für die anderen Verkehrsteilnehmer, sondern lediglich eine Verlang-
samung des Kfz-Verkehrs durch Verengung der Fahrbahn und künstliche Kurven. Der so
erzeugte Charakter einer „Schnitzeljagd“19 wurde später sowohl aus städtebaulicher als
auch aus verkehrlicher Sicht kritisiert.
14 Appleyard, 1981. S. 263ff. 15 Appleyard, 1981. S. 295ff. 16 Vgl. Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen: Großversuch „Ver-
kehrsberuhigung in Wohngebieten“, Schlußbericht der Beratergruppe. Kirschbaum. 1979. 17 Vgl. Walprecht, D.: Verkehrsberuhigung in Gemeinden – Planung, Durchführung, Finanzierung, Rechtsfra-
gen. Heymann. 1983. 18 Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung: Jahresbericht der Bundesregierung 1985. S. 254f. 19 Vorwort (1985) von Siedler, W. J. In: Angress, G., Niggemeyer E.: Die verordnete Gemütlichkeit. Abgesang
auf Spielstraße, Verkehrsberuhigung und Stadtbildpflege. Die gemordete Stadt II. Teil. Quadriga.1985.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
7
Dem Beispiel aus Buxtehude folgten weitere deutsche Städte. Dabei wurde meist in Kauf
genommen, dass die Verlangsamung des Kfz-Verkehrs zum Teil Verdrängungseffekte in
benachbarte Straßen nach sich zog. Auf diese Weise wurden die Nutzungskonflikte nicht
gelöst, sondern mitunter nur verlagert. Eine besondere Berücksichtigung der übrigen Ver-
kehrsteilnehmer, etwa durch Anpassung des Querschnitts oder gezielte Umgestaltung,
wurde in der Regel versäumt. Folgerichtig sahen Autokritiker wie Monheim und Knofla-
cher die Probleme nach wie vor, auch mit den neuen Konzepten. Die schwachen Ver-
kehrsteilnehmer Fußgänger und Fahrräder seien noch immer mit den Versäumnissen und
Folgen der autodominierten Verkehrsplanung – beinahe unverändert – konfrontiert. Die
Stadtverkehrsplanung sei weiterhin eine Autoverkehrsplanung (MONHEIM, 1990) und
selbst zehn Jahre nach der Einführung von Tempo-30-Zone und Verkehrsberuhigtem Be-
reich findet sich folgendes Zitat (KNOFLACHER, 1993):
„Die letzten Jahre haben uns an die Grenzen [ ] gebracht: Die urbanen Ballungsräume
ersticken im Verkehr. Die individuelle Motorisierung bringt heute kaum mehr Mobilität; Zer-
störung der Stadträume, der Stadt als einen Ort der Öffentlichkeit, des Austauschs von
Meinungen, als einen Ort, an dem man sich wohlfühlen kann, ist die Konsequenz [ ]“
– Vorwort von H. Konrad und H. Ch. Ehalt in Knoflacher, 1993. S. 7.
Dabei existierte seit den 1980er Jahren ein theoretisches Verständnis für menschenge-
rechtes Planen. Städtebauliche Qualität konnte zwar nicht direkt, aber indirekt am Verhal-
ten der Menschen gemessen werden.20 Und tatsächlich setzte sich in den 1980er Jahren
das Leitbild des „menschengerechten Verkehrs“ durch.21 Es war geprägt von einer
Durchmischung der Verkehre und der sogenannten „Stadt der kurzen Wege“. Gleichzeitig
erlebten Straßenbahnen und Fahrräder eine Renaissance.21 Eine mittelfristige, spürbare
Umsetzung der neuen Planungsideale ließ jedoch zunächst auf sich warten.
Die alten Infrastrukturen und Querschnitte zu erneuern, bedurfte Zeit und vor allem Geld.
In den Verkehrsentwicklungsplänen war der Fußgängerverkehr üblicher Weise bereits mit
der höchsten Priorität versehen, es fehlte jedoch an planerischer Umsetzung im Ver-
kehrsalltag.22 Dass die finanziellen Mittel in den Städten meist nicht in ausreichendem
Maß vorhanden waren, zeigen die zahlreichen Tempo-30-Zonen und Verkehrsberuhigten
Bereiche ohne Umgestaltungsmaßnahmen. Oft reichte das Geld nur dafür, ein Schild und
einige „Blumenkübel“ aufzustellen. Ein anderer Grund ist in den Verwaltungen zu suchen,
denen es aus Mangel an Erfahrung, Mitteln und Akzeptanz nur unzureichend gelang, die
neuen Leitbilder des „menschengerechten Verkehrs“ umzusetzen.
20 Knoflacher, 1993. S. 133ff. 21 Schmucki, B.: Der Traum vom Verkehrsfluss. Städtische Verkehrsplanung seit 1945 im deutsch-deutschen
Vergleich. Campus. 2001. S. 183ff. 22 Monheim, 1990. S. 197f.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
8
In der Regel waren jedoch die Menschen selbst noch nicht so weit. Die Entwicklung in
den Köpfen weg vom Auto verlief eher schleppend; zu stark war das Auto dort noch als
Statussymbol verankert. Alternative Verkehrsmittel wie der ÖPNV oder das Fahrrad stan-
den in ihrer Popularität noch immer weit hinter dem Pkw. Der Wertewandel vollzog sich,
war aber noch nicht spürbar. So lässt sich im Jahr 1990 eine Bestandsaufnahme erstel-
len, die gravierende Missstände aufzeigt.23
Der öffentliche Verkehr stand zunehmend in Konkurrenz mit fahrenden und stehenden
Autos, was zu Reisezeitverlusten führte. Das Image litt, Busse und Bahnen galten in Fol-
ge lange als langsam und unpünktlich. Die Fahrgäste blieben aus, die Verkehrsunterneh-
men hatten mit finanziellen Einbußen zu kämpfen und wurden dadurch noch unattraktiver.
Ein Teufelskreis, aus dem nur das Auto als Gewinner hervorgehen konnte.23
Die Gehwege der Fußgänger wurden immer stärker als Parkfläche, Hilfsradweg oder be-
liebte Aufstellfläche für Straßenmöbel zweckentfremdet, während die großzügigen Flä-
chen für den Kfz-Verkehr unbehelligt blieben. Dazu kamen die bestehenden planfreien
Straßenquerungen aus den 1950er und 1960er Jahren; etwa Fußgängerunterführungen,
die eine Maßnahme „zur Ausrottung der Fußgeher“ seien.24 Denn den Menschen ziehe es
nicht freiwillig in den Untergrund, schon gar nicht in gekachelte Gänge mit künstlichem
Licht, was eine „Pissoir- oder Schlachthausatmosphäre“ erzeuge, während sogar Park-
plätze an der Oberfläche liegen.25
Den Fahrradverkehr traf es laut Monheim am Schlimmsten: Das Fahrrad würde trotz sei-
ner einst weiten Verbreitung nicht mehr als vollwertiges Verkehrsmittel gesehen. Fahr-
radwege fielen teilweise neuem Parkraum zum Opfer. Wenn es Fahrradwege gab, wur-
den sie meist notbedürftig auf dem Gehweg markiert.26 Auf der Fahrbahn wurden die
Fahrradfahrer buchstäblich an den Rand gedrängt (Rechtsfahrgebot), wo sie sich gegen
den fließenden und ruhenden Verkehr behaupten mussten.23 Zudem fehlten ausreichend
dimensionierte Abstellanlagen.27
Das Leben, das früher in den Straßen pulsierte, fand bis in die 1990er Jahre hinein eher
im Inneren der Häuser statt, statt sich zur Straße hin zu öffnen, die im Allgemeinen „mo-
noton und grob“ gestaltet war.23 Die Straße, eigentlich öffentlicher, für jeden zugänglicher
Raum, war zum reinen Verkehrsraum degradiert (vgl. APPLEYARD, 1981). Dieser Zu-
stand ist gerade für Kinder kritisch, die ab einem gewissen Alter ihren Aktionsradius stetig
erweitern.23
23 Monheim, 1990. S. 41ff. 24 Knoflacher, 1995. S. 62. 25 Knoflacher, 1995. S. 123. 26 Monheim, 1990. S. 267ff. 27 Knoflacher, 1995. S. 269.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
9
Angesichts dieser Randbedingungen wurden zahlreiche Forderungen laut, die eine allge-
meine Verbesserung herbeiführen sollten. Einige sollten in den Jahren darauf in der Tat
immer mehr Teil angewandter Verkehrsplanung werden, andere blieben Wunschdenken.
Um den ÖPNV wieder attraktiv zu machen, sollte vor allem eine Systembeschleunigung
erreicht werden. Dazu müssten Busse und Bahnen vom störanfälligen Kfz-Verkehr soweit
wie möglich getrennt werden. Straßenbahnen würden am besten in eigenen Gleisberei-
chen und Busse entsprechend auf eigenen Busspuren fahren. Um das Stadtbild zu wah-
ren, sollten die Gleisbereiche möglichst begrünt oder gepflastert sein, statt im konventio-
nellen Schotterbett geführt werden. Die Haltestellen des Busverkehrs sollten nicht als Hal-
testellenbucht ausgeführt werden, sondern als Haltestellenkap, um den Gehwegbereich
räumlich nicht zu beeinträchtigen und das gefährliche Überholen während des Fahrgast-
wechsels zu erschweren.28
Statt am konventionellen Separationsprinzip festzuhalten, könnten autofreie oder ver-
kehrsberuhigte Konzepte stärker angewendet werden. Fußgänger müssten bei jeder
Kreuzung und jedem Seitenwechsel den Bordstein und damit ihre Sicherheitszone verlas-
sen und sich unnötig Gefahr aussetzen. Außerdem sollte die Anwendung der Konzepte
erleichtert werden. Gerade der Verkehrsberuhigte Bereich darf in der Regel nur in Beglei-
tung von Umgestaltungsmaßnahmen und bei Straßen mit geringer Netzbedeutung ange-
wendet werden.29 Bisher erinnerte die Entwicklung an die Wohnstraße in der Schweiz, die
wegen zu hohen Auflagen nur selten angewandt werden konnte und schließlich scheiter-
te.30 Alternativ sollen Aufpflasterungen oder (flexibel gestaltbare) Zebrastreifen zur besse-
ren Querung31 und mehr Tempo-30-Zonen eingerichtet werden, selbst wenn diese nicht
vollends auf die Belange von Fußgängern und Fahrradfahrern eingehen. Zugleich darf die
Anwendung von Verkehrsberuhigung nicht auf Wohnstraßen beschränkt bleiben, sondern
muss auch stärker frequentierte Verkehrsbereiche mit einschließen und eher flächenhaft
als punktuell ausgeführt werden.29 Des Weiteren wurde auch im Deutschen Städtetag von
1987 eine Reduzierung der innerörtlichen Geschwindigkeit auf 30 km/h gefordert.
Eine weitere zentrale Forderung bestand darin, Gehwege vom Parken zu befreien. Bisher
sei Parken überall dort erlaubt, wo es nicht ausdrücklich verboten ist, dabei sollte der um-
gekehrte Fall gelten: Parken im Seitenraum müsste generell verboten sein, außer dort, wo
eine Behinderung der Fußgänger auszuschließen ist. In diesem Zusammenhang könnte
Zeichen 315 („Gehwegparken zulässig“) generell abgeschafft werden.32 Um weitere Flä-
chen für den Fußgängerverkehr zu akquirieren, sollten im Rahmen einer Entrümpelung 28 Monheim, 1990. S. 473ff. 29 Monheim, 1990. S. 198ff. 30 Mann, S.: Untersuchungen über die Möglichkeiten und Konsequenzen der Einrichtung von Begegnungszonen in
der Stadt Zürich. Diplomarbeit. Technische Universität Dresden. Dresden, 2004. 31 Monheim, 1990. S. 211ff.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
10
der Gehwege Ampeln, Schilder, Parkuhren, Poller, Leuchten, Trafo- und Telefonkästen
sowie Glascontainer näher an den Bordstein gestellt oder noch besser in den Parkstreifen
integriert werden. Um das Lichtraumprofil der Straßen nicht zu beeinträchtigen, müssten
diese insgesamt einer Prüfung unterzogen werden, ob die vorhandenen Fahrbahnbreiten
in dem Maße notwendig sind. In der Regel reiche für Anliegerstraßen eine Breite von 3,50
Metern, für Sammelstraßen eine Breite von 5 bis 5,50 Metern.32 Weiterhin sollte im spezi-
ellen Fall geprüft werden, ob der gewonnene Platz für Mittelinseln und -streifen als Que-
rungshilfe verwendet werden kann.33 Mit verringerten Fahrbahnbreiten erhöht sich zudem
die Akzeptanz des Kfz-Verkehrs für geringere Geschwindigkeitsgrenzen und damit die
Verkehrssicherheit für Fußgänger.
Der Fahrradverkehr sollte sinnvoll in verkehrsberuhigende Maßnahmen integriert werden.
Die Rechtslage ist in seinem Sinne anzupassen, etwa in Bezug auf das Rechtsfahrgebot,
das Nebeneinanderfahren und die Radwegebenutzungspflicht. Vor allem aber müsste der
Kfz-Verkehr Überholverbot erhalten sowie auf ein fahrradverträgliches Geschwindigkeits-
niveau reduziert werden (30 km/h innerorts).34 Generell sollte die Koexistenz von Fahrrad
und Kfz baulich und technisch gesichert werden. Denkbar sind schmalere Fahrbahnen
unter Verwendung eines Mehrzweckstreifens sowie durchgängige und vorgezogene Mar-
kierungen für den Fahrradverkehr. Gefordert wurde darüber hinaus eine städtebauliche
Integration der Kreuzungen, die fahrradfreundlich und sicher mache.35 Der Straßenraum
müsste zudem Flächen für ausreichende Fahrradabstellanlagen bereitstellen.36
Aus heutiger Sicht waren Knoflacher und Monheim auf dem richtigen Weg, allerdings har-
ren einige Forderungen noch immer ihrer Umsetzung. Die heraufbeschworene Autofrei-
heit konnte sich selbst in Konzepten wie der „Autofreien Stadt“ nicht durchsetzen und
stark abgeschwächte Konzepte wie der Verkehrsberuhigte Bereich kranken weiterhin an
ihrer Umsetzbarkeit in stärker frequentierten Straßen. Tempo-30-Zonen befinden sich vor
allem in Wohngebieten37 und trotz politisch anders lautender Forderungen gilt weiterhin
Tempo 50 innerorts. Der Zebrastreifen ist zwar international sehr beliebt – oft als normaler
Überweg ohne Bevorrechtigung –, wird in Deutschland allerdings verhältnismäßig selten
eingesetzt und ist in seiner Anwendung noch immer wenig flexibel.38 Der Fußgängerver-
kehr selbst konnte seine Stellung zwar geltend machen, jedoch sind aufgeräumte Geh-
wege noch immer selten und das Gehwegparken weiterhin erlaubt. 32 Monheim, 1990. S. 203ff. 33 Monheim, 1990. S. 218. 34 Monheim, 1990. S. 287ff. 35 Monheim, 1990. S. 301ff. 36 Monheim, 1990. S. 325f. 37 Vogt, Steierwald, 2005. S. 496. 38 Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Energie und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen: Empfeh-
lungen zum Einsatz und zur Gestaltung von Fußgängerüberwegen. Düsseldorf, 2002.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
11
Einzig der ÖPNV und der Fahrradverkehr erfuhren spürbare Verbesserungen. Busse und
Bahnen fahren heute bei Ampelschaltungen weitestgehend mit Vorrang, auf eigenen Bus-
spuren bzw. in eigenen Gleisbetten. Haltestellenkaps sind etabliert und haben Einzug in
die Regelwerke erhalten.39 Der politische und gesellschaftliche Stellenwert des Fahrrads
ist im stetigen Wachstum begriffen – bis heute.40 Neue Privilegien wie eigene „Fahrspu-
ren“ in Form von Schutzstreifen auf der Fahrbahn haben sich bewährt, selbst mit weiterhin
geltenden Rechtsfahrgebot und in direkter Nachbarschaft zum Parkstreifen.
Obwohl die Bedeutung des Kfz und sein Anteil am Modal Split unvermindert hoch sind,41
hatte sich offensichtlich ein Wertewandel vollzogen, der anderen Verkehrsarten wie dem
Fahrrad, dem Zufußgehen und dem ÖPNV mehr Sympathien einräumte. In den Men-
schen war ein ökologisches, stadtästhetisches Bewusstsein herangewachsen. Wer mit
dem Fahrrad zur Arbeit fuhr, war nicht länger als alternativ abgestempelt, sondern verlieh
eher einem individuellem Lebensstil Ausdruck.40 Dazu verliert das Auto in den Industrie-
ländern zunehmend an Strahlkraft als Statussymbol.42 Die Verkehrsplanung lernte aus
den Erfahrungen der 1950er und 60er Jahre, als durch neue Infrastruktur mehr Autover-
kehr und neue Probleme induziert wurden.55 Durch gezieltes Anlegen von neuen Fahr-
radwegen und -abstellanlagen, der Umsetzung von Fußgängerverkehrsstrategien und
einer Steigerung der Attraktivität des ÖPNV wurde das Prinzip umgekehrt. Während der
Kfz-Verkehr durch Reduzierung von Flächen und Umgestaltungen in seiner Bedeutung
stellenweise herabgestuft wurde, erfuhren Fahrradverkehr, Fußgängerverkehr und ÖPNV
eine Steigerung. Die Verkehrsmittel übergreifende Verkehrsverlagerung wurde salonfähig
(modal shift, vgl. Abschnitt 5.4.2). Zudem hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, wonach
das Angebot an Infrastruktur auch die Art der Mobilität weitgehend festlegt.43
Das neue Bewusstsein für nachhaltige Mobilität gipfelte schließlich im Prinzip des Leihens
und Teilens. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts entdecken zahlreiche Städte vor allem in
Europa das Prinzip der Fahrradverleihsysteme für sich. Somit wird das Fahrrad auch für
jene interessant, die keines besitzen oder das eigene Fahrrad nicht die gesamte Wege-
kette mitführen wollen. Darüber hinaus avancierte Car-Sharing mit reservierten Stellplät-
zen in zentraler Lage zur echten Alternative. Damit wird der Pkw – der den größten Teil
des Tages nicht benutzt wird – nicht pauschal verteufelt, sondern besser ausgelastet.
