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Vorlesung im SS 2012
Denken, Sprache und Problemlösen
Problemraumtheorie und neuronale Korrelate des Problemlösens
Prof. Dr. Thomas Goschke
Professur für Allgemeine Psychologie
Überblick: Wichtige Konzepte
Problemraum
Heuristiken
Mittel-Ziel-Analyse
Neuronale Korrelate des Problemlösens
Rekapitulation: Allgemeines Schema eines Problems
Unerwünschter
Ausgangszustand
Erwünschter
Zielzustand
Barriere
Lösungsprozedur
(Anwendung von Operatoren)
(1) Ausgangszustand;
(2) Zielzustand;
(3) Menge von Zwischenzuständen;
(4) Operatoren, die Zustände in andere Zustände transformieren
Zustandsraum
Zustandsraum
Menge aller Zustände eines Problems, die ausgehend vom Anfangszustand durch Anwendung zulässiger Operatoren erreichbar sind
Suchbaum
Grafische Darstellung der möglichen Wege durch den Zustandsraum
Turm von Hanoi
Anfangszustand Zielzustand
Regeln (Einschränkungen):
1. Bei jedem Zug darf nur eine Scheibe bewegt werden
2. Es darf nie eine größere Scheibe auf einer kleineren liegen
Turm von Hanoi
Zustandsraum des Turm-von-Hanoi-Problems
Gut definierte Transformationsprobleme
Merkmale klar definierter Ausgangs- und Zielzustand
kleine Anzahl bekannter Operatoren
wissensarm
Vorteile für die Forschung Optimaler Lösungsweg ist bekannt
Abweichungen von optimaler Lösungen lassen sich präzise beschreiben
Individuelles Vorwissen spielt geringe Rolle
Problemrepräsentation kann gezielt manipuliert werden
Hintergrundannahme Kognitive Prozesse bei gut definierten Transformationsproblemen sind
auch für Denkprozesse bei komplexen Problemen relevant
Problemraum
mentale (subjektive) Repräsentation des Zustandsraums
wird aus gegebener Information (Ausgangszustand, Regeln/Restriktionen, Zielzustand) generiert
wird durch Instruktion, Problemformulierung, Salienz von Problemaspekten, Aufmerksamkeitsfokus, Vorwissen, Erinnerungen an ähnliche Probleme etc. beeinflusst
kann fehlerbehaftet und unvollständig sein
(Anm: Der Terminus Problemraum wird oft sowohl für den objektiven Zustandsraum
als auch die subjektive Repräsentation des Zustandsraums verwendet; die
intendierte Bedeutung wird aber meist durch den Kontext deutlich)
Problemlösen als Suche im Problemraum
Problemlösen als Suchprozess Suche nach einem Weg durch den Problemraum, der vom
Anfangszustand zum Zielzustand führt
Suche als sequentielle Anwendung von Operatoren Anwendung von Operatoren, die den aktuellen in einen neuen Zustand
transformieren, dessen Distanz zum Zielzustand geringer ist
Sequentieller Prozess (Zustand Aktion neuer Zustand…)
Nach jeder Anwendung eines Operators muss das mentale Modell des Problems aktualisiert werden
Prozesslimitationen Begrenzte Kapazität des Arbeitsgedächtnisses nur eine kleine Zahl
möglicher Aktionen kann mental durchgespielt werden
Exponentielles Anwachsen von Zustandsräumen: Turm von Hanoi mit unterschiedlich vielen Scheiben
0
10000
20000
30000
40000
50000
60000
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Anzahl von Scheiben
An
zah
l vo
n Z
ustä
nd
en
0
200
400
600
800
1000
1200
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Anzahl von Scheiben
An
zah
l vo
n A
kti
on
en
Optimale Anzahl von Zügen Anzahl von Zuständen
Exponentiell anwachsende Zustandsräume
Schach: Eröffnung: 20 mögliche Züge
Gegner: 20 mögliche Erwiderungen (20 x 20 = 400 Möglichkeiten)
Jeder weitere Zug ca. 40 mögliche Optionen
20
400
16.000
640.000
25.600.000
1.024.000.000
16.384.000.000.000
Vollständige (exhaustive) Suche durch den Problemraum ist nicht möglich
-> Notwendigkeit von Heuristiken
Problemraum beim Schach: ca. 10120 Zustände
Turm von Hanoi mit 100 Scheiben: 1030
Alter des Universums in Sekunden: ca. 1018
Überblick
Grundannahmen des Informationsverarbeitungsansatzes
Problemraumtheorie
Heuristiken
Reinterpretation gestaltpsychologischer Beobachtungen
Ohlssons Einsichtstheorie
Intuition: Unbewusste Prozesse beim Lösen von Einsichtsproblemen
