perspektiven (selbst-)organisierter interessenvertretung in der wissenschaft veranstaltung
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Perspektiven (selbst-)organisierter Interessenvertretung in der Wissenschaft
Veranstaltung
„Prekarisierung in den Wissenschaften – organisieren wir uns?“
am 14.10.2009
Susanne Pernicka
CvO-Universität Oldenburg und Universität Wien
3 Thesen
These I: Hochqualifizierte Beschäftigte und insbesondere WissenschafterInnen kaum kollektiv organisier- und mobilisierbar.
These II: Die Chance zur Durchsetzung kollektiver Interessen hängt nicht allein von der Gruppengröße, sondern auch von der Heterogenität und Stärke der Interessen und Ressourcen der Beteiligten ab.
These III: Es existieren zumindest drei theoretische Perspektiven (selbst-)organisierter Interessenvertretung und -durchsetzung von WissenschafterInnen:
(1)Gründung bzw. Erweiterung einer professionellen Organisation (professionelle Logik), (2)Regional und zeitlich begrenzte Organisierung (3)Soziale Bewegung
Empirische Evidenzen aus einer aktuellen Studie der Universität Wien (FWF-Projekt 2009)
Hintergründe und Ursachen
Machtheorien (individuelle Primärmacht von Hochqualifizierten?)
Strukturen (Steuerungs- bzw. Regulierungslogiken wissenschaftlicher Arbeit)
Subjektive Einstellungen und Verhaltensorientierungen
Machtpotenziale für Interessendurchsetzung
These 1: WissenschafterInnen sind schwer organisier- und mobilisierbarThese 2: Durchsetzung auch von Interessenstärke u. -heterogenität abhängig
These 3: Drei Perspektiven (selbst-)organisierter Interessenvertretung
FWF- Forschungsprojekt „Wissensarbeit und kollektive Interessensvertretung“
Frage nach der Organisationsfähigkeit und -bereitschaft von WissensarbeiterInnen
Projektleiterin: Susanne Pernicka
MitarbeiterInnen: Anja Lasofsky-Blahut
Manfred Kofranek
Astrid Reichel
Homepage: www.knowledgeatwork.co.at
Laufzeit: 1. April 2007 bis 30. September 2009
Kooperationspartner: Universität Wien
Knowledge-Management-Austria
Universität Oldenburg
Untersuchungsdesign
Fallstudien in vier Feldern wissensintensiver Arbeit:
1) Universitäre Forschung (ausgewählte Felder in den Sozial-, Natur- und Technikwissenschaften)
2) Außeruniversitäre Forschung (wie oben)
3) Unternehmensberatung
4) Entwicklung in der Elektroindustrie
Problemzentrierte Interviews mit Beschäftigten, Solo-Selbstständigen und Interessensvertretern
Quantitative Erhebung – Online-Fragebogen
* in den gewählten Subfeldern der Sozial-, Technik- und Naturwissenschaften ** inkl. EPU *** Anteil an der Grundgesamtheit; Quellen: ÖNACE, WKÖ, Forschungsstättenkatalog, eigene Internetrecherche.
Sparten/ Beschäftigte Grundgesamtheit Stichprobe***
Universitäre Forschung* 14.099 602 (4,3%)
Außeruniv. Forschung* 3.948 197 (4,9%)
Unternehmensberatung** ca. 19.400 100 (0,5%)
Entwicklung Elektroindustrie
ca. 2.600 105 (4%)
Abbildung 1: Individuelle oder kollektive Interessenartikulation*
0
0,5
1
1,5
2
2,5
3 Unternehmensberatung
Außeruniversitäre Forschung undEntwicklungEntwicklung elektronischerProdukteUniversitäre Forschung undEntwicklungGesamt
Quelle: Ergebnisse FWF-Projekt „Wissensarbeit und kollektive Interessenvertretung“, Universität Wien 2009.
* Universitäre und außeruniversitäre Forschung umfasst die Bereiche Natur-, Technik-, und Sozialwissenschaften
These 1: WissenschafterInnen sind schwer organisier- und mobilisierbarThese 2: Durchsetzung auch von Interessenstärke u. -heterogenität abhängig
These 3: Drei Perspektiven (selbst-)organisierter Interessenvertretung
Abbildung 2: Mitglied in der Gewerkschaft*
Quelle: Ergebnisse FWF-Projekt „Wissensarbeit und kollektive Interessenvertretung“, Universität Wien 2009.