39 Vgl. Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt) und Empfehlungen für Anlagen des öffentlichen
Personennahverkehrs (EAÖ) 40 Löbe, M.: Fahrradmitnahme in Nahverkehrszügen. Diplomica. 2011. S. 13ff. 41 MiD 2008 im Vergleich mit den Ergebnissen der KONTIV 1976, KONTIV 1982 und MiD 2002. 42 Andreas Knie, Prof. der Soziologie an der TU Berlin, im Interview mit dem Deutschlandradio. 24. April 2011.
URL: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/interview/1444224. Abgerufen am 23. August 2012. 43 Knoflacher, 1993. S. 46.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
12
4 Nutzungsansprüche im öffentlichen Raum
Die vermeintliche neue Eintracht der Verkehrsteilnehmer lässt dennoch Raum für weitere
Verbesserungen und Lösungsansätze. Ließen sich diese Ansätze als Gleichung formulie-
ren, fehlten zu ihrer Lösung die Variablen und Parameter. Während die einzelnen Konter-
parts bekannt sind, stellt sich die Frage nach ihrem optimalen Verkehrsraum, deren Ant-
wort in Abwägung ihrer Systemeigenschaften und allgemeiner Anforderungen zu vertret-
baren Nutzungsansprüchen führt.
4.1 Allgemein
Für eine stadt- und menschenverträgliche Nutzung des Straßenraums lassen sich einige
allgemeine Nutzungsansprüche formulieren, die größtenteils auch die Interessen der Ver-
kehrsteilnehmer selbst widerspiegeln. Die folgenden Punkte können als allgemeine An-
forderungen an das Straßenraummanagement festgelegt werden.
Unfallrisikominimierung
Der Straßenraum ist für alle so zu gestalten, dass die größtmögliche Verkehrssicherheit
erreicht wird. Jeder Verkehrsteilnehmer hat den Anspruch, den für ihn gestalteten Ver-
kehrsraum möglichst sicher zu passieren. Dabei sind insbesondere die schwachen Ver-
kehrsteilnehmer in den Fokus zu stellen.
Kapazitätsauslastung
Durch die Prämisse, sparsam mit der Ressource Raum umzugehen, sind alle Verkehrs-
flächen so platzsparend wie möglich auszuführen. Demnach sollten alle Verkehrsflächen
hinreichend ausgelastet sein. Auf der anderen Seite besteht der Nutzungsanspruch aller
Verkehrsteilnehmer, flüssig und schnell voranzukommen bzw. einen Stellplatz zu finden.
Umweltverträglichkeit
Der Straßenraum sollte so gestaltet sein, dass seine Auswirkungen auf die Umwelt mög-
lichst gering sind. Dies kommt den Verkehrsteilnehmern selbst unmittelbar zugute. Jeder
Verkehr – mit Ausnahme vielleicht des Durchgangsverkehrs – erwartet vom Straßenraum
eine gewisse Attraktivität oder sogar Aufenthaltsqualität, die von Abgasen, Lärm, der Di-
mensionierung der Flächen und der Begrünung unmittelbar abhängt.
Effektive Abwicklung der Dienstleistungen
Es sollten alle wirtschaftlichen und allgemeinen Dienstleistungen wie Waren- und Postzu-
stellung (Lieferverkehr, Kurierdienste) resp. -abholung oder Personenbeförderung effektiv
und ohne Störungen vollzogen werden können. Sofern erforderlich, sind dazu besondere
Maßnahmen zu ergreifen, wenn notwendig auf Kosten anderer Nutzungsansprüche, etwa
des ruhenden Verkehrs.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
13
4.2 Kfz-Verkehr
Der Kfz-Verkehr besitzt nur eine geringe Schutzbedürftigkeit. Durch den Schutz der Ka-
rosserie und ihre Masse, die bei hohen Geschwindigkeiten eine hohe kinetische Energie
birgt, sind Kfz-Fahrzeuge in ihrer Durchsetzungskraft den schwachen Verkehrsteilneh-
mern überlegen. Gleichzeitig besitzen sie einen hohen Flächenanspruch und erzeugen
vergleichbar hohe Lärm- und Schadstoffemissionen. Demzufolge sind seine Nutzungsan-
sprüche nur insofern als vertretbar anzusehen, als dass sie die allgemeinen Anforderun-
gen an das Straßenraummanagement wie Unfallrisikominimierung und Umweltverträg-
lichkeit sowie seine eigenen, rudimentären Anforderungen erfüllen. Dazu gehört das flüs-
sige Vorankommen in einer passend dimensionierten Infrastruktur (Kapazitätsauslastung).
Durch seine systembedingte Differenz zu nichtmotorisierten und langsameren Verkehrs-
teilnehmern erhebt der Kfz-Verkehr den Anspruch einer separaten Fahrbahn, wobei je
nach Anwendungsfall auch Mischverkehrsflächen denkbar sind. Weiterhin verlangt der
Kfz-Verkehr in seiner Eigenart als Individualverkehr nach einer flächenhaften Erschlie-
ßung, wobei abzuwägen ist, ob in der Feinverteilung der Fußgänger- oder Fahrradverkehr
priorisiert werden kann.
Dies führt zu der Frage der Stellplätze. In Anbetracht des hohen Anteils der Nichtnutzung
der Kfz-Fahrzeuge und ihrem hohen Flächenanspruch ist die Thematik ein ernst zu neh-
mendes Problem, gerade im verdichteten Innenstadtbereich. Die Nutzungsinteressen sind
vielfältig: Anwohner bestehen auf ihren Stellplatz, Beschäftigte suchen in Arbeitsplatznähe
nach einer Abstellmöglichkeit und Anlieger benötigen ebenfalls einen Parkplatz. Der Ide-
alanspruch geht von einem Stellplatz in unmittelbarer Nähe des Ziels aus. Jedoch er-
scheint es zumutbar und fair gegenüber dem ÖPNV, Kfz-Stellplätze in vergleichbarer Ent-
fernung wie jene zu Haltestellen anzulegen, idealerweise maximal 300 Meter.44 Für Fahr-
zeuge von Allgemeininteresse (Car-Sharing) oder mit besonderen Anforderungen an die
Stellplatzinfrastruktur (Elektrofahrzeuge) sind entsprechend Stellplätze zu reservieren.
Des Weiteren muss der Straßenraum für Sondernutzungen wie Brandbekämpfung, Reini-
gen und Räumen, Entsorgen sowie Liefern und Laden entsprechend ausgelegt sein und
Lösungen vorsehen (effektive Abwicklung der Dienstleistungen).
4.3 Fahrradverkehr
Fahrradfahrer und Inline-Skater besitzen ebenso wie Fußgänger ein erhöhtes Risiko, sich
bei Verkehrsunfällen tödlich oder schwer zu verletzen. Bei Fahrradfahrern erweist sich
sowohl die fehlende Schutzhülle als auch die Fallhöhe als sehr gefährlich. Dies scheint
umso kritischer angesichts der Tatsache, dass der Anteil Fahrrad fahrender älterer Men-
44 Knoflacher, 1993. S. 144f.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
14
schen und Kinder am Modal-Split vergleichsweise hoch ist.45 Demnach sollte die Straßen-
raumgestaltung im verdichteten urbanen Raum den Ansprüchen der Langsamsten und
Schwächsten entsprechen, unabhängig von der Altersverteilung und dem Anteil unter-
schiedlicher Fahrtypen (routiniert – ängstlich). Außerdem führt dies zu dem Anspruch des
Fahrradverkehrs, sich möglichst vom schnellen motorisierten Verkehr zu separieren (Un-
fallrisikominimierung). Dabei müssen Sichtbeziehungen und Straßenraumgestaltung si-
cherstellen, dass bei Ab- und Einbiegevorgängen des Kfz-Verkehrs eine Bevorrechtigung
des Fahrradverkehrs deutlich wird. Gleichzeitig muss eine Abgrenzung vom Fußgänger-
verkehr erfolgen, um ein flüssiges, schnelles und sicheres Vorankommen zu gewährleis-
ten. Dies umfasst eine gerade Linienführung in einem unverstellten Fahrbereich, der an-
gemessen proportioniert ist (Kapazitätsauslastung).46 Jedes Abbremsen und Anhalten
muss durch den Fahrradfahrer beim erneuten Anfahren per Muskelkraft kompensiert wer-
den. Von übergeordneter Wichtigkeit sind für den Fahrradverkehr Abstellanlagen. Ohne
die Möglichkeit, das eigene Fahrrad sicher und abzustellen, stellt sich der Fahrradverkehr
selbst infrage. Dabei ist eine ausreichende Stellplatzkapazität entsprechend der Ver-
kehrswirkung des Ziels zu berücksichtigen. Für Fahrradleihsysteme sind an zentralen
Orten separate Flächen zu reservieren. Durch seine gute Umweltverträglichkeit ist auf den
Fahrradverkehr bei der Straßenraumgestaltung ein besonderes Augenmerk zu richten.
Neueren Entwicklungen wie der wachsenden Bedeutung von Lasten- und Elektrofahrrä-
dern sowie Fahrrädern mit Anhänger sollte dabei Rechnung getragen werden.
4.4 Fußgängerverkehr
Der Fußgängerverkehr ist von allen Verkehren der flexibelste und in Bezug auf die Ver-
kehrsplanung der anspruchsvollste. Weil Fußgänger sehr anpassungsfähig und nicht an
die ihnen zugewiesenen Verkehrsflächen gebunden sind, entsteht eine ungeordnete, den
Straßenraum durchdringende „Verkehrsmasse“, die sich kaum kanalisieren lässt. Die zu-
gewiesenen Seitenbereiche und Fußgängerüberwege können dem nur ansatzweise ent-
sprechen. Von Natur her bevorzugen Fußgänger direkte Verbindungen und reagieren
empfindlich auf Umwege. Es muss davon ausgegangen werden, dass zwischen den Sei-
tenbereichen in allen Richtungen ein Bedürfnis zum Queren besteht – vergleichbar mit
den sozialen Verbindungen nach Appleyard (vgl. Abbildung 2). Sofern die Verkehrsmen-
gen des Kfz-Verkehrs es verlangen, zentrale Querungsmöglichkeiten anzulegen, sollten
diese in ausreichender Anzahl oder Ausdehnung vorhanden sein. Hier zeigt sich bereits
die Schwierigkeit, die differenzierten Wegewünsche der Fußgänger zu realisieren. Fuß-
gänger brauchen Rückzugsorte und Schutzzonen, die durch möglichst viele und kurze
45 Mobilität in Deutschland 2008 (MiD 2008): Modal-Split-Anteile von ÖPV und NMIV für Männer und Frauen
nach Altersgruppen. Abb. 3.76, S. 104. 46 Monheim, 1990. S. 264f.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
15
Wege miteinander verbunden sind (Unfallrisikominimierung). Obwohl Fußgänger physisch
vergleichbar wenig Platz benötigen, sollten die Schutzflächen nicht zu knapp bemessen
sein. Durch die persönliche Ebene gebietet sich ein Höflichkeitsabstand – selbst bei grö-
ßeren Fußgängeraufkommen. Zudem schätzen insbesondere Fußgänger den Raum, et-
wa zum Flanieren und Verweilen. Fußgängerraum begreift sich als „freier“ Raum, der für
Straßenmöbel, Geschäftsauslagen, Cafémobiliar und Begrünung gleichermaßen genutzt
wird. Insofern ist das Kriterium der Kapazitätsauslastung hier nur schwer anwendbar. Den
Straßenraum für den Menschen als solches zu planen hat die Schwierigkeit, dass alles
seiner subjektiven Wahrnehmung unterliegt und daran gemessen wird. Seine geringen
Geschwindigkeiten lassen ihn um ein vielfaches mehr Details wahrnehmen als andere
Verkehrsteilnehmer. Er erhebt einen hohen Anspruch an die differenzierte Ausgestaltung
des Straßenraums und ist gleichermaßen sensibel in dieser Hinsicht. Sich im Straßen-
raum aufzuhalten und dort ein Sozialleben zu entfalten, ist für den Fußgänger ein grund-
legendes Bedürfnis. Die Reduzierung von Lärm- und Schadstoffemissionen trägt einen
Teil zur Etablierung von Aufenthaltsqualität bei. Eine ästhetische und funktionale Gestal-
tung sollte ergänzend wirken. Mit seiner emissionslosen Fortbewegung durch Energiever-
sorgung aus dem Ökosystem bedingt das Zufußgehen als natürlichste Bewegungsart zum
einen nachhaltig gestaltete Straßenräume und fügt sich zum anderen nahtlos in sie ein
(Umweltverträglichkeit). Aus diesem Grund ist dem Fußgängerverkehr in der Straßen-
raumgestaltung eine hohe Priorität beizumessen.
4.5 Busse und Bahnen
Ihre Massentauglichkeit und damit gute Umweltbilanz (vermehrt auch durch elektrische
oder hybride Antriebe) haben den Zuspruch des ÖPNV wachsen lassen. Sofern es die
Verhältnisse zulassen, erheben Busse und Bahnen Anspruch auf eigene Trassen, um
Reisezeit und Zuverlässigkeit zu verbessern (effektive Abwicklung der Dienstleistungen).
Durch begrünte Gleisbetten kann die Umweltverträglichkeit noch verbessert werden.
Wechselwirkungen mit anderen Verkehrsteilnehmern sind – abgesehen vom Passagier-
wechsel – kritisch zu betrachten. Durch ihre Masse und Geschwindigkeit stellen vor allem
Straßenbahnen ein Unfallrisiko dar, das es baulich so weit möglich abzufedern gilt (Unfall-
risikominimierung). Gleisbereiche und Überwege sind für nichtmotorisierte Verkehrsteil-
nehmer entsprechend zu sichern. Die Isolierung des Verkehrswegs kann im Ausnahmefall
auch einer Gestaltung als Mischverkehrsfläche weichen, etwa bei Bahnhofsvorplätzen
oder entsprechenden Platzsituationen. Um die Kapazitätsauslastung von Busspuren zu
verbessern, könnten nach Vorschlag des ADAC neben Taxis und Fahrrädern auch Fahr-
gemeinschaften zugelassen werden,47 wie in den USA bereits üblich.
47 B.Z.: Busspuren frei für Fahrgemeinschaften. 4. August 2012. URL: http://www.bz-berlin.de/aktuell/
berlin/busspuren-frei-fuer-fahrgemeinschaften-article1514779.html. Abgerufen am 8. September 2012.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
16
5 Ansätze zur Lösung von Nutzungskonflikten
Die dargestellten Nutzungsansprüche allgemeinverträglich und nachhaltig zu vereinen
und dabei möglichst wenig Kompromisse einzugehen, setzt das Verständnis einiger all-
gemeiner Lösungsansätze voraus. Als Einleitung der Diskussion werden die Vorstellun-
gen der Bürger, wie ihr städtisches Lebensumfeld verbessert werden könnte, thematisiert.
5.1 Vorstellungen der Bürger
Die Europäische Kommission führt in regelmäßigen Abständen sogenannte Eurobarome-
ter durch. Diese Meinungsumfragen lassen erkennen, dass die meisten europäischen
Bürger nach Verkehrsformen verlangen, die besser mit der Umwelt harmonieren. Im Jahr
1999 gaben 70 % der Bürger an, dass sie die Qualität der Stadtluft mehr beunruhige als
noch 1994.48 Die Luftverschmutzung, für die das Auto hauptverantwortlich gemacht wur-
de, ist an die Spitze der städtischen Umweltprobleme gesetzt worden. Zwei Drittel der
Befragten gaben an, dass diese Umweltprobleme ihre Lebensqualität am meisten beein-
trächtigen.48 Bei der Frage nach effektiven Lösungsansätzen wurden vor allem nachhalti-
ge Verkehrsformen und eine Reduzierung der Kfz-Dominanz gefordert.
Abbildung 3: Prioritäten der EU-Bürger
QUELLE: Eurobarometer 1999 (51.1). Antworten auf die Frage: „Welche dieser Lösungsan-sätze ermöglicht es Ihrer Meinung nach, die Umweltprobleme in Bezug auf den Verkehr in Städten effektiv zu lösen?“ In: Europäische Kommission: Reclaiming city streets for peo-ple – Chaos or quality life? Luxemburg, 2004. S. 13.