Algorithmen vs. Heuristiken
Algorithmus Führt immer zu einer Problemlösung (sofern eine existiert)
z.B. exhaustive Suche im Problemraum
Aufgrund beschränkter kognitiver und zeitlicher Ressourcen oft nicht möglich
Heuristik Strategie, die die Anzahl der abzusuchenden Zustände einschränkt
Führt nicht immer zum Ziel („Daumenregel“)
Berücksichtigt beschränkte Informationsverarbeitungskapazität
Heuristiken
(1) Analogiebildung und Ähnlichkeitsheuristik
Wähle den Operator, der in ähnlichen Situationen zum Ziel geführt hat
Erfordert Auffinden eines analogen Problems und Abbildung der Problemstruktur auf das aktuelle Problem
Heuristiken
(2) Rückzugs- (Schleifen-) Vermeidung
Vermeide es, zu früheren Zuständen zurückzukehren Bsp. Labyrinth: vermeide, die selbe Kreuzung mehrmals zu passieren
Bsp. Schiebepuzzle: Versuchspersonen vermeiden es meist, einen Zug wieder zurückzunehmen
Heuristiken
(3) Unterschiedsreduktion (hill climbing)
Wende den Operator an, der den Unterschied zwischen dem aktuellen Zustand und dem Zielzustand am meisten reduziert
Setzt ein Maß für die Distanz zum Ziel voraus
führt zum Ziel, wenn jeder korrekte Schritt die Distanz zum Zielzustand reduziert ( Bergsteigeranalogie; „hill climbing“)
führt nicht zur Lösung, wenn ein Schritt erforderlich ist, der zunächst vom Ziel wegführt ( Analogie: Wenn man erst ins Tal steigen muss, um danach einen Gipfel zu erklimmen)
Das „Hobbits und Orks Problem“
3 Hobbits und 3 Orks sind am linken Flussufer und müssen ans andere Ufer
Es steht ein Boot zur Verfügung, dass 3 Personen aufnehmen kann
Die Orks dürfen nie in der Überzahl sein, da sie sonst die Hobbits überwältigen
Thomas, J.C. (1974). An analysis of behavior in the Hobbits-Orcs problem.
Cognitive Psychology, 6, 257-269.
Reed et al., (1974). The role of analogy in transfer between similar problem
states. Cognitive Psychology, 6, 436-450.
H H H O O O
H O H H O O
HO
O H H H O O
H
O O O H H H
OO
O O H H H O
O
H H O O H O
HH
H O H H O O
HO
H H H O O O
HH
H H H O O O
O
H H H O O O
OO
H H H O O O
O
H H H O O O
OO
Probanden hatten große Schwierigkeiten
bei Zug 6: Abstand zum Ziel muss vergrößert werden
bei Zug 3: größte Anzahl alternativer Züge
Empirische Befunde
Thomas, J.C. (1974). An analysis of behavior in the Hobbits-
Orcs problem. Cognitive Psychology, 6, 257-269.
: HHHOOO
HHOO : HO
HHH : OOO
HO : HHOO
OO : HHHO
O : HHHOO
HHHOOO :
HHHOO : O
HHHO : OO
HHOO : HO
OOO : HHH
OO : HHHO
HHHO : OO
Weitere Evidenz für die Verwendung der Unterschiedsreduktion
Atwood & Polson (1976): Wasserkrugproblem
Drei Krüge, die 8, 5 und 3 Tassen Wasser fassen
Ausgangszustand: Nur Krug A ist mit 8 Tassen Wasser gefüllt
Zielzustand: Krug A und Krug B sollen jeweils 4 Tassen Wasser enthalten
Operatoren: Beliebiges Umschütten von Wasser von einem in einen anderen Krug
2/3 der Probanden führen
als erstes Zug 9 aus
(= größere Annäherung an
Zielzustand)
Bei Zug 11 führte großer
Teil der Probanden nicht
den optimalen Zug aus,
sondern goss von A nach C
(= größere Unterschieds-
reduktion)
A(3) B(2) C(3)
Heuristiken
Lokale Maxima im Problemraum
Heuristiken
Lokale Maxima im Problemraum
Heuristiken
(4) Mittel-Ziel-Analyse
Wende den Operator an, der den Unterschied zwischen dem aktuellen Zustand und dem Zielzustand reduziert
Wenn ein Operator nicht direkt anwendbar ist, bilde das Unterziel, einen Zustand herzustellen, in dem der Operator anwendbar ist Beispiel: Ich will den Nagel in die Wand schlagen, aber kein Hammer ist zur
Hand
Unterschiedsreduktion: Ich versuche, den Nagel ohne Werkzeug in den Putz zu drücken
Mittel-Ziel-Analyse: Ich bilde Unterziel, einen Hammer zu besorgen (führt zunächst vom Ziel weg)
Rekursivität der Mittel-Ziel-Analyse: Ist ein Operator zum Erreichen eines Unterziels nicht anwendbar, bilde das
weitere Unterziel, einen Zustand herzustellen, in dem der Operator zur Erreichung des ersten Unterziels angewendet werden kann usw.