* Universitäre und außeruniversitäre Forschung umfasst die Bereiche Natur-, Technik-, und Sozialwissenschaften
These 1: WissenschafterInnen sind schwer organisier- und mobilisierbarThese 2: Durchsetzung auch von Interessenstärke u. -heterogenität abhängig
These 3: Drei Perspektiven (selbst-)organisierter Interessenvertretung
191343
24120%10%20%30%40%50%60%70%80%90%
100%
Unternehmensberatung
Außeruniversitäre Forsch
ung un...
Entwicklung elektronischer Pro...
Universitäre Forsch
ung und Ent... Gesamt
nein
nicht mehr
ja
Abbildung 3: Kollektive Stellungnahme im Konfliktfall*
Quelle: Ergebnisse FWF-Projekt „Wissensarbeit und kollektive Interessenvertretung“, Universität Wien 2009.
* Universitäre und außeruniversitäre Forschung umfasst die Bereiche Natur-, Technik-, und Sozialwissenschaften
These 1: WissenschafterInnen sind schwer organisier- und mobilisierbarThese 2: Durchsetzung auch von Interessenstärke u. -heterogenität abhängig
These 3: Drei Perspektiven (selbst-)organisierter Interessenvertretung
33284247
260%
10%20%30%40%50%60%70%80%90%
100%
keine Angaben
nein
ja
Abbildung 4: Beteiligung an Arbeitskampf (z.B. Streik)*
Quelle: Ergebnisse FWF-Projekt „Wissensarbeit und kollektive Interessenvertretung“, Universität Wien 2009.
* Universitäre und außeruniversitäre Forschung umfasst die Bereiche Natur-, Technik-, und Sozialwissenschaften
These 1: WissenschafterInnen sind schwer organisier- und mobilisierbarThese 2: Durchsetzung auch von Interessenstärke u. -heterogenität abhängig
These 3: Drei Perspektiven (selbst-)organisierter Interessenvertretung
181844
960%10%20%30%40%50%60%70%80%90%
100%
Unternehmensberatung
Außeruniversitäre Forschung un...
Entwicklung elektronischer Pro...
Universitäre Forschung und Ent...
Gesamt
keine Angaben
nein
ja
Ursachen
Einschlägige machttheoretische Annahme: Hochqualifizierte besitzen – wenn sie im Besitz von knapp verfügbaren Fähigkeiten und Wissen sind – strukturelle Individualmacht (Olson 1965, Crouch 1982, Crozier-Friedberg 1993, Kotthoff/Wagner 2008).
Gegenthese: Innerhalb der Gruppe Hochqualifizierter bestehen Unterschiede (Intra-Gruppenheterogenität), die sich v.a. aus den primären Steuerungslogiken der wissensbasierten Arbeit ergeben.
Der Bedarf und die Bereitschaft von Hochqualifizierten (WisssenschafterInnen) hängt daher von jenem Machtpotenzial ab, dass sich aus der primären Steuerungslogik ergibt.
These 1: WissenschafterInnen sind schwer organisier- und mobilisierbarThese 2: Durchsetzung auch von Interessenstärke u. -heterogenität abhängig
These 3: Drei Perspektiven (selbst-)organisierter Interessenvertretung
Tabelle 1: Idealtypische Steuerungslogiken von Wissen und hochqualifizierter Arbeit
* Lege Artis: Ausübende einer Profession haben sich i.d.R. „nach den Regeln der Kunst“ (also der zugrundeliegenden theoretischen Wissensbestände zu verhalten.
These 1: WissenschafterInnen sind schwer organisier- und mobilisierbarThese 2: Durchsetzung auch von Interessenstärke u. -heterogenität abhängig
These 3: Drei Perspektiven (selbst-)organisierter Interessenvertretung
Professionslogik Marktlogik Bürokratische LogikWissensinhalte Theoretisch-abstraktes
Wissenssystem*, das stetig weiterentwickelt wird – Professionen (z.B. Ärzte); wissenschaftl. Disziplinen
Neue Wissensprodukte und -prozesse, die je nach Kontext variieren – Wissensarbeit (z.B. Beratung, IT, außeruniv. Fo.)
Standardisierte, hochgradig fragmentierte Formen von Wissen(-sproduktion)
Steuerungsformen bzw. Kontrolle über Wissen
Institutionalisierte Selbstregulation (häufig gesetzliche Regulierung)
Markt (Kundenbedürfnisse, Kontext, Preis, etc.)
Management; betriebliche Hierarchie
(Markt-)Zugang Selbst- oder gesetzlich regulierte Ausbildung; definierte Statuspassagen (Dissertation, Habil., etc.)