48 Europäische Kommission: Eurobarometer 1999. In: Europäische Kommission, 2004. S. 13.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
17
5.2 Raumplanung und verkehrspolitische Rahmenplanung
Verkehr resultiert aus der Motivation des Menschen, Raum zu überwinden. Daher ist die
Raumplanung ein wichtiges Instrument, um Verkehr nachhaltig zu beeinflussen. Durch die
motorisierten Verkehrsmittel wurden Stadtfunktionen wie Wohnen und Arbeiten weitge-
hend getrennt und damit eine Benutzung des Autos begünstigt. Umgekehrt können durch
das gezielte Anordnen von Quell- und Zielorten Wege verkürzt werden („Stadt der kurzen
Wege“), was wiederum die Benutzung unmotorisierter und umweltverträglicher Verkehrs-
modi in Betracht ziehen lässt.
Zur städtebaulichen Raumplanung ergänzend wirkt die Generalverkehrsplanung. Ver-
kehrsentwicklungs- und Nahverkehrspläne, Fußgänger- und Fahrradverkehrsstrategien,
Mobilitätsprogramme und Luftreinhaltepläne geben die Richtung vor für künftige Entwick-
lungen und Investitionen in der Verkehrsplanung. Mit diesen Instrumenten werden von der
Verkehrspolitik – häufig in Synergie mit den Ressorts Umwelt und Stadtentwicklung –
Schwerpunkte und Richtlinien gesetzt, denen die ausführenden Planer Rechnung tragen
müssen. Auf diese Weise kann die Zusammensetzung und das Zusammenwirken des
Verkehrs langfristig beeinflusst werden. Die Vorgaben sind eine wichtige Voraussetzung
für viele konkrete Maßnahmen zur Lösung von Nutzungskonflikten im Straßenraum. Ein
Beispiel dafür ist vor allem die gezielte Förderung des ÖPNV sowie des Fußgänger- und
Fahrradverkehrs innerhalb einer integrativen Netzplanung.
5.3 Prinzipien der räumlichen Aufteilung
Die Herausforderungen im Umgang mit den vielseitigen Nutzungskonflikten im öffentli-
chen Raum hatten in der Vergangenheit – vor allem in Hauptstraßen – eine Verkehrs-
struktur nach dem horizontalen Trennungsprinzip hervorgebracht, während dem Mi-
schungsprinzip bisher eher das Nebennetz und die Seitenbereiche vorbehalten waren.49
5.3.1 Horizontales Trennungsprinzip
Das horizontale Trennungsprinzip ist zum einen das bewährteste Prinzip der verkehrli-
chen Aufteilung, zum anderen aber auch das starrste. Die Orientierung in Längsrichtung
optimiert den längs gerichteten Verkehr, vernachlässigt dabei jedoch Beziehungen in Qu-
errichtung. Durch das punktuelle Anlegen von Fußgängerüberwegen wird zwar die Mög-
lichkeit zum Queren eingeräumt. Jedoch entstehen in den Konfliktpunkten – vor allem an
Einmündungen – kritische Stellen, weil dem Längsverkehr zuvor eine Alleinstellung sug-
geriert wurde, die plötzlich durchbrochen wird. Dieser Effekt ist umso stärker, je größer die
Geschwindigkeitsdifferenz der Verkehre ist. Die Sicherung und gestalterische Kennzeich- 49 Lohse, D., Schnabel, W.: Grundlagen der Straßenverkehrstechnik und der Verkehrsplanung. Band 2 –
Verkehrsplanung. Dritte, vollständig überarbeitete Auflage. Beuth. 2011. S. 159.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
18
nung solcher Konfrontationspunkte von Längs- und Querbeziehungen müssen unter As-
pekten der Verkehrssicherheit mit besonderer Sorgfalt geplant werden. Dennoch hat sich
das Trennungsprinzip als sehr tragbar erwiesen. Gleisbetten, Busspuren, Fahrbahnen,
Parkstreifen, Fahrrad- und Fußwege ziehen sich in mitunter starren Querschnitten wie
selbstverständlich durch die Städte, während städtebaulich integrierte und individuell ge-
staltete Straßenräume vor allem aus Kostengründen noch eher selten anzutreffen sind.
Der Fahrradverkehr kehrte allerdings auf Schutz- oder Mehrzweckstreifen bzw. Fahrrad-
wegen auf die Fahrbahn zurück, jeweils mit Sicherheitsabstand zum Parkstreifen.50 Damit
endet allmählich sein Dasein zwischen dem fließenden und dem ruhenden Kfz-Verkehr
und sein „Gastspiel“ auf dem Gehweg, das noch sehr häufig ist.
Das Trennungsprinzip bietet jedoch noch immer Verbesserungspotenzial, etwa durch lang
gezogene Mittelstreifen und Gehwegvorstreckungen. Die Mittelstreifen ermöglichen ein
flächiges Queren und verkürzen die Querungsdistanzen. Zudem werden schwache Ver-
kehrsteilnehmer unterstützt, indem ihre Sicht und Sichtbarkeit verbessert wird. Gehweg-
vorstreckungen beanspruchen ehemalige Flächen des Parkstreifens und verbessern die
Sicht auf den Längsverkehr, während Aufpflasterungen in kleineren Knotenpunkten auf
eine besondere Querungssituation hinweisen. Geh- und Fahrradwege werden zuneh-
mend über Knotenpunkte und Einmündungen hinwegmarkiert oder -gepflastert, sodass
sie als Querverkehr besser wahrnehmbar sind.
5.3.2 Vertikales Trennungsprinzip
Das vertikale Trennungsprinzip findet seit den Erfahrungen aus den 1950er und 1960er
Jahren nur noch sehr selten Anwendung. Die vertikale Trennung macht jedoch auch aus
heutiger Sicht in einigen Fällen Sinn. Straßenbahnen werden teilweise unterirdisch ge-
führt, um unabhängig vom Verkehrsgeschehen des Individualverkehrs zu sein, wodurch
ihren Nutzungsansprüchen nach Zuverlässigkeit und geringen Reisezeiten entsprochen
wird. Eine andere Anwendung bezieht sich auf den Nutzungsanspruch des ruhenden Ver-
kehrs. Die hohe Rate der Nichtbenutzung der Fahrzeuge und deren enormer Flächenbe-
darf führt dazu, dass der ruhende Verkehr vor allem in engen, historischen Altstädten
vermehrt in Tiefgaragen untergebracht wird. Bezeichnend dafür ist das Stadtumbaupro-
gramm der Stadt Lyon in Frankreich. Dort wurde die Umgestaltung von zahlreichen Stadt-
plätzen als Gelegenheit begriffen, unter den Plätzen Tiefgaragen zu bauen.51 Unter dem
neu gestalteten Place de la République (vgl. auch Abbildung 16) wurden auf sieben
Stockwerken 885 Pkw-Stellplätze untergebracht.
50 Bundesanstalt für Straßenwesen: Unfallrisiko und Regelakzeptanz von Fahrradfahrern. Berichte der Bun-
desanstalt für Straßenwesen. Verkehrstechnik. Heft V 184. Bergisch Gladbach, 2009. 51 Schriftenreihe „Lebendige Stadt“, Band 1: Stadtplätze – Strategien für den Umgang mit innerstädtischen
Außenräumen am Beispiel von Lyon. 2003. S. 53ff.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
19
Abbildung 4: Tiefgarage unter dem Place de la République in Lyon
QUELLE: Schriftenreihe „Lebendige Stadt“, Band 1: Stadtplätze – Strategien für den Umgang mit innerstädtischen Außenräumen am Beispiel von Lyon. 2003. S. 64 und 65.
Unmittelbar nach dem Überqueren der Rhône – also mit dem Betreten der historischen
Altstadt, der Presqu’île – kann der Besucher sein Fahrzeug in der Tiefgarage abstellen
und die Stadt zu Fuß erkunden. Die Innenräume und Zugangsbereiche der Tiefgarage
wirken hell und freundlich; teilweise lockern Kunstinstallationen die Atmosphäre auf.
Ständiges Sicherheitspersonal sorgt für Sicherheit und dient als Ansprechmöglichkeit.51
5.3.3 Mischungsprinzip
Der hohe Flächenverbrauch des Kfz-Verkehrs ist dem Gedanken ein fruchtbarer Nährbo-
den, den Fahrbahnbereich für alle Verkehrsteilnehmer freizugeben. Auf der entstehenden
Mischfläche könnten sich alle Verkehre gleichberechtigt bewegen. Dies führt jedoch dazu,
dass sich der schnelle Verkehr anpassen muss und den Bereich nur sehr langsam pas-
sieren kann. Mit der Auflösung der starren Straßenstruktur ist immer auch eine Herabset-
zung der Verkehrskapazität verbunden. Also erscheint es folgerichtig, Verkehre nach ih-
ren Geschwindigkeiten zu gruppieren und jeweils eigenen Mischverkehrsflächen zuzuwei-
sen. Ein Beispiel dafür sind gemeinsame Geh- und Radwege, aber auch Fahrradstraßen.
In Deutschland können dort zumindest Anlieger mit Kfz per Zusatzzeichen zugelassen
werden,52 in den Niederlanden sind Kraftfahrzeuge sogar generell erlaubt. Ein anderer
Kritikpunkt sieht weniger den Kfz-Verkehr im Nachteil, sondern die schwachen Verkehrs-
teilnehmer, die dem MIV in einer freien Fläche schutzlos ausgeliefert seien. Folglich ent-
standen Konzepte, bei denen mit Straßenmöbeln, Pollern und besonderen Gestaltun- 52 Anlage 2 der Straßenverkehrsordnung (StVO), Nummer 23 zu Zeichen 244.1.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
20
gen – nicht aber mit Borden oder klaren Abgrenzungen – Schutzbereiche geschaffen
wurden, die für den Kfz-Verkehr nicht zugänglich sind. Auf diese Weise sind Mischver-
kehrsflächen auch dort denkbar, wo weiterhin der Verkehrsfluss von hoher Bedeutung ist.
In der Schweiz wird dieser Ansatz in Form von Begegnungszonen mit Erfolg umgesetzt.
Das Anwendungsspektrum umfasst sowohl sensible Wohn- und Schulbereiche als auch
stark frequentierte Bahnhofsvorplätze, Einkaufsstraßen, zentrale Plätze und Kreuzungen
mit starkem Fußgänger- und Fahrradverkehr.53 In anderen Ländern haben Mischverkehrs-
flächen noch immer den Charakter von Spielstraßen. Vielerorts sind die verkehrsrechtli-
chen Voraussetzungen noch nicht ausgereift oder es fehlt die Akzeptanz für derartige
Bereiche und Ansätze.54
5.4 Prinzipien der Anpassung des Kfz-Verkehrs
Bei der Lösung von Nutzungskonflikten im öffentlichen Straßenraum scheint eine Anpas-
sung des dominanten motorisierten Verkehrs der naheliegendste Lösungsansatz zu sein.
Dabei sind räumliche (Verlagerung) und fahrdynamische (Verstetigung, Verlangsamung)
Ansätze denkbar, aber auch eine Vermeidung des Kfz-Verkehrs.
5.4.1 Vermeidung
Verkehr lässt sich nicht vermeiden, sofern eine funktionale Beziehung zwischen zwei Or-
ten besteht, es sei denn diese beiden Orte trennt keine räumliche Distanz. Ein Beispiel
dafür ist eine Wohnung, die gleichzeitig als Arbeitsplatz fungiert. Da dies jedoch die Aus-
nahme ist, besteht der Fokus der Verkehrsvermeidung vor allem darin, die räumlichen
Distanzen zwischen Wohnen, Arbeiten, Versorgen und Orten der Dienstleistung, der Frei-
zeit und der Bildung durch geschickte Standortwahl zu verringern. Mit dem Verkürzen der
Wege ergibt sich für bestimmte Orte ein verringertes Verkehrsaufkommen, weil vor allem
der Durchgangsverkehr an Gewicht verliert. Die geringeren Distanzen lassen wiederum
nichtmotorisierten Verkehr bei der Verkehrsmittelwahl an Bedeutung gewinnen. Je mehr
Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden, desto weniger Platz wird ver-
braucht, wird die Umwelt beansprucht und sind Kfz unterwegs. Ein anderer Ansatz ist der,
die Benutzung von Straßen kostenpflichtig zu machen. Mit Straßengebühren (City-Maut,
vgl. Abschnitt 6.1.1) sollen Fahrten im Innenstadtbereich unattraktiv gemacht werden.
Während sich einige Aktivitäten verlagern, werden andere gebündelt oder gar nicht
durchgeführt, sodass in Summe weniger Fahrten entstehen.
53 Schweizer, T.: Begegnungszonen in der Schweiz – ein Erfolgsmodell. In: Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.):
Shared Space – Beispiel und Argumente für lebendige öffentliche Räume. Bielefeld, 2010. 54 Bühn, M.: Anwendbarkeit von Shared Space in Berlin im Bezirk Mitte. Bachelorarbeit. TU Berlin, Juli 2010.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
21
Ein neuerer Ansatz ist das Prinzip der Evaporation (fachsprachlich für „Verdunstung“):
Wenn durch neue Verkehrsflächen neuer Verkehr induziert wird,55 müsste durch eine Re-
duzierung von Flächen eine Abnahme des Verkehrs zu erwarten sein.56 Das gegenteilige
Gedankenpaar, wonach neue Verkehrsflächen die Verkehrsqualität verbessern können
und eine Dezimierung von Flächen neue Verkehrsprobleme hervorruft, hatte sich als
Trugschluss herausgestellt. Tatsächlich passen sich Verkehrsteilnehmer der jeweiligen
Situation an und suchen sich neue Wege und Verkehrsmodi.
Maßnahmen zur Priorisierung des Bus- und Straßenbahnverkehrs, zur Etablierung von
Fahrradspuren und zur Vergrößerung der Seitenbereiche können, wenn sie sinnvoll ge-
staltet und dem jeweiligen Kontext angemessen sind, zum Erreichen einer Reihe nachhal-
tiger Ziele beitragen. Dazu gehört die effizientere Nutzung des Straßenraums, eine Erhö-
hung der Attraktivität des nichtmotorisierten Verkehrs und eine allgemeine Qualitätsver-
besserung der Straßenlandschaft.
Bei der Auswertung der Maßnahmen ist es schwierig, zu eindeutigen Ergebnissen zu
kommen, insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen auf das Verkehrsaufkommen. Ver-
kehrszahlen unterliegen zahlreichen, zum Teil langfristigen Einflüssen (allgemein steigen-
des Verkehrsaufkommen, höhere Einkommen und Pkw-Besitzrate) und können nur klei-
nere Bereiche erfassen, obwohl die Effekte oftmals weiter entfernt auftreten. Befragungen
decken meist keinen genügend großen Zeitraum ab und individuelles Verhalten lässt sich
aus den Untersuchungen nur schwer ableiten.56 Dennoch zeugen zahlreiche Projekte da-
von, dass es bei derartigen Maßnahmen zu einer merklichen Verringerung oder zumin-
dest keiner Erhöhung des Verkehrsaufkommens kommt und die Verlagerungseffekte in
die umliegenden Straßen unkritisch sind. Das umgebende Straßennetz darf allerdings
keine Alternativrouten bieten, sonst wird das Verkehrsaufkommen nur verlagert. Neben
den räumlichen dürfen auch keine zeitlichen Alternativen existieren.57
Grundsätzlich sind die Effekte einer solchen Maßnahme determiniert durch
— die Beschaffenheit des Netzwerks und dessen Verkehrskapazitäten
— die Art der betroffenen Wege (Arbeit, Freizeit, Einkauf)
— die relative Attraktivität von alternativen Standorten
— Faktoren, welche die Autobenutzung beeinflussen, etwa Parkreglementierungen
— die Attraktivität anderer Verkehrsmodi
— spezifische Gestaltungsdetails
— Information und Marketing
55 Department of Transport, SACTRA: Trunk Roads and the Generation of Traffic. London, 1994. 56 Goodwin, P., Hass-Klau, C., Cairns, S.: Evidence on the Effects of Road Capacity Reduction on Traffic
Levels. Landor Publishing. London, 1998. 57 Europäische Kommission, 2004. S. 18.
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5.4.2 Verlagerung
Statt Kraftfahrzeuge aus dem Nutzungsgefüge durch Verkehrsvermeidung möglichst her-
auszuhalten, zielt die Verkehrsverlagerung darauf ab, sie so umzuleiten, dass weniger
oder weniger kritische Nutzungskonflikte entstehen. Dabei ist der Anteil des Durchgangs-
verkehrs von Bedeutung. Ist der Anteil gering, lässt dies darauf schließen, dass die Be-
troffenen den Verkehr größtenteils selbst induzieren. Somit ist der zu schützende Bereich
selbst Quell- oder Zielort und eine Umfahrung wenig zielführend. Überwiegt jedoch der
Anteil des Durchgangsverkehrs, kann eine Verkehrsverlagerung sinnvoll sein. Das umlie-
gende Straßennetz muss dabei zum einen die zusätzlichen Kapazitäten aufnehmen kön-
nen und darf zum anderen keine hervorgehobene Stellung in Bezug auf Aufenthaltsquali-
tät und die Bedeutung von Fußgänger- und Fahrradverkehr besitzen. In verdichteten In-
nenstadtbereichen ist diese Voraussetzung in der Regel nicht gegeben, sodass die Sper-
rung oder Nutzungseinschränkung ganzer Innenstädte folgerichtig erscheint.