Heuristiken
(4) Mittel-Ziel-Analyse
Mittel-Ziel-Analyse und der „General Problem Solver“
Von Newell & Simon (1972) entwickeltes Computer-programm, das Mittel-Ziel-Analyse implementiert und Denkprozesse simulieren sollte
Früher Beitrag zur „Künstlichen Intelligenz“ Forschung
Newell, A. & Simon, H. (1972). Human problem solving. Englewood Cliffs, NJ: Prentice Hall.
Mittel-Ziel-Analyse im „General Problem Solver“
Newell, A. & Simon, H. (1972). Human problem solving. Englewood Cliffs, NJ: Prentice Hall.
Keine Unterschiede
Unterzielbildung beim Turm von Hanoi A
B
C
Neuronale Korrelate des Problemlösens
Subregionen des Frontalhirns
Frontopolar
Cortex
Verbindungen des präfrontalen Kortex mit anderen Hirnregionen
Funktionen des präfrontalen Kortex: Frühe Studien
Seit langem Vermutung, dass PFC an „höheren“ kognitiven Funktionen beteiligt ist
Ältere Beobachtungen an Frontalhirnpatienten zeigten Beeinträchtigungen in Aufgaben, die „abstraktes Denken“, „neue Kombinationen“ oder „Urteilsfähigkeit“ erfordern (Rylander, 1939)
Aber: Oft keine Beeinträchtigungen in Standard-Intelligenz-Tests (Hebb (1941)
Neuere Untersuchungen mit sensitiveren Tests belegen Bedeutung des PFC für „höhere“ kognitive Funktionen
Funktionen des präfrontalen Kortex: Anekdotische Beobachtungen
Penfield's Bericht über seine Schwester 15 Monate nach der Entfernung des rechten Frontallappens:
One day about 15 months after the operation, she had planned to get a simple
supper for one guest and four members of her own family. She looked forward to it with pleasure and had the whole day for preparation. This was a thing she could have done with ease 10 years before. When the appointed hour arrived she was in the kitchen, the food was all there, one or two things were on the stove, but the salad was not ready, the meat had not been started and she was distressed and confused by her long continued effort alone. It seemed evident that she would never be able to get everything ready at once . . . . Although physical examination was negative and there was no change in personality or capacity for insight, nevertheless the loss of the right frontal lobe had resulted in an important defect. The defect produced was a lack of capacity for planned administration (p. 131 )
Penfield, W. and Evans, J. The frontal lobe in man: A clinical study of maximum removals. Brain 58, 115-133, 1935.
Turm von London
Die Kugeln sollen von Ausgangsposition mit möglichst wenigen Zügen in Zielposition gebracht werden
Es darf immer nur eine Kugel bewegt werden
Nur die jeweils oberste Kugel kann bewegt werden
Erfordert mentales Durchspielen von Aktionssequenzen (= Planen)
Shallice, T. (1982). Specific impairments of planning. Philosphical
Transactions of the Royal Society London B Biological Section, 298, 199-209.
Start Ziel
Turm von London
Start Ziel
Turm von London
Start Ziel
Tower of London
Initial position 2 moves 4 moves 5 moves
Die Anzahl der minimal notwendigen Züge kann variiert werden
Problemraum des Turm von London für eine gegebene Startposition
Turm von London: Neuropsychologische Untersuchungen
Shallice (1982)
Patienten mit Läsionen des linken Frontalhirns zeigten Beeinträchtigungen im Vergleich zu Probanden mit posterioren Läsionen
Owen et al. (1990)
Frontalhirnpatienten zeigten Beeinträchtigungen im TOL unabhängig von den Seite der Läsion
Carlin et al. (2000):
Personen mit Frontalhirndemenz lösten weniger Probleme, benötigten längere Lösungszeiten und begingen mehr Regelverstöße
Owen et al. (1990). Planning and spatial working memory following frontal lobe lesions in man.
Neuropsychologia, 28,1021-34.