Unbeschränkt und vielfältig, häufig durch akademische Aus- und Weiterbildung
Entscheidungen des Managements
Machtformen Permanente (Markt)-Schließung (nur kollektiv erschließbar)
z.B. Professionelle Organisationen, Fachverbände
Temporäre Schließung, strukturelle Macht (z.B. Expertentum) oder
Assoziative Macht (Organisationsmacht, z.B. Gewerkschaften)
Assoziative Macht (Organisationsmacht, z.B. Gewerkschaften, Selbstorganisation, etc.)
Beispiel Universitäten – Steuerungslogiken, Machtpotenziale und Interessenartikulation
Tabelle 2: Duale Segmentierung des universitären Arbeitsmarkts
Perspektive innerhalb der Organisation
Gruppe I: Dauerhafte Zugehörigkeit zu einer konkreten Universität (v.a. beamtete und unbefristet beschäftigte ProfessorInnen)
Gruppe II: Ausschluss einer dauerhaften Beschäftigungs-perspektive (befristet Beschäftigte nach Dienstrechts- und UG-Reform 2002)
Dominante Steuerungslogiken Professionelle Logik im Feld Hierarchische Logik (Management)
Machtformen Selbstorganisation und -kontrolle der jeweiligen wiss. Disziplin – (daraus entsteht strukturelle Macht und individuelles symbolisches Kapital)
Assoziative Macht (Organisationsmacht)(Beispiel: gegenwärtige Selbstorganisationsversuche, Zukunft der Wissenschaft, IG, etc.)
INSIDER OUTSIDER
Problem der Durchlässigkeit (Laufbahnperspektive?)
These 1: WissenschafterInnen sind schwer organisier- und mobilisierbarThese 2: Durchsetzung auch von Interessenstärke u. -heterogenität abhängig
These 3: Drei Perspektiven (selbst-)organisierter Interessenvertretung
Solidarität?
Konkurrenz um wenige Dauer- oder Laufbahnstellen
Verbreitete Sichtweise: Erfolg und damit eine Laufbahn- oder Dauerstelle im Wissenschaftssystem wird immer noch häufig als Ergebnis großen persönlichen Einsatzes und individueller Begabung wahrgenommen, etwaige strukturelle Hindernisse werden als Unzulänglichkeiten des Einzelnen uminterpretiert.
Veranstaltungen, wie diese können allerdings eine Prozess des Bewusstseinswandels in Gang setzen
Was tun, wenn die breite Unterstützung/Solidarisierung ausbleibt?
These 1: WissenschafterInnen sind schwer organisier- und mobilisierbarThese 2: Durchsetzung auch von Interessenstärke u. -heterogenität abhängig
These 3: Drei Perspektiven (selbst-)organisierter Interessenvertretung
Subjektive Einstellungen und Verhaltensorientierungen
Jüngere Forschung zur Theorie kollektiven Handelns (Oliver/Marwell 1985 und 1988)
Kollektives Handeln kann auch erfolgreich sein, wenn kleine Gruppe von Individuen („kritische Masse“) einen großen Beitrag an Ressourcen (Kraft, Zeit, etc.) leistet – während andere nur einen kleinen oder gar keinen Beitrag leisten
Allerdings: „Free-Rider-Problem“ (Olson 1965) – Nicht-engagierte Individuen hoffen auf „gratis“ Nutzung des kollektiven Guts – dies kann Erfolg vereiteln
Mögliche Lösungen:
1) Mobilisierung von sozialen Bindungen und Verpflichtungsfähigkeit der (noch) inaktiven Individuen
2) Unterstützung durch „Dritte“, die als UnterstützerInnen agieren können (z.B. andere soziale Bewegungen, Gewerkschaften, Bevölkerung, Individuen mit Medienwirksamkeit)
These 1: WissenschafterInnen sind schwer organisier- und mobilisierbar
These 2: Durchsetzung auch von Interessenstärke u. -heterogenität abhängigThese 3: Drei Perspektiven (selbst-)organisierter Interessenvertretung
1) Prekär Beschäftigte in der Kultur- und Medienindustrie in Frankreich (großer Streik 2003) – soziale Bewegung
2) „ExistenzlektorInnen“ in Österreich (Gesetzesänderung Mitte der 1990er Jahre) – räumlich und zeitlich begrenzte Organisierung
These 1: WissenschafterInnen sind schwer organisier- und mobilisierbar
These 2: Durchsetzung auch von Interessenstärke u. -heterogenität abhängigThese 3: Drei Perspektiven (selbst-)organisierter Interessenvertretung