Für punktuelle Maßnahmen gestaltet sich jedoch der Lösungsansatz in der Regel schwie-
riger. Der Ansatz der Evaporation verringert in besonderen Bereichen die Attraktivität des
Straßenraums für den Kfz-Verkehr und zwingt ihn auf alternative Routen, die ihm aller-
dings nicht in ausreichender Kapazität und Anzahl zur Verfügung gestellt werden. Somit
sehen sich die motorisierten Verkehrsteilnehmer gezwungen, auf andere Verkehrsmittel
umzusteigen. Umgekehrt kann diese Verkehrsverlagerung im Sinne eines modal shifts
auch durch eine Aufwertung oder Alleinstellung von umweltverträglichen Verkehrsmitteln
wie dem ÖPNV, dem Fahrrad oder dem Zufußgehen gezielt gefördert werden.
5.4.3 Verstetigung
Auf stark befahrenen Straßen kommt es häufig zu Verzögerungs- und Beschleunigungs-
manövern des Kfz-Verkehrs durch Interaktionen mit anderen Verkehrsteilnehmern (vgl.
Abbildung 5). Dabei sind die Verzögerungen und Beschleunigungen umso ausgeprägter,
je unterschiedlicher der Verkehrscharakter und die Geschwindigkeitsdifferenzen sind. Die
Verminderung von Emissionen und Lärm kann nachweislich durch eine Verbesserung des
Verkehrsflusses erzielt werden. Bei extrem unstetigem Verkehrsablauf werden innerhalb
geschlossener Ortschaften bis zu 60 bis 70 % mehr Luftschadstoffe und bis zu 80 % mehr
CO2 ausgestoßen als bei flüssigem Verkehr.58 Bei stetiger Fahrweise lässt sich außerdem
die Lärmbelastung um bis zu 3 dB verringern. Die entspräche etwa der Lärmverminde-
rung bei einer Halbierung des Verkehrsaufkommens.59
58 Bundesamt für Umwelt (BAFU): Handbuch der Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (HBEFA).
Version 3.1, 2010. 59 Bundesamt für Umwelt (BAFU), 2011. S. 14f.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
23
Abbildung 5: Fahrzyklen bei unterschiedlich stetigem Verkehrsablauf
QUELLE: Bundesamt für Umwelt (BAFU): Nachhaltige Gestaltung von Verkehrsräumen im Siedlungsbereich – Grundlagen für Planung, Bau und Reparatur von Verkehrsräumen. Bern, 2011. S. 15.
Neben dem Effekt der Verminderung von Emissionen und Lärm ergeben sich Synergieef-
fekte zwischen schwachen Verkehrsteilnehmern und MIV. Bei einem stetigen Verkehrs-
fluss sind auch die Geschwindigkeiten geringer, sodass Fußgängern – etwa beim Que-
ren – mehr Zeit verbleibt, den Kfz-Verkehr einzuschätzen. Der Kfz-Verkehr erfährt durch
die Verstetigung eine Verbesserung der Reisezeit und ein angenehmeres Fahren.
Die Maßnahmen zur Verstetigung des Verkehrs sind baulicher, gestalterischer und be-
trieblicher Natur und zielen auf die Schaffung von Kapazitätsreserven.59 Durch die Reser-
ven hat das häufige Abbremsen eines einzelnen Fahrzeugs nur Einfluss auf das Verhal-
ten der Fahrzeuge in seiner näheren Umgebung, nicht aber auf alle Fahrzeuge. Somit
wird die Störung auf möglichst wenige Fahrzeuge begrenzt.
Ein häufiger Grund für unstetes Fahrverhalten sind unterschiedliche Ausbaustandards.59
Im Sinne einer einheitlichen, selbsterklärenden Netzstruktur sind daher einheitliche Quer-
schnitte sinnvoll, um Verkehr zu verstetigen. Damit einher geht die einheitliche Gestal-
tung. Sie muss gewährleisten, dass sich die unmotorisierten Verkehrsteilnehmer so ver-
halten, dass die Stetigkeit des MIV möglichst nicht beeinträchtigt wird. Statt einer Licht-
signalanlage könnte die Gestaltung das flächige Queren anbieten, sodass Fußgänger
nicht gebündelt, sondern vereinzelt die Straße queren. Eine andere Möglichkeit ist die
Bereitstellung von eigenen Ladezonen, sodass einem Be- und Entladen in zweiter Reihe
vorgebeugt wird. Die Gestaltung muss jedoch auch höhere Geschwindigkeiten ausschlie-
ßen, zum Beispiel durch optisch verengte Fahrbahnen. Aus betrieblicher Sicht lässt sich
ebenfalls Verkehr verstetigen. Eine Grüne Welle ist dabei nur eine Maßnahme. Denkbar
wären außerdem überarbeitete LSA-Schaltungen oder eine gesonderte Führung des ge-
radeaus fahrenden Fahrradverkehrs an Kreuzungen.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
24
5.4.4 Verlangsamung
Während bei der Verstetigung des motorisierten Verkehrs seine Verlangsamung eher als
Nebeneffekt auftritt, können Maßnahmen auch gezielt zur Geschwindigkeitsminderung
eingesetzt werden. Das hätte den Effekt, Lärm- und Schadstoffbelastungen zu reduzieren
und die Verkehrssicherheit zu verbessern. Neben reinen Geschwindigkeitsbegrenzungen
kann auch die Straßenraumgestaltung einen Teil dazu beitragen.
5.4.4.1 Verlangsamung durch Gestaltung
Die Gestaltung des Straßenraums beeinflusst unmittelbar den Verkehr. Ein Maß für diese
Beeinflussung ist der Durchgangswiderstand.60 Er beschreibt die Durchlässigkeit der
Straße in Bezug auf den motorisierten Verkehr. Während die Fahrbahn früher schlicht mit
Hindernissen verstellt wurde, um die Fahrlinie zu verschwenken und damit die Geschwin-
digkeit zu senken, steht heute ein gesamtheitlicher, die Randnutzungen einbeziehender
Ansatz im Vordergrund. Die starre Aufteilung des Straßenraums nach dem Trennungs-
prinzip wird dabei aufgeweicht, jedoch nicht in dem Sinne, dass eine Mischverkehrsfläche
entsteht. Vielmehr wird die Interaktion zwischen Straße und Randnutzungen erhöht, in-
dem diese gestalterisch besser aufeinander abgestimmt werden. Denkbar ist eine Nivel-
lierung des Straßenraums oder Absenken der Borde auf drei Zentimeter mit unterschiedli-
chen Materialien für Seitenbereich und Straße.
Abbildung 6: Erhöhter Durchgangswiderstand durch angepasste Gestaltung
QUELLE: Bundesamt für Umwelt (BAFU): Nachhaltige Gestaltung von Verkehrsräumen im Siedlungsbereich – Grundlagen für Planung, Bau und Reparatur von Verkehrsräumen. Bern, 2011. S. 49.
60 Bundesamt für Umwelt (BAFU), 2011. S. 42.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
25
Je auffälliger die Materialien sind, etwa durch eine charakteristische Pflasterung, desto
mehr Identität erhält der Ort und umso angepasster sind die Geschwindigkeiten. Dieser
Effekt kann durch Nutzungen verstärkt werden, die in den Straßenraum „hineinragen“,
zum Beispiel zur Straße offene Verkaufsauslagen oder Café-Aufstellflächen (vgl. Abbil-
dung 6). Durch den direkten Kontakt mit den Randnutzungen sieht sich der Kfz-Fahrer
einem höheren Durchgangswiderstand ausgesetzt. Er muss die vielfältigen Reize verar-
beiten und darauf entsprechend reagieren – und fährt entsprechend langsamer. Obwohl
der Kfz-Verkehr weiterhin bevorrechtigt ist, kann seine Stellung darüber hinaus durch op-
tische Übergangsbereiche geschwächt werden. Derartige Bereiche könnten mit gepflas-
terten Teilabschnitten oder besonderen Markierungen wie quer liegenden Zebrastreifen
umgesetzt werden.61 Des Weiteren kann eine optische Verengung der Fahrbahn, etwa
durch Markierung oder abgesetzte Pflasterung, den Kfz-Verkehr verlangsamen.
5.4.4.2 Verlangsamung durch Tempobeschränkungen
Der induzierten Geschwindigkeitsreduzierung durch angepasste Gestaltung steht die an-
geordnete Tempolimitierung gegenüber. Zwar sollten in der Regel auch hier begleitende
Umgestaltungsmaßnahmen stattfinden, vor allem bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von
20 km/h, die Praxis sieht jedoch meist anders aus. Dabei steht die Akzeptanz solcher
Tempobeschränkungen in direktem Zusammenhang zur Straßenraumgestaltung. Ohne
begleitende Gestaltung wird nur die Wirkung statt der Ursache bekämpft. Geschwindig-
keitsbeschränkungen von 30 km/h sind eine Abstufung der zulässigen Höchstgeschwin-
digkeit in Ortschaften (meist 50 km/h). Sie werden vor allem zur Minderung der Lärmbe-
lastungen eingerichtet, aber auch zur Verbesserung der Querbarkeit und Verkehrssicher-
heit.62 Immer häufiger sind sie innerhalb von Zonierungen (Tempo-30-Zone) Teil einer
Netzhierarchie. Auf diese Weise entstehen Rückzugsgebiete, vor allem für das Wohnen.
Hier weicht der Durchgangsverkehr zum Teil auf das „schnelle“ Netz aus, der Schwerver-
kehr wird ebenfalls reduziert. Geringere Höchstgeschwindigkeiten als 30 km/h, etwa 20
oder 10 km/h (Tempo-10- bzw. Tempo-20-Zone), werden vor allem in sensiblen Innen-
stadtbereichen mit einer hohen Dichte schützenswerter Gebäude eingerichtet. Diese be-
sonderen Bereiche zeichnen sich durch eine hohe Frequentierung von Fußgängern aus,
wodurch sich der Anspruch einer hohen Aufenthaltsqualität und Verkehrssicherheit ergibt.
Die historischen Straßen sind oft eng und gepflastert. Auf diese Weise kommt der Lär-
mentlastung eine hohe Bedeutung zu. Auch die Erschütterungen durch den Schwerlast-
verkehr sind in Anbetracht historischer Baumasse zu minimieren.
61 DePauli-Schimanovich, W.: Über die Zukunft der Verkehrs-Technik und -Planung in Europa. Passagen.
Wien, 2003. S. 320. 62 H. P. Lindenmann: Beurteilung der Auswirkungen von Zonensignalisationen (Tempo 30) in Wohngebieten auf die
Verkehrssicherheit. ETH Zürich, Institut für Verkehrsplanung, Transporttechnik, Strassen- und Eisenbahn-bau (IVT). März 2000.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
26
5.5 Klassifikation nach Straßenfunktion
Die Klassifizierung von Straßen erfolgt in zahlreichen Ländern nach ähnlichen Prinzipien.
Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Etablierung der erwähnten Netzhierarchie. Die
Unterscheidung wird dabei gewöhnlich nach der Verbindungs-, der Erschließungs- und
der Aufenthaltsfunktion der jeweiligen Straßen vorgenommen. Um Straßen nachhaltig zu
gestalten, ist vor allem die Funktion in Bezug auf die Urbanität relevant. Die verträgliche
Berücksichtigung der Funktionsansprüche von Aufenthalt und Verbindung ist – wie an-
fangs erwähnt – nicht trivial (vgl. Abschnitt 2.2).
Im Rahmen des EU-Projekts ARTISTS („Arterial Streets Towards Sustainability“) wurde
ein Lösungsansatz entwickelt, der Straßen ihrer Funktion nach klassifiziert und das Stra-
ßendesign davon abhängig macht. Demnach hat eine Straße bzw. jeder Straßenabschnitt
sowohl einen bestimmten Verbindungsstatus als auch einen Status in Bezug auf die städ-
tischen Aktivitäten und physischen Qualitäten des Ortes.63 Dieser Zusammenhang lässt
sich in folgendem Schema darstellen.
Abbildung 7: Funktionelle Straßen-Klassifikation des ARTISTS-Projekts
QUELLE: European Commission Fifth Framework Programme: Arterial streets for people. Ab-schlussbericht des ARTISTS-Projekts. S. 28. Übersetzte Darstellung.
Der Ansatz setzt die Identifizierung eigenständiger Straßenabschnitte und Orte voraus,
die für sich genommen klassifiziert werden. Indikatoren dafür sind Veränderungen im
Querschnitt, variierende Zuständigkeitsbereiche (verschiedene Straßenbehörden), bauli-
cher Charakter, Raumnutzung und Fußgängeraufkommen der Straße.63
Straßenabschnitte mit hohem Verbindungsstatus und niedrigem Ortsstatus können Raum
für den Durchgangsverkehr beanspruchen, während Straßen mit umgekehrter Klassifika-
tion mehr Raum für Stadtaktivitäten erhalten können. Wenn beide Funktionen hoch sind,
ist eine ausgeglichene Verteilung des Straßenraums notwendig. Wenn das nicht möglich
ist, soll eine der beiden Funktionen herabgestuft werden.63
63 Abschlussbericht ARTISTS-Projekt. Appendix A: A procedure for street classification.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
27
6 Umfassende Lösungskonzepte im Stadtgefüge
Die vorab vorgestellten Lösungsansätze lassen sich nicht kategorisch in konventionelle
und modernere Ansätze einteilen. Gleichwohl sind sie Bausteine, mit denen es die ange-
wandte Verkehrsplanung versteht, städtische Nutzungskonflikte im Rahmen umfassender
Lösungskonzepte zu lösen. Dafür kann zum einen der MIV geschwächt, zum anderen der
NMIV gestärkt werden. Einige der folgenden Lösungskonzepte werden inzwischen in vie-
len europäischen Städten erprobt und angewendet, etwa die „klassische“ Fußgängerzone
oder die City-Maut. Andere Prinzipien müssen sich in neuen, alternativen Lösungskonzep-
ten erst bewähren.
6.1 Schwächung des MIV
6.1.1 Einfahrgebühr für Innenstädte – Die City-Maut
Der Gedanke, Innenstädte mit einem Sperrgürtel zu versehen, der nur gegen ein Entgelt
passiert werden darf, hat seinen Ursprung in der Wirtschaftstheorie. Demnach ist es sinn-
voll, dass Straßenbenutzer die von ihnen verursachten externen Kosten (Emissionen von
Schadstoff und Lärm, Flächenverbrauch, Stauwirkungen), durch die andere beeinträchtigt
werden, mit einen monetären Beitrag ausgleichen. Dieser Beitrag sollte genauso hoch
sein wie die Kosten, die durch einen Einzelnen verursacht werden. Soziale Effekte, wo-
nach ärmere Personen benachteiligt werden, sollten durch eine Förderung von Gütern der
Allgemeinheit, etwa dem öffentlichen Nahverkehr, mit Hilfe der entstehenden Einnahmen
ausgeglichen werden. Die Einführung einer City-Maut sehen 19 % der EU-Bürger als not-
wendige Lösung für Umweltprobleme in Bezug auf den Verkehr (vgl. Abbildung 3).48 Kritik
am Konzept bemängelt mitunter fehlende Kapazitäten des Nahverkehrs und Verdrän-
gungseffekte des fließenden und ruhenden Kfz-Verkehrs in die angrenzenden Bezirke.
Für die City-Maut in London wurden zur Einführung im Jahr 2003 die Ziele definiert, Stau
zu reduzieren, das Busangebot und Reisezeiten für den Kfz-Verkehr zu verbessern sowie
die Verteilung von Gütern und Dienstleistungen effizienter zu gestalten.64 Die Verkehrs-
nachfrage sollte sich besser auf den Tag verteilen, Stauwirkungen reduziert und die Infra-
struktur effektiver genutzt werden. Durch die anvisierte Verringerung des Verkehrsauf-
kommens sollte sich zudem der Verkehrsfluss verbessern. Neben diesen unmittelbaren
Effekten für den motorisierten Verkehr sollten sich Nebenwirkungen ergeben, vor allem
eine Veränderung des Modal Splits, also eine stärkere Nutzung des öffentlichen Verkehrs,
umweltfreundlicher Fahrzeuge, Fahr- und Motorräder sowie der eigenen Füße.
64 Transport for London: Central London Congestion Charging – Impacts monitoring – Sixth Annual Report,
July 2008. Juli 2008. S. 1.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
28
Inwiefern diese Zielvorgaben im Allgemeinen mit dem Konzept einer City-Maut erreicht
werden können, lässt sich gut am Londoner Beispiel nachvollziehen. Die dortigen Behör-
den haben die Auswirkungen der Maut mit einem Monitoring-Programm fünf Jahre lang
verfolgt.