Shallice, T. (1982). Specific impairments of planning. Philosophical Transactions of the Royal
Society London B Biological Section, 298, 199-209.
Neuropsychologische Untersuchung zum Turm von Hanoi
20 Patienten mit Frontalhirnläsionen (8 RH, 6 LH, 6 Bilateral): Vietnam-veteranen mit Kopf-verletzungen, Tumorpatienten, Schlaganfall-patienten u.a.
20 Kontrollprobanden (parallelisiert nach Alter + Bildung)
Patienten hatten insbesondere Schwierigkeiten, wenn die Lösung einen Zug erforderte, der zunächst scheinbar wieder weiter weg vom Ziel führte
GOEL V, GRAFMAN J (1995). NEUROPSYCHOLOGIA, 33, 623-642
Teilprozesse beim TOL und funktionelle Bildgebungsstudien
TOL umfasst mehrere Teilprozesse Enkodierung und Repräsentation von Ausgangs- und Zielzustand
Auswahl eines zulässigen Zuges
Mentales Durchspielen von Zügen
Bewertung der Ergebnisse von Zügen in Bezug auf das Ziel
Aufrechterhaltung einer Sequenz von Zügen im Arbeitsgedächtnis (wenn das Planen „im Kopf“ erfolgen soll)
Motorische Ausführung der Züge
Zielsetzung von Bildgebungsstudien: Identifikation von Hirnregionen, die spezifisch durch Planungsprozesse
aktiviert werden
Abgrenzung dieser Regionen von motorischen und visuellen Arealen, die nicht am Planen i.e.S. beteiligt sind
Turm von London: Funktionelle Bildgebungsstudie von Dagher et al. (1999)
6 gesunde Probanden (mittleres Alter 58.6 Jahre)
Variante des TOL:
Kugeln sollen von einer Ausgangsposition mit möglichst wenigen Zügen in eine vorgegebene Zielposition gebracht werden
Darbietung auf Touch-Screen (Bewegung der Bälle durch Berühren des Balls und danach der gewünschten Zielposition)
Dagher et al. (1999). A correlational
PET study of planning in the Tower of
London task. Brain, 122, 1973-1987.
Turm von London: Funktionelle Bildgebungsstudie von Dagher et al. (1999)
Parametrisches Design:
Variation des Planungsaufwands (1 bis 5 Züge)
Suche nach Hirnregionen, in denen Aktivierung mit dem Planungsaufwand korreliert ist
Messung der regionalen Hirndurchblutung mit der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) während Probanden unterschiedlich komplexe Probleme bearbeiten
Ergebnisse: Verhaltensdaten
Dagher et al. (1999). A correlational
PET study of planning in the Tower of
London task. Brain, 122, 1973-1987.
Initial thinking time = Zeit von Darbietung
des Problems bis zum 1. Zug
Subsequent thinking time = Zeit von
erstem Berühen eines Balls bis zur Ziel-
erreichung
Ergebnisse: Funktionelle Bildgebung
Visuelle Kortex- regionen
Posteriorer Parietalkortex
Motorischer Kortex
Frontalkortex
Dagher et al. (1999). A correlational PET study of planning in the Tower of London task. Brain, 122, 1973-1987.