Zwei Beispiele erfolgreicher kollektiver Organisierung
These 1: WissenschafterInnen sind schwer organisier- und mobilisierbar
These 2: Durchsetzung auch von Interessenstärke u. -heterogenität abhängigThese 3: Drei Perspektiven (selbst-)organisierter Interessenvertretung
Ad 1) Kultur- und Medienindustrie in Frankreich
- Prekär Arbeitende (häufig abhängige Selbstständige) der Filmindustrie in Paris fordern die Rücknahme einer Gesetzesänderung zur Arbeitslosen-Versicherung (2003)
- Die Forderungen werden explizit nicht als „sektoral“, sondern als umfassend und für alle prekär Beschäftigten gefordert
- Wilde Streiks, Besetzungen von Filmstudios während Live-Sendungen, Theater und sogar Kinos sorgen für Medienpräsenz
- Die Filmemacher nutzen ihre Rolle in der kulturellen Produktion von Symbolen „black screens for culture“ in der post-industriellen Gesellschaft als Gegenmacht
- Ihre Medienpräsenz und breite Forderungen sichern ihnen die Solidaritätbreiter Gesellschaftteile
- Im Jahr 2007 wird die umstrittene Gesetzesänderung zurückgenommen
Soziale Bewegung, Unterstützung durch Dritte (z.B. Schauspielerin Agnès Jaoui wird Sprachrohr)
These 1: WissenschafterInnen sind schwer organisier- und mobilisierbar
These 2: Durchsetzung auch von Interessenstärke u. -heterogenität abhängigThese 3: Drei Perspektiven (selbst-)organisierter Interessenvertretung
Ad 2) „ExistenzlektorInnen“ in Österreich
- ExistenzlektorInnen bestreiten ihren Lebensunterhalt überwiegend aus der universitären Lehre
- Prekäre Beschäftigungsbedingungen, obwohl sie Großteil der Lehre tragen
- Verband der Lektoren (v.a. SprachlehrerInnen) forderte Übernahme in reguläre Dienstverhältnisse
- Strategien: zahlreiche Resolutionen, Kooperation mit Dritten (GÖD, BUKO, Die Grünen, Österr. Rektorenkonferenz) wurde Druck gemacht
- Im Jahr 1995 erhielten 670 ExistenzlektorInnen eine Stelle als Vertrags- oderBundeslehrerInnen
Räumlich und zeitlich befristete Organisierung einer relativ kleinen Gruppe
These 1: WissenschafterInnen sind schwer organisier- und mobilisierbar
These 2: Durchsetzung auch von Interessenstärke u. -heterogenität abhängig
These 3: Drei Perspektiven (selbst-)organisierter Interessenvertretung
Es existieren zumindest drei theoretische Perspektiven (selbst-)organisierter Interessenvertretung und -durchsetzung von WissenschafterInnen:
(1)Gründung bzw. Erweiterung einer professionellen Organisation (professionelle Logik)(2)Regional und zeitlich begrenzte Organisierung (3)Soziale Bewegung
These 1: WissenschafterInnen sind schwer organisier- und mobilisierbar
These 2: Durchsetzung auch von Interessenstärke u. -heterogenität abhängig
These 3: Drei Perspektiven (selbst-)organisierter Interessenvertretung
(1) Gründung bzw. Erweiterung einer professionellen Organisation (professionelle Logik)
- Solidarisierung durch bestehende wissenschaftliche Professionen (Insider)- Deren Unterstützung könnte Dominanz der bürokratischen Logik (Gruppe II) durchbrechen- Erfordert gemeinsame Interessendefinition (Aggregation) und -artikulation
(2) Regional und zeitlich begrenzte Organisierung
- Erfordert zumindest eine kleine Gruppe von Individuen mit hohem Ressourceneinsatz - Und in einem zweiten Schritt entweder:
die Mobilisierung von sozialen Bindungen und Verpflichtungsfähigkeit der (noch) Inaktiven und/oder die Unterstützung durch „Dritte“ (Gewerkschaften, Parteien, Standesvertretungen, etc.)
(3) Soziale Bewegung
- Erfordert eine breite Solidarisierung durch inner- und außeruniversitäre Gruppen- Interessendefinition, die über die engen Interessen der WissenschafterInnen hinausgeht- Mediale Präsenz oder zumindest begrenzte Öffentlichkeitswirkung
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit !
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