Nach einem halben Jahr hatte sich der Verkehr in die Zone hinein um 60.000 Fahrzeuge
verringert. Es wird davon ausgegangen, dass davon 50 bis 60 % auf den Nahverkehr um-
gestiegen sind. 20 bis 30 % haben die Zone gemieden und sind auf umliegende Bereiche
ausgewichen (Verkehrsverlagerung). Die restlichen 15 bis 25 % haben Fahrgemeinschaf-
ten gebildet, haben generell weniger Fahrten unternommen (Verkehrsvermeidung), sind
außerhalb der Mautzeiten gefahren oder sind verstärkt auf Fahrräder und Motorräder
ausgewichen.65 Den Verdrängungseffekten vor allem im Bezug auf das Parken wurde
vorgebeugt, indem schärfere Restriktionen durchgeführt und regelmäßig kontrollierte
Parkzonen eingeführt wurden. Nach vier Jahren hat sich der Verkehr in den Kordon hinein
um 30 % reduziert. Die Abnahme beträgt jedes Jahr kontinuierlich 5 bis 7 %, was Schlüs-
se nahelegt, wonach Personen langfristig ihren Wohnort oder ihren Lebensstil ändern.66
Das Aufkommen an Taxis, Bussen und Fahrrädern wuchs hingegen weiter stetig an. Das
Aufkommen des Binnenverkehrs hat sich kaum verändert.
Die Verkehrsverteilung über den Tag hat sich dagegen etwas ausgeglichen. Während der
Verkehr innerhalb der Mautzeiten reduziert wurde (werktags 7 bis 18 Uhr), sind direkt da-
vor und danach Verkehrsspitzen entstanden.66 Der Verkehrsfluss wurde anfangs deutlich
verbessert, verschlechterte sich jedoch nach drei Jahren wieder auf das ursprüngliche
Niveau. Gründe dafür sind vermutlich verschiedene Maßnahmen zur Erhöhung der Ver-
kehrssicherheit von Fußgängern und Fahrradfahrern, vor allem aber lang andauernde
Straßenbauarbeiten. Ohne sichtbare Wirkung der City-Maut wurden Vorwürfe laut, das
Konzept verfehle seinen Zweck.67 Dabei wird geschätzt, dass sich die Durchschnittsge-
schwindigkeit ohne die City-Maut innerhalb dieser drei Jahre von 17 auf 11,5 km/h ver-
schlechtert hätte.66
Eine Verbesserung der Luftqualität ist kein erklärtes Ziel der City-Maut – im Gegensatz
zur Umweltzone (vgl. Abschnitt 6.1.2). Dennoch wurde eine deutliche Abnahme der
Schadstoffe in der Luft registriert.68 Die zuständige Verkehrsbehörde Transport for London
räumte jedoch ein, dass eine Reduktion der Schadstoffemissionen höchstens einmalig
nach der Einführung der Maut eintreten würde.66 Eine unabhängige Studie des Health 65 Transport for London: Congestion Charging – 6 months on. 23. Oktober 2003. 66 Transport for London: Central London Congestion Charging – Impacts monitoring – Fifth Annual Report,
July 2007. Juli 2007. 67 BBC News: Congestion charge ‚not working’. 23. November 2007. URL: http://news.bbc.co.uk/
2/hi/uk_news/england/london/7109727.stm. Abgerufen am 30. August 2012 68 Transport for London: Central London Congestion Charging – Impacts monitoring – Fourth Annual Report,
June 2006. Juni 2006.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
29
Effects Institute aus dem Jahr 2011 sieht zudem wenig Anhaltspunkte, dass die Maut die
Luftqualität verbessert hat. Es sei schwierig, einen solchen Einfluss angesichts der Ein-
flüsse regionaler Luftverschmutzungen und Wetterwechsel von einer räumlich begrenzten
Maßnahme abzuleiten.69
Das Busangebot wurde mit Einführung der City-Maut verbessert. Neben zusätzlichen
Fahrzeugen wurden Busrouten angepasst und erweitert. In Folge konnte die Anzahl der
Wege pro Tag mit dem Bus von unter 90.000 auf 116.000 gesteigert werden. Die Benut-
zerzahlen für U-Bahn und Regionalbahn haben sich nur leicht bzw. gar nicht verändert.66
Die Verkehrsunfälle sind mit der City-Maut leicht zurückgegangen. Den größten Rückgang
erfuhren Pkw und Motorräder, während Fahrräder sogar eine leichte Verschlechterung
erlebten, was weitgehend dem erhöhten Modal Split zuzuschreiben ist.66 Vom allgemei-
nen Rückgang der Unfälle mit Körperverletzten sind schätzungsweise 40 bis 70 Vorfälle
pro Jahr der City-Maut beizumessen.68
6.1.2 Umweltverträgliche Fahrzeugstandards – Die Umweltzone
Ein anderer Ansatz, die Lebensqualität in den Städten zu erhöhen und die Wirkung des
Kfz-Verkehrs zu mindern, ist die Verbesserung der Luftqualität. Vorgaben der Europäi-
schen Union sehen die Erstellung von Luftreinhalteplänen oder Lärmaktionsplänen vor70
und definieren Grenzwerte, zu deren Einhaltung die Mitgliedsstaaten verpflichtet sind.71 In
vielen Städten, wo die Grenzwerte überschritten werden, entstehen Umweltzonen, weil
ein Großteil der Schadstoffemissionen dem Kfz-Verkehr zugerechnet wird.72 Fortan wer-
den Kfz entsprechend ihrer Erfüllung der europäischen Abgasnormen73 mit Plaketten
ausgestattet. In einem meist mehrstufigen Prozess werden Fahrzeuggruppen schrittweise
ausgeschlossen, bis nur noch Fahrzeuge mit „grüner“ Plakette zugelassen sind.
Laut Umweltbundesamt kann der Jahresmittelwert an Schadstoffen in der Luft bereits in
der ersten Stufe, in der noch vergleichsweise viele Fahrzeuge zugelassen sind, um 2 %
sinken. Das entspricht jährlich fünf Tagen, an denen die Grenzwerte nicht überschritten
werden. In der letzten Stufe ist bereits eine Reduzierung um 10 % zu erwarten, das ent-
spricht 25 Überschreitungstagen.72 Dennoch kommt es immer wieder zu Kritik, wonach
Umweltzonen unwirksam seien. Die minimalen Effekte in Bezug auf die Luftqualität stün-
69 Green Car Congress: HEI study finds London Congestion Charging Scheme shows little evidence of im-
proving air quality. 27. April 2011. URL: http://www.greencarcongress.com/2011/04/hei-study-finds-london-congestion-charging-scheme-shows-little-evidence-of-improving-air-quality.html. Abgerufen am 30. August 2012.
70 Europäische (Umgebungslärm-)Richtlinie 2002/49/EG. 71 Europäische Richtlinien 96/62/EG, 1999/30/EG und 2008/50/EG. 72 Umweltbundesamt (UBA): Kurzinformation zum Thema „Umweltzonen in Deutschland“. Berlin, 2008.
http://www.umweltbundesamt.de/umweltzonen/umweltzonen.pdf. Abgerufen am 31. August 2012. 73 Europäische Richtlinie 70/220/EWG und Verordnung 715/2007/EG (Euro 5, Euro 6).
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
30
den nicht im Verhältnis zum bürokratischen und technischen Aufwand. Der ADAC unter-
suchte drei Umweltzonen und verglich die Luftreinheit mit Referenzstädten in der Nähe.74
Die Städte mit den Umweltzonen schnitten dabei nicht besser ab als die Vergleichsstädte
und die hohe Streuung (sowohl Zu- als auch Abnahmen) ließen keinen Trend erkennen.
Scheinbar sind andere Einflüsse – etwa das Wetter – so dominant, dass mögliche Effekte
überdeckt werden. Obwohl der Anteil des Kfz-Verkehrs am Feinstaub nur etwa 5 % be-
trägt und signifikante Schadstoffreduzierungen oftmals ausbleiben, ist eine Einführung
von Umweltzonen aus gesundheitlicher jedoch Sicht sinnvoll. Autos produzieren den
größten Anteil hoch toxischer Schadstoffe. Allein der Einsatz von Rußfiltern bei Diesel-
fahrzeugen bringt erhebliche Verbesserungen.75 Zusätzlich bewirken Umweltzonen ein
geringeres Verkehrsaufkommen, sodass insgesamt weniger gesundheitsrelevanter Fein-
staub eingeatmet wird, als die Messstationen vermuten lassen.75
6.1.3 Bepreisung von Stellflächen – Die Parkraumbewirtschaftung
Der übermäßigen Inanspruchnahme von Flächen des Straßenraums durch den ruhenden
Verkehr und den daraus resultierenden Nutzungskonflikten (vor allem durch illegales Par-
ken) kann durch die Anwendung einer Parkraumbewirtschaftung Abhilfe geschaffen wer-
den. In Gebieten, wo eine Anwendung sinnvoll ist, steht die hohe Nachfrage nach Park-
raum einem zu geringen Angebot gegenüber. Dieser Umstand erzeugt einen starken
Parksuchverkehr, dessen Umweltauswirkungen erheblich sind. Die Anzahl der zur Verfü-
gung stehenden Stellflächen, also das Angebot, kann jedoch im verdichteten Innenstadt-
bereich nicht erhöht werden, was gesellschaftlich auch nicht vertretbar ist. Eine Verringe-
rung der Stellplätze ist wegen des hohen Parkdrucks oftmals nicht möglich, obwohl sich
22 % der EU-Bürger dafür aussprechen (vgl. Abbildung 3),48 was der wahrgenommenen
Präsenz der parkenden Autos im Stadtbild anzulasten ist. Die Reduzierung von Parkstän-
de sollte, sofern möglich, Bestandteil einer Parkraumbewirtschaftung sein.
Im Wesentlichen regelt die Parkraumbewirtschaftung jedoch die Nachfrage durch eine
Bepreisung der Stellplätze – gestaffelt nach Nachfragedruck. Nachfragegruppen, die auf
die Stellplätze nicht zwingend angewiesen sind, wie etwa Kunden und Beschäftigte, ver-
lagern daraufhin ihren Verkehrsweg auf andere Verkehrsmittel (Verkehrsverlagerung).
Der freigewordene Parkraum vermindert den Parksuchverkehr und Lärm- sowie Abgasbe-
lastungen sinken. Zusätzlich können Geschäftstreibende, Anwohner und deren Besucher
Dauervignetten zu vergünstigten Konditionen erhalten. Für den Lieferverkehr werden vor
allem bei Nutzungscharakteristiken mit ausgeprägter Einzelhandelsnutzung vereinzelt
74 ADAC: Wirksamkeit von Umweltzonen. Juni 2009. URL: http://www.adac.de/_mmm/pdf/
umweltzonen_wirksamkeit_bericht_0609_43574.pdf. Abgerufen am 31. August 2012. 75 Wichmann, H.-E. (Helmholtz Zentrum München): Schützen Umweltzonen unsere Gesundheit oder sind sie
unwirksam? Umweltmed Forsch Prax 13 (1) 2008. URL: http://www.helmholtz-muenchen.de/fileadmin/ EPI/PDF/Aktuelles/Newsletter/Umweltzonen_Gesundheit_Wichmann.pdf. Abgerufen am 31. August 2012.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
31
Ladezonen eingerichtet.76 In diesen Gebieten wird meist das Prinzip des Kurzparkens
angewendet, damit kurze Erledigungen getätigt werden können. Dabei wird die Höchst-
parkdauer auf zum Beispiel 15 Minuten oder 2 Stunden festgesetzt, um den Umschlags-
grad der Parkflächen zu verbessern (Parkplatzrotation). Andere Formen sind das Misch-
und das Bewohnerparken. Das Bewohnerparken findet vor allem in Gebieten mit verdich-
teter Wohnnutzung mit angrenzenden Arbeitsplatzkonzentrationen oder anderen besu-
cherintensiven Nutzungen Anwendung.76 Das Mischparken sollte generell in Gebieten mit
hoher Nutzungsdichte und hohem Parkdruck eingeführt werden. Eine besondere Form
der Parkraumbewirtschaftung ist die Parkverbotszone, in der das Parken generell verbo-
ten ist (außer in besonders gekennzeichneten Bereichen, die in der Regel kostenpflichtig
sind).
Die Ziele der Parkraumbewirtschaftung sind vor allem die Verkehrsverlagerung von Be-
rufspendlern, eine Verringerung des Parkdrucks, erhöhte Parkchancen für Bewohner und
Kurzzeitparker und eine Verringerung des Parksuchverkehrs.76 Davon abgeleitete Ziele
sind geringere Umweltbelastungen, weniger Fahrten mit dem MIV (und mehr Fahrten mit
dem ÖPNV) und die Senkung der ordnungswidrigen Flächenbenutzung. Damit geht auch
die Verbesserung der Verkehrssicherheit einher, indem etwa Kreuzungsbereiche nicht
durch parkende Fahrzeuge verstellt werden und somit die Sichtbeziehungen gewahrt
bleiben. Ein besonderes Augenmerk gilt dem Kurier- und Lieferverkehr, für die ein Kurz-
parken meist nicht ausreichend ist. In Deutschland darf in eigens eingerichteten Ladezo-
nen, etwa in Form eingeschränkter Halteverbote, nur zum Be- und Entladen oder Ein- und
Aussteigen und höchstens drei Minuten gehalten werden.77
6.1.4 Verkehrsführungen wider den Durchgangsverkehr
Nach dem Eurobarometer sprechen sich 43 % der EU-Bürger dafür aus, Autoverkehr ge-
nerell zu verringern (vgl. Abbildung 3).48 Ein Ansatz dafür ist, den Durchgangsverkehr zu
unterdrücken, indem Verkehrsregelungen die Verkehrsführung so organisieren, dass in-
nerstädtische Bereiche nicht mehr adäquat durchquert werden können. Dies hat eine er-
hebliche Reduzierung des Verkehrsaufkommens zur Folge – der Verkehr verpufft (Evapo-
ration, vgl. Abschnitt 5.4.1). Durch ein System aus eingeschränkt befahrbaren Zufahrten
und Straßen (die nur für ÖPNV, Taxis und Fahrräder freigegeben sind), Durchfahrtssper-
ren, Abbiegeverboten und Einbahnstraßen kann gewährleistet werden, dass es nur für
den Zielverkehr des MIV sinnvoll ist, die Innenstadt zu befahren (vgl. Abbildung 8).78 Eini-
ge Straßen können generell nur für den ÖPNV freigegeben werden. Andere können wie- 76 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin: Leitfaden Parkraumbewirtschaftung. Berlin, 2004. S. 8.
URL: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/verkehr/politik_planung/strassen_kfz/parkraum/download/ leitfaden_parkraumbewirtschaftung.pdf. Abgerufen am 1. September 2012.
77 StVO, Anlage 2: Vorschriftszeichen. Nr. 63, Zeichen 286 „Eingeschränktes Halteverbot“. 78 Europäische Kommission, 2004. Case study 7, Cambridge, England; Case study 8, Oxford, England. S. 42ff.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
32
derum dem Fußgängerverkehr vorbehalten sein, entweder unter Zulassung des ÖPNV
oder als reine Fußgängerbereiche. Denkbar sind auch Fußgängerbereiche, die das Be-
fahren von Kfz generell zulassen, aber zeitlich einschränken, etwa werktags von 10 bis
16 Uhr. Umfahrungsmöglichkeiten führen den Durchgangsverkehr um die Innenstadt her-
um (Verkehrsverlagerung). Das Konzept hat den Vorteil, dass die Erschließung mit dem
Kfz gewährleistet wird, gleichzeitig aber eine erhebliche Steigerung der Aufenthaltsqualität
zu erwarten ist.
Abbildung 8: Verkehrsführung im Stadtzentrum von Cambridge
QUELLE: Europäische Kommission: Reclaiming city streets for people – Chaos or quality life? Luxemburg 2004. S. 43.
Das Beispiel zeigt die überarbeitete Verkehrsführung in der Altstadt von Cambridge. Die
Stadt litt unter stetigen verkehrlichen Überlastungen. Der Nahverkehr hatte unter Ver-
spätungen zu leiden. Die europäischen Richtwerte für Stickstoffdioxid wurden an 24 von
27 Messstellen überschritten. Prognosen gingen dazu bis 2016 von einer Steigerung des
Verkehrsaufkommens um 27 bis 48 % aus.78 Neben der Reurbanisierung der Innenstadt
sollten vor allem der öffentliche Verkehr, das Zufußgehen und Fahrradfahren an Populari-
tät gewinnen. Begleitende Maßnahmen wurden initiiert, etwa die Erhöhung der Parkti-
cketpreise: Zwei Stunden Parken wurden teurer als ein Park-and-Ride-Ticket für den
ÖPNV („Peitsche“), während die Bedingungen und Anreize für die anderen Verkehrsarten
immer weiter verbessert wurden („Zuckerbrot“).78
Bereits 1997 wurde die zentrale Verkehrsstraße, die Bridge Street, probeweise 18 Monate
für den Durchgangsverkehr gesperrt. Davon waren etwa 9.000 Fahrzeuge pro Tag betrof-
fen.78 Opposition gegen das Projekt wurde laut, die Staus in den benachbarten Straßen
fürchtete und den eingeschränkten Zugang zur Innenstadt generell bemängelte, vor allem
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
33
in Bezug auf den Einzelhandel. Eine umfangreiche Untersuchung konnte diese Bedenken
nicht bekräftigen, sodass die Sperrung nach der Testphase permanent wurde. Zwei Jahre
später folgte die Sperrung der Emmanuel Road und die heutige Verkehrsführung wurde
komplettiert.