Differenz der Aktivierung TOL -
Baseline
Korrelation zwischen der Aktivität in verschiedenen
Hirnregionen und der Planungskomplexität
Turm von London: Funktionelle Bildgebung
Korrelation der Planungsschwierigkeit mit der Aktivität im
dorsolateralen präfrontalen Kortex (sowie ACC und N. Caudatus)
A parametric functional magnetic resonance study of the Tower of London task
22 gesunde Versuchspersonen (11m, 11w; mittlere Alter 30 J)
van den Heuvel et al. (2003). NeuroImage 18, 367–374
Verhaltensdaten
70
75
80
85
90
95
100
Baseline 1 Move 2 Moves 3 Moves 4 Moves 5 Moves
Perc
en
t co
rrect
0
2
4
6
8
10
12
14
16
Baseline 1 Move 2 Moves 3 Moves 4 Moves 5 Moves
Reacti
on
tim
e (
sec)
van den Heuvel et al. (2003). NeuroImage 18, 367–374
fMRT Ergebnisse
Regionen mit erhöhtem BOLD-Signal in der Planungs- im Vergleich zur Baselinebedingung
van den Heuvel et al. (2003). NeuroImage 18, 367–374
Dorsolateraler PFC
Motorischer Kortex
Visuell-räumliche Areale
fMRT Ergebnisse
Regionen, in denen der Anstieg des BOLD-Signals mit der Planungskomplexität korreliert war
DL-PFC
N. caudatus
Fronto-
Polarer
Kortex
(BA10)
Zusammenfassung
Die Turm-von-London Aufgabe aktiviert ein Netzwerk aus Hirnregionen dorsolateraler PFC
prämotorischer und motorischer Kortex
supplementär-motorische Region
Visuell-räumliche Regionen (u.a. Parietalkortex)
Striatum
Einige Regionen sind spezifisch an Planungsprozessen beteiligt Korrelation mit Planungskomplexität im dorsolateralen PFC (in einigen
Studien auch im Parietalkortex)
Selektive Aktivierung bei erhöhter Planungskomplexität im frontopolaren PFC (BA 10)
Koordination von Ober- und Unterzielen Braver und Bongiolatti (2002)
Hypothese: frontopolarer Kortex ist involviert, wenn beim Problemlösen Unterziele gebildet werden müssen und multiple Ziele koordiniert werden müssen
Aufgabe: Probanden sahen eine Abfolge von einzelnen Worten unter drei Versuchsbedingungen
(1) Arbeitsgedächtnisaufgabe: Vpn sollten überwachen, ob ein Zielwort (LIME) auf ein abstraktes Wort (FATE) folgt
(2) Semantische Kategorisierungsaufgabe: Vpn sollten entscheiden, ob Worte abstrakt oder konkret sind.
(3) Kombinierte Aufgabe: Vpn sollten überwachen, ob ein konkretes Wort auf ein abstraktes Wort folgt
Vp muss semantische Klassifikation vornehmen (= Unterziel)
Vp muss das abstrakte Hinweiswort im Arbeitsgedächtnis aufrecht erhalten
Korrekte Antwort erfordert Unterzielbildung und Integration der beiden Informationen
UV: Arbeitsgedächtnisbelastung = Zeitintervall zwischen Hinweis- und Zielwort (1 vs. 5 / 7.5 Sek.)
AV: Messung der Hirnaktivität mittels fMRT
Braver & Bongiolatti (2002). NeuroImage, 15, 523-536.
LIMONE nach UNWETTER
TISCH KARTE ABFALL FREIHEIT LIMONE APFEL HAND JACKE UNWETTER LIMONE BALL REGEN GABEL
TISCH KARTE ABFALL FREIHEIT DEMOKRATIE APFEL HAND JACKE PHILOSOPHIE NASE BALL METAPHYSIK GABEL
KONKRET ODER ABSTRAKT?
TISCH KARTE ABFALL FREIHEIT DEMOKRATIE APFEL HAND JACKE PHILOSOPHIE NASE BALL METAPHYSIK GABEL
KONKRET NACH ABSTRAKT
Region im linken ventrolateralen präfrontalen Kortex (VL-PFC)
• erhöhte Aktivierung in der semantischen Klassifikationsaufgabe
• kein Einfluss der Arbeitsgedächtnisbelastung.
Ergebnisse (1)
Braver & Bongiolatti (2002). NeuroImage, 15, 523-536.
Ergebnisse (2)
dorsolateraler präfrontaler Kortex (DL-PFC)
• Aktivierung wurde durch die Arbeitsgedächtnisbelastung (Länge des
Cue-Target-Intervalls) beeinflusst
• kein Effekt der An- oder Abwesenheit der Unterzielaufgabe
Braver & Bongiolatti (2002). NeuroImage, 15, 523-536.
(c)
Rechter frontopolarer präfrontaler Kortex (FP-PFC; BA 10)
• wurde in der kombinierten Unterziel-Arbeitsgedächtnis-Aufgabe aktiviert,
nicht aber in den beiden einfachen Aufgaben.
• Kein signifikanter Einfluss der Arbeitsgedächtnisbelastung
Braver & Bongiolatti (2002). NeuroImage, 15, 523-536.
Ergebnisse (3)
Problemraumtheorie: Zusammenfassung
Problemlösen als sequentielle Anwendung von Operatoren, die Ausgangszustand in Zielzustand transformieren
Problemlösen beruht auf mentaler Repräsentation des Problemraums, die fehlerhaft oder unvollständig sein kann
Problemlösen unterliegt Beschränkungen der Arbeitsgedächtniskapazität
Bei der Suche eines Weges vom Anfangs- zum Zielzustand werden Heuristiken angewendet
Problemraumtheorie kann das Lösen klar definierter Transformationsproblemen relativ gut erklären
Weniger gut zur Erklärung der Prozesse beim Lösen schlecht definierter, komplexer und dynamischer Problemen geeignet
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