Das Modellprojekt aus Cambridge lässt sich auf die Methodik der ARTISTS-Straßen-
Klassifikation übertragen (vgl. Abschnitt 5.5). Demnach gab es für die Innenstadt von
Cambridge sowohl einen hohen Verbindungsstatus als auch einen hohen Status des Or-
tes. Um diesen Konflikt zu lösen, wurde der Verbindungsstatus der Straßen im Innen-
stadtbereich herabgestuft, von denen die Bridge Street und die Emmanuel Road die be-
deutendsten ist. Hier sind die größten Wirkungen zu erwarten.
Abbildung 9: Veränderte Straßen-Klassifikation der Innenstadt von Cambridge
QUELLE: Eigene Darstellung.
Das Verkehrsaufkommen wurde in beiden Straßen erheblich reduziert. In der Bridge
Street verkehrten 85 %, in der Emmanuel Road 78 % weniger Fahrzeuge. Die Verkehrs-
belastung über den Fluss Cam ist um 6.000 Fahrzeuge täglich zurückgegangen. In
Oxford, wo ein vergleichbares Projekt durchgeführt wurde, gingen die Verkehrsbelastun-
gen ebenfalls deutlich zurück, während in den umliegenden Straßen kein Anstieg des
Verkehrsaufkommens registriert wurde.79 Eine Untersuchung der Auswirkungen auf den
ÖPNV hat gezeigt, dass in Oxford 8 bis 9 % mehr Fahrgäste den Bus nutzen, das sind
2.000 Personen.78 Der Modal Split hat sich deutlich zugunsten des Busverkehrs verscho-
ben: Vor den Maßnahme lag der Pkw-Benutzungsgrad bei 54 %, der Busanteil bei 27 %.
Danach wurde nur noch für 39 % der Wege das Auto benutzt, während nun 44 % der
Verkehrsteilnehmer den Bus nutzten.78 Damit einher geht die stärkere Benutzung der
Park-and-Ride-Anlagen. Das Verkehrsaufkommen der Fußgänger in den zentralen Berei-
chen hat ebenso zugenommen; Verkehrszählungen bezeugen 8,5 % mehr Passanten,
das entspricht einem Anstieg um 6.000 Personen.78
79 Oxfordshire County Council Environmental Services: Review of impact of the central area changes.
27. Juli 2001.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
34
Ferner sind in Bezug auf die Luftqualität Verbesserungen eingetreten. Die Luftbelastung
hat sich zwischen 1997 und 1999 entweder verbessert oder ist konstant geblieben. Es
wird geschätzt, dass die Feinstaubbelastungen um 5 % zurückgegangen sind und dieser
Rückgang der neuen Verkehrsführung zuzuschreiben ist.78 In Oxford ging die Feinstaub-
belastung in den verkehrsberuhigten Bereichen bereits drei Wochen nach Inkrafttreten der
Maßnahme um 25 % zurück – die Belastungen durch Kohlenstoffmonoxid um sogar 75 %.
Zudem wurde überall in der Stadt weniger Stickstoffdioxid gemessen.78
6.1.5 Flächen des Kfz-Verkehrs zugunsten des ÖPNV reduzieren
Die Eigenschaft des Kfz-Verkehrs, große Flächen zu beanspruchen und enorme Umwelt-
wirkungen zu erzeugen legt den Schluss nahe, dass seine Flächen vorrangig in Bereiche
für den öffentlichen Verkehr umgewandelt werden sollten. Die damit einhergehende Ver-
besserung des Nahverkehrsangebots entspricht dem Wunsch von 69 % der EU-Bürger
(vgl. Abbildung 3) und ist damit das Konzept, das am meisten Zuspruch findet.48 Tatsäch-
lich wird ein Rückbau von Flächen des Kfz-Verkehrs zugunsten des ÖPNV vielerorts mit
Konsequenz durchgeführt, meist auf Grundlage von Nahverkehrsplänen, die eine Anreiz-
steigerung des Nahverkehrs fokussieren. Damit wird eine Verkehrsverlagerung (modal
shift) vom MIV auf den ÖPNV regelrecht erzwungen. Auch hier wird das Prinzip der Eva-
poration angewendet und die Erfahrungen zeigen, dass kein Verkehrschaos eintritt.56 In
Straßburg wurden Flächen des Kfz-Verkehrs für den Bau einer Straßenbahnlinie redu-
ziert, die nun die Fußgängerbereiche erschließt.
Abbildung 10: Reallokation von Straßenraum für die Straßenbahn in Straßburg
QUELLE: Google Street View. Rue du Noyer in Straßburg. Aufnahmedatum: August 2008.
Besonders deutlich wird das Prinzip in London am Verkehrsknotenpunkt Vauxhall. Der
dortige Knotenpunkt befindet sich im südlichen Teil des Londoner City-Maut-Bereichs und
war vor der Umgestaltung sechsarmig. Er war einer der am stärksten belasteten Knoten-
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
35
punkte in London mit 9.000 bis 10.000 Fahrzeugen täglich.80 Außerdem befindet sich hier
ein wichtiger Nahverkehrsumsteigepunkt für Bus, U-Bahn, den Regional- und den Fern-
verkehr. Die Vernetzung der Verkehrsträger war jedoch bis dato nicht im Sinne der Be-
deutung des Knotenpunkts. Umsteigewege wurden über Umwege und zum Teil über den
stark frequentierten Knotenpunkt geführt.
Um die Situation zu verbessern, sollten die Flächen des Kfz-Verkehrs um 20 % reduziert
werden, um Platz für ein neues Busterminal direkt vor dem Bahnhofsgebäude zu schaf-
fen. Sowohl von planerischer Seite als auch von den Medien wurden Bedenken geäußert,
wonach die Maßnahme eine deutliche Verschlechterung der Verkehrsqualität zur Folge
hätte und den Busverkehr selbst ausbremsen würde. Verkehrssimulationen prophezeiten
eine drastische Erhöhung der Staulängen um 267 %.80 Einzig die Rückendeckung der
Politik war konstant vorhanden. Um die Bedenken zu zerstreuen, wurde die Verkehrska-
pazität vor der eigentlichen Maßnahme durch veränderte Verkehrsführung und Ampel-
steuerung künstlich um 15 % verringert. Die Maßnahme selbst würde eine Reduzierung
um 20 % bedeuten. In Folge des Experiments wurden keine signifikanten Stauungen und
keine Störungen in den umliegenden Straßen festgestellt. Allerdings wurde in den Spit-
zenzeiten 2 bis 8 % weniger Verkehr gemessen und die auftretenden Staus waren kürzer
als davor.80
Somit konnte die Maßnahme umgesetzt werden. Neben der Errichtung des Terminals
wurden auch Anlagen für den Fahrradverkehr und sichere Übergänge für Fußgänger ein-
gerichtet. Während die Vorteile für die Umsteigebeziehungen unverkennbar sind, lässt
sich nur schwer einschätzen, wie viel Kfz-Verkehr im Nachhinein tatsächlich evaporiert ist.
Die Routenentscheidungen liegen zum Teil in anderen Stadtteilen und die Umlegung des
Verkehrs verteilt sich auf das gesamte Straßennetz. Allerdings zeigt das Beispiel, dass
eine Abweichung von der herkömmlichen Herangehensweise zur Lösung komplexer in-
nerstädtischer Nutzungskonflikte führen kann, ohne dass größere Kompromisse einge-
gangen werden müssen.
Ein anderes Beispiel für die Erhöhung der Attraktivität des ÖPNV und des Stadtraums
zuungunsten von Flächen des Autoverkehrs findet sich aktuell in Freiburg. Ende der
1990er Jahre wurde ein Teil der Ringstraße von vier auf zwei Fahrbahnen reduziert und
die freigewordenen Flächen zur Busspur umgewidmet.56 Nun folgt ein umfangreiches
Maßnahmenpaket, deren Herzstück die fußgänger- und nahverkehrsfreundliche Umge-
staltung des Platzes der Alten Synagoge ist (vgl. Abbildung 11).81 Dafür wird die Ring-
straße komplett unterbrochen. Entsprechende Ausweichkapazitäten werden geschaffen.
80 Europäische Kommission, 2004. Case Study 3, Vauxhall Cross, London, England. S. 28f. 81 Stadt Freiburg im Breisgau: Umgestaltung von Kronenstraße, Werthmannstraße, Rotteck- und Friedrichring
mit Stadtbahn. URL: http://www.freiburg.de/pb/,Lde/231769.html. Abgerufen am 5. September 2012.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
36
Abbildung 11: Neugestaltung des Platzes der Alten Synagoge in Freiburg
QUELLE: Stadt Freiburg im Breisgau: Visualisierung Platz der Alten Synagoge – Vogelper-spektive. Blick vom Regierungspräsidium. URL: http://www.freiburg.de/pb/,Lde/ 231789.html. Abgerufen am 5. September 2012.
Wie in Straßburg wird der neue Raum für den Bau einer Straßenbahnlinie verwendet, nur
dass der Kfz-Verkehr hier ausgeschlossen wird. Die Straßenbahn wird den neuen, 350
Meter langen Fußgängerbereich auf einer abgesetzten „Fahrbahn“ durchqueren. Dieser
Fahrbereich darf weiterhin auch vom Lieferverkehr genutzt werden. Die Zufahrten zu den
Stellplätzen sind für Anlieger erreichbar. Die neue Straßengestaltung fügt sich ein in das
Ensemble der großen öffentlichen Gebäude von Theater und Universität und lässt einen
neuen Stadtplatzcharakter entstehen (vgl. auch Abschnitt 6.2.3). Auch hier lässt sich die
Methodik des ARTISTS-Projekts anwenden (vgl. Abschnitt 5.5): Der Verbindungsstatus
des Standorts wurde zurückgesetzt und der städtebauliche Status gesteigert.
6.2 Stärkung des NMIV
6.2.1 Klassische Fußgängerzone
Die Fußgängerzone im klassischen Sinne beschreibt eine Verkehrsfläche, welche dem
Fußgängerverkehr vorbehalten ist. Andere Verkehrsteilnehmer sind nur durch Ausnah-
meregelungen zugelassen.82 Eine zeitweilige Aufhebung der Zufahrtsbeschränkung be-
trifft in erster Linie Versorgungsfahrzeuge, Lieferfahrzeuge und Fahrräder. Diese Ver-
kehrsteilnehmer haben dem Fußgängerverkehr Vorrang einzuräumen und sich seiner
Geschwindigkeit anzupassen.83 Die Straßenraumgestaltung ist auf die Bedürfnisse des
82 Vgl. § 76a StVO „Fußgängerzone“. 83 Höfler, F.: Verkehrswesen-Praxis, Band 1: Verkehrsplanung. Bauwerk. Berlin, 2004. S. 233ff.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
37
Fußgängerverkehrs abgestimmt. Dies spiegelt sich in der Wahl der Beläge und der Stra-
ßenmöblierung mit Bänken, Beleuchtung, Brunnen und Bäumen wider. Die gestalterische
Wirkung zeugt weniger von einem fortbewegenden, verkehrlichen Charakter, denn von
einer Aufenthaltssituation. Geschäfte, Restaurants und Cafés öffnen sich zur Straße hin
und laden zum Verweilen ein.
Dennoch waren Fußgängerzonen in der beschriebenen Form – die mittlerweile in zahlrei-
chen größeren und kleineren europäischen Städten Anwendung gefunden hat – ursprüng-
lich Bestandteil autogerechter Stadtplanung. Verkörperten sie doch die Organisation der
Verkehre nach dem Trennungsprinzip schlechthin.84 Fahrräder werden oftmals katego-
risch ausgeschlossen und die Einhaltung des Verbots wird selbst nachts scharf kontrol-
liert, etwa in München.85 Andernorts sind Fahrräder zwar zugelassen oder werden im
Probebetrieb getestet, bleiben jedoch im für Fußgänger gestalteten Straßenraum ein
Fremdkörper. Umgekehrt ist die vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit für Fahrräder
nicht kompatibel; es entsteht ein Unfallpotential. Während es im Begegnungsfall Fußgän-
ger – Fahrrad meist bei Beinaheunfällen bleibt, fühlen sich vor allem ältere Personen ver-
unsichert und gefährdet. Partiell zugelassener Lieferverkehr birgt ebenfalls das Risiko
schwerwiegender Unfälle – auch in Verbindung mit Fußgängern.86 Der Fahrradverkehr
wird aus diesem Grund in der Regel aus der Fußgängerzone verbannt, doch die Geschäf-
te sind vom Lieferverkehr abhängig. Der Zwist wird meist durch zeitliche Zulassungsbe-
schränkungen gelöst. Ein Zusatzschild regelt, dass Fußgängerzonen nur in den Randzei-
ten vom Lieferverkehr befahren werden dürfen. Die Straßenreinigung verkehrt ebenfalls in
den schwach frequentierten Zeiten vor oder nach den Geschäftszeiten.
Doch selbst mit diesen Kompromissen ist die Fußgängerzone nach wie vor ein Erfolgs-
modell. In größeren Kommunen haben sie sich als zentrale Orte öffentlichen Lebens er-
halten,87 sodass sich 46 % der EU-Bürger dafür aussprechen, weitere Fußgängerbereiche
einzurichten (vgl. Abbildung 3).48 Doch das Konzept bröckelt und ist in mittleren und klei-
nen Städten zusehends geschwächt.87 In den Außenbereichen der Städte entstehen im-
mer häufiger großflächiger Einzelhandel und ausgedehnte Einkaufszentren mit einer sehr
guten Erreichbarkeit und einem hohen Flächenangebot zu niedrigen Grundstückspreisen.
Diese Einkaufsmöglichkeiten in der Peripherie sind zunehmend eine Konkurrenz für Fuß-
84 Schmucki, B.: Stadt-(r)und-Fahrt gegen Verkehrsinfarkt: Motorisierung und urbaner Raum. In: Von Saldern,
A.: Stadt und Kommunikation in bundesrepublikanischen Umbruchzeiten. Franz Steiner. 2006. S. 313. 85 Süddeutsche Zeitung Magazin: Das Auslaufmodell. Heft 50/2009. Autor: Peter Praschl. 86 ADFC Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V.: Radfahren in Fußgängerzonen. 15. August 2012.
URL: http://www.adfc-nrw.de/willkommen-beim-adfc-nrw/newsbeitrag/article/348/radfahren-in-fussgaengerzonen.html. Abgerufen am 30. August 2012.
87 Westdeutsche Allgemeine Zeitung: Fußgängerzone – ein Auslaufmodell? 15. Oktober 2010. Autor: Hubert Wolf. URL: http://www.derwesten.de/region/rhein_ruhr/fussgaengerzone-ein-auslaufmodell-id3836164.html. Abgerufen am 30. August 2012.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
38
gängerzonen.88 Vielerorts bestehen Überlegungen, Fußgängerzonen in verkehrsberuhigte
Straßen umzuwandeln, um Kaufkraft zu gewinnen. Betroffen sind vor allem kleinere Städ-
te, in denen sich die großen Einkaufsmagneten nicht ansiedeln oder aus denen sie ab-
wandern.87 Ein Ansatz muss sein, die Fußgängerbereiche von ihrem Dogma der Kon-
sumparadiese zu befreien und sie stattdessen als lebenswerte und stadtverträgliche Zen-
tren zu etablieren. Die Innenstädte sind vor allem dann zukunftsfähig, wenn sie wand-
lungsfähig bleiben.88
Zusätzlich entstand nun eine Diskussion in Bezug auf den öffentlichen Raum. Aufent-
haltsqualität und städtische Lebendigkeit ließen sich in Fußgängerzonen vor allem vormit-
tags und in den Abendstunden nach Ladenschluss nur schwerlich finden und die Bereiche
veröden. Es würden Sammelpunkte für „Problemgruppen“ entstehen, die im Kontrast zur
Vorstellung von Urbanität in Form von Cafés etc. stünden.88 Themen wie Kriminalität, Si-
cherheit und Überwachung gerieten in den Fokus und Forderungen nach verstärkten Kon-
trollmaßnahmen wurden laut.89 Daraus resultieren stark reglementierte Bereiche, in denen
alle Randerscheinungen, die den Straßenraum mit Leben füllen (Straßenmusiker, Kunst-
projekte, Alkoholgenuss) zu Sondernutzungen avancieren oder verboten sind. In der Fol-
ge weichen diese Nutzungen auf andere Orte aus und die Fußgängerzone wird „zahm, so
eintönig, so leblos“.85 Es besteht der Vorwurf, dass die Stadtplanung nur Angebote für den
öffentlichen Raum bereitstellt, nicht aber die Akzeptanz von Aneignungs- und Nut-
zungsoptionen mit einbezieht.88 Andererseits sind einige Fußgängerzonen in Spitzenzei-
ten, vor allem in Form von „Einkaufsstraßen“, überlaufen und schnelllebig, sodass kaum
Gelegenheit zu Langsamkeit und Aufenthalt besteht.85 Flächige Fußgängerzonen wie in
Kopenhagen können das Fußgängeraufkommen besser verteilen und bieten Nischen für
kleinere Läden, die sich die Ladenmieten im zentralen Innenstadtbereich nicht leisten
können.
Die Nutzungsqualität von Fußgängerzonen ist stark von den städtebaulichen Rahmenbe-
dingungen abhängig, etwa der Lage zu großen Verkehrsstraßen und der Abschirmung
sensibler Bereiche von Lärm und Emissionen, die nur teilweise beeinflussbar sind. Eine
Verbesserung der Nutzungsqualität im Sinne einer Fußgängerzone erfordert meist einen
hohen finanziellen Aufwand, der von der öffentlichen Hand nur selten gewährleistet wer-
den kann.88 Dann müssen andere Konzepte gewählt werden, zum Beispiel eine Minde-
rung des Durchgangsverkehrs (vgl. Abschnitt 6.1.4).
88 Schubert, D.: Die Fußgängerzone – Auslaufmodell oder Beitrag zur Renaissance europäischer Stadtkultur?
In: Institut für Stadt- und Regionalplanung, TU Berlin (Hrsg.): Stadterneuerung – Aufwertung im Stadtum-bau. Berlin, 2008. S. 33ff.
89 Wehrheim, J.: Die überwachte Stadt. Sicherheit, Segregation und Ausgrenzung. Budrich. 2. Auflage. De-zember 2005.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
39
6.2.2 Fußgängerbereiche mit ÖPNV und Fahrrädern
Der Gedanke einer Betrachtung von Fußgängerbereichen unter Einbeziehung ganzer
Innenstädte und einer Integration des Nah- und Fahrradverkehrs führt zum Konzept „mo-
dernerer“ Fußgängerzonen. Die erwähnten Beispiele aus Straßburg und Freiburg (vgl.
Abschnitt 6.1.5) zeigen, dass Fußgängerzonen und Nahverkehr sich nicht ausschließen
müssen. Entgegen der allgemeinen Vorstellung verlieren Straßenbahnen in solchen Be-
reichen ihre Dominanz, weil sie in die Straßengestaltung integriert sind und von den Fuß-
gängern dementsprechend beachtet werden. Für Busse gilt das adäquat. Wenn es ge-
lingt, den Nahverkehr in diesen autofreien Bereichen zu etablieren, wäre das Problem der
Erschließung von „klassischen“ Fußgängerzonen um einiges entschärft.
Für das Fahrrad gilt: Sofern die Flächen der Fußgängerbereiche genügend Ausweich-
möglichkeiten bieten und der Fahrradverkehr in die Gestaltung integriert wird, etwa mit
eigenen Fahrbereichen, spricht nichts dagegen, ihn auszuschließen. Dieser Ansatz ist
sinnvoller, als durch ein Verbot Konflikte zu provozieren. In Berlin wird wie zum Trotz der
Europaradweg R1 über den Alexanderplatz geführt.90 Der Fahrradweg ist vom übrigen
Fußgängerbereich mit kleinen Metallnieten abgegrenzt und teilweise durch gleiche Pflas-
terung in die Straßengestaltung integriert. In anderen Bereichen ist der Fahrradweg mit
Asphalt und Pollern abgesetzt und mit Pfeilen markiert. Der Fahrradverkehr und seine
Stellung ist in beiden Fällen für den Fußgänger gut wahrnehmbar: Im ersten Fall ist der
Fahrradfahrer ein gleichberechtigter Verkehrsteilnehmer mit eigenen Schutzbereich. Im
zweiten Fall ist der Fahrradverkehr ein schnellerer Verkehrsteilnehmer und Fußgänger
erhalten Schutzbereiche. Nach diesem Prinzip der Schutzbereiche funktionieren auch
Begegnungszonen (vgl. Abschnitt 6.2.4), in denen selbst Autos mit Fußgängern harmo-
nieren.
Die Stadt Gent in Belgien ist ein gutes Beispiel für Städte mit autofreien Innenstädten, in
denen aber ÖPNV und Fahrräder zugelassen sind. Die Stadt nahm am EU-Programm
CIVITAS ELAN teil, dessen Ziel die Implementierung einer nachhaltigen Mobilität war.91
Die Innenstadt von Gent war bis Mitte der 1990er Jahre stark durch Ein- und Ausfallver-
kehre belastet. 1993 wurde eine Fahrradstrategie ins Leben gerufen, die eine Fahrradkul-
tur als Gegengewicht zum Autoverkehr etablieren sollte. Neben der Verbesserung der
Infrastruktur, vornehmlich in die City hinein, und der Vorbeugung von Diebstählen war vor
allem die Einrichtung einer Fahrradabteilung in der Stadtverwaltung maßgebend.92
90 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: Radrouten – Europaradweg R1 (West) – Etappe durch Mitte.
URL: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/verkehr/mobil/fahrrad/radrouten/de/europaradweg_west/ etappe_05.shtml. Abgerufen am 6. September 2012.
91 CIVITAS: Projekt CIVITAS ELAN. URL: http://www.civitas-initiative.eu/index.php?id=70& sel_menu=6&proj_id=10. Abgerufen am 11. September 2012.
92 CIVITAS: Demonstration City Gent. URL: http://www.civitas-initiative.eu/index.php?id=66& sel_menu=35&city_id=88. Abgerufen am 11. September 2012.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
40
1997 folgte der erste Mobilitätsplan. Statt sich für die Verkehrsberuhigung der Innenstadt
etwa für eine City-Maut zu entscheiden, wurde im Plan die Einrichtung einer Fußgänger-
zone favorisiert, wie für kleinere Städte üblicher. Um die Zone herum wurden für jede
Richtung sogenannte „Parkrouten“ festgelegt, mit denen die umliegenden Stellplätze und
Tiefgaragen – mit Hilfe eines Parkleitsystems – leicht erreicht werden konnten.93 Damit
war auch die Intermodalität zum ÖPNV und zum Fußgängerverkehr sichergestellt. Der
Einhaltung der Parkverbote wurde besondere Aufmerksamkeit zuteil. Zwischen den Park-
routen und der Fußgängerzone wurde die Geschwindigkeit auf 30 km/h herabgesetzt.
Weiterhin wurden Straßen und Plätze attraktiver gestaltet.93
Im Nachhinein scheint der Autoverkehr auch hier evaporiert, also verschwunden zu sein.
In den umliegenden Straßen wurde nur eine leichte Erhöhung der Verkehrsbelastungen
beobachtet, die zu den Stauungen zuvor kaum eine Verschlechterung darstellt. Die Be-
nutzung des öffentlichen Verkehrs erfuhr in den ersten zwei Jahren eine Steigerung um 3
bis 5 %, das entspricht 3.000 bis 5.000 mehr Fahrten pro Tag.93 Dadurch, dass Busse und
Straßenbahnen 80 % ihrer Wege in die Stadt hinein in eigenen Bereichen zurücklegen,
hat sich die Verkehrsqualität erheblich verbessert. Außerdem konnte die Qualität durch
Vermeidung illegal abgestellter Fahrzeuge und Verringerung von Verkehrsstaus verbes-
sert werden. Das Aufkommen des Fahrradverkehrs hat sich wie erhofft verbessert. Die
Unfälle mit Fahrrädern haben sich um etwa 30 % verringert.93
In Nürnberg erfuhr die Innenstadt zwischen 1988 und 1989 einen vorbildlichen Prozess
der Qualitätssteigerung, indem nach und nach immer mehr Bereiche für den Autoverkehr
gesperrt werden. Fahrräder und partiell Busverkehr sind zugelassen.
Abbildung 12: Fußgängerzone in Nürnberg mit Bus- und Lieferverkehr
QUELLE: Google Street View. Hauptmarkt/Schulgäßchen in Nürnberg. Aufnahmedatum: August 2008.
93 Europäische Kommission, 2004. S. 39f.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
41
Im weit ausgedehnten Fußgängerbereich wurde der Konflikt zwischen Fußgängern und
dem Lieferverkehr mit Hauptversorgungsrouten gelöst.94 Abseits dieser Routen ist Liefer-
verkehr nur mit Ausnahmen zugelassen. Zusätzlich existieren Zeitrestriktionen: Die Zu-
fahrt zum Marktplatz ist werktags von 5 bis 10 Uhr und 13 bis 21 Uhr und die Befahrung
der gesamten Zone nur von 18.30 bis 10.30 Uhr gestattet.
Interessanterweise wurde die Umwandlung der Innenstadt in eine Fußgängerzone ur-
sprünglich aus dem Grund vollzogen, die Luftqualität zu verbessern.94 Dementsprechend
wurden dazu umfangreiche Untersuchungen durchgeführt. Bereits ein Jahr nach der Ver-
kehrsberuhigung verbesserte sich das Niveau an Stickstoffdioxid (NO2) im historischen
Innenstadtbereich um 30 %. Die Belastungen durch Kohlenstoffmonoxid und Feinstaub
gingen um 15 % zurück. Vor der Fußgängerzone betrugen die NO2-Emmissionen über der
Innenstadt bis zu 80 μg/m3 und fielen in Richtung der Außenbezirke auf 35 bis 40 μg/m3
ab. Nach der Verkehrsberuhigung reduzierte sich der NO2-Anteil in der Altstadt auf das
Niveau der Außenbezirke (vgl. Abbildung 13). Obwohl die Verbesserungen den Einflüssen
verbesserter Fahrzeugtechnologien, geringerer Emissionen durch EU-Richtlinien, verrin-
gerten Tempolimits und einer Veränderung des Modal Split unterliegen, ist der Einfluss
der Fußgängerzone unverkennbar.
Abbildung 13: Typologie der Belastungen an NO2 in Nürnberg vorher und nachher
QUELLE: Europäische Kommission: Reclaiming city streets for people – Chaos or quality life? Luxemburg 2004. S. 34.
94 Europäische Kommission, 2004. S. 31f.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
42
6.2.3 Autofreie Stadtplätze als Identitätsobjekte
Die meisten der bisher vorgestellten Lösungsansätze und -konzepte beabsichtigen, neben
den anderen Zielen, den Städten (wieder) ein Gesicht zu geben. Die allgegenwärtige Prä-
senz von Fahrzeugen, etwa am Place de la Concorde in Paris, und seine beschriebenen
Auswirkungen aber auch austauschbare Fußgängerzonen haben den Städten teilweise
ihre Identität genommen. Mit den Maßnahmen soll diese Identität wiedererlangt werden.
Es soll ein Ort geschaffen werden, der von Urbanität geprägt ist – nicht von Verkehr.
Besonders exponierte Stadtbereiche, vor allem zentrale Plätze, bieten dafür enormes Po-
tenzial. In vielen Städten wurden Stadtplätze vom Autoverkehr befreit, die nun Orte der
Kommunikation und der Begegnung sind, etwa der Trafalgar Square in London. Dort wur-
de eine der am stärksten befahrenen Straßen Londons zwischen dem Platz und der Nati-
onal Gallery im Jahr 2003 in den Platz integriert, sodass ein völlig neues Platzgefühl ent-
stand.
Abbildung 14: Trafalgar Square nach der Umgestaltung der North Terrace
QUELLE: Forster+Partners: Trafalgar Square Redevelopment. URL: http://www.fosterandpartners.com/Projects/1046/Default.aspx
In der britischen Hauptstadt hat die Etablierung der City-Maut den Weg geebnet für wei-
tergehende Überlegungen für mehr Nachhaltigkeit im Stadtverkehr. Die ambitionierte Initi-
ative „World Squares for All“ wurde ins Leben gerufen, die den Raum zwischen Trafalgar
Square und Parliament Square betrachtete.95 Dabei wurde eine fußgängerfreundliche und
hochqualitative urbane Umgebung – vor allem für die Plätze selbst – sowie ein verbesser-
tes Verkehrsmanagement fokussiert. Insbesondere der Trafalgar Square hatte durch den
Autoverkehr erheblich an Qualität verloren. Der Platz geriet zu einem großen, hochbelas-
95 English Heritage: Capital Spaces transforming London. London, 2005. S. 19.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
43
teten Kreisverkehr. Pro Stunde verkehrten hier bis zu 1.500 Fahrzeuge.96 Der nördliche
Teil, die North Terrace, war ein Abschnitt der nationalen Route A4, die London und Bristol
miteinander verbindet.97 Die Wegebeziehungen zwischen den Sehenswürdigkeiten in der
Umgebung konnten nur mit Schwierigkeiten oder über Umwege wahrgenommen werden.
Der Platz war von der Stadt isoliert und befand sich in einer Insellage.
Mit der Unterbrechung des Verkehrs nördlich des Platzes wurde eine Art „Piazza“ mit ei-
ner großen Freitreppe errichtet. Nach der ARTISTS-Methodik wurde die North Terrace
von einer Straße vom Typ „Ia“ herabgestuft zum Typ „Va“ (vgl. Abbildung 7). Der Verbin-
dungsstatus sowie der Status des Ortes waren sehr hoch, sodass der Verbindungsstatus
der Straße radikal herabgesetzt wurde. Ergänzend wurde in den umliegenden Straßen die
Kapazität reduziert. Maßnahmen in der näheren Umgebung sollten die Verkehrsbelastung
des Platzes zusätzlich vermindern. Dazu gehören vor allem die Einrichtung von Busspu-
ren und gesicherter Fußgängerüberwege zur Verbesserung der Querungs- und Wartezei-
ten.97 Mit einem kleinen Kreisverkehr im Süden des Platzes wurden der Verkehrsfluss und
die Querbarkeit für Fußgänger zusätzlich verbessert.96
Die gemessenen Effekte waren ebenso deutlich wie die direkt wahrnehmbaren. Morgens
und abends hat sich das Verkehrsaufkommen um 40 % reduziert.97 Somit kann auch hier
von einer Evaporation bzw. einer Verkehrsverlagerung gesprochen werden. Zum Teil wird
die Abnahme des Verkehrs jedoch den Auswirkungen der City-Maut zugeschrieben. Hier
wird deutlich, dass verschiedene Maßnahmen ineinander greifen können und sollten. Die
Verbesserungen für den Fußgängerverkehr manifestieren sich in einer Verkürzung der
Wartezeiten an zehn Kreuzungen und einer Verdoppelung der Grünzeiten an fünf Kno-
tenpunkten.97
Die Wiederentdeckung der Plätze lässt sich in zahlreichen europäischen Städten verfol-
gen. Egal ob der Autoverkehr wie in London vollständig verbannt (z.B. Rådhuspladsen in
Kopenhagen), nur teilweise unter Vermeidung des Durchgangsverkehrs zugelassen (z.B.
Pariser Platz in Berlin) oder verträglich geführt wird, etwa in Begegnungszonen (vgl. Ab-
schnitt 6.2.4): Das Motto lautet: „Reclaim the streets!“ (dt.: „Erobert die Straßen zurück!“).
Das eindrucksvollste Beispiel dafür ist neben dem Trafalgar Square der Times Square in
New York. Dort wurden der Broadway unterbrochen und Fußgängerbereiche eingerichtet.
Nachdem eine 18-monatige Testsperrung eine Verringerung der Unfälle zur Folge hatte
und von Händlern und Touristen als Verbesserung wahrgenommen wurde, wurde die
neue Verkehrsführung im Jahr 2010 endgültig fixiert.98
96 Transportation Alternatives Magazine: London Reclaims Trafalgar Square, is Times Square Next? Ausgabe
Sommer 2003. S. 16. 97 Abschlussbericht ARTISTS-Projekt. Appendix C – Street Case Studies. Example Six: Trafalgar Square. 98 New York Times: New York Traffic Experiment Gets Permanent Run. 11. Februar 2010. Autor: Michael M.
Grynbaum. URL: http://www.nytimes.com/2010/02/12/nyregion/12broadway.html. Abgerufen am 9.9.2012.
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
44
Das erklärte Ziel der Verkehrsverwaltung war gewesen, eine Verbesserung des Verkehrs-
flusses und der Verkehrsqualität zu erreichen. Obwohl diese Ziele nicht oder nur gering-
fügig erreicht werden konnten, wurde die Maßnahme als Erfolg bezeichnet. Die Verbesse-
rungen in Bezug auf die Sicherheit der Fußgänger und den Fußgängerverkehr im Allge-
meinen und die ästhetische Verbesserung würden überwiegen.98
6.2.4 Straßenraum für alle – Die Begegnungszone
Das aktuellste und vielleicht auch vielversprechendste Prinzip der beschriebenen Lö-
sungskonzepte ist das der Begegnungszone aus der Schweiz. Besonders kritisch bei der
Betrachtung von Nutzungskonflikten sind immer diejenigen Bereiche, in denen die größte
Überschneidung von Nutzungsansprüchen vorherrscht, etwa auf Bahnhofsvorplätzen,
zentralen Stadtplätzen oder in Einkaufsstraßen. Die Begegnungszone empfiehlt sich für
genau diese Bereiche.53 Die Verkehrsteilnehmer sind zunächst gleichberechtigt und ver-
kehren gemeinschaftlich auf einer nivellierten Fläche. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt,
dass es sinnvoll ist, Schutzbereiche zu schaffen, in denen sich die Seitennutzungen ab-
spielen und Fußgänger sich zurückziehen können. Diese Bereiche sind gleichermaßen
vor dem fließenden wie vor dem ruhenden Verkehr geschützt. Zudem sollte dem Fußgän-
ger rechtlich der Vortritt eingeräumt werden.
Es leuchtet ein, dass wichtige, stark frequentierte Verkehrsachsen nicht nach dem Mi-
schungsprinzip funktionieren würden, weil dann die Kapazität zu sehr verringert würde.
Jedoch ist die Begegnungszone – wie auch die meisten der vorgestellten Konzepte – da-
für geeignet, Verkehr stellenweise gewollt zu reduzieren, um urbane Qualität herzustellen.
Mit Verkehrsmengen, wie sie heute im Innenstadtbereich verträglich erscheinen, sind Be-
gegnungszonen kompatibel. Dabei hat sich gezeigt, dass Begegnungszonen eine Verste-
tigung des Verkehrs bewirken,99 obwohl augenscheinlich öfter für Fußgänger gebremst
werden muss. Das häufige Abbremsen fügt sich jedoch harmonisch in den Fahrzyklus ein,
während das Halten an Fußgängerüberwegen in konventionellen, geregelten Straßen-
räumen eine deutliche Zäsur in der Fahrdynamik erzeugt (vgl. Abbildung 5).
Seit der Aufnahme der Begegnungszone in die schweizerische Straßenverkehrsordnung
im Jahr 2002 und zahlreichen Anwendungen dort elaborieren überall in Europa Versuche,
Nutzungskonflikte im Straßenraum nach dem Prinzip der Begegnungszone zu lösen. In-
zwischen sind zahlreiche gelungene Beispiele entstanden, darunter der Opernplatz in
Duisburg, der Zentralplatz in Biel, der Sonnenfelsplatz in Graz, der Place Cornavin in
Genf, die Blackett Street in Newcastle und die New Road in Brighton.
99 Vgl. Verkehrssimulation in Fussverkehr Schweiz: Putting Pedestrians First. Video zu Erfahrungen mit Be-
gegnungszonen in der Schweiz. URL: http://www.youtube.com/watch?v=B4R0CV41P3o (Zeitcode 4:40).
Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum Maximilian Bühn
45
Das aktuellste und wohl eindrücklichste Projekt bisher ist die Exhibition Road in London,
die im Dezember 2011 fertiggestellt wurde.100 An der Straße liegen zahlreiche bedeutende
Museen und Einrichtungen, deren Fassaden in künstlerischer und architektonischer Hin-
sicht ein einmaliges Ensemble darstellen. Die Neugestaltung der Straße, die in einem
Architekturwettbewerb ausgeschrieben wurde, sollte diesem Aspekt Rechnung tragen.100
Außerdem sollten mit der neuen Gestaltung Unfälle, Geschwindigkeiten und Durchfahr-
stärken reduziert werden.101
Der Straßenraum erhielt eine niveaugleiche Diagonalpflasterung, durchzogen von visuel-
len und taktilen Trennungslinien. Die Ausstattung mit Straßenmöbeln wurde auf das not-
wendigste reduziert. Die Verkehrsführung wurde so geändert, sodass der MIV im südli-
chen Teil nun in beide Richtungen auf der einen Hälfte der Straße fährt. Das Tempolimit
beträgt 30 km/h. Die andere Hälfte ist Fußgängern und Fahrradfahrern vorbehalten. Im
nördlichen Teil wird der Kfz-Verkehr wie gewohnt auf beiden Hälften geführt. Die gesamte
Straße ist als Parkverbotszone ausgewiesen, jedoch darf auf ausgewiesenen Flächen
geparkt werden. Auf zusätzliche Schilder und Markierungen wurde verzichtet. Die Stell-
plätze sind überwiegend als Senkrechtparkstände neben der Fahrbahn mittig angelegt.
Alle Stellplätze sind dauerhaft vermietet oder für Menschen mit Behinderung reserviert,
öffentliche Parkstände stehen in der Straße selbst nicht zur Verfügung. Für Reisebusse
gibt es eigene Kurzparkbereiche. Die fertig gestaltete Straße erhielt zahlreiche städtebau-
liche Auszeichnungen für die gelungene Reurbanisierung des öffentlichen Raums.100
Abbildung 15: Exhibition Road in London nach der Umgestaltung
QUELLE: Metalocus Magazine: RIBA London Winners 2012. URL: http://www.metalocus.es/ content/en/blog/riba-london-winners-2012. 23.6.2012. Abgerufen am 14. September 2012.
100 The Royal Borough of Kensington and Chelsea: Exhibition Road. Insbesondere Unterseiten „What has
changed?“ und „Parking“. URL: http://www.rbkc.gov.uk/subsites/exhibitionroad.aspx. Abgerufen am 11. September 2012.
101 Schmidt, F.: Shared Space in Großbritannien: ein Sonderweg? In: Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.): Shared Space – Beispiel und Argumente für lebendige öffentliche Räume. Bielefeld, 2010.
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Zahlreiche Beispiele in Europa verfolgen zudem die stadtverträgliche Umgestaltung von
Plätzen nach dem Prinzip der Begegnungszone. Allerdings nicht durch Vermeidung des
motorisierten Verkehrs (vgl. Abschnitt 6.2.3), sondern durch dessen Integration in das
übrige Verkehrsgeschehen und in das Stadtbild. In Lyon wurde ein umfangreiches Pro-
gramm initiiert, bei dem die moderne Gestaltung von öffentlichen Außenräumen bei
gleichzeitiger Lösung von Verkehrsproblemen im Mittelpunkt stand.51 Dabei entstand un-
ter anderem die neue Gestaltung des Place de la République (vgl. Abbildung 4), die sehr
typisch ist für Platzgestaltungen als Begegnungszone. Wie auch der Zentralplatz in Biel in
der Schweiz unterbricht der Place de la République eine Fußgängerzone, die Rue de la
République. Dadurch wird der Platz von zahlreichen Fußgängern frequentiert. Der Kfz-
Verkehr wird in zwei voneinander getrennten Einrichtungsfahrbahnen über den Platz ge-
führt, die mit Pollern abgegrenzt sind, um ein Befahren des übrigen Platzes zu vermeiden.
Die Fahrbahnen sind niveaugleich geführt, und der Fußgänger kann flächig queren.
Abbildung 16: Place de la République in Lyon
QUELLE: Google Street View. Place de la République in Lyon. Aufnahmedatum: Mai 2008.
Die Auswirkungen solcher Umgestaltungen in städtebaulicher Hinsicht sind offensichtlich.
In Bezug auf das Verkehrsaufkommen sind Verdrängungseffekte zu erwarten. Im idealen
Fall werden die Bereiche nur noch von Anliegern befahren. Die Verkehrssicherheit wird
durch Begegnungszonen im Allgemeinen verbessert.102 Sowohl bei der Zahl der Schwer-
verletzten, der Verletzten und der Sachschäden ist eine Verringerung um 10 bis 30 % zu
erwarten, wovon vor allem Fußgänger und Fahrradfahrer profitieren.53 Jedoch ist die An-
lage von Begegnungszonen nicht ausdrücklich dazu geeignet, die Verkehrssicherheit zu
verbessern, dazu seien die Effekte zu gering. Hierzu wäre eine weitergehende Differen-
zierung der Gestaltung hinsichtlich des jeweiligen Unfallgeschehens notwendig.53
102 Fussverkehr Schweiz: Unfallgeschehen in Begegnungszonen: Vergleich der Situation vorher und nachher
in Burgdorf, Biel, Lyss und Einsiedeln. Erschienen in: Strasse und Verkehr, Nr. 09/September 2008.
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7 Rechtliche Aspekte
Die Bausteine der beschriebenen Konzepte für multifunktionelle Straßenräume entsprin-
gen ihrem Wesen nach der traditionellen Verkehrsplanung. Neu ist allerdings die „Kombi-
nation betrieblicher und gestalterischer Maßnahmen sowie die bewusste räumliche und
architektonische Gestaltung, insbesondere auch der bewusste Einbezug des Straßen-
raums bis zu den Gebäudefassaden“.103 Die meisten der vorgestellten Projekte waren
umstritten, gingen sie doch über das hinaus, was gemeinhin als planerischer und gesell-
schaftlicher Konsens angesehen wurde. Die Akzeptanz für die Projekte musste in breit
angelegten Partizipationsprozessen erarbeitet werden, in denen aus Normen, Erfahrun-
gen und Ideen haltbare Gestaltungsentwürfe entstanden.103
Während Richtlinien je nach Anwendung bis zu einem gewissen Grad ausgelegt werden
können, ist das Verkehrsrecht klar definiert. Abweichungen davon sind nicht möglich, so-
dass häufig Kompromisslösungen entstehen, die den Nutzungsansprüchen nicht vollstän-
dig gewachsen sind. Ein Beispiel dafür ist der Wunsch nach einer Entsprechung der Be-
gegnungszone in der deutschen StVO. Obwohl die Gestaltungen in der Schweiz den An-
spruch auf Selbsterklärbarkeit erheben, sind Begegnungszonen auch dort entsprechend
beschildert. Als Pendant wird in Deutschland häufig der Verkehrsberuhigte Bereich ge-
wählt, obwohl dieser für Innenstädte mit der vorgegebenen Schrittgeschwindigkeit und
dem Kinderspiel denkbar ungeeignet ist. Die zweitbeste Alternative, die Tempo-20-Zone,
ist lediglich eine Entsprechung der Tempo-30-Zone mit Bevorrechtigung des Kfz-
Verkehrs.104 Ein anderes Beispiel sind Fußgängerüberwege in Form von Zebrastreifen.
Eine flexible Anwendung, etwa querliegende Streifen zur Verdeutlichung des Fußgänger-
vortritts oder ein linienhafter Einsatz, ist in Deutschland undenkbar.38
Viele der vorgestellten Maßnahmen setzen eine Änderung der Straßenklassifikation vo-
raus. Die Kompetenzen für die Klassifizierung liegen in der Regel beim jeweiligen Träger
der Straßenbaulast, also beim Bund, den Ländern, den Landkreisen oder den jeweiligen
Gemeinden und Städten. Einschneidende Änderungen wie am Trafalgar Square in Lon-
don sind somit Gegenstand langwieriger Abstimmungsprozesse, welche die Planungen
um einiges verzögern können. Neben dem jeweils nationalen Recht sind in Europa die
Vorgaben der Europäischen Union bindend. Hier gibt es Anregungen, die landesspezifi-
schen Verkehrsregelungen zu vereinheitlichen, was auch den neuen Verkehrskonzepten
zugute käme. Die meisten Städte müssen sich vergleichbaren Problemen stellen, sodass
auch die entstehenden Lösungen vergleichbar sind. Ein einheitlicher Katalog von entspre-
chenden Verkehrsregelungen fehlt jedoch bisher. 103 Bundesamt für Umwelt, 2011. S. 25. 104 Vgl. § 45 StVO.
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8 Fazit
Automobilverkehr ist seit drei Generationen fester Bestandteil der Städte. Bis heute ist
das Kfz durch seine Leistungsfähigkeit und die Möglichkeit der individuellen Verfügbarkeit
unverzichtbar. Die Kehrseite der Medaille sind zahlreiche durch den Kfz-Verkehr ausge-
löste Umweltauswirkungen, mit denen in den vergangenen Jahrzehnten vor allem Fuß-
gänger unmittelbar belastet wurden. Mancher Passant mag in der Vergangenheit der Vor-
stellung anheimgefallen sein, Autos wie Wasser einfach verdampfen zu können. Eine
Stadt nur für Fußgänger, Fahrradfahrer, den Nahverkehr, kurz: für alle nachhaltigen Ver-
kehrsformen, das klang wie eine Vision aus einem Science-Fiction-Roman. Die Fußgän-
gerparadiese in den Innenstädten konnten damit nicht gemeint sein, dafür waren diese zu
isoliert. Doch mit dem 21. Jahrhundert erhielten neue Ideen Einzug in die verkehrsplaneri-
sche Praxis. Darunter jene Idee, ganze Innenstädte von den Belastungen des MIV zu
„befreien“, indem dieser „evaporiert“ wird („Evaporation“ die; -en <lat.>: Verdampfung,
Verdunstung [von Wasser]). Mit dem ökologischen Schwung von Fahrradverleihsystemen,
Car-Sharing und Elektrofahrzeugen wurde der traditionelle Kfz-Verkehr in den Innenstäd-
ten endgültig zum Enfant terrible.
Die vorgestellten Konzepte zur Schwächung des MIV haben, abgesehen von der Umwelt-
zone, die Gemeinsamkeit, dass sie eine konsequente Verringerung des Kfz-Verkehrs-
aufkommens beabsichtigen mit der Maßgabe, eine Verkehrsverlagerung zugunsten des
Nahverkehrs zu erzielen. Von diesem modal shift sollen auch der Fußgänger- und Fahr-
radverkehr profitieren. Andere Ziele wie die Verbesserung der Luftqualität, die Reduzie-
rung der Verkehrsunfälle oder die Minimierung anderer externer Effekte des Kfz-Verkehrs,
wie etwa der Flächenverbrauch, leiten sich im Allgemeinen daraus ab. Die Konzepte des
umgekehrten Ansatzes, bei dem der NMIV gestärkt wird, gehen von den Belangen der
Fußgänger aus. Dementsprechend scharf sind daher die Einschränkungen für den Kfz-
Verkehr. Er wird entweder ganz ausgeklammert oder in abgeschwächter Form verträglich
geführt wie in der Begegnungszone.
Was sich für den MIV bzw. für den NMIV jeweils als annehmbarer Kompromiss darstellt,
ist für das Gesamtsystem jedoch noch kein Idealzustand. Dieser liegt irgendwo dazwi-
schen, also dort, wo sich MIV und NMIV auf Augenhöhe befinden. Dieser Zustand ist al-
lerdings illusorisch. Die Systemeigenschaften der Verkehre sind zu verschieden, als dass
man alle Verkehrsteilnehmer in einem Shared Space sich selbst überlassen könnte. Den-
noch kann mit den dargestellten Ansätzen und Konzepten eine Annäherung an den Ideal-
zustand erreicht werden, indem Kombinationen der Konzepte angewendet werden. Mög-
lich wären beispielsweise autofreie Stadtplätze und Fußgängerbereiche mit ÖPNV und
Fahrrädern innerhalb von Innenstädten, die vom Durchgangsverkehr befreit wurden.
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Kfz-Verkehr lässt sich bis zu einem gewissen Grad vermeiden oder verlagern, sodass
eine Mischung der Verkehre, also eine verträgliche Abwicklung unter Entschärfung der
Nutzungskonflikte, möglich ist. Dort wo eine ausreichende Schwächung des MIV nicht
erreicht werden kann, etwa bei wichtigen innerstädtischen Verkehrsachsen, ist das Tren-
nungsprinzip nach wie vor der State of the Art. Der Separation der Funktionen im Stra-
ßenraum steht die Integration gegenüber, etwa der Funktionen des Aufenthalts und der
Verbindung. Daraus folgt: Die beiden Funktionen lassen sich nur dann vereinen, wenn die
Dominanz des MIV geschwächt werden kann, entweder direkt oder indirekt durch Stär-
kung des NMIV. Folglich können auch Nutzungskonflikte im Allgemeinen nur dann gelöst
werden.
Der MIV hinterlässt in den Feldern Luftqualität, Lärm, Verkehrssicherheit und Flächennut-
zung den größten Fußabdruck. Die vorgestellten Konzepte zeigen, wie seine Wirkungen
in diesen Bereichen verringert werden können. Die Luftqualität unterliegt dynamischen
Einflüssen, doch hält der Kfz-Verkehr nach der enormen Reduzierung der Emissionen
durch die Industrie in den letzten Jahrzehnten den größten Anteil an der Luftverschmut-
zung. Die Beispiele zeigen, dass eine spürbare Verbesserung nur dann erfolgen kann,
wenn Kfz-Verkehrs stark reduziert oder vollständig ausgeschlossen wird. Selbst die Effek-
te der eigens eingesetzten Umweltzone sind nur marginal. In puncto Lärmreduzierung
existieren vergleichsweise wenige Untersuchungen, weil Verringerung, Verlangsamung
und Verstetigung des MIV unmittelbar eine deutliche Lärmminderung erzielen. Die Ver-
kehrssicherheit betrifft das in gleicher Weise. Überhöhte Geschwindigkeiten sind eines
der häufigsten Unfallursachen und weniger stark belastete Straßen erzeugen weniger
Unfälle. Die Rechnung geht zwar nicht ganz auf, wenn mit höherem Aufkommen des
Fahrradverkehrs die Unfälle mit Fahrradbeteiligung ansteigen, jedoch ist durch die gerin-
geren Kfz-Verkehrsstärken in Summe eine Reduzierung der schwerwiegenden Unfälle zu
erwarten. Eine Verringerung der Flächeninanspruchnahme des fließenden und ruhenden
Kfz-Verkehrs kommt unmittelbar den Randnutzungen zugute. Dort miteinander konkurrie-
rende Nutzungen können auf den neu gewonnenen Raum ausweichen. Besonderes Au-
genmerk muss dabei dem Lieferverkehr gelten, etwa in Form flexibel nutzbarer Ladezo-
nen, um einem Parken in zweiter Reihe vorzubeugen.
Die betrachteten Ansätze sind dem Namen nach nur allgemeine Gedankenansätze, die
eine Richtung vorgeben. In der Praxis muss jedes Maßnahmenbündel durch viele kleine
Bausteine aus dem Verkehrssystem- und Mobilitätsmanagement belebt werden. Das
Straßenraummanagement der Zukunft ist kreativ und schöpft aus einem Potpourri an
Maßnahmen traditioneller und neuerer Ansätze, die in einem offenen und partizipativen
Gestaltungsprozess zu maßgeschneiderten Lösungen zusammengeführt werden.
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Die selbstständige und eigenhändige Anfertigung
versichere ich an Eides statt.
Datum / Unterschrift
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